1.1 Aufruf Papst Urbans II. zum Kreuzzug

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Geschichte, Weltgeschichte, Kreuzzug
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Unterrichtsstunden: Der erste Kreuzzug (1096 –1099)

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1. / 2. Unterrichtsstunde

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Krieg im Namen Gottes?

„Deus lo vult!“ („Gott will es!“), so antwortete eine begeisterte Menschenmenge auf den Aufruf Papst Urbans II. in der Kreuzzugspredigt am 27. November 1095 auf dem Konzil von Clermont. Anders als der Islam, der den militärischen Kampf (Dschihad) zur Verteidigung des islamischen Territoriums billigt, wird das Christentum von der Idee der Friedfertigkeit und der Gewaltlosigkeit nach dem Vorbild Jesu bestimmt. So bedurfte es einer gewissen Transformation des Christentums weg vom uneingeschränkten Pazifismus hin zur Lehre vom gerechten Krieg (lat. bellum iustum). Nach dieser müssen letztlich drei Bedingungen erfüllt sein, damit es sich um einen von Gott gebilligten Krieg handelt: Erstens muss die Kriegserklärung durch eine rechtmäßige Autorität (König, Kaiser oder Papst) erfolgen. Zweitens muss es einen „gerechten Grund“ für einen Krieg geben (z. B. die Abwehr eines feindlichen Angriffs oder die Zurückeroberung eines verlorenen Territoriums). Drittens muss der Krieg mit den richtigen Absichten und Zielen geführt werden, das heißt, die Verhältnismäßigkeit der Mittel muss gewahrt bleiben (so wenig Gewalt wie möglich, Schutz der Zivilbevölkerung usw.). Doch auch wenn der Kampf als gerechtfertigt angesehen wurde, das Kämpfen blieb eine Sünde – ein Dilemma für die sich formierende Ritterschaft. Als sich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts abzeichnete, dass das Reformpapsttum zur Durchsetzung seiner Forderungen militärischer Unterstützung bedurfte, versprach der Papst geistlichen Lohn für die Verteidigung der Kirche (Verbindung von Buße und Kampf). In dieser Situation kam Papst Urban II. das Hilfegesuch des griechischen christlichen Kaisers Alexios I. Komnenos von Byzanz gegen die Seldschuken äußerst gelegen. Er verknüpfte dieses mit der Dämonisierung der Muslime und dem Versprechen auf Vergebung aller gebeichteten Sünden in einem vor Gott nicht nur gerechtfertigten, sondern von Gott ausdrücklich gutgeheißenen Krieg. Die Verbindung von „bewaffneter Wallfahrt“ und gottgewolltem Krieg bewirkte die ausgesprochen hohe Popularität der Kreuzzugsbewegung. Kritik am Kreuzzugsvorhaben gab es dagegen kaum. Vielmehr verdeutlichen Darstellungen wie die des Christus militans, der mit dem Schwert zwischen den Lippen die Kreuzfahrer anführt, dass Gott bzw. Gottes Sohn als Lehnsherr seinen Vasallen, den Kreuzfahrern, den Heiligen Krieg befiehlt. Hinzu kam aber auch eine massenwirksame, eschatologisch begründete Jerusalemsehnsucht (Jerusalem als Ort des Leidens und Sterbens Christi). Neben diesen religiösen Motiven, die im Licht der aktuellen Forschung wohl als die vorherrschenden angesehen werden können, spielen bei der Ent-

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Fachwissenschaftliche Hinweise

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Unterrichtsstunden: Der erste Kreuzzug (1096 –1099)

scheidung für eine Teilnahme am Kreuzzug aber auch wirtschaftlich-soziale und machtpolitische Motive eine Rolle. So erkannte Papst Urban II. die Chance, seine Position als Oberhaupt der lateinischen Kirche und Christenheit zu stärken, indem er sich spirituell an die Spitze der Kreuzzugsbewegung stellte. Doch auch nachgeborene Söhne des Adels erhofften sich Einfluss und Macht in Form von Gebietsherrschaften im Heiligen Land. Europas Könige und der Kaiser sahen sich, sofern sie nicht in innereuropäische Konflikte verwickelt waren, als Schutzherren der Kirche und damit in der Pflicht. Der spontane Anschluss an die Kreuzzugsbewegung vonseiten des niederen Adels, der Bürger und Bauern wurde vor allem durch wirtschaftliche und soziale Probleme in der Heimat (z. B. Hungersnöte, Flucht vor Schulden, Strafen oder Fehden) begünstigt. Die Gewinnaussichten durch die Erschließung neuer Märkte der Levante motivierten vor allem Kaufleute, sich dem Kreuzzug anzuschließen. Letztlich dürfen aber auch das Motiv der Abenteuerlust und das höfische Ideal, im Kampf Ehre und Ruhm zu erlangen, nicht unerwähnt bleiben. Die äußerlich durch ein aufgenähtes Kreuz gekennzeichneten Kreuzfahrer genossen ähnliche Privilegien wie Pilger, z. B. den Rechtsschutz des Besitzes während ihrer Abwesenheit, den Aufschub von Lehens- und Hofdienst und die Aussetzung von Gerichtsverfahren, ein Moratorium für die Rückzahlung von Schulden sowie die Freiheit von Zöllen und Steuern. Dieses Bündel verschiedenster Ursachen und Motive erklärt die Begeisterung der Massen, die sich bis zum Fanatismus steigern konnte. Letzterer war sicherlich für das Unternehmen ebenso „notwendig“ wie auch hinderlich und kontraproduktiv: „Notwendig“ deshalb, da die Kreuzfahrer enormen Strapazen und Gefahren ausgesetzt waren. Hinderlich, da die Dämonisierung der Muslime eine Verhandlungs- und Kompromisslösung ausschloss, die angesichts des aussichtslosen Unterfangens, auf Dauer ein von Feinden umzingeltes Gebiet militärisch zu halten, dringend notwendig gewesen wäre.

Methodischdidaktische Hinweise

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Die Doppelstunde ist schülerzentriert angelegt. Mithilfe einer Lehrererzählung wird im Einstieg ein situativer Rahmen geschaffen. Dieser lässt die Schüler in das Geschehen rund um den Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. in Clermont-Ferrand im Jahr 1095 eintauchen. Der narrative Rahmen setzt sich in der ersten Erarbeitungsphase fort, indem die Schüler fiktive Gespräche auswerten, wie sie in Clermont während des Konzils stattgefunden haben könnten. Aus diesen leiten sie die unterschiedlichen Motive der Menschen ab, sich auf den Kreuzzug zu begeben. In der zweiten Erarbeitungsphase beschäftigen sich die Schüler in Grundzügen mit wichtigen Fakten rund um den ersten Kreuzzug. Sie werten eigenständig mithilfe eines Lückentextes eine Karte aus und verschaffen sich so einen Überblick über den Weg, die Eroberungen und die Schwierigkeiten, denen die Kreuzritter ausgesetzt waren. Die dritte Erarbeitungsphase befasst sich mit der Eroberung Jerusalems. Mithilfe von Text- und Bildmaterial wird das Geschehen nachvollzogen und bewertet. In einer letzten Phase erfolgt eine Reflexion über das Vorgehen der Christen im Heiligen Land sowie eine Bewertung der Vorgänge des ersten Kreuzzugs. Abschließend wird die Frage gestellt, welche Handlungsalternativen es zu diesem „Heiligen Krieg“ gegeben hätte.

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Unterrichtsstunden: Der erste Kreuzzug (1096 –1099)

– Die Schüler kennen die wesentlichen Fakten zum ersten Kreuzzug. – Sie können unterschiedliche Materialien (Bild- und Textquellen, Texte, Karten) mithilfe von schülernahen Lernaufgaben selbstständig erschließen. – Sie sind in der Lage, das Kreuzzugsgeschehen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beurteilen.

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Lernziele / Kompetenzen

1.1 Aufruf Papst Urbans II. zum Kreuzzug Der Einstieg in die Sequenz erfolgt mittels einer bildgestützten Lehrererzählung zum Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. Diese wird im gelenkten Unterrichtsgespräch ausgewertet. Eine ergänzende Lehrerinformation sowie die Erarbeitung einer Karte vermitteln den Schülern weitere historische Zusammenhänge. Die Ergebnisse werden an der Tafel festgehalten. Anschließend wird das Thema der Stunde fixiert: Krieg im Namen Gottes?

Einstieg

Lehrererzählung „Er kommt, er kommt!“, hallt es durch die Gassen des kleinen Städtchens Clermont in der Auvergne im südlichen Herzen Frankreichs. Schon seit Tagen ist die Stadt im Ausnahmezustand. Normalerweise ist es um diese Jahreszeit auf den öffentlichen Plätzen der Stadt ruhig und menschenleer, aber heute schieben sich die Bauern, Kaufleute und Edelleute der umliegenden Dörfer und Burgen zu Hunderten durch die Straßen. Ihr Ziel: die Stiftskirche Notre-Dame du Port. Diese Kirche ließ Stephan II., Bischof der Auvergne, vor gut hundert Jahren erbauen, nachdem die Stadt von Normannen fast vollständig zerstört worden war. In der Kirche wird heute, am 27. November 1095, der Papst, der Stellvertreter Gottes auf Erden, zu den Gläubigen sprechen. Bereits seit über einer Woche hält sich Papst Urban II. in Clermont auf, um mit seinen Bischöfen Angelegenheiten der tief zerstrittenen und gespaltenen Kirche zu erörtern. Heute aber möchte er zu allen Gläubigen sprechen. Es sind „schlimme“ Nachrichten aus Jerusalem und Konstantinopel, die ihn zu diesem Schritt bewegen und ihn eine dramatische Rede halten lassen: „Geliebtes Volk der Franken! Aus dem Land Jerusalem und der Stadt Konstantinopel kam schlimme Nachricht und drang schon oft an unser Ohr: Das Volk im Perserreich, ein fremdes Volk, ein ganz gottfernes Volk […], hat die Länder der dortigen Christen besetzt, durch Mord, Raub und Brand entvölkert und die Gefangenen teils in sein Land abgeführt, teils elend umgebracht […]. Wem anders obliegt nun die Aufgabe, diese Schmach zu rächen, dieses Land zu befreien, als euch? Euch verlieh Gott mehr als den übrigen Völkern ausgezeichneten Waffenruhm, hohen Mut, körperliche Gewandtheit und die Kraft, den Scheitel eurer Widersacher zu beugen. Tretet den Weg zum Heiligen Grab an, nehmt das Land dort dem gottlosen Volk, macht es euch untertan! […] Jerusalem ist der Mittelpunkt der Erde, das fruchtbarste aller Länder, als wäre es ein zweites Paradies der Wonne […]. Schlagt also diesen Weg ein zur Vergebung eurer Sünden, nie verwelkender Ruhm ist euch im Himmelreich gewiss.“ Papstworte zitiert nach: Arno Borst: Lebensformen im Mittelalter, S. 330 f. © 2004 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.

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