2.1.1. Die rezeptive phonologische Entwicklung Seite 7

January 16, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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Katharina van den Berg

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung

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1.1. Theorien zum Spracherwerb

Seite 4

1.1.1. Die lernpsychologische Theorie nach Thorndike

Seite 4

1.1.1.1. Kritik an Thorndikes Theorie

Seite 5

1.1.2. Die nativistische Theorie nach Chomsky

Seite 5

1.1.2.1. Kritik an Chomskys Theorie

Seite 6

1.2. Resumeé

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2. Meilensteine der Sprachentwicklung

Seite 7

2.1. Die phonologische Entwicklung

Seite 7

2.1.1. Die rezeptive phonologische Entwicklung

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2.1.2. Die produktive phonologische Entwicklung

Seite 8

2.2. Die lexikalische Entwicklung

Seite 9

2.2.1. Die ersten Wörter

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2.2.1.1. Der Ablauf des „fast-mapping“

Seite 10

2.2.1.2. Übergeneralisierung und Überdiskriminierung

Seite 10

2.2.1.3. Der Erwerb von Verben

Seite 11

2.3. Die Satzproduktion

Seite 12

2.3.1. Einwortsätze

Seite 12

2.3.2. Zweiwortsätze

Seite 12

2.3.3. Dreiwortsätze

Seite 13

2.3.3.1. Die drei Stufen der strukturellen Reorganisation nach Bowerman

Seite 14

2.4. Die Entwicklung der Pragmatik

Seite 15

2.4.1. Die Entwicklung der Sprechakte

Seite 15

2.4.2. Die Entwicklung der Kommunikationsmechanismen

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3.Voraussetzungen für einen erfolgreichen Spracherwerb

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3.1. Sprachspezifische Voraussetzungen

Seite 18

3.1.1. Die Lateralisation

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3.1.2. Der Sprechapparat

Seite 19

2.1.3. Das Gehör

Seite 19

2.2. Die Kognition, eine sprachspezifische Vorraussetzung?

Seite 20

2.3. Die Mutter-Kind-Interaktion

Seite 21

4. Schlußbemerkung

Seite 22

5. Literaturverzeichnis

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1. Einleitung 1.

Die Sprache ist ein Werkzeug (ein Organon), das dazu genutzt wird „um einer dem anderen etwas mitzuteilen über die Dinge“, wie schon der Philosoph Platon festgestellt hat. Karl Bühler, der den Handlungscharakter der Sprache als besonders wichtig ansieht, entwickelte daraus das sogenannte Organon-Modell (Hörman S.14).

Abb. 1: Organon-Modell nach Karl Bühler aus Oerter, Montada 1998

Hieran kann man erkennen, dass die Sprache drei Funktionen hat, nämlich den Apell, den Ausdruck und die Darstellung. Diese drei Funktionen werden bei jedem Sprechakt erfüllt, wobei man diesen als regulativen Sprechakt bezeichnet, wenn der Apell hervorgehoben wird und als konstativen, wenn die Darstellung besonders berücksichtigt wird (Oerter 708). Das Kind beginnt schon von Geburt an, mit seiner Umwelt zu kommunizieren, wobei sich der Horizont immer mehr erweitert und parallel dazu die Sprachfähigkeit. Bei der Produktion und dem Verstehen verbaler Ausdrücke sind mindestens folgende Komponenten beteiligt: 1. die Prosodie, zu der alle Kriterien zugeordnet werden, die die Tonhöhe, die Lautstärke und die Länge der Sprechlaute betreffen, 2. die Phonologie oder auch Lautstruktur der Sprache, 3. die Morphologie, bei der es um die große Einheit des Wortes geht, anhand derer die Formlehre abzuleiten ist, wie z.B. das in bei Fahrerin angibt, dass die Person weiblich ist, 4. die Syntax, die die Regeln zur Kombination von Wörtern zu Sätzen bezeichnet, 5. das Lexikon, das die Wortbedeutung angibt, 6. die Sprechakte, die sozial-interaktive Beziehungen zwischen Kommunikationspartnern herstellen, 7. der Diskurs, mit dem die Mechanismen und Strategien gemeint sind, die für einen Kommunikationsvorgang von Bedeutung sind (Oerter 707). 3

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In meiner Arbeit werde ich näher auf die Punkte 2, 3, 4 und 5, die man zusammenfassend als Grammatik bezeichnet und auf die Punkte 6 und 7, die man als Pragmatik bezeichnet eingehen. Der erste Punkt, die Prosodie, wird in den einzelnen Abschnitten zu finden sein, besonders bei der Phonologie; beginnen werde ich jedoch mit einigen Theorien zum Spracherwerb des normalentwickelten Kindes.

1.1. Theorien zum Spracherwerb Menschen unterscheiden sich –unter anderem- von Tieren darin, dass sie die Fähigkeit zur Sprache besitzen (Grimm 14). Auf die Frage, wie die Menschen diese Fähigkeit realisieren, die Sprache zu erwerben, gibt es verschiedene Antworten, von denen ich im Folgenden zwei anführen werde.

1.1.1. Die lernpsychologische Theorie nach Thorndike Auf der einen Seite gibt es die lernpsychologische Theorie, die den Erwerb der Sprache durch die ständig zunehmende Fähigkeit des Kindes zur Nachahmung der Sprache seiner ihn umgebenden Personen, erklärt. Das Kind ist dadurch in der Lage, sich die immer komlpexer werdenden grammatikalischen Regeln, mit denen es im Laufe seines Lebens konfrontiert wird, anzueignen, d.h., sie nachzuahmen. Die anfänglich falschen grammatikalischen Äußerungen werden ebenfalls durch einen Lernprozess eliminiert, so dass das Kind seine Grammatik immer wieder durch Lernprozesse verbessert. Ein bekannter Vertreter dieser Richtung ist der amerikanische Psychologe Edward Lee Thorndike, der die Theorie aufstellte, dass ein Organismus spontan verschiedene Verhaltensweisen produziert, unter denen auch zufällig eine einem Stimulus adäquate Verhaltensweise dabei ist, die den Organismus in einen angenehmen Zustand versetzt, weil sein Bedürfnis befriedigt wurde. Der Organismus sucht nun nach der Versuch-und-IrrtumMethode diese eine Verhaltensweise heraus und wird sie bei der gleichen Stimulussituation gehäuft zeigen, was mit dem Begriff „Reinforcement“ bezeichnet wird. Thorndike transformiert dieses Reinforcement auf die Sprachentwicklung des Kindes, was bedeutet, dass seiner Einstellung nach Kinder die Wörter und Laute, die sie durch Personen aus ihrer Umwelt erfahren haben, so lange imitieren, bis sie eine positive Reaktion ihrer Umwelt erfahren. Das setzt sich dann soweit fort, bis Kinder die Sprache ihrer Eltern sprechen können (Hörman 156ff). Aus dieser Sichtweise ist die Mutter-Kind-Interaktion von großer Bedeutung, da die Mutter meistens die Person ist, die das Kind nachzuahmen versucht (Mönks 118). 4

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1.1.1.1. Kritik an dieser Thorndikes Theorie An dieser Theorie sind nachfolgende Punkte zu kritisieren: 1. Ein Kind produziert nicht diese Vielzahl an Lauten, wie Thorndike behauptet; es hat also eine geringere Auswahl an Lauten, mit denen es nach der Versuch-und-Irrtum-Methode verfahren kann. 2. Ein Kind wird nicht ständig von seiner Umwelt für ein neues Wort oder einen richtigen Zusammenhang belohnt, sodass häufig die positive Reaktion der Umwelt ausbleibt, das Kind aber trotzdem ein neues Wort beherrscht. 3. Ein Kind würde auch noch zu der Zeit ohne Sprache auskommen, zu der es bereits –wenn auch nur ansatzweise- sprechen kann, da seine Bedürfnisse, wie z.B. Nahrung zu bekommen, auch erfüllt werden, ohne dass es verbal kommunizieren muß, die Bedürfnisbefriedigung kann nicht der Motor zum Spracherwerb sein (Hörman 157). 4. Ein Kind produziert häufig falschen Äußerungen, wie z.B. „gibte“ für „gab“ oder „geschmeißt“ für „geschmissen“, wofür Thorndikes Theorie keine Erklärung liefert (Lindsay 399). 5. Ein Kind kreirt auch neue Sätze, d.h., dass es diese nicht nachahmt, was sich durch die Lerntheorie nicht erklären lässt (Mönks 118).

1.1.2. Die nativistische Theorie nach Chomsky Aus

diesen

Kritikpunkten

kann

man

schließen,

dass

Nachahmung

alleine

die

Sprachentwicklung bzw. den Spracherwerb beim Kind nicht erklären kann. Es gibt noch einen anderen Erklärungsansatz, und zwar den nativistischen Ansatz. Wissenschaftler, die diesen vertreten, sind der Meinung, dass die Menschen ein angeborenes Wissen um die Grundstrukturen der Sprache besitzen. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Richtung ist der Linguist Naam Chomsky (Hörman 158).Er geht in seiner Annahme davon aus, dass das Hypothesenbildungsverfahren, die sprachlichen Universalien und das Hypothesenbewertungsverfahren angeboren sind. Mit dem Hypothesenbildungsverfahren meint Chomsky, dass das Kind in der Sprache und in den Lautfolgen der ihn umgebenden Personen gleichbleibende Muster entdeckt, anhand derer es Hypothesen über die –zunächst einfachen, später auch über komplexeren- Regeln, die dieser Lautstruktur zugrunde liegen, konstruiert. Die sprachlichen Universalien lassen sich untergliedern in substantielle und formale Universalien. Im Bezug auf die substantiellen Universalien bedeutet das nach Chomsky, dass 5

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das Kind zwischen Verben und Nomen unterscheiden kann, dass es weiß, dass diese kombiniert werden können und das es weiß, was zur Sprache gehört (Vokale und Konsonanten) und was nicht (z.B. Husten und Niesen). Mit den formalen Universalien meint Chomsky, dass das Kind prädisponiert ist, eine Transformationsgrammatik zu produzieren. Die Transformationsgrammatik findet erstens dabei Anwendung, dass Kinder annehmen, dass die Sprache hierarchisch gegliedert ist und ein neues Wort in dieses hierarchische System eingliedert, indem sie dieses mit dem Rang eines altbekannten Wortes vergleichen und dieses dann auf das neue Wort übertragen, bzw transformieren. Die Transformationsgrammatik kommt zweitens zum Einsatz bei der Transformation der Sätze aus der Tiefenstruktur in die Oberflächenstruktur. Jeder Satz besitzt eine Tiefen- und eine Oberflächenstruktur, so weisen z.B. die Sätze „Hans jagt die Katze“ und „Die Katze wird von Hans gejagt“ die gleiche Tiefenstruktur auf, d.h. sie enthalten die selbe Bedeutung, die Umsetzung in einen Satz ist jedoch verschieden. Sie sind durch die Transformationsgrammatik in die Oberflächenstruktur transformiert worden und zwar einmal in einen Aktivsatz und zum anderen in einen Passivsatz. Weiterhin sagt Chomsky, dass das Hypothesenbewertungsverfahren angeboren ist, was besagt, dass Kinder die Fähigkeit besitzen, die einzelnen gebildeten Hypothesen gegenüber abzuwägen (Szagun 74ff). Diese drei angeborenen Fähigkeiten sind Bestandteil des LAD (language acquisition device)Modells von Chomsky, was folgendermaßen vorzustellen ist: Der Säugling besitzt einen angeborenen Spracherwerbsmechanismus(LAD) (Grimm 16), der aus - dem Hypothesenbildungsverfahren - den sprachlichen Universalien und - dem Hypothesenbewertungsverfahren besteht ( Szagun 77). Von der Unwelt erhält der LAD primäre Sprachdaten, die er dann so verarbeitet (s.o.), dass das Kind grammatikalische Kompetenz erlangt, indem es diese Regeln richtig anwenden kann (Grimm 16).

1.1.2.1. Kritik an Chomskys Theorie Als Kritik zu diesem Standpunkt ist zu erwähnen, dass widerlegt werden konnte, dass Kinder die angeborene Fähigkeit zur Bildung von Transformationsgrammatik besitzen (Szagun 89).

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Weiterhin muß gesagt werden, dass der LAD-Mechanismus noch nicht nachgewiesen werden konnte (Mönks 117).

1.2. Resumeé Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei den Theoretikern die größte Übereinstimmung bei der Annahme herrscht, dass der Spracherwerb ein impliziter Lernprozess ist, bei dem sich innere Mechanismen und äußere Lebensbedingungen so ideal ergänzen, dass sie dazu führen, dass Kinder das Sprechen lernen und ihre Sprache weiterentwickeln (Oerter 713).

2. Meilensteine in der Sprachentwickung Das Kind wird in eine sprechende Welt hineingeboren und hat mit dem Spracherwerb eine große Aufgabe vor sich (Weinert. 11), Lindsay und Norman bezeichnen den Spracherwerb sogar als „eine der Hauptaufgaben, die das Kleinkind zu bewältigen hat“ (Lindsay 391). Es muß Wörter aus dem gesamten Sprachmaterial isolieren und deren Bedeutung herausfinden, es muß begreifen, auf welche Art Wörter miteinander verbunden sind und aus ihnen Sätze entstehen, weiterhin wird es Textstrukturen lernen und verbale Kommunikation analysieren (Oerter 714).

2.1. Die phonologische Entwickung 2.1.1. Die rezeptive phonologische Entwicklung Mit der rezeptiven (aufnehmenden) phonologischen Entwicklung ist gemeint, dass der Säugling schon sehr viel mehr Lautmuster unterscheiden kann, als er zu produzieren in der Lage ist. Um dies zu beweisen, wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführte, von denen ich eines kurz anführen werde: das Paradigma der Habituation und Dishabituation. Säuglingen wurden Reizmuster so lange gegeben, bis sie von ihnen nicht mehr beachtet wurden, weil sie sich daran gewöhnt hatten. Nun gab man ihnen ein verändertes Reizmuster. Durch das gezeigte Interesse für dieses neue Reizmuster kann man darauf schließen, dass der Säugling den ersten Reiz vom zweiten unterscheiden kann (Oerter 716). Bei diesen Untersuchungen kam auch heraus, dass sich der Säugling am meisten für die Sprache interessiert, die an ihn gerichtet ist; bei einem bis zu einem Jahr alten Kind heisst die entsprechende Sprache „baby-talk“ oder „Ammensprache“ (Oerter 747). Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr vereinfacht ist und in hoher Tonlage gesprochen wird. Die Sätze

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sind einfach strukturiert und enthalten mehr als nur einen Hauptakzent. Der Wortschatz ist kindgemäß, sodass dieses schon einen Teil der Semantik herausfinden kann (Szagun 269). Ingeborg Stengel (1974) rät den Eltern von Kleinkindern , sich mit dem Baby zu unterhalten, da das Kind dadurch lernt, dass jedes Ding einen Namen hat. Weil das Sprachverständnis vor dem Sprechenlernen kommt, gibt sie zu beachten, dass man die Sprache anbieten und nicht fordern sollte. Außerdem ist es wichtig, dem Kind nicht zu viele Sprachinformationen zu geben, da es sonst überfordert wird (Stengel 71ff).

2.1.2. Die produktive phonologische Entwicklung Hierbei werde ich anführen, wie die Entwicklung von Sprachlauten zur Wortproduktion geschieht. Der erste Laut, den das Neugeborene von sich gibt ist der Geburtsschrei, welcher dazu dient, die Atmung in Gang zu setzten (Mönks 118). Nun folgen ständig neue Äußerungen, bis hin zur Wortproduktion, was im Wesentlichen in fünf Stadien gegliedert werden kann (Oerter 714). 1. Im Alter von 6-8 Wochen beginnt der Säugling zu gurren. Diese Laute klingen – oberflächlich betrachtet- wie die von den Erwachsenen produzierten Vokale und Konsonanten. Zu diesem ersten Stadium wird auch das Lachen, das etwa im Alter zwischen 2 und 4 Monaten einsetzt, gezählt. Eine steigende Produktion verschiedener Laute beginnt. 2. Ebenfalls zwischen dem 2. und dem 4. Lebensmonat ist der Säugling in der Lage, vorgesprochene Laute wie a/oh/i nachzuahmen. Es werden nur sprachliche und keine nicht-sprachlichen Laute imitiert. 3. Ist das Kind zwischen 6 und 9 Monaten alt (Oerter 714), beginnt das Stadium des Lallens, welches als Vorläufer der Sprachentwicklung zu werten ist (Weinert 119). Die Replikation von Silben wird als kanonisches Lallen bezeichnet. Mit der Zeit werden die Vokal-Konsonant-Verbindungen, die beim kanonischen Lallen existieren, satzähnlich betont, was als Hinweis für die Kontrolle über die entwickelten Sprechorgane gewertet werden kann (Oerter 714). 4. Einige Kinder sprechen ihr erstes Wort bereits mit 9 Monaten (Weinert 119). Im Normalfall beginnt die Produktion der ersten Wörter zwischen dem 10. und 14. Lebensmonat. Jakobson betrachtet diesen Entwicklungsschritt nicht als ererbt sondern als ein Lautverhalten, das mit der Muttersprache noch sehr wenig zu tun hat, da das Kind viele unterschiedliche Laute produziert, die nicht Bestandteil der Muttersprache sind. 8

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Laut Jakobson folgt nach dieser Phase kurz eine Verstummungsphase, in der der Säugling seinen Wortschatz zu ordnen beginnt. Anschließend, so Jakobson, kommt die Phase der Wortproduktion, was bedeutet, dass der wahre Spracherwerb nun beginnt. Dies wurde jedoch kritisiert, weil erstens die Vielfalt der Laute, die Jakobson anspricht, übertrieben ist, weil die Kinder zweitens noch Lalllaute produzieren, wenn sie schon die ersten Wörter sprechen, und weil drittens eine Zeit der Verstummung nicht eindeutig zu beobachten ist (Oerter 714). 5. Mit dem 18. Lebensmonat ist eine magische Grenze, nämlich die 50-Wörter-Marke erreicht; ab dieser Marke werden neue Wörter viel schneller gelernt. Hierbei ist eine Regression der Aussprache zu bemerken, was jedoch nicht als Rückschritt gewertet werden darf, obwohl die Kinder damit beginnen, alte bekannte Wörter ungenau und grammatikalisch falsch auszusprechen. Die Kinder beginnen nun damit, ihren Wortschatz neu zu ordnen, was bedeutet, dass diese Phase vielmehr Fortschritt bedeutet, weil sie mit einer qualitativen Steigerung einhergeht (Oerter 719).

2.2. Die lexikalische Entwicklung In diesem Abschnitt möchte ich beschreiben, wie das Kind seinen Wortschatz gründet, erweitert und verändert.

2.2.1. Die ersten Wörter Ab dem 10. Monat beginnt das Kind, seine ersten Wörter zu produzieren. Diese Wörter sind vor allem Lallwörter und duplizierte Buchstaben, wie z.B. „mama“ oder „dada“ (Mönks 120). Zwischen dem 10. und 18. Lebensmonat findet ein Wechsel des Wortgebrauchs statt. In diesem Zeitraum wurden schon ca. 30 Wörter erworben, die spezifisch und kontextgebunden waren. Mit dem Erreichen der sechsten sensumotorischen Entwicklungsstufe nach Piaget (Oerter

719),

die

den

Übergang

vom

sensumotorischen

Inelligenzakt

zur

Vorstellungsfähigkeit beschreibt (Oerter 521), ist ein Wechsel des bisher interpersonellen Wortgebrauchs in einen Wortgebrauch mit intrapersoneller, regulativer und kognitiver Qualität zu verzeichnen. Konnte das Kind zuvor nur Gegenstände seiner unmittelbaren Umwelt bezeichen, so ist es nun in der Lage, auch abstrakte Beziehungen zu benennen. Haben die Kinder die 50-Wort-Marke erreicht, kann man eine erhebliche Steigerung der Bennenungen beobachten; es handelt sich um die Benennungsexplosion (Oerter 719). Das Kind hat nun entdeckt, dass jedes Ding einen Namen hat und versucht, diesen herauszufinden

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und auch auszusprechen. Die Eltern können die lexikalische Entwicklung dadurch fördern, indem sie häufig z.B. nachfragen „Was ist das ?“ (Grimm 25). 2.2.1.1. Der Ablauf des „fast-mapping“ Eine interessante Frage, die sich nun anschließt, ist, wie die Kinder im Zuge der Bennenungsexplosion erkennen, welche Benennung zu welchem Objekt passt. Markman und seine Mitarbeiter haben eine meiner Meinung nach interessante Theorie entwickelt. Das Kind kann, obwohl es bis jetzt nur geringe Erfahrungen gemacht hat, ein Wort einer bestimmten Bedeutung zuordnen, was als „fast-mapping“ bezeichnet wird. Die Wörter werden also gleichzeitig mit ihrer Bezeichnung gelernt, wenn die dafür zugrundeliegenden Konzepte vollständig erworben sind. Markman und seine Mitarbeiter gehen davon aus, dass es beim Wortlernen Beschränkungen, sog. Constraints gibt, durch die die vielen Bedeutungsmöglichkeiten auf wenige reduziert werden, sodass die möglichen Annahmen über Wortbedeutungen enorm reduziert werden, was bei der Bennenungsexplosion von großer Bedeutung ist. Die Constraints lassen sich in drei Annahmen gliedern, die ich im Folgenden –aus Gründen der Übersicht aufgelistet- vorstellen werde. Wenn das Kind in einer Bennenungssituation -

ein neues Wort in Gegenwart eines noch unbekannten Objektes hört, so nimmt es an, dass sich das Wort auf ein ganzes Objekt bezieht und nicht auf einzelne Teile, das Kind geht hier nach der Ganzheitsannahme vor.

-

ein neues Wort hört, geht es davon aus, dass dieses Wort keine thematischen Relationen zwischen Objekten sondern kategoriale Relationen bezeichnet, es benennt gemäß der Taxonomieannahme.

-

ein neues Wort in Gegenwart eines altbekannten Objektes hört, so schließt es daraus, dass das neue Wort einen Teil des bekannten Objektes bezeichnet; es hat hierbei die Disjunktionsannahme angewendet (Oerter 721ff).

2.2.1.2. Übergeneralisierung und Überdiskriminierung Übergeneralisierung und Überdiskriminierung sind die Bezeichnungen für ein Problem, das bei Kindern in der frühen Wortproduktion häufig auftritt, weil sie die gelernten Bezeichnungen oft nicht richtig anwenden. Entweder übertragen sie die Benennung auch auf Begriffe, auf die diese Benennung nicht zutrifft, was bei der Übergeneralisierung der Fall ist

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oder sie schränken die Anwendung eines Begriffes zu stark ein, sodass auch Objekte, die unter diesem Begriff zu verstehen sind, nicht mitgemeint werden. Zum besseren Verständnis möchte ich dies an Beispielen verdeutlichen. Es kann vorkommen, dass ein Kind einen Hund sieht und sich merkt, dass ein Hund sich bewegt, eine bestimmte Größe und Farbe hat. Wenn es nun alle Objekte und Subjekte, die diese Merkmale ebenfalls aufweisen, z.B. eine Katze oder einen kriechenden Menschen als Hund bezeichnet, spricht man von einer Übergeneralisierung, da das Kind den Begriff Hund auf Begiffe ausgedehnt hat, für die die Bezeichnung nicht angemessen ist. Es könnte aber auch passieren, dass sich ein Kind andere Merkmale eines Hundes gemerkt hat, z.B., dass die Zunge heraushängt, dass der Hund Flecken, eine bestimmte Größe, eine kurze Rute und hängende Ohren hat. Erfolgt nun eine Überdiskriminierung, so bezeichnet das Kind nur noch Hunde mit o.g. Merkmalen als Hund, andere Hunde, die vielleicht kleiner sind und keine Flecken haben, könnte das Kind nicht benennen (Lindsay 395ff). Es ist folglich für das Kind eine sehr schwere Aufgabe, zu unterscheiden, wann es generalisieren und wann es diskriminieren muß.

2.2.1.3. Der Erwerb der Verben Der passive Wortschatz des Kindes ist viel größer als der produktive. Außerdem ist das passive Bedeutungswissen viel größer: so verstehen Kinder schon eine Reihe von Adverbien, Verben und syntaktischen Konnektiven, obwohl sie selbst noch keine produzieren können. Die Syntax ist beteiligt bei jedem Neuerwerb von Wörtern, besonders bei Verben, was auf dreierlei Gründen beruht: Zum einen gibt es eine Reihe von Verben, die sich als Wortpaare auf denselben Ereignistyp beziehen, wie z.B. fliehen-jagen. Jeder Teil des Wortpaares beschreibt die Situation aus einer anderen Perspektive. Zum zweiten kann man synonyme Verben dazu benutzen, sich auf verschiedene Spezifikationsniveau auszudrücken (anschauen-sehen-visuell wahrnehmen). Der dritte und letzte Grund ist der, dass es Verben gibt, die sich nicht auf beobachtbare Ereignisse beziehen, wie z.B. die mentalen Verben „fühlen“ oder „denken“. Anhand ihrer Verwendung (oder auch Nicht-Verwendung) kann man auf den kognitiven Entwicklungsstand des Kindes schließen. Außerdem besitzen Verben unterschiedliche Wertigkeiten, so ist z.B. das Verb „sehen“ 2-wertig, da nur der Seher und das Gesehene beteiligt sind. Das Verb

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„schenken“ hingegen ist 3-wertig, da zum ersten der Schenker, zum zweiten der Beschenkte und zum dritten das Geschenk betroffen sind (Oerter 724ff). Je weiter das Kind in seiner kognitiven Entwicklung ist, um so häufiger tauchen mentale und 3-wertige Verben auf.

2.3.Die Satzproduktion 2.3.1. Einwortsätze Beginnt das Kind, sich durch einzelne Wörter mitzuteilen, haben diese die Qualität eines ganzen Satzes, d.h., dass die nicht reine Objektbezeichnungen sind, sondern Einwortsätze, die die Bedeutung eines gesamten Satzes besitzen. Der Inhalt dieser Einwortsätze ist intellektuell, emotional und volitional. Das Kind hat hierdurch zum ersten Mal die Möglichkeit, sich verbal zu äußern, es kann sagen, ob er etwas möchte oder ablehnt. Wenn ein Kind z.B. das Wort „Stuhl“ ausspricht, kann es-je nach Situation- unter anderem bedeuten: „Setz dich auf den Stuhl“ oder „Nimm den Stuhl weg“. Die Interpretation erfolgt immer in Abhängigkeit der Situation (Mönks 120).

2.3.2. Zweiwortsätze Im Alter zwischen 18 Monaten und 2 Jahren bilden Kinder dann Zweiwortsätze, wodurch sie dann die Möglichkeit haben, sich besser auszudrücken (Szagun 16). Braine stellte 1963 die Theorie der Pivot-Grammatik auf. Danach gibt es zwei Klassen von Wörtern, die PivotWörter und die offenen Wörter. Pivots sind wenige Wörter, die aber sehr häufig gebraucht werden, zu ihnen zählen Artikel, Präpositionen und Hilfsverben. Zu den offenen Wörtern zählen Nomen, Verben und Adjektive, also solche, die hohen Bedeutungsgehalt besitzen; sie werden als offene Wörter bezeichnet, weil ihre Anzahl ständig erhöht werden kann und erhöht wird.

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Braine

beobachtete

das

Sprachverhalten

englischsprachiger

Kinder

in

diesem

Entwicklungsstadium und stellte fest, dass die meisten Sätze die Struktur Pivot + offenes Wort und einige die Struktur offenes Wort + Pivot aufwiesen, wenige Sätze bestanden aus der Kombination offenes Wort + offenes Wort und kein einziger Satz wurde aus zwei Pivots gebildet. Außerdem fiel ihm auf, dass die Kombination eines Pivots mit demselben offenen Wort immer die gleiche Reihenfolge hatte und nie in umgekehrter Reihenfolge auftauchte. Daraus leitete Braine ab, dass Pivot-Wörter immer in fester Position im Satz stehen, dass sich Pivots mit anderen Wörtern, die in variabler Position im Satz stehen, kombinieren lassen und dass zwar offene Wörter miteinander kombinierbar sind, die Pivots jedoch nicht. In anderssprachigen Ländern wurden ähnliche Untersuchungen durchgeführt, bei denen herauskam, dass die Pivot-Grammatik von Braine nicht immer zutrifft. Pivots können auch in variabler Position in einem Zweiwortsatz stehen. So sagte z.B. ein russischsprechender Junge einmal „Junge da“ und bei einer anderen Gelegenheit „da Junge“, er hatte die Position des Pivots (da) mit der des offenen Wortes (Junge) vertauscht. Bei u.a. deutschsprachigen Kindern wurde beobachtet, dass auch zwei Pivots miteinander kombiniert werden können, so besteht z.B. der Zweiwortsatz „auch mehr“ aus zwei Pivots (Szagun 17ff).

2.3.3. Dreiwortsätze Ab dem 2. Lebensjahr entwickeln sich aus den Zweiwortsätzen allmählich die Dreiwortsätze. Das Kind beginnt damit, Wortklassen zu unterscheiden, Pluralformen der Substantive zu lernen, die regelmäßigen- später auch die unregelmäßigen- Verben zuerst im Präsens, dann auch in den anderen Zeitformen zu konjugieren. Das Kind hat eine relativ feste Wortfolge, was hauptächlich daran liegt, dass es bisher nur mit der einfach strukturierten Sprache der Erwachsenen konfrontiert war (Mönks 121).

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Der Sprachstil, der hier dominiert, wird bezeichnet als Telegrammstil, ein von Brown geprägter Begriff. Charakteristika dieser Sprache sind das Auslassen bestimmter Satzelemente, wie z.B. Artikel, Hilfsverben, Funktionswörter wie Konjunktionen und Präpositionen und Ableitungs- und Flexionsmorpheme. Der Unterschied zur „echten“ Telegramm-Sprache liegt darin, dass die Inhalte einer solchen meistens eindeutig sind, bei der kindlichen telegraphischen Sprache sind diese erst in Verbindung einer Situation einigermaßen eindeutig. Die Mutter oder ein anderer Kommunikationspartner interpretiert das Gesagte und überprüft die Interpretation auf ihre Richtigkeit, indem in grammatikalisch korrekter Weise das wiederholt wird, was geglaubt wurde, verstanden worden zu zu sein (Oerter 729). Diese Methode regt dadurch, dass das Kind immer mit der korrekten Aussprache konfrontiert wird, die weitere Sprachentwicklung des Kindes an (Stengel 58). Das Kind beginnt nun, mit viel Kreativität und mit Hilfe der Übertragung der grammatikalischen Regeln neue Sätze zu produzieren, was auch vor allem daran liegt, dass es begonnen hat, seinen Wortschatz zu reorganisieren. In dieser Zeit kommt es sehr oft vor, dass Kinder Wörter falsch benutzen, obwohl sie zuvor in der Lage waren, sie korrekt zu verwenden, was jedoch nicht als Rückschritt sondern als Zwischenschritt einer qualitativen Verbesserung der Grammatik des Kindes anzusehen ist. Im Folgenden möchte ich das Modell von Bowerman einbringen, weil ich es sehr interessant finde, wie er sich die Reorganisation des Wortschatzes vorstellt (Mönks 120).

2.3.3.1.Die drei Stufen der strukturellen Reorganisation nach Bowerman 1. In der ersten Stufe, der role stage hat das Kind einige einzelne Formen der sprachlichen Struktur im Gedächtnis gespeichert, ohne sie analysiert zu haben. Wenn das Kind in dieser Phase spricht, ruft es diese Formen ab und reproduziert sie. Das sprachliche Wissen ist sehr oberflächlich. 14

14

2.

Die zweite Stufe, die rule stage, ist gekennzeichnet durch Übergeneralisierungen. Das Kind kennt nun schon einige Regeln und Morpheme und weitet diese auch auf Begriffe aus, auf die diese Regeln nicht zutreffen. so hat es z.B. in der role stage gespeichert, dass es „gesehen“ heisst, und im Zuge der Übergeneralisierung sagt es in der zweiten Stufe z.B. „geseht“. Reguläre Muster werden hierbei auf irreguläre Muster ausgedehnt.

3. In der dritten Stufe wählt das Kind wieder die richtigen Formen. Z.B. sagt es nun wieder „gesehen“ und nicht mehr „geseht“. Es ist zu beachten, dass es im Vergleich zur ersten Stufe einen qualitativen Unterschiede gibt, da die Wörter nun nicht mehr unanalysiert reproduziert werden, sondern in ein neu erworbenes morphologisches Regelsystem integriert sind (Oerter 731).

2.4. Die Entwicklung der Pragmatik In diesem Abschnitt möchte ich darstellen, wie sich die Kommunikation zwischen dem Kind und anderen Personen entwickelt, wobei zu beachten ist, dass wir schon kommunizieren, bevor wir sprechen können (Oerter S. 731). Die kommunikative oder auch pragmatische Kompetenz, unter der die Fähigkeit, Äußerungen unter Einbezug des situativen und sozialen Kontextes, indem sie gemacht werden, verstehen und produzieren zu können, zu verstehen ist, entwickelt sich im Laufe des Lebens immer weiter (Szagun 231).

2.4.1. Die Entwicklung der Sprechakte Der Sprechakt, so fand Austin heraus, läuft auf drei Ebenen ab und zwar als lokutionärer, als illokutionärer und als perlokutionärer Akt.

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Der lokutionäre Akt bezieht sich auf die Form der Äußerung sowie den begrifflichen Inhalt; unter den illokutionären Akt fällt die Absicht des Sprechers, die er mit seiner Äußerung hat und der perlokutionäre Akt meint die Wirkung auf den Hörer (Szagun 232). Es ist nun interessant, dass sich die Qualität der Kommunikation eines Kindes im Laufe der Zeit

verändert.

In

diesem

Zusammenhang

halte

ich

es

für

angebracht,

das

Egozentrismuskonzept von Piaget wenigstens kurz anzureißen. Piaget geht davon aus, dass das Kind lernen muß, sich von anderen Subjekten und Objekten aus seiner Umwelt abzugrenzen und dass sein Standpunkt nicht die einzige Möglichkeit ist, die Welt zu verstehen, da das Kind diese Fähigkeit nämlich nicht von Geburt an besitzt. Das Kind vermischt zunächst sein Ich mit der umgebenden Umwelt. Es kann nicht nachvollziehen, dass man zu einem Thema verschiedene Standpunkte haben kann und auch nicht, dass es ein eigenständiges Wesen ist. Diese Unfähigkeit zur Abgrenzung und zur Rollenübernahme bezeichnet Piaget als Egozentrismus. Im Laufe der Entwicklung erlangt das Kind jedoch diese Fähigkeiten, die eine Vorraussetzung für eine adäquate interpersonale Kommunikation sind. Bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten lassen sich nach Selman folgende Stufen unterscheiden: 1. Das Kind spürt, dass es Andere gibt, kann aber noch nicht zwischen seinen eigenen Gedanken und Wahrnehmungen und der der anderen unterscheiden. 2. Das Kind erkennt Unterschiede zwischen dem Ich und den Anderen, ist nun auch schon zu einer perzeptuellen Rollenübernahme fähig. 3. Das Kind kann sich nun in die Lage der Anderen hineinversetzen, ist aber davon überzeugt, dass die Anderen die gleichen Gedanken haben, die es in der jeweiligen Situation hätte. 4. Dem Kind ist nun bewußt, dass andere Menschen eigene, manchmal auch andere Standpunkte haben.

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Eine nächste Stufe wäre die, in der die Kinder zu einer reziproken Rollenübernahme fähig sind, was jedoch erst im Alter zwischen 8 und 11 Jahren der Fall sein wird (Grimm 44ff).

2.4.2. Die Entwicklung der Kommunikationsmechanismen Schon von Geburt an gibt es beim Säugling undifferenzierte gefühlsmäßige und kommunikative Verhaltensweisen, die in der Interaktion mit der Mutter weiterentwickelt werden, wie z.B. das Schreien, Saugbewegungen und das Hin-bzw. Abwenden zu oder von einer Person. Im Alter von 5 bis 7 Wochen beginnt das Kind mit dem sozialen Lächeln, was eine starke kommunikative Wirkung auf die anderen Menschen hat. Die meisten Menschen reagieren auf ein sie anlächelndes Baby in einer liebevollen Weise, und die kommunikative Interaktion wird verlängert. Ab dem 3. Lebensmonat haben sich nach Sroufe schon Gefühle entwickelt. Der Säugling reagiert nun mit Wut und Enttäuschung auf einen nicht assimilierbaren Reiz oder wenn er unterbrochen wird. Ein unbekannter Stimulus erhält jedoch seine Aufmerksamkeit (Szagun 246ff). Zwischen dem 7. und 10. Monat beginnt das Kind, durch Gesten intentional zu kommunizieren, wobei die Protoimperativen und die Protodeklarativen die größte Rolle spielen. Von einem Protoimperativ wird gesprochen, wenn ein Kind auf ein Objekt zeigt, das es haben will. Erfolgt auf das Hinzeigen des Kindes auf ein Objekt von der Mutter die Benennung oder eine Erklärung, die dieses Objekt betrifft, handelt es sich dabei um einen Protodeklarativ. Das Kind zeigt also auf ein Objekt in der Erwartung, dass die Mutter etwas zu diesem Objekt erzählt. Das Kind befindet sich nun in der ersten Phase der pragmatischen Entwicklung nach Hoff –Ginsberg. Die zweite Phase erreicht ein Kind im Alter von ca. 16 bis 22 Monaten. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind nun beginnt, seiner Intentionen, die sich direkt aus den Diskurs 17

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beziehen, Ausdruck zu verleihen, was meistens als Beantwortung von Fragen, wie z.B. „Wo ist der Ball ?“ geschieht. Ab dem zweiten Lebensjahr steigen die verbalen Kommunikationseinheiten des Kindes enorm an und es befindet sich in der dritten und letzten Phase nach Hoff –Ginsberg. So können 30 Monate alte Kinder schon ca. 20 zusammenhängende Äußerungen produzieren. 3-jährige Kinder sind schon in der Lage, effektiv mit Gleichaltrigen zu kommunizieren, z.B. Formen des gemeinsamen Spieles aushandeln (Oerter S. 732). Auch hieran ist wieder ganz deutlich zu erkennen, dass ein positives Mutter-Kind-Verhältnis von großer Bedeutung ist, weil das Kind eine vertraute Person braucht, die mit ihm kommunizieren kann und es dadurch in die sprechende Welt einführt.

3. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Spracherwerb Meine Hausarbeit habe ich mit der Diskussion, ob der Spracherwerb erlernt oder angeboren ist, begonnen. Es scheint so zu sein, dass angeborene Mechanismen und ein Lernrpozess so ideal zusammenpassen, dass wir Menschen die Fähigkeit besitzen, Sprache zu erwerben. In diesem Teil der Hausarbeit möchte ich die zu einem Spracherwerb notwendigen Komponenten noch einmal differenziert betrachten.

3.1. Sprachspezifische Voraussetzungen 3.1.1. Lateralisation Neurophysiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Sprachfähigkeit vor allem der linken Hemisphäre zugeordnet wird, Sprache wird links lateralisiert verarbeitet. Molfose, Freeman und Palermo fanden heraus, dass schon der neugeborene Säugling gesprochene Silben links- lateralisiert verarbeitet. Daraus lässt sich ableiten, dass die Lateralisation bereits kurz nach der Geburt beginnt. Über den Zeitpunkt des Abschlusses der 18

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Lateralisation ist man sich sehr uneinig, Lenneberg geht davon aus, dass sie erst mit der Pubertät abgeschlossen ist, wohingegen Krashen die Lateralisation schon mit einem Alter von 5 Jahren als beendet ansieht (Oerter 743) Wenn die linke Hemisphäre beschädigt wird, gibt es noch die Möglichkeit, dass die rechte Hemisphäre ihre Aufgabe übernimmt, wobei die Chance für einen vollständigen Spracherwerb um so geringer sind, je später die Verletzung erfolgt (Mönks 117).

3.1.2. Der Sprechapparat Eine weitere Voraussetzung für einen erfolgreichen Spracherwerb ist die vollständige Ausbildung des Sprechapparates, damit der Sprechvorgang erfolgen kann. Der Sprechvorgang läuft so ab, dass eingeatmete Luft durch den Kehlkopf gepresst wird, wobei die Stimmbänder je nach Tonlage in langsame (bei tiefer Tonlage) oder schnellere Schwingungen (bei hoher Tonlage) geraten. Luftröhre, Nasen- und Rachenraum verstärken den Ton, indem sie mitschwingen. Durch Veränderungen der Mund-, Zungen- und Lippenstellung lässt sich der Ton variieren. Wenn das Kind einen Defekt an den hier aufgeführten Organen hat, kann der Sprachvorgang nicht richtig ablaufen. Damit die Sprachfähigkeit trotzdem optimal ausgenutzt wird, ist es ratsam, das Kind bei einer Logopädin/ einem Logopäden behandeln zu lassen (Ahlheim 356).

3.1.3. Das Gehör Damit das Kind die Sprache seiner Umwelt überhaupt wahrnehmen kann, ist es von großer Bedeutung, dass das Gehör gut funktioniert. Ein z.B. verstopfter Gehörgang kann dazu führen, dass ein Kind sehr schlecht oder spätentwickelt spricht, da es nicht richtig hört und damit keinen Vergleich zu einer korrekten Sprache hat (Stengel 25).

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3.2. Die Kognition, eine sprachunspezifische Voraussetzung ? Laut Piaget durchläuft das Kind eine sechsstufige senso-motorische Handlungsentwicklung. Mit dem Erreichen der sechsten Handlungsstufe hat es ein Handlungswissen erreicht, als für die Sprachentwicklung notwendig ist . Der Säugling besitzt noch kein bereichsspezifisches Wissen, dafür aber einige, wenn auch wenige, Reflexe und Wahrnehmungsfähigkeiten. Diese sind Voraussetzung für die Assimilation, die Akkomodation und die Äquilibration, d.h., dass der Säugling offen ist für neue Reize und diese auch in sein Denkschema eingliedern kann. Diese Fähigkeiten sind die Basis für die perzeptuell- motorischen Schemata, die das Kind direkt in sprachliche Strukturen transformiert. Wenn das Kind gelernt hat, Objekte von Handlungen zu unterscheiden, kann es auch Objekt von Prädikat in der Sprache unterscheiden, indem es die Handlungsmuster auf sprachliche Muster transformiert. Laut Piaget ergeben Handlung und Wahrnehmung den Kern des Wissens, was dann direkt zum Spracherwerb führt. Die Kritiker sagen, dass noch eine weitere Komponente dazukommen muß, um zum Spracherwerb zu gelangen. Weiterhin wird kritisiert, dass Piaget der Ansicht ist, dass die Spache nicht die Quelle des Denkens ist und dass das Denken alleine die Sprache strukturiert. Die Kritiker behaupten, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Begründet wird diese Kritik folgendermaßen: 1. Die Sprache der Kinder ist schon zu einem Zeitpunkt gut strukturiert, zu dem sie auf anderen Ebenen der logischen Operation und Klassenbildung noch nicht so weit entwickelt sind. Das Kind erwirbt die Syntax der Sprache vor der Syntax des Denkens 2. Piaget hat monokausal argumentiert und nicht beachtet, dass senso-motorische Schemata nicht konzeptionell sind. Die senso-motorischen Schemata müssen zuerst in Vorstellungsschemata transformiert werden, damit sich durch einen weiteren Schritt in die Sprache überführt werden können. 20

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3. Piaget gibt keinen Grund dafür an, warum das Kind überhaupt mit dem Sprechen beginnt und dadurch die Sprache der Erwachsenen nachahmt (Oerter 739). Zu dieser Kritik muß ich sagen, dass ich ich ebenfalls der Ansicht bin, dass Piaget zu monokausal argumentiert, wenn er davon ausgeht, dass Handlung und Wahrnehmung den Kern des Wissens bilden, der dann in den Spracherwerb mündet. Diese Annahme würde bedeuten, dass jeder handelnde Mensch zwangsläufig mit der Sprache beginnt. Deswegen gebe ich hier den Kritikern Recht, wenn sie sagen, dass noch eine weitere Komponente hinzukommen muß, damit ein Kind mit dem Sprechen beginnt. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass die Hypothese Piagets, dass das Denken die Sprache strukturiert, kritisiert wird. Meiner Ansicht nach ist eine Beziehung zwischen Sprache und Kognition festzustellen, aber es ist unklar, was von welchem bedingt wird. So kann es sein, dass Komparative erst verwendet werden, wenn das Kind in der Lage ist, Dimensionen zueinander in Beziehungen zu setzen. Es könnte aber auch sein, dass das Kind zuerst mit der sprachlichen Verwendung von Komparativen konfrontiert wird und dadurch darauf gebracht wird, dass es verschiedene Dimensionen gibt, die man in Beziehung setzen kann (Szagun 22ff).

3.3. Die Mutter-Kind-Interaktion Für die Sprachentwicklung des Kindes ist es von großer Bedeutung, dass die Eltern mit ihrem Kind sprechen, da das Kind schon viel versteht, bevor es selbst sprechen kann. Durch häufige sprachliche Interaktion bekommt das Kind ein gutes Sprachverständnis und erhält somit eine gute Vorbereitung für seine aktive Sprechzeit. Außerdem führt die sprachliche Zuwendung dazu, dass sich das Kind geborgen fühlt. Damit das Kind nicht überfordert wird und es der Mutter fölgen kann, passt die Mutter ihre Sprache den Fähigkeiten ihres Kindes an (Stengel 71). Dabei lassen sich drei Sprachstile unterscheiden:

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1. Bis das Kind ein Jahr alt ist, spricht die Mutter in einer hohen Tonlage, mit einer übertriebene Satzmelodie und lässt zwischen den einzelnen Phrasen lange Pausen. Die Sätze sind sehr einfach strukturiert. Dieser als „baby-talk“ bezeichnete Sprechstil dient außer der Interaktion mit dem Kind noch dazu, dass das Kind sich langsam mit der Sprache vertraut macht und schon einige Wörter erkennt. Hierbei sind die Prosodie und die Phonologie besonders wichtig. 2. Die im Laufe des zweiten Lebensjahres des Kindes gesprochene Sprache der Mutter nennt man „scaffolding“. Sie ist gekennzeichnet durch die einfache, vertikale Dialogstruktur. Mutter und Kind haben bei den Interaktionen einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus, der Inhalt ihrer Gespräche ist. Die Mutter führt ihr Kind im Dialog in die Sprache ein und es baut sich einen wachsenden Wortschatz auf. 3. Wenn das Kind zwischen 24 und 27 Monaten alt ist, beginnt die Mutter bei der Sprache ihres Kindes die Aufmerkamkeit auf dessen Grammatik zu richten, weshalb sie die Fehler des Kindes immmer wieder verbessert. Außerdem regt sie seine Sprache durch ihre Modellsprache, die viele neue Daten liefert und durch Fragen an das Kind an. Hieran lässt sich erkennen, dass das Kind mit steigendem Alter immer sprachaktiver wird, weil die Mutter das Kind immer mehr in Dialoge miteinbezieht und es dadurch immer mehr gefordert wird. Der Mutter (die ich immer im Sinne der primären Bezugsperson gemeint habe) kommt damit eine sehr wichtige Aufgabe zu, weshalb es wichtig ist, dass das Kind ein gutes Verhältnis zu ihr hat (Oerter 745).

4. Schlußbemerkung Mit dieser Hausarbeit habe ich das Ziel verfolgt, einen Überblick über die Sprachentwicklung des Kleinkindes unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zu geben. 22

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Bei der Erstellung der Arbeit und dem Lesen der dafür verwendeten Literatur habe ich festgestellt, dass die Zeitpunkte, in denen ein Kind ein bestimmtes Stadium erreicht hat, sehr verschieden angegeben waren. Außerdem ist die Frage, ob das Denken die Sprache bedingt oder ob es doch umgekehrt ist, nicht geklärt worden. Eine weitere Frage, die sich mir bei der Verfassung des Kapitels 2.2.1.2. gestellt hat, ist, woher das Kind denn nun weiß, wann es generalisieren und wann es diskriminieren muß. Leider habe ich darauf in keinem Buch eine Antwort gefunden. Ich wäre gerne noch auf Sprachentwicklungsstörungen eingegangen; was aber den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte. Dass es in zu den einzelnen Aspekten der Sprachentwicklung teilweise sehr gegensätzliche Ansichten gibt, war mir sehr wichtig, zu erwähnen.

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5. Literaturverzeichnis

AHLHEIM, Karl-Heinz (Hg.). „Schüler Duden- Die Psychologie“. Mannheim: Dudenverlag, 1981.

GRIMM, Hannelore: „Psychologie der Sprachentwicklung“. 2 Bde. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer GmbH, 1977.

HÖRMANN, Hans: „Psychologie der Sprache“. 2. Auflage, Berlin: Springer- Verlag, 1977.

LINDSAY, Peter; u.a.: „ Einführung in die Psychologie“. Berlin: Springer- Verlag, 1981.

MÖNKS, Frank; u.a.: „Lehrbuch der Entwicklungspsychologie“. München: Ernst Reinhardt Verlag, 1990.

OERTER, Rolf; u.a.: „Entwicklungspsychologie“. 4. Auflage, Weinheim: Beltz- Verlags- Union, 1998.

STENGEL, Ingeburg: „Sprachschwierigkeiten bei Kindern“. Stuttgart: Ernst Klett Verlag, 1974.

SZAGUN, Gisela: „Sprachentwicklung beim Kind“. 3. Auflage, Weinheim: Psychologie- Verlags- Union, 1986.

WEINERT, Franz; u.a.: „Entwicklung im Kindesalter“. Weinheim: Psychologie- Verlags- Union, 1998.

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Die Sprachentwicklung beim normalentwickelten Kind

Hausarbeit in Psychologie

Seminarthema: „Entwicklungspsychologie“

Fachhochschule Fulda

Sommersemester 1999

Dozent: Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos

vorgelegt von ........................................

Fulda, Juli 1999

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