Artenvielfalt-Bedrohungen - Arten und Lebenräume im Meer, pdf .de

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Geowissenschaften, Geographie
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Wie geht es den Arten und Lebensräumen im Meer? Hintergrundinformationen

Vielfalt der Arten und Lebensräume im Meer Meere und Küsten sind natürlicherweise reich an Arten und Lebensräumen. An der Küste ist dies für uns Menschen offensichtlicher als in den Tiefen der Meere. Vom Wattenmeer der Nordseeküste über die Strände und Dünengesellschaften bis zu den Steilküsten Rügens oder der Boddenlandschaft sind die Lebensräume mit ihren typischen Tier- und Pflanzengesellschaften vielen Menschen bekannt. Doch auch im Meer gibt es viele verschiedenartige Lebensräume, beispielsweise: seltene küstennahe Seegraswiesen, ständig wasserbedeckte Sandbänke, Flachwassergebiete im Meer mit einer einzigartigen Sandbodengemeinschaft, Riffe aus Steinfeldern, dicht bewachsen von Miesmuscheln, vielen festsitzenden Arten wie Seeigeln oder Schwämmen, aber auch Makrophyten, d.h. großen Algen; Bereiche mit kiesigem oder grobsandigem Sediment oder auch Schlick, die wiederum spezielle Bodenlebewesen oder Krebstiere beherbergen.

Abb. 1: Karte der besonders schützenswerten Lebensraumtypen Riffe und Sandbänke in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee (copyright BfN) 1

Während die Verbreitung von Sandbänken und Riffen in der deutschen AWZ (siehe Karte) schon gut erforscht ist, werden die Vorkommen weiterer mariner Biotoptypen erst nach und nach erfasst. Das BfN hat dazu ein Verbundprojekt mit führenden deutschen Forschungsinstitutionen gestartet und koordiniert die laufenden Arbeiten. Erste Ergebnisse werden gegen Ende 2015 erwartet. Die Anzahl an Arten einschließlich denen des Wattenmeeres ist in der Nordsee höher als die der Ostsee, da Letztere ein weitgehend vom offenen Ozean isoliertes Brackwasser-Ökosystem ist. Dies zeigt sich z.B. auch in den Artenzahlen des Makrozoobenthos (mit bloßem Auge erkennbare Tiere): insgesamt kommen in Nordund Ostsee mehr als 1.500 Arten des Makrozoobenthos vor. Je nach Meeresgebiet zwischen der Kieler und der Pommerschen Bucht sind in der deutschen Ostsee zwischen 400 bis 600 Arten nachgewiesen. Alle Meeresarten aus der Ostsee kommen auch in der Nordsee vor. Aufgrund der kleinräumig sehr vielfältigen geophysikalischen Bedingungen in der Ostsee sind hier jedoch häufig kleinere „hotspots“ mit einer sehr hohen Anzahl sowie einer einzigartigen Zusammensetzung von Arten zu finden.

Abb. 1 (links): Riffvielfalt am Fehmarnbelt mit Tangbeeren, Rotalgen, Klippenbarsch (copyright BfN / Dirk Schories) und Abb. 2 (rechts): Sandflächen mit eingestreuten Miesmuschelbänken am Adlergrund – Lebensraum für viele Fischarten (copyright BfN)

Spezielle Lebensbedingungen in der Ostsee Die Ostsee als Brackwasser-Meer bietet den Lebewesen besondere Lebensbedingungen. Charakteristisch nimmt der Salzgehalt (Salinität) von West nach Ost ab. Er liegt in der Beltsee (Dänemark) bei ca. 1,9 %, im nordöstlichen Teil der Ostsee im Finnischen Meerbusen nur noch zwischen 0,3 und 0,5 % (im Vergleich: Nordsee ca. 3,5 %). Durch die Becken- und Schwellenstruktur der Ostsee kann das Nordseewasser nicht ungehindert einströmen und sich gleichmäßig 2

verteilen. Die stärkste Abnahme der Salinität findet zwischen den Küsten von Schweden und Dänemark im Norden und Deutschlands im Süden im Bereich der Darßer Schwelle statt. Diese ist die Grenze zwischen Beltsee und Arkona-Becken und wird von der Kadetrinne durchschnitten. Westlich der Darßer Schwelle beträgt der Salzgehalt etwa 1,7 %, östlich nur noch 0,8 %. Da Salzwasser schwerer ist als Süßwasser, findet zudem eine Schichtung des Seewassers statt – höhere Salzkonzentrationen finden sich im tieferen Wasser. Hier spielen vor allem die Rinnen eine wichtige Rolle, denn in den Belten und Sunden sowie in Fehmarnbelt und Kadetrinne besteht eine Oberflächenströmung mit geringem Salzgehalt von der Ostsee zum Kattegat und eine Tiefenströmung salzreichen und sauerstoffhaltigen Wassers aus dem Kattegat in die Ostsee. Salzwassereinströme aus der Nordsee sind von besonderer Bedeutung für die Wasserqualität der Ostsee, denn sie bringen nicht nur Salz, sondern vor allem Sauerstoff mit sich. Im Winter 2014/2015 ereignete sich ein außergewöhnlich starker Salzwassereinstrom mit großen Mengen an salzreichem sowie gut mit Sauerstoff gesättigtem Wasser. Es handelte sich hierbei um den drittgrößten Salzwassereinstrom seit Beginn der ozeanographischen Beobachtungen im Jahr 1880. Solche großen Salzwassereinströme sind besonders stark, wenn langanhaltende Ostwinde den mittleren Wasserstand in der Ostsee stark absinken lassen und dann eine mehrwöchige Phase starker Westwinde folgt, die die Wassermassen aus dem Kattegat durch die schmalen Belte und Sunde in die zentrale Ostsee drücken. Großereignisse wie der Salzwassereinstrom im Winter 2014/2015 führen zur Belüftung der zentralen Ostseebecken und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu großflächigen positiven Auswirkungen auf die marinen Lebensbedingungen, insbesondere eine Veränderung der Situation im Tiefenwasser von anoxisch zu oxischen Verhältnissen. Sauerstoffmangelereignisse mit all den negativen Folgen für marine Organismen sind dann kaum zu erwarten – eine gute Ausgangssituation auch für den Sommer 2015.

Wie geht es den marinen Arten, speziell in der deutschen Ostsee? Im Mai 2013 hat das BfN die aktuelle Rote Liste der gefährdeten Meeresorganismen vorgelegt. Ernüchterndes Fazit: Von allen untersuchten Arten der Fische, bodenlebenden Wirbellosen und Großalgen der deutschen Küsten- und Meeresgebiete 3

stehen 30 Prozent auf der Roten Liste und sind damit mindestens als in ihren Beständen gefährdet einzustufen. Darüber hinaus gibt es bei etwa einem Drittel der Arten noch nicht genügend Informationen, um ihre Gefährdung hinreichend einschätzen zu können. Darunter befinden sich erfahrungsgemäß immer auch Arten deren Gefährdung übersehen wurde. Nur knapp 31 Prozent aller erfassten marinen Arten können nach derzeitiger Kenntnis als ungefährdet gelten. Weil sich Nord- und Ostsee ökologisch stark voneinander unterscheiden, werden in den Roten Listen die beiden Räume auch getrennt bewertet. Bei den wirbellosen Tieren und den Großalgen gibt es regionale Verbreitungsangaben. Die in Nord- und Ostsee vorkommenden Fische werden zusätzlich für beide Meeresteile separat bewertet. Bei ihnen zeigt sich im deutschen Nordseegebiet, wo 27 Prozent der Arten auf der Roten Liste stehen, insgesamt eine stärkere Gefährdung als im Teilbewertungsgebiet der Ostsee mit 17 Prozent Rote-Liste-Arten. Der zunehmende Nutzungsdruck in den deutschen Meeresgebieten führt zu Beeinträchtigungen der marinen Ökosysteme. Dadurch befinden sich viele Arten, die in den Anhängen der FFH-Richtlinie als besonders schutzbedürftig gelistet sind, in keinem guten Erhaltungszustand. Die deutsche Ostsee schneidet dabei deutlich schlechter ab als die Nordsee. Wandernde Fischarten, die zur Laichablage vom Meer in die Flüsse aufsteigen (sogenannte anadrome Fische), wie Baltischer Stör, Meer- und Flussneunaugen und Alse befinden sich allesamt in einem ungünstigen bis schlechten Erhaltungszustand.

Abb. 3: Meerneunauge (copyright BfN / Zeichnung Henrike Seibel)

Besonders kritisch stellt sich die Situation für den Ostsee-Schweinswal dar. Sein Erhaltungszustand muss, anders als in der Nordsee („ungünstig-unzureichend“), derzeit in der Ostsee als „ungünstig-schlecht“ eingestuft werden. Hier gilt insbesondere die östliche Teilpopulation des Ostseeschweinswals mit nur noch knapp 500 Tieren als extrem bedroht (siehe auch Informationen zum Schutzgebiet Kadetrinne). Vor allem in der Ostsee ist der Schweinswal durch Beifang in der Stellnetzfischerei gefährdet, in beiden Meeren aber auch zunehmend durch 4

anthropogen erzeugten Unterwasserlärm, z.B. im Rahmen des Ausbaus der Offshore-Windkraft. Für eine Reduzierung der anthropogen verursachten Mortalität müssen im Rahmen von Schweinswal-Artenmanagementplänen für Nord- und für Ostsee für die Gefährdungsursachen Lösungen gefunden werden. Die Ergebnisse des Seevogelmonitorings zeigen, dass es erhebliche artspezifische Unterschiede im Vorkommen gibt. Viele Arten überwintern in deutschen Meeresgebieten in international bedeutenden Konzentrationen, gerade die Vogelschutzgebiete in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) haben daher internationale Bedeutung.

Wie wird die Situation der marinen Arten beobachtet? Was tut das BfN? Internationale Abkommen und europäische Richtlinien verpflichten Deutschland zur langfristigen und systematischen Erfassung und Beobachtung - dem Monitoring geschützter mariner Arten und Lebensräume. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist verantwortlich für das Biodiversitäts-Monitoring in der deutschen AWZ von Nordund Ostsee und koordiniert zusammen mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) Schleswig-Holstein das deutsche Meeresmonitoring in Nord- und Ostsee. Durch ein gutes Meeresmonitoringprogramm lassen sich negative Entwicklungen der marinen biologischen Vielfalt zuverlässig und frühzeitig erkennen und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen, um ihnen entgegenzuwirken. Vielfach können anhand von Monitoringdaten spezifische Auswirkungen von konkreten menschlichen Aktivitäten auf die biologische Vielfalt im Meer identifiziert werden. Neben anderen naturschutzfachlichen Verpflichtungen sind das Monitoring und die Bewertung des Erhaltungszustands geschützter Arten und Lebensräume elementarer Bestandteil der Schutzaufgaben des BfN. Zur Durchführung der Monitoring-Programme vergibt Meeresforschungsinstitute.

das

BfN

Aufträge

an

renommierte

Da marine Wirbeltiere in den marinen Nahrungsnetzen meist hohe Trophieebenen einnehmen und gleichzeitig vielen verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, sind sie als Indikatoren für den allgemeinen Zustand der Meeresumwelt gut geeignet. In der deutschen Nord- und Ostsee liegt der Fokus auf dem Monitoring der Schweinswale und der Seevögel. Zu diesem Zweck werden sowohl Zählungen aus

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Flugzeugen und Schiffen durchgeführt, als auch ein Netz von Schweinswaldetektoren in der östlichen deutschen Ostsee betrieben. Schweinswale kommen in der Ostsee in zwei getrennten (Sub-)Populationen vor, in der westlichen Ostsee die sog. Beltsee-Population und in der zentralen Ostsee die vom Aussterben bedrohte Population des so genannten Baltic proper. In den deutschen Ostseegewässern treten sowohl Tiere der Beltsee-Population als auch Schweinswale aus der Population der zentralen Ostsee auf. In den Gebieten westlich des Längengrades 13,5° Ost (Linie Rügen-Südschweden) gehören sie vornehmlich der Beltsee-Population an. Ihre Verbreitungsgebiete und Häufigkeiten unterliegen dabei saisonalen Veränderungen. Während die Beltsee-Population das Gebiet im Sommer nutzt, wandert im Winter die Ostseepopulation in deutsche Gewässer ein, um dort zu überwintern. Erstmals wurden im so genannten SAMBAH-Projekt akustische Monitoringdaten genutzt, um Rückschlüsse auf die Populationszahlen zu erhalten. In der zentralen Ostsee hielten sich demnach in den Sommermonaten des SAMBAH-Projektzeitraumes rd. 500 Tiere auf, diese Population gilt als vom Aussterben bedroht (Critically Endange-red, IUCN 2014, www.iucnredlist.org). Die Tiere der Beltsee-Population erweitern bzw. verlagern im Frühjahr aus den dänischen Gewässern heraus zunehmend ihren Verbreitungsschwerpunkt nach Süden und Osten, vereinzelt wandern Tiere bis in die Pommersche Bucht ein. Im Herbst ziehen sich die Tiere aus der Pommerschen Bucht nach Westen zurück und der Verbreitungsschwerpunkt der Beltsee-Population verlagert sich wieder Richtung dänische Gewässer. Es ist davon auszugehen, dass die Tiere aus der Beltsee auch in den deutschen Gewässern kalben bzw. hier Reproduktion stattfindet. Gleichzeitig wandern im Herbst/Winter Tiere der Population der zentralen Ostsee von Norden oder Osten kommend in die Pommersche Bucht und die Bereiche um Rügen ein und verbleiben hier in den Wintermonaten (insbesondere in Eiswintern sind sie darauf vermutlich angewiesen). Die Ergebnisse des SAMBAH-Projekts zeigen eine eindeutige räumliche Trennung der Sub-Populationen im Sommer, d. h. während der Paarungs- und Aufzuchtzeiten. Es wird deutlich, dass Tiere der stark bedrohten zentralen Ostsee-Population zumindest zum Teil in den deutschen Gebieten östlich und nördlich von Rügen überwintern müssen. Im Frühjahr verlässt der Großteil dieser Tiere wieder die deutsche Ostsee in Richtung Norden. Südlich Gotlands bildet sich dann in den Sommermonaten und während der besonders sensiblen Phase der Reproduktion ein

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zusammenhängendes Konzentrationsgebiet aus, das räumlich von den Vorkommen in den deutschen Gewässern getrennt ist (SAMBAH 2014). Die beschriebenen raum-zeitlichen Veränderungen des Schweinswalvorkommens in der deutschen Ostsee zeigen, dass es großräumige, jährliche Wanderbewegungen gibt. Aufgrund der Geometrie der westlichen Ostsee als langgezogenes schmales Band insbesondere zwischen Dänemark und Deutschland muss hier von einem Migrations-Korridor gesprochen werden. Den Engstellen Fehmarnbelt kommt hierbei eine besonders hohe Bedeutung zu.

Kadetrinne

und

Abbildung 4: Registrierungen von Schweinswalen im Rahmen des BfN Monitorings und des SAMBAH Projekts in deutschen Gewässern (copyright BfN)

Auswertungen der deutschen SAMBAH Stationen zusammen mit dem laufenden Monitoring des BfN bestätigen die abnehmende Dichte von West nach Ost. Die Grafiken zeigen den Anteil der Erkennung positiver Tage (dunkelblau) und den Nachweis negativer Tage (hellblau) für jede Station in der gesamten Aufzeichnungsdauer während des SAMBAH-Projekts. Alle Werte sind aufwandskorrigiert. Als stark genutztes Meer gibt es in der Ostsee eine Reihe von Gefährdungen für Meeressäugetiere. In einem stark durch Schiffe genutzten und noch dazu geogra7

fisch sehr engen Gebiet wie der Kadetrinne kann dieser Schiffsverkehr eine Barriere für durchziehende Schweinswale darstellen. Erste im Rahmen eines vom BfN geförderten Forschungsprojekts vorliegende Ergebnisse zeigen, dass Schweins-wale versuchen, einem durch Schiffe verursachten steigenden Lärmpegel auf den Grund des Meeres auszuweichen, bis der Lärm nachlässt. Neben der Schifffahrt ist der Schweinswal in der Ostsee durch fischereiliche Aktivitäten gefährdet. Relevant für den Schweinswal sind vor allem Stellnetze, in denen sich die Tiere verfangen, und somit ertrinken. Stellnetze stellen für Schweinswale eine starke Barriere auf dem Weg in für sie wichtige Habitate dar. Im Rahmen des BfN Wirbeltiermonitorings gesichtete Stellnetze zeigen, kumulativ über mehrere Jahre dargestellt, Schwerpunkte dieser Fischereiform in küstennahen Bereichen, wie z. B. der Pommerschen Bucht.

Abbildung 5: In Netzen verendete Schweinswale (copyright BfN, zur Verfügung gestellt vom ITAW)

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Abbildung 6: Anthropogene Aktivitäten (Stellnetzfischerei kumulativ von 2000 – 2014 – Darstellung der Fischerei-Schwerpunkte in der Ostsee) (copyright BfN)

Wie ist der Zustand der marinen Lebensräume? Intakte Lebensräume (Biotope) des Meeres sind eine der wichtigsten Grundlagen zum Erhalt bzw. zur Wiederherstellung der natürlichen biologischen Vielfalt im Meer und damit eine Grundvoraussetzung zur Erreichung des guten Umweltzustand im Jahre 2020, der von europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) gefordert wird. Auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-RL) und diverse Empfehlungen der regionalen Meeresschutzübereinkommen (Helsinki- und OSPARÜbereinkommen) fordern den Schutz mariner Biotope, insbesondere von solchen, die gefährdet bzw. im Rückgang befindlich sind. Die Situation der marinen Lebensräume in der deutschen Nord- und Ostsee ist bedenklich. In der Roten Liste der Biotope des BfN aus dem Jahr 2006 – eine aktualisierte Version wird in Kürze veröffentlicht – wurden von den 153 marinen Biotopen der deutschen Nord- und Ostsee insgesamt 133 (87 %) als – mehr oder weniger stark – gefährdet eingestuft. Für 25 Biotope ist gemäß dieser Liste eine negative Entwicklungstendenz zu verzeichnen. 9

Um Entwicklungen und Trends aktuell verfolgen zu können, gehören die Kartierung mariner Biotope sowie deren Monitoring im Rahmen eines dauerhaft angelegten Beprobungsprogramms des Meeresbodens mit einer Bewertung der dortigen Lebensgemeinschaften zu den Aufgaben des BfN. Zur möglichst umfassenden Aufnahme der bodenlebenden Gemeinschaften werden im Biotopmonitoring standardmäßig verschiedene Methoden eingesetzt, z.B. werden Proben mit Hilfe von Greifern und Dredgen genommen. Insbesondere in empfindlichen Gebieten werden aber auch visuelle Methoden angewandt, wie z.B. Unterwasser-Schleppkameras. Manchmal ist auch der Einsatz von Forschungstauchern erforderlich.

Welchen Gefährdungen und Belastungen sind die Arten im Meer ausgesetzt? Die Belastung mariner Arten hat in den deutschen Meeren kontinuierlich zugenommen und die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten sind in vielen Meeresbereichen festzustellen. Neben der hohen Grundbelastung durch Nähr- und Schadstoffe wirkt die insgesamt nicht nachhaltige Fischerei durch Beifang von Schweinswalen und Seevögeln sowie Schädigungen des Meeresbodens negativ auf die marinen Arten. Dazu beeinträchtigen Schifffahrt, Tourismus, Sand- und Kiesabbau und neuerdings auch der Bau von Offshore-Windkraftanlagen den Lebensraum der Arten. Drei Haupt-Gefährdungsfaktoren haben sich nach Meinung des BfN und der Autoren der Roten Listen als besonders bedeutsam herausgestellt: 1. Die Fischerei, vorwiegend die Grundschleppnetzfischerei, beeinträchtigt nicht nur die Fischfauna, sondern führt durch die damit einhergehende Schädigung des Meeresbodens und der dort lebenden Organsimen im gesamten Lebensraum von Nord- und Ostsee inklusive der Nahrungsnetze zu negativen Auswirkungen. 2. Die immer noch zu hohen Nährstoffeinträge verstärken Algenblüten, wodurch der Lichteinfall in größere Tiefen verringert und die Schwebstofffracht im Wasser erhöht wird. Dies macht vielen Großalgen und den wirbellosen Tierarten, die ihre Nahrung aus dem Wasser filtrieren, zu schaffen. 3. Die Abbau- und Baggerarbeiten des Sand- und Kiesabbaus zerstören den Lebensraum sessiler (fest sitzender) Arten schlagartig.

Darüber hinaus bildet der Unterwasserlärm eine immer stärkere Bedrohung, insbesondere für marine Säugetiere, aber auch für einige Fischarten. 10

Leider weiß man noch nicht genau, wie stark unsere Meere durch menschliche Aktivitäten verlärmt werden. Daher messen Wissenschaftler/innen im Auftrag des BfN mit akustischen Langzeit-Messgeräten den akustischen Zustand der Natura 2000-Schutzgebiete in Nord- und Ostsee. Kontinuierlicher Schalleintrag führt entlang der Haupt-Schifffahrtswege, aber vor allem auch in Windkraftgebieten während der Bau- und Reparaturphasen und sogar in manchen Meeresschutzgebieten zu einer oft permanenten Lärmbelastung, Beeinträchtigungen der dort vorkommenden Schweinswale. So zeigen

mit die

Untersuchungsergebnisse, dass die Hintergrundgeräusche in der Ostsee vor allem auch von der Dichte des Schiffsverkehrs abhängen. So senkt sich der von Menschen verursachte Schallpegel im Fehmarnbelt, einer sehr stark befahrenen Wasserstraße, nur sehr selten und in weiten Bereichen ist es dauerhaft sehr laut. Vergleichbar mit einer Autobahn sind meistens mehrere Schiffe in Hörweite, deren Geräusche permanent für Schweinswale hörbar sind. In abgelegeneren Schutzgebieten hingegen, wie z.B. in der Pommerschen Bucht östlich von Rügen, schwanken die durch Menschen verursachten Schallpegel deutlich stärker und es ist häufig deutlich leiser als im Fehmarnbelt. Lange Zeiträume werden ausschließlich durch natürliche Geräusche bestimmt, an die sich das Gehör der Schweinswale angepasst hat. Beispielsweise gab es während der zehn-wöchigen Messkampagne dort nur wenige laute, anthropogene Ereignisse. In der vielbefahrenen Kadetrinne hingegen war es durch den starken Schiffsverkehr kontinuierlich sehr laut. Neben dem im Meer kontinuierlich zunehmenden Dauerlärm führt die Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen zu einer weiteren Belastung durch knallartige Geräusche (Impulsschall), der z.B. beim Einsatz einer Ramme (Rammhammer) bei der Gründung von Windkraft-Fundamenten entsteht. Dieser Unterwasserlärm hat kurzfristig die größten Auswirkungen auf die gefährdeten Schweinswale. Es bestehen zwar bereits Belastungsgrenzwerte, um Verletzungen oder Tötung der Kleinwale zu vermeiden und Störungen so gering wie möglich zu halten. Doch ohne technische Minimierungsmaßnahmen ist die Einhaltung der Grenzwerte derzeit nicht möglich. Der Einsatz solcher Maßnahmen zur Schallminderung ist zumindest in der AWZ obligatorisch.

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Was tut das BfN, um die Gefährdungen und Belastungen einzugrenzen und zu minimieren? Beim Thema Unterwasserlärm engagiert sich das BfN seit vielen Jahren intensiv für die Entwicklung und Erforschung neuer Techniken zur Schallvermeidung und -minderung. Darüber hinaus sieht das BfN auch neue Konzepte für schallärmere Gründungsvarianten und neue Typen von Fundamenten als erforderlich an. Das BfN als zuständige Naturschutzbehörde für die AWZ nimmt in den Zulassungsverfahren für Offshore-Windparks umfangreich zu Schallfragen Stellung. Zudem fördert es Projekte, u.a. im Rahmen der AWZ-Forschung zu Unterwasserschall und dessen Auswirkungen, und unterstützt Forschungsvorhaben z.B. zum Schallschutz. Zur Reduzierung der negativen Auswirkungen der Fischerei auf geschützte Lebensräume und Arten in den Schutzgebieten der deutschen AWZ sind unbedingt auch Maßnahmen zum Fischereimanagement erforderlich. Gemeinsam mit dem Thünen-Institut hat das BfN daher bereits vor einigen Jahren Maßnahmen für die einzelnen Schutzgebiete entwickelt und vorgeschlagen, die sich seit längerem in einem umfangreichen Abstimmungsprozess befinden. Wegen der ausschließlichen Zuständigkeit der EU im Bereich Fischerei müssen die Maßnahmenpakete aber nach Abstimmung mit den Bundesressorts in einem europäischen Verfahren beantragt werden. Parallel initiiert und fördert das BfN daher auch Forschungsprojekte zur Entwicklung und Erprobung alternativer, schonenderer Fanggeräte. Die europäischen Naturschutzrichtlinien und das dazugehörige Natura 2000Schutzgebietsnetzwerk sind wichtige Elemente für den Meeresnaturschutz. Um wirksam zu sein, sind eine entsprechende Ausgestaltung der Schutzgebietsverordnungen und ein darauf aufbauendes Management notwendig. Zudem fördert das BfN die Entwicklung geeigneter Verfahren für die Zustandsbewertung der Meere sowie von Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der marinen Biodiversität im Rahmen der Umsetzung der Meeresstrategierahmenrichtlinie (MSRL). In der MSRL ist das Ziel verankert, bis zum Jahr 2020 einen guten Umweltzustand der europäischen Meere zu erlangen. Zur Erreichung dieser Umweltziele sind Schutzmaßnahmen für das gesamte Spektrum mariner Arten und Lebensräume nicht nur in Schutzgebieten erforderlich.

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Das BfN setzt sich ein für den Erhalt und die Schaffung von Rückzugs- und Ruhearealen, der Stärkung von Populationen gefährdeter Arten durch verschiedene Maßnahmen und für eine Steuerung bzw. Reduzierung akustischer Störungen und Belastungen, so dass der Verlust von Lebensräumen vermieden und eine Ausbreitung und Wanderung von Arten nicht gefährdet wird.

Weiterführende Informationen:

Rote Liste der gefährdeten Meeresorganismen, herausgegeben 2013 durch das BfN: http://www.bfn.de/0322_veroe.html

Artenschutzreport 2015: http://www.bfn.de/0302_artenschutz.html

Marines Monitoring, d.h. (Langzeit-)Beobachtung mariner Arten und Lebensräume: http://www.bfn.de/0314_marines-monitoring.html

Belastungen von Nord- und Ostsee: Die Website des BfN liefert eine Vielzahl an Informationen über die Auswirkungen verschiedener Nutzungen in Nord- und Ostsee, von der Fischerei über Sand- und Kiesabbau, militärische Nutzungen, marine Aquakultur bis zu Offshore-Windkraft oder der Einschleppung nicht-heimischer Arten: http://www.bfn.de/0314_belastungen-meer.html

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