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February 1, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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PRESSEINFORMATION IL BARBIERE DI SIVIGLIA 21. März 2014 Stuttgart Liederhalle Mozart-Saal Ein szenisches Konzert oder eine konzertante Szene Komische Oper in zwei Akten von Gioachino Rossini. Libretto von Cesare Sterbini nach dem gleichnamigen Schauspiel von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais Ein szenisches Konzert oder eine konzertante Szene. Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Dialogen. Textfassung: Wilhelm Keitel BESETZUNG Graf Almaviva Bartolo Rosina Figaro Basilio Fiorillo Marzellina

Pablo Cameselle Dionysios Tsaousidis Diana Haller André Morsch Christian Tschelebiew Joachim Herrmann Nastasja Dokalou

Mitglieder des Staatsopernchors Stuttgart Stuttgarter Symphoniker Regie Vikoria Knuth Musikalische Leitung Wilhelm Keitel Ein Komponist tritt auf. Braunlivriert, goldbestückt – wird ausgebuht. Ein Sänger tritt auf, stürzt (unbeabsichtigt), schlägt sich die Nase auf, singt eine Arie (blutend) – wird ausgebuht. Eine Katze tritt auf (unbeabsichtigt), zwei Sopranistinnen kreischen, treten ab (fluchtartig) – Beifall! Das waren Szenen eines freilich unfreiwilligen Humors bei der Uraufführung des Werkes, das als Prototyp der komischen Oper überhaupt gilt: Rossinis Melodramma buffo IL BARBIERE DI SIVIGLIA begeistert das Publikum heute genauso wie vor knapp 200 Jahren. Und wenn dann noch die beiden Protagonisten so treffend besetzt sind, dann steht einem außerordentlichen Vergnügen nichts mehr im Wege. Die „Nachwuchssängerin des Jahres 2013“, Diana Haller, die an der Staatsoper Stuttgart als „Cenerentola“ verzaubert, und deren zukünftige Pläne auch die Salzburger Fest- spiele und die „Met“ umfassen, brilliert in der Rolle der „Rosina“. Ihr zur Seite steht André Morsch als „Figaro“. Auch er Staatsopern-erprobt und international tätig. Der Rossini-Experte Wilhelm Keitel leitet die Stuttgarter Symphoniker durch Rossinis überschäumende Partitur. 1. Akt SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

In Madrid sah Graf Almaviva ein junges Mädchen, in das er sich spontan verliebte. Er folgte ihr nach Sevilla und steht nun, als Student verkleidet, in aller Herrgottsfrühe unter ihrem Fenster. Das Mädchen heißt Rosina; sie lebt im Hause ihres Vormunds, des reichen Dr. Bartolo. Der Alte ist beileibe nicht nur auf die hübsche junge Dame aus, sondern spekuliert auch auf ihre beträchtliche Mitgift. Von Grund auf eifersüchtig auf jeden jüngeren Mann, den er sofort als gefährlichen Rivalen betrachtet, hält er Rosina wie eine Gefangene. Graf Almaviva wendet allerlei Tricks an, um unbemerkt mit Rosina sprechen zu können. (Immerhin hat diese – wenn auch zwangsläufig hinter verschlossenen Fenstern – seine all- morgendlichen Ständchen aufmerksam verfolgt, manchen verbotenen Blick im Rücken ihres Vormunds auf die Straße riskiert und dabei auch erfreut festgestellt, dass der nimmermüde und gut gebaute Straßensänger eben jener ist, der ihr neulich in Madrid so angenehm ins Auge fiel.) Bislang aber schlugen alle Versuche fehl. Ein Mittelsmann muss also her: Figaro, gewitzter Barbier, anerkannter Witwen- und Mädchentröster, erfolgreicher Heiratsvermittler, ein wahrer Tausendsassa und prädestiniert für des Grafen Abenteuer! Natürlich kennt er alle Welt – und diese ihn. Als der Graf ihm nun von seinen Sorgen berichtet, platzt Figaro sogleich heraus: Erstens hört die Angebetete auf den wunderschönen Namen Rosina, zweitens ist sie außer hübsch (das wusste der Graf schon!) noch ausnehmend vermögend (das wusste er noch nicht!), drittens ist sie nicht – wie vermutet – die Tochter des Griesgrams, sondern „nur“ dessen Mündel, und schließlich viertens: allmorgendlich rasiert Figaro den Medizinmann, hat also freien Zutritt zum Haus! Da müsste doch etwas zu machen sein! Gegen gutes Handgeld lässt sich da Einiges arrangieren. Da erscheint die Heißersehnte am Fenster, wird aber wieder zurückgerissen. Nun ist guter Rat teuer, zumal Bartolo, der gerade in wichtigen Geschäften davon eilte (nicht, ohne sein Domizil fest zu verschließen), grimmig und hörbar im Abgehen äußert: Quel bal- cone voglio far murare (Den Balkon lass ich noch vermauern). Der Graf investiert flugs einige Scheinchen, die Figaros Geist erheblich schärfen. Figaro schlägt vor, dass sich Almaviva als Soldat mit Quartiersbefehl Eintritt in Bartolos Haus verschaffen soll, bevor es zu spät ist. Denn voller Argwohn forciert der Doktor seine Heiratspläne, indem er Don Basilio, seinen Freund und Rosinas Gesangslehrer (Figaro: È un solenne imbroglion di matrimoni, un collo torto, un vero disperato sempre senza un quattrino – Außen Schaf, innen Fuchs, ein Ehestifter, ein glatter Heuchler, ein rechter Hungerleider, keinen Heller im Beutel!) zum Notar schickt. Figaro hat das Gespräch zwischen Bartolo und Basilio belauscht: Der Doktor, der von der Anwesenheit des Grafen in Sevilla gehört hat, befürchtet das Schlimmste; Basilio tröstet ihn jedoch damit, dass er die Pläne des Grafen mit einer Verleumdungskampagne schon vereiteln werde. Die Zwangseinquartierung des »betrunkenen Soldaten« Almaviva wird von Bartolo zurück- gewiesen, da ihn der Magistrat als Arzt von jeglicher Einquartierungspflicht befreit hatte. Almaviva inszeniert einen Höllenlärm. Die Stadtwache wird herbeigerufen, um den Ruhestörer hinter Schloss und Riegel zu bringen. Der Graf kann aber Rosina noch ein Briefchen zuspielen. Zur Überraschung Bartolos und Basilios wird Almaviva jedoch nicht verhaftet, da er sich gegenüber den Wachsoldaten als Conte d‘Almaviva zu erkennen gibt. 2. Akt Almaviva unternimmt einen weiteren Versuch, in die Bartolo-Festung einzudringen: Er stellt sich als Schüler des plötzlich erkrankten Basilio, der Rosina Unterricht geben soll, vor. So etwas gefällt dem Doktor natürlich, wenn auch er, von Natur aus misstrauisch, dieses Tun argwöhnisch beäugt. Er beruhigt sich aber schnell, da der vermeintliche Stimmbandspezialist als Beweis für seine Lauterkeit Bartolos Heiratspläne gutheißt und ihm mit Unschuldsmiene den heimlichen Brief Rosinas an Almaviva zuspielt. Figaro, der inzwischen ebenfalls eingetroffen ist, beginnt mit der morgendlichen Rasur des Doktors. Fatalerweise – und kerngesund – kommt plötzlich der ahnungslose Basilio zum gewohnten Unterricht. Figaros Überredungskunst und ein beachtliches Geldgeschenk SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

veranlassen den Musikmeister zum schnellen Abgang. Doch der Doktor durchschaut zwischenzeitlich die Intrige und jagt Almaviva und Figaro aus dem Haus. Erneut erscheint Basilio. Bartolo schickt ihn zum Notar, auf dass die Heirat sofort vollzogen werde! Ein über der Stadt heraufziehendes Gewitter benutzen Figaro und Almaviva, um in Bartolos Haus einzudringen und Rosina zu entführen. Fast wäre der Plan an der gekränkten und sich gedemütigt fühlenden Rosina gescheitert. Erst als der Graf seine wahre Identität preisgibt und Rosina seine aufrichtige Liebe versichert, willigt sie ein. Da erscheint der Notar (glücklicherweise mit Basilio). Basilio kann ein zweites Mal bestochen werden – dafür spielt er sogar den Trauzeugen –, und der Ehekontrakt auf Rosina und den Grafen kann endlich ausgestellt werden. Bartolo kommt zu spät, doch er kann dies leicht verwinden, da ihm der Graf Rosinas Vermögen zum Geschenk macht. Alle Beteiligten sind glücklich. Ende gut, alles gut. ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE Selten in der Operngeschichte hat sich der Satz „Aller Anfang ist schwer“ so bewahrheitet wie bei diesem singenden und intrigierenden Figaro. 34 Jahre vor Rossini hatte Giovanni Paisiello bereits seinen IL BARBIERE DI SIVIGLIA in Noten gekleidet. Für den damals 24-jährigen Rossini bedeutete es eine hohe Hürde, sich an den populären Stoff zu wagen: denn der 75-jährige Paisiello war im Vergleich zum Nachwuchsstar Rossini auch 1816 noch eine Autorität des italienischen Musiktheaters. Um Konfrontationen zu vermeiden – nichts fürchtete Rossini mehr, als eine aufgebrachte Menge im Theater oder vor der eigenen Haustür – hofierte er vor der Erstaufführung seines Barbiere in Rom dem alten Meister Paisiello brieflich. Rossini erinnerte sich später: „Ich schrieb Paisiello einen Brief, in dem ich ihm erklärte, dass ich mir meiner Minderwertigkeit bewusst sei und nicht in einen Wettbewerb mit ihm treten wolle, sondern nur ein Thema, das mir Freude machte, behandeln und dabei nach Möglichkeit die gleichen Episoden in seinem Libretto vermeiden wolle.“ Was für ein schmeichelnder Lügner Rossini doch sein konnte! Es half dennoch nichts. Am Abend der Uraufführung von Rossinis Barbiere war das Teatro Argentina in Rom fest in der Hand von Paisiello Anhängern, die das Ansehen ihres Heros gegenüber dem frechen Emporkömmling verteidigen und Rossinis Oper keine Chance geben wollten. Der Zufall tat mit Stürzen und Katzen das Seine. Die Premiere war ein hand- festes Fiasko. Heute ist Paisiello so gut wie vergessen, jedoch Rossinis Meisterwerk vibriert vor ungebrochener Vitalität. Mit einer Rossini-erprobten Sängerschar in der Inszenierung von Viktoria Knuth und unter der musikalischen Leitung von Wilhelm Keitel erlebt dieses Werk jetzt eine mitreißende, halbszenische Neuinterpretation. Entgegen der üblichen Meinung ist Rossinis „Buffa“ vor allem eine musikalische Meisterkomödie, die ihre Attraktivität den Melodien, Rhythmen und Harmonien verdankt. Das heitere Spiel um Liebe, Triebe und Happy End findet zwar ohne Bühnenbild statt, die Sänger und Sängerinnen setzen den Pep der Musik dennoch in einen höchst spritzigen Bewegungsreigen auf der Bühne um und beziehen das Publikum mit ein. IL BARBIERE DI SIVIGLIA als szenisches Konzert oder konzertante Szene folgt der Idee: die Story auf das Eigentliche zu reduzieren, Rossinis Spiel im Spiel als pure Bühnensituation sichtbar zu machen. Die Figuren der Oper werden nicht nur als Sänger, sondern gleichermaßen als Schauspieler gefordert, die nicht zuletzt gegen Geld und für Ruhm und (Lach-)Erfolg ihrer Arbeit nachgehen. Sängerklischees, mit denen Rossini permanent spielt, werden zugespitzt aufgegriffen: Figaro darf das sein, was er bei Rossini eigentlich ist, ein gekaufter Selbstdarsteller, dessen szenischer Auftrag zwar der eines Impressario ist, der tief in die Klamottenkiste greift und Almaviva billige Rollen und Kostüme anweist, dessen Handlungen aber kaum über Selbstverliebtheit hinausgehen ... Rossini steht in dieser Opera buffa nicht hinter seinen Figuren, er steht förmlich Augen zwinkernd über ihnen – quasi ein Vorgriff auf das absurde Theater. Die Musik ist scheinbar unbeteiligt und an der Szenerie vorbeikomponiert, erweist sich allerdings gerade in ihrer Abgehobenheit als Kommentar. Sie fegt über alles hinweg und SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

entwickelt aus nichtigen Anlässen allmählich und unversehens eine Turbulenz, die im wach- senden Maße inmitten des Spaßes, katastrophische Züge annimmt, bis sie sich schließlich in ein Nichts auflöst, das nicht ganz geheuer ist. Kein Naturalismus liegt Rossini am Herzen, sondern Effekt und dieser ist, auch das macht die besondere Qualität dieses Werkes aus, ironisch gebrochen. In Viktoria Knuths Inszenierung von Rossinis Welterfolg ist (fast) alles möglich – nur nicht das ganz Normale! BEAUMARCHAIS‘ VORREDE ZU SEINEM BÜHNENSTÜCK VORREDE I Möglichst vor Beginn der Vorstellung zu lesen! Meine Herrschaften, ich habe die Ehre, Ihnen ein neues Werk meiner Produktion vorlegen zu können. Ich hoffe, Sie dabei in jenem glücklichen Augenblicke anzutreffen, da Sie, aller Sorgen ledig und beruhigt über Ihren Gesundheitszustand, zufrieden mit Ihren Geschäften, Ihren Geliebten, Ihrer Mahlzeit und Ihrem Magen, für einen Moment an meinem Barbier von Sevilla Gefallen finden werden; denn all dies braucht es, um sich angenehm unterhalten zu lassen ... Indessen, wenn irgendein widriger Umstand Ihre Gesundheit in Unordnung gebracht hat; wenn Ihre Unternehmungen gefährdet sind; wenn die Schöne Ihres Herzens all ihre Schwüre gebrochen hat; wenn Sie nach einem mächtigen Abendessen Beschwerden mit Ihrer Verdauung haben – oh, dann lassen Sie die Finger von meinem Barbier, das ist nicht der rechte Augenblick! Prüfen Sie lieber die Bilanz Ihrer Ausgaben, studieren Sie die Darstellungen Ihres Gegners, lesen Sie jenes verräterische Billet noch einmal, mit dem Sie Ihre Schöne ertappt haben, oder lesen Sie die Meisterwerke Tissots über Enthaltsamkeit und stellen Sie politische, wirtschaftliche, ernährungswissenschaftliche, philosophische oder moralische Überlegungen an ... VORREDE II Ein verliebter Alter will am anderen Morgen sein Mündel heiraten; ein junger und aufgeweckter Liebhaber kommt ihm zuvor und macht sie am gleichen Tag, vor der Nase und im Haus des Vormundes zu seiner Frau. Das ist die ganze Geschichte, aus der man nun mit gleichem Erfolg eine Tragödie oder eine Komödie, ein Rührstück oder eine Oper machen könnte. Mit dem leichten, scherzhaften Ton des Barbier von Sevilla versuchte ich, dem Theater seine alte ungezwungene Heiterkeit zurückzugewinnen. Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais DEM PUBLIKUM ZUR NACHRICHT In Rom, wo er noch im selben Jahr Trovaldo e Dorliska am Teatro Valle herausbrachte – der Vertrag mit Barbaja gestand ihm solche Aufträge zu –, konnte er ohne Rücksicht auf eine Operntradition, die es im Machtzentrum der Kirche sowieso kaum gab, seiner Leidenschaft für die komische Oper frönen. Hier glaubte er sogar, sich eines Kömodienstoffes neu bedienen zu dürfen, den vor ihm schon der hochverehrte Paisiello in Töne gesetzt hatte: Il barbiere di Siviglia. Anderthalb Jahre zuvor hatte der Grandseigneur der italienischen Oper mit diesem Werk seinen europaweiten Ruf gefestigt. „Auch Napoleon hörte seine Musik gern,“ versichert uns Rossini und gibt seiner eigenen Meinung in einer Kolportage Ausdruck, wo- nach Paisiello „aller Welt erzählte, der große Kaiser liebe seine Musik ganz besonders, weil sie ihn nicht daran hindere, an anderes dabei zu denken.“ Ein eigentümliches Lob. Indes war seine sanfte Musik zu ihrer Zeit allgemein vorgezogen – jede Epoche hat eben ihren eigenen Geschmack. Aber mit der Gemeinde der Paisiellisten wollte sich Rossini nun doch nicht anlegen. So temperamentvoll er sich mitunter gebärdete, so sehr scheute er Konflikte und ging ihnen gewissenhaft aus dem Weg. Sein gesellschaftliches und politisches Engagement reichte stets nur so weit, als er sich des Beifalls sicher sein konnte, und nichts fürchtete er mehr als eine aufgebrachte Menge im Theater – oder bei sich vor der Haustür. SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

„Ich schrieb Paisiello einen Brief, in dem ich erklärte, dass ich mir meiner Minderwertigkeit bewusst sei und nicht in einen Wettbewerb mit ihm treten wolle, sondern nur ein Thema, das mir Freude machte, behandeln und dabei nach Möglichkeit die gleichen Episoden in seinem Libretto vermeiden wolle.“ Ein weiterer Versuch, den Ärger der Anhänger Paisiellos zu vermeiden, war das nachfolgende Avvertimento al pubblico, das dem gedruckten Libretto des Almaviva, so hieß das Stück ursprünglich, vorangestellt war: „Dem Publikum zur Nachricht! Die Komödie des Herrn Beaumarchais, betitelt Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht, wird in Rom als komisches Drama bearbeitet und unter dem Titel Almaviva oder Die nutzlose Vorsicht aufgeführt, um das Publikum von dem Gefühl der Achtung und Verehrung zu überzeugen, welche den Urheber der Musik des Dramas gegenüber dem so berühmten Paisiello beseelen, der diesen Stoff bereits unter seiner ursprünglichen Bezeichnung vertont hat. Der Herr Maestro Gioachino Rossini, zur Übernahme dieses schwierigen Auftrages berufen, hat, um nicht der kühnen Rivalität mit dem ihm vorangegangenen unsterblichen Verfasser bezichtigt zu werden, ausdrücklich verlangt, dass der Barbier von Sevilla von neuem vollständig in Verse gesetzt und dass einige neue musikalische Nummern eingefügt werden, da sich der Geschmack seit jener Zeit, in der der bewährte Paisiello seine Musik schrieb, so sehr geändert hat. Manch andere Verschiedenheit zwischen dem Gewebe des gegenwärtigen Dramas und dem der oben genannten Komödie wurde durch die Notwendigkeit der Einführung von Chören in die Handlung bedingt, so- wohl weil der moderne Geschmack sie will, als auch, weil sie für die musikalische Wirkung in einem Theater von so beträchtlichem Umfang unentbehrlich sind. Hiervon verständigt man das Publikum, um auch den Verfasser des neuen Dramas zu entlasten, der ohne so wichtige Gründe niemals gewagt hätte, die kleinste Veränderung des französischen Stoffes vorzunehmen, der bereits durch den theatralischen Beifall auf allen Bühnen Europas geheiligt ist.“ 20. FEBRUAR 1816 Über den Premierenabend des 20. Februar 1816 gibt es die haarstäubendsten Geschichten. Es war eine jener Nächte, in denen ein grausam gefühlloses oder völlig unverständiges oder von vornherein zum Widerspruch gereiztes Publikum darauf wartet, einem Meisterwerk die lautstärkste und kränkendste Ablehnung verpassen zu wollen. Das mussten nicht wenige große Komponisten erfahren – Verdi mit La Traviata in Venedig, Wagner mit Tannhäuser bei der französischen Premiere in Paris, Puccini mit Madame Butterfly in Mailand, Strawinsky mit Le Sacre du printemps in Paris –, warum also nicht auch Rossini? Wie aus der Aufzählung der vorstehenden Beispiele hervorgeht, helfen dagegen weder Name noch Popularität oder Leistung. Was an jenem Abend im Teatro Argentina in Rom wirklich geschah, vermag niemand mehr zu rekonstruieren. Die Legende bemächtigte sich sofort der offenkundigen Ablehnung und machte einen ungeheuren Skandal daraus. Der Darsteller des Basilio soll bei seinem Auf- tritt gestürzt sein und seinen Part mit blutender Nase gesungen haben: zweifellos Anlass zu einer stürmischen Heiterkeit, die von den Autoren nicht beabsichtigt worden war. Eine Katze soll auf die Bühne gekommen, sich dort niedergelassen und neugierig das Publikum betrachtet oder gar laut miaut haben. Als einer der Sänger sie von dort mit einem Fußtritt in das Parkett beförderte – welch schlechter Schauspieler, der das Tier ja nur hätte in das Spiel mit einbeziehen müssen! – und ein Zuschauer sie auf die Bühne zurückgeworfen haben soll, war es um die Aufmerksamkeit vollends geschehen. Diese Erzählungen sind weitergegeben und ausgeschmückt worden; ob etwas Wahres dar- an ist, weiß längst niemand mehr. Besprechungen von Theaterereignissen in den Gazetten gab es nur ausnahmsweise. Fest steht nur, dass Rossinis Barbier von Sevilla nicht gefiel. Da es am Werk nicht, an der Darstellung kaum gelegen haben konnte, bleibt nur die Vermutung, das Publikum habe aus Treue zu Paesiello jede Vertonung des von ihm zum Meisterwerk ge- stalteten Stoffes bedingungslos und von vornherein abgelehnt. Ob diese Erklärung stimmt? Sicher ist, dass Rossini sich nicht wesentlich gekränkt haben dürfte. Aber auch hier setzt SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

die Legende ein. Sie erzählt, der außerordentlich beherrschte, ja phlegmatische Komponist habe es am nächsten Abend vorgezogen, das Theater gar nicht mehr zu betreten; mochte sein Werk ohne ihn in Szene gehen. Als er sich in seiner Herberge zur Ruhe legte, sei er kurz danach durch einen Tumult vor seinem Fenster geweckt und im Schlafrock auf den Balkon gerufen worden. Eine begeisterte Menge, die soeben aus dem Theater strömte, brachte ihm eine stürmische Huldigung dar. „Se non è vero è ben trovato“, sagen die Italiener in solchen Fällen: „Falls es nicht wahr ist, so ist es jedenfalls gut erfunden!“ BRIEF AN ISABELLA COLBRAN Ich wünschte, eine schöne Freundin wäre jetzt in Rom, um Zeugin meines Triumphes zu sein. Mein „Barbier“ findet hier von Tag zu Tag mehr Beifall und weiß sich selbst bei den eingefleischten Gegner der neuen Schule so einzuschmeicheln, dass sie den kecken Burschen, ganz gegen ihren Willen, mehr und mehr liebgewinnen. Almavivas Serenade tönt hier nachts in allen Strassen, Figaros große Arie „Largo al factotum“ ist das Paradepferd aller Bassisten und Rosinas Kavatine „Una voce poco fa“ das Abendlied, mit dem hier jede Schöne zu Bett geht, um morgens mit den Worten „Lindoro mio sarà“ zu erwachen. Aber mehr als eine neue Oper wird Sie, teure Angélique, ein neuer Salat interessieren, den ich unlängst zur Freude aller Feinschmecker erfunden habe. Ich beeile mich, Ihnen das Rezept mitzuteilen: nehmen Sie eine Schüssel, tun Sie Provence-Öl, englischen Senf, französischen Essig, etwas Zitronensaft, Pfeffer und Salz hinein, reiben Sie alles bis zur vollkommenen Mischung durcheinander und würzen Sie es dann durch kleingeschnittene Trüffeln. Diese verleihen dem Salat einen Feingeschmack, der jeden Gourmand zur Bewunderung hinreißt. Der Kardinalssekretär, dessen Bekanntschaft ich unlängst gemacht, erteilte mir für diese Erfindung seinen apostolischen Segen. Doch um wieder zum »Barbier« zurückzukommen: im zweiten Akt gefallen vor allem das Duett zwischen dem als Singmeister verkleideten Grafen und dem Doktor Bartolo »Pace e gioia«, die Arie des alten Vormundes „Quando mi sei vicina“, worin ich die alte Schule persifliert habe, und der Schluss des Terzettes zwischen Rosina, Almaviva und Figaro „Zitti zitti, piano piano“ ... Versäumen Sie nicht, teure Angélique, sich je eher je lieber von der Köstlichkeit meines neuen Salates zu überzeugen ... Im ganzen unterhalte ich mich hier ziemlich gut, habe bei den Römerinnen mehr Glück als mir lieb ist, bin aber in Verzweiflung, dass es hier wenig oder gar keine guten Austern gibt. Wenn Sie im göttlichen Neapel im Wonnegefühl frischer Austern schwelgen, denken Sie auch einmal an mich ... Das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: ich habe eine neue Oper angefangen. Ich hoffe, sie fertig zu bringen. Bis dahin vergessen Sie nicht ganz Ihren ergebensten Gioachino Rossini ÜBER DAS KOMPONIEREN EINER OUVERTÜRE „Das Vorspiel zum Otello habe ich in einem kleinen Zimmer des Palastes Barbaja komponiert, wo der kahlköpfigste und wildeste aller Direktoren mich nur mit einer Schüssel Makkaroni und unter der Drohung, mich nicht eher aus dem Zimmer herauszulassen, bis ich die letzte Note geschrieben hätte, gewaltsam eingeschlossen hatte. Das Vorspiel zur Diebischen Elster habe ich am Tag der Uraufführung unter dem Dach der Scala geschrieben, wo mich der Direktor gefangen gesetzt hatte. Ich wurde von vier Maschinisten bewacht, die die Anweisung hatten, meinen Originaltext Blatt für Blatt den Kopisten aus dem Fenster zuzuwerfen, die ihn unten zur Abschrift erwarteten. Falls das Notenpapier ausbleiben sollte, hatten sie die Anweisung mich selbst aus dem Fenster zu werfen. Beim Barbier machte ich es mir einfacher; ich komponierte gar kein Vorspiel, sondern nahm das für die halbernste Oper Elisabeth bestimmte. Das Publikum war höchst zufrieden. Das Vorspiel zum Graf Ory habe ich beim Fischfang mit den Füßen im Wasser in Gesellschaft des Herrn Aguado geschrieben, während dieser mir einen Vortrag über die SKS Michael Russ GmbH – Charlottenplatz 17 – 70173 Stuttgart www.michaelrussgmbh.de – [email protected]

spanischen Finanzverhältnisse hielt. Das Vorspiel zu Wilhelm Tell wurde unter fast ähnlichen Umständen geschrieben. Was den Moses endlich anbetrifft, so schrieb ich dazu gar keins.“ (Antwort Rossinis an einen jungen Komponisten, der ihm die wenig geistreiche Frage gestellt hatte, wann man am besten das Vorspiel zu einer Oper komponiere. Abgesehen von der deutlich spürbaren Übertreibung um der Komik willen, hat Rossini tatsächlich oft unter derartigen Umständen seine Werke geschaffen.) ZITATE VON UND ZU ROSSINI Glauben Sie nicht, dass ich grundsätzlich gegen das dramatische Element eingestellt sei. Aber ich war ein Meister das italienischen Belcanto und teile die Meinung des großen Voltaire, der bekennt: Alle Arten sind gut, ausgenommen die langweilige. Was für die Liebe die Seele ist, das ist der Appetit für den Leib. Der Magen ist der Kapellmeister, der das große Orchester unserer Leidenschaften dirigiert. Essen, Lieben, Singen, Verdauen sind die vier Akte der komischen Oper, die das Leben heißt. Wartet bis zum Abend vor dem Tag der Aufführung. Nichts regt die Eingebung mehr an als die Notwendigkeit, die Gegenwart eines Kopisten, der auf Eure Arbeit wartet und das Drängen eines geängstigten Impressarios, der sich in Büscheln die Haare ausrauft. Zu meiner Zeit hatten in Italien alle Impressarien mit dreißig Jahren eine Glatze. Gioachino Rossini Rossini -, divino maestro, helios von Italien, der Du deine klingenden Strahlen über die Welt verbreitest! Verzeih meinen Landsleuten, die Dich lästern auf Schreibpapier und Löschpapier! Ich aber freue mich Deiner goldenen Töne, Deiner melodischen Lichter, Deiner funkelnden Schmetterlingsträume, die mich so lieblich umgaukeln und mir das Herz küssen wie mit Lippen der Grazien! Divino maestro, verzeih meinen armen Landsleuten, die Deine Tiefe nicht sehen, weil Du sie mit Rosen bedeckst, und denen Du nicht gedankenschwer und gründlich genug bist, weil Du so leicht flatterst, so gottbeflügelt! Heinrich Heine PRESSE-RÜCKSCHAU Das Orchester: eine von Keitels Hand verlesene Truppe, spielsicher, geistesgegenwärtig, mit Leib und Seele bei der Sache. Die Solisten: ein überwiegend blutjunges Team freischaffender Vokalisten, ausgepicht wie Alte Hasen, austrainiert und unroutiniert, das mit Belcanto und Komödiantik unausgesetzt lustvolle Verschwendung treibt. Regie, Bühne, Kostüme: zwingende Beweise, wie man aus praktisch gar nichts so gut wie alles machen kann ... Die Parole lautet: sehen, hören, staunen. Der Tagesspiegel, Berlin Rossini Opernfestival Rügen Europäisches Musikfest Stuttgart Jahrhunderthalle FrankfurtHoechst Yehudi Menuhin Festival Gstaad Opera Enel Convento, La Palma-Kanaren Monschau Klassik

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