Das Koloniale Experiment Der Sklavenhandel Brandenburg

January 12, 2018 | Author: Anonymous | Category: Geschichte, Geschichte Europas
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Das Koloniale Experiment Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im transatlantischen Raum 1680-1718

Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie (Dr. Phil) durch die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Vorgelegt von: Malte Stamm aus Düsseldorf

BetreuerIn: Prof. Dr. Achim, Landwehr

Düsseldorf, im April 2011

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen (einschließlich des Internets) direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.

Düsseldorf, den

2

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

5

Einleitung

7

1. Sklavenhandel und Handelskompanien

20

1.1. Ursachen und Grundbedingungen

20

1.2. Auswirkungen des transatlantische Sklavenhandels auf den europäischen Wirtschaftsraum 43 1.3. Handelskompanien und das merkantilistische Wirtschaftsgefüge in Europa

57

2. Versuche zur Einrichtung einer Ostindienkompanie

78

2.1. Das erste Projekt von 1647-1653

78

2.2. Das Projekt einer Kaiserlich-Brandenburgischen Ostindien-Gesellschaft 1660-1663

89

2.3. Neue Ansätze 1681-1687

97

3. Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

107

3.1. Die Gründung der BAC

107

3.2. Entwicklungen bis zum Tode Friedrich Wilhelms 1688

119

3.3. Reorganisation der Gesellschaft unter Friedrich III./I.

130

3.4. Der Verkauf der Gesellschaft durch Friedrich Wilhelm I.

150

4. Wirkungsgebiete der BAC

160

4.1. In Europa

160

4.1.1. Pillau und Königsberg

160

4.1.2. Emden

164

4.2. Brandenburg-Preußen in Westafrika

176

4.2.1. Großfriedrichsburg und Umgebung

176

4.2.2. Arguin

197

4.3. Brandenburg-Preußen in der Karibik

217

4.3.1. St. Thomas

217

4.3.2. Versuche zum Erwerb einer eigenen Insel

237

5. Organisation und Durchführung des Sklavenhandels

247

5.1. Die Anfänge

247

5.2. Bemühungen um den Asiento de Negros

250

5.3. Die Ausrüstung der Schiffe

261

5.4. Die Rekrutierung und der Handel in Westafrika

269

5.5. Die Mittelpassage

285

5.6. Der Verkauf in der Karibik 3

291

5.7. Der Schmuggelhandel

297

6. Der Aufbau einer kurbrandenburgischen Kriegsmarine

313

6.1. Brandenburgischer Kaperkrieg in Friedenszeiten 1679-1681

313

6.2.. Von der gemieteten Flotte zur Brandenburgisch-Preußischen Marine

323

6.3.. Die Schiffe der BAC

332

6.4. Die Bedeutung der Marine Brandenburg-Preußens in Europa

337

7. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im Kontext des absolutistischen Mächtesystems in Europa

343

7.1. Das Problem der Vorherrschaft im Ostseeraum: das Dominium Maris Baltici

343

7.2. Die Reaktionen der europäischen Mächte

auf das kurfürstliche Kaperunternehmen gegen

Spanien 1680-1682

351

7.3. Die Niederlande und der brandenburgische Westafrikahandel

364

7.4. Frankreich und der brandenburgische Westafrikahandel

371

7.5. Reaktionen in England

377

7.6. Reaktionen im Inneren

382

Zusammenfassung

389

Anhang

398

- Anhang I:

Liste der unter Brandenburg-Preußischer Flagge fahrenden Schiffe

398

- Anhang II: Liste der nach Europa gebrachten Rückfrachten

402

Abkürzungsverzeichnis

403

Quellen- und Literaturverzeichnis

404

4

Danksagung

Es heißt, ein Buch schreiben sei ein einsames Unternehmen. Wenn man dessen Entstehung auf die schiere Tätigkeit des Schreibens reduziert, entspricht diese Aussage sogar der Wahrheit. Aber die Entstehung eines Werks wie das vorliegende ist als Einzelleistung niemals zu bewerkstelligen. Sowohl bei den Vorbereitungen als auch über den gesamten Entstehungsprozess hinweg haben viele Personen wertvolle Hilfestellung geleistet, denen ich sehr zu Dank verpflichtet bin. So danke ich meinen Eltern Johannes Paul und Ingrid Stamm für die großzügige finanzielle Unterstützung, die sie mir über mehrere Jahre haben zukommen lassen. Vor allem meinem Vater gebührt ein besonderer Dank ebenso wie Herrn Christoph Roolf, die mir zusätzlich das Lesen alter Handschriften nahegebracht haben. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Achim Landwehr danke ich für die fachlich kompetente Hilfe, die er mir im Rahmen der Betreuung dieser Arbeit geleistet hat. Großen Dank schulde ich auch den Mitarbeitern um Herrn Tempel im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem sowie Herrn Dr. Rolf Uphoff vom Stadtarchiv Emden für die stets zuvorkommende Hilfestellungen während meiner dortigen Recherche. Des weiteren danke ich Glenn Lottmann und Dietmar Gottschick vom PC-Clubb e. V. Düsseldorf für die kompetente Beratung in technischen Fragen. Ein spezieller Dank gilt auch Frau Alexa Weeren, die mir im Rahmen meiner Recherche in Berlin stets eine Herberge geboten hat. Für das Lektorat danke ich Herrn Wolfgang Welke, der in unermüdlichem Einsatz die orthographischen Fehler dieser Arbeit ausgemerzt hat. Darüber hinaus schulde ich ganz besonderen Dank Frau Anneli Partenheimer-Bein für die Überlassung ihres unveröffentlichten Manuskripts über die Schifffahrts- und Kolonialpolitik Kurfürst Friedrich Wilhelms, dessen Inhalt wesentlich zur Einordnung des brandenburgpreußischen Sklavenhandels in einen europäischen Kontext beigetragen hat, sowie Herrn Norbert Günther vom Arbeitskreis Historischer Schiffbau e. V. für die Überlassung seines umfangreichen Archivs zur brandenburgischen und preußischen Marinegeschichte, welches nicht nur die Idee für die vorliegende Arbeit geliefert, sondern ihre Entstehung überhaupt erst möglich gemacht hat. Abschließend ergeht ein weiterer Dankesgruß an alle, die hier nicht namentlich genannt werden können, aber immer wieder durch die Beisteuerung von Ideen oder sonstiger Inspiration meine Gedanken beflügelt haben.

5

Ich gib´s so gut / wie ichs erlang Drumb ist mit vor keim Momo bang. Wer´s besser waist / und kan´s erweisen Der geb´s herfür, ich will ihn preisen. (Joseph Furttenbach)

6

Einleitung

Zu Beginn der Neuzeit befanden sich viele europäische Staaten an einem Scheideweg. Die Kreuzzüge, welche den Zweck hatten, das Heilige Land wieder unter abendländische Kontrolle zu bringen und die alten Handelswege nach dem Fernen Osten offen zu halten, waren gescheitert. Die traditionellen Mächte des mediterranen Raumes wie die Republik Venedig befanden sich im Niedergang. Dies machte ein Umdenken sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht nötig. 1453 brachte die Eroberung Konstantinopels durch das Osmanische Reich einen herben Rückschlag für die europäischen Händler. Der Handelsweg über die alte Seidenstraße war nun versperrt, dadurch wurden die aus Asien nach Europa importierten Güter wie chinesische Seide und exotische Gewürze extrem verteuert1. Die Portugiesen waren die ersten, die nach einer Lösung für dieses Problem suchten. Fortschritte in den Bereichen Schiffbau und Navigation ermöglichte es ihnen, die westafrikanischen Küsten für die europäische Schifffahrt zu erschließen. Als Christoph Columbus 1492 auf der Suche nach einem westlichen Seeweg nach Indien den amerikanischen Kontinent entdeckte, rückte auch dieser in den Fokus der europäischen Mächte. Die vermeintlich besitzlosen Länder wurden zuerst von Spanien okkupiert und konsequent ausgebeutet. 1493 teilte Papst Alexander IV. im Vertrag von Tordesillas den atlantischen Ozean in zwei Hälften. Die westliche Hälfte sollte Spanien gehören und beinhaltete den gerade entdeckten amerikanischen Kontinent. Die östliche Hälfte fiel an Portugal und beinhaltete die Küsten Westafrikas, den gesamten asiatischen Raum und den östlichen Teil Brasiliens. Diese willkürliche Einteilung der Welt in jeweils eine rein spanische und rein portugiesische Einflusszone blieb bei den anderen europäischen Mächten nicht unwidersprochen, so dass neben spanischen und portugiesischen Schiffen auch bald englische, niederländische und französische Schiffe auf dem atlantischen Ozean anzutreffen waren. Durch den sich nun im transatlantischen Raum entwickelnden regen Schiffsverkehr wurden Europa, Afrika, Amerika und Asien miteinander vernetzt, wobei gegenseitige Wechselwirkungen sowie Abhängigkeiten entstanden. Es entwickelte sich zwischen den Kontinenten erstmals ein geographisch vollständiges Weltwirtschaftssystem2. Der wichtigste Faktor dieses Systems war der Handel mit menschlicher Arbeitskraft, für die sich mit den Plantagenkolonien Westindiens ein unersättlicher Markt entwickelte. Die Versorgung der Plantagenkolonien, vor allem denen in der Karibik, war die primäre Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung der westindischen Kolonien. 1

Es ist anzunehmen, dass sich die Osmanen das lukrative Geschäft mit den Europäern nicht entgehen ließ, ungeachtet dessen dürfte aber auch dies zur erheblichen Verteuerung der Handelsgüte beigetragen haben. Dazu siehe Feldbauer, Peter: Vom Mittelmeer zum Atlantik. Die mittelalterlichen Anfänge der Europäischen Expansion, München 2001. 2 Braudel, Fernand: Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, 3 Bände, München 2001, hier: Band 3: Aufbruch zur Weltwirtschaft, S. 15ff.

7

Gleichzeitig ermöglichte dieser Handel den Zugang zu den spanischen Festlandkolonien und damit auch den Zugriff auf die Edelmetalle Amerikas. Afrika lieferte neben Gold und Elfenbein vor allem Menschen. Dabei traf die europäisch-amerikanische Nachfrage auf das afrikanische Angebot. Vor diesem Hintergrund fand eine der größten erzwungenen Migrationen der Geschichte der Menschheit statt. Vom 16. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden etwa 12 Mio. Schwarzafrikaner auf den amerikanischen Kontinent verschleppt. Das besondere Kennzeichen und zugleich auch der Unterschied zu anderen großen Migrationen ist der ökonomische Aspekt dieses erzwungenen Exports von Menschen. Im Vordergrund standen die handelspolitischen Interessen der europäischen Kaufmannschaften in Lissabon, Sevilla, Paris, London und Amsterdam, aus den überseeischen Territorien den größtmöglichen Profit zum Nutzen des jeweiligen europäischen Landes herauszuholen. Besiedelung und politische Durchdringung des afrikanischen Kontinents standen dabei noch nicht im Mittelpunkt der europäischen Interessen. Die Bevölkerung wurde lediglich als Abnehmer europäischer Fertigwaren und Lieferant der benötigten billigen Arbeitskräfte betrachtet. Der transatlantische Sklavenhandel und die Sklaverei in Amerika erreichten nun eine neue Qualitätsstufe im Vergleich zur antiken Sklaverei und zur historischen Sklaverei Afrikas. Sowohl im antiken Rom, in Arabien und in den Teilen Afrikas, in denen die Versklavung von Menschen gebräuchlich war, war der Sklavenstatus kein sozialer oder ethnischer Parameter, der Sklave blieb Mensch, aber nun wurde er auf ein rein dingliches Stück Inventar reduziert. In den Zucker produzierenden Kolonien in der Karibik war dieses System am stärksten ausgeprägt, dorthin wurden auch die meisten Sklaven geliefert. Es entstand ein fragiles soziales Gefüge, in dem eine Minorität europäischer Pflanzer einer Majorität afrikanischer Sklaven gegenüber stand. Die Sklaverei in der Karibik unterschied sich dabei von Anfang an von der Sklaverei auf den Festlandkolonien. Schwarzafrikaner wurden in der Karibik von Anfang an als Sklaven eingeführt, um die Zuckerproduktion so schnell und so billig wie möglich zu maximieren. Die europäischen Kolonisten entwickelten deshalb juristische und soziale Mechanismen, die dieses gewährleisten sollten. Dabei waren die Pflanzer von dem Unterwerfungswillen der Sklaven abhängig, denn diese konnten rebellieren, fliehen oder die Produktion sabotieren. Dafür konnten sie von den Pflanzern wiederum bestraft werden, was zur Folge hatte, dass alle an diesem System beteiligten bis zu einem gewissen Grad voneinander abhängig waren. Der ökonomische Nutzen aus der Sklavenarbeit in den Kolonien schuf den Bedarf, der durch den erzwungenen Transport afrikanischer Arbeiter aus ihrer Heimat gedeckt wurde. Dieser Bedarf von billiger Arbeitskraft wirkte sich nicht nur in Afrika und in der Neuen Welt, sondern auch in Europa aus. In Europa entstanden in vielen Ländern regelrechte Produktionszentren für Waren, die für den Handel mit afrikanischen Sklavenhändlern benötigt wurden. In Afrika waren viele Bewohner der Küstengebiete in den Sklavenhandel eingebunden, indem sie ihre Landsleute aus 8

dem Inneren des Kontinents verschleppten und somit dazu beitrugen, den Bedarf der Europäer zu decken. Dies taten sie nicht zuletzt auch, um sich selbst vor der Versklavung zu schützen. Im 17. Jahrhundert waren die erfolgreichsten europäischen Nationen im transatlantischen Sklavenhandel die Engländer und die Niederländer. Beide hatten große Handelskompanien gegründet, welche den Überseehandel organisierten und die Schiffsflotten zur Verfügung stellten. Ausgestattet mit umfangreichen Privilegien gelang es den Handelskompanien, sich eine regelrechte Monopolstellung im Überseehandel zu sichern. Insbesondere die niederländischen Handelskompanien galten bereits kurz nach ihrer Gründung als beispielhaft für ihre Organisation und ihre Effizienz. Doch der Wohlstand kam nicht nur durch den Umschlag der importierten Waren, auch die heimischen Wirtschaftssektoren erfuhren einen riesigen

Aufschwung. Der Schiffbau florierte,

und

Manufakturen, welche die importierten Waren weiter verarbeiteten, gaben den Teilen der Bevölkerung, die ihren Lebensunterhalt nicht in der Landwirtschaft erwirtschafteten, Arbeit. Durch wirtschaftlichen und technischen Fortschritt erlebten die Niederlande einen bis dahin nie gekannten wirtschaftlichen Aufschwung. Es ist daher kaum verwunderlich, dass dieser Anstieg des Wohlstandes sowohl Neider als auch Nachahmer anzog. Angelockt von den zumeist enorm hohen Profitversprechen betätigten sich neben den bereits erwähnten Nationen auch die kleineren europäischen Mächte im transatlantischen Sklavenhandel. Gegen Ende des 17.Jahrhunderts waren die Marktanteile für einen erfolgreichen Handel jedoch weitgehend aufgeteilt, so dass es für Neulinge auf diesem internationalen Markt zunehmend schwieriger wurde, sich durchzusetzen. Einer dieser kleineren Markteilnehmer war das Kurfürstentum Brandenburg-Preußen3.

Ein Binnenstaat als Kolonialmacht? Eine nicht wegzudiskutierende Tatsache ist, dass der afrikanische Kontinent für das Heilige Römische Reich deutscher Nation bzw. dessen Herrscher und Bewohner im Windschatten, wenn nicht gar völlig außerhalb ihres Interesses lagen. Die Erforschung, Enträtselung und Beschreibung Afrikas ist in der gesamten Epoche der Frühen Neuzeit bis in die Epoche der Aufklärung hinein im wesentlichen die Angelegenheit portugiesischer, französischer, englischer und niederländischer Beamte, Militärs und Gelehrten gewesen. Kaiser und Fürsten haben sich niemals wirklich an der Einbindung Afrikas in den wirtschaftlichen Kreislauf beteiligen können, zu sehr war Afrika für Mitteleuropa "terra incognita" 4 . Und doch hat es gerade in den Jahren und Jahrzehnten des Westfälischen Friedens eine Phase gegeben, in der alles überseeische und auch Afrika ziemlich 3

1701 wurde Friedrich III. von Brandenburg als Friedrich I. zum ersten König von Preußen gekrönt. Im folgenden werden, soweit keine klaren zeitlichen Abgrenzungen möglich sind, Brandenburg, Kurbrandenburg und Brandenburg-Preußen als Synonyme gebraucht. 4 Duchhardt, Heinz: Afrika und die deutschen Kolonialprojekte der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Archiv für Kulturgeschichte 68, Köln 1986, S. 119-133, hier: S. 119ff.

9

unvermittelt das Denken etlicher deutscher Höfe zu bewegen begann. Nachdem es Herzog Jakob von Kurland 1651 gelungen war, an der Gambiamündung in Guinea eine Niederlassung zu errichten und wenig später durch einen weiteren Stützpunkt auf Tobago die Voraussetzung für den Einstieg in den transatlantischen Sklavenhandel schuf, setzte in gleich mehreren deutschen Residenzen ein regelrechtes Kolonialfieber ein. Auch auf eine Fülle einfacher Menschen hatte der Kolonialgedanke eine unglaubliche Faszination ausgeübt, wie auf den hessischen Theologiestudenten Johann Christian Hoffmann, der 1670 spontan in den Dienst der niederländischen Ostindien-Kompanie eintrat und von seiner fünfjährigen Dienstzeit einen anschaulichen Reisebericht veröffentlichte. Die geistigen Vorreiter dieser Kolonialprojekte im deutschen Reich sind bekannt: der aus Speyer stammende und an einer Vielzahl deutscher Höfe tätige Gelehrte Johann Joachim Becher und der spanische Franziskaner Christoph Royas y Spinola.

Vor allem Bechers im Jahr 1668

veröffentlichtes Werk „Politischer Diskurs“ trug maßgeblich dazu bei, dass vor allem die Höfe in Wien, München, Mainz und Hanau Geld, Engagement und Hoffnungen in derartige Projekte steckten. Die Ergebnisse waren durchaus unterschiedlich. Während man in Mainz nicht über die bloße Diskussion hinaus kam, gediehen die bayerischen Bemühungen, eine Kolonie in Guyana zu erwerben, immerhin bis zur Unterschriftsreife. Graf Friedrich Kasimir von Hanau-Lichtenberg gelang es sogar, einen Streifen Küstenland in Brasilien von der niederländischen WestindienKompanie als erbliches Lehen zu erwerben, bevor er dann, nicht zuletzt auch wegen diesem Landerwerb, von seinen Verwandten entmündigt wurde5. In den Jahren nach dem Westfälischen Frieden begannen die deutschen Kurfürsten, eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Dies diente vor allem dazu, völkerrechtliche und politische Parität zu den europäischen Großmächten zu demonstrieren. Und zur Demonstration eben dieser angestrebten Ebenbürtigkeit eignete sich natürlich auch das zukunfts- und gewinnträchtige Feld der Kolonialpolitik und des Überseehandels. Der Handel mit den gerade entstandenen europäischen Überseekolonien war bereits ab dem beginnenden 16. Jahrhundert ein zentrales Thema der europäischen Wirtschaft, wobei Asien seit der Antike im Fokus europäischer Kaufleute stand. Er war so lukrativ, dass sich England, Frankreich und die Niederlande regelrechte Wettrennen um die besten Handelsplätze lieferten. Selbst die traditionell eher nach Osteuropa ausgerichteten Staaten Dänemark, Schweden und Kurland versuchten, im Transatlantikhandel zu profitieren und etablierten entsprechende Handelskompanien sowie Handelsstützpunkte in Afrika und in der Karibik. So unterschiedlich die Voraussetzungen und die Motivationsgründe der teilnehmenden Staaten auch war, eins hatten sie alle gemeinsam: einen direkten Zugang zum Meer und eine entsprechend damit zusammenhängende maritime Tradition. Brandenburg hingegen war ein reines

5

Duchhardt: Afrika und die deutschen Kolonialprojekte, S. 121.

10

Binnenterritorium, ohne maritime Tradition und nur durch Flüsse und Kanäle mit Nord- und Ostsee verbunden. Preußen, das zu dieser Zeit noch polnisches Lehen war, hatte zwar mit den Hafenstädten Pillau und Königsberg einen direkten Zugang zur Ostsee, aber die Schifffahrt dort beschränkte sich auf Fischerei und Handel mit den Nachbarstaaten. Hinzu kommt, dass Brandenburg durch den Dreißigjährigen Krieg schwere wirtschaftliche, gesellschaftliche und infrastrukturelle Schäden zu bewältigen hatte, während die anderen europäischen Staaten bereits erste Früchte ihrer kolonialen Bemühungen ernteten. Allein unter diesem Gesichtspunkt betrachtet mutet der Versuch, es den anderen europäischen Mächten mit dem Erwerb von kolonialem Besitz gleich zu tun als kühn, ja geradezu aberwitzig an. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Motive und die Vorgehensweise Brandenburgs bei der Durchführung des kolonialen Experiments zu untersuchen, wobei der Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste und in der Karibik eine zentrale Rolle spielt. Der brandenburgische Überseehandel soll dazu an allen Punkten, politisch wie topographisch, dargestellt sowie in einen umfassenden Zusammenhang des frühneuzeitlichen Welthandels gesetzt werden. Des weiteren sollen auch die politischen sowie infrastrukturellen Veränderungen, die der brandenburg-preußische Sklavenhandel mit sich brachte, näher untersucht werden. In Kapitel 1 werden die Ursachen und Grundbedingungen des transatlantischen Sklavenhandels, dessen Auswirkungen auf den europäischen Wirtschaftsraum sowie das Phänomen der privilegierten Handelskompanien in der Frühen Neuzeit untersucht. Dies liefert den Rahmen, in dem sich das koloniale Experiment abgespielt hat. Die folgenden Kapitel behandeln ausführlich die Organisation und Durchführung des brandenburgischen Sklavenhandels. Bevor Kurfürst Friedrich Wilhelm auf die Idee kam, in das lukrative Geschäft mit dem Handel von Sklaven einzusteigen, stand zuerst die Aufnahme des Überseehandels mit Ostindien im Vordergrund. In Kapitel 2 werden die verschiedenen Projekte zur Gründung einer brandenburgischen Ostindien-Kompanie beschrieben. Die Geschichte der für die ordnungsgemäße Abwicklung des Sklavenhandels gegründete „Brandenburgisch-Africanichen Compagnie“ (BAC) wird ausführlich in Kapitel 3 behandelt, wobei die Schwerpunkte auf ihre wirtschaftliche Entwicklung und die Gründe für ihren Niedergang gelegt werden. In Kapitel 4 werden die Wirkungs- und Einflussbereiche des brandenburgischen Sklavenhandels in Europa, in Westafrika und in der Karibik beschrieben. Kapitel 5 behandelt schließlich die Organisation und die Durchführung des brandenburgischen Sklavenhandels. Untrennbar damit verbunden ist der Aufbau einer Brandenburg-Preußischen Kriegsmarine, deren Vorgeschichte und Gründung in Kapitel 6 untersucht wird. Obwohl die Präsenz der brandenburg-preußischen Flagge auf dem Atlantik Gegenstand zahlreicher Abhandlungen ist, blieb die Reaktion der anderen europäischen Mächte bisher weitgehend unbeachtet. In Kapitel 7 wird abschließend die Präsenz Brandenburg-Preußens auf den Weltmeeren in einem politischen Kontext in Europa untersucht. 11

Quellen

Über die Vorgänge des brandenburg-preußischen Sklavenhandels und seine Handelskompanien sind umfangreiche Quellenbestände erhalten geblieben. Die vorliegende Arbeit beruht im wesentlichen auf den archivalischen Beständen des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem und des Stadtarchivs Emden. Der Hauptbestand der archivalischen Materialien des Geheimen Staatsarchivs sind in der Repositur 65 „Marine- und Afrikanische Compagniesachen“ zusammengefasst. Dieser Aktenbestand beinhaltet die Korrespondenz Kurfürst Friedrich Wilhelms mit den Verantwortlichen der Handelskompanien, Briefe, Anweisungen sowie die Log- und Wirtschaftsbücher der Handelskompanien. Eine weitere wichtige Quellensammlung beinhaltet der Nachlass des ehemaligen Marinerates Friedrich Jorberg, welcher in den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts umfangreiche Forschungen über die Brandenburg-preußische Marineund Kolonialgeschichte anstellte. Aufgrund des Verlaufes des Zweiten Weltkrieges konnte er seine Forschungen jedoch nicht abschließen. Seine Aufzeichnungen werden im Geheimen Staatsarchiv Berlin unter der Repositur 93 verwahrt. Weitere Quellen, die für die Darstellung der Bemühungen Friedrich Wilhelms um die Aufnahme von Handelsbeziehungen nach Asien beleuchten, befinden sich in der Repositur 11 „Auswärtige Beziehungen“. Ergänzt werden diese Quellen durch die Bestände des Stadtarchivs Emden, welche einen interessanten Einblick in die brandenburgische Präsenz der Stadt sowie in die Abwicklung des Sklavenhandels liefern. Über den brandenburgischen Sklavenhandel geben auch diverse gedruckte Quellen Auskunft. Eine ausführliche Beschreibung einer Reise nach Afrika und der dortigen kulturellen Kontakte liefert die „Orientalische Reisebeschreibung“6 des brandenburgischen Kammerjunkers und späteren Majors des kurfürstlichen Heeres, Otto Friedrich von der Gröben, welcher im Auftrag des Kurfürsten den Handelsstützpunkt Großfriedrichsburg begründete. Von der Gröben hatte sich bereits mit siebzehn Jahren einem polnischen Adeligen angeschlossen und ihn auf einer insgesamt achtjährigen Reise nach Italien, Malta, Ägypten und Palästina begleitet. Zurückgekehrt in heimische Gefilde, wurde er aufgrund dessen von Kurfürst Friedrich Wilhelm mit der Leitung einer Expedition nach Westafrika beauftragt, um dort einen Handelsstützpunkt aufzubauen und den Handel mit Sklaven aufzunehmen. Über diese Expedition sowie seine anderen Reisetätigkeiten verfasste von der Gröben nicht nur die o. g. Reisebeschreibung, sondern zusätzlich auch ein über 700 Seiten

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Groeben, Otto Friedrich: Orientalische Reisebeschreibung des Adelichen Pilgers Otto Friedrich vonder Gröben, nebst der brandenburgischen Schiffahrt nach Guinea, und der Verrichtung zu Morea, unter ihrem Titel, Marienwerder 1694.

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langes Epos in Versform, worin sich auch Details zu seinen Reisen finden, die in seiner Reisebeschreibung nicht oder unzureichend erwähnt werden7. Beiden Werken ist gemein, dass sie offenbar in einer sehr kleinen Auflage gedruckt wurden. Ein Exemplar der Reisebeschreibung ist mit einer Widmung des Autors an Kurfürst Friedrich III. versehen und wird, wie auch das Epos, in der Handschriftensammlung der Staatsbibliothek Berlin aufbewahrt. Allerdings wurde die Autorenschaft von der Gröbens an dem Epos zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Zweifel gezogen8. So werden als Autoren ein Erzpriester Klein, ein Diakon Bartholomäus Klügesmann und ein Notar Klinger genannt. Aufgrund der Ausführlichkeit insbesondere über seine Erlebnisse in Afrika und die lebendige Darstellung der Eingeborenen und ihrer Lebensweise stellt Gröbens Reisebeschreibung eine wertvolle Quelle dar, sie ist sogar eine der frühesten und ausführlichsten zeitgenössischen Darstellungen des afrikanischen Kontinents und seiner Bewohner. Ein weiterer zeitgenössischer Bericht über den brandenburg-preußischen Sklavenhandel in Westafrika findet sich in dem Tagebuch des Schiffsarztes Johann Peter Oettinger, der 1692 einen Sklaventransport auf dem brandenburgischen Schiff „Friedrich Wilhelm zu Pferde“ von Großfriedrichsburg nach St. Thomas begleitete.9

Basierend auf den Aufzeichnungen aus Oettingers Nachlass wurde gegen Ende des 19.

Jahrhunderts ein ausführlicher Bericht seiner Reise verfasst und in Buchform herausgegeben. Eine weitere wichtige Ressource ist die die Quellensammlung zur brandenburgischen Kolonialgeschichte des britischen Historikers und Germanisten Adam Jones10. In dieser Sammlung sind diverse Quellen aus den Beständen des Zentralen Staatsarchivs der Deutschen Demokratischen Republik in Merseburg ediert, jedoch wurden sie alle in englischer Sprache übersetzt abgedruckt11. So enthält sie die wichtigsten Passagen von Gröbens Reisebeschreibung in englischer Sprache, welche zwar inhaltlich korrekt wiedergegeben ist, die linguistischen Feinheiten dabei jedoch unterschlägt. Bei der Zusammenstellung der Quellentexte ging es Jones offenbar um den transkulturellen Aspekt der Beziehungen zwischen Brandenburg und den Afrikanern. Quellenmaterial über den Ablauf und den wirtschaftlichen Nutzen des Sklavenhandels fehlt entweder völlig oder ist nur unzureichend vorhanden. Die literarisch-wissenschaftliche Beschäftigung mit den Bemühungen Friedrich Wilhelms und seinen Nachfolgern begann ziemlich mühsam und schleppend. Die ersten literarischen

7

Gröben, Otto Friedrich: Des edlen Bergone und seiner tugendhafften Areteen denckwürdigen Lebens- und Liebesgeschichte: Zum Nutz und Vergnügen edler Gemüther, welche daraus die Sitten und Gebräuche vieler Völcker und der ausführlichen Beschreibung Italien, der Heiligen und anderer Länder ersehen können, Danzig 1700. 8 Voigt, Christoph: Die Gründung von Großfriedrichsburg in epischer Darstellung, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft 14 Nr. 7, S. 413-430, hier: S. 414. 9 Oettinger, Paul: Unter kurbrandenburgischer Flagge. Deutsche Kolonialerfahrungen vor zweihundert Jahren, nach dem Tagebuch des Chirugen Johann Peter Oettinger, Berlin, 1886. 10 Jones, Adam: Brandenburg Sources to West African History, Stuttgart 1985. 11 Die Bestände des Zentralarchivs der DDR in Merseburg wurde1994 vom Geheimen Staatsarchiv Berlin übernommen. Sämtliche Quellenangaben in Publikationen vor dieser Zeit sind daher nicht mehr gültig.

13

Zeugnissse entstanden zwar schon im Jahr 1688 von einem gewissen Sauer, welches den Titel „Friderici Wilhelmi res gestae marinae“ (Serenissimi atq[ue] Potentissimi Principis ac Domini, Dn. Friderici Wilhelmi Magni, Marchionis Brandenburgici, S.R.I. Archicamerarii & Electoris, Ducis Prussiae Supremi ... Res Gestae Marinae /... Frankfurt/Oder 1688) trägt, und 1695 erschien von Samuel von Pufendorf ein umfangreicher Nachruf auf Kurfürst Friedrich Wilhelm mit dem Titel „De rebus gestis Friderici Wilhelmi Magni, Electoris Brandenburgici“12. Beiden gemein ist, dass sie den Seehandel nur sehr knapp und lückenhaft darstellen13, was jedoch daran liegen kann, dass sie in einer Zeit erschienen, als die brandenburgischen Überseehandelskompanien noch aktiv waren und bereits stark in der zeitgenössischen Kritik standen. Der preußische Minister Ewald Heinrich von Hertzberg (1725-1795) war der erste, der sich eingehend mit den Seehandelsbemühungen Friedrich Wilhelms und seinen Nachfolgern beschäftigte. 1755 veröffentlichte er ein Manuskript mit dem Titel „Histoire de la marine et de la compagnie africaine de Prusse“, welches ins Deutsche übersetzt wurde und gleich zweimal, zuerst 1776 in Band 7 von Paulis Allgmeiner Preußischer Staatsgeschichte und dann separat von Heinrich Graf von Borcke unter dem Titel „Die brandenburgisch-preußische Marine und die Africanische Compagnie“ veröffentlicht wurde 14 . Mittlerweile existiert eine Vielzahl an Abhandlungen über die Brandenburg-preußischen Kolonialbemühungen. Es ist jedoch auffallend, dass in nahezu allen großen Gesamtdarstellungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts der brandenburgische Sklavenhandel gar nicht erwähnt wird. Betrachtet man jeweils den Zeitpunkt ihrer Erscheinung, lassen sich zwei Epochen ausmachen, in denen verstärkt Abhandlungen über das koloniale Experiment veröffentlicht wurden: in der wilhelminischen Zeit während des Aufbaus der deutschen Flotte und während des Dritten Reiches. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tauchten die kolonialen Bemühungen Friedrich Wilhelms wieder auf, wenn auch zunächst vereinzelt und eher als Fußnote bzw. als Kuriosum der preußischen Geschichte15. Die erste wissenschaftliche Darstellung des kolonialen Experiments lieferte 1839 Peter Feddersen Stuhr 16 , der bereits einen recht ausführlichen Aktenanhang erhielt. Der Wandel kam ziemlich genau im Jahr 1884, als 12

von Pufendorf, Samuel: De rebus gestis Friderici Wilhelmi Magni, Electoris Brandenburgici Commentariorum Libri Novendecim, posthum 1695, Berlin und Leipzig 1733. 13 Kayser, Paul: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik, in: Die Grenzboten 37,3, Berlin 1889, S. 289-304. Es handelt sich dabei um die separat abgedruckte Vorrede, die Schücks Werk vorangestellt ist. 14 Borcke, Heinrich Graf von: Die brandenburgisch-preußische Marine und die Africanische Compagnie. Nach einem im Jahre 1755 datierten, in französischer Sprache geschriebenen Manuscripte, Köln 1864. Kayser: Kolonialpolitik, S. 291. 15 Eine kritische Darstellung der wichtigsten Texte liefert Matz, Klaus Jürgen: Das Kolonialexperiment des Großen Kurfürsten in der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 191-202, in: Heinrich, Gerd (Hrsg.): Ein sonderbares Licht in Teutschland. Beiträge zur Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg 1640-1688, Berlin 1990. 16 Stuhr, Peter F.: Die Geschichte der See- und Colonialmacht des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg in der Ostsee, auf der Küste von Guinea und auf der Insel Arguin und St. Thomas aus archivalischen Quellen dargestellt, Berlin 1839.

14

Bismarck binnen weniger Monate ausgedehnte Gebiete in Südwastafrika, Kamerun, Togo, der vor Sansibar gelegenen Festlandküste sowie den nordöstlichen Teil Neuguineas samt dem vorgelagerten Insel-Archipel unter deutschen Schutz stellte und damit das noch junge Deutsche Reich zur mittleren Kolonialmacht erhob. Bezeichnend ist, dass sich das junge kaiserliche Militär zuerst dieses Themas bemächtigte. 1885 pries ein Bataillonskommandeur vor dem Offizierskorps der Garnision Köln-Deutz in einem Vortrag die kolonialen Leistungen Friedrich Wilhelms in höchsten Tönen und ging sogar so weit zu behaupten, das Wirken der Brandenburger hätte bleibende Wirkung gezeigt 17 . Ebenfalls 1885 erschien eine neue, größere Gesamtdarstellung, verfasst vom „Großen Generalstab“ 18. Dieses Werk lieferte eine

knappe

Übersicht

über

die

brandenburgischen

Stützpunkte

Arguin

und

Großfriedrichsburg und enthielt einige archivalische Quellentexte als Anhang, war jedoch nicht als wissenschaftliche Abhandlung gedacht, sondern sollte eher als Mahnung des politischen Nutzens der Geschichte dienen 19 . Damit sollte das koloniale Experiment im politischen Tageskampf eingesetzt werden, um die Kritiker des neuen deutschen Kolonialismus, die selbigem skeptisch oder ablehnend gegenüberstanden, entweder vom Gegenteil überzeugen oder zumindest in der öffentlichen Meinung diskreditieren. Bezeichnend dafür ist die überlieferte Anekdote, wonach Kaiser Wilhelm I. bei der Überbringung der Nachricht von der ersten kolonialen Erwerbung in Afrika geäußert haben soll, erst jetzt könne er dem Standbild des Großen Kurfürsten wieder ruhig in die Augen sehen20. Die Militärhistoriker des Großen Generalstabs lieferten als Hauptargument für das Scheitern des kolonialen Experiments den“engherzigen Geist“ der Zeit und das Fehlen einer schlagkräftigen Flotte21. Damit warf die Flottendiskussion der kommenden Jahrzehnte bereits ihre Schatten voraus. Noch 1885 und kurz darauf 1886 erschienen zwei kleinere Arbeiten zur Kolonial- und Flottenpolitik Friedrich Wilhelms 22 . Diesen folgte 1887 ein größerer Aufsatz des damaligen wissenschaftlichen Hilfsarbeiters im Badischen Generallandesarchiv, Eduard Heyck 23. Dieser legte in seinem Aufsatz dar, dass Kurfürst Friedrich Wilhelm bereits lange vor der ersten Entsendung von Schiffen nach Westafrika entsprechende Kolonialpläne verfolgt hatte. Dabei hoffte er auf Hilfe durch den Kaiser und den spanischen Hof. Auch hier schlug der Verfasser eine Brücke zwischen 17

Matz: Kolonialexperiment, S. 194 und Westphal, Wilfried: Geschichte der deutschen Kolonien, München 1984, S. 13. Brandenburg-Preußen auf der Westküste von Afrika 1681-1721, verfasst vom Großen Generalstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte, Berlin 1885, unveränderter Neudruck Wolfenbüttel 2007. 19 Großer Generalstab, S. 1. 20 Matz: Kolonialexperiment, S. 195. 21 Großer Generalstab, S. 63. 22 Beheim-Schwarzbach, M.: Die maritime und koloniale Thätigkeit Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten, in: Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Band 2, Stuttgart 1885; Hofmeister, H.: Die maritimen und kolonialen Bestrebungen des Großen Kurfürsten 1640-1688, Emden 1886. 23 Matz: Kolonialexperiment, S. 196, Heyck, Eduard: Brandenburgisch-Deutsche Kolonialpläne. Aus den Papieren des Markgrafen Hermann von Baden-Baden, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 41 (1887), S. 129-200. 18

15

Vergangenem und Gegenwärtigem, ganz im Sinne des Zeitgeistes. Die erste, echten wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdarstellung des kolonialen Experiments lieferte 1889 auf Anregung des damaligen Direktors der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, Paul Kayser, der eigens für diese Forschungen freigestellte Gerichtsassessor Richard Schück mit seinem Werk über die Kolonialpolitik des Großen Kurfürsten24. Dieses Werk gliedert sich in zwei Bände. Band 1 enthält einen systematischen Teil, welcher in chronologischer Abfolge die kolonialen Bemühungen Friedrich Wilhelms ausführlich anhand von archivalischen Quellen beschreibt. Band 2 enthält einen quellenhistorischen Teil mit über 150 ausgewählten Quellentexten der Brandenburg-preußischen Kolonialgeschichte. Obwohl auch Schück mitunter den Stellenwert der brandenburgischen Überseebesitzungen etwas überschätzt 25 , sind seine Darstellungen des Brandenburg-preußischen Kolonialismus insgesamt realistisch und durch Quellen hinreichend belegt. Damit ist die Arbeit Schücks bis heute das maßgebliche Werk zur Kolonialgeschichte Brandenburg-Preußens. Zusammen mit der bereits erwähnten Arbeit Jones´ ergibt sich eine gute Übersicht über die zur Verfügung stehenden Quellen. Durch Schücks große Gesamtdarstellung des kolonialen Experiments wurde dieses als historisches Faktum fest etabliert, da nun erstmalig auch eine große Quellensammlung in transskribierter Form für die weitere Beschäftigung zur Verfügung stand. Ab hier fand das koloniale Experiment Eingang in die größeren Gesamtdarstellungen preußischer Geschichte 26 . Doch es gab auch kritische Veröffentlichungen. Während die o. g. Autoren das koloniale Experiment in einem hellen Licht erstrahlen ließen, bezeichnete Hans Prutz im zweiten Band seines zweibändigen Werkes der preußischen Geschichte das koloniale Experiment als ein von „trügerischen Hoffnungen“ genährtes Kuriosum27. Offenbar blieb es bei derart vereinzelten kritischen Darstellungen. 1904 erschien in der Zeitschrift „Marine-Rundschau“ ein Artikel des damaligen Direktors der preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser, in dem er den Kurfürsten für seine Erkenntnis um die Notwendigkeit einer starken Flotte lobte 28 . Dies war keinesfalls Zufall, der Beitrag fiel mitten in die Zeit hartnäckiger Auseinandersetzungen um die Tirpitz´schen Flottennovellen, wo sich die Politik bereits zum wiederholten Male in verklärte Historie kleidete, um ihre Zwecke zu erreichen. Hatte man in der Zeit vor dem I. Weltkrieg das letztendliche Scheitern des kolonialen Experimentes durch das Fehlen eines risikofreudigen, wirtschaftlich aktiven Bürgertums gesehen, 24

Schück, Richard: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfolgern (16471721), 2 Bände, Leipzig 1889 (nachfolgend als Schück I und Schück II zitiert). 25 Schück stellt z. B. die Überseebesitzungen Friedrich Wilhelms auf eine Stufe mit den Überseebesitzungen Kaiser Karls V. Schück I, S. 198 26 Z. B. Berner, Ernst: Geschichte des preußischen Staates, 2 Bände, München 1891. 27 Prutz, Hans: Preußische Geschichte. 4 Bände, hier: Band 2, Die Gründung des preußischen Staates (1655-1740), Stuttgart 1900, S. 254. 28 Koser, Reinhold: Der Große Kurfürst und Friedrich der Große in ihrer Stellung zu Marine und Seehandel, in: Koser, Reinhold: Zur preußischen und deutschen Geschichte. Aufsätze und Vorträge, Stuttgart/Berlin 1921, S. 14-37.

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galt vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus das Fehlen realpolitischer Einsicht und militärischer Schlagkraft als Hauptargument. Auch während des Dritten Reiches musste das koloniale Experiment als Rechtfertigung für die aktuelle Politik dienen. Die einzigen echten wissenschaftlichen Abhandlungen über das koloniale Experiment aus der NS-Zeit sind die von Günhter Gierats über das Leben Benjamin Raules29, den langjährigen kurfürstlichen Marinedirektor sowie die knappe, jedoch konzentrierte Übersicht über die brandenburgisch-preußische Marinegeschichte von Hans Szymanski30. Interessanterweise ist beiden Arbeiten gemein, dass der obligatorische politische Unterton nahezu völlig fehlt. 1945 war das Dritte Reich untergegangen und mit ihm der Anspruch auf

eine deutsche

Kolonialmacht. Im Klima des Wiederaufbaus erschien eine Arbeit des Göttinger Mediävisten Percy Ernst Schramm 31 , welcher darin zwar vorrangig den Verlust des deutschen Kolonialreiches insbesondere im Vergleich zu England betrauerte, jedoch erstmalig die Kolonialbemühungen Brandenburg-Preußens in den historischen Kontext mit anderen zeitgenössischen Beispielen, wie bspw. den Kolonialbestrebungen des Herzogs von Kurland setzte. Damit wurde das koloniale Experiment aus dem bisherigen Strang Vergangenheit – Gegenwart heraus gelöst. Wiederum auf Quellenmaterial basiert eine Arbeit über den brandenburgischen Handelsstützpunkt auf St. Thomas des bekannten Wirtschaftshistorikers Hermann Kellenbenz32, worin er den durchaus schwunghaften Handel der Brandenburger mit den benachbarten Handelsnationen belegte. Im Gegensatz dazu steht die populärwissenschaftliche Darstellung des kolonialen Experiments aus der Feder des ehemaligen deutschen Botschafters in Ghana, Hans Georg Steltzer 33 . Diese Arbeit erschien pünktlich zum dreihundertjährigen Jubiläum des kolonialen Experiments. Zwar bezieht sich Steltzer auf Quellenmaterial des ehemaligen Zentralarchivs der DDR, seine Angaben sind jedoch zu ungenau und machen eine kritische Überprüfung unmöglich. Offenbar ginge es Steltzer nicht darum, sich auf wissenschaftlicher Ebene kritisch mit der Brandenburg-Preußischen Präsenz in Afrika auseinander zu setzen, sondern darum, das aktuelle politische Verhältnis zwischen Ghana und der von ihm vertretenen Bundesrepublik Deutschland mit dem Mittel historischer Ehrwürdigkeit zu erklären. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen noch zwei kleinere Arbeiten in der Reihe

29

Gierats, Günther: Benjamin Raule, sein Leben und insbesondere seine volkswirtschaftlichen Ansichten, in: Economisch-Historisch Jaarboeck X (1924), S. 219-302. 30 Szymanski, Hans: Brandenburg-Preußen zur See 1605-1815. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der deutschen Marine. Mit einer Einführung von Fritz Rörig, Leipzig 1939. 31 Schramm, Percy Ernst: Deutschland und Übersee. Der deutsche Handel mit den anderen Kontinenten insbesondere Afrika von Karl V. bis zu Bismarck. Ein Beitrag zur Rivalität im Wirtschaftsleben, Braunschweig 1950. 32 Kellenbenz, Hermann: Die Brandenburger auf St. Thomas, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 2 (1965), S. 196-217. Kellenbenz bezieht sich auf Quellen des Kopenhagener Staatsarchivs. 33 Steltzer, Hans Georg: Mit herrlichen Häfen versehen, Frankfurt/Main 1983.

17

„Brandenburgische

Entwicklungspolitische

Hefte“

34

,

eine

über

die

brandenburgische

Handelsniederlassung auf der Insel Arguin vor der mauretainischen Küste, welche sich durch Verwendung von wissenschaftlicher Literatur über die örtlichen Gegebenheiten und nicht zuletzt durch umfangreiches Quellenmaterial des Geheimen Staatsarchivs Berlin auszeichnet; die andere über die brandenburgische Handelsniederlassung auf der Karibikinsel St. Thomas. Letztere besitzt zwar ein Literaturverzeichnis, basiert aber in wesentlichen Teilen auf der Arbeit von Herman Kellenbenz 35 . 2002 erschien wieder eine größere Gesamtdarstellung über die brandenburgischen Besitzungen in Afrika mit dem Titel „Groß-Friedrichsburg im heißen Afrika“ 36 . Verfasst wurde dieses Werk von dem deutschstämmigen, in Südafrika lebenden Dokumentarfilmers Rainer Bruchmann. Diese Schrift behandelt den gesamten brandenburgischen Sklavenhandel sehr umfangreich und der Verfasser zitiert ausführlich aus den bekannten Quellen, teilweise sind Originaldokumente

als

Abbildung

eingefügt.

Jedoch

besteht

sie

aus

kopierten

und

zusammengehefteten Blättern, so dass sich hier der Eindruck ergibt, ein früher Vertreter der „Bookon-demand“-Technik zu sein. Darauf weist auch die Literaturangabe hin, worin sie als sogenannte „Author´s Edition“ offenbar in Handarbeit und nur in wenigen Exemplaren angefertigt wurde. Der Qualität dieses Werkes ist weiterhin abträglich, dass Quellenverweise zwar vorhanden sind, jedoch diese durchweg in einer verwirrenden und daher nicht zu gebrauchenden Form dargestellt sind. Die bisher letzte zusammenhängende Darstellung der Brandenburg-Preußischen Aktivitäten in Übersee liefert der Politikwissenschaftler Ulrich van der Heyden37. Die Arbeit van der Heydens erschien erstmalig bereits 1991 anlässlich des dreihundertjährigen Jubiläum Preußens und wurde 2001 erneut aufgelegt. Ähnlich wie bei Steltzer geht es dem Autor vor allem darum, das angeblich historisch gewachsene gute Verhältnis zwischen Preußen und den betroffenen westafrikanischen Völkern hervorzuheben. Dabei beschränkt er sich aber auf die Präsenz Brandenburg-Preußens in Afrika und unterschlägt den Handelsstützpunkt in der Karibik völlig. Des weiteren basiert seine Arbeit primär auf dem Werk von Schück, weiteres Quellenmaterial wurde nicht verwendet, obwohl eine entsprechende Überarbeitung zumindest bei der Wiederauflage angeraten gewesen wäre. Auch in die zahlreichen Biographien über Friedrich Wilhelm fand das Kolonialexperiment Eingang, wobei Friedrich Wilhelms Bemühungen, die brandenburgische Flagge in Übersee zu etablieren eher negativ gesehen wird. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit von Martin Spahn, der das 34

Koltermann, Till Philip: Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte: Die Insel Arguin vor der Küste Mauretaniens. Brandenburgische Entwicklungspolitische Hefte 28, Potsdam 1999; Bruchmann, Rainer D. K.: Zur brandenburgischen Geschichte: Die Insel St. Thomas in der Karibik. Brandenburgische Entwicklungspolitische Hefte 31, Potsdam 1999. 35 Siehe Anm. 33. 36 Bruchmann, Rainer D. K.: Gross Friedrichsburg im heissen Afrika. Der Deutschen erste Kolonien, Authors Edition, Johannesburg 2002. 37 Van der Heyden, Ulrich: Rote Adler an Afrikas Küsten. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika, Berlin 2001.

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Thema nur in einigen wenigen Sätzen anspricht und die wenigen genannten Fakten als kostspielige Liebhabereien und Großmachtsträumereien bezeichnet 38. Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch Ernst Opgenoorth, der in seiner zwei Bände umfassenden Biographie über Friedrich Wilhelm die überseeischen Unternehmungen als ein Paradebeispiel unrealistischer barocker Projektmacherei bewertet 39 . Diesem Urteil schließt sich auch Hans-Joachim Neumann an, indem er Friedrich Wilhelms Kolonialpolitik als ein teures Spielzeug bezeichnet40. Sehr ausführlich geht die Arbeit Martin Philippsons auf die brandenburgische Marine und die afrikanischen Handelsstützpunkte sowie damit im Zusammenhang stehend auf den Volkswohlstand ein41. Walter Hubatsch leistet sich in seiner Darstellung des Zeitalters des Absolutismus sogar einen folgenschweren Fehler, indem er von der Gründung einer Brandenburgischen Ostindien-Kompanie berichtet, die, wie noch zu zeigen sein wird, nie existiert hat42.

38

Spahn, Martin: Der Große Kurfürst. Die Wiedergeburt Deutschlands im 17. Jahrhundert, Mainz 1902, S. 133. Opgenoorth, Ernst: Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg, 2 Bände, Göttingen u. a. 1971 -1978, hier: Band 2, S. 310. 40 Neumann, Hans-Joachim: Friedrich-Wilhelm der Große Kurfürst. Der Sieger von Fehrbellin, Berlin 1995, S. 148. 41 Philippson, Martin: Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 3 Bände, Berlin 1897-1903, hier: Band 3, S. 91ff und S. 219ff. 42 Hubatsch, Walter: Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, Braunschweig 1965, S. 115f. 39

19

Kapitel 1. Sklavenhandel und Handelskompanien

1.1. Ursachen und Grundbedingungen

Sklavenhandel hat es in nahezu allen geschichtlichen Epochen und Regionen der Erde gegeben. Die Tatsache, dass Afrikaner jahrhundertelang verschleppt wurden und als Sklaven auf den Plantagen des amerikanischen Kontinents arbeiten mussten, ist lediglich ein Kapitel in der langen Geschichte der unfreien Arbeit. Was den den transatlantischen Sklavenhandel der frühen Neuzeit jedoch von anderen Formen zeitgenössischer unfreier Arbeit unterschied, waren die mit ihm einhergehenden globalen Verflechtungen von Arbeit, Gütern und Märkten, wobei er wesentlich durch die Traditionen unfreier Arbeit von europäischen, westasiatischen und afrikanischen Spielarten der Sklaverei zugleich beeinflusst wurde 43 . Nach der Inbesitznahme der neuen Territorien des amerikanischen Kontinents durch die Europäer stellte sich sofort die Frage, wie diese genutzt werden sollten. Dabei griffen die europäischen Siedler auf unterschiedliche Organisationsformen zurück. Die Wahl der Arbeitsform hing jedoch von der Verteilung des Landes ab. In den Kolonien Neu-Englands etablierten sich landwirtschaftliche Höfe von überwiegend kleiner bis mittlerer Größe, die von ihren Besitzern und deren Familien weitgehend selbstständig bewirtschaftet werden konnten. Diese Arbeitsform erwies sich jedoch in der Karibik, in Brasilien und im südlichen Teil Nordamerikas als ungeeignet, wo sich ab dem 17. Jahrhundert mit der Plantagenwirtschaft eine neue Form von Großgrundbesitz ausbildete 44 . Plantagen erforderten eine große Anzahl von Arbeitern, die idealerweise land- und besitzlos sein sollten, damit ihre Arbeitskraft optimal ausgebeutet werden konnte. Da in der Neuen Welt nahezu überall ausreichend fruchtbares Land zur Verfügung stand, konnte die notwendige Arbeitskraft deshalb nur durch unfreie Arbeit sichergestellt werden. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bedienten sich die spanischen und portugiesischen Eroberer hierzu der Arbeitskraft der indigenen Bevölkerung, indem diese entweder versklavt oder zu regelmäßiger Fronarbeit verpflichtet wurden. Der Eroberung und Versklavung fielen große Teile der indigenen Bevölkerung zum Opfer, was allerdings weniger an der Grausamkeit der Spanier und Portugiesen lag. Schieres Kalkül setzte der Grausamkeit der spanischen Eroberer Grenzen, denn Tote kann man nicht arbeiten lassen. Demnach waren für die starke Dezimierung der Indios nicht etwa Kriege und Unterwerfung verantwortlich, sondern die von den Europäern eingeschleppten

43

Meissner, Jochen, Mücke, Ulrich, Weber, Klaus: Schwarzes Afrika. Eine Geschichte der Sklaverei, München 2008, S. 17. 44 Mann, Michael: Die Mär von der freien Lohnarbeit. Menschenhandel und erzwungene Arbeit in der Neuzeit, in: ders.: Menschen und unfreie Arbeit (COMPARATIV 13,4), Leipzig 2003, S. 7-22.

20

Krankheiten45. Den in Europa und Vorderasien auftretenden Bakterien- und Virusinfektionen hatten die Indios keinerlei Immunabwehr entgegenzusetzen. Aber auch die aus Europa eingeführten Nutztiere waren Infektionsträger. In Gegenden, wo die Haltung von Tieren wie Schweine und Rinder zunahm, ging auch Einwohnerzahl der Indios entsprechend zurück. Da Europa, Asien und Afrika nicht nur geographisch, sondern auch epidemiologisch eng verbunden waren, bildeten sich dort auch immer neue Krankheiten. So entstand die Malaria Tropica erst, nachdem die Menschen durch die Entwicklung neuer landwirtschaftlicher Methoden den tropischen Teil Afrikas besiedelten und die Pocken bildeten sich erst aus, als den Menschen die Domestizierung von Rindern gelang. Bakterien, Viren, Parasiten und andere Erreger waren also schon von Beginn an ständige Begleiter und zwangen die Menschen, entsprechende Resistenzen auszubilden. Weil aber der amerikanische Kontinent während der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren von Ostasien aus über eine Landbrücke nach Alaska besiedelt wurde, war er von dieser Entwicklung abgekoppelt, so dass sich hier keine vergleichbar gefährliche Fauna von Mikroorganismen entwickeln konnte 46 . Für die Europäer eher harmlose Krankheiten wie Masern oder Mumps waren demnach verantwortlich für die hohen Mortalitätsraten der indigenen Bevölkerung. Die Bevölkerung des heutigen Mexiko und Mittelamerikas schrumpfte während des 16. Jahrhunderts von 2,25 Mio. Menschen auf etwa 500.000; die Gesamtbevölkerung von Feuerland bis Mexiko könnte bei etwa 35 Mio. Menschen angesetzt werden, bis 1570 war sie auf etwa 9 und bis 1640 auf etwa 4 Mio. Menschen geschrumpft47. Am härtesten traf es die auf den karibischen Inseln lebenden Kreolen, sie wurden nahezu völlig ausgelöscht. Dies lag einerseits daran, dass sie den Spaniern bei ihrer Eroberung erbitterten Widerstand leisteten, andererseits am dort schon um 1550 beginnenden Einsatz von afrikanischen Sklaven, welche weitere Krankheitserreger einschleppten. Diese demographische Katastrophe ist primär dafür verantwortlich, dass die Europäer auf dem amerikanischen Kontinent bis weit in das 19. Jahrhundert hinein mit dem Problem fehlender Arbeitskräfte konfrontiert waren. Zugleich wuchs der Bedarf sprunghaft an, so für den Abbau der Silbervorkommen in Mexiko und Peru, auf den Kakaoplantagen in Mittelamerika, in den brasilianischen Gold- und Diamantminen und auf den frühen Zuckerrohrplantagen auf Hispaniola. Besonders prekär wurde die Situation zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als in Brasilien und in der Karibik riesige Plantagenkomplexe für den Zuckerrohranbau entstanden. Englische und französische Besitzer versuchten zunächst, sich mit der Rekrutierung von Vertragsarbeitern aus dem

45

Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Europäischen Expansion, Band 2: Die Neue Welt bis 1818, Stuttgart u. a. 1985, S. 64f. 46 Curtin, Philip D.: The World and the West. The European and the Overseas response in the Age of Empires, Cambridge 2000, S. 5ff. 47 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 18.

21

jeweiligen Mutterland zu behelfen 48. Auf den englischen und französischen Inseln sowie in den südlichen Teilen Britisch-Amerikas waren diese Vertragsarbeiter, die von den Franzosen engagés und den Engländern indentured servants genannt wurden49. Den Vertrag schloss der Arbeiter in England, Schottland oder Wales entweder direkt mit dem Plantagenbetreiber bzw. seinem Vertreter, oder aber, was weitaus häufiger der Fall war, mit einem professionellen Vermittler ab. Die Kosten für Überfahrt, Kleidung, Unterkunft und Verpflegung wurden von den Plantagenbetreibern bezahlt. Die indentured servants erhielten jedoch keinen Lohn oder irgendeine andere Bezahlung. Nach Ablauf der vereinbarten Dienstzeit wurde ihnen dafür ein Stück Land in der Kolonie versprochen. Der Bedarf an Arbeitskräften auf den Plantagen war bereits um 1610 so groß, dass vor allem England zunehmend dazu überging, neben Freiwilligen auch verurteilte Straftäter zur Plantagenarbeit in die Kolonien zu verbannen. Professionelle Werber schreckten auch nicht davor zurück, die benötigten Arbeitskräfte schlicht zu entführen50. Auch aus anderen Ländern wurden auf diese Weise Arbeitskräfte rekrutiert, so u. a. auch in Deutschland, wo immer wieder Werber das Rheintal hinauf zogen, um Arbeitskräfte anzuwerben 51 . Die Dauer des Arbeitsverhältnisses war dabei Verhandlungssache. Sie betrug mindestens ein Jahr, aber tatsächlich drei bis zehn Jahre 52. Beim Transport über den Atlantik herrschten auf den Schiffen ähnliche Bedingungen wie auf den Sklavenschiffen, wobei eine durchschnittliche Sterberate von 20 % als normal galt 53 . Eine Atlantiküberquerung barg zwar für alle Beteiligten, auch für die Seeleute, ein relativ hohes Risiko, doch der Komfort der Passage hing von Faktoren wie die Dichte der Schiffsbelegung und der Qualität der Verpflegung ab, und diese wurden allein von wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt. Dieses Kalkül galt auch für die Arbeitsverhältnisse selbst, denn die meisten Plantagenbetreiber betrachteten ihre Vertragsarbeiter als ein bewegliches Gut, d. h. sie konnten wie Sklaven oder Vieh verpfändet, verkauft oder vermietet werden. Kleinste Vergehen wurden hart bestraft, entweder mit Auspeitschen oder mit einer Verlängerung des Dienstverhältnisses. Vor allem galt dies für Lebensmitteldiebstahl, der aufgrund der durchgehend schlechten Versorgung der Arbeiter besonders häufig vorkam 54. Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen waren miserabel und die Sterblichkeit der Arbeiter entsprechend hoch, so dass bereits um 1650 herum der Bedarf an Arbeitskräften auf diese Weise nicht mehr gedeckt werden konnte. Die schlechte Behandlung der 48

Bitterli, Urs: Die Entdeckung und Eroberung der Welt: Dokumente und Berichte, Band 1. Amerika, Afrika, München 1980, S. 127ff. 49 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 26. Die Bezeichnung indentured servant resultierte aus der Art des Vertragsabschlusses. Der unterschrieben Kontrakt wurde mit einer gezackten ( indentured) Schere in zwei Hälften geschnitten. Eine Hälfte bekam der Herr des Arbeiters, die andere Hälfte behielt der Vermittler. 50 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 27. 51 Thomas, Hugh: The Slave Trade. The history of the Atlantic Slave Trade 1440-1870, London 2006, S. 177. 52 Wirsching, Andrea: Von der freien Lohnarbeit zur Sklaverei, in: Beck, Thomas: Kolumbus´ Erben, Darmstadt 1992, S. 150. 53 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 28. 54 Wirsching: Von der freien Lohnarbeit zur Sklaverei, S. 156.

22

unfreien Arbeiter und die sich verbessernden Erwerbsmöglichkeiten in Europa erschwerten die Rekrutierung europäischer Auswanderer immer mehr, zumal die Plantagenbetreiber häufig nach Ende der Vertragszeit nicht das versprochene Land, sondern lediglich 10 Pfund Sterling oder Waren in diesem Wert aushändigten 55 . Auch wuchs die Unzufriedenheit der Arbeiter dadurch, dass sie genauso wie Sklaven behandelt wurden. Dies führte dazu, dass vor allem in den englischen Kolonien immer wieder Rebellionen der Arbeiter ausbrachen, welche jedoch meistens blutig niedergeschlagen wurden 56 . Zugleich sprach sich der damals aufkommende Merkantilismus in Europa für eine starke Bevölkerung des jeweiligen Mutterlandes aus und führte allgemein zu einer staatlichen Eindämmung der Auswanderung. Diese Umstände führten dazu, afrikanische Sklaven in nennenswerter Zahl zu importieren, so dass afroamerikanische Sklaverei ein zentraler Bestandteil vieler amerikanischer Gesellschaften wurde57. Das komplexe Gebilde der Plantagenwirtschaft war die konsequente Weiterentwicklung der bereits bestehenden Netzwerke von Produktion und Handel, die schon in der Antike und im Mittelalter Europa mit Afrika und Asien verbunden hatten. Bereits im Römischen Reich wurden asiatische Produkte wie Seidenstoffe und Gewürze als Ausdruck eines gehobenen Lebensstils angesehen und waren somit entsprechend begehrt und kostspielig. Während der innereuropäische Handel jahrhundertelang auf der Basis des Tauschhandels von Waren und Dienstleistungen organisiert war, konnten für den Handel mit Asien auf dieser Basis keine Partner gefunden werden, da europäische Waren in Asien allgemein als minderwertig angesehen wurden und man dort ausschließlich an Gold und Silber interessiert war. Dies führte zu einem enormen Abfluss der vor allem in Mitteleuropa, Spanien und Westafrika geförderten Edelmetalle nach Asien 58. Die chronisch negative Handelsbilanz und das in Europa immer knapper werdende Gold machten es lukrativ, die Edelmetallquellen südlich der Sahara auf dem afrikanischen Kontinent zu erschließen. Bereits die unter Heinrich

dem

Seefahrer

einsetzenden portugiesischen Expeditionen

entlang der

westafrikanischen Küsten hatten die Aufnahme entsprechender Handelsbeziehungen zum Ziel 59 . Lediglich ein Fernziel war die Umschiffung des Kontinents für den direkten Handel mit Indien. Das Nahziel, den günstigen Erwerb des für den Asienhandel dringend benötigten Goldes, erreichten die Portugiesen überwiegend im Handel mit Sklaven, wobei sie sich als Zwischenhändler auf den westafrikanischen Märkten betätigten60. Die Nutzung des Seeweges ermöglichte den Portugiesen zudem, den in muslimischer Hand befindlichen innerafrikanischen Zwischenhandel zu umgehen. Zu 55

Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 28, Wirsching: Von der freien Lohnarbeit zur Sklaverei, S. 159. Wirsching: Von der freien Lohnarbeit zur Sklaverei, S. 157f. 57 Thomas: The Slave Trade, S. 177. 58 Braudel, Fernand: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II, 3 Bände, Frankfurt am Main 1994, hier: Band 2, S. 170ff. 59 Bernecker, Walther/Pietschmann, Horst: Geschichte Portugals vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, München 2001, S. 23ff. 60 Reinhard: Geschichte der Europäischen Expansion, Band 1, S. 40. 56

23

Beginn errichteten die Portugiesen ihre Stützpunkte auf den vorgelagerten Atlantikinseln, auf der Insel Arguin vor der mauretanischen Küste und auf den Kapverdischen Inseln vor der SenegalMündung. Der erste Stützpunkt auf afrikanischem Festland, das Fort Sao Jorge da Mina (Elmina), wurde von den Portugiesen allerdings nicht für den Sklavenhandel, sondern für die sichere Verwahrung des erworbenen Goldes errichtet 61 . Der Afrikahandel der Portugiesen machte einen qualitativen Sprung, als sie sich im Golf von Guinea auf der Insel Sao Thome niederließen und mit dem Königreich Kongo einen Verbündeten gewinnen konnten, der noch nicht in das muslimische Handelsnetz eingebunden war62. Nachdem die erste Besiedelung aus den o. g. epidemiologischen Gründen gescheitert waren, deportierten die Portugiesen Sträflinge, afrikanische Sklaven und Kinder, welche sie ihren zur damaligen Zeit aus Portugal flüchtenden sephardischen Familien entrissen 63 . Parallel zur portugiesischen Exploration Westafrikas besetzten die Spanier 1402 die Kanarischen Inseln 64 . Die Kanaren und das von den Portugiesen ab 1419 besiedelte Madeira erlaubten nun den Anbau von Zuckerrohr und die Gewinnung von Zucker. Das Zuckerrohr selbst stammte ursprünglich aus Neuguinea, Zucker wurde daraus erstmals

im

vorchristlichen

Mesopotamien gewonnen65. Mit der Expansion des Islam im 7. und 8. Jahrhundert gelangten das Zuckerrohr und mit ihm die Anbau- und Verarbeitungstechniken in den levantischen Raum. Europäische Kreuzfahrer versuchten erstmals um 1123 nahe Tyrus, selbst Zuckerrohr anzubauen 66. Schnell breitete sich der Zuckerrohranbau auf den mediterranen Raum aus, wo er zunächst von Normannen auf Sizilien und von Venetianern auf Zypern betrieben wurde. Die Erträge waren jedoch eher mäßig, nennenswerte Erfolge erzielte man erst auf Madeira und den Kanarischen Inseln. Doch Zucker war weiterhin kein Massenprodukt, sondern ein Luxusgut. Zwar fiel der Zuckerpreis pro kg an der Antwerpener Warenbörse von 1430 bis 1500 von 30 g Silber auf „nur“ noch 5 g Silber, war damit aber immer noch etwa 35 mal teurer als Weizen67. Der Anbau von Zuckerrohr war sehr kapital- und arbeitsintensiv. Während der Anbau von Getreide kaum nennenswerte Investitionen erforderte, da die Ernte durch einen einfachen Dreschvorgang in ein markt- und lagerfähiges Produkt verwandelt werden konnte, erforderte der Anbau von Zuckerrohr und die Gewinnung bzw. Raffinierung von Zucker einen enormen technischen Aufwand68. Zucker war über dreihundert Jahre lang neben Edelmetallen das wichtigste 61

Reinhard: Europäische Expansion, Bd. 1, S. 46. Curtin, Philip: The Rise and Fall of the Plantation Complex, Cambridge 1990, S. 21. 63 Drescher, Seymour: White Atlantic? The choice for African Slave Labour in the Plantation Americas, in: Eltis, David/Lewis, Frank/Sokoloff, Kenneth: Slavery in the development of the Americas, Cambridge 2004, S. 31-69, hier: S. 45 64 Reinhard: Europäische Expansion, Bd. 1, S. 38. 65 Curtin: Plantation Complex, S. 3, Mintz, Sidney Wilfred: Die süße Macht, Kulturgeschichte des Zuckers, Frankfurt am Main 1987, S. 51f. 66 Curtin: Plantation Complex, S. 5. 67 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 36. 68 Mintz: Die süße Macht, S. 48ff. 62

24

Produkt der Kolonien in der Neuen Welt, in keinem anderen Sektor der Plantagenwirtschaft hatte die Sklavenarbeit einen größeren Stellenwert. Zwar spielten auch andere Produkte wie Tabak, Kakao, Baumwolle, Kaffee und Indigo eine wichtige Rolle, diese waren jedoch entweder epochal oder regional begrenzt. Einzig der Zucker war zu allen Zeiten von herausragender Bedeutung, so dass sich die Frage aufdrängt, ob es ohne die europäische Nachfrage nach Zucker den transatlantischen Sklavenhandel in dieser Form und Größenordnung überhaupt gegeben hätte. Sogar Christoph Columbus war um 1480, also lange bevor er seine erste Reise nach Amerika unternahm, im Zuckerhandel auf Madeira tätig gewesen

69

. Columbus war es auch, der die ersten

Zuckerrohrsetzlinge auf seiner zweiten Reise 1493 von der kanarischen Insel La Gomera in die Neue Welt brachte, obwohl sich die ersten Konquistadoren zunächst noch ganz auf die Suche nach Gold konzentrierten70. Das Gold auf Hispaniola war schnell erschöpft, da aber das Klima sowie die Beschaffenheit der Böden für den Anbau geeignet waren, die Spanier über das nötige Wissen verfügten und die indigene Bevölkerung zur Plantagenarbeit herangezogen werden konnte, wurde der Zuckerrohranbau zur neuen Geldquelle71. Außerdem zogen die Entdeckungen weiterer Inseln und des Festlandes viele Siedler von Hispaniola ab, was die spanische Krone dazu veranlasste, die Zuckerproduktion dort mit Krediten und Steuererleichterungen zu subventionieren. Hispaniola war nicht nur eine Insel mit fruchtbaren Böden, sondern gleichzeitig auch ein wichtiger militärischer Stützpunkt, welcher den Zugang zur Karibik und zum Festland kontrollierte. Trotz der großzügigen Subventionen konnten sich nur sehr kapitalkräftige Unternehmer den Einstieg in das Zuckergeschäft leisten, außerdem mussten sowohl Arbeitskräfte als auch qualifiziertes Fachpersonal von den östlichen Atlantikinseln abgeworben und in die Neue Welt gebracht werden 72. Nachdem 1519 der Habsburger Karl V. zum Kaiser gekrönt worden war, begünstigte dies die Handelsinteressen nicht nur in Genua und Antwerpen, sondern auch in Deutschland. Von dort floss neues Kapital in die Zuckerindustrie der Neuen Welt, vor allem aus dem Handelshaus der Welser 73, welche sich zwischen 1530 und 1556 mehrmals als Geldgeber an Zuckerrohrplantagen beteiligten. Der durch das frische Kapital ausgelöste Boom ließ die Preise für Boden und Arbeit stark ansteigen. Die ersten Afrikaner, die in dieser frühen Epoche der spanischen Kolonisierung der Karibik auf die Inseln gebracht wurden, waren hispanisierte Sklaven, die entweder aus dem Mutterland oder von den Kanaren mitgebracht wurden. Durch die starke Reduzierung der indigenen Urbevölkerung stieg der Bedarf an frischen Arbeitskräften stark an. Deren höhere Lebenserwartung schlug sich in den 69

Vieira, Alberto: The Sugar Economy of Madeira and the Canaries, 1450-1650, in: Schwartz, Stuart B.: Tropical Babylons. Sugar and the Making of the Atlantic World, 1450-1680, Chapel Hill/London 2004, S. 42-84, hier: S. 65. 70 Vieira: Sugar Economy, S. 74, Mintz: Die süße Macht, S. 61. 71 Rodriguez Morel, Genaro: The Sugar Industry of Espanola in the Sixteenth Century, In: Schwartz, Stuart B.: Tropical Babylons, S. 85-114, hier: S. 85. 72 Rodriguez-Morel: Sugar Industry, S. 88f. 73 Stols, Eddy: The Expansion of the Sugar Market in Western Europe, in: Schwartz, Stuart B.: Tropical Babylons, S. 237-288, hier: S. 262.

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Preisen nieder. Während um 1520 ein Indio einen Preis von etwa 20 Pesos erzielte, kostete ein importierter Afrikaner 40-50 Pesos74. Bereits 1540 war die indigene Bevölkerung auf 10 Prozent ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft, im Gegenzug waren zur gleichen Zeit bereits 15.000 Afrikaner in die Neue Welt deportiert worden. Einen weiteren Nachfrageschub brachten die ersten portugiesischen Niederlassungen in Brasilien. Die Portugiesen nutzten die Ostspitze Brasiliens als Zwischenstation zur Aufnahme von frischem Proviant und Wasser und die herrschenden Passatwinde für ihre Reisen nach Indien 75. Doch die dort vorhandenen Bedingungen, ertragreiche Böden, fließendes Wasser für die Mühlen und unbegrenzte Vorräte an Hölzern für die Siedepfannen, prädestinierten Brasilien ebenfalls für den Anbau von Zuckerrohr, einzig Kapital und Arbeitskräfte fehlten. Die äußerst vorteilhaften Bedingungen in den Küstenregionen von Bahia und Pernambuco ließen bereits um 1530 ein hoch profitables Geschäft entstehen76. Das Kapital kam zunächst von portugiesischen Adeligen, aber auch von genuesischen und deutschen Kaufleuten wie dem Aachener Kaufmann Erasmus Schetz und seinem Geschäftspartner Jan van Hilst

77

. Das

Handelshaus der Fugger war über ihren Agenten Christoph Lins vertreten78. Die benötigten Arbeitsund Fachkräfte kamen zunächst direkt aus Portugal und Madeira, später wurden dann direkt aus Afrika verschleppte Sklaven auf den Plantagen eingesetzt. Durch die hohe Produktivität konnten die brasilianischen Plantagen trotz sinkender Marktpreise große Gewinne erzielen und ermöglichten so den ersten großen Zuckerboom in Europa79. Die Zuckerwirtschaft Brasiliens bescherte der Krone Portugals reiche Einnahmen. Die Gewinne aus dem brasilianischen Zuckerhandel überstiegen 1610 die gesamten Ausgaben Portugals für seinen kolonialen Besitz um 50 Prozent80. Dies blieb jedoch nur so lange der Fall, wie kein anderer den Besitz dieser Reichtümer in Frage stellte. Ab 1621 beteiligte sich Portugal am Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden. 1624 besetzten Schiffe der drei Jahre zuvor gegründeten Niederländischen Westindischen Compagnie (WIC) Bahia, 1630 eroberte sie Pernambuco 81. Der spanisch-niederländische Konflikt hatte sowohl wirtschaftliche wie konfessionelle Ursachen. Niederländisches Kapital war aber bereits vor Ausbruch des Aufstands gegen die spanische Herrschaft in der Neuen Welt im Spiel, und die WIC sollte den Generalstaaten den Einfluss in den Kolonien sichern. Die Niederländer beherrschten in den folgenden 20 Jahren die portugiesischen 74

Rodriguez Morel: Sugar Industry, S. 104. Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Afrika, S. 38. 76 Schwartz, Stuart B.: A Commonwealth within Itself. The Early Brazilian Sugar Industry 1550-1670, in: Ders.: Tropical Babylons, S. 158-200, hier: S. 159. 77 Schwartz: Commonwealth, S. 160. 78 Kellenbenz, Hermann: Die Fugger in Spanien und Portugal. Ein Großunternehmen im 16. Jahrhundert, München 1990, S. 9ff. 79 Stols: Sugar Market, S. 238; Mintz: Die süße Macht, S. 170ff. 80 Schwartz: A Commonwealth within Itself, S. 161. 81 Klein, Herbert S.: American Slavery in Latin America and the Carribean, Oxford 1986, S. 47f, Den Heijer, Henk: De Geschiedenis van de WIC, Zutphen 2002, S. 38ff. 75

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Anbaugebiete. In dieser Zeit konnten sie wichtige Erfahrungen zur Errichtung eigener Plantagen sammeln. Als sie 1645 durch aufständische Pflanzer aus Pernambuco vertrieben wurden, ließen sie sich auf den kleineren Karibikinseln Curacao, St. Martin und St. Eustatius nieder82. Diese dienten fortan auch als wichtige Umschlagplätze für den Sklavenhandel der WIC, die während des Krieges auch in den bisher von den Portugiesen dominierten Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste eingedrungen war83. Im Windschatten der Niederländer wagten sich auch Engländer und Franzosen an die Besetzung einiger karibischen Inseln, die von den Spaniern nicht wirksam verteidigt werden konnten. Die Engländer versuchten sich ab 1620 auf Barbados im Anbau von Tabak, Indigo und Baumwolle, waren damit aber starken Marktpreisschwankungen ausgesetzt. Als jedoch ab 1640 die brasilianischen Zuckerregionen durch den spanisch-niederländischen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, konnten sich die Engländer erfolgreich im Weltmarkt für Zucker etablieren 84 . Dabei profitierten sie auch vom Fachwissen der aus Brasilien vertriebenen niederländischen Kolonisten. Zwischen 1640 und 1660 durchlief Barbados eine landwirtschaftliche Umwälzung, bei der Zuckerrohr alle anderen Fruchtsorten verdrängte. Um 1680 lösten die kleinen karibischen Inseln Brasilien als größten Zuckerproduzenten ab85. Der Sklavenhandel war keineswegs ein rein europäisches Phänomen, im Gegenteil. Ohne die aktive Mitwirkung der afrikanischen Handelspartner wäre eine erzwungene Deportation von geschätzten 10-12 Mio. Menschen innerhalb von drei Jahrhunderten nicht möglich gewesen, von denen ca. 9 Mio. Menschen den amerikanischen Kontinent erreichten, wobei die Zahlen aufgrund der lückenhaften Quellenlage lediglich Näherungswerte darstellen 86 . Die mit der Versklavung einhergehende Gewalt forderte in Afrika selbst weitere ungezählte Opfer, was den gesamten Kontinent um einen nennenswerten Anteil seines demographischen Wachstums gebracht hat. Sklaven kamen in nennenswerter Anzahl aus den tropischen Ländern Westafrikas, vor allem im Niger-Becken, dessen Wasserreichtum umfangreiche Landwirtschaft ermöglicht. Jedoch waren sie bis zum Eintreten der Europäer in die afrikanischen Sklavenmärkte weniger ein Exportgut sondern gewinnbringende Arbeitskraft. Diese wurden in größerem Umfang aus den östlich des Tschad-Sees gelegenen Teilen des Sudan importiert. Diese Regionen hatten keinen eigenen Edelmetallbergbau, in welchem Sklaven eingesetzt werden konnten. Die Betreibung von Landwirtschaft war durch den Wassermangel ebenfalls eingeschränkt. Wichtige Importregionen waren die in der Sahara gelegenen Reiche, wo Salzbergbau mit Sklaven betrieben wurde, sowie die islamischen Länder. Nördlich und 82

Klein: American Slavery, S. 49, Den Heijer: De geschiedenis van de WIC, S. 50. Drescher: White Atlantic?, S. 54, Emmer, Pieter: The Duch Slave Trade 1500-1850, New York 2006, S. 28ff. 84 Klein, Herbert S.: The Atlantic Slave Trade, Cambridge 1999, S. 29. 85 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 30. 86 Eltis, David/Behrendt, Steven D./Richardson, David/Klein, Herbert S.: The Trans-Atlantic Slave Trade. A Database on CD-ROM, Cambridge/New York 1998, nachfolgend als TSTD1 zitiert; dieselben: The Trans-Atlantic Slavetrade Database Online, URL: www.slavevoyages.org, nachfolgend als TSTD2 zitiert. 83

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nordöstlich der Sahara verlief der Transport der Sklaven über die zahlreichen nordafrikanischen Karawanenwege. Vom 12. bis 16. Jahrhundert wurden 1000-6000 Sklaven pro Jahr nach Norden deportiert87. Der etwa 5300 km lange Küstenstreifen zwischen Senegambien und der Mündung des Kongo mit seinem Hinterland war ebenfalls eine Region mit bedeutenden Sklavengesellschaften, die bereits in den frühesten europäischen Berichten erwähnt werden

88

. Die zahlreichen

afrikanischen Formen der Sklaverei unterschieden sich erheblich von den europäischen Formen unfreier Arbeit, was vor allem auf die klimatischen und geographischen Gegebenheiten zurückzuführen ist. Arbeit als Produktionsfaktor hatte in Afrika einen deutlich höheren Stellenwert als in Europa, da Land weniger gehandelt wurde und der Einsatz von Arbeitstieren durch die Ausbreitung tropischer Krankheiten erschwert wurde. Die Versklavung konnte nicht nur durch den Einsatz von Gewalt geschehen, von der eigenen sozialen Gruppe ausgestoßene sowie verarmte oder von Hunger bedrohte Menschen konnten den Schutz eines mächtigen Herren suchen und sich ihm als Sklaven ausliefern. Wie in Europa erhöhte auch hier die Verfügungsgewalt über die Arbeiter und damit auch über zahlreiche Gefolgsleute und Nachkommen Wohlstand, Macht und Prestige einer Familie, eines Clans oder einer Herrscherdynastie 89 . Jedoch gab es vor dem Aufkommen des atlantischen Sklavenhandels nur wenige afrikanische Gesellschaften mit landwirtschaftlichen Großbetrieben. Die Afrikaner betrieben in der Regel Subsistenzwirtschaft, wobei oftmals Sklaven und Freie nebeneinander die gleiche Feldarbeit verrichteten. Damit waren die Sklaven relativ gut in die sozialen Netzwerke ihrer Herren integriert. Hatten die Arbeiter sich freiwillig in die Sklaverei begeben, konnten sie darauf hoffen, frei zu werden, da solche Arbeitsverhältnisse meistens zeitlich begrenzt waren. Konnte die Schuld jedoch nicht innerhalb der vereinbarten Zeit abgearbeitet werden, erhöhte sich für den Sklaven das Risiko, weiterverkauft zu werden. Der afrikanische Kontinent war nicht nur der primäre Lieferant der Handelsware Mensch, sondern auch aktiver Handelspartner für die europäischen Mächte. Sklavenhandel wäre ohne die Beteiligung der afrikanischen Eliten gar nicht möglich gewesen. Was dessen Entwicklung jedoch begünstigte, war die Tatsache, dass Menschenhandel in Afrika bereits eine jahrhundertealte Tradition besaß, vor allem in den muslimisch beherrschten Ländern Nordafrikas, wobei der Handel in Form von lokalen und überregionalen Märkten abgewickelt wurde90. Als der Bedarf an billigen Arbeitskräften in der Neuen Welt immer größer wurde, drangen die Europäer also in einen bereits 87

Austen, Ralph A.: The Trans-Saharan Slave Trade: A Tentative Census, in: Germery, Henry Albert/Hogendorn, Jan S.: The Uncommon Market. Essays in the Economic History of the Atlantic Slave Trade, New York 1979, S. 23-76, hier: S. 32 88 Law, Robin: On Pawning and Enslavement for Dept in the Pre-Colonial Slave Coast, in: Falola, Toyin/Lovejoy, Paul: Pawnship in Africa. Dept Bondage in Historical Perspective, Boulder/San Francisco/Oxford 1994, S. 55-70. 89 Thornton, John: Africa and Africans in the making of the Atlantic World, 1400-1680, Cambridge/New York 1992, S. 74; Lovejoy, Paul: Transformations in Slavery. A history of slavery in Africa ,Cambridge 1983, S. 12f. 90 Manning, Patrick: Slavery and African Life: occidental, oriental and African slave Trades, Cambridge 1990, S. 28f, Thomas: The Slave Trade, S. 43ff; Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 35ff.

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bestehenden Markt ein, wobei sich der Handel fast ausschließlich an den Küstenlinien abspielte. Ein tieferes Eindringen in den Kontinent war den Europäern bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund der vorkommenden Tropenkrankheiten nicht möglich, das Landesinnere wurde sogar treffend als “Grab des weißen Mannes“ bezeichnet

91

. Alle am Sklavenhandel beteiligten

europäischen Mächte errichteten an den westafrikanischen Küstenlinien Festungen, was augenscheinlich eine gewisse militärische Stärke suggerierte. In Wirklichkeit waren diese Festungen jedoch nicht dazu errichtet worden, die einheimische Bevölkerung in Schach zu halten, sondern dienten ausschließlich dem Schutz vor der eigenen Konkurrenz. Für die Errichtung und den Unterhalt dieser Festungen musste stets die Erlaubnis der lokalen Machthaber eingeholt und oftmals auch Steuern an diese abgeführt werden 92. Kamen die europäischen Händler den Forderungen nicht nach oder verstrickten sich gar in lokale Konflikte, hatte dies Angriffe seitens der Afrikaner zur Folge. Die gesamte afrikanische Elite solcher Handelsplätze, Fürsten, Kaufleute und Militärs, besaß Sklaven, mit denen sie handelte und den Europäern wertvolle Kontakte verschaffte93. Auch bei der Versorgung mit Proviant und Wasser waren diese vollständig vom Wohlwollen lokaler Potentaten abhängig. In der Anfangsphase des transatlantischen Sklavenhandels begaben sich die Europäer noch selbst auf die Jagd nach Sklaven, allerdings wurden sie von den örtlichen Machthabern bald daran gehindert. So berichtete der englische Freibeuter John Hawkins von seiner in 1567 unternommenen Fahrt an die Guineaküste, wie die Einwohner bei dem Versuch Sklaven zu fangen, den Engländern erbitterten Widerstand leisteten. Erst als Hawkins ein Bündnis mit einem örtlichen Häuptling eingegangen war, gelang es ihm, eine größere Zahl an Sklaven auf sein Schiff zu bringen 94 . Aus den ersten eingerichteten Handelsposten entstanden dann auch bald erste afroportugiesische bzw. afro-englische Händlergruppen. Diese waren von Europa aus nur schwer zu kontrollieren, weshalb sie schnell ein gewisses Eigenleben entwickelten95. Oftmals konnten diese Handelsposten von Europa aus nicht oder nur unzureichend versorgt werden und waren dann manchmal auch über längere Zeit auf sich allein gestellt, was das vor Ort ansässige Personal mitunter dazu veranlasste, gegen die Befehle, nur mit den Schiffen der eigenen Flagge Handel zu treiben, zu verstoßen und Geschäfte mit konkurrierenden Handelsfahrern und Schmugglern zu machen. Für die betroffenen Afrikaner gab es mehrere Möglichkeiten, in Sklaverei zu geraten. In der Regel gerieten sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen in Gefangenschaft bzw. wurden bei 91

Kiple, Kenneth F.: The Caribbean Slave. A Biological History, Cambridge 1984, S. 13f. Thomas: The Slave Trade, S. 387. 93 Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 107. 94 Schmitt, Eberhard: Dokumente zur Geschichte der Europäischen Expansion, Band 4: Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, München 1988, S. 71ff, ebenfalls bei Donnan, Elizabeth: Documents Illustrative of the History of the Slave Trade, 4 Bände, London 1930, hier: Band 1, S. 46ff. 95 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 59ff. 92

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eigens für die Generierung von Sklaven geführten Feldzügen verschleppt. Letzteres kam besonders im 18. Jahrhundert häufig vor. Des weiteren wurde Versklavung als Strafe für schwere Verbrechen wie Mord, Ehebruch, Hexerei oder andere religiöse Frevel eingesetzt. Aber auch existentielle Not konnte zu dem Entschluss führen, sich mehr oder weniger freiwillig in die Sklaverei zu begeben. Obwohl das Stammesrecht vielfach den Verkauf von derart in Sklaverei geratenen Menschen verbot, wurde dies häufig ignoriert96. Kriegerische oder kriegsähnliche Expeditionen konnten jedoch nur von Stämmen durchgeführt werden, die über ein funktionierendes Staatswesen verfügten. Derartige Unternehmen mussten sorgfältig geplant und koordiniert werden. Dabei wurden Dauer und Entfernung solcher Unternehmen mit zunehmender Nachfrage immer größer, alternativ konnten die benötigten Sklaven aber auch aus weiter entfernten Regionen gekauft werden. Von dieser Praxis machten vor allem die im Hinterland ansässigen Stämme im westlichen Zentralafrika Gebrauch97. Das stete Wachstum des atlantischen Sklavenhandels führte schließlich dazu, dass nicht nur die Küstenregionen Westafrikas, sondern auch die inneren Regionen und schließlich auch Ostafrika von der mit der Sklaverei einhergehenden Gewalt erfasst wurde. Eine wesentliche Rolle spielten dabei auch die muslimisch regierten Regionen. Inner-islamische Kriege und die Expansion des Islam in den Savannengürtel des Kontinents lieferten große Mengen Sklaven. Obwohl Sklaverei sowohl im Islam wie auch im Christentum verboten war, wurde dieses Verbot konsequent ignoriert, denn das Verbot bezog sich lediglich auf die Unterwerfung von Glaubensgenossen, während die Versklavung der jeweils anderen Seite als legitim angesehen wurde 98 . Vom 9. Jahrhundert bis in das 16. Jahrhundert hinein bestanden am südlichen Rand der Sahara bedeutende islamische Reiche, wobei der Islam eine Religion der politischen und wirtschaftlichen Eliten war, was die Versklavung der kaum bekehrten Bevölkerung wesentlich erleichterte 99 . Der muslimisch beherrschte Großraum zwischen Sahara und der Guineaküste war in der Frühphase des atlantischen Handels für die Europäer der wichtigste Zulieferer von Sklaven 100. Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert wurden von dort etwa eine Million Sklaven über die Senegal- und Guineaküste an die Europäer verkauft, weitere 3 Mio. wurden über die Sahara an die Küsten des Roten Meeres und des Indischen Ozeans verkauft101. An der Gold- und Sklavenküste selbst waren das Oyo-Reich der Yoruba sowie die Staaten Benin und Dahomey die Hauptlieferanten von Sklaven, wobei auch hier vor allem die jeweiligen Machthaber in den Sklavenhandel verstrickt waren102. In Dahomey war es lange Zeit üblich, dass 96

Lovejoy: Transformation in Slavery, S. 83. Lovejoy: Transformation in Slavery, S. 82. 98 Lovejoy: Transformation in Slavery, S. 86. 99 Delacampagne, Christian: Die Geschichte der Sklaverei, Düsseldorf 2004, S. 140. 100 Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 72. 101 Lovejoy: Transformation in Slavery, S. 68. 102 Thomas: The Slave Trade, S. 354. 97

30

jeder europäische Händler zuerst eine gewisse Anzahl an Sklaven direkt vom königlichen Hof erwerben musste, bevor er sich auf dem freien Markt eindecken durfte. Die Asante erhoben sogar Steuern in Form von Sklavenlieferungen an den Königshof, die dann gewinnbringend verkauft wurden 103 . Allerdings war der staatlich kontrollierte Sklavenhandel in keinem Land, das mit Sklaven handelte, dominierend. Es betätigten sich stets genügend größere und kleinere private Händler am Markt, um die Nachfrage zu befriedigen. Oyo und Dahomey waren von 1662-1867 mit etwa 2,6 Mio. Sklaven die zweitgrößten Exportnationen, lediglich die Kongo-Angola-Region exportierte mehr Sklaven, nämlich knapp 4 Mio. im gleichen Zeitraum

104

. Auch der

innerafrikanische Raum zwischen dem Tanganjika-See und dem Oberlauf des Sambesi war durch den Sklavenhandel betroffen. Die dort entstandenen Kleinstaaten Luba, Lumba und Kazembe forderten von den unterworfenen Stämmen Tribut in Form von Sklaven. Diese Forderungen konnten oftmals nur dadurch befriedigt werden, indem die Unterworfenen entweder Teile der eigenen Gesellschaft auslieferten oder selbst auf Menschenjagd gingen. Durch ihre zentrale Lage konnten Lumba und Kazembe im 18. Jahrhundert sowohl die west- als auch die ostafrikanische Küste mit Sklaven beliefern, was vermutlich dazu führte, dass die beiden Küsten erstmalig mit dauerhaften Handelsrouten verbunden wurden105. Der größte Teil der nach Amerika verschifften Sklaven kam aus dem westlichen Teil Zentralafrikas, aus dem heutigen Gabun, Kongo und Angola. Zwischen 1500 und 1700 wurden insgesamt 1.7 Mio Sklaven aus dem sog. Malebu Pool deportiert, der stromaufwärts des Kongo-Flusses liegt. Im 18. Jahrhundert wurden von dort weitere 2 Mio. und im 19. Jahrhundert noch einmal 1,6 Mio. Sklaven zur Küste gebracht und verschifft 106, was ihn zur wichtigsten Herkunftsregion von Sklaven während der ganzen Zeit des atlantischen Sklavenhandels machte. Der begünstigende Faktor für die Küstenregion des Kongo waren die dort vorherrschenden Passatwinde, welche den nach Amerika segelnden Schiffen eine schnellere Passage des Atlantiks ermöglichten. Des weiteren wurde der südliche Teil Ostafrikas früh in den atlantischen Sklavenhandel einbezogen. Die Portugiesen waren ab 1505 mit Handelsposten in Sofala und ab 1507 auf Mosambik präsent, wo sie schnell den bisher vorherrschenden muslimischen Handel verdrängten107. Aufgrund der längeren Seewege beschränkten die Portugiesen sich zunächst auf den Handel mit Elfenbein und Gold für den indischen Markt. Auch hier begünstigten politische Instabilitäten den Menschenhandel, doch dieser sollte erst ab ca. 1650 eine nennenswerte Rolle spielen, als Frankreich sich auf den Inseln Ile de Bourbon und Ile de France niederließ, was zu einer verstärkten Ausfuhr von ostafrikanischen Sklaven in den Raum des Indischen Ozeans führte. Als 103

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 117, Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 84. Klein: Atlantic Slave Trade, S. 208-209. 105 Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 53, 76. 106 Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 73f. 107 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 67f. 104

31

gegen Ende des 18. Jahrhunderts dann steigende Preise für die Sklaven die längere Passage und die damit verbundenen Sterberaten kompensieren konnten, wurde auch der ostafrikanische Raum als Exporteur vor allem für die Franzosen interessant, die von dort Sklaven nach Guayana und Brasilien exportierten. Neben politisch und religiös motivierten Kriegen spielten auch dynastische Konflikte eine wesentliche Rolle. Da die meisten Herrscherfamilien polygam lebten, gab es häufig keine klar geregelte Nachfolge, was den Ausbruch von inneren Konflikten begünstigte108. Dies trifft sogar auf Königreiche zu, wo die Oberhäupter wie bspw. im Kongo von einem Ältestenrat bestimmt wurden. Zwar sind die meisten Kriege nicht oder nicht direkt auf den Sklavenhandel zurückzuführen. Aber die Tatsache, dass sich Gefangene gewinnbringend verkaufen ließen, machte Kriegführung und Menschenraub wirtschaftlich interessant. Aus Europa eingeführte Waffen stärkten die Position der örtlichen Machthaber, aus Amerika eingeführte Nutzpflanzen trugen zur Verbesserung der Ernährung bei, was wiederum den demographischen Faktor stärkte und so für steten Nachschub sorgte109. Wie hoch der jeweilige Anteil an Sklaven war, die durch Krieg, Verurteilung oder gar freiwillig auf den Markt gerieten, lässt sich nicht genau beziffern. Fakt ist, dass die Nachfrage stetig, aber selbst in krisenreichen Regionen nicht immer Kriegszustand herrschte. Bis Ende des 17. Jahrhundert stammten die meisten Sklaven aus einem küstennahen Streifen, der sich maximal 100 km tief ins Landesinnere erstreckte110. Die weiter von der Küste entfernt lebenden Stämme stellten selbst in der Hochphase des Sklavenhandels lediglich Minderheiten der Sklaven. Eine Ausnahme hiervon bildeten lediglich die Häfen von Kongo und Angola, da diese an großen Flüssen lagen und ihr Handel tief in den Kontinent hinein reichte. Der regelmäßig durchgeführte Menschenraub betraf vor allem die Dorfgemeinschaften im Hinterland, indem bevorzugt Menschen, die abseits der Gemeinschaft auf den Feldern arbeiteten, verschleppt wurden. Dies geschah hauptsächlich in Form von gezielten Einzelaktionen. Während des

18. Jahrhunderts nahm diese

Form der

Sklavengewinnung so stark zu, dass viele Dörfer entweder ihre Feldarbeit stark reduzierten oder ganz in unwegsame Gebiete abwanderten. Westlich des Niger kamen die Sklaven vorwiegend aus dem muslimisch dominierten Savannengürtel. Die Küstenstaaten spielten dadurch eine wichtige Vermittlerrolle zu den sehr effizienten Handelsnetzen der muslimischen Staaten im Norden. Deshalb brachen unter den Küstenstaaten Allada, Whydah, Dahomey und Oyo immer wieder Kriege aus, in denen es hauptsächlich um die Kontrolle der Hafenplätze für die Europäer ging. Auch diese Auseinandersetzungen produzierten Sklaven, doch wurde dadurch gleichzeitig das System

108

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 118. Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 68. 110 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 58. 109

32

geschädigt, weil die Handelsrouten von der Küste ins Hinterland dadurch unterbrochen wurden, was wiederum dazu führte, dass die Europäer auf andere Handelsplätze auswichen111. Die angolanischen und kongolesischen Warlords waren dabei besonders berüchtigt. Diese gingen nicht nur feste Allianzen mit den Europäern ein, sie verdingten sich manchmal sogar als Söldnertruppen für die Europäer. Ein Beispiel dafür sind die Imbangala, die ab 1620 fest in Diensten der Portugiesen standen 112 . Diese operierten von befestigten Lagern aus und rekrutierten ihre Soldaten durch Versklavung der umliegenden Bevölkerung, wobei sie ausschließlich junge, nicht beschnittene Männer rekrutierten. Die beschnittenen Männer wurden an die Portugiesen oder an die Niederländer verkauft. Das Besondere an den Imbangala war, dass sie nicht in Familien oder Sippen organisiert waren und ihren Nachwuchs nicht durch natürliche Reproduktion generierten sondern ausschließlich durch Menschenraub. Ihre Vorgehensweise war dabei auf die größtmögliche Verbreitung von Terror unter der übrigen Bevölkerung ausgerichtet, indem sie die rituelle Tötung von Sklaven vor dem Kampf sowie Kannibalismus und Kindstötung praktizierten. Die tiefen Einzugsgebiete der angolanischen und kongolesischen Sklavenhändler bargen auch gewisse Gefahren, da viele Sklaven ziemlich weite Wege bis zu den Hafenplätzen zurücklegen mussten. Das wichtigste für die Sklavenfänger war, selbige gleich nach ihrer Gefangennahme zu den Markt- und Verladeplätzen zu bringen. Befanden sich die Entführten noch in der Nähe ihrer Dörfer, konnten sie von Angehörigen eingeholt und gewaltsam befreit werden und Flucht hatte in der vertrauten Umgebung noch die vergleichsweise beste Aussicht auf Erfolg, deshalb hatte ein Sklave am Ort seiner Gefangennahme einen eher geringen Wert 113 . Erst mit der Entfernung zu seiner Heimat wurde er zu einer wertvollen Ware. Alte und Kranke wurden zumeist sofort getötet 114 . Auf Flussbooten

oder

in

Fußkarawanen

wurden

die

Opfer

dann

zuerst

zu

regionalen

Zwischenhandelsmärkten transportiert, seltener direkt zur Küste. Die Gefangenen wurden dafür aneinander gefesselt und von bewaffneten Aufsehern bewacht 115 . Bereits auf dem Weg zu den Sklavenhäfen gab es viele Tote, die Sterberate lässt sich jedoch aufgrund fehlender Quellen lediglich schätzen, die Zahlen schwanken zwischen 18 und über 70 Prozent116. Fakt ist, dass der Sklavenhandel neben der tatsächlichen Menge der verschifften Menschen weitere Opfer forderte. Dazu gehören die Toten der Kriege und Raubzüge, Entbehrung und Willkür auf den Transportmärschen. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass auf jeden Sklaven, der die Küste lebend erreichte, ein Mensch kam, der aufgrund der mit dem Sklavenhandel verbundenen direkten 111

Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 89f. Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 75. 113 Curtin, Philip: Economic change in precolonial Africa. Senegambia in the era of the slave trade, Madison 1975, S. 155. 114 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 60. 115 Lovejoy: Transformations in slavery, S. 93. 116 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 130. 112

33

Gewalt oder aufgrund indirekter Folgen davon sein Leben verlor117. Die Europäer versuchten immer wieder, den Handel auf unterschiedliche Art und Weise zu kontrollieren, was

aufgrund der

Komplexität aber

kaum

möglich war. Sowohl

die

Plantagenwirtschaft als auch der Sklavenhandel waren wegen der enormen Einstiegskosten auf europäischer

Seite

staatlich

subventioniert.

Zwar

waren

die

großen

europäischen

Handelskompanien des 17. Jahrhunderts auf privatem Kapital begründet, operierten aber in einem Rahmen staatlich gewährter Monopole, die gegenseitig in Konkurrenz traten. Dies kam den Afrikanern allerdings sehr gelegen, da sie lieber mit einer Vielzahl kleinerer Käufer handelten. Doch auch auf afrikanischer Seite hatten die jeweiligen Herrscher ihre Hand im Spiel. Im Königreich Whyda wurde bspw. von jedem Kapitän, der an dieser Küste ins Geschäft kommen wollte, eine Abgabe erhoben, dann Gebühren für die königlichen Beamten, welche die Sklaven auf die Schiffe brachten sowie für Dolmetscher und andere Hilfskräfte. Auch musste zuerst eine gewisse Anzahl Sklaven direkt vom Hof erworben werden, bevor private afrikanische Händler zum Zuge kamen. Schließlich war auch noch ein Ausfuhrzoll fällig118. Mit dem Kauf von Sklaven alleine war es allerdings nicht getan. Die Europäer benötigten für ihren oftmals mehrmonatigen Aufenthalt an den afrikanischen Küsten Proviant und Frischwasser, sowohl für sich selbst als auch zur Versorgung der Sklaven. Obwohl die Afrikaner die Preise diktieren konnten, hatten die Europäer den Vorteil der Mobilität auf ihrer Seite. War der Preis für Sklaven oder Proviant an einem Ort zu hoch, wichen sie sofort auf andere Küstenabschnitte mit niedrigeren Preisen aus. Dies trug mit dazu bei, dass es keinem afrikanischen Staat gelang, eine dominierende Position im transatlantischen Sklavenhandel aufzubauen119. Die Verantwortung für den Kauf von Sklaven lag auf europäischer Seite in der Regel beim Kapitän. Der Einkauf war zumeist ein langwieriges Geschäft, da nur wenige Anbieter willens oder fähig waren, große Mengen von Sklaven zu liefern. Normalerweise wurden die Sklaven einzeln oder in kleinen Gruppen gehandelt. Daraus resultiert auch die große Zahl an Anbietern und die überaus heterogene Zusammensetzung der Sklaven (Kriegsgefangene, Verurteilte, Entführte, etc.) sowie die relativ lange Verweildauer der Schiffe von teilweise über sechs Monaten an den westafrikanischen Küsten 120 . Die Verweildauer konnte zwar durch den Unterhalt der Handelsstützpunkte im 17. Jahrhundert reduziert werden, dies ging jedoch zu Lasten der Gewinnmargen, da die Handelsstützpunkte mit hohem Aufwand unterhalten und die Sklaven über einen längeren Zeitraum bevorratet werden mussten. Im 18. Jahrhundert überwog dann der freie Handel mit Sklaven, erst im 19. Jahrhundert wurde die Vorhaltung von Sklaven wieder vermehrt 117

Miller, Joseph C.: The way of death.Merchant capitalism and the Angolan slave trade 1730-1830, Madison 1988, S. 151. 118 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 63, Law, Robin: Ouidah: The social history of a Wes African slave port, Athen/Oxford 2004, S. 157. 119 Lovejoy: Transformations in Slavery, S. 101. 120 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 122. Im Durchschnitt wurden etwa 2 Sklaven/Tag gehandelt.

34

praktiziert, als der Sklavenhandel illegal wurde und eine verkürzte Liegezeit das Risiko des Aufspüren durch Patrouillenschiffe minimierte. Auf das allgemeine Wirtschaftsverhalten der betroffenen Küstenregionen hatte der Sklavenhandel ebenfalls erheblichen Einfluss. Die Landwirtschaft produzierte zusätzliche Feldfrüchte, um den gewaltigen Bedarf der Europäer zu befriedigen. An manchen Orten wurde einfache Kattunkleidung für die Sklaven produziert. Das afrikanische Transportgewerbe zu Lande konkurrierte bei der Bewegung von Sklaven mit dem der Europäer. Von den Europäern eingeführte Kulturpflanzen wie Zitrusfrüchte (gegen Skorbut) und Tabak oder die Einführung europäischer Nutztiere verbesserten die Ernährung der Einheimischen erheblich. Stangeneisen aus Schweden, das als Tauschware auf beiden Seiten sehr beliebt war, diente den einheimischen Schmieden zur Produktion verbesserter Geräte für die Landwirtschaft121. Gehandelt wurden die Sklaven in der Regel im Tausch gegen mitgebrachte Waren. Dabei ist die oftmals aufgestellte Behauptung, die Afrikaner hätten den Wert der eingetauschten Waren nicht richtig einschätzen können und seien dazu gebracht worden, gegen Glasperlen und billigen Tand ihre Landsleute zu verkaufen, grundlegend falsch 122. Die Afrikaner wussten sehr wohl um den Wert der eingehandelten Waren, wobei ihre Präferenzen für einige davon den Europäern augenscheinlich unverständlich oder gar irrational sind. Ein repräsentatives Beispiel dafür ist der Einsatz von Kaurimuscheln als Zahlungsmittel 123 . Betrachtet man diese Muschelart unter ökonomischen Gesichtspunkten etwas näher, war der Einsatz als Zahlungsmittel durchaus sinnvoll. Diese Muscheln konnten nur an einem einzigen Ort der Welt in einer begrenzten und etwa gleich bleibenden Menge pro Jahr gewonnen werden, nämlich auf den Inseln der Malediven im Indischen Ozean124. Der Vorteil dieser Muscheln war, dass sie unbegrenzt haltbar und durch ihr markantes Aussehen leicht zu identifizieren und damit relativ fälschungssicher waren. In Südasien und Ostafrika waren Kauris sei langer Zeit als Zahlungsmittel eingesetzt und fanden auf europäischer Seite erstmals im portugiesischen Asien- und Afrikahandel Verwendung. Die Portugiesen etablierten dann auch die Kaurimuschel als Zahlungsmittel in Westafrika. Im 18. Jahrhundert wurden von Engländern und Niederländern zusammen ca. 40 Mio. Kaurimuscheln jährlich nach Amsterdam und London gebracht. In bestimmten Mengen auf Schnüre gezogen, gelangten sie dann als Zahlungsmittel in den Sklavenhandel 125. Bei der Preisbildung für einen Sklaven waren für die europäischen Kaufleute zwei Größen ausschlaggebend: der Primärpreis und der Handelspreis. Der Primärpreis setzte sich aus der Summe aller Kosten für die erforderlichen Tauschwaren zusammen. 121

Eltis, David: Economic growth and the ending of the transatlantic slave trade, Oxford/New York 1987, S. 158; Klein: Atlantic Slave Trade, S. 106. 122 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 64. 123 Hogendorn, Jan S./Johnson, Marian: The shell money of the slave trade, Cambridge 1986, S. 5ff; Klein: Atlantic Slave Trade, S. 111ff; Thomas: Slave Trade, S. 322f. 124 Hogendorn/Johnson: Shell Money, S 20ff. 125 Hogendorn/Johnson: Shell Money, S. 58f.

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Für viele dieser Waren galt in Afrika der doppelte Wert, der für den Handelspreis in anderen Währungen ausgedrückt wurde. Als Währung wurden Kaurimuscheln, Kupferblech bzw. daraus hergestellte Gegenstände oder Unzen (der Wert einer Unze Gold oder eines Warenpakets in eben diesem Wert) eingesetzt, von denen viele wiederum nur regionale Bedeutung hatten. Kauris wurden am Golf von Guinea wie Geld benutzt, nicht aber im Kongo oder Angola, wo Silbermünzen bevorzugt wurden126. An der Goldküste wurden Unzen, an der oberen Guineaküste und in der Bucht von Biafra Silbermünzen bevorzugt. Wie sich Primär- und Handelspreis zusammensetzten, ist anhand der zeitgenössischen Kalkulation eines englischen Händlers ersichtlich: wenn der durchschnittliche Preis pro Kopf bei £3.15s liegt, kostet selbiger bei Bezahlung mit Kaurimuscheln £4, bei Bezahlung mit Perlen und Eisenbarren £2.15s und bei Bezahlung mit indischen Baumwolltextilien £6127. Durch die unterschiedlichen Präferenzen an den unterschiedlichen Orten kam es zu entsprechenden Preisspannen. Deshalb bezahlten die Europäer in der Regel nicht mit einer einzigen Ware sondern mit Warenpaketen, die auf die jeweiligen Märkte maßgeschneidert waren. Neben den unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten wirkten sich natürlich auch Alter, Gesundheitszustand und Geschlecht der Sklaven auf die Preisbildung aus. Letzteres geschah innerhalb eines integrierten Weltmarktes. Die Nachfrage und der Bedarf in Afrika selbst, dem Mittleren Osten sowie auf dem amerikanischen Kontinent und in der Karibik waren jeweils unterschiedlich. Sämtliche islamischen Märkte sowie die afrikanischen Märkte südlich der Sahara absorbierten mehr Mädchen und Frauen als Haussklaven, um sie als Konkubinen oder Ehefrauen einzusetzen. Da in den muslimischen, aber auch in vielen nicht-muslimischen Gesellschaften Polygamie praktiziert wurde, war der Besitz von vielen Frauen stets mit einem entsprechendem gesellschaftlichen Status verbunden, was wiederum zur Folge hatte, dass für Frauen auf diesen Märkten deutlich höhere Preise erzielt wurden. In der Neuen Welt waren dagegen Männer im besten Arbeitsalter, sog. „Piezas de Indias“ oder „prime-age males“ gefragt, welche etwa 25 Prozent teurer als gleichaltrige Frauen und etwa 20 Prozent teurer als ältere Männer waren. Der Anteil der insgesamt nach den Amerikas verschifften Frauen und Mädchen lag deshalb etwa bei einem Drittel, der Anteil an Kindern und Jugendlichen sogar unter 20 Prozent128. Im Handel auf den afrikanischen Sklavenmärkten herrschte ein stetiger Wechsel der Moden und Bedürfnisse, was die dort benutzten und begehrten Tauschwaren betraf. Die europäischen Kaufleute mussten stetig auf die wechselnden Bedürfnisse ihrer afrikanischen Handelspartner reagieren, was letztlich dafür verantwortlich war, dass der transatlantische Sklavenhandel ein sehr kostspieliges Geschäft war. So waren europäische

126

Curtin: Economic change, S. 238. Klein: Atlantic Slave Trade, S. 108.. 128 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 161f. 127

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Textilien bereits um 1500 im Kongo ein Statussymbol der lokalen Eliten und fand bis 1570 auch unter der restlichen Bevölkerung weite Verbreitung 129 . Ein weiteres beliebtes Tauschmittel war Messingschmuck, doch auch der kam um 1690 aus der Mode. Stattdessen wurden verstärkt Kupferund Messingschalen nachgefragt, um sie weiter verarbeiten zu können130. Während des gesamten 17. Jahrhunderts wurden indische Baumwollstoffe stark nachgefragt, ab etwa 1700 wurden sie von schlesischem Leinen verdrängt. Im 18. Jahrhundert erlebten Schusswaffen und Schießpulver an der Sklavenküste durch den Aufbau gut bewaffneter Armeen ihre Hochkonjunktur. Überhaupt waren Schusswaffen zu allen Zeiten des Sklavenhandels ein fester Bestandteil des angebotenen Warensortiments. Ganz Europa lieferte Waffen für den Sklavenhandel. Waffenschmieden aus dem englischen Sheffield, dem dänischen Seeland und dem thüringischen Suhl lieferten speziell für den Sklavenhandel gefertigte Waffen131. Eine Besonderheit dieser Waffen war, dass sie dazu konstruiert waren, mit einer geringeren Ladung Pulver auszukommen. Dies nicht etwa, weil die Europäer minderwertige Waffen anbieten wollten, sondern weil die in europäischen Armeen immer noch verbreiteten Brustharnische in Afrika unbekannt waren. Ab 1730 wurden etwa 180.000 Gewehre pro Jahr nach Afrika exportiert, von 1750 bis 1810 waren es für Westafrika allein aus England bereits 280.000 bis 390.000 Gewehre und etwa 380 Tonnen Schießpulver und über 90 Tonnen Blei. Bei vorsichtiger Schätzung wären dies etwa 18 Mio. Gewehre für den genannten Zeitraum 132. Die von den europäischen Händlern eingekauften Sklaven mussten zumeist mehrere Wochen und Monate direkt an der Küste bereitgehalten werden, bis genügend Sklaven für die Überfahrt beisammen waren. Dies geschah entweder bei den afrikanischen Händlern oder in von den Schiffsführern errichteten provisorischen Hütten, sog. „trunks“ oder „barraccoons“, wo sie eng zusammengepfercht Schmutz und möglichen Krankheiten ausgesetzt waren. Die Ernährung entsprach der in europäischen Gefängnissen: Wasser und Brot. Lediglich ein kleiner Teil wurde in den in diesem Zusammenhang regelmäßig erwähnten europäischen Festungen aufbewahrt. Zum Beispiel bot das französische Fort Saint Joseph lediglich 250 Sklaven Platz, zu wenig, um auch nur ein Sklavenschiff mittlerer Größe zu füllen 133 . Bevor ein Sklave verkauft wurde, unterzog der Schiffsarzt ihn einer möglichst gründlichen Untersuchung, um Alter und Gesundheitszustand zu bestimmen. Die afrikanischen Händler bedienten sich dabei kleiner Tricks, um die zum Verkauf stehenden Sklaven aufzuwerten. Um sie jünger und gesünder aussehen zu lassen, wurden sie mit Palmöl eingerieben, ältere Sklaven wurden rasiert, damit keine grauen Haare zu sehen waren. Die 129

Thornton, John: Africa and Africans, S. 231f. Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 67. 131 Forberger, Rudolf: Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, Berlin 1958, S. 234. 132 Inikori, Joseph: The import of firearms into West Africa, 1750 to 1807: a quantitative analysis, in: ders.: Forced Migration. The Impact of Export Slave Trade on African Societies, London 1982, S. 126-153. 133 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 90; Law: Ouidah, S. 140. 130

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medizinische Untersuchung mussten alle nackt über sich ergehen lassen. Kein Körperteil blieb unberührt, besonders auf Geschlechtskrankheiten wurde geachtet. Die Schiffsärzte mussten das Gebiss sowie Urin und Schweiß durch Schmecken und Riechen beurteilen sowie die Muskulatur und die Genitalien abtasten 134 . Danach musste der Sklave seine körperliche Fitness mittels Körperübungen unter Beweis stellen. War die Untersuchung abgeschlossen und der Preis ausgehandelt, wurden der Sklave mit dem Brandzeichen seines Käufers markiert, damit Betrug und Verwechselung ausgeschlossen waren, da die verkauften Sklaven zusammen mit denen anderer Käufer bis zur Einschiffung in der Obhut des Verkäufers blieben. Die verkauften Sklaven wurden auf lange Kanus gebracht, auf denen sie zu den vor der Küste liegenden europäischen Schiffen gebracht wurden. Das Rudern durch die Brandung war gefährlich und das Kentern der Kanus nicht selten, wobei viele Sklaven ertranken, da sie paarweise aneinander gefesselt waren 135. Sklaven, die keinen Käufer fanden, wurden entweder auf den Plantagen eingesetzt, die im Zuge des expandierenden Handels um die Häfen herum entstanden, oder sie wurden getötet. Hatte ein Sklave bis zu seinem Verkauf an die Europäer überlebt, stand ihm mit der Überfahrt über den Atlantik, der middle passage, jetzt der Teil seiner Reise in die Neue Welt bevor, der maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg oder das Scheitern der Sklavenhandelsexpedition entscheiden sollte. Die Sterberate während der Mittelpassage hatte einen erheblichen Einfluss auf die Rendite jeder Expedition. Im französischen Sklavenhandel bedeutete jeder tote Sklave auf einem Schiff mit dreihundert Sklaven einen Verlust von 0,67 Prozent, was bei einer Sterberate von 15 Prozent einen Verlust von etwa einem Drittel des erhofften Gewinns ausmachte 136 . Eine möglichst niedrige Sterberate unter den Sklaven lag daher im Interesse der Investoren. Es galt einen Weg zu finden, der möglichst großen Profit bei möglichst niedrigem Ausschuss ermöglichte. Die gesamte Logistik der Überfahrt und die dafür verwendeten Schiffe mussten darauf ausgelegt werden, den wirtschaftlichen Kompromiss zwischen diesen widersprüchlichen Parametern zu gewährleisten. Das hauptsächliche Augenmerk lag dabei auf einer möglichst hohen Auslastung der Schiffe, der Berücksichtigung der Krankheitsrisiken, hinreichender Ernährung der Sklaven und der Schiffsbesatzung, guter Manövrierbarkeit und Schnelligkeit. Unter Berücksichtigung dieser Parameter hatte sich bis ins 18. Jahrhundert hinein ein Schiffstyp herausgebildet, der als „Slaver“ oder „Négrier“ bezeichnet wird. Die Größe eines typischen englischen Slavers betrug etwa 150-250 Tonnen mit einer Kapazität von 350-450 Sklaven, was einem Verhältnis von 1,5-2,5 Sklaven pro Tonne entspricht 137 .

Die

Portugiesen hatten bereits 1684 ein maximales Verhältnis von 2,5-3,5 Sklaven, abhängig vom jeweils verwendeten Schiffstyp, pro Tonne festgelegt, jedoch blieben die tatsächlichen Belegungen 134

Law: Ouidah, S. 141. Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 69. 136 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 132. 137 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 144. 135

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meistens darunter138. Auf einem englischen 200-Tonnen-Schiff hatte ein Sklave lediglich etwa 0,470,65 Quadratmeter Platz, erst 1799 war auf englischen Sklavenschiffen ein Minimum von 0,75 Quadratmeter Platz pro Sklave vorgeschrieben139. Typische Sklavenschiffe hatten eine maximale Länge von etwa 20 Metern und eine Breite von sieben bis acht Metern. Der relativ geringe Tiefgang ermöglichte das Operieren nahe an der afrikanischen Küste, wo es keine ausgebauten Häfen gab. Der Stauraum für die Sklaven befand sich direkt unter dem Oberdeck, im sog. Zwischendeck. Dort hatte man zur optimalen Ausnutzung des Raumes zusätzlich noch einen galerieartig umlaufenden Boden eingezogen, dort lagerten auf dem Weg nach Afrika die benötigten Tauschwaren und darunter die benötigten Vorräte und das Trinkwasser140. Dazu ein Rechenbeispiel: Ein 400-TonnenSchiff mit 600 Sklaven an Bord bietet augenscheinlich mit 1,5 Sklaven pro Tonne bessere Lebensbedingungen als ein überfülltes 100-Tonnen-Schiff mit 300 Sklaven an Bord. Allerdings hatte das 400-Tonnen-Schiff nicht die vierfache Decksgröße, sondern lediglich die 2,5-fache, so dass in beiden Fällen etwa die gleiche Fläche pro Sklave zur Verfügung stand. Außerdem boten auch die großen Schiffe nur ein einziges Oberdeck, auf dem die Sklaven sich zwecks Vorbeugung von Krankheiten möglichst lange aufhalten und bewegen mussten141. Größer bedeutete hier nicht besser. Ein anderes typisches Merkmal frühneuzeitlicher Sklavenschiffe waren die im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Schiffen großen Mannschaften. Auf einem direkt von und nach Amerika fahrenden Handelsschiff lag das Mannschaft/Tonnage-Verhältnis bei etwa 1:10, auf einem Sklavenschiff lag es bei etwa 1:5,7142. Auf einem Sklavenschiff von 200 Tonnen Größe arbeiteten demnach 35 Seeleute. Die Überfahrt von der westafrikanischen Küste nach Nordamerika und in die Karibik dauerte auf den Schifffahrtsrouten nördlich des Äquators durchschnittlich etwa acht Wochen, auf der direkten Route Angola-Brasilien unter Ausnutzung der Passatwinde etwa fünf Wochen, aber nur, wenn das Wetter mitspielte 143 . Flauten, Stürme und andere Risiken der frühneuzeitlichen Schifffahrt konnten die Fahrzeit extrem verlängern, mit den bereits erwähnten Folgen für Sklaven und Mannschaft. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Sterberate auf See, für die Sklaven ebenso wie für die Schiffsbesatzung, war die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Auf dem Weg von Europa nach Afrika wurde Zwieback, Mehl, Reis, getrockneter Fisch und Pökelfleisch sowie Trinkwasser und Bier und zur Vorbeugung gegen den durch Vitamin-C-Mangel verursachten Skorbut Essig und Zitronen mitgeführt. In Afrika wurden zur Ergänzung zusätzlich noch frische bzw. getrocknete einheimische Nahrungsmittel wie Yamswurzeln, Bohnen, frischer 138

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 148. Klein: Atlantic Slave Trade, S. 149. 140 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 132f. 141 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 133. 142 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 84. 143 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 130. 139

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und getrockneter Fisch, Kokosnüsse, Palmöl und Gewürze geladen. Für die Grundversorgung mussten jedoch regionale Gewohnheiten bei der Bevorratung berücksichtigt werden. Sklaven aus der Sahelregion vertrugen beispielsweise die afrikanische Hirse besser als Reis, Sklaven aus dem Nigerdelta waren an Yams gewöhnt144. Auch wurde lebendes Kleinvieh, z. B. Geflügel, an Bord genommen, frischer Fisch wurde meistens während der Fahrt gefangen. Einen besonderen Stellenwert nahm die Bevorratung von Trinkwasser ein. Da die Qualität des Trinkwassers an vielen Abschnitten der afrikanischen Küste unzureichend war, liefen die Sklavenschiffe nach dem Aufnehmen der Sklaven noch die Inseln Sao Thomé und Principe an, da dort die Qualität des Trinkwassers deutlich besser war. Unter tropischen Wetterbedingungen sollten dem Körper etwa drei Liter Wasser pro Tag zugeführt werden, jedoch bekam ein Sklave nur etwa einen Liter am Tag, was eine schleichende Dehydration zur Folge hatte, die sich in Form von verminderter Nahrungsaufnahme und Störungen des Metabolismus bemerkbar machten 145 . Zwar wurden alle diese Auswirkung von den Schiffsärzten protokolliert, der Zusammenhang zwischen den Symptomen und deren Ursachen war ihnen jedoch unbekannt. Die Organisation des täglichen Lebens an Bord war auf allen Sklavenschiffen weitgehend identisch. Innerhalb eines Sklavenschiffes waren die Decks in drei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt: einer für männliche Sklaven, einer für noch jugendliche Sklaven und einer für Frauen und Kinder. Variable Trennwände ermöglichten sowohl die Unterteilung der Decks in die o. g. Abteilungen als auch die Isolierung erkrankter Sklaven von den gesunden. Frauen erhielten für die Überfahrt stets eine einfache Bekleidung, während Männer zumeist nackt oder nur mit einem Lendenschurz bekleidet an Bord gebracht wurden. Die fehlende Kleidung war jedoch im tropischen Klima kein wirklich nennenswertes Problem, da die Temperatur innerhalb des Schiffes auf bis zu 40 Grad Celsius ansteigen konnte146, wobei die Sklaven auch noch dicht an dicht beieinander saßen oder lagen. Nachts wurden die Sklaven angekettet, um einer Rebellion bzw. allgemeiner Unruhe vorzubeugen. Tagsüber wurden sie, abhängig vom Wetter, an Deck gebracht wo sie sich möglichst viel bewegen mussten. Niederländische Kapitäne kauften oftmals extra dafür an der afrikanischen Küste ortsübliche Musikinstrumente wie Flöten und Trommeln ein, um die Sklaven an Deck tanzen zu lassen

147

. Dies sollte sowohl der Auflockerung der Muskulatur als auch depressiven

Empfindungen vorbeugen. Während sich die Sklaven an Deck aufhielten, wurde das Zwischendeck von der Mannschaft mit Essig oder Zitronensaft gereinigt, was möglichst zweimal pro Woche geschehen sollte148. Die Schiffsärzte sollten darauf achten, dass sich die Sklaven täglich waschen 144

Emmer: Dutch Slave Trade, S. 68f, Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 73. Emmer: Dutch Slave Trade, S. 69. 146 Emmer: Dutch Slave Trade, S. 70. 147 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 95. 148 Emmer: Dutch Slave Trade, S. 73. 145

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und rasieren, um Krankheiten vorzubeugen. Da die Kapitäne und meistens auch die Offiziere eines Sklavenschiffes finanziell an der Expedition beteiligt waren, lag es durchaus in ihrem eigenen Interesse, die Sklaven gesund über den Atlantik zu bringen. Aber selbst unter dem Kommando eines Schiffsführers mit der Erfahrung von mehreren Expeditionen waren Einzelfahrten mit katastrophaler Sterberate kaum seltener als in ihrer Gesamtheit. Obwohl auf jedem Sklavenschiff ein Arzt mitfuhr, konnte dieser nicht viel mehr tun, als die hygienischen Verhältnisse an Bord zu überwachen und den gesundheitlichen Zustand der Sklaven zu beobachten. Seine Hauptaufgabe bestand eigentlich darin, die beste Auswahl der einzukaufenden Sklaven an der afrikanischen Küste zu treffen. Zudem war der Beruf des Schiffsarztes auf einem Segelschiff nicht sonderlich attraktiv, so dass dieser Job eher von Ärzten mit zweifelhaftem Ruf angenommen wurde. Außerdem wurde erst im 19. Jahrhundert der Zusammenhang zwischen Hygiene und dem Ausbruch von Infektionskrankheiten erkannt149. Während des gesamten Zeitraums des transatlantischen Sklavenhandels lag die durchschnittliche Sterberate während des Transports bei 12,5 Prozent, mit sinkender Tendenz 150. Von den Anfängen des Handels bis ins späte 17. Jahrhundert lag sie bei etwa 20 Prozent und fiel ab etwa 1700 auf unter 8 Prozent gegen Ende des Jahrhunderts. Auch wurden Einzelfälle mit extremer Sterberate immer seltener. Im 19. Jahrhundert lag die Sterberate dann bis zum Ende des Sklavenhandels bei durchschnittlich 5 Prozent. Dies entsprach dem Wert, der auch auf Kriegsschiffen und den großen Auswandererschiffen gemessen wurde. Aber auch ein Wert von fünf bis zehn Prozent ist katastrophal, wenn man bedenkt, dass eine Ladung Sklaven aus einem ausgesucht widerstandsfähigen Teil der afrikanischen Bevölkerung bestand, der sich überwiegend aus kräftigen und gesunden jungen Männern zusammensetzte, während Gruppen von Auswanderern, Soldaten und Sträflingen tendenziell die Gesamtbevölkerung widerspiegelte, mit Kindern, Frauen, Alten und Kranken. Dies impliziert, dass die Transportbedingungen für Sklaven bedeutend schlechter waren als für Auswanderer oder Sträflinge. Damit lag die Sterberate an Bord um das 3,5fache höher als die durchschnittlichen Sterberaten der europäischen Länder 151 . Eine derartige Sterberate an Land hätte in Europa zu einem kontinuierlichen Rückgang der Bevölkerung geführt. Etwa die Hälfte der Todesfälle wurden von Magen-Darmkrankheiten wie der Ruhr verursacht, gefolgt von Fieber152. Meist wurden die Erreger schon in Afrika auf das Schiff getragen, wo sie dann durch die eintönige Ernährung und mangelhafte Versorgung mit Flüssigkeit virulent wurden. Unter den Fieberkrankheiten überwogen Gelbfieber und Malaria. Auch Pocken waren bis ins 18. Jahrhundert hinein häufige Todesursache, doch wurden zumindest diese durch bessere Ernährung 149

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 153. Thomas: Slave Trade, S. 421. 151 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 150-152. 152 Emmer: Dutch Slave Trade, S. 70. 150

41

und erste erfolgreiche Präventionen gegen Ende des 18. Jahrhunderts zurückgedrängt 153. Zwar ist für keine andere Art von Transatlantikfahrten eine höhere Korrelation zwischen dichter Belegung und hoher Sterblichkeit festgestellt worden, zwei Faktoren waren für das Überleben der Fahrt von entscheidender Bedeutung: die Dauer der Überfahrt und die Herkunftsgebiete der Gefangenen. Dauerte eine Überfahrt unerwartet länger, musste der mitgeführte Proviant gestreckt werden, was alle an Bord anfälliger für Krankheiten machte. Regionale Unterschiede lagen hingegen in den epidemiologischen Gegebenheiten. Malaria und Gelbfieber kamen überwiegend in tropischen Gegenden wie der Gambia-Mündung und an der Biafra-Küste vor, weshalb zwischen 1750 und 1807 etwa 15 Prozent der ausgeführten Sklaven während der Überfahrt starben 154 . Angola und Sierra Leone lagen unter dem Durchschnitt, was damit zu erklären ist, dass die Überfahrt von dort aus deutlich schneller zu meistern war, da diese Küstenabschnitte an der schmalsten Stelle des Atlantiks liegen. Auf den deutlich längeren Routen vom ostafrikanischen Mosambik aus lag die Sterberate sogar bei durchschnittlich 30 Prozent, weshalb dieser Sklavenmarkt erst im 19. Jahrhundert eine nennenswerte Rolle spielte. Wurde ein Sklave auf der Überfahrt krank, bedeutete dies für ihn meistens auch das Todesurteil, wenn er sich nicht schnell wieder erholte. Die Sklaventransporte waren in der Regel versichert. Für einen toten Sklaven zahlten die Versicherungen meistens einen Betrag, der etwa zwei Drittel des Marktpreises betrug. Der Verkauf von kranken Sklaven brachte hingegen nur einen Bruchteil dessen, weshalb viele Kapitäne kranke Sklaven lieber über Bord warfen und die Versicherungsprämie dafür einstrichen. Die höchste Sterberate während der Überfahrt findet sich jedoch nicht bei den Sklaven, sondern bei den Schiffsbesatzungen, zumindest bei denen, die aus Europa kamen und da vor allem unter den Schiffsärzten und ihren Helfern155. Die Sterberate auf englischen Schiffen lag in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei bis zu 41 Prozent während der Liegezeit in Afrika und nochmals 21,5 Prozent während der Überfahrt 156 . Während der Rückreise von Amerika nach Europa war die Sterberate jedoch nicht höher als bei anderen Sparten der Seefahrt. Dies war auch ein Grund, weshalb die Besatzung auf Sklavenschiffen deutlich größer war, als auf anderen Schiffen. Der Verlust eines Teils der Schiffsbesatzung wurde von den Geldgebern bewusst in Kauf genommen, da ein Seemann im Gegensatz zu einem Sklaven kein Geld brachte sondern Geld kostete. Starb ein Seemann während der Fahrt, hatten die Geldgeber einen Teil der Heuer gespart, weshalb es ihnen ökonomisch nicht sinnvoll erschien, in das Überleben der Schiffsbesatzung zu investieren, solange genügend andere Seeleute zur Verfügung standen 157. 153

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 152ff. TSTD1; Klein: Atlantic Slave Trade, S. 70. 155 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 76. 156 Williams, Eric: Capitalism and Slavery, London 1975, S. 166. 157 Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 76. 154

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1.2. Sklavenhandel im Kontext der europäischen Wirtschaft

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der transatlantische Sklavenhandel lediglich als eine frühkapitalistische Form der Ausbeutung gesehen, eine Auffassung, die von Karl Marx geprägt und lange auch von namhaften Wissenschaftlern vertreten wurde158. Dabei wird die Frage nach den Zusammenhängen von vier zentralen Thesen bestimmt. Erstens war Rassismus bei der Wahl von Afrikanern als Sklaven nicht die Ursache, sondern eine Folge dieser ausschließlich von ökonomischen Faktoren bedingten Wahl. Zweitens hatten die auf Ausbeutung der Sklaven gestützten Plantagenökonomien die industrielle Revolution in Europa entscheidend begünstigt. Drittens waren diese Plantagenökonomien durch die Unabhängigkeit der USA zu ihrem Niedergang verurteilt gewesen und viertens war die Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei viel weniger auf die religiös-moralisch orientierte Abolitionsbewegung zurückzuführen, sondern auf die wirtschaftsliberal orientierten Vertreter der britischen Industrien, welche argumentierten, dass die bisher förderliche Sklaverei nun einen Hemmschuh für weiteres Wachstum darstelle. Diese Thesen sind zwar zum Teil widerlegt, jedoch geben sie nach wie vor den Rahmen, in welchem sich die europäische Forschung zum transatlantischen Sklavenhandel bis heute bewegt. Im Mittelpunkt stehen dabei aufgrund des vorhandenen quantitativen Datenmaterials Großbritannien und Frankreich, während der mitteleuropäische Raum bisher wenig Beachtung gefunden hat. Die rein ökonomische Entscheidung zur Versklavung von Afrikanern gilt inzwischen als verifiziert und wird durch den epidemiologischen Aspekt zusätzlich gestützt. Gegen Tropenkrankheiten resistente Afrikaner waren eine rentablere Investition als europäische Vertragsarbeiter. Der Zusammenhang zwischen den mit den Plantagen gemachten Gewinnen und der englischen Industrialisierung ist jedoch nicht so unmittelbar wie in These zwei hervorgehoben und auch die Gewinne der europäischen Sklavenhändler waren nicht so hoch 159 . Den besonders in der Frühphase erzielten spektakulären Gewinnen standen mindestens ebenso viele spektakuläre Verluste gegenüber. Die langfristig durchschnittliche Gewinnspanne von zehn Prozent Reingewinn war zwar sehr gut, alleine weil es an geeigneten Alternativen mangelte, sie war jedoch nicht überproportional hoch 160. Direkte Kapitalflüsse aus den Erlösen des Sklavenhandels und der Plantagenwirtschaft in technische Innovationen gab es kaum. Entwickler und Anwender technischer Innovationen finanzierten ihre Arbeit entweder selbst oder mit geliehenem Kapital von Familie und Freunden. Bisher wurde

158

davon ausgegangen,

dass

die

Gesamtleistung aller

Marx, Karl: Das Kapital, Hamburg 1867, Nachdr. Berlin 1968, Band 1, S. 792-802. Williams: Capitalism and Slavery, S. 102ff. 160 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 99. 159

43

in den

britischen

Plantagenökonomien erzielten Gewinne keinen nennenswerten Beitrag zu den Gesamtinvestitionen in die britische Industrialisierung geleistet haben. Es wurde sogar die Auffassung vertreten, dass der Anteil des gesamten Überseehandels am Bruttosozialprodukt Westeuropas lediglich bei vier Prozent lag oder gar so niedrig war, dass er lediglich periphere Bedeutung hatte 161 . Dabei wird jedoch übersehen, dass eine Volkswirtschaft aus mehr besteht als nur aus Gewinnen abgewickelter Geschäfte und daraus getätigten Re-Investitionen. Am Sklavenhandel verdienten auch diejenigen, die den Betreibern des Sklavenhandels und der Plantagen nur Kosten verursachten, nämlich die Seeleute, Werftarbeiter, Schiffsausrüster, Versicherungsgesellschaften, Hersteller und Lieferanten von Schiffsproviant, Hersteller von Manufakturwaren für den Tauschhandel sowie die Versorger der Plantagen, um nur die prominentesten zu nennen. Das bedeutet, dass große Teile der betroffenen Volkswirtschaften direkt oder indirekt als Sklavenhändler, Reeder oder Geldgeber in das transatlantische System aus Sklavenhandel und Plantagenkomplex eingebunden waren. Damit wurde in Europa, aber auch in den nordamerikanischen Kolonien, zusätzliche Kaufkraft geschaffen, die sich deutlich positiver auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkte als die direkten Profite. Hinzu kam, dass Sklaven nahezu ausschließlich im Tausch gegen Manufakturwaren erworben wurden, und auch die Plantagenkolonien absorbierten zunehmend immer mehr europäische Gewerbeerzeugnisse162. Der gestiegene Bedarf von Manufakturwaren für den Export bewirkte eine Verlagerung der Wirtschaftsschwerpunkte vom nicht-industriellen auf den industriellen Sektor

163

. Diese

Entwicklung legt nahe, dass der Export von Waren eine Schlüsselgröße für den Anschub und die Expansion von Industrialisierung darstellte164. Sklavenhandel und Plantagenwirtschaft erschlossen den europäischen Volkswirtschaften neue Absatzmärkte, welche Wirtschaft und Technik derart stimulierten, dass es Europa im 18. Jahrhundert gelang, die asiatische Konkurrenz zu überflügeln165. Hinzu kommt, dass in einer industrialisierten Ökonomie moderner Prägung ein deutlich niedrigerer Prozentsatz des persönlichen Einkommens für den täglichen Bedarf aufgewendet werden muss, während bis ins 19. Jahrhundert hinein die Europäer nahezu ihr gesamtes Einkommen darauf verwenden mussten. Außerdem war im vorindustriellen Europa der Hauptteil der arbeitenden

161

Beiroch, Paul: Commerce extérieur et développement économique de l´Europe au XIX siécle, Paris 1976, S. 59; O´Brien, Patrick K./Engerman, Stanley L.: Exports and the growth of the British economy from the Glorious Revolution to the Peace of Amiens, in: Solow, Barbara: Slavery and the rise of the Atlantic System, Cambridge 1991, S. 177-209, hier: S. 201 162 Richardson, David: The Slave Trade, Sugar, and British Economic Growth, 1748-1776, in: Solow, Barbara/Engerman, Stanley: British Capitalism and Caribbean Slavery. The Legacy of Eric Williams, Cambridge 1984, S. 103-133, hier: S. 124f. 163 Solow/Engerman: British Capitalism, S. 7; Inikori, Joseph: Slavery and the development of Industrial Capitalism in England, in: Solow/Engerman: British Capitalism, S. 79-102, hier: S. 86. 164 Solow/Engerman: British Capitalism, S. 10. 165 Inikori, Joseph: Africans and the Industrial Revolution in England. A study of international Trade and Economic Development, Cambridge 2002, S. 482.

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Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, jedoch sank dieser Teil mit zunehmender Industrialisierung extrem ab. Aus diesem Grund hatte ein Zuwachs des Bruttosozialprodukts, der anstelle in der Landwirtschaft in der Industrie oder in den Kolonien erwirtschaftet wurde, ein deutlich höheres Gewicht 166 . Die Kausalitäten wirken demnach nicht über den Kapitalstrom, sondern über die Erschließung von Absatzmärkten und wachsenden Absatz von Waren. Allerdings wäre die Entwicklung der amerikanischen Kolonien deutlich langsamer verlaufen, wenn sie sich nicht den Zutritt für den afrikanischen Sklavenmarkt verschafft hätten. Die Thesen drei und vier sind heute weitgehend widerlegt. Fakt ist, dass historische Umwälzungen wie der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die französische Revolution, die Sklavenrebellion auf Haiti sowie die Unabhängigkeitskriege in Spanisch-Amerika den Plantagenkomplex in diverse Turbulenzen stürzte, jedoch keineswegs in einen deflationären Schrumpfungsprozess 167 . Eher war das Gegenteil der Fall, die Plantagenökonomien auf den britischen Karibikinseln und im 1814 dazu gewonnenen Britisch-Guyana expandierten sogar. Das Verbot des Sklavenhandels in England wurde 1807 offensichtlich trotz wirtschaftlicher Nachteile für das britische Mutterland erlassen, die Durchsetzung dieses Verbotes verursachte dem britischen Parlament erhebliche militärische Kosten durch die Verfolgung illegaler Sklaventransporter durch die Royal Navy und das Verbot führte in den betroffenen Kolonien zu einem Versorgungsengpass von billigen Arbeitskräften mit entsprechenden finanziellen Einbußen 168 . Damit kommt der Abolition wieder ein deutlich höheres Gewicht zu. Allerdings bleibt zu klären, wie sich der transatlantische Sklavenhandel ökonomisch auf den europäischen Kontinent ausgewirkt hat. Aktuell wird der transatlantische Sklavenhandel als eines der komplexesten und kompliziertesten Unternehmen der vorindustriellen Welt angesehen 169 . Sklavenhandel war das Instrument, mit welchem die umfangreichste transozeanische Migration durchgeführt wurde. Benötigt wurde dazu eine Flotte mit einer Gesamtstärke von mehreren hundert Schiffen Außerdem band der Sklavenhandel einen erheblichen des in Europa zur Verfügung stehenden Risikokapitals. Dabei reichten seine Auswirkungen über die Länder der eigentlichen Seemächte hinaus tief in den europäischen Binnenraum. Auffällig dabei ist, dass der Sklavenhandel in einem für diese Zeit ungewöhnlich freien Markt durchgeführt wurde. Lediglich in seiner frühen Phase, als die Risiken sowie die Eintritts- und Transaktionskosten noch relativ hoch waren, spielte die Einflussnahme des Staates eine bedeutende Rolle. In Portugal, dessen Seefahrer als erste an den westafrikanischen Küsten im dortigen Handel 166

Solow/Engerman: British Capitalism, S. 11. Anstey, Roger: The historical debate on the abolition of the British slave trade, in: ders: Liverpool, the African Slave Trade, and Abolition, Lancashire 1976, S. 157-166, hier: S. 160. 168 Eltis, David: Economic Growth, S. 41; Drescher, Seymour: Econocide. British Slavery in the era of abolition, Pittsburg 1977, S. 142. 169 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 74. 167

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aktiv wurden, gab es zwar genügend kapitalkräftige Kaufleute, jedoch wurde der Handel zuerst vom Staat mittels Subventionen, Monopolverträgen und Steuern kontrolliert. In Spanien blieb der Handel sogar bis weit in das 18. Jahrhundert hinein, zumindest offiziell, als Staatsmonopol bestehen. Der Vertrag von Tordesillas von 1493 sorgte allerdings für ein interessantes Dilemma zwischen Portugal und Spanien: durch die von Papst Alexander VI. mitten durch den Atlantik gezogene Demarkationslinie, welche den gesamten atlantischen Raum in eine spanische (westliche) und eine portugiesische (östliche) Hälfte mit dem jeweils damit verbundenen Recht der ausschließlichen Alleinherrschaft aufteilte, ergab es sich, dass Spanien in der neuen Welt Kolonien mit entsprechendem Bedarf an Sklaven hatte, aber keine eigene Quelle um diesen Bedarf zu decken, während Portugal sich auf den westafrikanischen Sklavenmärkten etablieren konnte, ohne eigene Plantagenkolonien mit entsprechendem Bedarf zu besitzen. Gleichzeitig war der Handel auf beiden Seiten monopolisiert, so dass spanische und portugiesische Kolonien sich ausschließlich aus dem jeweiligen Mutterland versorgen durften. Spanien löste dieses Problem, indem es sog. AsientoVerträge an private Unternehmer vergab170. Der „Asiento de Negros“ brachte Spanien regelmäßige Einnahmen für die Staatskasse, stellte die Versorgung der Kolonien sicher und schützte zugleich das geschlossene Wirtschaftssystem Spaniens. Jedoch war dem Asiento langfristig wenig Erfolg beschieden, da die Inhaber solcher Verträge meistens nicht oder nur unzureichend in der Lage waren, den Vertrag zu erfüllen. Die Kolonien konnten oftmals besser und billiger von unabhängigen Reedern versorgt werden, weshalb Spanien alles daran setzte, den illegalen Handel außerhalb des Monopols zu bekämpfen171. Um eine bessere Versorgung der spanischen Kolonien zu gewährleisten, wurde von 1540-1586 und von 1640-1662 der Asiento ausgesetzt und durch frei verkäufliche Lizenzen ersetzt. Dadurch partizipierten verschiedene europäische Nationen am Sklavenhandel. Der Asientohandel gliederte sich grob in drei Perioden: von den Anfängen bis 1640 war der Asiento hauptsächlich in portugiesischer Hand, von 1640 bis 1713 hatten ihn die Niederländer und ab 1713 die Engländer172. In England, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden wurden für den Sklavenhandel sogenannte Handelskompanien gegründet. Diese Kompanien waren zwar auf privatem Kapital begründete Aktiengesellschaften, jedoch agierten sie auf der Basis staatlich gewährter Monopole. Jede dieser Handelskompanien unterhielt zudem einen oder mehrere Handelsstützpunkte an der westafrikanischen Küste, was die Kosten stark in die Höhe trieb. Die englischen, französischen und besonders die niederländischen Handelskompanien waren zugleich auch Militärmächte, welche zum Teil auch eigene Truppen für den Einsatz in Übersee unterhielten. Jedoch konnten sie alle nicht verhindern, dass viele Sklaven von frei fahrenden Schmugglern in die 170

Postma, Johannes: The Dutch in the Atlantic Slave Trade 1600-1815, Cambridge 1990, S. 29. Weindl, Andrea: Wer kleidet die Welt? Globale Märkte und merkantile Kräfte in der europäischen Politik der Frühen Neuzeit, Mainz 2007, S. 30. 172 Postma: Dutch Slave Trade, S. 31. 171

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Neue Welt gebracht wurden. Hinzu kam, dass der Asiento den Monopolgesellschaften bestimmte Bedingungen auferlegte. Dies konnte eine feste Anzahl von Sklaven sein, die jährlich zu verkaufen seien, oder eine bestimmte Region musste mit Sklaven versorgt werden. Bezahlt wurden fest vereinbarte Gebühren, die meistens unabhängig von den jeweils herrschenden Marktpreisen zu zahlen waren. Bei

innereuropäischen

Konflikten waren

zudem die

Operationen der

Handelskompanien stark eingeschränkt. Allerdings konnten sie auch von solchen Kriegen profitieren, wie die niederländische Westindien-Kompanie. Sie begann nicht mit eigenem Handel vor Afrika, sondern überfiel zunächst bevorzugt portugiesische und spanische Schiffe. Zwischen 1623 und 1637 erbeutete sie von den Spaniern 2.336 Sklaven, die in Amerika verkauft wurden 173. Die zunehmende Routine des europäischen Handels an den afrikanischen Küsten rief bald kleinere und beweglichere Akteure auf den Plan. Diese belieferten nur die Regionen in Amerika, wo auch die Marktpreise bezahlt wurden. Ein weiterer Vorteil war, dass sie keine teuren Festungen unterhalten oder permanent Abgaben an die afrikanischen Eliten zahlen mussten. Letzten Endes hatte sich das staatliche Monopolsystem als untauglich erwiesen, so dass zwischen 1690 und 1730 die meisten europäischen Monopole im Sklavenhandel fielen. Eine Ausnahme war hier lediglich die portugiesische Kompanie von Pernambuco und Paraíba, die erst 1759 auf staatliche Initiative hin gegründet wurde174. Der Sklavenhandel wurde nun von kleineren Unternehmen dominiert, die von unabhängigen Kaufleuten und Reedern entweder für zeitlich begrenzte Engagements oder gar für einzelne Fahrten gegründet wurden. Diese kleinen Gesellschaften waren zwar flexibler und damit weniger den Unwägbarkeiten der Finanzmärkte, dafür umso stärker den Auswirkungen der Mittelpassage ausgesetzt. Typischerweise hatten solche kleinen Gesellschaften zwei bis fünf Geldgeber, sogenannte Partizipanten. In der Regel waren ein oder zwei der Partizipanten aktiv in das laufende Unternehmen eingebunden, die anderen waren passive Geldgeber175. Üblicherweise wurden solche kleinen Gesellschaften für sieben Jahre gegründet, da meistens fünf bis sieben Jahre vergingen, bis sämtliche erforderlichen Transaktionen für eine Schiffsreise abgerechnet waren. Die Transaktionen beinhalteten den Einkauf der Tauschwaren, den Kauf oder die Charter des Schiffes, die Fahrt selbst, den Verkauf der Sklaven in der Neuen Welt, die Eintreibung ausstehender Zahlungen und die Auszahlung der Investoren. Um die Geschäftsrisiken zu minimieren, setzten sich die Investoren zumeist aus Familienmitgliedern, Verwandtschaft oder persönlichen Freundschaften zusammen. Idealerweise waren sie zugleich in anderen, weniger spekulativen Geschäftsfeldern aktiv, bspw. als Agrar- oder Manufakturbesitzer. Um das Risiko noch breiter zu streuen, wurden dann Anteile an externe Interessenten verkauft. In Frankreich war es im späten 18. Jahrhundert

173

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 76. Klein: Atlantic Slave Trade, S. 80. 175 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 82. 174

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üblich, dass mehrere Gesellschafter, die eigene Sklavenfahrten ausrüsteten, gleichzeitig durch den Kauf von Anteilen an mehreren solcher Fahrten beteiligt waren. Es kam sogar vor, dass die Ausrüster der Schiffe ganz oder teilweise anstatt Geld Anteile an der Fahrt als Bezahlung erhielten. Auf diese Weise wurden bis zu 60 Prozent einer Sklavenfahrt fremdfinanziert. Oftmals waren sogar die Schiffsführer und Teile der Schiffsbesatzung von den Offizieren bis zu den einfachen Mannschaften an solchen Fahrten beteiligt. Einige der größeren Gesellschaften besorgten sich einen Teil des benötigten Kapitals auch aus dem tieferen europäischen Binnenraum, indem sie Broschüren drucken ließen, in denen sie Renditen von 30 bis 50 Prozent versprachen 176 . Gestreckt auf die mehrjährige Laufzeit solcher Geldanlagen mit Einmal-Einzahlung waren solche Versprechen durchaus realistisch. Damit ließen sich sogar prominente Anleger rekrutieren. Der englische Philosoph John Locke postulierte zwar, dass kein Engländer jemals Sklave sein dürfe, welche zu besitzen fand er jedoch völlig legitim und investierte einen Teil seines Vermögens in den britischen Sklavenhandel, genau wie Voltaire in den französischen Sklavenhandel in Nantes investierte177. Der ausführende Verantwortliche eines solchen Unternehmens waren der Kapitän des Sklavenschiffs. Er kaufte und verkaufte die Sklaven, deshalb begann sein Mitspracherecht bereits bei der Zusammenstellung der Tauschwaren. Unabhängig davon, ob er eigene Anteile an dem Unternehmen hielt oder nicht, erhielt er eine Kommission in Höhe von zwei bis fünf Prozent der in der Neuen Welt erzielten Erlöse und konnte so im Falle des geschäftlichen Erfolgs bis zu 20.000 Livres an persönlichem Gewinn erzielen178. Gute Schiffsführer konnten, wenn sie zwei bis drei mal auf Sklavenfahrt gingen, zu ansehnlichem Vermögen kommen. Dies war jedoch eher die Ausnahme. Im Durchschnitt machte jeder der insgesamt 186 Kapitäne der WIC im 17. und frühen 18. Jahrhundert 1,4 Fahrten. Offiziere und Mannschaften dagegen nahmen meistens an mehreren solcher Fahrten teil, trotz der für Ladung und Besatzung erheblichen Gesundheitsrisiken, weshalb jedes Schiff auch den bereits erwähnten Arzt an Bord hatte. Mitte des 17. Jahrhunderts erhielt ein Kapitän 80 Gulden pro Monat, der Obersteuermann 50 Gulden 179. Nach den Offizieren war der Schiffszimmermann das am besten bezahlte Mannschaftsmitglied, gefolgt von dem für die Trinkwasservorräte verantwortlichen Fassbinder. Üblicherweise hatte ein Sklaventransporter mit 30 bis 40 Seeleuten etwa die doppelte Mannschaftsstärke wie andere Schiffe vergleichbarer Größe. Neben den Crewmitgliedern, die über für die Seefahrt erforderlichen Spezialkenntnisse verfügten und entsprechend bezahlt wurden wie Zimmermann, Fassbinder, Segelmacher, Schiffsarzt, Steuermann und Navigator, bestand der überwiegende Teil der Mannschaft aus ungelernten Matrosen. Sie erhielten häufig vor Antritt der Reise drei Monatsheuern im voraus, oftmals nur 176

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 82. Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 83. 178 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 83. 179 Ketting, Herman: Prins Willem. Ein Ostindienfahrer des 17. Jahrhunderts, Bielefeld 1981, S. 125. 177

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wenige Gulden, und den Rest nach Abschluss der Fahrt. Nach dem Verkauf der Sklaven waren die meisten Seeleute entbehrlich, weshalb sie zumeist in den Kolonien entlassen und mit den meistens schlechteren Währungen der Kolonien oder mit Naturalien entlohnt wurden. Die schlechte Behandlung der Seeleute und die hohe Sterberate der Sklaven war dann auch ein wirksames Argument der Abolitionsbewegung gegen den Sklavenhandel180. Obwohl die Personalkosten einen erheblichen Teil des benötigten Kapitals verschlangen, waren es doch die Kosten für den Einkauf der Tauschwaren, die mit bis zu 65 Prozent den größten Anteil der Gesamtkosten ausmachten181. Der Wert der Ladung eines nach Afrika fahrenden Schiffes war im Durchschnitt sechs mal höher als der Wert der Ladung eines direkt nach Westindien fahrenden Schiffes. Die für den Einkauf von Sklaven benötigten Tauschwaren kamen aus allen Teilen der Welt, denn kein europäischer Händler konnte es sich erlauben, ausschließlich Waren aus seinem jeweiligen Herkunftsland anzubieten. Den größten Einzelposten machten mit der Hälfte eines Gesamtsortiments europäische und indische Textilien aus: Wolltuche aus England, Leinengewebe aus verschiedenen kontinentaleuropäischen Regionen sowie indische Kattunstoffe182. Vor allem letztere kamen zusammen mit den in Afrika so begehrten Kaurimuscheln nach Europa, wo sie zuerst weiterverarbeitet und dann nach Afrika verkauft wurden. Somit ist die Konkurrenz der europäischen Handelsinteressen in Asien auch unter dem Hinblick zu sehen, dass der direkte Zugang zu asiatischen Waren die Arbeitskosten in den eigenen Plantagenkolonien senkte. Die Bedeutung der Textilien für den Sklavenhandel ist auch eine Erklärung für den wirtschaftlichen Aufstieg einiger europäischer Hafenstädte. In England waren dies Liverpool und Bristol, in Frankreich Nantes und Lorient, in Deutschland Hamburg. Vor allem Liverpool und Nantes waren bereits stark in den Asienhandel eingebunden und verfügten über entsprechende Infrastrukturen. Schiffswerften, Schmieden und Gießereien, Waffenfabriken, Wollmanufakturen, Rum- und Kornbrennereien sowie eine Vielzahl weiterer Unternehmen lieferten die benötigte Ausrüstung und die für den Tauschhandel benötigten Waren. In Bristol gab es kaum einen Händler, der nicht irgendwie am Sklavenhandel beteiligt war183. Für die Versorgung der Schiffe mit Proviant wurden gesalzener und getrockneter Fisch, Pökelfleisch, Hülsenfrüchte und andere haltbare Lebensmittel benötigt. Europäische Fischer segelten auf dem ganzen Nordatlantik bis nach Neufundland, um Kabeljau zu fangen, während Hülsenfrüchte und andere Agrarerzeugnisse aus der heimischen Landwirtschaft bezogen wurden. Damit bescherte der transatlantische Sklavenhandel den involvierten Hafenstädten und deren Umland einen messbaren wirtschaftlichen Aufschwung.

180

Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 84. Klein: Atlantic Slave Trade, S. 86. 182 Williams: Capitalism and Slavery, S. 65f. 183 Williams: Capitalism and Slavery S. 60. 181

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Eine Fahrt von Europa nach Westafrika nahm etwa drei bis vier Monate in Anspruch184. Meistens fuhren die Schiffe nicht direkt dorthin, sondern liefen zuerst andere europäische Häfen an, um weitere Waren zu laden oder um Vorräte zu ergänzen. War das Ziel erreicht, konnte der Einkauf der Sklaven, das sogenannte coasting, weitere fünf bis sechs Monate in Anspruch nehmen 185. Für die Mittelpassage wurde ein bis zwei Monate benötigt. So konnte bis zu einem Jahr vergehen, bevor das Schiff in der Karibik ankam. Hatte der Sklaventransport sein Ziel erreicht, begann umgehend der Verkauf der Sklaven, wie bereits beim Einkauf praktiziert in kleinen Partien, wobei auch hier die Kapitäne die Geschäfte führten. Die Sklaven wurden entweder direkt vom Schiff verkauft oder zu einem speziellen Sklavenmarkt an Land gebracht. Der Zeitdruck, unter dem die Verkäufer standen, war erheblich. 1676 schaffte es der Kapitän des englischen Schiffes James, 351 von seinen geladenen 373 Sklaven innerhalb von drei Tagen zu verkaufen. Die restlichen 22 Sklaven fanden aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands keinen Käufer. Gab es einen nennenswerten Anteil kranker Sklaven, konnte der Verkauf sich länger hinziehen. Doch auch dieser Umstand ließ eine eigene Marktnische entstehen: auf Saint Domingue kauften freie schwarze Frauen kranke Sklaven billig auf, um sie gesund zu pflegen und dann zum Marktpreis weiter zu verkaufen. Bezahlt wurde beim Kauf meistens nur ein Viertel der vereinbarten Summe, der Rest erst nach Ablauf von 18 bis 24 Monaten, weshalb das größte Problem der Initiatoren einer Sklavenexpedition dann auch das Eintreiben der ausstehenden Gelder war. Hinzu kam, dass Geld in den Kolonien generell knapp war und die restliche Bezahlung zumeist in Form von Gütern erfolgte, was eine stetige Quelle von Konfliktpotential für beide Seiten war. Nach dem Verkauf der Sklaven traten die meisten Schiffe ihre Heimreise ohne Fracht oder nur leicht beladen an. Aus einer Gruppe von 195 holländischen Schiffen, die im 18. Jahrhundert Amerika erreichten, fuhren 65 ausschließlich mit Ballast beladen, 52 mit wenig Fracht und nur 69 voll beladen nach Europa zurück 186. Der eigentliche Transport der Kolonialwaren erfolgte auf eigens dafür gebauten, deutlich größeren Frachtschiffen. Damit waren die Rückfrachten der Sklavenschiffe von Amerika nach Europa das am wenigsten signifikante Element des sogenannten Dreieckshandels. Eine Gesamtdauer von bis zu 18 Monaten war für eine Sklavenexpedition durchaus üblich. War ein Sklavenschiff zurück in Europa, musste die Mannschaft, bzw. der verbliebene Teil davon, in bar ausbezahlt werden. Dies erforderte eine weitere hohe Geldsumme von 100.000 bis zu 200.000 Livres 187 . Die beim Kauf für die Sklaven eingetauschten Kolonialwaren wurden umgehend weiterverkauft, was den Geldgebern zunächst etwa ein Drittel des bisher eingebrachten Kapitals brachte. Der Rest der erhofften Einnahmen wurde 184

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 89. Nicht zuletzt hing die Fahrzeit auch davon ab, welches Ziel in Westafrika angelaufen werden sollte. 185 Klein: Atlantic Slave Trade S. 91. 186 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 97. 187 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 97.

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dann aus dem Verkauf der Waren erzielt, die vertragsgemäß nachgeliefert werden sollten, was weitere drei Jahre in Anspruch nehmen konnte. Knappe Ressourcen und schlechte Zahlungsmoral der Käufer führten dann auch regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit den Sklavenhändlern. Die hohen Kosten für die Ausrüstung der Schiffe, die Mannschaften und der Einkauf der Tauschwaren, lange Fahr- und Liegezeiten sowie das aufwendige Eintreiben der Verkaufserlöse machten den gesamten atlantischen Sklavenhandel zur kapitalintensivsten Branche der frühmodernen Wirtschaft. Wenn bis zu sechs Jahre vergingen, bis eine Sklavenfahrt geschäftlich abgeschlossen war, wurden nur in den letzten 12 bis 24 Monaten Gewinn erwirtschaftet. Langfristig wirtschaftlich erfolgreich konnten dabei nur Unternehmen mit einer hohen Kapitalreserve und nicht auf dem riskanten Seehandel ruhenden Sicherheiten arbeiten. Die im transatlantischen Sklavenhandel ermittelten Reingewinne einzelner Expeditionen können für eine Aussage über dessen Rendite lediglich als Durchschnittswerte betrachtet werden, da eine erhebliche Streuung üblich war. In heutiger Zeit wird die durchschnittliche jährliche Rendite des investierten Kapitals bei etwa zehn Prozent angesetzt 188 . Das lag über dem Schnitt anderer Anlagemöglichkeiten und der enorme Kapitalbedarf lockte Investoren aus ganz Europa an. Jede Sklavenexpedition konnte Gewinne abwerfen, die weit über dem Durchschnitt lagen, aber ebenso gut in einem finanziellen Fiasko enden, wie das Beispiel des aus Nantes kommenden Schiffes Intrépide zeigt 189 . Bereits auf dem Weg nach Afrika wurde die Ladung durch Sturm und Wassereinbruch im Schiff stark beschädigt. Dort zog sich der Einkauf der 240 Sklaven über ein Jahr hin und nur ein Fünftel davon überlebten die Mittelpassage. Als das Schiff im Sommer 1791 St. Domingue erreichte, zwang ein gerade ausgebrochener Sklavenaufstand den Kapitän zur Suche nach einem anderen Absatzmarkt. Der Schweizer Teilhaber Burckhardt machte dabei einen Verlust von 125.000 Livres. Ein Beispiel für einen weit über dem Durchschnitt liegenden Profit ist die Fahrt des 1783 aus Nantes kommenden 150 Tonnen großen Schiffes Jeune Aimée. Die gesamten Kosten der Expedition betrugen 156.000 Livres. Der Kapitän kaufte in Angola 246 Sklaven ein und verkaufte alle(!) in St. Domingue zu einem Erlös von 366.000 Livres. Der Reingewinn belief sich auf 210.000 Livres, also auf über 135 Prozent

190

. Solch große Profite konnten jedoch nur von

einzelnen, unabhängig agierenden Investoren erzielt werden. Die Gewinnspannen der privilegierten Handelskompanien des 17. Jahrhunderts hingegen waren deutlich niedriger, da sie eine starke Personaldecke sowohl zu Hause als auch in ihren Handelsstützpunkten unterhielten und eben jenes Personal dazu neigte, in die eigene Tasche zu wirtschaften. In einem gewissen Rahmen geschah dies sogar mit der Erlaubnis ihrer Direktoren. Andererseits konnten privilegierte Handelskompanien 188

Klein: Atlantic Slave Trade, S. 98 David, Thomas/Etemad, Bouda/Schaufelbühl, Janick Marina: Schwarze Geschäfte. Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert, Zürich 2005, S. 49f. 190 Thomas: The Slave Trade, S. 441. 189

51

einen eventuellen Schiffsverlust leichter verkraften, da sie nicht einzelne Schiffe, sondern große Flotten unterhielten. So machte die englische Royal African Company zwischen 1680 und 1687 bei 95 Fahrten an die Elfenbeinküste – zwischen Sierra Leone und dem Cap Tres Puntas – einen durchschnittlichen Gewinn von 35 Prozent pro Fahrt. Der höchste Einzelgewinn lag bei 141 Prozent, lediglich drei Schiffe gingen verloren. Im frühen 18.Jahrhundert warb die South Sea Company mit einem durchschnittlichen Gewinn von 30 Prozent aus dem Handel Englands mit Buenos Aires; und keiner der Direktoren reklamierte die Transportkosten als zu hoch191. Die Finanzierung des transatlantischen Sklavenhandels und der Plantagenökonomien erforderte ein System von bisher nicht gekannter Komplexität, welches sich über mehrere Kontinente erstreckte. Dies bewirkte bei den europäischen Banken und Assekuranzen einen bedeutenden Wachstums- und Modernisierungsschub. In allen beteiligten Ländern waren die Sklavenhändler, Plantagenbetreiber und Finanziers eng miteinander verknüpft. Überhaupt machte diese Verknüpfung die Entstehung von Banken im modernen Sinne erst möglich. Bis in das späte 18. Jahrhundert boten in der Regel kapitalkräftige Kaufleute Finanzdienstleistungen wie Kredite oder internationale Geldtransfers an, und eben diese Kaufleute waren meistens zugleich im Sklavenhandel aktiv 192 . Um die mit dem Sklavenhandel untrennbar verbundenen Risiken abzufedern, wurden die Schiffe versichert, was auch dem Versicherungsgeschäft zu einem erheblichen Aufschwung verhalf. Dabei deckten die Versicherungspolicen sowohl Risiken in Bezug auf Schiff und Fracht als auch die Kosten für die einzukaufenden Sklaven und die Rückfrachten ab. Angesichts der auf dem Spiel stehenden Summen zögerten die Versicherungsgeber nicht, entsprechende Rückversicherungen abzuschließen. Gedeckt waren die Risiken von „Seegefahren, Feuer, Plünderung, Revolten und Folgen von Revolten“. Die Versicherung der Sklaven erfolgte ohne Unterscheidung nach Alter, Geschlecht oder Kaufpreis. Verletzungen oder Gebrechen wurden bereits als vollständiger Verlust betrachtet und genau wie Todesfälle abgerechnet 193 . bekanntesten

Unternehmen,

welches

seinen

rasanten

Aufstieg

dem

Eines der

Geschäft

mit

Schiffsversicherungen verdankte und heute einer der wichtigsten Versicherungsmärkte weltweit ist, hatte ursprünglich gar nicht als Versicherungsmarkt oder Versicherungsgesellschaft angefangen, sondern als Kaffeeausschank: Lloyd´s of London. Der Gründer, Edward Lloyd, hatte 1688 in der Londoner Tower Street ein Kaffeehaus eröffnet, welches er erfolgreich betrieb, so dass er bereits 1691 ein eigenes Haus in der Lombard Street beziehen konnte194. Durch die räumliche Nähe zu den Schiffsliegeplätzen am nahe gelegenen Themseufer wurde Lloyd´s Coffeehouse schnell zu einem 191

Thomas: The Slave Trade, S. 442. Meisner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 89. 193 David/Etemad/Schaufelbühl: Schwarze Geschäfte, S. 45. 194 Lehmann-Brune, Marlies: Die Story von Lloyd´s of London. Glanz und Tragödien des legendären Versicherungshauses, Düsseldorf 1999, S. 17. 192

52

beliebten Treffpunkt von Seeleuten aller Art und Angehörigen anderer Berufsgruppen, die mit Seefahrt und Seehandel zu tun hatten. Da es gegen Ende des 17. Jahrhunderts bereits über 1.000 Kaffeehäuser in London gab, war der Konkurrenzdruck entsprechend groß. Kam ein Versicherungsvertrag zustande, wurde dieser vom „Broker“, dem Versicherungsmakler, und dem „Underwriter“, dem Versicherer, unterzeichnet. Der Underwriter ging das mit diesem Vertrag verbundene finanzielle Risiko dem Versicherungsnehmer gegenüber ein, während der Broker die Bedingungen zwischen beiden Parteien vereinbarte. Dabei war es durchaus üblich, dass mehrere Underwriter einen Versicherungsvertrag unterschrieben und so das Risiko wie auch den Gewinn untereinander aufteilten195. Zu dieser Zeit unterlag das Versicherungsgeschäft keinerlei Kontrolle. Jeder, der bereit war, ein Risiko einzugehen, konnte eine Versicherungspolice unterschreiben, was schnelle Gewinne bringen, aber auch ähnlich ruinös sein konnte wie der Sklavenhandel selbst. Dies wurde besonders deutlich, als 1693 im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekrieges ein Handelskonvoi von 400 englischen und niederländischen Schiffen in der Bucht von Lagos durch eine französische Flotte angegriffen wurde. Die Franzosen kaperten oder zerstörten über 100 Schiffe des Konvois, was die Versicherer in London in eine schwere Krise stürzte196. Daraufhin wurden erste Versuche unternommen, die privaten Versicherer durch die Schaffung von Versicherungsgesellschaften vom Markt zu verdrängen. Doch erst das Platzen der „South Sea Bubble“ im Jahr 1720 führte durch den Erlass des „Bubble Act“ zur Gründung der „Royal Exchange Assurance“ und der „London Assurance Corporation“ 197 . Zwar verbot der Bubble Act allen anderen Gesellschaften das Versicherungsgeschäft, die privaten Underwriter waren jedoch von diesem Verbot ausgenommen, so dass Lloyd´s weiterhin im Geschäft blieb. Der Einfluss des transatlantischen Sklavenhandels auf die europäische Wirtschaft reichte weit über die bereits erwähnten Sklavenhandelshäfen hinaus. Die von den Sklaven erzeugten Kolonialwaren wurden entweder dort weiterverarbeitet und vermarktet oder zu anderen Standorten, wie Manchester, Bordeaux oder Hamburg weitergeleitet. Diese Städte entwickelten ihr eigenes Profil, indem sie sich entweder zu zentralen Umschlagplätzen oder zu bedeutenden Verarbeitungszentren für die importierten Waren entwickelten. Bordeaux wurde im 18. Jahrhundert zum wichtigsten Umschlagplatz für die auf den französischen Antillen produzierten Waren. Die bereits durch durch den traditionellen Weinexport etablierten Handelsverbindungen in den nördlichen Teil Europas nutzten die Kaufleute erfolgreich für den Re-Export von Rohzucker, Kaffee, Tabak und anderen Plantagenprodukten. Das Handelsvolumen stieg von 13 Mio. Livres in 1717 auf

195

Lehmann-Brune: Lloyd´s of London, S. 43. Lehmann-Brune: Lloyd´s of London, S. 44. 197 Lehmann-Brune: Lloyd´s of London, S. 46. 196

53

über 250 Mio. Livres in 1780198. Im norddeutschen Raum entwickelte sich Hamburg zu einem der größten Abnehmer und Drehscheibe von französischen Kolonialwaren und deren weiterer Vermarktung, was vor allem auf die niedrigen Lohnkosten und die gute Versorgung mit englischer Kohle, die in den Zuckerraffinerien benötigt wurde, zurückzuführen ist 199. 1727 gab es in Hamburg bereits 200 Raffinerien und 1800 über 400, in denen etwa 10.000 Menschen Arbeit hatten. In den Tabakspinnereien arbeiteten zur gleichen Zeit etwa 1.000 Menschen. Die Baumwollbetriebe und die unmittelbar an den Hafen gebundenen Arbeiten und Gewerbe mitgerechnet lebten etwa 40.000 bis 45.000 Menschen direkt vom an die koloniale Plantagenwirtschaft gekoppelten Seehandel, was etwa der Hälfte der Hamburger Bevölkerung der damaligen Zeit entsprach 200. Auch das Hinterland bzw. die Peripherien der europäischen Häfen waren mit der Wirtschaft von Sklavenhandel und Sklaverei eng verflechtet. Vor allem europäische Textilproduzenten profitierten ab dem beginnenden 17. Jahrhundert in zunehmenden Maße von steigenden Exporten. Zwischen Spanien

und

Osteuropa herrschte

ein

in

östlicher

Richtung verlaufendes

Lohnkostengefälle201. Je weiter die Produktionsstätten im Osten lagen, desto günstiger ließen sich die für den Export benötigten Waren einkaufen. In Schlesien lagen die Produktionskosten in ländlichen Gebieten deutlich niedriger als in den Städten, da aufgrund des anhaltenden Preisverfalls die Agrarproduktion deutlich zurückgegangen war und die frei gewordenen Arbeitskapazitäten durch weitere Produktionsfaktoren zum Erwerb des Lebensunterhalts herangezogen werden mussten202. Die Produktion der Textilien erfolgte in einer Art proto-industrieller Familienbetriebe, welche die Produktionskosten deshalb so niedrig halten konnten, da die ganze Familie in den Produktionsprozess eingebunden war203. Ein weiterer Faktor für die Ausweitung der gewerblichen Produktion in den ländlichen Raum war die geringe, oft durch die Zünfte bewusst niedrig gehaltene Angebotselastizität der städtischen Wirtschaft, welche mit der schnell expandierenden Nachfrage nach gewerblichen Gütern auf den internationalen Märkten nicht mehr Schritt halten konnte. Der dreißigjährige Krieg tat ein übriges dazu, die Gewerbeproduktion in den betroffenen Ländern drastisch zu senken. Ab 1650 verlegten sich die schlesischen Textilhersteller gezielt auf die Nachahmung französischer Erzeugnisse, um sich auf den internationalen Märkten besser behaupten zu können204. Dieses Vorgehen wurde durch die Aufhebung des Ediktes von Nantes ab 1685 noch verstärkt, da zunehmend hugenottische Fachleute aus Frankreich nach Osten wanderten und so zur Krise der französischen Leinenwebereien beitrugen. Hamburg wurde dabei zum wichtigsten 198

Weber, Klaus: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830, München 2004, S. 157. Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, S. 225, 227f. 200 Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, S. 228. 201 Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, S. 49f. 202 Kriedte, Peter: Spätfeudalismus und Handelskapital, Göttingen 1980, S. 94. 203 Kriedte: Spätfeudalismus und Handelskapital, S. 95. Die Arbeit der Familienmitglieder blieb dabei völlig unbezahlt. 204 Zimmermann, Alfred: Blüthe und Verfall des Leinengewerbes in Schlesien, Breslau 1886, S. 20. 199

54

Ausfuhrhafen für schlesisches Leinen, da es seit der Eröffnung des zwischen Oder und Spree gebauten und 1668 eröffneten Müllrose-Kanals über einen direkten Binnenwasserweg mit Schlesien verbunden war205. Dies hatte zur Folge, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts über drei Viertel der schlesischen Leinenproduktion an die Märkte der großen Seemächte England, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Portugal und teilweise direkt in die Karibik exportiert wurden. Zum Vergleich: der Exportanteil am Produktionswert der englischen Wollindustrie stieg zwischen 1695 und 1799 von 40 Prozent auf über 67 Prozent, 1770 wurden etwa 60 Prozent der irischen Leinenproduktion im Ausland abgesetzt und Böhmen exportierte 1796 etwa 51 Prozent seines Leinen

206

. Bereits um 1710 hatten deutsches bzw. schlesisches Leinen die indischen

Baumwollstoffe erfolgreich als wichtigste Textilsorte im transatlantischen Sklavenhandel den Rang abgelaufen207. Wie beliebt schlesisches Leinen war, ist in zeitgenössischen Quellen dargestellt. So berichtet der Hamburger Kaufmann und Gelehrte Johann Georg Büsch in einer Abhandlung über die Wirtschaft seiner Heimatstadt über die Beliebtheit des nachgemachten französischen Leinen aus Schlesien und über die Reise des Franzosen Desmarchais, der 1720 eine Fahrt nach Guinea unternahm und in seiner Ladung ausschließlich Leinen aus Hamburg mitgeführt hatte208. 1743 hatte die von Bordeaux nach Westafrika fahrende L´Amiral 5295 Ballen Baumwollstoff und Leinen geladen, wovon 2720 Ballen aus Hamburg stammten und die restlichen in Amsterdam, Nantes und Rouen eingekauft wurden209. Der Rest der Ladung bestand aus Gewehren, Munition, Kupfer- und Eisenbarren sowie Alkohol. Neben Schlesien lieferten auch Hessen, Schwaben, Böhmen, Westfalen und das Bergische Land Textilien in nennenswerten Mengen für den Export. Leinenstoffe aus dem Osnabrücker Raum wurden seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert unter der Bezeichnung „true born Osnabrughs“ oder „Ozenbridges“, gehanfte Leinenstoffe aus der benachbarten Grafschaft Tecklenburg als „Tecklenburg linen“ gehandelt. Sie fanden nicht nur in Afrika Absatz, sondern auch in den Plantagenkolonien. In einem aus dem Jahr 1744 stammenden britischen Bericht zum englischen Leinenhandel ist vermerkt, dass sowohl Sklaven als auch arme Weiße im allgemeinen deutsches Leinen tragen, zu sechs bis neun Pence pro Elle210. Allein London importierte von 1698 bis 1750 für durchschnittlich über eine halbe Mio. Pfund pro Jahr deutsches Leinen, wovon über 90 Prozent

205

Siehe Kapitel 10.2. Kriedte, Peter/Medick, Hans/Schlumbohm, Jürgen: Industrialisierung vor der Industrialisierung. Gewerbliche Warenproduktion auf dem Land in der Formationsperiode des Kapitalismus, Göttingen 1977, S. 87. Die hohen Exportraten sind charakteristisch für Länder mit proto-industrialisierten Regionen. 207 Klein: Atlantic Slave Trade, S. 114. 208 Büsch, Johann Georg: Versuch einer Geschichte der Hamburgischen Handlung, nebst zwei kleineren Schriften eines verwandten Inhalts, Hamburg 1797, S. 88f. 209 Saugera, Éric: Bordeaux port negrier XVII-XVIII siécles, Biarritz/Paris 1995, S. 246f. 210 Newman, Elisabeth Karin: Anglo-Hamburg Trade in the late Seventeenth and early Eighteenth Centuries, London 1979, S. 198. 206

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weiter nach Afrika und die Plantagenkolonien exportiert wurden 211 . Auch aus Holland wurden Leinenstoffe nach London importiert, deren durchschnittlicher Wert lag jedoch nur bei 150.000 bis 250.000 Pfund pro Jahr. Begründet werden kann dieser Unterschied damit, dass deutsches Leinen im Vergleich zur holländischen Konkurrenz ein besseres Kosten-Gewinn-Verhältnis aufwies212. Die exportorientierte Produktion von Gütern war für die Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung der deutschen Länder von großer Bedeutung. Vor allem in den landwirtschaftlich weniger ertragreichen Mittelgebirgsregionen wurde wirtschaftliches Wachstum durch Leinenweberei und andere exportorientierte Nebengewerbe ermöglicht

213

. Auch wurde dadurch das bisherige

Zunftsystem erfolgreich aufgebrochen, um so den Weg sowohl für technische als auch für marktwirtschaftliche Innovationen zu ebnen214. Der transatlantische Sklavenhandel trug dazu bei, dass in den mitteleuropäischen Regionen mit den Erlösen aus der Produktion von Tauschwaren neue bzw. zusätzliche Grundnahrungsmittel und Genussmittel eingeführt und konsumiert werden konnten. Damit waren diese Regionen für die Plantagenökonomien nicht nur als Lieferanten der Tauschwaren wichtig, sondern auch als Absatzmärkte für ihre Kolonialwaren. Die durch die Gewerbeproduktion gesteigerte Kaufkraft erlaubte den bis dato armen Bevölkerungsschichten bereits früh den Massenkonsum der importierten Genussmittel wie Kaffee, Kakao, Zucker und Tabak 215 .

Die engen Verflechtungen

zwischen den tief im mitteleuropäischen Hinterland gelegenen Produktionsstandorten und der weit nach

Westen reichenden

Vermarktung

war

ein

besonderes

Merkmal

der

deutschen

Ausfuhrgewerbe 216 . Da die merkantilistische Gesetzgebung der kolonialen Seemächte sie im atlantischen Raum benachteiligte, waren sie umso mehr auf die Konkurrenzfähigkeit ihrer Manufakturen angewiesen. Dabei setzten die Unternehmer aus den deutschen Territorien verstärkt auf die niedrigen Produktionskosten in ihren Herkunftsregionen und eine starke Präsenz möglichst nahe an diesen Märkten. Deutsche Unternehmer haben sich jedoch nicht nur indirekt in den Sklavenhandel involviert wie etwa als Produzenten oder Verleger, sondern beteiligten sich auch direkt, etwa als Sklavenhändler, Plantagenbesitzer oder als Finanziers. Dies taten sie jedoch nicht von ihrer jeweiligen Heimat aus, sondern ließen sich in den bereits erwähnten europäischen Hafenstädten nieder, um diese als Operationsbasis zu nutzen. Dies hatte den Vorteil, dass sie gleichzeitig die für den Sklavenhandel notwendigen Infrastrukturen nutzen konnten und gleichzeitig Zugang zu den billigen Produktionsstandorten hatten. Allerdings tätigten sie ihre Geschäfte unter 211

Newman: Anglo-Hamburg Trade, Tabellen auf S. 202 und S. 343. Newman: Anglo-Hamburg Trade, S. 199-202. 213 Kriedte/Medick/Schlumbohm: Indistrialisierung, S. 40. 214 Engelbrecht, Jörg: Das Herzogtum Berg im Zeitalter der Französischen Revolution, Paderborn 1996, S. 100. 215 Schulte-Beerbühl, Margit: Die Konsummöglichkeiten und Konsumbedürfnisse der englischen Unterschichten im 18. Jahrhundert, in: VSWG 82 (1995), S. 1-28, hier: S. 6. 216 Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, S. 277. 212

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der Flagge ihrer jeweiligen Firmenstandorte. Noch niedrigere Löhne als in Schlesien gab es nur noch in Indien. Die Tatsache, dass europäische Textilien überhaupt mit gleichwertigen indischen Produkten erfolgreich konkurrieren konnten, ist lediglich mit den hohen Kosten für den Transport von Indien zu erklären. Die Beispiele der schlesischen und schweizerischen Textilproduktion demonstrieren sehr anschaulich die frühe Vernetzung der Wirtschaftsräume der europäischen Binnenländer mit Asien. Dabei konkurrierten indische und europäische Produzenten nicht nur auf den afrikanischen Märkten miteinander, sondern waren auch bei der Beschaffung von Roh- und Halbfertigwaren aufeinander angewiesen. Indische Textilproduzenten belieferten seit jeher den ostasiatischen Raum,

durch die von den Europäern dominierten Städte Goa, Madras und

Pondicherry richtete sich die Produktion in zunehmenden Maße auf die europäischen Märkte aus. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren am Golf von Bengalen Europäer die wichtigsten Handelspartner, zwischen 1700 und 1725 ging über ein Fünftel der gesamten südindischen Textilproduktion an englische und niederländische Abnehmer 217 . Auch hier wurde von den Europäern versucht, die traditionellen Vertriebsnetze zu umgehen, um direkt bei den Produzenten einkaufen zu können, mit mäßigem Erfolg. Bisweilen verlagerten sie die Produktion direkt in ihre mit den Häfen verbundenen Enklaven. Auf diese Weise konnten Städte wie Madras und Pondicherry zu bevölkerungsreichen Zentren mit einer hohen Verdichtung der Textilgewerbe aufsteigen. Der hohe Edelmetallbedarf der asiatischen Wirtschaften wurde überwiegend durch den Handel mit den Europäern befriedigt, was auch dazu führte, dass die Monetarisierung in Indien vorangetrieben wurde.

1.3. Handelskompanien und das merkantilistische Wirtschaftsgefüge in Europa

Das 17. Jahrhundert gilt im allgemeinen als das Jahrhundert in der europäischen Geschichte, welches vom Merkantilismus geprägt wurde. Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich jedoch kein geschlossenes theoretisches Wirtschaftsmodell sondern eher eine Denkweise, die eine Ansammlung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf ein praktisches Ziel hin bündelte und von zahlreichen zeitgenössischen Theoretikern, vor allem aber von der Mehrheit der europäischen Herrscher vertreten wurde. Diese Denkweise beruhte auf einem dualen Ausgangspunkt. Zum einen folgte man, mit dem Blick auf das Innere des Staates, der Grundannahme einer unterbeschäftigten Wirtschaft, welche den zusätzlichen Einsatz von Produktionsmitteln, Arbeitskraft und Kapital ohne Einfluss auf die Preisentwicklung ermöglichte. Andererseits herrschte, mit Blick

auf die

globalen

Zusammenhänge, die Vorstellung, dass die Weltwirtschaft letztlich ein Nullsummenspiel war 218. 217 218

Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 97. Nagel, Jürgen G.: Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien, Darmstadt 2007, S. 37f.

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Aus dieser Perspektive standen Geldmittel und natürliche Ressourcen nicht unendlich zur Verfügung, wobei der Geldwert in vollständiger Abhängigkeit vom Edelmetallgehalt der Münzen definiert war219. Geldvermehrung und eine steigende Umlaufgeschwindigkeit bedingten daher eine positive Entwicklung des Wohlstandes im eigenen Land. Diese musste jedoch in der globalen Bilanz auf Kosten anderer Länder gehen. Eine nationale Regierung musste also darauf bedacht sein, die eigene Handelsbilanz so positiv wie möglich zu gestalten. Daraus entwickelte sich ein allgemein akzeptiertes Instrumentarium merkantilistischer Wirtschaftspolitik, welche zum Ziel hatte, bei Rohstoffen Importe zu stärken und Exporte zu minimieren, bei Fertigprodukten hingegen genau das entgegengesetzte Ziel zu verfolgen und die Abwicklung von Dienstleistungen möglichst innerhalb der eigenen Grenzen zu halten. Um das zu erreichen, bediente man sich einer Vielzahl von Handelshemmnissen in Form von Zöllen und Abgaben sowie Verboten und Reglementierungen. Hierbei war der Abfluss von Rohstoffen noch nicht unbedingt ein negatives Zeichen, falls deren Wert auf andere Art und Weise wieder zurück floss. Der Merkantilismus dachte dezidiert in globalen Zusammenhängen, ein multilateraler Handel wurde als eine entscheidende Voraussetzung für ein erfolgreiches merkantilistisches Regierungsprogramm angesehen. Und weil eine möglichst positive Handelsbilanz das höchste merkantilistische Ziel eines Staates war, bedeutete diese Denkweise auch die Legitimierung von Handelskriegen und die Schaffung von Instrumenten, welche in der Lage waren, Handel und Kriegführung gewinnbringend zu vereinigen220. Die Ausrichtung des merkantilistischen Denkens in Europa war nicht einheitlich, sondern abhängig von der Ausrichtung der jeweiligen Volkswirtschaft. Während sich die meisten deutschen Staaten auf die Förderung von Gewerbe und Landwirtschaft verlegten und, vor allem aufgrund der Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, eine intensive Peuplierungspolitik betrieben, konzentrierten sich zahlreiche Staaten in West- und Südeuropa auf den Handel, wobei jedoch nicht überall dem merkantilistischen Protektionismus der gleiche Stellenwert

eingeräumt wurde.

Großbritannien war von dieser Denkweise vor dem Hintergrund der eigenen Produktion besonders geprägt. Die Niederlande, die ihre wirtschaftliche Potenz vorrangig aus dem Re-Export bezogen, während Landwirtschaft und Gewerbe vergleichsweise wenige Exportgüter anzubieten hatten, waren dagegen weniger auf eine solche wirtschaftspolitische Ausrichtung angewiesen. Vielmehr war es der Freihandel, der im genuinen Interesse der herrschenden Elite lag. Der protestantische Rechtsgelehrte und Politiker Hugo Grotius setzte in seinem programmatischen Werk Mare Liberum im Jahr 1609 dieser Forderung ein viel beachtetes literarisches Denkmal 221. Grotius argumentierte, dass jedes Volk das Recht hat, ein anderes aufzusuchen und mit ihm Geschäfte zu machen. Eine 219

Wallerstein, Immanuel: Das Moderne Weltsystem, Band 2: Der Merkantilismus, Wien 1998, S. 15ff. Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 38. 221 Kempe, Michael: Fluch der Weltmeere. Piraterie- Völkerrecht und internationale Beziehungen, 1500-1900, Frankfurt am Main 2010, S. 75ff. 220

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Zuwiderhandlung dieses Rechts sei eine eklatante Verletzung der Natur. Diese quasi-offizielle Position der Niederlande erregte als „Grundgesetz“ ihrer Handelskompanien großes Aufsehen. Die Gegenposition wurde von Großbritannien durch John Selden vertreten, der wie Grotius Rechtsgelehrter war und in seinem von ihm im Jahr 1618 verfassten Schrift Mare Clausum die Rechtmäßigkeit weiträumiger Hoheitsgewässer rund um die Britischen Inseln vertrat. Bei aller Rivalität unterschieden sich Großbritannien und die Niederlande jedoch kaum in ihrer Ausgangslage. Beiden gemein war, dass sie auf der freihändlerischen Grundlage Front gegen die Weltordnung des Vertrags von Tordesillas machten, der 1494 die Welt in eine spanische und eine portugiesische Hemisphäre eingeteilt hatte222. Allerdings waren die Handelskompanien nur bedingt Vorkämpfer für den Freihandel. Vielmehr trachteten sie danach, die freihändlerischen Grundsätze mit ihren Forderungen nach umfangreichen Privilegien unter einen Hut zu bringen. Ein wesentliches Charaktermerkmal der Kompanien war die Tatsache, dass sie vom jeweiligen Herrscher mittels einer gesetzgeberischen Akte ins Leben gerufen und mit Privilegien ausgestattet wurden. Diese Akte wurde im angelsächsischen Sprachgebrauch Charter bzw. niederländischen Sprachgebrauch Oktroi genannt. Bei den Privilegien handelte es sich aus rechtshistorischer Sicht um gesetzesgleiche Rechtstitel, die ausschließlich vom Gesetzgeber in Form einer Urkunde entweder an Einzelpersonen oder an Gruppen von Berechtigten vergeben wurden. Dazu gewährte das Privileg Schutz gegen jede Art von Zuwiderhandlung, indem diese von staatlicher Seite mit Strafandrohung belegt wurde. Damit war das Privileg ein Gnadenakt des Gesetzgebers und später auch die Erfüllung seiner Pflicht, dem Interesse des Staates und seiner Bürger zur Durchsetzung zu verhelfen. Zugleich waren die Handelskompanien die ersten modernen Aktiengesellschaften, da ihr Kapitalstock auf frei handelbaren Anteilscheinen beruhte. Die Rechtsformen der englischen East India Company (EIC) und der niederländischen Vereenigten Oostindischen Compagnie (VOC) fanden nach ihrer Gründung Nachahmer in ganz Europa. Vor allem die Organisation der VOC diente bei allen nachfolgenden Gründungen derartiger Einrichtungen als Vorbild. Die Handelskompanien entstanden dabei nicht aus einem rechtlichen Vakuum, sondern entwickelten sich allmählich aus bereits existierenden Vorläufern. Im Ostseeraum wurde der Seehandel seit dem Mittelalter durch die Hanse betrieben. Ab dem 16. Jahrhundert verlor die Hanse jedoch stark an Bedeutung und ab 1570 wurde der Ostseehandel zu über 70 Prozent von niederländischen Kaufleuten beherrscht 223. Das von den niederländischen Kaufleuten im Ostseehandel angehäufte Kapital wurde von ihnen dazu verwendet, auch den Überseehandel zu erschließen. Betrieben wurde dieser Handel von

222 223

Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 39. Bayer, Walter/Habersack, Mathias (Hg.): Aktienrecht im Wandel, Band 1: Entwicklung des Aktienrechts, Tübingen 2007, S. 14ff.

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Gesellschaften, die auf eine befristete Zeit gegründet wurden und bereits die Bezeichnung „Compagnie“ in ihrem Namen trugen. Mit der Intensivierung des Handels machten sich die Kompanien jedoch zunehmend Konkurrenz, weshalb es auf Betreiben der Generalstaaten und der im Asienhandel engagierten Kompanien im Jahr 1602 zum Zusammenschluss der Gesellschaften in der VOC kam. In England hatte bereits zwei Jahre zuvor Königin Elisabeth mit einer Charter vom 31. Dezember 1600 die EIC ins Leben gerufen. Die Charter war zunächst auf fünfzehn Jahre begrenzt, das Oktroi der VOC hatte anfangs 21 Jahre Gültigkeit. Diese beiden Rechtsakte fanden bereits kurz darauf zahlreiche Nachahmer in Europa, nicht nur für den Ostasienhandel. Bereits 1616 erfolgte in Dänemark die Gründung einer ostindischen Kompanie, 1717 in Ostende in den spanischen Niederlanden und 1731 in Schweden. In Frankreich wurde 1664 die „Compagnie des Indes“ auf Betreiben Colberts und auf staatliche Initiative hin gegründet. Die französische Ostindien-Kompanie war dabei ein Sonderfall, bei dem alle Befugnisse beim König lagen, der die Gesellschaft kontrollierte, ihre Verwaltung bestimmte und sämtliche Gremien einberief. Im Gegenzug trug die französische Krone auch das wirtschaftliche Risiko. In gewisser Weise stellte die französische Ostindien-Kompanie das merkantilistische Gegenstück zu den freihändlerisch legitimierten VOC und EIC dar, falls man im merkantilistischen Instrumentarium die aktive Rolle des Staates betont224. Die englische Charter garantierte der EIC das alleinige Recht, in Ostindien Handel zu treiben und schrieb die Verpflichtung der englischen Krone fest, für deren Laufzeit keiner anderen Rechts- oder Privatperson die Erlaubnis zum Asienhandel einzuräumen. Allerdings war es der EIC ausdrücklich erlaubt, eigene Lizenzen zu vergeben. Bei Verstoß gegen das Privileg drohte eine Gefängnisstrafe, die jedoch gegen Zahlung von 1.000 £ abgelöst werden konnte. Wurde eine illegale Fahrt aufgedeckt, fiel deren Erlös jeweils zur Hälfte an die Krone und an die Kompanie. Dazu enthielt die Gründungscharter auch Regelungen für die Zoll- und Abgabefreiheit der ersten vier Reisen sowie für die Ausfuhr von Silber 225. Sehr ähnlich war das Oktroi der VOC gestaltet. Auch sie erhielt das alleinige Privileg zum Ostasienhandel, wobei eine besondere Betonung auf den asiatischen Gewürzen lag. Allerdings musste die VOC ihr Privileg bezahlen. Im Gründungsjahr 1602 kostete sie das Privileg 25.000 Gulden, bei der Erneuerung des Oktrois im Jahr 1647 bereits 1,5 Mio. Gulden, 1696 und 1700 musste sie 3 Mio. Gulden an die Generalstaaten abführen und 1743 lag die Abgabe schließlich bei drei Prozent ihrer jährlichen Dividende226. Im Gegensatz zur EIC, deren Privileg Schiffe auszurüsten bei Bedarf im Kriegsfall aufgehoben werden konnte, erhielt die VOC dezidiert Souveränitätsrechte, indem sie dazu ermächtigt war, Gouverneure zu benennen,

224

Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 39f. Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 40. 226 Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 41. 225

60

Festungen zu bauen, Armeen und Flotten aufzubauen sowie völkerrechtlich bindende Verträge einzugehen. Dass die VOC dies im Namen der Vereinigten Niederlande tat, war eine bloße Formalie, in Asien agierte sie auf dieser Grundlage wie ein souveräner Staat. Grundsätzlich erhielten die Kompanien ihre Privilegien nur auf bestimmte Zeit, was eine turnusmäßige Erneuerung der Charter und Oktrois notwendig machte. König Jakob verlieh der EIC 1609 ihre Privilegien auf Dauer, mit drei Jahren Kündigungsfrist. In der neuen Charter von 1657 und bei ihrer Reorganisation im Jahr 1709 wurden sämtliche Privilegien bestätigt. Nicht anders verhielt es sich bei den Erneuerungen der Oktrois der VOC, allerdings trieb ihr finanzieller Erfolg die Kosten für die neuen Oktrois gewaltig in die Höhe. Die Erteilung weitreichender, jedoch geographisch klar begrenzter Privilegien an potente Interessengruppen wurde zur gängigen Praxis merkantilistisch orientierter Herrscher, um dem wirtschaftlichen Gesamtwohl des Staates zuträgliche Handelsgesellschaften ins Leben zu rufen. Obwohl privatwirtschaftlich organisiert, blieb das staatliche Interesse stets erkennbar. In England bestimmte die Regierung die Führung der EIC, in den Niederlanden entstand die VOC aufgrund des Konkurrenzkampfs ihrer Vorkompanien auf erheblichen Druck der Generalstaaten und in Frankreich war die Kompanie persönliches Eigentum des Königs227. Neben dem wirtschaftlichen Kernanliegen hatte das Konzept der staatlich privilegierten Handelskompanie noch einen anderen Vorteil für die europäischen Herrscher. Indem mit den Fernkaufleuten die kapitalkräftigste Gruppierung mit weitgehenden Privilegien ausgestattet wurde, die es ihnen erlaubte, eine eigene Militärmacht bestehend aus Flotten, Festungen und Soldaten aufzubauen, konnte ein beträchtlicher Teil der staatlichen Ausgaben für Militär und Kriegsführung privatisiert werden. Dieser Umstand war für die im transatlantischen Sklavenhandel engagierten Handelskompanien von noch größerer Bedeutung als für die Ostindien-Kompanien. Ein gewichtiges Argument, wenn man bedenkt, dass die europäische Expansion von einem hitzigen und blutigen Konkurrenzkampf zwischen England, Frankreich, den Niederlanden und den iberischen Mächten geprägt war. Das Selbstverständnis einer privilegierten Handelskompanie prägte dann auch maßgeblich das Vorgehen der jeweiligen Gesellschaft in Asien. Anders als in der innereuropäischen Auseinandersetzung und in der Begründung des eigenen Rechts auf ungehinderten Überseehandel waren die Kompanien keineswegs Vorkämpfer des Freihandels, im Gegenteil. Aus diesem Verständnis heraus sollte eine Monopolstellung im Asienhandel erstrebt werden. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, dass außerhalb der Kompanien agierende Händler, in England „Interloper“ und in den Niederlanden „Lorrendrayer“ genannt, konsequent kriminalisiert und verfolgt wurden. Auch die Festsetzung in Asien bzw. die Verhandlungen mit den dortigen Eliten waren stets von der Zielsetzung geprägt, die Konkurrenz auszusperren, was allerdings nicht immer

227

Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 41.

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von Erfolg gekrönt war. Während bei den Ostindien-Gesellschaften der Handel weitgehend im Vordergrund stand, sah dies bei den Westindien-Gesellschaften etwas anders aus. Auch hier waren die Niederlande wieder in einer Vorreiterrolle. Seit 1568 befanden sie sich im Freiheitskampf gegen die spanische Fremdherrschaft. Die zunehmend calvinistisch geprägten Nordprovinzen erklärten sich im Jahr 1581 für unabhängig und setzten den Freiheitskampf gegen Spanien als „Union von Utrecht" fort 228. Während der Personalunion mit Portugal begann Spanien, den blühenden Handel der Niederländer mit den Portugiesen zu unterbinden. Dies hatte zur Folge, dass die Niederlande begannen, nach einer direkten Verbindung zu den reichen Kolonien zu suchen. Die ersten niederländischen Schiffe fuhren vermutlich gegen Ende des 16. Jahrhunderts direkt nach Brasilien, das zu dieser Zeit kaum kolonisiert und unzureichend gesichert war229. So wie zuvor die Engländer und Franzosen tasteten nun auch die Niederländer das iberische Monopol in der Neuen Welt an, plünderten spanische und portugiesische Schiffe und trieben mit den Einheimischen der brasilianischen Küste Tauschhandel. Diese zunächst von einzelnen Handelsgesellschaften durchgeführten Unternehmen waren sehr kostspielig, weshalb bald der Gedanke aufkam, dazu eine Kompanie zu gründen. Politische und religiöse Konflikte verhinderten die Gründung vorerst jedoch bis zum Ende des Krieges im Jahr 1609. Nach Ablauf des zwölfjährigen Friedens sollte dieser Gedanke wieder neue Nahrung erhalten. Geistiger Vater dieser Idee war der Kaufmann Willem Usselinx. Dieser wollte bereits während des Unabhängigkeitskrieges eine niederländische Atlantik-Gesellschaft gründen. Damit wollte er die Spanier dort treffen, wo sie am leichtesten verwundbar waren: in ihren amerikanischen Kolonien 230. Sein Augenmerk richtete sich vor allem auf die Übernahme und Erschließung von Guyana. Im Jahr 1621 kam es schließlich zur Gründung der WIC. Sie erhielt ein Handelsmonopol auf 24 Jahre für die atlantischen Küsten Afrikas und Amerikas sowie für den Stillen Ozean nördlich von Neuguinea. Sie bekam das Recht, mit einheimischen Machthabern der zu besetzenden Gebiete Handelsverträge o. ä. abzuschließen, Festungen zu bauen und eine eigene Verwaltung einzurichten. Damit ähnelte sie stark in Struktur und Organisation der VOC, jedoch mit einem Unterschied: die Aktionäre hatten ein höheres Mitspracherecht bei der Ernennung der Direktoren und die Generalstaaten stellten einen eigenen Direktor im Bewindhaberkollegium, um die Kompanie besser kontrollieren zu können231. Die WIC bestand aus fünf Kammern mit unterschiedlich hohen Anteilen und Sitz in Amsterdam, Middelburg, Maasquartier, Norderquartier und Groningen. Amsterdam hatte acht, Middelburg vier, 228

Wätjen, Hermann: Das niederländische Kolonialreich in Brasilien. Ein Kapitel aus der Kolonialgeschichte des 17. Jahrhunderts, Gotha 1921, S. 25ff. 229 Krommen, Rita: Mathias Beck und die Westindische Kompanie. Zur Herrschaft der Niederländer im kolonialen Ceará (Arbeitspapiere zur Lateinamerikaforschung, URL: http://www.lateinamerika.unikoeln.de/fileadmin/bilder/arbeitspapiere/krommen.pdf), Köln 2001, S. 5. 230 Emmer, P. C.: The West India Company 1621-1791: Dutch or Atlantic?, in: Blussé, Leonard/Gaastra, Femme: Companies and Trade, Leiden 1981, S. 71-96, hier: S. 73f. 231 Wätjen: Das niederländische Kolonialreich, S. 34.

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die übrigen zwei und die Generalstaaten einen Anteil. Aus diesen Kammern wurden gemäß den Anteilen entsprechend viele Direktoren in den sog. „Rat der XIX“ entsandt, der die Oberaufsicht über die Kompanie hatte und die Hauptverantwortung trug. Die zentrale Aufgabe der Gesellschaft war, dem Feind Spanien größtmöglichen Schaden zuzufügen und so die eigene Unabhängigkeit zu bewahren. Dass die Kompanie nunmehr als Kampfmittel und nicht als Handelsorgan eingesetzt werden sollte, entsprach nicht mehr der Idee von Willem Usselinx. Und da der Machtbereich der WIC nicht mit so schnellen Gewinnen locken konnte wie VOC in Asien, dauerte es über zwei Jahre, bis das Startkapital von über 7 Mio. Gulden zusammengetragen war232. Insgesamt wurde der organisierte Kaperkrieg gegen Spanien als lukratives Geschäft angesehen. Dass die Provinz Zeeland neben Amsterdam den größten Kapitalanteil einlegte, ist wahrscheinlich mit der langen zeeländischen Tradition der Kaperkriegführung begründet. Diese hoch gesteckten Hoffnungen sollten sich jedoch nicht erfüllen. Bis auf die Kaperung der spanischen Silberflotte durch Piet Heyn im Jahr 1628 war die WIC auf diesem Gebiet wenig erfolgreich, so dass dieses Geschäftsfeld aus der WIC ausgelagert wurde233. Die Beute, die Piet Heyn gemacht hatte, wurde „offensiv“ angelegt, nämlich für die Ausrüstung neuer Kaperflotten. Der erste Schlag galt aufgrund der strategisch günstigen Lage und des ertragreichen Zuckerrohranbaus der portugiesischen „Vorzeigekolonie“ Pernambuco im Nordosten Brasiliens. Aus Pernambuco wurde Neu-Holland, dessen erster Gouverneur Johann Moritz von Nassau-Siegen wurde, der spätere brandenburgische Statthalter in Kleve. Ab den frühen 1620´er Jahren ließen sich Niederländer auf der von den Spaniern entblößten Antillenkette nieder und richteten dort Stützpunkte für Siedler und Freibeuter ein 234 . Für die Bewirtschaftung der Zuckerrohrplantagen brauchten die Niederländer Sklaven, deshalb wurde ab 1630 der niederländische Guineahandel durch die WIC intensiviert. Um die Versorgung der niederländischen Kolonien zu gewährleisten, musste die WIC ab 1638 ihr Handelsmonopol teilweise aufheben und allen Anteilseignern der Kompanie den privaten Handel mit Westafrika und Westindien gegen Gebühr erlauben. 1647 wurde das Oktroi der WIC erneuert. Inzwischen war der Handel mit Brasilien zum wichtigsten Teil des niederländischen Atlantikhandels geworden, der jedoch durch den sich abzeichnenden Frieden mit Spanien durch seeländische Interloper zunehmend bedroht wurde. Zudem wurde es immer schwieriger, die niederländische Kolonie in Brasilien zu halten, so dass sie während des ersten Englisch-Niederländischen Seekrieges wieder an Portugal zurückfiel. Die finanzielle Situation der WIC verschlechterte sich zunehmend. Im Jahr 1674 wurde sie 232

Krommen: Mathias Beck, S. 6. Binder, Franz: Die zeeländische Kaperfahrt 1654-1662, in: Archief, uitgegeven door het Koninklijk Zeeuwsch Genootschap der Wetenschappen (1976), S. 40-92, hier: S: 41. 234 Rella, Christoph: Im Anfang war das Fort. Europäische Fortifizierungspolitik in Guinea und Westindien 1415-1815, Wien 2008, S. 159f. 233

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für bankrott erklärt. Aus ihren Resten wurde eine zweite WIC gegründet, wobei die Aktionäre ihre alten Anteilscheine im Verhältnis 3:1 gegen neue eintauschten 235 . Das Bewindhaberkollegium wurde dabei von ehemals neunzehn auf zehn Direktoren reduziert, außerdem mussten die Investoren vier bis acht Prozent ihres an der alten WIC gehaltenen Kapitals der neuen WIC als Barkredit zur Verfügung stellen. Das Monopol der neuen WIC umfasste dabei nur noch den Sklavenhandel und den Handel in Westafrika. Fortan entwickelte sich Curacao zum wichtigsten niederländischen Sklavenhandelsplatz, auf dem spanische, französische und englische Pflanzer ihre Sklaven billiger einkaufen konnten, als auf ihren eigenen Inseln. Curacao diente primär als Umschlagplatz für die Sklaven, ohne eigene Plantagenökonomie. Zwar besaß die WIC einige Plantagen auf der Insel, diese dienten jedoch nur für die Versorgung der Sklaven und der Inselbewohner 236 . Obwohl der Handel mit Sklaven und tropischen Produkten für die WIC sehr lukrativ war, konnte sie auch weiterhin nicht verhindern, dass Interloper und Schmuggler das Handelsmonopol unterliefen. Nach dem Wegfall des Monopols erwiesen sich auch die zahlreichen Handelsstützpunkte in Westafrika und Westindien als sehr kostspielig, deren Unterhalt schließlich durch Subventionen durch die Generalstaaten finanziert werden musste. 1791 wurde die WIC schließlich aufgelöst und die Anteilseigner durch die Generalstaaten abgefunden. Die überseeischen Besitzungen gingen dadurch in den Besitz der Generalstaaten über, was dazu führte, dass die Niederlande zur echten Kolonialmacht wurden237. In England versuchte man bereits gegen Ende des 15. Jahrhunderts in den Handel mit Westafrika einzusteigen. Als 1481 zwei englische Kaufleute eine Expedition ausrüsteten, deren Ziel die Küste von Guinea war, intervenierte der portugiesische König Johann II. beim englischen König Georg IV., worauf ihnen die Durchführung der Expedition untersagt wurde238. Der nächste Versuch erfolgte erst über 50 Jahre später, als 1536 William Hawkins, der Vater des späteren elisabethanischen Freibeuters John Hawkins, die westafrikanischen Küsten und Brasilien ansteuerte. 1553 unternahm Hawkins eine weitere Fahrt zur Goldküste, wo er in der Nähe von Elmina u. a. Pfeffer und Elfenbein einhandelte, allerdings verlor er dabei etwa zwei Drittel seiner Mannschaft durch Krankheiten. Im darauf folgenden Jahr handelte Hawkins dann erstmals Sklaven gegen Gold und andere Produkte ein. Im Jahr 1561 ließ Königin Elisabeth vier königliche Schiffe für eine Expedition nach Westafrika ausrüsten. Diese Expedition brachte über 3.000 Pfund Gewinn ein, woran Elisabeth mit einem Drittel beteiligt war239. Um den eigenen Markt auszuweiten, ermutigte sie fortan sowohl englische Kaufleute als auch Beutefahrer, sich unter Umgehung des spanischen 235

Emmer: WIC, S. 81. Emmer: WIC, S. 85. 237 Emmer: WIC, S. 82. 238 Hakluyt, Richard: The Principal Navigations Voyages Traffiques and Discoveries of the English Nations Vol. VI, Glasgow/London 1904, S. 122ff. 239 Zook, George Frederick: The Company of Royal Adventurers Trading into Africa, Lancaster 1919, S. 3. 236

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Monopols auf derartige Abenteuer einzulassen. 1562 unternahm John Hawkins seine erste Reise, auf der er über 300 Sklaven einhandelte, um sie in Hispaniola zu verkaufen 240. Der Erfolg seiner ersten Expedition war so groß, dass er 1564 für seine zweite Reise von Elisabeth eigens dafür ein neues Flaggschiff, die Jesus von Lübeck zur Verfügung gestellt bekam, was dazu führte, dass Spanien fortan jeden Nicht-Iberer, der in spanischen Kolonien Handel trieb, als Pirat betrachtete241. Nicht ganz zu Unrecht, denn Hawkins hatte die bei französischen Handelskorsaren übliche Methode übernommen: Kapern von Handelsschiffen, illegaler Waren- und Sklavenhandel sowie Überfall und Plünderung von Handelsstützpunkten242. Um den Handel in geordnete Bahnen zu lenken, erteilte Elisabeth 1588 ein erstes Oktroi an verschiedene Kaufleute aus Exeter, London und anderen Städten auf zehn Jahre für den exklusiven Handel nach Westafrika in den Gebieten zwischen dem Senegal und Gambia. Es wurden lediglich zwei Expeditionen ausgerüstet, über deren Erfolg nichts bekannt ist. 1592 wurden weitere Oktrois an einzelne Kaufleute vergeben, um in bestimmten Regionen in Westafrika Handel zu treiben. Auf diese Weise fand der englische Westafrikahandel bis 1618 statt, als ein weiteres Oktroi an eine Gruppe von 30 Personen vergeben wurde, um den Handel zu bündeln. Einer von ihnen war Sir William St. John, der das erste englische Fort in Westafrika errichten ließ243. Die folgenden Handelsfahrten hatten jedoch wenig Erfolg, weshalb es ab 1621 für interessierte Kaufleute zunehmend schwieriger wurde,

genügend

Kapital für derartige

Unternehmungen einzusammeln. 1631 erhielt Nicolas Crispe ein Oktroi für die Gründung einer Westafrika-Kompanie, nachdem er sich bereits vorher als erfolgreicher Interloper betätigt hatte. In dem Oktroi war ein Handelsmonopol für alle Regionen zwischen Capo Blanco und dem Kap der guten Hoffnung festgelegt. Auch dieser Kompanie war kein großer Erfolg beschieden, zum einen wegen des Ausbruchs des Englischen Bürgerkrieges, zum anderen machte den Engländern zu schaffen, dass sich an den gleichen Plätzen, wo sie Handelsniederlassungen zu errichten beabsichtigten, auch die Schweden niederlassen wollten244. Aufgrund des ausbleibenden Erfolges wurden die westafrikanischen Besitzungen zunächst unter die Verwaltung der EIC gestellt 245. Nach der Stuart-Restauration wurde eine neue Kompanie gegründet, die als direkter Vorläufer der Royal African Company (RAC) gilt. Am 10. Januar 1662 verlieh König Karl II. mehreren interessierten Kaufleuten, wozu auch mehrere Angehörige der Familie Crispe gehörten, ein Oktroi für den Westafrikahandel. Anfangs verlief das Geschäft erfolgreich, aber der zunehmende Konkurrenzdruck durch die WIC machte der Kompanie das Leben in Westafrika 240

Hakluyt: Principal Navigations X, S. 7ff. Zook: Royal Adventurers, S. 4. 242 Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 65f. 243 Scott, William Robert: The constitution and finance of English, Scottish and Irish Joint-Stock.Companies to 1720, Vol.II, Cambridge 1910, S. 11. 244 Rella: Fort, S. 201ff. 245 Scott: Joint-Stock Companies, S 14ff; Zook: Royal Adventurers, S. 6. 241

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zunehmend schwer. Die Niederländer versuchten, den neuen Konkurrenten dadurch aus dem Feld zu schlagen, indem sie die englischen Niederlassungen angriffen und englische Schiffe kaperten 246. Während des Englisch-Niederländischen Krieges 1665-1667 konnte die Kompanie ihre Niederlassungen in Westafrika nicht mehr versorgen und vergab deshalb Lizenzen, für den Handel gegen Gebühr von drei Pfund Sterling pro Tonne247. Dies brachte allerdings nicht den gewünschten Erfolg. Um die immer prekärer werdende finanzielle Situation der Kompanie in den Griff zu bekommen, ging man ab 1668 dazu über, den Westafrikahandel gegen eine Gebühr von 1.000 Pfund Sterling pro Jahr auf sieben Jahre an außenstehende Kaufleute zu verpachten. Aber auch das half nicht, zwischen 1667 und 1671 wandelte sich der Zustand der Kompanie von „schlecht“ nach „katastrophal“ und die Kompanie wurde insolvent248. Das Handelsmonopol wurde an die englische Krone zurückgegeben, zugleich wurde versucht, aus der alten Kompanie eine neue zu schmieden. Dazu waren jedoch mindestens 100.000 Pfund Sterling nötig. Deshalb wurden u. a. alte Anteilscheine gegen neue im Verhältnis 3:1 getauscht. Ende Oktober 1671 waren insgesamt 110.100 Pfund zusammengekommen und das neue Oktroi für die RAC wurde vom König am 27. September 1672 erteilt 249 . Das Oktroi beinhaltete u. a. die Erlaubnis der Landnahme, sofern es keinem christlichen König gehörte sowie das Recht, mit jeder nicht-christlichen Macht Krieg zu führen und Frieden zu schließen250. Die RAC hatte sich zum Ziel gesetzt, zum einen die in Westafrika und in der Karibik bestehenden Stützpunkte auszubauen und zum anderen neue zu errichten, vor allem dort, wo sie die WIC besser im Auge behalten konnte. Aber auch, wenn kein Krieg herrschte, blieb das gegenseitige Verhältnis von tiefem Misstrauen geprägt 251 . Bis 1678 verliefen die Geschäfte der RAC erfolgreich, die jährliche Rendite betrug durchschnittlich bis zu 55 Prozent 252. Allerdings hatte auch die RAC von Anfang an mit dem illegalen Handel durch Interloper zu kämpfen. Um diese Bedrohung zumindest teilweise abzuwenden, vergab die RAC Lizenzen für den Handel an interessierte Kaufleute gegen eine Gebühr von zehn Prozent des zu erwartenden Gewinns. Die Versorgung Britisch-Westindiens mit Sklaven wurde zum Monopol der RAC erklärt, da England sich fortan um Sklavenlieferverträge im Rahmen des spanischen Asiento de Negros bemühte. Als England nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges den Asiento erhielt, wurde dieser allerdings nicht durch die RAC abgewickelt, sondern über die während des Krieges gegründete South Sea Company253. Auch in Frankreich haben bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Versuche 246

Scott: Joint-Stock Companies, S. 17. Zook: Royal Adventurers, S. 21f. 248 Scott: Joint-Stock Companies, S. 18f. 249 Davies, Kenneth Gordon: The Royal African Company, London 1957, S. 58. 250 Scott: Joint-Stock-Companies, S. 20. 251 Davies: Royal African Company, S. 263ff. 252 Scott: Joint-Stock Companies, S. 21. 253 Weindl: Wer kleidet die Welt, S. 224f. 247

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stattgefunden, überseeische Unternehmungen im Namen und zum Vorteil des Mutterlandes durch privilegierte Privatpersonen ins Leben zu rufen. Als erster erhielt ein gewisser Sieur de Roberval im Jahr 1540 ein königliches Patent für die Kolonisierung Kanadas, Hochelagas, Neufundlands und Labradors. Nach dem Scheitern dieses Unternehmens bekamen 1598 ein Schiffskapitän Chauvin und ein Kaufmann Gravé unter der Bedingung der Anlage einer kleineren Siedlung in Kanada das Monopol für den Pelzhandel verliehen. Dieses ging 1602 zusammen mit den zuvor erteilten Patenten auf einen gewissen Aymar de Chaustes und ein Jahr später auf eine Gruppe von Kaufleuten über. All diesen Unternehmungen wurde von der Krone volle Regierungsgewalt in den von ihnen anzulegenden Kolonien, das Recht auf Vergabe von Adelstiteln, das Handelsmonopol sowie weitere umfangreiche administrative Rechte eingeräumt. Obwohl sie teilweise sogar vom Staat finanziell unterstützt wurden, war keines der erwähnten Projekte von Erfolg gekrönt254. Infolgedessen wurde es zunehmend schwieriger, interessierte Investoren für derartige Unternehmung zu gewinnen. Zwar entstanden einige französische Kolonien in Nordamerika, die allerdings hoffnungslos unterversorgt waren und keinen Gewinn abwarfen, weshalb die Gesellschaft 1645 den ansässigen Kolonisten ihr Pelzhandelsmonopol verkaufte. Ab 1663 war die Gesellschaft mittellos und zählte nur noch 36 Anteilseigner, weshalb sie sich 1663 entschloss, ihre Privilegien an die französische Krone zurückzugeben. Eine Zeit lang sah es danach aus, dass Frankreich den gesamten Überseehandel den anderen europäischen Mächten überlassen musste. Dies war für Colbert allerdings keine Option, auch die französische Handelsbilanz sollte dadurch, ganz im Sinne des französischen Merkantilismus, gesteigert werden. Zudem war es für Colbert eine Frage der nationalen Ehre, die Vorherrschaft der Niederländer zurückzudrängen und die Macht Frankreichs auch auf diesem Gebiet auszubauen. Um die Franzosen zu diesem Zweck zu mobilisieren, gab es folgerichtig kein besseres Instrument als eine staatlich privilegierte Handelskompanie 255 . Die zurückgegebenen Privilegien gingen im darauf folgenden Jahr an die von Colbert ins Leben gerufene „Compagnie des Indes Occidentale“ über, der auf 40 Jahre das Monopol kolonialer Unternehmungen aller Art in Amerika, Westindien und Westafrika erteilt wurde. Die neue Gesellschaft bestand lediglich zehn Jahre, ihr Erfolg war ebenso gering wie der ihrer Vorgänger. Ab 1674 wurde die Kolonie in Kanada direkt von der französischen Krone verwaltet. Aus finanziellen Erwägungen heraus wurde 1683 wieder eine Kompanie für die Wahrnehmung des kanadischen Pelzhandels ins Leben gerufen, die „Compangnie de Acadie“. Diese existierte bis 1703, drei Jahre später ging sie in die neu gegründete „Compagnie du Canada“ über, die wiederum im Jahr 1717 in einer neuen Kompanie, der „Compagnie d´Occident“ aufging. Daneben gab es noch einige kurzlebige kleinere Kompanien, die für die Verwaltung der französischen Kolonien Louisiana und Mississippi zuständig waren und 254 255

Zimmermann, Alfred: Kolonialpolitik, Leipzig 1905, S. 78. Reinhard: Geschichte der europäischen Expansion II, S. 147.

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ebenfalls ab 1717 von der Compagnie d´Occident übernommen wurden256. Ähnlich wechselhaft waren die Schicksale der privilegierten Unternehmungen Frankreichs in Westafrika. Die erste Gesellschaft für den Westafrikahandel wurde 1626 ins Leben gerufen, durch sie wurde die französische Faktorei St. Louis am Senegal geschaffen. Danach wurden mehrere kleinere Gesellschaften gegründet, die für jeweils einen anderen Küstenabschnitt in Westafrika privilegiert waren. Alle diese kleinen Gesellschaften wurden ebenfalls 1664 durch Colbert in der Compagnie des Indes Occidentales zusammengefasst, die von da an das Monopol für den gesamten Westafrikahandel kontrollierte. Diese Gesellschaft war jedoch ebenso wenig profitabel wie ihr Ostindien-Pendant. Deshalb versuchte Colbert zusätzlich ab 1667, den privaten Handel außerhalb der Kompanien zu fördern. Dies hatte zur Folge, dass ab 1672 private Reeder und Händler nahezu den gesamten Westindienhandel kontrollierten, weshalb sich die französische Krone 1673 dazu genötigt sah, den durch die Kompanie kontrollierten Westafrikahandel in eine weitere Gesellschaft, die „Compagnie Francaise d´Afrique“ auszulagern. Zusätzlich übernahm sie auch die direkte Kontrolle über die französischen Inseln in der Karibik257. Obwohl diese Kompanie das Monopol für den Sklavenhandel in die französischen Kolonien in Amerika und Westindien erhielt, gingen ihre Privilegien wegen der drohenden Insolvenz bereits 1679 gegen Zahlung von 1,01 Mio. Francs an die neu gegründete „Compagnie du Senégal“ über. Um den Sklavenhandel zu fördern, bezahlte die Kompanie bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1764 jedem französischen Sklavenhändler einen Bonus von 13 Livres für jeden gesunden, erwachsenen Sklaven, der auf einer französischen Karibikinsel angeliefert wurde258. Da die Kultivierung des Zuckers nur über die Einfuhr und den Einsatz afrikanischer Sklaven bewerkstelligt werden konnte, hatten sich die französische Kompanien früh um die Einrichtung mehrerer befestigter Handelsstützpunkte in Guinea bemüht. Dafür wurde 1626 an der Mündung des Senegalflusses das insulare Handelsfort Saint-Louis gegründet und weiter flussaufwärts 1700 Fort-Saint-Josephe angelegt. 1677 sollte eine französische Flotte die niederländische Inselfestung Gorée vor Kap Verde einnehmen und die örtlichen Fortifikationen umfangreich nutzen 259 . Ein Jahr später fiel Fort Arguin dem französischen Machtbereich zu, allerdings nur für kurze Zeit. In Westindien gelang es französischen Siedlern und Korsaren ab 1625, sich auf der Insel Saint Christophe, die französische Bezeichnung für St. Kitts, festzusetzen und nach der politischen Teilung der Insel zwischen England und Frankreich zwei Jahre später dort einen französischen Brückenkopf zu etablieren. Von dort aus griffen die Franzosen dann auf die Antilleninseln 256

Zimmermann: Kolonialpolitik, S. 79. Boule, P. H.: French Mercantilism, Commercial Trade and Colonial Profitability, in: Blusse/Gaastra: Companies and Trade, S. 97-117, hier: S. 108. 258 Ly, Abdoulaye: La Compagnie du Sénégal, Paris 1958, S. 165ff. 259 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 186. 257

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Guadeloupe, Dominique, Martinique, Saint-Lucie und La Grenade zu. Ihre Zielsetzung sah neben der Besiedelung auch die Anlage von Häfen und Festungen vor260. Den französischen Pionieren ging es, im Gegensatz zu den Verantwortlichen der WIC, neben den Maßnahmen zur Fortifizierung vor allem um die Förderung des Tabak- und Zuckerrohranbaus. Deshalb standen bei ihrer Auswahl der Siedlungsplätze fruchtbare Böden im Vordergrund. Als 1648 die Spanier versuchten, die Niederländer von St. Maarten (franz.: Saint Martin) zu vertreiben, sandte der französische Gouverneur von Saint Christophe, Philippe de Lonvillies de Poincy, eine 300 Mann starke Expeditionstruppe, um ebenfalls Ansprüche für Frankreich auf die Insel geltend zu machen. Obwohl eine französische Invasion erfolgreich gewesen wäre, einigte man sich friedlich auf eine Teilung der Insel in einen niederländisch und einen französisch kontrollierten Sektor261. Während die WIC ihren Sektor zusammen mit ihren anderen Besitzungen in der Karibik verwaltete, betrachtete Frankreich ihren Anteil an St. Maarten als bloßen Außenposten und maß daher dem flächenmäßig kleinen Gebiet, auch in Hinblick auf die wenigen vorhandene Plantagenflächen, kaum Gewicht zu. Mehr politisches und ökonomisches Gewicht maß man in Paris deshalb der Besetzung der südlichen Antilleninseln Saint Lucie und Grenada zu, wobei sich deren Okkupation seit jeher als schwierig erwiesen hatte. So waren zwei Versuche englischer Pioniere in den Jahren 1605 und 1639 an der Feindseligkeit der einheimischen Kalinago gescheitert. Ungeachtet dessen fühlte sich Frankreich dazu ermutigt, ebenfalls sein Glück zu versuchen. Kurz nachdem Ludwig XIV. die Compagnie des Indes Occidentales mit dem Besitztitel über die südlichen Antilleninseln ausgestattet hatte, wurden die „erworbenen“ Inseln Martinique, Saint Lucie und Granada an einflussreiche und kapitalstarke Höflinge veräußert. Obwohl die Franzosen die Fehlschläge der Engländer verinnerlicht hatten und versuchten, mit deutlich stärkerer militärischer Präsenz und der Anlage der Plantagen nahe den Festungen besseren Schutz zu gewährleisten, war auch ihnen kein großer Erfolg beschieden. Die Engländer hatten bereits 1627 Anspruch auf Saint Lucie (engl. St. Lutia) erhoben und versuchten erstmals 1659 und ein zweites mal 1664, die Insel zu besetzen, diesmal mit Erfolg262. Erfolgreicher war die französische Okkupation von Grenada. Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurde 1649 eine französische Expedition ausgerüstet, die neben einer 300 Mann starken Garnison alles beinhaltete, was zu ihrer Versorgung nötig war, darunter ein aus vorgefertigten Teilen bestehendes Fort. Die Kolonie gedieh auf Anhieb und bereits kurze Zeit später mussten weitere Forts und Siedlungen angelegt werden, um die wachsende Bevölkerung aufnehmen bzw. wirksam schützen zu können263. Durch die Verlockungen des Transatlantik- und Asienhandels wurden auch die 260

Rella: Im Anfang war das Fort, S. 179. Rella: Im Anfang war das Fort, S. 181ff. 262 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 183f. 263 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 186. 261

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osteuropäischen Mächte auf den Plan gerufen. Dänemark war bereits seit Beginn des 17. Jahrhunderts im Überseehandel tätig. Die Gründung der ersten dänischen Ostindien-Gesellschaft ging auf eine Petition zurück, die Kopenhagener Kaufleute an König Christian IV. gerichtet hatten. Am 17. März 1616 verlieh der König ein Oktroi nach niederländischem Vorbild. Von diesem wurde allerdings zugunsten einer zentralisierten Leitungsebene abgewichen. Der König bevorzugte eine Organisationsform, die es ihm erlaubte, den Direktor selbst zu bestimmen anstatt ihn wählen zu lassen. Die Aufnahme der Geschäfte verzögerte sich, da

bei der Beschaffung

des Kapitals

Schwierigkeiten auftraten. Erst 1618 war die benötigte Summe von 178.999 Reichstaler aufgebracht worden. Nicht nur der König selbst, der Adel und Kopenhagener Kaufleute, sondern auch niederländische und Hamburger Kaufleute hielten Anteile an der Gesellschaft. Während der ersten Expedition gelang es, an der Koromandelküste eine Handelsniederlassung in Tranquebar zu gründen, für die sogar eine Gruppe Siedler mit Frauen und Kindern an Bord war. Offiziell wurde der Vertrag zwischen dem ortsansässigen Herrscher und dem dänischen König abgeschlossen, womit die neue Niederlassung offiziell königliches Eigentum war. In den folgenden Jahren entwickelte sich Tranquebar zu einem wichtigen Umschlagplatz für Pfeffer. Daran änderte sich auch nichts, als der Pachtzins als Reaktion auf den Druck, den die EIC auf den neuen Konkurrenten ausübte, auf 7.000 Reichstaler erhöht wurde264. Bis 1639 fuhren dreizehn dänische Schiffe nach Asien, bis im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges den regulären Kontakt Tranqebars mit Dänemark abriss. Durch den Tod ihres Förderers Christian VI. im Jahr 1648 fiel auch die letzte Stütze der Kompanie weg, die im Jahr 1650 schließlich liquidiert wurde. Festung und Faktorei in Tranquebar waren fortan auf sich selbst gestellt, blieben aber ein Außenposten Dänemarks in Asien, den der neue König nicht aufgeben wollte. Erst 1668 gelang es, ein teils privat und teils staatlich finanziertes Versorgungsschiff nach Asien zu schicken. Durch den Verkauf der Rückfracht wurde diese Expedition zu einem kommerziellen Erfolg, wodurch das Interesse Dänemarks am Asienhandel wieder stieg. Am 28. November 1670 wurde die zweite Ostindien-Kompanie gegründet und ab dem darauf folgenden Jahr fuhren wieder ein bis zwei Schiffe pro Jahr nach Asien. Allerdings wurden diese Reisen immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen mit Schweden behindert, weshalb 1681 eine Kapitalerhöhung um 12 Prozent zur Deckung der militärischen Kosten nötig wurde. 1698 wurde das Oktroi bis 1750 verlängert, aber bereits ab 1720 war die Kompanie nicht mehr in der Lage, eigene Schiffe nach Asien zu schicken. 1729 wurde sie schließlich zahlungsunfähig und Tranquebar fiel wieder an die dänische Krone zurück265. Die erste Dänische Westindische Kompanie wurde bereits im Jahr 1653 gegründet und stand in direkter Konkurrenz zu den Kompanien in Glückstadt. Sie finanzierte die erste Westafrika264 265

Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 131f Nagel: Abenteuer Fernhandel, S. 133.

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Expedition, die Friedrich III. in Auftrag gegeben hatte. Der zuvor in Diensten der WIC und der schwedischen Afrikakompanie stehende Hendrik Carloff hatte sich erboten, die schwedischen Festungen an der Goldküste für Dänemark zu erobern, da sich Dänemark und Schweden gerade während des Ersten Nordischen Krieges bekämpften. Da Carloff alle sieben schwedischen Festungen geplant und gebaut hatte, konnte er bereits ein Jahr nach seiner Ausfahrt erfolgreichen Vollzug berichten266. Der Erfolg war aber nur von kurzer Dauer. 1659 eroberte die WIC die nun dänischen Festungen und gab sie den Schweden zurück, nur um sie ihnen vier Jahre später wieder abzujagen. 1664 musste sie Cape Coast Castle an England abtreten. Die kleineren Niederlassungen waren nichts weiter als befestigte Blockhütten, die zudem schnell verfielen. Danach besaß Dänemark nur noch zwei kleine Stützpunkte in Afrika, die 1659 von der Glückstädter Guineakompanie gegründete Festung Fredericksborg und seit 1661 noch die Festung Christiansborg in Accra. Beide lagen in unmittelbarer Nachbarschaft zu britischen und niederländischen Stützpunkten. Nach 1685 gingen beide verloren, Fredericksburg fiel in englische Hand und Christiansborg an den König von Accra Letztere musste 1694 von Dänemark zurück gekauft werden267. 1666 lief die erste Expedition unter dänischer Flagge in die Karibik, um die bis dato unbewohnte Insel St. Thomas in Besitz zu nehmen. Zwei Jahre später wurde die Westindienkompanie reorganisiert und der König ihr Hauptaktionär. Einvom neu gegründeten Kommerzienkollegium aufgestellter Plan sah vor, dass jeder dänische Bürger mit einem Einkommen von 300 Reichstalern pro Jahr und darüber zehn Prozent in Anteilen der Westindienkompanie investieren sollte 268 . 1674 wurde die Glückstädter Kompanie mit der 1671 gegründeten Westindienkompanie zur Dänisch-Westindien-Guinesischen Kompanie fusioniert. Erste Versuche, St. Thomas zu kolonisieren, wurden bereits 1671 in die Wege geleitet, als der aus Nordschleswig stammende Kapitän Jörgen Iversen Dyppel die ersten Siedler mit der Fregatte Faeroe nach St. Thomas brachte. Diese erste Siedlergruppe bestand aus „indentured servants“, Strafgefangenen und Prostituierten, dener man sich auf diese Weise elegant zu entledigen versuchte. Von den 190 Siedlern erreichten nur 104 die Insel, weitere 75 starben in den ersten acht Wochen auf der Insel. Ungeachtet dessen meldete Dyppel nach Kopenhagen, dass die Insel

einen

hervorragenden Hafen besaß, der von ihm „Christianshavn“ genannt wurde, und dass das fruchtbare Land nutzbar gemacht werden konnte269. Danach litten die Siedler auf St. Thomas vor allem unter mangelnder Versorgung aus der Heimat. Zwischen 1677 und 1695 passierten nur fünf dänische Schiffe aus Kopenhagen den Öresund. Nur ein dänisches Schiff absolvierte die Dreiecksroute und 266

Degn, Christian: Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, Neumünster 1974, S. 120f. 267 Lawrence, Arnold Walter: Trade Castles and Forts of West Africa, London 1963, S. 199ff. 268 Westergaard, Waldemar: Danish West Indies under Company Rule, New York 1917, S. 34f. 269 Degn: Die Schimmelmanns, S. 38; Westergaard: Danish West Indies, S. 38ff.

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erreichte im Mai 1687 St. Thomas mit 80 Sklaven an Bord. Fahrten aus Glückstadt oder einem anderen dänischen Hafen nach St. Thomas sind nicht nachweisbar, erst ab 1696 wurden regelmäßige Fahrten unter dänischer Flagge unternommen 270 . Der überwiegende Anteil des Schiffsverkehrs von und nach Europa wurde mit brandenburgischen und niederländischen Schiffen abgewickelt 271 . Dies hatte zur Folge, dass die dänischen Investoren keinen Gewinn aus ihren Einlagen erwirtschaften konnten. Verschärft wurde die Situation zusätzlich durch die häufigen Wechsel der Gouverneure auf St. Thomas272. In Kopenhagen versuchte man das Problem in den Griff zu kriegen, indem die Insel ab 1690 an den aus Bergen stammende Kaufmann Georg Thormölen gegen die Zahlung von 4.000 Reichstalern jährlich auf vier Jahre verpachtet wurde. Man erhoffte sich eine Belebung des Handels durch lukrative Geschäfte mit Waffen, Werkzeug und Manufakturwaren. St. Thomas sollte als „Neutraler Hafen“ fungieren und für alle Nationen offen stehen, auch für Bukanier und Schmuggler273. Ohne einen regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen dem Mutterland und den Inseln war dies jedoch nicht zu bewerkstelligen, Daran konnte auch Thormölen nichts ändern. Die Situation besserte sich erst, als 1694 die Insel wieder in den Besitz der Dänischen WestindienKompanie überging. 1689 übernahm der aus Flensburg stammende Johann Lorentz das Amt des Gouverneurs auf St. Thomas, nachdem er bereits 1684 als Kaufmann auf die Insel gekommen war274. Er kehrte 1695 nach St. Thomas zurück und seitdem wurde St. Thomas regelmäßig von mindestens einem Schiff unter dänischer Flagge angelaufen. Zudem begann Dänemark nun damit, sich am Sklavenhandel zu beteiligen, der bisher ausschließlich von den Brandenburgern auf St. Thomas betrieben wurde. Vor allem durch diesen regelmäßigen Schiffsverkehr und die Anwerbung von Siedlern aus Schleswig und Holstein festigte Lorentz die dänische Kolonie und konnte den Interessenverband zwischen den Pflanzern und den brandenburgischen Handelsvertretern erfolgreich aufbrechen und so letztlich, wie noch zu zeigen sein wird, die Brandenburger aus ihrer den Handel dominierenden Position vertreiben. Dies brachte tatsächlich den lang ersehnten Aufschwung,

die dänische Kompanie verdiente fortan kräftig mit, indem sie geschickt die

geographische Lage des Hafens und dessen Fort ausnutzte. Alle Schiffsführer der ein- und ausgehenden Schiffe mussten sich beim Gouverneur und beim Oberkaufmann der Kompanie anund abmelden sowie sämtliche Ladungen angeben275. Im Verlauf des Krieges zwischen Frankreich und den Niederlanden war St. Thomas deshalb ein beliebter Anlaufpunkt von niederländischen 270

Ellinger Bang, N.: Tabeller over Skibsfart och Varentransport gennen Öresund, Kopenhagen 1920-1923, S. 20ff und S. 360ff. 271 Westergaard: Danish West Indies, S. 320ff. 272 Westergaard: Danish West Indies, S. 95 und S. 285ff. 273 Rella: Fort, S. 205. 274 Koltermann, Till Philip: Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte: Die Insel St. Thomas in der Karibik, BEH 31, 1999, S. 16. 275 Carstens, J.L.: St. Thomas in the early Danish Times, St. Croix 1997, S. 24.

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Schiffen. Niederländischen Pflanzern wurde gestattet, auf St. Thomas zu siedeln, dafür waren sie steuerpflichtig. Ihr Anteil wuchs ab den 1680´er Jahren rasant. 1686 lag der Anteil der niederländischen Siedler bei 27,4 Prozent und 1696 bereits bei 44,3 Prozent. Obwohl die dänische Sprache offizielle Amtssprache auf St. Thomas war, führte der hohe Anteil der niederländischen Siedler beinahe zur ihrer völligen Verdrängung276. In den folgenden Jahren baute Dänemark in der Karibik ein aus mehreren kleinen Inseln bestehendes Überseeterritorium auf. 1682 besetzten sie die Krabbeninsel (Vieques) südwestlich von Puerto Rico mit einer eigenen Garnison und bauten die Insel zu einem Beobachtungsposten aus. Einige Jahre später ließ Gouverneur Nikolas Esmit auf der benachbarten Insel St. John ein kleines Fort errichten, das aber kurz darauf von den Engländern unter ihrem Gouverneur Stapleton, die gleich nebenan auf Tortola siedelten, zerstört wurde277. Probleme mit den Engländern führten dazu, dass St. John erst 1718 in dänischen Besitz kam. Neue Plantagen wurden ausgemessen und von Sklaven kultiviert. Aufgrund der dichten Bewaldung von St. John hatten die Sklaven jedoch hervorragende Möglichkeiten, zu fliehen. Die Flucht geschah zumeist bei Nacht, indem die entlaufenen Sklaven auf Kähnen oder Flößen versuchten, eine andere Insel zu erreichen, bevorzugt solche

in

spanischen

Hoheitsgewässern.

Dort

erhielten

solche

„Deserteure“,

auch

„Marooners“ genannt, nach einjähriger Zwangsarbeit, die sie meistens beim Festungsbau ableisteten, ein Stück Land zugewiesen und waren dann frei. Die spanischen Patres freuten sich dazu, Heiden zum Christentum zu bekehren und weigerten sich daher, sie wieder an ihre Herren auf den dänischen Inseln auszuliefern278. 1733 übernahmen die Dänen schließlich noch die Insel St. Croix von den Franzosen. Da Frankreich für seine kostspieligen Kriegszüge in Europa dringend Geld benötigte, wurde die Insel für den Preis von 750.000 Livres an die Dänische Westindien-Kompanie verkauft und in Dänisch-Westindien eingegliedert. St. Croix war die größte der drei dänischwestindischen Inseln, sie bestand etwa zur Hälfte aus Flachland und eignete sich daher besonders gut für die Plantagenwirtschaft. Sie wurde schematisch mit einem Netz von Grenzlinien überzogen, wobei die durchschnittliche Größe einer Parzelle bei ca. 55 Hektar lag. Die beiden größten Parzellen übernahm die Dänische Westindien-Kompanie, die übrigen wurden verkauft, wobei nicht nur Dänen, sondern auch Engländer, Schotten, Iren, Niederländer, Franzosen und Deutsche zum Zuge kamen. 1754 wurde die Dänische Westindien-Kompanie in ein Handelskontor umgewandelt, die kolonialen Besitztümer fielen an die Krone. Ab 1760 stand der Handel von und nach den dänischen Überseegebieten allen Interessenten offen und 1776 wurde die Dänische Westindien-

276

Hall, Neville/Higman, B.W.: Slave Society in the Danish West Indies, Baltimore/London 1992, S. 9. Westergaard: Danish West Indies, S. 55. 278 Degn: Die Schimmelmanns, S. 39. 277

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Kompanie schließlich aufgelöst279. Die kleinste europäische Macht, die Überseehandel betrieb, war das Herzogtum Kurland. Treibende Kraft war Herzog Jakob Kettler, welcher sich wie sein späterer Schwager, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, sehr stark für die Förderung von Handel und Wirtschaft im eigenen Land einsetzte und so sein kleines Territorium zu einer wirtschaftlichen Blüte führte. Im Gegensatz zu den anderen europäischen Mächten gründete er jedoch für die Teilnahme am Überseehandel keine Handelskompanie, sondern trat als Einzelunternehmer auf, indem er alles, was dazu notwendig war, aus eigener Tasche bezahlte und dafür sämtliche Gewinne einstrich und die kurländischen Überseebesitzungen als persönliches Eigentum betrachtete. 1650 schickte Herzog Jakob Kettler den Faktor Henry Momber nach Amsterdam, um mit niederländischen Kaufleuten über die Gründung einer Handelskompanie zu verhandeln 280 . Dieser riet dem Herzog, das Unternehmen ohne fremde Hilfe in Angriff zu nehmen. Ehe es dazu kam, machte Kurfürst Friedrich Wilhelm dem Herzog den Vorschlag, sich an einer geplanten brandenburgisch-ostindischen Gesellschaft zu beteiligen, was der Herzog allerdings für keine gute Idee hielt. Den ersten Versuch, eine Kolonie in Westindien zu gründen, machte Herzog Jakob bereits 1639, drei Jahre vor seiner Regierungsübernahme, indem er 212 Siedler nach Tobago schickte, um dort eine befestigte Niederlassung zu gründen. Der Herzog stützte sich dabei rechtlich auf die Belehnung der Insel an seinen Onkel, den englischen König Jakob I. aus dem Jahr 1610. Die Kurländer waren auf Tobago nicht allein, es existierte bereits eine niederländische Enklave, die jedoch kurz vor der Ankunft der kurländischen Schiffe von den Spaniern überfallen und ausgeplündert worden war. Dieser erste Versuch scheiterte, die meisten der von Krankheit, Hunger und Übergriffen durch Einheimische geplagten Kolonisten ließen binnen weniger Monate ihr Leben 281 . 1642 unternahm der in herzoglichem Auftrag handelnde Niederländer Cornelius Caroon einen zweiten Versuch mit 310 Siedlern, bei dem sich ebenfalls die Feindseligkeit der einheimischen Bevölkerung als sehr nachteilig erwies. Ebenso hinderlich wirkte der Interessenskonflikt zwischen den Niederlanden und Kurland, wobei erschwerend hinzukam, dass das bevölkerungsarme Herzogtum mit Vorliebe auf erfahrene niederländische Navigatoren und Spezialisten für ihre Expeditionen zurückgriff. Auch die Spanier versuchten, die „kurländische Infiltrierung“ ihrer karibischen Gebiete zu unterbinden. So konfiszierten sie bspw. bei Dünkirchen ein kurländisches Schiff mit der Begründung, dass sich an Bord niederländisches und damit spanienfeindliches Schiffspersonal befand282. Derartige Übergriffe blieben nicht ohne Protest, die aufgenommenen Verhandlungen um

279

Schadenersatz dafür aber

Westergaard: Danish West Indies, S. 24ff. Seraphim, August: Die Geschichet des Herzogtums Kurland 1561-1795, Reval 1904, S. 113ff. 281 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 208. 282 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 209. 280

74

ergebnislos, die Spanier nahmen Herzog Jakob nicht ernst283. Diese taktischen Misserfolge lenkten die Aufmerksamkeit des Herzogs zunächst nach Westafrika. Ab 1645 befuhren kurländische Schiffe die westafrikanischen Küsten, wo die Wahl für die Gründung einer Handelsniederlassung auf das Mündungsgebiet des Gambiaflusses gefallen war, da hier im Gegensatz zu den restlichen Küstenabschnitten in Guinea noch keine andere europäische Festung errichtet worden war 284 . Langwierige diplomatische Vorverhandlungen mit den Niederländern und Portugiesen verzögerten die Einrichtung einer kurländischen Präsenz allerdings für mehrere Jahre. Nachdem mehrere mögliche Standorte auf Tauglichkeit für die Errichtung eines Forts überprüft worden waren, fiel die Wahl auf die Insel St. Andreas, wo die Kurländer um Erlaubnis des einheimischen Fürsten baten, ein Fort zu errichten und Handel treiben zu dürfen. Obwohl die Garnison bald von Krankheit und Hunger heimgesucht und aus der Heimat nur schleppend versorgt wurde, entwickelte sich Fort St. Andreas bald zu einer nachhaltig funktionierenden und expandierenden Kolonie285. Textilien, Eisenund Manufakturwaren wurden gegen Gold und Sklaven getauscht sowie der Gambiafluss erforscht und Fischerei betrieben. Bis 1658 wurden auf St. Andreas ca. 13.000 Sklaven erworben und nach Amerika verschifft 286 . Zur Sicherung des Mündungsgebietes wurden 1656 auf Bajona und im darauf folgenden Jahr auf Jillifree zusätzlich zwei kanonenbewehrte Schanzen errichtet287. Von diesen Erfolgen ermutigt, startete der Herzog einen dritten Versuch, Tobago zu kolonisieren. Am 20. Mai 1654 erreichte das von Willem Mollens befehligte kurländische Schiff Wappen der Herzogin von Kurland, bestückt mit 45 Kanonen die Insel. Neben 25 Offizieren und 124 Soldaten hatte sie 80 Familien aus Zeeland an Bord, denen man aufgrund der naturgemäß niedrigen Anzahl kurländischer Auswanderer die Mitarbeit am Aufbau der kurländischen Kolonie gestattet hatte. Mollens ankerte in der Great Courland Bay, taufte die Insel „Neukurland“ und gab Order, die erste Siedlung samt Fort zu errichten. Erwartungsgemäß wurde Mollens zum ersten Gouverneur von Neukurland bestimmt. Die feindseligen Inselbewohner sollten, notfalls mit Gewalt, befriedet und zum Bau der Siedlung herangezogen werden288. Um die Einigkeit unter den Siedlern zu garantieren, ließ er die Mitglieder der Kolonie einen Eid auf Herzog und Vaterland schwören. Mollens bemühte sich, gemäß der herzoglichen Weisung die friedlichen Beziehungen zu den Einheimischen nicht aufs Spiel zu setzen. Der indigenen Bevölkerung wurde sogar der private Landerwerb gestattet, was in den europäischen Kolonien einzigartig war 289 . Während ihrer vierjährigen Blütezeit zwischen 1654 und 1658 haben die Kurländer zwei von den Niederländern 283

Mattiesen, Otto Heinz: Die Kolonial- und Überseepolitik der kurländischen Herzöge im 17. und 18. Jahrhundert, Stuttgart 1940, S. 57. 284 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 124. 285 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 130ff. 286 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 210. 287 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 181f. 288 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 454. 289 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 211f.

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aufgelassene Festungen besetzt und instand gesetzt, welche dann die Namen Fort Neu-Mitau und Fort Ferdinandsberg trugen. Die Festung in der kurländischen Siedlung Jakobsstadt wurde Fort Casimirsberg genannt 290. Die Ruhe währte nur kurz. Bereits 1654 machten die niederländischen Brüder Adrian und Cornelis Lampsius im Auftrag der auf Revision sinnenden Generalstaaten einen Versuch, die Ostseite von Tobago zu kolonisieren. Aufgrund der offenen Unterstützung der Kurländer durch Oliver Cromwell sowie der Nachwirkungen des verlorenen EnglischNiederländischen Seekrieges verlief die niederländische Kolonisierung nur schleppend. 1656 folgten französische Siedler und die Insel wurde in drei Quartiere aufgeteilt, wobei die Kurländer im Westen, die Niederländer im Osten und die Franzosen im Süden siedelten. Zwei Jahre später wendete sich das Blatt, als im Rahmen des zweiten Nordischen Krieges König Karl X. Gustav von Schweden Herzog Jakob gefangen nehmen und in Riga internieren ließ und die kurländische Kolonie auf Tobago nicht mehr versorgt werden konnte. Die Lampsius-Brüder nutzten diese Gelegenheit und griffen die Kurländer an. Zwei Jahre später überfiel ein französischer Freibeuter mit schwedischer Hilfe die kurländischen Forts in Gambia291. Als das Herzogtum und ihr Souverän 1664 wieder in Freiheit waren, hatten sich die Niederländer mit den Franzosen arrangiert. Bereits 1662 hatte Ludwig XIV. den Besitztitel Tobagos usurpiert und die Lampsius-Brüder als Lehnsherren eingesetzt. Diesmal blieb die englische Schützenhilfe aus. König Karl II. bestätigte Herzog Jakob am 17. November 1664 in seinem Recht, dies änderte jedoch nichts an den neuen Besitzverhältnissen. Enttäuscht darüber plante der Herzog den Verkauf der kurländischen Festung St. Andreas in Gambia, allerdings kam ein Verkauf nicht zustande292. Durch die Kriege der 1660´er und 1670´er Jahre wurde es auch unvermeidlich, dass die kurländischen Kolonien in Westafrika und auf Tobago zwei Jahrzehnte lang nicht versorgt werden konnten und die Chancen auf Restitution auf ein Minimum absanken. Als Tobago im Friedensvertrag zu Nymwegen 1678 den Niederlanden zugesprochen wurde, suchte Jakob verzweifelt Ansprüche auf die herzoglichen Kolonien geltend zu machen und schickte Expeditionen nach Afrika und Westindien ab. Während der erste Versuch in Gambia scheiterte, gelang ihm die Rückeroberung seiner Kolonie auf Tobago, wo 1678 und 1680 zwei weitere Forts errichtet wurden 293 . Nach Herzog Jakobs Tod im Jahr 1681 machte sein Nachfolger Friedrich Casimir einen letzten Versuch und beauftragte den Engländer John Poyntz, in die Karibik zu segeln und dort eine Kolonie zu gründen 294 . 1688 versuchte Friedrich Casimir, Tobago an Kurfürst Friedrich Wilhelm zu verkaufen. Der Kurfürst merkte jedoch schnell, dass er übervorteilt werden sollte. Kurz darauf erklärte die englische Regierung Tobago schließlich zu 290

Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 459. Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 536. 292 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 214. 293 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 490 und S. 707. 294 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 726ff 291

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ihrem Besitz und sprach Kurland den Rechtstitel ab, womit das koloniale Abenteuer Kurlands sein Ende fand295.

295

Van der Heyden: Rote Adler, S. 65.

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Kapitel 2. Versuche zur Einrichtung einer Brandenburg-Preußischen Ostindienkompanie

2.1. Das erste Projekt von 1647 bis 1653

Brandenburg-Preußen hatte bis zum Regierungsantritt von Kurfürst Friedrich Wilhelm keine eigene kommerzielle Bedeutung sowohl innerhalb des Reichs als auch auf internationaler Ebene besessen. Der Grund dafür ist vor allem darin zu suchen, dass das Kurfürstentum Brandenburg zum einen räumlich stark zersplittert war und dass es zum anderen über keine eigenen Seehäfen verfügte. Ersteres verhinderte die Bildung eines homogenen Wirtschaftsraums, letzteres versagte Brandenburg die dringend benötigten Häfen als Abflusskanäle für die eigenen Produkte. Damit war Brandenburg de facto nichts weiter als das Hinterland der Seestädte, allen voran der Stadt Hamburg, die aufgrund angeblicher kaiserlicher Privilegien das Stapelrecht für alle einlaufenden Waren beanspruchte296. Damit wurden u. a. die auf der Elbe einlaufenden brandenburgischen Schiffe an der Durchfahrt auf das offene Meer gehindert und dazu gezwungen, ihre Waren zu entladen und zu verkaufen, wobei Hamburg dazu die Preise diktierte. Als Kurfürst Joachim I. sich im Jahr 1518 über diese Praxis bei Kaiser Maximilian beschwerte, notifizierte der Kaiser die Befreiung Brandenburgs von der Niederlage-Verpflichtung, erließ ein strenges Strafmandat bei Zuwiderhandlung und befahl zugleich dem Erzbischof von Bremen, den Kurfürsten in der ihm durch das Privileg verliehenen Freiheit zu schützen 297 . Ungeachtet dessen hatte Hamburg bis in die Regierungszeit Kurfürst Friedrich Wilhelms hinein an dem alten Stapelrecht festgehalten. Um sich von dieser Gängelung zu emanzipieren, schloss Friedrich Wilhelm am 26. November 1661 einen Vergleich mit dem Herzog Christian Ludwig zu Braunschweig, worin festgelegt wurde, den Handel über die Elbe via Harburg und die Süderelbe umzuleiten 298 . Ein bezeichnendes Beispiel für die große Abhängigkeit Brandenburgs von der mächtigen Hansestadt ist die Forderung Hamburgs, die Gertraudtenbrücke, die im Jahr 1657 neu gebaut werden sollte, derart hoch zu legen, dass Hamburger Schiffe ohne Gefahr darunter hindurch fahren konnten. Noch im Jahr 1687 beschwerte Raule sich bei Friedrich Wilhelm über die exorbitanten Zollforderungen für die passierenden brandenburgischen Waren 299. Im Herzogtum Preußen sah die Situation, obwohl territorial ungleich günstiger gelegen, nicht besser aus. Dort hatte die Stadt Danzig an der Ostsee eine ähnliche Stellung inne wie Hamburg an der Nordsee, der einzige nennenswerte Konkurrent war Königsberg. Die Einwohner von Königsberg waren jedoch weniger Kaufleute im eigentlichen Sinne. Der auswärtige Handel wurde von englischen und schottischen Kaufleuten organisiert, wofür die einheimischen Kaufleute Subsidien 296

Schück I, S. 1. CBD II, Band 6 Nr. 2483, Nr. 2484, Nr. 2485. 298 Von Moerner, Theodor: Kurbrandenburgische Staatsverträge 1601-1700, S. 256 Nr. 137. 299 Schück I, S. 3. 297

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durch Privilegien kassierten, die noch aus dem Mittelalter stammten. Erste zaghafte Versuche, eine ökonomische Grundlage zu schaffen, mit der man arbeiten konnte, wurden von Kurfürst Joachim II. und Johann Georg in die Wege geleitet300. Jedoch wurden diese Bemühungen nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wieder zunichte gemacht. Handel und Wirtschaft wurden gleich für mehrere Dekaden erheblich geschädigt und die Anfänge einer rationellen territorialen Wirtschaftspolitik begraben. Ausgerechnet in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs bot sich Brandenburg zum ersten Mal die Möglichkeit, am Überseehandel teilzunehmen. Bei einer Zusammenkunft in Stendal im Februar 1634 unterbreitete der schwedische Kanzler Axel Oxenstierna Kurfürst Georg Wilhelm ein Memorial, nach dem der verstorbene König Gustaf II. Adolf bereits mehrere Jahre zuvor eine große Handelsgesellschaft in Indien errichten wollte 301 . Diese Kompanie war unter dem Namen der Südkompanie am 14. Juni 1626 auf zwölf Jahre privilegiert worden, jedoch aufgrund der ungünstigen Umstände bereits vor Ablauf des Privilegs zugrunde gegangen. Zwar wurde noch versucht, die Kompanie zu retten, indem sie mit der im Jahr 1630 gegründeten SchiffbauGesellschaft fusioniert wurde, jedoch ohne Erfolg302. Da Gustav II. Adolf in der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632 gefallen war, oblag es nun Oxenstierna, das Projekt weiter voranzutreiben. Dieser wandte sich deshalb an den Kurfürsten mit der Bitte, sich an diesem Projekt zu beteiligen und in seinem Land weitere Interessenten zu gewinnen. Offenbar wurde auf dieses Memorial hin nichts veranlasst, denn im Juni 1634 erinnerte der kurz zuvor zum Oberdirektor der Südkompanie ernannte Willem Usselinxs den Kurfürsten daran. Nach Meinung Usselinxs sollte dieses Projekt nicht nur den Handel in den deutschen Territorien wiederbeleben, sondern auch dafür sorgen, dass der immer noch andauernde Krieg zu einem schnellen Ende geführt würde. Georg Wilhelm hatte jedoch nicht die Möglichkeit, auf den schwedischen Vorschlag einzugehen. Aber er prüfte die Angelegenheit auf ihre Machbarkeit und befahl seinem Gesandten in Frankfurt am Main, bei den dortigen Ständen für dieses Projekt zu werben. Zugleich sollte sich der Gesandte von Heimbach zu Emmerich in den Niederlanden über die Praktikabilität dieses Projekts informieren. Darauf wurden mit Usselinxs noch einige Verhandlungen geführt, die Stände verschoben eine Entscheidung über die Beteiligung daran zunächst auf unbestimmte Zeit, worauf es in Vergessenheit geriet. Kurfürst Friedrich Wilhelm übernahm die Regierungsgeschäfte seines verstorbenen Vaters in einer politisch wie wirtschaftlich extrem schwierigen Zeit. Der Dreißigjährige Krieg dauerte an und hinterließ in Brandenburg schwere Schäden, vor allem an den heimischen Infrastrukturen. Durch 300

Falke, Johannes Friedrich Gottlieb: Die Geschichte des deutschen Handels, 2 Bände, Leipzig 1859, hier: Band 2, S. 239ff. 301 Geheimes Staatsarchiv Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, I. Hauptabteilung Repositur 11 Nr. 5235 Blatt 1-4. 302 GStA Rep. 11 Nr. 5235 Blatt 6-7; Ebeling, Christoph Daniel: Erdbeschreibung und Geschichte von Amerika, 7 Bände, hier: Band 5, Hamburg 1799, S. 129ff.

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die unglückliche Neutralitätspolitik seines Vaters war Brandenburg zu einem politischen Spielball der Krieg führenden Parteien geworden, was den jungen Kurfürsten schnell zu der Einsicht brachte, dass der einzige Ausweg aus dieser Lage eine geschickte Bündnispolitik war. Um sich einen besseren Handlungsspielraum zu verschaffen, vereinbarte er im Jahr 1642 einen zweijährigen Waffenstillstand mit Schweden 303 . Darin wurde auch die von dem verstorbenen schwedischen König Gustav II. Adolf initiierte Idee, die schwedische und die brandenburgische Dynastie durch Heirat zu verbinden, von den brandenburgischen Diplomaten wieder aufgegriffen

304

. 1644

übernahm Christine von Schweden die Regierungsgeschäfte in Schweden, nachdem sie bereits mit sechs Jahren nach dem Tod des Vaters zur Königin ausgerufen worden war. Friedrich Wilhelm kam der Vorschlag, mit Christine die Ehe einzugehen, sehr gelegen. Er erhoffte sich durch diese dynastische Verbindung den Großteil seiner Probleme, vor allem die Pommern-Frage, lösen zu können. Der erste offizielle Werbeversuch wurde von Friedrich Wilhelm bereits 1642 unternommen. Dieser verlief aber ohne Ergebnis, da der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna, der als Vormund die Regierungsgeschäfte für Christine führte, in der Heirat mit Friedrich Wilhelm eine Schmälerung seiner Macht fürchtete und die Werbungsversuche des Kurfürsten nicht angemessen förderte. Neben politischen und persönlichen Differenzen führte er vor allem die Konfessionsfrage der zu schließenden Verbindung an 305. Als Christine von Schweden im Jahr 1644 für volljährig erklärt wurde, unternahm Friedrich Wilhelm einen weiteren Versuch, dieser wurde jedoch ebenfalls nach mehrmonatigen Verhandlungen von Axel Oxenstierna abgelehnt. Dies führte zu einer erheblichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Brandenburg und Schweden, so dass Friedrich Wilhelm die Heiratspläne mit Christine schließlich aufgab. Allerdings bot sich etwa ein Jahr später für ihn die Gelegenheit, seine politischen Beziehungen nach Osten auszuweiten, indem er seine ältere Schwester Louise Charlotte mit Jakob Kettler, dem Herzog von Kurland, verheiratete. Dieser konnte zwar keinen dynastischen Stammbaum vorweisen, jedoch hatte er sich von Beginn seiner Regierungszeit an als erfolgreicher Unternehmer hervorgetan, ließ eigene Schiffe nach Übersee fahren und besaß bei verschiedenen Amsterdamer Banken ein ansehnliches Vermögen306. Nachdem die Heiratspläne mit der schwedischen Königin endgültig gescheitert waren, wandte sich Friedrich Wilhelm einer möglichen Verbindung mit dem Haus Oranien zu. Seine Wahl fiel dabei auf Luise Henriette von Oranien-Nassau, die Tochter des Statthalters von Den Haag, Friedrich Heinrich von Oranien und seiner Frau, Amalia zu Solms-Braunfels. 303

Mörner: Staatsverträge, Nr. 64, S. 128. Waffenstillstand auf zwei Jahre zwischen der Königin Christine von Schweden und dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, datiert auf den 14.7.1641. 304 Hüttl, Ludwig: Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1620-1688. Eine politische Biographie, München 1981, S. 113. 305 Hammer, Ulrike: Kurfürstin Louise Henriette. Eine Oranieren als Mittlerin zw. den Niederlanden und BrandenburgPreußen, Münster 2001, S. 38. 306 Beuys, Barbara: Der Große Kurfürst. Hamburg 1980, S. 108 und Hüttl: Friedrich Wilhelm, S. 125.

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Die Überseegeschichte Brandenburg-Preußens beginnt im Jahr 1647, als Friedrich Wilhelm, gerade frisch verheiratet und vermutlich auf Betreiben seines Schwiegervaters Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau, den niederländischen Admiral Aernould Gijsels van Lier kennenlernte. Das erste Treffen zwischen Gijsels van Lier und Kurfürst Friedrich Wilhelm fand im Januar 1647 statt. Gijsels konferierte zunächst mit dem Oberkammerherrn Konrad von Burgsdorf und gelangte zur persönlichen Audienz, während er dem Kurfürsten alle seine Ideen und Vorschläge darlegte, untermauert von zwei Schriftstücken. Das eine behandelt ausführlich die Handelsplätze in Indien und den dort angebotenen Waren und beinhaltete eine ausführliche Gewinn- und Verlustrechnung der VOC sowie einen handelspolitischen Überblick über die von den Niederlanden, den Dänen und den Engländern kontrollierten Handelsplätzen zwischen Persien und China 307 . Das andere Schriftstück war eine umfangreiche Denkschrift über die Errichtung einer Ostindien-Gesellschaft in Brandenburg308. Das Augenfälligste an dem „Extract“ ist der für das Jahr 1637 ausgewiesene, aber noch nicht verbuchte Gewinn von 2.362.932 Gulden. Allein der an der Koromandelküste erwirtschaftete Einzelgewinn betrug 377.233 Gulden309. Wahrscheinlich hatte Gijsels diese Zahlen mit Bedacht gewählt, um den Kurfürsten das Engagement im Ostasienhandel schmackhaft zu machen 310 . Als europäische Tauschwaren sind Blattgold, Ambra, Trompeten, Schmuck, Waffen, Zierrat für Reiter, sog. „Englische Messer“, wissenschaftliche Instrumente und Gemälde genannt 311. Auffallend ist, dass für den Ostasienhandel Luxusgüter und Manufakturwaren verwendet wurden, die überwiegend vom europäischen Adel oder wohlhabenden Bürgern konsumiert wurden. Im Gegensatz zu den indischen Produkten wie Salpeter, Gewürzen, Baumwolle und Seide wurden in Indien europäische Produkte und Manufakturwaren nur bedingt nachgefragt, weshalb die Europäer dazu übergingen, Gold und Silber als Zahlungsmittel zu verwenden. So transportierten im Jahr 1637 zwei niederländische Schiffe Fracht im Wert von 214.456 Gulden zur Koromandelküste, davon Gold im Wert von 96.721 Gulden312. Auch die Konkurrenz zwischen den europäischen Mächten in Asien wurde in dem „Extract“ ausführlich dargestellt. Um zu verhindern, dass große portugiesische Schiffe die Häfen von Goa und Cambay in Richtung Heimat verließen, hatte die VOC ihren Kapitänen Order erteilt, Jagd auf die portugiesischen Retourschiffe zu machen. Aus einem ähnlichen Grund, nämlich den Niederländern zu schaden, brachte der englische Gouverneur von 307

GStA I. HA Rep. 11 Nr. 5236, Blatt 1-31: Extract einer Relation der Räte in Indien an ihre Principales die Directores der Ostindischen Compagnie in Niederland, d. A. 1637. Das Schriftstück trägt den Vermerk „von Gijsels geschrieben?“. 308 GStA Rep. 11 Nr. 5237, Blatt 1-5, vollständig abgedruckt bei Schück II Nr. 1, S. 1-8. Die Denkschrift ist lediglich auf das Jahr 1647 datiert und nicht unterschrieben. Jedoch wird sie allgemein Gijsels van Lier zugeschrieben. 309 GStA Rep. 11 Nr 5236, Blatt 19 und Blatt 29. 310 Krüger, Horst: Plans for the Foundation of an East India Company in Brandenburg-Prussia in the Second Half of the Seventeenth Century, in: ders. (Hg.): Kunwar Mohammad Ashraf, an Indian Scholar and Revolutionary, Berlin 1966, S. 123-146, hier: S. 129. 311 GStA Rep. 11 Nr. 5236, Blatt 6. 312 GStA Rep. 11 Nr. 5236, Blatt 3.

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Surat, Wilhelm Metholt, 100.000 Reichstaler und 1.140 man Quecksilber nach Ahmedabad, um damit alle verfügbaren Vorräte an Indigo und Salpeter aufzukaufen, bevor sie der VOC in die Hände fallen konnten. Das Resultat war ein regelrechter Preiskrieg zwischen der VOC und der EIC, da beide Parteien mehrfach versuchten, sich gegenseitig zu überbieten 313 . Um die Preistreiberei zu beenden, kauften die Engländer ihren Salpeter darauf direkt an den Plätzen, wo er gewonnen wurde, worauf die VOC gezwungen war, einen Kompromiss mit den Engländern einzugehen, der ihr erlaubte, gegen Barzahlung ein Drittel des zuvor von den Engländern aufgekauften Indigos zu erwerben. In Gijsels Denkschrift über die Gründung einer Ostindien-Gesellschaft wurde ebenfalls detailreich ausgeführt, welche Waren aus welchen Teilen Asiens möglichst vorteilhaft bezogen und wo auch Kolonien zur Verbreitung der reformierten Religion errichtet werden können 314 . Hauptsächlich handelte es sich bei den aufgelisteten Waren um Stoffe wie Leinen, Seide und Baumwolle aus Persien, Gewürze wie Pfeffer und Zimt aus Malabar aber auch Edelsteine und Diamanten aus Borneo. Diese Denkschrift enthielt auch Vorschläge zur praktischen Durchführung dieses Vorhabens. Als Grundkapital empfahl Gijsels dem Kurfürsten die Einlage von 1 Mio. Reichstaler, welche nach Ablauf von drei Jahren durch die zu erwartenden Erlöse auf drei Mio. Reichstaler anwachsen würde 315 . Als Haupthafen und Sitz der Kolonie schlug Gijsels die Stadt Pillau vor. Das benötigte Kapital sollte nicht nur von den kurfürstlichen Untertanen zur Verfügung gestellt werden, sondern vor allem auch von niederländischen Investoren, die durch das Monopol der einheimischen Kompanien daran gehindert wurden, ihr Geld im eigenen Kolonialhandel zu investieren, und daher begierig nach auswärtigen Investitionsmöglichkeiten Ausschau hielten316. Des weiteren empfahl Gijsels dem Kurfürsten, das Vorhaben vorerst geheim zu halten, um nicht den Konkurrenzneid der Holländer und Schweden zu wecken. Der Kurfürst billigte diese Vorschläge, hatte jedoch im Hinblick auf die zögernde Kaufmannschaft in Preußen Zweifel, was die Bereitstellung des benötigten Kapitals betraf. Gijsels van Lier suchte jedoch nicht nur unter den niederländischen Großkaufleuten nach geeigneten Investoren, sondern auch in Frankreich. Im Juli 1647 berichtete der brandenburgische Gesandte in Paris, Abraham de Wicquefort, dass er mehrfach nach der Meinung des Kurfürsten über die Errichtung einer Ostindien-Gesellschaft gefragt werde317. Diese Anregung nahm der Kurfürst offenbar dankend an und autorisierte Gijsels van Lier, darüber mit dem französischen Gesandten während des Westfälischen Friedenskongresses in Verhandlung zu treten. 1648 überreichte Gijsels dem französischen Gesandten Servien während den 313

GStA Rep. 11 Nr. 5236, Blatt 13f. Schück II Nr. 1, S. 2f, § 3 und 4 315 Schück I, S. 18. 316 Schück II Nr. 1, S . 4f, § 11 und 12, sowie Koser, Reinhold: Der Große Kurfürst und Friedrich der Große in ihrer Stellung zu Marine und Seehandel, in: Marine-Rundschau 15 Nr. 4, Berlin 1904, S. 397-411, hier: S. 401. 317 UA I, S. 657. Wicquefort an den Kurfürsten, Paris den 21. Juni 1647. 314

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Verhandlungen um Pommern zwischen Brandenburg und Schweden liefen, in denen sich Frankreich als Vermittler bemühte, einen ausführlichen Organisationsentwurf318. Darin wurde vorgeschlagen, dass die zu errichtende Handelskompanie von Frankreich und Brandenburg gemeinsam unterhalten werden und sowohl in Ostindien wie Westindien Handel treiben solle. Der Sitz der Gesellschaft solle in Dünkirchen sein. Über diesen Organisationsvorschlag ist dieses Projekt jedoch nicht hinaus gekommen, da zu dieser Zeit in Frankreich die Fronde-Kämpfe begannen. Inzwischen hatte der Kurfürst Gijsels van Lier angewiesen, ein Oktroi für die zukünftige Handelskompanie auszuarbeiten. Zusätzlich schickte er seinen Kammersekretär Johann Friedrich Schlezer mit dem Auftrag, Zollerleichterungen für die brandenburgischen Schiffe auszuhandeln, welche zukünftig den Oeresund passieren, an den dänischen Königshof319. Friedrich Wilhelm gab Schlezer eine Instruktion mit auf den Weg, in welcher er ihn anwies, Christian IV. von Dänemark unter Verweis auf die schwierige finanzielle Lage Brandenburgs, welche insbesondere durch den Verlust Pommerns resultierte, aufmerksam zu machen und ihm um die gleichen Freiheiten zu bitten, wie sie der Krone Schwedens gewährt würden320. Schlezer wurde von Christian IV. empfangen, erhielt jedoch bereits am folgenden Tag eine Absage auf sein Gesuch 321. Diese begründete er mit der angespannten Wirtschaftslage und auch eine gewisse Furcht vor der schwedischen Krone dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. Nun wandte Schlezer sich an den Prinzen Friedrich von Dänemark und an Kanzler Christian Thomas mit der Bitte, sich nochmals beim König für ihn zu verwenden. Und tatsächlich zeigte sich Christian IV. diesmal entgegenkommend und gewährte allen unter kurfürstlicher Flagge künftig den Oeresund passierenden Schiffe, welche mit kurfürstlichen Pässen und Ladung versehen waren, die gleichen Zolltarife wie den Niederländern nach Maßgabe und auf die Dauer der von Christianopel am 14. November 1647 gültigen Zollrolle322. Die Gleichstellung mit den Niederländern und der Verzicht auf Schiffsvisitation sollten auf zwei Jahre Gültigkeit ab der Passage des ersten Schiffes haben. Schlezer zeigte sich darüber erstaunt, dass die bewilligten Privilegien auf zwei Jahre begrenzt waren. Auf Nachfrage erhielt er jedoch zur Antwort, man müsse erst übersehen können, ob die kurfürstlichen Pläne der dänischen Krone nicht zum Nachteil gereichen würden 323 . Zwar war diese Vereinbarung weniger, als der Kurfürst sich erhoffte, allerdings hatte er damit einen ersten handelspolitischen Erfolg erzielt. Etwa zur selben Zeit bot sich dem Kurfürsten erstmals die Gelegenheit, einen Hafen in der 318

Boissonade, Prosper: Histoire des premiers essais de relations economiques directes entre la France et l´etat prussien pendant le règne de Louis XIV (1643-1715), Paris 1912, S. 423-429. 319 Schück I, S. 22f, Saring, Hans: Die Schifffahrtspolitik des Großen Kurfürsten, in: Brandenburgische Jahrbücher 11, S. 3-16, hier: S. 5. 320 Schück II, S. 8 Nr. 2. Die Sundzollfrage wird bereits in Gijsels Denkschrift unter § 9 erwähnt. 321 Steltzer : Häfen, S. 30. 322 GStA Rep. 11 Nr. 5238, Blatt 74-76, die dort angesprochenen Zolltarife bei GStA Rep. 11 Nr. 5239, Liste mit dänischen Zolltarifen von 1645. 323 Schück I, S. 24.

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Nordsee in Besitz zu nehmen. Ernst Zuhm, ein Lehnsvasall aus Pommern, glaubte, berechtigte Erbansprüche auf die friesische Insel Ameland geltend machen zu können. Deshalb bat er den Kurfürsten als seinen Lehnsherrn um Vermittlung bei den Generalstaaten mit dem seiner Meinung nach unberechtigten Besitzer von Ameland, Witso van Cammingha 324 . Einer seiner Vorfahren, Pieter van Cammingha, wurde bereits 1494 von Kaiser Maximilian I. als Erbherr von Ameland anerkannt. Zuhms Schwiegervater, Pieter van Cammingha II, hatte kurz vor seinem Tod 1638 seine Töchter aus dem Testament gestrichen und seinen Söhnen die Insel vermacht, worauf Zuhm erhebliche Anstrengungen unternahm, das Testament anzufechten. Ungeachtet der unsicheren Besitzverhältnisse bot Zuhm dem Kurfürsten Ameland zum Kauf an, in der festen Überzeugung, dass dieser Streit zu seinen Gunsten ausgehen würde. Der Kurfürst kam dem Gesuch um Vermittlung nach und schickte Gijsels van Lier nach Friesland, um die Besitzverhältnisse zu überprüfen. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Der Statthalter von Friesland hatte sich auf die Seite Camminghas geschlagen, was die Hoffnung auf einen Vergleich zunichte machte. Der Kurfürst riet Zuhm daher, seine Ansprüche auf Ameland aufzugeben 325. Währenddessen war Gijsels van Lier mit bemerkenswertem Erfolg in den Generalstaaten unterwegs, um dort interessierte Kaufleute für dieses Vorhaben zu gewinnen326. Im März 1648 trug er dem Landtag von Leeuwarden in der niederländischen Provinz Friesland seine Pläne vor. Der dem Kurfürsten ergebene Graf Wilhelm Friedrich von Nassau versprach darauf, sich entsprechend für dieses Projekt zu verwenden. Doch Widerstände an Friedrich Wilhelms Hofe und die weiterhin schlechte Finanzlage veranlassten den Kurfürsten, das Vorhaben vorerst zurück zu stellen. Der Kurfürst setzte Gijsels van Lier darüber in Kenntnis und bot ihm an, entweder bessere Zeiten für die Wiederaufnahme des Planes unter seinen Diensten abzuwarten oder mit einer großzügigen Entschädigung aus den kurfürstlichen Diensten zu scheiden 327 . Diese Information traf den Admiral völlig unerwartet, da er bereits mehrere feste Zusagen von Amsterdamer Kaufleuten eingeholt hatte. Er beklagte in seiner Antwort seinen ihm und seinen Geschäftsfreunden entstandenen Schaden, versicherte dem Kurfürsten aber zugleich seine Treue und wies ihn darauf hin, dass es sinnvoll sei, die ihm anvertrauten Gelder, insgesamt 3.000 Gulden, die für die Anwerbung interessierter Kaufleute vorgesehen waren, seinen Geschäftspartnern als Abfindung anzubieten328. Der Kurfürst gab die Suche nach zahlungskräftigen Investoren jedoch nicht auf und schickte diesmal Schlezer nach Hamburg, um mit dem Senat über einen Beitritt

einer zu errichtenden

Handelskompanie zu verhandeln. Er stellte seinem Kammersekretär eine Vollmacht aus, in welcher 324

Schück I, S. 25. Offenbar wurde Kurfürst Friedrich Wilhelm die Insel Ameland um 1685 ein zweites mal angeboten, Eine entsprechende Offerte findet sich bei GStA Rep. 11 Nr. 5238, Blatt 61-62. 326 Schück I, S. 26. 327 GStA Rep. 11 Nr. 5241, Blatt 1-2. 328 GStA Rep. 11 Nr. 5241, Blatt 4-5. 325

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er explizit den wirtschaftlichen Nutzen seines Vorhabens für alle Beteiligten herausstellte 329 . Schlezer nahm im Februar 1650 die Verhandlungen mit drei deputierten Ratsmitgliedern auf, wobei er es anfangs vermied, den Kurfürsten ins Spiel zu bringen, da er die schwierigen Verhandlungen in Dänemark noch lebhaft in Erinnerung hatte 330 . Die drei Ratsmitglieder brachten Schlezers Vorschlag vor die Ratsversammlung, hatten zuvor aber die konsularischen Vertreter Portugals und der Niederlande informiert. Tatsächlich erklärte sich die Ratsversammlung im April 1650 bereit, sich mit einer Einlage von zunächst 50.000 Reichstalern an dem Unternehmen zu beteiligen. Dafür verlangten sie im Gegenzug eine Garantie über die zu tätigende Einlage seitens des Kurfürsten 331. Außerdem forderten sie, dass der Sitz der Kompanie in Hamburg sein sollte und alle Schiffe in Hamburg ankommen und abfahren müssen. Obwohl sich der Kurfürst mit diesen Bedingungen einverstanden erklärte, kam es zu keiner festen Vereinbarung. Währenddessen verhandelte Schlezer auch mit Deputierten aus Bremen und Lübeck in der Hoffnung, dass die evtl. dort erworbenen positiven Resultate die Hamburger dazu bringen würden, Zugeständnisse zu machen. Aber auch hier erreichte Schlezer lediglich allgemeine Bekundungen des Wohlwollens. Offenbar hatte Friedrich Wilhelm nicht mehr erwartet, denn er nahm die grundsätzlich positive Haltung der Hansestädte mit Befriedigung auf332. In einer Sitzung des Geheimen Rates beschloss er, Schlezer mit einer weiteren Werbeaktion zu betrauen, diesmal in den Städten Danzig, Elbing, Thorn, Königsberg sowie bei seinem Schwager, dem Herzog von Kurland, und dem König von Polen. Auch hier betonte der Kurfürst wieder, nicht nur zu seinem eigenen Nutzen handeln zu wollen, sondern zum Wohl aller333. Die Reise Schlezers kam jedoch nicht zustande, denn der dänische König Friedrich III, der 1648 seinem verstorbenen Vater Christian IV. auf den Thron gefolgt war, beabsichtigte seine zum wiederholten Male bankrotte Dänisch-Ostindische Kompanie samt aller Aktiva und Passiva an die Engländer zu verkaufen. Die mit dem Verkauf beauftragten dänischen Kaufleute waren jedoch gewillt, dem Kurfürsten ein Vorkaufsrecht einzuräumen und ließen durchblicken, dass eine Barzahlung nicht nötig sein würde. Stattdessen sollten die bisherigen Aktien übernommen und die Aktionäre wegen ihrer Raten bei der Auszahlung der zukünftigen Rückfrachten befriedigt werden 334. England und Brandenburg waren jedoch nicht die einzigen Interessenten, auch niederländische und Kaufleute aus Genua interessierten sich für die dänische Kompanie. Ende Dezember 1650 trafen Schlezer und Gijsels van Lier in Hamburg ein, aber wieder drohten die Verhandlungen durch Verzögerungen seitens der Hamburger zu scheitern. Die beiden boten sämtliche Überredungskünste 329

Schück II, S. 13f, Nr. 5. Schück I, S. 28. 331 Schück I, S. 30. 332 Schück I, S. 31, Steltzer: Häfen, S. 32 333 Schück II, S. 18, Nr. 8. 334 Schück I, S. 32. 330

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auf, um den Hamburger Bürgermeister Müller doch noch zur Einschreibung der Aktien zu bewegen. Darauf hin reiste Gijsels wieder nach Berlin ab, während Schlezer nach Glückstadt aufbrach, um den Wert der Aktien zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Überprüfung sind jedoch unbekannt335. Auch die Verhandlungen mit Glückstadt verliefen wieder im Sande, weshalb sich Schlezer im April 1651 nach Kopenhagen begab, um mit dem König direkt zu verhandeln, die noch von Christian IV gewährten Zollprivilegien bis 1685 zu verlängern und den Zustand der zu veräußernden Kompanie zu prüfen. Die dänischen Besitzungen in Indien, namentlich das Dorf Tranquebar nebst dazu gehörender Festung Dansborg, beschrieb Schlezer dem Kurfürsten als substanziell gut erhalten und insgesamt gewinnbringend. Gijsels van Lier kam bei der Bewertung der dänischen Kompanie zu einem völlig anderen Ergebnis. Seiner Meinung nach wäre der Zustand der Festung Dansborg viel schlechter, die Stadt Tranquebar sei lediglich ein besseres Dorf mit nur wenigen steinernen Bauten und die politische Situation vor Ort insgesamt relativ unsicher. Er empfahl Schlezer, sich vor der Abgabe eines Kaufangebotes die Bücher der Kompanie anzusehen, dem Kurfürsten riet er sogar vom Kauf gänzlich ab336. Die Deputierten forderten anfangs 400.000 Reichstaler. Begründet wurde der hohe Preis mit der Besorgnis des dänischen Königs, Brandenburg könne die Kompanie zum Nachteil Dänemarks gebrauchen und ihm daraus entsprechende Schadenersatzansprüche erwachsen. Überhaupt war Gijsels der Meinung, es sei besser, sich erst auf den Kauf einzulassen, wenn die Kompanie in Übersee liquidiert worden sei. Die erste Konferenz fand im April 1651 in Kopenhagen statt, verlief jedoch belanglos. Die zweite Konferenz fand bereits zwei Tage später statt. Auf dieser erfuhr Schlezer, dass Friedrich III dem Kurfürsten lediglich die von seinem Vater zugesicherten Zollprivilegien gewähren, darüber aber nicht hinausgehen wolle. Als nächstes wurde über den Kaufpreis der Kompanie verhandelt. Friedrich III. verlangte alleine für die dänischen Überseebesitzungen 200.000 Reichstaler, was Schlezer jedoch ablehnte 337 . Stattdessen schlug er dem König vor, dass er mit dem Kurfürsten gemeinsam die Kompanie neu gründen oder aber nach Ablauf von drei oder vier Jahren sich in Form von Aktien auszahlen ließe, welche bis dahin im Wert um das Zwei- bis Dreifache gestiegen sein dürften. Dies lehnte Friedrich III. jedoch ab und am 16.5. einigte man sich schließlich auf eine Gesamtsumme von 120.000 Talern, von denen 20.000 sofort in bar gezahlt und der Rest in Form von Aktien nach Ablauf von 10 Wochen dem König persönlich übereignet werden sollten338. Friedrich Wilhelm zeigte sich über den Ausgang der Verhandlungen zufrieden, jedoch waren es die Dänen, die dabei das bessere Geschäft machten, denn Tranquebar galt in Kopenhagen als eine hoffnungslos verkrachte „Räuberkolonie“, mit welcher sich in Zukunft 335

Schück I, S. 34. GStA Rep. 11 Nr. 5244, Blatt 35; GstA Rep. 11 Nr. 5244, Blatt 52; GStA Rep. 11 Nr. 5244, Blatt 66-67. 337 Diller, Stephan: Tranquebar. Handelsplatz und Missionsstation (1620-1845), in: Schmitt, Eberhard: Vergleichende Europäische Überseegeschichte, Bamberg 1992, S. 43-54, hier: S. 46. 338 Mörner: Staatsverträge, S. 161 Nr. 83. 336

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Brandenburg herumschlagen durfte, während dem dänischen Königshof durch das große Aktienpaket eine Gewinnbeteiligung gesichert war, sofern es überhaupt eine geben sollte. Zwischen 1622 und 1644 waren lediglich acht Schiffe von Tranquebar in Dänemark angekommen und der Gewinn aus diesen acht Fahrten hatte angeblich 772.000 Reichstaler betragen. Als Aktiva wurden u. a. eine Forderung an Spanien von 40.000 Reichstaler für ein gekapertes Schiff, weitere 70.000 Reichstaler „in Indien stehend“ sowie der Gesamtwert der Festung Dansborg und der Stadt Tranquebar von 140.000 Reichstaler angegeben, womit der Gesamtwert der zu verkaufenden Kompanie angeblich 1.322.000 Reichstaler betrug. Dagegen wurden die Passiva rücksichtsvoll verschwiegen und der Kaufpreis von 120.000 Reichstalern geradezu als ein Schnäppchen angepriesen.339. Die Ausführungen des Vertrages verzögerten sich zunächst, da Brandenburg in den JülichKlevischen Erbfolgekrieg hineingezogen wurde, wodurch die Gelder, die für den Kauf der dänischen Kompanie vorgesehen waren, durch die Ausrüstung des brandenburgischen Heeres beansprucht wurden. Der Kurfürst bemühte sich jedoch weiterhin hartnäckig um das Zustandekommen des Vertrags und erließ im August 1651 sogar ein Oktroi, welches die Privilegien und Gesellschaftsverhältnisse der Kompanie regelte 340 . Die darin garantierten Pflichten und Privilegien sollten 20 Jahre lang gültig sein, außerdem wurde darin festgelegt, dass für die Kompanie zwei Kontore eingerichtet werden sollten, eins an der Ostsee, das andere an der Niederelbe. Präsident der Kompanie sollte Gijsels van Lier sein. Um das benötigte Geld aufzutreiben, begnügte sich Friedrich Wilhelm diesmal nicht mit der Suche nach Geldgebern, sondern schickte Schlezer nach Kurland zu Herzog Jakob, um ihn um entsprechende Unterstützung zu bitten341. Die Instruktion des Kurfürsten wies Schlezer an, seinen Schwager um eine Summe von 26.000 Reichstalern in Form von Wechseln auf Hamburg und Kopenhagen zu erbitten 342 . Des weiteren enthielt die Instruktion auch die Aufforderung an den Herzog, bei einer Beteiligung auch entsprechende Sachwerte wie Schiffe und Handelswaren einzubringen. Als Gegenleistung sollten ihm die dänischen Besitzungen in Ostindien verpfändet und deren Anfall auf dem Erbwege zugesichert werden, falls Friedrich Wilhelm kinderlos bleiben sollte. Diese Aussicht war jedoch eher gering, da der Herzog etwa 10 Jahre älter war als sein Schwager. Weil der Kurfürst wusste, dass die kommenden Verhandlungen nicht einfacher sein würden als die bisherigen, ermächtigte er Schlezer in einem Zusatzprotokoll, mit jedem Interessenten über den Beitritt zur brandenburgischen Ostindien-Gesellschaft zu verhandeln, und zwar unabhängig von Konfession, Stand und Würde343. 339

Hassert: Kolonien, S. 14, Koser: Marine und Seehandel, S. 401; Mattiesen: Kolonial und Überseepolitik, S. 88f. Schück II, S. 23, Nr. 10. 341 Schück II, S. 32, Nr. 11. 342 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 89f. 343 Schück II, S. 37f, Nr. 12. 340

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Diese Aufforderung war geradezu revolutionär, bedeutete dies doch eine echte Neuerung gegenüber den anderen europäischen Handelskompanien, wo sich die Teilhaberschaft auf wenige privilegierte Großkaufleute beschränkte. Hier hatte erstmals jeder, der nur bereit war, Geld in ein derartiges Projekt einzuzahlen, auch wirklich die Möglichkeit dazu. Schlezers Weg führte zuerst nach Hamburg, jedoch hatte sich dort die Meinung über die Beteiligung an der kurfürstlichen Handelskompanie nicht geändert. Die ansässigen Kaufleute bekundeten zwar weiterhin ihr Interesse, wollten aber erst Geld einlegen, nachdem der Magistrat eine entsprechende Summe eingezahlt hatte und dieser wiederum wollte erst Geld einzahlen, wenn der Kurfürst vorher mindestens 50.000 Reichstaler Anlagesumme garantieren könne344. In Lübeck und Danzig sah die Situation nicht anders aus und in Königsberg holte sich Schlezer sogar eine klare Absage345. Im Dezember 1651 traf Schlezer dann in Mitau ein und hielt sich bis März 1652 am herzoglichen Hof auf. Der Herzog prüfte das kurfürstliche Angebot ausführlich, aber auch er erteilte Schlezer schlussendlich eine Absage346. Darüber hinaus riet er Schlezer auch noch ab, die Dänische Ostindien-Gesellschaft zu kaufen, da die Festung Dansborg mit einer Hypothek von über 1 Mio. Reichstaler belegt sei, dass die Dänen in Tranquebar überaus unbeliebt seien und es den Brandenburgern dort nicht besser ergehen werde347. Der Herzog bezog sich bei der Beschreibung der Zustände auf die Aussage des englischen Colonels Cocherane, welcher sich 1645 und 1649/1650 als Gesandter des englischen Königshauses am kurländischen Hof aufhielt. Allerdings hatte der Herzog dabei weniger im Sinn, Friedrich Wilhelm vor evtl. finanziellen Schaden zu bewahren, sondern wollte sich von vorn herein unliebsame Konkurrenz vom Leib halten. Außerdem gab der

Herzog dem Prinzip

der Kronkolonie den

Vorzug anstelle einer privaten

Gesellschaftskolonie. Seine neue Kolonie in Gambia und später auch die Kolonie auf Trinidad und Tobago betrachtete er als persönliche Domäne und nicht als Staatsbesitz348. Nach dieser Absage wurde Friedrich Wilhelm klar, dass es ihm nicht gelingen würde, das benötigte Geld für den Ankauf der Dänischen Ostindien-Gesellschaft noch rechtzeitig aufzutreiben. Er suchte nach einer Lösung, aus dem Vertrag mit Dänemark herauszukommen. Schlezer schlug ihm drei Möglichkeiten vor, entweder den dänischen König hinhalten, ihn mit den ersten Einnahmen der ankommenden Schiffe zu bezahlen oder den Vertrag offiziell zu annullieren. Friedrich Wilhelm verhielt sich daraufhin wie ein säumiger Schuldner, indem er die wiederholten Mahnungen Friedrichs III unbeantwortet ließ349. Schließlich verlor Friedrich III. die Geduld und kündigte den Vertrag seinerseits im Juni 1653 auf350. 344

Saring: Schifffahrtspolitik, S. 9. Schück I, S. 42f, Schück II, S. 40, Nr. 14. 346 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 89f. 347 Schück I, S. 44f, Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 90f. 348 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 92. 349 Steltzer: Häfen, S. 34. 350 GStA Rep. 11 Nr. 5250, Blatt 11. 345

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Der Kurfürst akzeptierte den Entschluss des Königs sofort, wahrscheinlich war er froh, ohne Verlust aus dieser Sache herausgekommen zu sein. Dies bedeutete das Ende des ersten ernsthaften Kolonialplanes Friedrich Wilhelms. Dass er scheiterte, kann jedoch nicht dem Kurfürsten persönlich angelastet werden. Die Kriegsunruhen, die katastrophale Finanzlage Brandenburgs sowie die Tatsache, dass Friedrich Wilhelm bei seinen Untertanen mit dem Kolonialgedanken auf wenig Gegenliebe stieß, trugen entscheidend zum Scheitern seiner Bemühungen bei351.

2.2. Das Projekt einer Kaiserlich-Brandenburgischen Ostindien-Gesellschaft 1660-1663

Obwohl Friedrich Wilhelm mit seinem Plan, eine Handelskompanie zu gründen, bisher erfolglos geblieben war, hatte er seine Pläne, eine Ostindien-Gesellschaft zu gründen, nicht aufgegeben. Im Oktober 1654 hielt sich der englische Graf Rochester in Berlin auf, um mit dem Kurfürsten über Subsidiengelder für den aus England vertriebenen König Karl II. zu verhandeln. Tatsächlich erhielt dieser in den Jahren 1656 und 1657 insgesamt 5.000 Reichstaler aus der kurfürstlichen Schatulle. Der Kurfürst hatte wahrscheinlich im Verlauf der Verhandlungen seinen Wunsch erwähnt, den Handel nach Asien aufzunehmen. Um sich für die gewährte finanzielle Hilfe erkenntlich zu zeigen, machte der Graf daraufhin die schriftliche Zusage, dass sein König nach der Rückgewinnung des Throns nicht nur eine Allianz mit dem Kurfürsten einzugehen bereit wäre, sondern diesen auch als Teilhaber in der englischen Ostindien-Kompanie zulassen werde 352 . Dieses Versprechen zeigte jedoch keine Wirkung. Während der Verhandlungen des Handelsvertrages zwischen Brandenburg und England im Jahr 1661 ist es offenbar nicht zur Sprache gekommen und auch spätere Versuche des Kurfürsten, mit der EIC in Verhandlungen zu treten, sind ergebnislos verlaufen. Friedrich Wilhelm bot der EIC sogar an, ihr preußischen Bernstein zu liefern, doch wurde dieses Angebot offenbar abgelehnt. 353 . Währenddessen musste der Kurfürst auch noch dafür sorgen, dass sein einziger fähiger Mann für die Verwirklichung seiner Pläne, nämlich Gijsels van Lier, auch weiterhin in brandenburgischen Diensten blieb, denn dieser hatte bereits von Frankreich und Schweden das Angebot erhalten, seine eigenen Ziele mit ihrer Unterstützung zu verwirklichen354. Um nun seiner drohenden Abwanderung vorzubeugen, verpachtete der Kurfürst ihm das Amt Lenzen an der Elbe

351

Interessanterweise findet sich bei Baum, Kurt: Zur 260-jährigen Wiederkehr am 1. Januar 1943 der Gründung Großfriedrichsburg., in: Koloniale Rundschau 34 (1943), S. 36-38, hier: S. 37 der Hinweis, dass das erste Kolonialprojekt des Großen Kurfürsten an dem energischen Widerstand Englands gescheitert sei. Einen Beweis dafür findet sich jedoch nicht. 352 UA VII, S. 711. 353 UA XXI, S. 348 und S. 356. 354 Schück I, S. 52; Becher, Johann Joachim: Politischer Discurs, von den eigentlichen Ursachen des Auff- und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken …, Frankfurt am Main 1688, S. 918.

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zu einem günstigen Pachtzins mit Erbrecht 355 . Da zwischen den beiden mittlerweile ein enges Vertrauensverhältnis entstanden war, blieb Gijsels van Lier bis zu seinem Tod im Jahr 1676 in brandenburgischen Diensten. Inzwischen hatte sich für Friedrich Wilhelm ein neues Problem ergeben. Er benötigte die volle Souveränität über Preußen, um in der Ostsee eigene Kriegsschiffe zu unterhalten, denn dies war ihm aufgrund des bisherigen Lehnsverhältnisses verboten 356. Diese Gelegenheit bot sich ihm während des Schwedisch-Polnischen Krieges 1655-1661, als im Vertrag von Laibau 1656 Schweden seine Lehnshoheit über Preußen aufhob und den brandenburgischen Kurfürsten als souveränen Fürsten von Preußen anerkannte 357 .

Da Polen jedoch nach wie vor territorialen

Anspruch auf Preußen erhob und das Kriegsglück sich langsam gegen Schweden wendete, trat Friedrich Wilhelm aus dem militärischen Bündnis mit Schweden aus und wechselte auf die Seite Polens, worauf Polen im Vertrag von Wehlau aus Dankbarkeit dafür auf die Souveränität über Preußen verzichtete 358 . Damit hatte Friedrich Wilhelm endlich den lang ersehnten Zugang zur Ostsee und die Möglichkeit, eigene Seestreitkräfte zu unterhalten. Die Hoffnung auf Pommern erfüllte sich für den Kurfürsten jedoch weiterhin nicht. Der Friede von Oliva sorgte dafür, dass Vorpommern weiterhin von den Schweden besetzt blieb359. Interessanterweise wurden dem Kurfürsten im Jahr 1658 gleich zweimal innerhalb weniger Wochen von anonymer Seite Denkschriften überreicht, in welchen zur Aufnahme eines Überseehandels mit Indien geraten wird 360 . In der ersten wird dem Kurfürsten geraten, den Holländern in der beabsichtigten Besetzung der Festung Glückstadt zuvorzukommen, sich damit die Vorherrschaft über die Elbe zu sichern und dem Hamburger Handel eine kraftvolle Konkurrenz entgegenzusetzen. Auf dieser Grundlage solle sich der Kurfürst dann vom Kaiser zum AdmiralsGeneral erheben lassen. Auf diese Weise sollte das Reich im Anschluss an Spanien wieder eine Seemacht werden, die hansische Seeräuberei sollte damit bekämpft werden etc. Friedrich Wilhelm sollte also für das Reich das werden, was die Oranier für die Niederlande waren. Der brandenburgische Gesandte in Den Haag, Weiman, hatte zusätzlich dem Kurfürsten die Okkupation von Glückstadt vorgeschlagen, was Friedrich Wilhelm jedoch ablehnte361. Wäre der Plan in der genannten Weise durchgeführt worden, wäre damit ein erhebliches maritimes Gegengewicht zu den 355

Voigt: Gijsels van Lier, S. 88. Steltzer: Häfen, S. 36. 357 Mörner: Staatsverträge, S. 211, Nr. 115. 358 Mörner: Staatsverträge, S. 220, Nr. 121. 359 Steltzer: Häfen, S. 36. 360 Schmoller, Gustav: Ein Projekt von 1658, den Großen Kurfürsten zum Reichsadmiral zu erheben, in: Märkische Forschungen 20, 1887, S. 131-148, hier: S. 133, Schück I, S. 53. Schmoller schreibt die Urheberschaft dieses Dokuments Gijsels van Lier zu, da es seiner Meinung nach aufgrund des fachspezifischen Inhalts nicht von einem der Geheimen Räte geschrieben sein kann. Datiert ist die Denkschrift auf den 10. September 1658. 361 UA VII, S. 136ff: Weiman an den Kurfürsten, Den Haag den 14. Oktober 1658, S. 138: Weiman an den Kurfürsten , Den Haag den 21. Oktober 1658. 356

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Niederländern entstanden. Friedrich Wilhelm muss um diese Tatsache gewusst haben, denn eine Reaktion des Kurfürsten auf diese Denkschrift ist nicht bekannt 362 . Der Verfasser der zweiten Denkschrift empfiehlt dem Kurfürsten ebenfalls, nachdem Deutschland beruhigt sei, es für die Fürsten nichts Besseres geben könnte, als zum Ruhm Gottes und dem Heil ihrer Völker die Seefahrt nach Ostindien zu betreiben363. Unter den Fürsten erwähnt die Denkschrift namentlich den Kaiser, die Königin von Schweden und den Kurfürst von Brandenburg. Zur Finanzierung dieses Vorhabens sollte ein gemeinsamer Ritterorden, ähnlich dem Malteser-Orden, gegründet werden und der Reingewinn solle dem Orden, der Kirche und den Fürsten zufallen 364 . Dieser Plan erweckt den Anschein, als stamme er entweder aus der Feder eines Gelehrten oder eines Theologen, dem offenbar die äußeren wie inneren politischen Zustände Brandenburgs völlig unbekannt waren. Der Kurfürst ging auch auf diesen Vorschlag nicht weiter ein, da er befürchtete, damit die gerade gewonnene Souveränität über Preußen zu gefährden. Stattdessen versuchte er, mittels kaiserlicher Hilfe doch noch in den Besitz der Odermündung und Stettins zu gelangen, was jedoch misslang365. Zwar hatte er jetzt freien Zugang zu den preußischen Häfen Pillau und Königsberg, aber diese lagen weit im Osten und alle dort ein- und auslaufenden Schiffe durften den dänischen Sund nur gegen entsprechende Zollabgaben passieren. Da schlug ihm Gijsels van Lier vor, die Handelskompanie mit kaiserlicher und spanischer Hilfe in Angriff zu nehmen. Aus seiner Sicht hätte eine derartige Kooperation Aussicht auf Erfolg, weil der Kurfürst ein enges politisches Verhältnis zum Kaiser pflegte und dieser wiederum eng mit dem spanischen Königshaus verwandt war. Diese Idee leuchtete dem Kurfürsten ein und er beauftragte Gijsels van Lier, nach Wien zu reisen, um die Reaktion der Österreicher zu testen, und bat den Kaiser, Gijsels van Lier zu empfangen 366. Der Kurfürst dachte diesmal an eine Beteiligung des Kaisers und der Reichsstände an seinem Projekt. Besonders die Hansestädte, allen voran Hamburg mit seinem Nordseehafen, sollten in die Planungen mit einbezogen werden, um den dänischen Sundzoll zu umgehen. Der Plan einer reichsdeutschen Seepolitik sowie der Errichtung deutscher Seehandelsgesellschaften auf Reichsebene war jedoch nicht neu. Letztere hatten schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch die Monopolisierung des Handels den Unwillen sämtlicher Stände erregt, insbesondere die großen patrizischen Stände in Augsburg, Nürnberg und Ulm367. Um 1579 versuchte der sächsische Kurfürst August I. in Kooperation mit Portugal den Gewürzhandel in Deutschland und dem europäischen Nordosten voranzubringen, mit ihm selbst als 362

Schmoller: Ein Projekt, S. 142. GStA Rep. 11 Nr. 5240, Blatt 1-3. 364 Schück I, S. 49. 365 UA VIII, S. 429f: Gesandschaft des Fürsten Gonzaga an den Kurfürsten, Heyck: Kolonialpläne, S. 146, Schück I, S. 54. 366 Schück II, S. 49 Nr. 17. 367 Heyck: Kolonialpläne, S. 148. 363

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vornehmsten Teilhaber. Als nächstes hatte 1624 dann Philipp IV. von Spanien daran gedacht, mit Hilfe des Kaisers die Errungenschaften der niederländischen Republik zu vernichten und ihnen ihre Absatzmärkte in Deutschland und Nordeuropa zu entreißen. Hierbei standen jedoch weniger koloniale oder kommerzielle Interessen im Mittelpunkt, vielmehr sollte ein militärisches Gegengewicht zu den Niederlanden bilden 368 . Der Plan scheiterte diesmal an unterschiedlichen militärischen Interessen. Kaiser Ferdinand II. spielte weiterhin mit dem Gedanken, sich am Überseehandel zu beteiligen, doch auch dieser Plan kam über kleine lokale Zugeständnisse nicht hinaus und wurde 1628 endgültig aufgegeben. Friedrich Wilhelm dachte indes an die Gründung einer Handelsgesellschaft mit den Reichsständen als Teilhaber und mit ihm selbst an der Spitze, welche ihren Handel auf Ostasien konzentrieren sollte. Dort mangelte es aber an festen Stützpunkten, deshalb musste der spanische König ins Vertrauen gezogen werden, um seine asiatischen Häfen nutzen zu können. Der Kaiser hingegen sollte das Unternehmen mit seiner Autorität und der Flagge des Reiches sowie durch seine Fürsprache in Madrid unterstützen, dafür sollten beide habsburgische Monarchen an der Kompanie beteiligt werden. Im Herbst 1660 reiste Gijsels van Lier mit einem kurfürstlichen Empfehlungsschreiben nach Wien, welches bereits im März ausgestellt wurde369. Außer diesem Schreiben führte Gijsels van Lier keine weiteren offiziellen Papiere mit sich, weshalb diese Reise wohl eher von privater Natur gewesen war. In Wien trat er kaum persönlich in Erscheinung, um seine Mission vorerst geheim zu halten. Am kaiserlichen Hof lernte Gijsels van Lier den Grafen von Portia und über ihn den Franziskaner Christoph de Roxas de Spinola kennen, welcher am Wiener Hof in hoher Gunst stand370 . De Roxas war wegen seiner konzilianten Einstellung ein gefragter Diplomat, der stets darum bemüht war, die getrennten Konfessionen wieder zu vereinen. Er zeigte sich Gijsels van Liers Plänen gegenüber sehr interessiert, da er die Chance sah, die kaiserlichen Unionspläne des Reiches weiter voranzutreiben und seinem Orden neue Einflussbereiche zu sichern. Kaiser Leopold empfing Gijsels van Lier, ließ sich von ihm sein Vorhaben erläutern und teilte daraufhin dem Kurfürsten in einem Schreiben mit, dass er die von Gijsels van Lier erhaltenen Vorschläge an den spanischen König weitergeleitet hätte, ohne jedoch seine persönliche Meinung dazu zu äußern 371. Erst als de Roxas dem Kaiser ein eigenes Memorandum vorlegte, welches auf den Aufzeichnungen von Gijsels van Lier basierte, in einigen Punkten jedoch abwich, reagierte der Kaiser uneingeschränkt zustimmend. De Roxas hatte u. a. stärkere konfessionelle Akzente gesetzt, um den 368

Vorberg, Heinrich: Deutsche Kolonialpläne in Südamerika nach dem Dreißigjährigen Kriege, insbesondere die Bemühungen Johann Joachim Bechers, Köln 1977, S. 36. 369 Schück I, S. 56, Schück II, S. 49 Nr. 17, Heyck: Kolonialpläne, S. 151. 370 Heyck: Kolonialpläne, S. 152, Schück I, S. 58f, Volberg: Kolonialpläne, S. 187, Anm. 47. In der Literatur und in den Quellen existieren verschiedene Schreibarten seines Namens: de Roxas, de Rojas und de Rochas. Schück I, S. 59 Anm. 28. 371 Schück II, S. 51 Nr. 19.

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kaiserlichen Entschluss positiv zu beeinflussen. Das Memorandum beinhaltete im wesentlichen folgende Punkte: Verschiedene Regierungen wollten sich unter Führung des brandenburgischen Kurfürsten

zusammenschließen,

um

eine

Handelskompanie

zu

gründen,

welche

die

Monopolstellung der Niederlande im Handel mit dem Reich zerschlagen sollte, was einen großen Machtzuwachs des Reiches und ein unvergleichliches Anwachsen des Volkswohlstandes mit sich bringen würde. Die zu gründende Kompanie solle unter der Oberaufsicht mehrerer Reichsfürsten stehen, welche der Kaiser bestimmen sollte. Ferner solle der Kaiser eine Empfehlung nach Madrid an den spanischen König Philipp IV. ausstellen, da gerade die Mitwirkung Spaniens erheblich zum Gelingen des Vorhabens beitragen sollte372. Weiterhin wies de Roxas darauf hin, dass die von den Niederländern gelieferten Waren zumeist von minderer Qualität und überteuert seien und dass das Reich durch die eigene Kompanie endlich Waren von hoher Qualität zu günstigen Preisen erhalten könne, welche dann selbst Richtung Osten mit Gewinn verkauft werden könnten. Bisher wurden die Importwaren in Amsterdam von den Niederländern mit Preisaufschlägen von bis zu 70 Prozent verkauft. Von dort gelangten sie in die Hansestädte Hamburg und Bremen, um schließlich durch ein Netz von Zwischenhändlern im Reich verteilt zu werden, so dass sich das Preisverhältnis von Amsterdam und Wien etwa sieben zu zwanzig darstellte. Eine eigene Kompanie sollte dann fähig sein, das Preisniveau drastisch zu senken 373 . Als Kapital sollte 1 Mio. Reichstaler aufgebracht werden, welches sich bei Verzicht auf Dividende innerhalb eines Jahres vervierfachen könne. Zu Anfang sollten 25 Schiffe erworben werden, welche auch als „Reichsmarine“ in der Ostsee gegen Schweden eingesetzt werden könnten, wenn sie nicht auf Handelsfahrt seien. Als Handelsplätze sollten Pillau und Königsberg fungieren, von dort aus sollten die importierten Waren über den Landweg auf brandenburgischen Straßen durch Kursachsen in die österreichischen Erblande gelangen 374 . Im Auftrag Friedrich Wilhelms schlug de Roxas noch vor, dass der Kaiser den spanischen König dazu bringen sollte, sich an der Kompanie mit einer Mindesteinlage von 100.000 Reichstalern zu beteiligen und den eingeführten Waren günstige Absatzbedingungen einräumen. Beide Majestäten sollten bei den Verhandlungen größte Diskretion walten lassen375. Als kaiserlichen Unterhändler schlug de Roxas den Markgrafen Hermann von Baden vor,

da dieser wie Kaiser

Leopold und König Philipp IV. katholisch war und am Wiener Hof aufgrund der Rekatholisierungspolitik seines Vaters einen exzellenten Ruf besaß 376 . Außerdem wurde ihm nachgesagt, über gute Verbindungen zum spanischen Hof zu verfügen. Der Erfolg seiner Bemühungen ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im Dezember 1660 372

Heyck: Kolonialpläne, S. 156. Heyck: Kolonialpläne, S. 157. 374 Heyck: Kolonialpläne, S. 159. 375 Heyck: Kolonialpläne, S. 164. 376 Beese, Christian: Markgraf Hermann von Baden. General, Diplomat und Minister Kaiser Leopolds I, Stuttgart 1991, S. 39ff. 373

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teilte der Kaiser dem Kurfürsten mit, dass er sich für das Unternehmen bei Philipp IV. einsetzen werde. Er ließ de Roxas ein Empfehlungsschreiben an Philipp IV. ausstellen und schickte ihn von Wien nach Baden-Baden, um Hermann den kaiserlichen Auftrag mitzuteilen377. Markgraf Hermann nahm den Auftrag an und suchte im April 1661 zusammen mit dem Pater den Kurfürsten in Kleve auf, um sich das weitere Vorgehen erläutern zu lassen. Anschließend reiste der Markgraf für drei Wochen nach Amsterdam, um dort Grundkenntnisse im nautischen und merkantilen Bereich zu erwerben. Anschließend verbrachte er eine Woche in Hamburg, um die Möglichkeiten einer Beteiligung der Stadt an dem Projekt auszuloten. Schließlich hielt er sich danach noch weitere drei Wochen bei Gijsels van Lier in Lenzen auf, um mit ihm weitere Details der Planung zu erörtern. Danach reiste er nach Dresden, um beim sächsischen Kurfürsten Johann Georg für das Projekt zu werben, jedoch verhielt sich Johann Georg abwartend378. Zurück in Wien, verarbeitete er im August 1661 alle bisher gewonnen Erkenntnisse zu einer Denkschrift für den Kaiser379. In diesem Entwurf übernahm er teilweise Elemente aus einer früheren Ausarbeitung von Pater de Roxas, korrigierte und ergänzte sie. So reduzierte er die in der Aufbauphase veranschlagten 25 Schiffe auf vier Schiffe und beschränkte die Zahl der Teilnehmer auf den Kaiser, den spanischen König und die Kur- und Reichsfürsten380. Dadurch sollten nicht nur größere Gewinnanteile erhalten bleiben sondern auch die Chance auf effektive Entscheidungen steigern. Außerdem enthielt die Denkschrift einen detaillierten Kostenvoranschlag 381 . Demnach sollte die Ausrüstung der vier Schiffe insgesamt 57.332 Reichstaler kosten, pro Schiff also 14.333 Reichstaler. Dazu kam der Sold für die Besatzung von 2.390 Reichstalern. Insgesamt ergab sich eine Summe von 86.685 Reichstalern. Der Markgraf unterschied bei der Berechnung jedoch nicht zwischen Anfangsinvestition und laufenden Kosten382. Zusätzlich veranschlagte er noch 100.000 Reichstaler für den Ankauf der Handelswaren. Es ergab sich eine Summe von 300.000 Reichstalern so dass von jedem der voraussichtlich 20 Teilnehmer 15.000 Reichstaler zur Verfügung gestellt werden sollten. Das Startkapital sollte nach Schätzung des Markgrafen bei Einbehaltung des Gewinns in acht Jahren auf 7 Mio. Reichstaler ansteigen, womit die deutsche Handelsgesellschaft dann etwa über das gleiche Kapital verfügt hätte wie die VOC383. Die ersten vier Schiffe sollten einen spanischen Hafen in Ostasien anlaufen, wo dann große

377

GStA Rep. 11 Nr. 5252, Blatt 2, Schück II, S. 51 Nr. 19, Nr. 20, Beese: Markgraf Hermann, S. 40, Heyck: Kolonialpläne, S. 165. 378 Heyck: Kolonialpläne, S. 167. 379 Becher, Johann Joachim: Politischer Discurs, S. 912-940, Schück I, S .71f. 380 Becher: Politischer Discurs, S. 920ff; Heyck: Kolonialpläne, S. 169. 381 Becher: Politischer Discurs, S. 947ff. Die detaillierte Übersicht über Kosten, Gewinne, Preise und da benötigte Kapital auch bei Heyck: Kolonialpläne, S. 195ff. 382 Heyck: Kolonialpläne, S. 169, Schück I, S. 70. 383 Volberg: Kolonialbestrebungen, S. 42, Becher: Politischer Discurs, S. 923. Hier wird das niederländische Kapital mit 7 Mio. Gulden angegeben.

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Magazine der Kompanie angelegt und Verträge mit den dortigen eingeborenen Herrschern für den Handel abgeschlossen werden sollten384. Zwei Schiffe sollten dann für den regionalen Verkehr vor Ort verbleiben und die anderen beiden mit den eingehandelten Waren nach Europa zurückkehren. Um das Vorhaben attraktiver zu machen, versuchte der Markgraf, eine plausible Gewinnberechnung aufzustellen, wobei er davon ausging, dass man die europäischen Waren zum Sechsfachen ihres Wertes absetzen könne, während der Verkauf der Gewürze in Europa das Zehnfache ihres Einkaufspreises einbringen würden. Nach Abzug sämtlicher Kosten sollte bereits die erste Fahrt einen Gewinn von über 1. Mio. Reichstaler einbringen 385. Zusätzlich stellte er noch eine zweite Berechnung an, nach welcher der größte Teil des Gewinns nicht ausgezahlt, sondern reinvestiert werden sollte. Die Berechnungen des Markgrafen strahlen zwar einen großen Optimismus aus, jedoch verkennen sie sowohl die politische wie auch die wirtschaftliche Realität. So ging er davon aus, dass man ohne Probleme große Gewürzplantagen aufbauen könne. Auch sah er nicht, dass sich ein stark vermehrtes Angebot an Gewürzen auf dem europäischen Markt negativ auf das Preisniveau auswirken würde 386 . Dabei waren die Schätzungen des Markgrafen noch sehr konservativ. Die Niederländer hatten beim Verkauf ihrer Waren oftmals nicht nur den sechsfachen, sondern den 16-fachen Gewinn erzielt. Ihr jährlicher Nettogewinn betrug in der Regel 75 Prozent, während der Markgraf von einem durchschnittlichen Nettogewinn von 25 bis 50 Prozent ausging. Außerdem sollte sich die Kompanie gemäß seinem Plan militärisch voll auf die spanische Krone stützen und die für den Bau der Schiffe benötigten Materialien zu deutlich günstigeren Konditionen als die der Niederländer aus den heimischen Ländern bezogen werden. Auch die Versorgung der Mannschaften sollte strikt aus den Mitgliedsländern erfolgen, wobei der Markgraf eine fixe Summe festsetzte. Der Markgraf beschäftigte sich jedoch nicht nur mit den zu erwartenden Gewinnen, sondern auch mit den Risiken, die mit einem solchen Unternehmen verbunden waren. Eventuelle Gegenmaßnahmen, welche keinesfalls bewusst provoziert werden sollten, erwartete er vornehmlich von den Niederländern, welche jedoch bei Bedarf leicht auf dem europäischen Festland niedergeschlagen werden könnten387. Die größte Gefahr sah der Markgraf in der Nichtteilnahme Spaniens, welche aber aufgrund des zu erwartenden Nutzens nicht zu befürchten sei. Mit dieser Denkschrift hatte der Markgraf das Vorhaben zwar ein gutes Stück vorangebracht, allerdings hatte er den ursprünglichen Initiator all dessen, nämlich Kurfürst Friedrich Wilhelm, zu einem Nebendarsteller reduziert und den Kaiser, der eigentlich nur eine Schutzfunktion für die

384

Beese: Markgraf Hermann, S. 41. Das Ziel in Ostasien waren vermutlich die Philippinen. Becher: Politischer Discurs, S. 950-952. Zum Vergleich enthält die Gewinnberechnung auch zwei niederländische Beispiele, S. 952ff. 386 Heyck: Kolonialpläne, S. 170f. 387 Becher: Politischer Discurs, S. 929. 385

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Kompanie haben sollte, zum Hauptinhaber all dessen gemacht388. Bei der nun folgenden Diskussion an den verschiedenen Höfen dürfte diese Rollenverteilung jedoch ein gewisses Gewicht gehabt haben. Während in Wien das Projekt einer Kommission zur Prüfung vorgelegt wurde, reiste de Roxas nach Spanien, von wo er dem Markgrafen jedoch nur wenig Erfreuliches berichten konnte, denn in am spanischen Hof nahm man den Vorschlag keinesfalls so begeistert auf, wie die Planer sich dies erhofft hatten389. Man befürchtete dort vor allem die mächtige Konkurrenz der Engländer und Niederländer und war generell der Meinung, dass der vorgestellte Nutzen für alle Beteiligten nicht so groß sei wie angenommen. Zum Unglück für de Roxas starb kurz nach der Aufnahme der Verhandlungen der spanische Minister, Don Luis de Haro, was die Angelegenheit schnell ins Stocken brachte. Auch beeilte man sich keineswegs, zu einem Ergebnis zu kommen. So vertrieben sich Gijsels van Lier, Markgraf Hermann und de Roxas die Zeit mit politischen Phantastereien, welche auf der bevorstehenden Heirat des englischen Königs mit einer portugiesischen Infantin und der falschen Voraussetzung beruhten, dass in diesem Falle die portugiesischen Überseebesitzungen in englische Hand übergehen würden. Sie schlugen vor, den König von Portugal durch Verhandlungen zur Abtretung dieser Gebiete an den Kaiser zu bewegen oder, falls die Verhandlungen fehlschlagen sollten, sie mit Kompanieschiffen gewaltsam zu besetzen 390 . Noch ungeduldiger als de Roxas zeigte sich mittlerweile Gijsels van Lier, der immer neue Pläne entwickelte und an den Markgrafen schickte 391 . Er drängte immer mehr darauf, vermutlich in Übereinstimmung mit dem Kurfürsten, das Projekt endlich in Angriff zu nehmen, notfalls auch ohne die Zustimmung Spaniens. Doch weder in Madrid noch in Wien kam die Sache irgendwie voran. Erst im Oktober 1661 gab die Kommission ein erstes Gutachten ab, welches jedoch jeglicher brauchbarer Aussagekraft entbehrte392. Dies hatte zur Folge, dass sich Kurfürst Friedrich Wilhelm aus dem Projekt gänzlich zurückzog, da ihm die Vorschläge des Markgrafen nicht mehr gefielen 393. Vermutlich aufgrund der Tatsache, dass er in seinem eigenen Projekt nicht mehr die führende Rolle einnehmen sollte, sah sich der Kurfürst dazu veranlasst, sich in Richtung einer anderen Seemacht zu orientieren und schloss deshalb im Juli 1661 mit England einen Handels- und Schifffahrtsvertrag ab394. Der Entschluss dazu lag in der Annahme des Kurfürsten, dass die kurz zuvor erfolgte Heirat des englischen Königs mit der portugiesischen Infantin einen Krieg zwischen Spanien und Portugal provozieren könnte 395 . Im November 1661 widerrief er die Instruktion für de Roxas und den Markgrafen, was Gijsels van Lier dazu veranlasste, sich um die Aufnahme in kaiserliche Dienste zu 388

Heyck: Kolonialpläne, S. 174. Schück I, S. 73; Becher: Politischer Discurs, S. 956, Heyck: Kolonialpläne, S. 179ff. 390 Heyck: Kolonialpläne, S. 176ff und 199. 391 Heyck: Kolonialpläne, S. 183. 392 Heyck: Kolonialpläne, S. 185. 393 Schück I, S. 74f. 394 Mörner: Staatsverträge, S. 254, Nr. 135. 395 UA IX, S. 529ff. 389

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begeben, was jedoch erfolglos blieb396. Der Markgraf indes schob die Schuld für das Scheitern des ganzen Projektes dem Wankelmut der kurfürstlichen Räte zu, welche sich angeblich von den Niederländern hätten bestechen lassen397. Der eigentliche Grund dürfte jedoch in der Ergebnislosigkeit der immerhin über ein Jahr dauernden Verhandlungen an den beiden habsburgischen Höfen gelegen haben sowie in der Wendung gegen England, welche durch die Absichten auf die portugiesischen Besitzungen in Ostindien entstanden war und sich nicht mit dem bereits

erwähnten Handels- und

Schifffahrtsvertrag zwischen Brandenburg und England vertrug. Die Gespräche zwischen Wien und Madrid gingen weiter, wenn auch quälend langsam. 1662 erhielt der Markgraf einen Brief vom spanischen König, in welchem dieser sein in allgemeinen Worten gehaltenes Wohlwollen aussprach. Auch der spanische Gesandte in Wien, der Marquis de la Fuente, versprach das Projekt zu unterstützen398. Im Oktober 1663 fragte de Roxas bei Kurfürst Friedrich Wilhelm an, ob er sich dem mittlerweile prächtig gediehenen Projekt nicht wieder anschließen wolle, worauf der Kurfürst nicht einging399 . De Roxas versuchte noch über längere Zeit hinweg, das Projekt wieder in Gang zu bringen, indem er entsprechende Vorstöße an den Höfen von Mainz, Dresden, Berlin und München unternahm, allerdings ohne Erfolg400. Seine Karriere war damit jedoch keinesfalls beendet. Seine kirchlichen Unionsbestrebungen traten nun mehr und mehr in den Vordergrund und führten ihn 1676 und 1682 erneut an den kurfürstlichen Hof. Dabei versuchte er wieder, sein Ziel durch eine Verknüpfung mit

den handelspolitischen Absichten des Kurfürsten zu erreichen. Der

brandenburgische Gesandte am Wiener Hof, Graf von Crockow, betrachtete de Roxas jedoch als Intriganten, dem man nicht trauen dürfe401. Markgraf Hermann von Baden vermutete als Grund für das Scheitern des Projektes in seinen Memoiren, die er kurz vor seinem Tod im Jahr 1691 schrieb, die Schwierigkeiten, welche der Ausbruch des Türkenkrieges mit sich brachte, sowie die Bestechung brandenburgischer Räte durch die Niederländer402.

2.3. Neue Ansätze von 1681-1687

Es dauerte bis ins Jahr 1680, bevor wieder von der Gründung einer ostindischen Kompanie die Rede war. In mehreren Briefen berichtete der mittlerweile in brandenburgische Dienste getretene 396

Schück II, S. 62f, Nr. 28 und Nr. 29. Schück II, S. 63f, Nr. 30. 398 Heyck: Kolonialpläne, S. 188f. 399 Schück II, S. 64f Nr. 31. 400 Volberg: Kolonialbestrebungen, S. 45f. 401 UA XVIII, S. 438ff; Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten und seinem Gesandten Crockow in Wien vom April 1676. 402 Heyck: Kolonialpläne, S. 190, Volberg: Kolonialbestrebungen, S. 45. 397

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Seeländer Benjamin Raule dem Kurfürsten, dass er von mehreren Interessenten ersucht worden sei, Kaperfahrten gegen China zu unternehmen, eine ostindische Kompanie aufzubauen und Handelsfahrten nach Guinea zu betreiben 403 . Raule empfahl dem Kurfürsten, den Bittstellern entsprechende Kaperbriefe auszustellen, da er glaubte, dass eine Kaperfahrt von zwei Jahren Dauer und einer eingesetzten Summe von 50.000 Reichstaler so viel Gewinn bringen konnte, um damit eine Ostindien-Kompanie zu errichten. Raule war von diesem Konzept so überzeugt, dass er dem Kurfürsten anbot, notfalls sein gesamtes Vermögen selbst in dieses Abenteuer zu investieren 404. Der Kurfürst nahm die Idee interessiert auf, solange derartige Unternehmen komplett fremd finanziert würden und dadurch die bevorstehende Eintreibung von Subsidien, welche der spanische König dem Kurfürsten schuldete, nicht gefährdet sei405. Eine Entscheidung, eine ostindische Kompanie durch Kaperkrieg zu finanzieren, wollte er jedoch vorerst nicht treffen. Konkrete Ideen für die Gründung einer Ostindien-Gesellschaft zeigten sich erst wieder im Juli 1683, als Raule auf einer Fahrt nach Emden Kontakt zu zwei Hamburger Kaufleuten aufnahm, um über die Gründung einer solchen Kompanie zu verhandeln. Raule glaubte offenbar, durch die Gründung einer Schwestergesellschaft der inzwischen gegründeten, aber nicht recht florierenden „BrandenburgischAfricanischen Compagnie“ eine finanzielle Entlastung zu verschaffen, indem dieser die zu erwartenden Gewinne aus dem Ostindienhandel zugute kommen sollten 406 . Schützenhilfe erhielt Raule dabei durch den Geheimen Rat Meinders, welcher sich in einer Denkschrift an den Kurfürsten ebenfalls für die Gründung einer Ostindien-Gesellschaft einsetzte407. Nach Meinung von Meinders hätte eine solche Gesellschaft sowohl erhebliche Vorteile für den Handel als auch in militärischer Hinsicht. Er gab zugleich jedoch zu bedenken, dass ein derartiges Unternehmen der BAC eher schaden als nutzen würde. Diese Idee vermischte sich schließlich mit anderen Ideen, welche entweder zugleich oder kurz darauf erörtert wurden. Darüber hinaus entwickelte der Kurfürst auch Vorstellungen darüber, mit englischen Interlopern zusammen zu arbeiten, um mit deren Hilfe außerhalb der EIC in den überseeischen Niederlassungen Handel zu treiben408. Gachon, sein Korrespondent in London, meldete im Februar 1683, dass er Kontakt zu einigen englischen Kauffahrern aufgenommen hätte, die außerhalb der Kompanie Handel getrieben und deren Schiffe von selbiger beschlagnahmt worden seien. Bei einer drohenden Verurteilung als Schmuggler wären sie durchaus bereit, nach Brandenburg zu emigrieren und sich in kurfürstliche Dienste zu begeben 409 . Der Kurfürst, welcher ebenso durch das Heranziehen ausländischer Kaufleute und 403

GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 63-64. GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 67-68. 405 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 73. 406 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 128-131. 407 Schück II, S. 185f Nr. 78. 408 Borcke: Brandenburg-Preußische Marine, S. 40. 409 UA XXI, S. 339f. 404

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Gewerbetreibender den Handel in Brandenburg zu fördern bemüht war, ließ Gachon den Befehl zukommen, er solle diese Leute auffordern, sich im Kurfürstentum niederzulassen und ihnen volle Religionsfreiheit zuzusagen. da es sich bei den erwähnten Kaufleuten überwiegend um religiöse Nonkonformisten wie Presbyterianer oder Quäker handelte, welche auch ihrer Religion wegen in England verfolgt wurden. Gachon nahm darauf Kontakt zu den Kaufleuten auf und erfuhr, dass diese zwar daran interessiert waren, sich auf Handelsunternehmen nach Indien einzulassen, London dafür jedoch nicht verlassen wollten, weil sie befürchteten, dadurch ihr Vermögen zu verlieren410. Stattdessen schlugen sie dem Kurfürsten vor, sich nicht zu einer förmlichen Handelskompanie nach dem Vorbild der VOC oder BAC, sondern zu einer reinen Handelsgesellschaft zusammen zu schließen, an welcher sich sowohl die Kaufleute als auch der Kurfürst mit jeweils 100.000 Reichstalern beteiligen sollten. Ihrer Meinung nach wäre ein solches Modell einfacher zu handhaben und deutlich kostengünstiger, weil keine teuren Handelsniederlassungen gegründet und unterhalten werden mussten. Der Kurfürst wollte sich jedoch darauf nicht einlassen. Er befürwortete weiterhin das Kompaniemodell und wies darauf hin, dass der Sitz der Kompanie keinesfalls in England sein könne, weil dort mit Interlopern viel zu streng verfahren werde und keinesfalls fremde Schiffe für den Handel zugelassen werden würden. Vielmehr wäre Emden der geeignete Sitz für die Kompanie und er versprach ihnen, dass sie ihren Wohnsitz nicht in Emden nehmen, sondern lediglich Bevollmächtigte schicken müssten. Um ihnen das Angebot schmackhaft zu machen, versprach er ihnen Zollfreiheit auf mehrere Jahre, juristische Gleichstellung mit den Einheimischen und Schutz durch die Bereitstellung von zwei Kriegsschiffen. Gachon erwiderte darauf, dass er hoffe, dass sich unter diesen günstigen Bedingungen mehr Engländer an diesem Unternehmen beteiligen würden, jedoch sind entsprechende Antworten nicht überliefert411. Bald darauf wurde dem Kurfürsten auch von anderer Seite ein Angebot gemacht, welches ihm lukrativ erschien. Der Kommandant der brandenburgischen Garnison in Emden, Wilhelm von Brandt, hatte auf einer Urlaubsreise im Februar 1684 in Bremen den dort im Exil lebenden und als Stadtkommandanten tätigen englischen Oberst William Waller kennen gelernt, welcher ihm mitteilte, dass in England viele Familien mit der politischen Situation unzufrieden waren und sich in den kurfürstlichen Landen niederzulassen wünschten 412 . Waller hatte als Parlamentsmitglied in England den Ausschluss der Katholiken von allen Ämtern mit besonderem Eifer vorangetrieben, musste jedoch England verlassen, als der Herzog von York wieder steigenden politischen Einfluss gewann. Er versprach dem Kurfürsten, etwa 50 Familien und Gewerbetreibende unterschiedlichster Art sofort für eine Übersiedlung zu gewinnen und hoffte, sollte dies erfolgreich sein, dass diesen

410

UA XXI, S. 340. UA XXI, S. 340f. 412 UA XXI, S. 341. 411

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noch mindestens 500 weitere nonkonformistische Familien folgen würden. Waller bat von Brandt darum, seinen Vorschlag an den Kurfürsten weiterzuleiten, was von Brandt auch bereitwillig tat, obwohl er durch den Ausbruch einer Krankheit an der Weiterreise gehindert wurde. Nachdem der Kurfürst über Waller einige Erkundigungen durch die Geheimen Räte Ezechiel Spanheim und Falaiseau eingezogen hatte, beschloss er, mit Waller in Verbindung zu treten und schickte Raule im März 1684 nach Bremen 413 . Spanheim befürchtete, die Versprechungen Wallers seien zu hoch gegriffen und sein Exil sei eher auf dessen Schulden als auf das politische Klima zurückzuführen. Falaiseau hingegen glaubte zwar, dass Waller wohl in der Lage wäre, eine Anzahl nonkonformistischer Kaufleute aus London und Bristol nach Brandenburg zu ziehen, riet aber vehement von der Idee ab, sich gegen das Monopol der EIC zu stellen. Raule gewann nach der Unterredung mit Waller die Überzeugung, dass dessen Ideen durchführbar seien. Waller forderte als Gegenleistung das Kommando über ein Regiment und einen befestigten Seehafen. Raule schlug dafür Rügenwalde vor, da der Kurfürst dort bereits einen Hafen hatte anlegen lassen und man dort noch eine Festung errichten könne. Dazu war er wie Waller der Meinung, dass der Kurfürst einen geeigneten Unterhändler nach London schicken sollte, um mit den von Waller genannten Personen direkt zu verhandeln414. Friedrich Wilhelm schickte darauf den am kurfürstlichen Hof als Legationsrat tätigen Dichter Johann von Besser nach London, um dort in seinem Namen entsprechende Verhandlungen zu führen. Offiziell sollte Besser beim englischen König für die unter dem Schutz des Kurfürsten befindlichen ostfriesischen Untertanen Handelsvorteile erwirken und sich für die Erhaltung des Religionsfriedens seitens des Kurfürsten einzusetzen415. Seine eigentliche Mission war aber, unter größtmöglicher Geheimhaltung Kontakt mit den englischen Kaufleuten und Gewerbetreibenden aufzunehmen und herauszufinden, wie in England derzeit die Durchsetzung der Navigationsakte gehandhabt würde416. Besser schien für eine derartige politische Mission jedoch völlig ungeeignet, denn er erreichte nicht das Geringste. Er meldete nach Berlin lediglich, dass die Navigationsakte derzeit sehr milde gehandhabt würde, der Kurfürst könne nicht nur Waren aus den eigenen Landen und dem Reich, sondern auch aus Polen nach England bringen und es würde genügen, wenn die Hälfte der Bootsleute Deutsche seien. Offenbar hatte er die kurfürstlichen Ambitionen auf den Ostindien-Handel gar nicht vertreten, denn als er von einem Mitglied der EIC, dem Chevalier Chardin, nach einem entsprechenden kurfürstlichen Engagement gefragt wurde, entgegnete er, von nichts zu wissen. Als Friedrich Wilhelm davon erfuhr, befahl er Besser umgehend, dem Chevalier mitzuteilen, dass die afrikanische Kompanie bereits dabei wäre, gute Geschäfte zu machen und er 413

UA XXI, S. 342. UA XXI, S. 343, Schück I, S. 185. 415 Schück II, S. 216f Nr. 88a. 416 Schück II, S. 218ff Nr. 88b, §§ 3-8. 414

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nichts lieber sehen würde als ein entsprechendes Engagement britischer Kaufleute an der BAC 417. Und überhaupt könnten die Engländer gar nichts gegen die Errichtung selbiger tun, da sie sonst die Prinzipien, auf welchen ihre eigenen Kompanien gegründet seien, ad absurdum führen würden. Ende Januar 1685 wurde Besser vom Kurfürsten aus London abberufen und durch Spanheim ersetzt, welcher nach London geschickt wurde, um dem neuen König Jakob II. seine Aufwartung zu machen. Er sollte nun das erreichen, was Besser versäumt hatte. Doch auch Spanheim war in dieser Angelegenheit kein großer Erfolg beschieden. Bereits in einem seiner ersten Schreiben meldete er dem Kurfürsten, dass in der Sache mit den Interlopern wohl nichts zu erreichen sei, da der neue König soeben denselben jeglichen Handelsverkehr und die Ausrüstung von Schiffen

verboten

habe418. Der König war bereits Mitglied der EIC, als er noch Herzog von York war und hatte sich bereits da für ein härteres Vorgehen gegen die Interloper eingesetzt. Im Mai teilte Spanheim dem Kurfürsten mit, dass die Interloper, die sich in den Dienst der BAC zu stellen und unter kurfürstlicher Flagge Handel zu treiben wünschten, vor Repressalien seitens der EIC und der Regierung sicher wären. Er betonte jedoch gleichzeitig, dass die EIC nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn andere Staaten ähnliche Gesellschaften errichten würden, sofern diese dazu geeignet wären, den Niederländern Konkurrenz zu machen419. Dies war der letzte Versuch des Kurfürsten, mit Hilfe Englands den Ostindien-Handel aufzunehmen. Parallel zu dem o. g. Projekt mit England versuchte der Kurfürst auch, den Handel mit persischer Rohseide aufzunehmen420. Den ersten Versuch unternahm er zu Beginn des Jahres 1668, indem er den brandenburgischen Rat Friedrich Graf zu Dönhoff zu einer diplomatischen Mission nach Moskau schickte. Zu Dönhoff sollte dort Berichte überprüfen, nach denen zwischen dem Zaren und dem „König“ (Schah) von Persien kurz zuvor ein Vertrag geschlossen worden sei, demzufolge der Handel mit Rohseide, welcher bisher den Weg über das Osmanische Reich nach Italien genommen hatte, nach Russland und Polen umgelenkt werden sollte 421 . Träfen derartige Berichte zu, sollte Dönhoff das Interesse des Kurfürsten wahrnehmen und versuchen, den Zaren zu einer Einbindung Königsbergs in die neue Handelsroute zu bewegen. Auf dem Weg nach Moskau erkrankte Dönhoff jedoch in Königsberg, so dass die Mission abgebrochen und schließlich ganz aufgegeben werden musste. Bei Erfolg wäre dies ein lukratives Geschäft gewesen. Bereits in der Spätantike hatte sich in der persischen Provinz Gilan am Südufer des Kaspischen Meeres ein Zentrum der Seidenraupenzucht etabliert. Die dort produzierte Seide war zwar nicht so hochwertig 417

Schück I, S. 189. UA XXI, S. 364: Spanheim an den Kurfürsten, London den 21.April/1. Mai 1685. 419 UA XXI, S. 366f: Spanheim an den Kurfürsten, London den 8./18. Mai 1685. 420 Sribik, Heinrich: Zur Lebensgeschichte des Forschungsreisenden Jean-Baptiste Tavernier, in: HZ 167, 1943, S. 29-40, Brunschwig, Henri: L´Expansion allemande outre-mer du XVe siécle à nos jours, Paris 1975, S. 36 421 Hundt, Michael: „Woraus nichts geworden“. Brandenburg-Preußens Handel mit Persien (1668-1720), Hamburg 1997, S. 5. 418

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wie solche aus China, wurde jedoch in beachtlichen Mengen nach Europa verkauft. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts standen für den persischen Seidenhandel nach Europa drei Handelswege zur Verfügung. Der erste war der Landweg über Syrien in die Levante und von dort über das Mittelmeer nach Südeuropa, der zweite war der Seeweg um Afrika herum nach Westeuropa und der dritte verlief über das Kaspische Meer durch Russland nach Nord- und Nordosteuropa 422 . Der erstgenannte Weg war der traditionelle, jedoch führte dieser durch das Osmanische Reich und war durch mehrere Kriege Persiens mit diesem für mehrere Dekaden nahezu unterbrochen. Hinzu kam, dass das Osmanische Reich auf allen Transitwegen hohe Zölle erhob und den europäischen Kaufleuten den direkten Zugang zu den persischen Märkten verwehrte und der damit notwendige Zwischenhandel nahezu vollständig in den Händen armenischer Kaufleute lag. Diesen war es innerhalb weniger Jahrzehnte gelungen, ein Handelsnetz aufzubauen, welches von Ostasien bis Westeuropa reichte und dessen Basis die Übernahme des zuvor staatlichen Rohseidenhandels in Persien im Jahr 1618 war. Darüber hinaus gefährdeten die Kriege der westeuropäischen Staaten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch den Seeverkehr im Mittelmeer, was den Handel mit Persien insgesamt weiter einschränkte. In Russland lag das Handelsmonopol mit Seide beim Zaren, der es an russische Großkaufleute, sog. Gosti, verpachtete. Diese Gegebenheiten führten im Verlauf des 17. Jahrhunderts zu mehreren Versuchen, einen Rohseidenhandel über Russland aufzunehmen, welche jedoch allesamt erfolglos blieben423. Gescheiterte Versuche unternahmen auch Herzog Friedrich III. von Holstein-Gottrop zwischen 1630 und 1640 sowie Herzog Jakob von Kurland zwischen 1645 und 1654. Die Gosti konnten dieses Privileg finanziell nicht ausfüllen, so dass Zar Alexej im Mai 1667 zwei Vertretern armenischer Kaufleute ein Privileg erteilte, nachdem der Einfuhrzoll für die Armenier von zehn Prozent auf fünf Prozent gesenkt und das Gasthandelsrecht gegen Entrichtung weiterer fünf Prozent gestattet wurde, denn bisher war es westeuropäischen Kaufleuten explizit verboten, selbst über Russland einen Rohseidenhandel mit Persien durchzuführen424. Die Menge an Rohseide, die in der russischen Hauptstadt nicht verkauft werden konnte, durfte gegen Entrichtung weiterer fünf Prozent Binnenzoll zu den Grenz- und Hafenstädten im Norden und Nordwesten transportiert und dort an ausländische Händler weiterverkauft werden. Sollte auch dort nicht alle Seide abzusetzen sein, sah das Privileg nochmals gegen weitere fünf Prozent Exportzoll den Weitertransport nach Westeuropa vor. Rückfrachten von dort nach Persien sollten schließlich in Russland nur einmal mit sieben Prozent verzollt werden. Der Zar ließ über dieses Privileg sofort Händler und Regierungen in den Niederlanden, Hamburg, England, Frankreich, Spanien und Italien informieren. Die Sendung des

422

Hundt: Woraus nichts geworden, S. 6ff. Hundt: Woraus nichts geworden, S. 8, Mattiesen: Kolonialpolitik, S. 77ff. 424 Hundt: Woraus nichts geworden, S. 9. 423

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Grafen von Dönhoff hatte den Zweck, dem Kurfürsten ein genaues Bild über den Rohseidenhandel zu verschaffen, da in Berlin offenbar nur Gerüchte über diesen zirkulierten und der Kurfürst sich die Möglichkeit versprach, den zu erwartenden Warenverkehr nach Königsberg zu lenken 425 . Die bereits erwähnte Erkrankung Dönhoffs verhinderte schließlich, dass Brandenburg in Moskau in dieser Frage seine handelspolitischen Interessen vertreten konnte. Einen zweiten Versuch, eine Handelsbeziehung mit dem persischen Großmogul Aurang-Zeb aufzunehmen, unternahm der Kurfürst mit Hilfe des Franzosen Jean-Baptiste Tavernier. Dieser war der Sohn eines hugenottischen Landkartenhändlers aus Paris und ein bedeutender Kenner Persiens und Indiens, die er mehrfach bereiste und in einer Abhandlung von sechs Bänden Umfang über seine Reisen beschrieben hatte. Der Kurfürst lud ihn im Juni 1684 nach Berlin ein, damit er dem Kurfürsten bei der Aufrichtung der Ostindien-Gesellschaft beratend zur Seite stehen könne. Um für Tavernier das Angebot attraktiv zu machen, verlieh der Kurfürst ihm die Auszeichnung eines Kammerherrn und Admiralitätsrats 426. Im Juli 1684 erließ der Kurfürst ein Oktroi, in welchem die zu gründende Gesellschaft ähnlich privilegiert wurde wie die BAC 427. Tavernier verpflichtete sich, die Kosten der ersten Reise von 40.000 Reichstalern zu übernehmen, während der Kurfürst drei Schiffe für die Reise zur Verfügung stellen wollte. Der Sitz der Ostindien-Kompanie sollte in Emden sein. Um die Reise finanzieren zu können, beabsichtigte Tavernier, seine Güter in Frankreich zu verkaufen. Dazu begab er sich zunächst wieder nach Paris. Der Verkauf blieb jedoch im Ansatz stecken, da Ludwig XIV. mittlerweile das Edikt von Nantes aufgehoben hatte und im großen Stil hugenottische Vermögenswerte beschlagnahmen ließ, darunter auch die Güter Taverniers 428 . Dies hinderte ihn daran, sein Versprechen dem Kurfürsten gegenüber einzulösen, worauf die Verbindung Taverniers zum Kurfürsten schließlich abbrach. Weil der Kurfürst sich im September 1684 dazu bereit erklärt hatte, eine ostindische Kompanie in Emden zu errichten, gingen seine Bemühungen weiter 429 . Im März 1686 beauftragte er seinen Gesandten von Brandt in Kopenhagen, sich beim dänischen König wegen einer isländischen Kompanie, welcher der Kurfürst in Bremen aufzurichten gedachte, über einen Vergleich zu erkundigen. Dies wurde jedoch von den dänischen Ministern rundweg abgelehnt unter der Begründung, dass die einheimische Kompanie mit dem isländischen Handel unter Ausschluss aller anderen Nationen privilegiert sei430. Im Juni des selben Jahres sprach Raule erneut die Hoffnung aus, mit geringer Mühe eine Ostindien-Kompanie errichten zu können. Dieser Gedanke muss wohl so weit gediehen gewesen sein, dass der Kurfürst im August 1686 Bestallungspatente für den Schiffer Pieter Cornelius Koot und den Kaufmann 425

Hundt: Woraus nichts geworden, S. 10. Philippson III, S. 233, Boissonade: Relations économiques, S. 295f, Schück I, S. 187. 427 Schück I, S. 188, Schück II S. 225f Nr. 91. 428 Srbik: Tavernier, S. 33, Boissonade: Relations économiques, S. 295f. 429 Schück II, S. 232ff, Nr. 93. 430 Schück I; S. 191. 426

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Godofredus Eulenburg für eine Fahrt nach China und Japan ausstellte431. Wieder einmal sollte das benötigte Kapital für diese Fahrt von niederländischen Geldgebern beschafft werden. Von einer weiteren Verfolgung dieses Plans ist nichts bekannt, vermutlich verhinderte auch hier wieder Geldmangel eine weitere Ausführung. Im Frühjahr 1687 ist dann zum letzten Mal von der Gründung einer Ostindien-Gesellschaft die Rede. Ein Engländer namens Eduard Orth machte dem Kurfürsten einen entsprechenden Vorschlag, worauf er die Räte Meinders, Knyphausen und Fuchs anwies, mit Orth entsprechende Verhandlungen zu führen. Das Ergebnis war ein Oktroi, dessen Inhalt dem ähnelte, welches bereits Tavernier erhalten hatte 432 . Keiner dieser Anläufe ist je verwirklicht worden und der Kurfürst starb, ohne seine Vision von einer privilegierten OstindienKompanie verwirklichen zu können. Der Gedanke einer privilegierten Ostindien-Gesellschaft ist jedoch nicht mit dem Großen Kurfürsten begraben worden, auch unter seinen Nachfolgern gab es immer wieder Versuche, eine Ostindien-Kompanie auf die Beine zu stellen. 1704 traten der Advokat van Straaten und der Kaufmann van Dort, beide aus den Niederlanden, an König Friedrich I. heran und baten, Handelsfahrten nach Ostindien durchführen zu dürfen. Van Straaten hatte dazu einen vollständigen Entwurf einer ostindischen Handelsgesellschaft ausgearbeitet, der zugleich darauf ausgelegt war, die BAAC finanziell zu entlasten. Die entsprechenden Verhandlungen zogen sich jedoch in die Länge und das Projekt wurde, ausgelöst durch den Tod van Straatens im Februar 1706, schließlich aufgegeben, während über das Projekt des Kaufmanns van Dort wenig bekannt ist 433. Im gleichen Jahr machte der dänische Kapitän Palm auf Anregung des Grafen Viereck den Vorschlag, die Insel Tobago zu erwerben. Das Gesuch wurde jedoch vom Geheimen Rat mit der Begründung abgelehnt, dass der Erwerb der Insel zu kostspielig wäre und dass dadurch erhebliche diplomatische Schwierigkeiten mit der englischen Krone zu befürchten wären. Kurz darauf bat schließlich ein Engländer namens Mears darum, nach dem Stillen Ozean und nach Westindien Handel treiben zu dürfen. Diesen Vorschlag übersandte König Friedrich an das Bewindhaberkollegium in Emden zur Überprüfung, danach ist es aber offensichtlich in Vergessenheit geraten 434 . Anfang 1708 übermittelte der preußische Resident Bonet aus London eine ähnliche Anfrage. Auch diese ließ der König an von Knyphausen weiterleiten, um sie unter Einbeziehung ostfriesischer Kaufleute zu überprüfen435. Beide Projekte wurden nicht realisiert. Im Dezember 1712 trat wieder ein englischer Kapitän namens Henry Johnson an den brandenburgischen Gesandten in den Niederlanden heran und bat um einen Seepass, der ihm den 431

Schück II, S. 291f, Nr. 114. Schück II, S. 296ff, Nr. 117. 433 GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 61; Nr. 86, Blatt 62-64; Nr. 86, Blatt 65-69; Nr. 86, Blatt 70-71. 434 GStA Rep. 65 Nr. 90, Blatt 97. 435 Schück I, S. 279. 432

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Handel nach Ostindien, China sowie alle jenseits des Kaps der guten Hoffnung gelegenen Länder auf fünf Jahre ermöglichen sollte. Er weigerte sich jedoch, dem König eine Rekognition für den Seepass zu bezahlen, da er das gesamte Unternehmen auf eigenes finanzielles Risiko durchführen würde. Auf die Frage, worin dann der Vorteil für den König bestehen würde, antwortete Johnson, dass dieser in der Ausfuhr von einheimischen und der Einfuhr von ausländischen Waren sowie der Einnahme von Zöllen bestehen würde. Da man sich auf preußischer Seite nicht darauf einlassen wollte, war die Sache damit erledigt 436. Deutlich interessanter fand man auf preußischer Seite den Vorschlag einer ostafrikanischen Gesellschaft aus dem Jahr 1712, der von dem bereits erwähnten englischen Kapitän Mears gemacht wurde. Mears diente dabei jedoch als Strohmann für einen anderen Engländer namens Bowrey. Das Projekt sah vor, nach Ablauf von vier Jahren einen Gewinn von mindestens 500.000 Reichstaler abzuwerfen. Um das Unternehmen zu finanzieren, sollte eine Bank mit einem Grundkapital von mindestens 2 Mio. Reichstaler gegründet werden, welche das nötige Geld der Gesellschaft zu acht Prozent Zinsen jährlich leihen sollte437. Bowrey hatte zuvor zwanzig Jahre lang in Ostindien auf eigene Rechnung Handel getrieben und dabei angeblich von einer Insel in der Nähe von Madagaskar gehört, welche ein gemäßigtes Klima, Produktvielfalt und eine dem europäischen Handel gegenüber aufgeschlossene Bevölkerung hätte438. Der Plan war nun, einige Schiffe dorthin zu schicken und einen Handelsstützpunkt aufzubauen. Das besetzte Gebiet sollte Eigentum der Gesellschaft sein, aber unter der Souveränität der preußischen Krone stehen. Um Siedler anzulocken, sollte unentgeltlich Land an interessierte Siedler abgegeben werden. Dies wurde jedoch von Anfang an abgelehnt 439. Mears empfahl, zum Anfang zwei Fregatten für den Aufbau von Handelsbeziehungen zu schicken und das Ergebnis dieser Expedition abzuwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden sollten. Die Kosten für die Expedition sollten nach den Berechnungen von Mears 108.400 Gulden betragen. Ramler hingegen bezifferte die Kosten auf mehr als das Doppelte, nämlich auf 217.520 Gulden. Für die Finanzierung sollte die Stadt Hamburg als Geldgeber gewonnen werden, wo auch der Sitz der Gesellschaft eingerichtet werden sollte. Zugleich wollten auch einige Hamburger Kaufleute gegen eine jährliche Rekognition unter königlichem Schutz nach Afrika fahren und dort Handel treiben440. Da Mears nicht bereit war, sich finanziell an der Expedition zu beteiligen, wurde auch dieses Projekt schließlich fallen gelassen 441. Weitere Projekte für den Handel nach Ostindien gab es unter Friedrichs Regentschaft nicht mehr, erst infolge von König Friedrich Wilhelms Bemühungen, die BAC zu verkaufen, kam wieder ein Handelsprojekt nach Ostindien zur Sprache, wieder unter Federführung des bereits erwähnten 436

Schück I, S. 283. Schück I, S. 284. 438 GStA Rep. 65 Nr. 102, Blatt 43-45. 439 GStA Rep. 65 Nr. 102, Blatt 40-41. 440 Schück I, S. 284. 441 GStA Rep. 65 Nr. 99, Blatt 198. 437

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englischen Kapitäns Johnson. Es kam zu einem Vertragsentwurf, welcher Johnson die Erlaubnis für fünf Jahre erteilte, die preußischen Gebiete in Guinea mit einem Schiff unter preußischer Flagge gegen Abgabe der üblichen Gebühren anzulaufen442. Das auszurüstende Schiff sollte preußischen Untertanen bzw. Einwohnern der Stadt Emden gehören und auch dort für die Fahrt nach Guinea ausgerüstet werden. Die preußische Staatsangehörigkeit, die von seinen Besitzern gefordert wurde, sollte auch für die mitfahrenden Kaufleute sowie den Kapitän, die Offiziere und mindestens die Hälfte der Mannschaft gelten. Von den Rückfrachten sollte außer den üblichen Abgaben an die Stadt Emden eine Rekognition von fünf Prozent für die Erteilung der Erlaubnis, unter preußischer Flagge fahren zu dürfen, entrichtet werden. Der Unternehmer sollte vor Antritt der Fahrt für die ordnungsgemäße Zahlung der Rekognition eine Kaution hinterlegen und dafür Sorge tragen, dass die Rückfrachten in Emden gelöscht würden. Ferner sollte er unentgeltlich bei jeder Reise die für die preußischen Festungen in Guinea erforderlichen Waren und Lebensmittel sowie die Rückfrachten befördern. Auch dieser Entwurf kam nicht zur Ausführung, da Johnson nicht auf die Bedingungen einging und deswegen in Preußen nicht mehr vorstellig wurde 443 . Dies sollte schließlich für über 35 Jahre das letzte Mal sein, dass auf preußischer Seite versucht wurde, ein Handelsunternehmen für den Ostindienhandel zu gründen. Erst als Ostfriesland 1744 endgültig in preußischen Besitz überging, konnte im Jahr 1751 unter der Regentschaft von Friedrich II. in Emden die „Königlich Preußische Asiatische Compagnie“ gegründet werden, die einige Jahre erfolgreich Handel nach Indien und China betrieb, bis auch ihr durch die Folgen des Siebenjährigen Krieges ein frühzeitiges Ende gesetzt und sie von Friedrich II. 1765 wieder aufgelöst wurde.

442 443

Schück I, S. 292. Schück I, S. 294.

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Kapitel 3. Die Brandenburgisch Afrikanische Handelskompanie

3.1 Die Gründung der BAC

Nach dem Friedensschluss von St. Germain begannen sich Brandenburg und Preußen allmählich wieder wirtschaftlich zu erholen. Diese Entwicklung kam Kurfürst Friedrich Wilhelm sehr gelegen, da er erneut an seine Bemühungen, einen Überseehandel aufzubauen, anknüpfen wollte. Dazu richtete er sein Augenmerk zunächst auf Frankreich. Er strebte dabei von Anfang an eine politische wie wirtschaftliche Verbindung an. Ähnliche Vorstellungen bewegten auch den französischen Finanzminister Jean-Baptiste Colbert, der gerade versuchte, die fast in Vergessenheit geratene „Compagnie du Nord“ zu neuem Leben zu erwecken. Doch Ludwig XIV. beabsichtigte nicht, in der Vergangenheit begangene Fehler zu wiederholen, und war deshalb nicht bereit, auf die doch recht unsicheren Handelspläne Colberts einzugehen 444 . Für Brandenburg ergab sich aus dieser neuen Situation der französischen Politik bei den Bündnisverhandlungen die Tatsache, dass der wirtschaftliche Bereich von dem politischen Bereich abgekoppelt wurde, sehr zum Leidwesen des Kurfürsten, der bereits im Jahr 1664 einen Versuch unternommen hatte, bei den Verhandlungen zur Erneuerung des Bündnisses zwischen ihm und Frankreich zugleich auch ein Handelsabkommen zu schließen. Friedrich Wilhelm bat Ludwig XIV. durch seinen Gesandten Christian Caspar Freiherr von Blumenthal um Zollerleichterungen für zwei bis drei Schiffe, was Ludwig XIV. jedoch mit der Begründung, dass diese ihm ohnehin nicht viel einbringen würden, ablehnte445. Im darauffolgenden Jahr versuchte es der Kurfürst noch einmal, indem er vorschlug, französische Waren wie Wein, Salz, Getreide und diverse Manufakturwaren im Ostseeraum zu vermarkten und im Gegenzug russisches Leder, Schiffsbauholz, Wolle, Pech, Teer und Wachs nach Frankreich zu liefern446. Vierzehn Jahre später verhandelte der kurfürstliche Gesandte Franz von Meinders in Paris, kurz vor dem Friedensschluss von St. Germain, erneut über die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit Frankreich. Dieses Mal erbat der Kurfürst zusätzlich zu dem entworfenen Handelsabkommen, das freien Handel brandenburgischer Untertanen in den französischen Häfen in Westafrika und in der Karibik zum Ziel hatte, auch freien Schiffsverkehr sowie die Gleichstellung der brandenburgischen Schiffe mit denen der anderen Nationen 447 . Zusätzlich bot der Kurfürst an, gegen entsprechende Zahlung von Subsidien in der Ostsee einige Kriegsschiffe zu unterhalten, die dem König dort im Falle eines erneuten Konflikts mit den Niederlanden als Kaperschiffe zur 444

Mieck, Ilja: David und Goliath. Frankreich und Brandenburg als koloniale Konkurrenten zur Zeit Ludwigs XIV., in: Engler ,Winfried: Frankreich an der Freien Universität, Stuttgart 1997, S. 36-56, hier: S. 39. 445 Schück I, S. 134. 446 Droysen, Johann Gustav: Abhandlungen zur neueren Geschichte, Leipzig 1876, S. 339. 447 Boissonade: Relationes Economiques, S. 447ff; Schück I, S. 135f.

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Verfügung stehen sollten. Darüber hinaus erbat der Kurfürst das Recht, die französischen Kolonien in der Karibik mit Sklaven aus Guinea beliefern zu dürfen448. Letzteres ging auf einen Vorschlag von Raule zurück, der dem Kurfürsten empfohlen hatte, Frankreich für den brandenburgischen Handel in Guinea zu gewinnen, um so vor eventuellen Übergriffen der englischen und niederländischen Kompanien an der Guineaküste besser geschützt zu sein449. Auch Raule hielt den Handel mit Guinea und der Karibik für ein gutes Mittel, Preußen, Kolberg und die brandenburgischen Ländereien wirtschaftlich voran zu bringen. Der Baron Beauvau d´Espense sollte gemäß seiner Instruktion den französischen Hof von den Absichten des Kurfürsten unterrichten, den Handel mit Guinea aufzunehmen, und zugleich versichern, dass man am kurfürstlichen Hof bemüht sei, alles zu vermeiden, was den französischen Interessen schaden würde450. Ludwig XIV. lehnte das Ansinnen des Kurfürsten wieder ab, weil er den Unterhalt von Kriegsschiffen in der Ostsee für unnötig erachtete. Auch hatten sich bereits im Vorfeld unter den kurfürstlichen Beratern Zweifel am Zustandekommen dieses Vertrags ausgebreitet, die durchaus angebracht waren 451 . Am französischen Hof hatte man noch die kostspieligen Erfahrungen in Erinnerung, die in früheren Jahren mit den Handelsprojekten Colberts und der „Compagnie du Nord“ gemacht worden waren452. Ende August 1679 meldete der kurfürstliche Gesandte Franz von Meinders aus Paris, dass der König nicht auf den Vorschlag eingehen würde453. Ludwig XIV. ging es viel mehr um eine politische Allianz als um Handelsbeziehungen. Die im Oktober abgeschlossene Geheimallianz enthielt in kommerzieller Hinsicht lediglich die gegenseitige Zusicherung, dass den Untertanen gestattet wurde, sowohl in den Ländern als auch in den Häfen der beiden Vertragspartner freien Handel zu treiben454. An dieser reservierten Haltung hielt Ludwig XIV. auch in den kommenden Jahren fest, unbeeindruckt von den diversen Projekten Friedrich Wilhelms, der nicht zögerte, Ludwig XIV. immer wieder aufs neue durch kostbare Geschenke vom ökonomischen Potential des Handelspartners zu überzeugen. Mit der dem Kurfürsten eigenen Beharrlichkeit kam dieser noch mehrmals auf das Projekt zurück, aber die Defensivallianzen, die er am 11. Januar 1681 und am 22. Januar 1682 mit Ludwig XIV. abschloss, enthielten keine weitergehenden Handelsbestimmungen 455 . Raule versuchte dann noch einmal im März 1682 auf eigene Faust, Ludwig XIV. zu einem Handelsabkommen zu überreden, als im Rahmen von

448

UA XIX, S. 344, Anm. 1, Boissonade: Relationes Economiques, S. 268ff und S. 450. GStA Rep. 65 Nr. 24, Blatt 108-109. 450 UA XIX, S. 342-344: Instruction pour le Sr. Conte de Beauvau d´ Espense sur son retour en France, Potsdam den 10./20. Juli 1679. 451 UA XIX, S. 354ff: Schwerin an den Kurfürsten, Cölln an der Spree den 31. Juli/10. August 1679. 452 Boissonade: Relations Economiques, S. 206-209. 453 UA XIX, S. 363ff: Meinders an den Kurfürsten, Paris den 15./25. August 1679. 454 Moerner: Staatsverträge, S. 704-708 Anhang V. 455 Boissonade: Relationes Economiques, S. 272-276; Moerner: Staatsverträge, S. 708-715 Anhang VI und S. 715-718 Anhang VII. 449

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Frankreichs Reunionspolitik erneut ein Konflikt zwischen Frankreich und den Niederlanden drohte. Doch auch diesmal lehnte Ludwig XIV. das Angebot ab 456. Immerhin gestattete der König, dass brandenburgische Schiffe französische Häfen anlaufen durften 457 . Der für mehrere Jahre letzte abgeschlossene Vertrag zwischen Brandenburg und Frankreich, der geheime Allianzvertrag vom 25. Oktober 1683, beschränkte sich dann auch folgerichtig weitgehend auf die generelle Bestätigung der in vorangegangenen Verträgen getätigten Abmachungen. Die älteste Idee für eine Fahrt nach Guinea stammt von Raule, der bereits im Februar 1679 einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete, als er von Friedrich Wilhelm das erste Mal nach Berlin berufen wurde458. Raule bot dem Kurfürsten an, den Handel nach Guinea zunächst auf eigene Kosten aufzubauen und stellte in Aussicht, durch regelmäßige kleinere Investitionen seitens des Kurfürsten großen Gewinn zu erwirtschaften. Er hoffte dadurch auch, dass sich, falls sich der Handel nach Guinea erfolgreich entwickeln sollte, auch Investoren aus den Niederlanden anlocken ließen. Der Kurfürst ging auf diesen Vorgang jedoch nicht ein, ebenso wie auf einen weiteren Vorschlag Raules vom Dezember 1679, eine guinesische Handelskompanie in Brandenburg aufzurichten 459 . Danach sollte die Kompanie zwei Schiffe, deren Ausrüstung etwa 54.000 Reichstaler gekostet hätte, zu den Küsten von Guinea und Angola segeln lassen um dort Wachs, Gold, Elfenbein, Getreide und Sklaven einzuhandeln. Vom Kurfürsten verlangte Raule außer der Privilegierung der Kompanie auf 25 Jahre die Bereitstellung von acht Kanonen mit dem kurfürstlichen Wappen und 15 Soldaten. Die eingehandelten Waren sollten in den ersten vier Jahren zollfrei bleiben und der Kurfürst sollte eine finanzielle Einlage in Höhe von 10.000 Reichstalern einbringen, dafür sollte ihm das Recht der Ernennung des Präsidenten zustehen. Eine Mindesteinlage von 500 Reichstalern sollte jeden, der diese Summe anzulegen bereit war, zur Mitgliedschaft berechtigen. Das Bewindhaberkollegium sollte von den Hauptpartizipanten, das waren diejenigen, die mindestens 1.000 Reichstaler in der Kompanie anlegten, gewählt werden. Der Grund für die ablehnende Haltung seitens des Kurfürsten dürfte damit begründet sein, dass es in den eigenen Landen an entsprechend wagemutigen Kaufleuten mangelte, die bereit waren, sich an einem entsprechenden Unternehmen zu beteiligen, was Raule dem Kurfürsten gegenüber mehrfach beklagte. Der Kreis der Interessenten für den Überseehandel erstreckte sich somit auf Raule und seine niederländischen Landsleute. Diese waren dafür umso interessierter. Da Raule in den Niederlanden keinen besonders guten Ruf genoss, er war dort als Bankrotteur verschrien, nutzte er jede sich bietende Gelegenheit, das Handelsmonopol der WIC zu unterlaufen, indem er nun 456

UA XX, S. 632f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 29. März 1682, S. 637: Ludwig XIV. an Rébenac, St. Germain den 16. April 1682; Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 43. 457 Schück I, S. 136. 458 GStA Rep. 65 Nr. 7, Blatt 9-11. 459 Schück II, S. 89-92 Nr. 43.

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versuchte, mit niederländischem Geld und brandenburgischen Schiffen in den Bereichen, in welchen die niederländischen Handelskompanien tätig waren, Handel zu treiben. Die Niederlande machten dagegen geltend, dass eine derartige Vorgehensweise eine rechtswidrige Umgehung des Handelsmonopols war460. Sein Augenmerk hatte er dabei explizit auf die Küste von Guinea gelegt. Zunächst hatte er geplant, auf eigene Kosten Schiffe dorthin zu senden, da er der festen Überzeugung war, falls der erste Versuch erfolgreich wäre, dass dann auch andere Reeder aus den Niederlanden Schiffe ausrüsten und unter brandenburgischer Flagge nach Guinea segeln lassen würden, natürlich unter Einsatz von niederländischem Geld und Personal. Des weiteren plante er, Kaperfahrten gegen „Mohren und Chinesen“ zu unternehmen461. Als Raule sich im Juni 1680 in Kleve aufhielt, berichtete er dem Kurfürsten, dass er sich mit verschiedenen niederländischen Geschäftsleuten getroffen und mit ihnen u. a. Pläne für die Gründung einer Ostindien-Kompanie, den Handel mit Guinea und die Möglichkeiten der Durchführung der o. g. Kaperunternehmen erörtert hatte. Dabei erfuhr er, dass zumindest die VOC bei den angedachten Kaperunternehmen eine gewisse Toleranz walten lassen würde, da ihr Handel mit Japan sehr stark von Piraterie beeinträchtigt war. Dies sollte sich später jedoch als Trugschluss herausstellen. Als man in den Niederlanden von diesem Plan erfuhr, erhoben sie sogleich beim Kurfürsten Einspruch462. Raule stellte dem Kurfürsten anheim, den Bittstellern Kaperbriefe für eine Fahrt von zwei Jahren auszustellen, welche mit einer Kapitaleinlage von 50.000 Reichstalern viele Tonnen Gold einbringen sollten. Mit diesem Gewinn sollte dann die ostindische Kompanie errichtet werden. Des weiteren meldete er dem Kurfürsten, dass er beabsichtigte, auf eigene Kosten eine Fregatte mit 20 Kanonen und mit Waren auszurüsten, welche im August nach Guinea segeln sollte. Dazu bat er den Kurfürsten um 20 Soldaten. Ein paar Tage später berichtete er dem Kurfürsten, dass einer seiner Geschäftspartner ein Schiff zusammen mit Raules Fregatte nach Guinea zu senden beabsichtigte 463 . Der Kurfürst kam dieser Forderung unter der Bedingung nach, dass die noch laufende Strafexpedition gegen Spanien dadurch nicht beeinträchtigt werden sollte und stellte sogar einen Ingenieur für den Bau eines befestigten Stützpunktes zur Verfügung. Die Frage der zu errichtenden Handelskompanie stellte der Kurfürst indes jedoch zurück. Das Unternehmen sollte zwar unter brandenburgischer Flagge, aber auf alleiniges finanzielles Risiko von Raule und seinen Gesellschaftern unternommen werden 464 . Die beiden Schiffe, welche die Expedition nach Westafrika durchführen sollten, waren die Fregatten Wappen von Brandenburg unter dem Kommando von Kapitän Joris Bartelsen und Morian, die von dem Kapitän Philipp Pieterson 460

UA III, S. 622: Die Generalstaaten an den Kurfürsten, Den Haag den 7. November 1681, S. 629: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 22. November 1681. 461 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 28. 462 UA III, S. 605: Resolution der Generalstaaten, vom 7. Juni 1681. 463 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 67-68. 464 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 73.

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Blonck befehligt wurde. Beide Schiffsführer waren Niederländer. In der kurfürstlichen Instruktion wurde Bartelsen angewiesen, an der Küste von Guinea so lange Handel zu treiben, wie es ihnen vorteilhaft erschien, holländische, englische und französische Kompanieschiffe nicht zu fürchten, aber die Plätze zu meiden, wo sich deren Handelsstützpunkte befänden. Jedoch wurde ihnen ausdrücklich erlaubt, sich notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen, falls ihr eigener Handel behindert würde465. Die Instruktion beinhaltete auch die Erlaubnis, mit Sklaven zu handeln, jedoch nur dort, wo die örtlichen Gouverneure dies gestatten würden. Für den persönlichen Gebrauch erbat sich der Kurfürst einige seltene Tiere wie Affen und Papageien sowie ein halbes Dutzend junger Sklaven im Alter von vierzehn bis sechzehn Jahren, welche ihm als Hofdiener dienen sollten. Vor ihrer Rückkehr sollten sich die beiden Kapitäne jedoch vergewissern, ob zwischen Brandenburg und den anderen europäischen Staaten eventuell ein Krieg ausgebrochen war, und in diesem Falle entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen466. Obwohl das Unternehmen komplett von Raule und seinen Geschäftspartnern finanziert wurde und der Kurfürst materiell nur durch die Bereitstellung der Soldaten beteiligt war, erweckte es den Anschein, dass der alleinige Initiator der Kurfürst sei. Friedrich Wilhelm kam es vorrangig darauf an, dass endlich Schiffe unter kurbrandenburgischer Flagge auf den Weltmeeren kreuzten. Außerdem hoffte er, dass dieses Unternehmen unter seinen eigenen Untertanen Nachahmer finden würde, indem er im Dezember 1680 noch eine Order erließ, nach welcher allen Untertanen ausdrücklich erlaubt wurde, Schiffe nach den afrikanischen Küsten zu senden und dort Gold, Elfenbein und Sklaven einzuhandeln467. Um auf der sicheren Seite zu sein, informierte Friedrich Wilhelm Ludwig XIV. über die Reise der beiden Schiffe durch seinen Gesandten Spanheim und bat zugleich um die Ausstellung von französischen Seepässen für Bartelsen und Blonck468. Spanheim setzte sich darauf wegen dieser Angelegenheit mit dem französischen Außenminister Charles Colbert de Croissy in Verbindung. Er musste dem Kurfürsten jedoch Anfang September mitteilen, dass Ludwig XIV. den kurfürstlichen Schiffen die Erlaubnis gab, französische Häfen in Frankreich anzulaufen, nicht jedoch die Häfen in den französischen Kolonien. Begründet wurde dies damit, dass die Gouverneure nicht mehr rechtzeitig über die Ankunft der brandenburgischen Schiffe informiert werden könnten und dass es ohnehin in deren Ermessen läge, den Brandenburgern Handel zu gestatten. Auch wurde den brandenburgischen Schiffsführern die Ausstellung französischer Seepässe verweigert, da man in Frankreich fürchtete, dass bei Bekanntwerden auch die anderen europäischen Nationen um entsprechende Vergünstigungen nachsuchen würden 469 . Anfang September 1680 stachen die 465

Schück II, S. 95f Nr. 46, S. 96f Nr. 47. Steltzer: Häfen, S. 55. 467 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 281-283. 468 UA XIX, S. 393: Der Kurfürst an Spanheim, Potsdam den 13./23. Juli 1680. 469 UA XIX, S: 395: Spanheim an den Kurfürsten, Paris den 3./13. September 1680. 466

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brandenburgischen Schiffe von Vlissingen aus in See. Begleitet wurden sie von einem dritten Schiff, der Fortuna, das von einem seeländischen Reeder namens Gilllis Royard ausgerüstet war und Waren im Wert von 50.000 Gulden für den Handel in Guinea an Bord hatte 470. Zu Beginn des Jahres 1681 erreichten sie die Küste von Guinea. Das Unternehmen wurde von Anfang an von der Angst der WIC vor unliebsamer Konkurrenz überschattet. Der Stein des Anstoßes war für die WIC vor allem, dass auf den brandenburgischen Schiffen überwiegend niederländische Besatzungen unter niederländischen Kommandanten fuhren und in erster Linie die Interessen niederländischer Kaufleute vertraten, denen der Zugang zu den niederländischen Handelskompanien verwehrt worden war. Als Raule in seiner Funktion als Generaldirektor der Marine die WIC von der bevorstehenden Fahrt in Kenntnis setzte und um Unterstützung bat, wandten sich die Direktoren der WIC sofort an die Regierung der Generalstaaten und verlangten unter Hinweis auf ihr Handelsmonopol an der Küste von Guinea die Wahrung ihrer Handelsinteressen gegenüber Brandenburg. Die Generalstaaten gaben unter dem Druck der mächtigen Handelsherrn nach und untersagten fortan ihren Untertanen in einem Plakat vom 8. Oktober 1680, sich in fremde Dienste zu begeben und riefen diejenigen zurück, welche sich bereits in fremden Diensten befanden 471. Der Kurfürst reagierte auf diese Verordnung mit einem Gegenplakat, welches den in seinen Diensten stehenden Niederländern die Befolgung des niederländischen Plakats untersagte und ihnen bei Zuwiderhandlung sogar mit der Todesstrafe drohte472. Des weiteren rief er in einem weiteren Erlass seine in niederländischen Diensten stehenden Untertanen zurück und verbot ihnen unter Strafe, sich in Zukunft in niederländische Dienste zu stellen473 . Die Niederlande reagierten darauf mit einer Resolution, nach welcher die zuvor erlassenen Plakate auf rechtmäßigen Verträgen der Generalstaaten mit anderen Regierungen beruhte. Diese Verträge hätten den Zweck, die Untertanen der Generalstaaten an der Umgehung der Privilegien der VOC und WIC zu hindern. Sie sollten sich nicht von fremden Potentaten Kommissionen geben lassen und so von den Vorteilen, die sich jene durch große Opfer erkauft hätten, ohne großen Aufwand Nutzen ziehen, denn sie würden sonst den Handel derselben ruinieren, da sie die Waren, die nicht viel kosten, ansonsten viel billiger anbieten könnten als die Kompanien. Sie wiesen auch darauf hin, dass dieses Verbot bereits seit 60 Jahren Bestand habe und zuvor mehrmals geltend gemacht worden war, ohne dass sich der Kurfürst und seine Vorgänger darüber beschwert hätten. Sie gestanden dem Kurfürsten zwar das Recht zu, seinen Handel zu fördern, stellten aber klar, dass ihnen selbiges an der Küste von Guinea nicht recht war, weil so aufkommenden Streitigkeiten Tür und Tor geöffnet wäre und betonten, dass es besser 470

Peter, Heinrich Gustav: Die Anfänge der kurbrandenburgischen Marine, in: XII. Jahresbericht des SophienGymnasiums zu Berlin, Berlin 1877, S. 1-32, hier: S. 30. Über den Verbleib der Fortuna ist nichts weiter bekannt. 471 UA III, S. 589: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 20. Oktober 1680. 472 UA III, S. 590: Amerongen an den Griffier, Berlin den 30. Oktober 1680. 473 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 216.

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gewesen wäre, dies vorher mit ihnen abzusprechen. Deshalb wäre es ihnen nicht zumutbar, mit anzusehen, wie ihre eigenen Untertanen die Schifffahrt fremder Potentaten unterstützen würden474. Der Kurfürst antwortete darauf, dass die Generalstaaten in dieser Angelegenheit so viele Plakate erlassen könnten, wie sie wollten, ohne dass sich fremde Potentaten danach richten müssten475. Er argumentierte, dass im Natur- und Völkerrecht, wie gerade von den niederländischen Gelehrten postuliert würde, Schifffahrt und Seehandel im offenen Meer frei sei. Er wolle die niederländischen Handelskompanien nicht behindern, wo sie sich bereits niedergelassen hätten, doch erwarte er als Freund und Nachbar Hollands auch an diesen Orten für seine Schiffe grundlegende Hilfestellungen wie die Aufnahme von Wasser, Proviant etc. Die etwaigen sich aus der Schifffahrt ergebenden Schwierigkeiten gingen die Niederländer nichts an, sondern nur den Kurfürsten und seine Untertanen. Wie auch den Franzosen, Engländern, Dänen und anderen gestattet sei, ungeachtet des niederländischen Privilegs, welches ganz allgemein die Küsten Afrikas und einen Teil Amerikas umfasse, in diesen Gebieten Handel zu treiben, so müsse auch ihm das gleiche Recht zustehen. Die Generalstaaten entgegneten darauf, dass sie durch das besagte Privileg nur ihre Untertanen vom Handel im gesamten Gebiet desselben ausgeschlossen hätten, fremde Nationen aber nur von den Gebieten, welche die WIC gekauft hätten, wie dies Frankreich und die anderen ja auch täten. Im übrigen stünde selbst innerhalb dieser Grenzen der Handel jedermann frei, außer eben an den Plätzen, welche der WIC rechtmäßig gehören würden oder wo sie das alleinige Handelsrecht erworben hätte. Der Kurfürst solle nicht erwarten, dass die Generalstaaten ihn anders behandeln würden, als die anderen Nationen. Er möge sich nur nicht durch diejenigen niederländischen Untertanen, damit war Raule gemeint, welche durch den Eintritt in fremde Dienste die Privilegien der WIC umgingen und nur ihren persönlichen Vorteil suchten, etwas Falsches vorspiegeln lassen. Mit dieser Erklärung gab sich der Kurfürst schließlich zufrieden und hoffte, dass das Problem damit aus der Welt geschafft war476. Die WIC ließ sich trotz der oben geschilderten Beschlüsse nicht beirren und pochte weiterhin auf ihr vermeintliches Recht auf alleinigen Handel an den westafrikanischen Küsten. Es war für Friedrich Wilhelm deshalb ein empfindlicher Tiefschlag, als die WIC im Januar 1681 die Wappen von Brandenburg beschlagnahmen ließ, obwohl sie zum fraglichen Zeitpunkt in über zwanzig Meilen Entfernung vom nächsten niederländischen Stützpunkt geankert hatte. Die Beschlagnahme erfolgte aufgrund eines Urteils des Gouverneurs der niederländischen Festung Elmina mit der Begründung, dass sowohl der Kapitän als auch die Mannschaft sowie die Ausrüstung des Schiffes niederländischer Herkunft wären und die Wappen von Brandenburg im

474

UA III, S. 596-598: Resolution der Generalstaaten, vom 16. November 1680. GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 243-248. 476 Schück I, S. 146. 475

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Einflussbereich der WIC unerlaubt Handel getrieben hätte477. Der Vorgang lässt sich durch einen Augenzeugenbericht rekonstruieren 478 . Demnach hatte Kapitän Bartelsen im Januar die Küste zwischen Assena und dem Kap der Drei Spitzen ansteuern müssen, um frisches Trinkwasser aufzunehmen. Als er wieder in See gehen wollte, trieben ihn ungünstige Winde in die Nähe des Kastells Axim, wo Bartelsen besseren Wind abwarten wollte. Diese Gelegenheit nutzten einige Eingeborene, um von ihm ein Fass Wein zu erhandeln. Nach dem Verkauf ging er in der Nähe von Assena vor Anker, wo die Wappen von Brandenburg von zwei Schiffen der WIC zuerst inspiziert und anschließend mitsamt Ladung mit der Begründung beschlagnahmt wurde, dass sie von einem gebürtigen Vlissinger Kapitän kommandiert würde und von niederländischen Reedern ausgerüstet worden sei. Bartelsen und die Besatzung wurden danach in Axim gefangen genommen und einige Zeit später, verteilt auf mehrere niederländische Schiffe, zurück nach Europa gebracht. Allerdings hatte ein Kapitän namens Torner vor einer von der WIC in Zeeland einberufenen Untersuchungskommission ausgesagt, der eigentliche Grund der Wegnahme der Wappen von Brandenburg wäre ein angeblicher Mangel an Lebensmitteln in Elmina gewesen479. Die Morian hatte anfangs mehr Glück und konnte etwa einhundert Pfund Gold und 10.000 Pfund Elfenbein einhandeln480. Blonck musste die Verhandlungen jedoch vorzeitig abbrechen, da die niederländischen Schiffe auch die Morian zu kapern beabsichtigten. Sie konnte jedoch entkommen. Der größte Gewinn der Reise war ein Handelsvertrag, den Kapitän Blonck mit den drei Häuptlingen Apany, Pregatte und Sophonie aus der Gegend zwischen Axim und dem Kap der Drei Spitzen abgeschlossen hatte481. In diesem verpflichtete sich Brandenburg, innerhalb von acht bis zehn Monaten zurückzukehren und vor Ort eine Festung zu errichten. Die Häuptlinge erklärten sich im Gegenzug bereit, beim Bau des Forts behilflich zu sein und gaben eidesstattliche Versicherungen ab, ausschließlich mit den Schiffen unter brandenburgischer Flagge Handel zu treiben und sich zu bemühen, auch den Handel der näheren Umgebung mit einzubeziehen. Sie erbaten als Pfand einige Waren und eine brandenburgische Flagge, um Dritten gegenüber anzuzeigen, dass sie sich unter die Souveränität des Kurfürsten gestellt hätten. Nach Rückkehr der Morian zeigte sich Friedrich Wilhelm über den Abschluss dieses Vertrags mit den afrikanischen Häuptlingen sehr erfreut und versicherte ihnen in seiner Bestätigung des Vertrags seinen Schutz gegen ihre Feinde, versprach ihnen alles Notwendige zum Bau des Forts und stellte reichlich Geschenke in Aussicht 482. Dieser Vertrag bedeutete für den Kurfürsten den ersehnten Zugang zum Überseehandel, auf den er vom Beginn seiner Regentschaft hin gearbeitet hatte. Zum Andenken an diese erste Begegnung 477

Petsch, Kurt: Seefahrt für Brandenburg-Preußen 1650-1815, Osnabrück 1986, S. 43; Steltzer: Häfen, S. 56,. GStA Rep. 65 Nr. 32, Blatt 14. 479 GStA Rep. 65 Nr. 33, Blatt 168-172. 480 Steltzer: Häfen, S. 57, Schück I, S. 149. 481 Schück II, S. 100ff, Nr. 51 a und 51b. 482 Schück II, S. 117 Nr. 58. 478

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brandenburgischer Repräsentanten mit Afrika ließ Friedrich Wilhelm aus dem Gold, welches die Morian mitgebracht hatte, zwei Medaillen prägen, auf denen Motive der Seefahrt und Afrikas dargestellt waren. Eine der Medaillen trug auf der Vorderseite die Inschrift „DEO. DUCE. ASPICUS. SERENISSIMI. ELECTORIS. BRANDENBURGICI.“ und auf der Rückseite die Inschrift „COEPTA. NAVIGATIO. AD. ORAS. GUINAE. AN. MDCLXXXI. FELICITER.“ 483 . Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, in denen der Kurfürst eine Medaille prägen ließ, um an ein bestimmtes Ereignis zu erinnern. Zusätzlich zu den beiden Medaillen von 1681 wurden zwischen 1683 und 1693 jeweils auf kurfürstliche Anordnung mehrere Schiffs- bzw. GuineaDukaten geprägt. Diese Münzen hatten einen Goldgehalt von 3.42 g. Es ist jedoch nicht nachweisbar, ob das für die Prägung genutzte Gold tatsächlich aus Afrika stammte. Die GuineaDukaten sind ebenfalls mit der Inschrift „DEO DUCE“ versehen, dazu zeigen sie den Kurfürsten im Brustharnisch und die Ansicht eines Segelschiffes. Das Münzmeisterzeichen trägt das Kürzel LCS und steht für den kurfürstlichen Münzmeister Lorenz Christoph Schneider, was darauf hindeutet, dass diese Münzen in Berlin geprägt wurden. Dass von diesen Münzen gleich mehrere Jahrgänge geprägt wurden, zeigt, welche Bedeutung die repräsentative Darstellung ihrer überseeischen Handelsbemühungen Friedrich Wilhelm und Friedrich III. hatten, denn diese Münzen dürften ganz offensichtlich dazu gebraucht worden sein, die Mit- und Nachwelt mit solchen Geprägen zu beeindrucken484 Bevor die Morian die Nachricht der Konfiszierung der Wappen von Brandenburg durch die WIC überbringen konnte, war von dem inzwischen zum kurfürstlichen Faktor ernannten Vlissinger Kaufmann Gillis Royaert die o. e. Fortuna mit einer Ladung im Wert von 50.000 Gulden für eine Fahrt nach Guinea ausgerüstet worden. Die Abreise der Fortuna hatten die Bewindhaber der WIC jedoch aufgrund ihres Privilegs zu verhindern gesucht, indem sie das Schiff an die Kette legten. Erst auf den energischen Protest seitens Royaerts gaben sie das Schiff wieder frei485. Außer der Fortuna war noch ein anderes Schiff, die Brandenburgischer Dragoner, nach Afrika gesegelt sowie eine andere Fregatte, die Kurprinz von Brandenburg, welche von einem Kaufmann aus Rotterdam namens Jan Pedy augerüstet worden war, der kurz zuvor vom Kurfürsten zum Rat und Kommissar ernannt worden war486. Darüber hinaus plante Raule, weitere Schiffe nach Afrika zu schicken und aus Pillau ein zweites Dünkirchen zu machen. Den mit den drei afrikanischen Häuptlingen abgeschlossenen Vertrag ließ Raule nun nicht mehr ruhen und deshalb drängte er im Dezember 483

Giersberg, Hans-Joachim/Meckel, Claudia/Bartuscheck, Gerd: Der Große Kurfürst. Bauherr, Sammler und Mäzen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Potsdam 1988, S. 48. 484 Caspar, Helmut: Durch Gottes Führung. Koloniale Münzen und Medaillen der Hohenzollern, in: van der Heyden, Ulrich/Zeller, Joachim (Hg.): Macht und Anteil an der Weltherrschaft. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 69-74, hier: S. 70. 485 GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 212-214. 486 Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 28, Schück I, S. 148.

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1681 beim Kurfürsten erneut auf die Gründung einer afrikanischen Kompanie und auf die Einhaltung des Abkommens vom Mai desselben Jahres. Als besondere Vergünstigung verlangte er diesmal die Erbauung einer Festung, die Bereitstellung von Kanonen und Munition, Stellung von Garnisonstruppen, einen Prediger, geeignete Handwerker sowie die Erlaubnis zur Nutzung der Schiffswerft in Pillau und Lizenzfreiheit für die zu exportierenden Waren 487 . Dafür sollte der Kurfürst von den aus- und einlaufenden Kompanieschiffen dieselben Rechte haben, wie die Schiffe der WIC in den Niederlanden. Obwohl der Kurfürst Raules Vorschläge ernsthaft in Betracht zog, ließ ihn das andauernde feindselige Verhalten der Niederlande in dieser Angelegenheit immer noch zögern. So vereinbarte er in einer Defensivallianz mit Frankreich u. a., dass die Schiffe der – bisher nicht gegründeten – Handelskompanie französische Häfen anlaufen durften und durch Frankreich vor eventuellen Übergriffen anderer dort geschützt waren 488 . Es bedurfte seitens des Kurfürsten daher noch eines letzten Anstoßes, um das Projekt endlich ins Rollen zu bringen, der dann auch in Gestalt einer weiteren Denkschrift aus der Feder Raules im Februar 1682 überreicht wurde, in welcher er vorschlug, die Fregatten Kurprinz und Morian mit einer Ladung im Wert von 24.000 Reichstalern nach Guinea zu senden 489 . Die im ganzen auf 44.000 Reichstaler veranschlagten Kosten sollten von interessierten Investoren eingebracht werden, von denen der Kurfürst mit einer Einlage von mindestens 8.000 Reichstalern herausragen sollte. Dieser Denkschrift war noch der Entwurf eines Kompanie-Patents beigefügt. Dieser wurde dem Geheimen Rat zur Prüfung vorgelegt und endlich am 17 .März 1682 als „Edict wegen Octroyierung der aufzurichtenden HandelsCompagnie auf den Küsten von Guinea“ vom Kurfürsten erlassen 490. Im November 1682 kam es schließlich zur offiziellen Gründung der Brandenburg-Afrikanischen Compagnie (BAC). Zusammen mit dem o. g. Edikt bildete das Oktroi, welches am 18. November ausgestellt wurde, die juristische Grundlage für die erste brandenburgische Handelsgesellschaft 491. Das Oktroi der BAC legte fest, dass jedem, ob brandenburgischem Untertan oder ausländischem Kapitalgeber, erlaubt sei, sich gegen eine Mindesteinlage von 200 Reichstalern an der Kompanie zu beteiligen. Zur Teilnahme an der Teilhaberversammlung war berechtigt, wer mindestens 1.000 Reichstaler eingezahlt hatte. Der Kurfürst behielt sich das Recht als Schirmherr über die Gesellschaft vor, einen seiner Räte zu den Teilhaberversammlungen zu senden, auf denen über die Planung der Reisen, die Ausrüstung der Schiffe und die Verwendung der Rückfrachten beraten wurde. Er versprach der Kompanie seinen Schutz und die Bereitstellung der dazu nötigen Truppen auf den Schiffen und den zu errichtenden Festungen. Gehandelt werden sollten vor allem Gewürze, Pfeffer, Elfenbein, Gold 487

Schück II, S. 120ff Nr. 60. Moerner: Staatsverträge, S. 426ff, Nr. 247; Schück II, S. 122f, Nr. 61. 489 Schück II, S. 123-126 Nr. 62. 490 Schück II, S. 126-129 Nr. 63. 491 Schück II, S. 136-142 Nr. 67. 488

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und Sklaven, dabei sollten jedoch die Rechte der bereits etablierten Kompanien von England, Dänemark und den Niederlanden geachtet werden. Friedrich Wilhelm lag sehr am Herzen, die Einflusssphären der Konkurrenz zu achten und keinesfalls aggressiv gegen diese vorzugehen, um nicht ihren Unmut zu wecken492. Noch vor der Ausstellung des Oktrois ließ Friedrich Wilhelm am dänischen Königshof sondieren, wie dort über die Aufnahme des brandenburgischen Überseehandels gedacht wurde, da ja alle brandenburgischen Schiffe den Sund passieren mussten493. Des weiteren sagte der Kurfürst zu, in Guinea eine Festung errichten zu lassen und zu diesem Zweck bereits mit dem nächsten abgehenden Schiff einen Unterhändler zu den Eingeborenen zu schicken. Zentraler Bestandteil des Oktrois war das Handelsmonopol. Außer den Partizipanten war es niemand sonst erlaubt, mit den zu gründenden Niederlassungen Handel zu treiben. Die genaue Organisation der Gesellschaft sollte durch ein Reglement bestimmt werden, die Gültigkeit des Oktrois war auf dreißig Jahre gewährt. Der Kurfürst verpflichtete sich am Schluss, persönlich die höchste Summe in das Unternehmen einzuzahlen. Vorerst ging man davon aus, dass ein Grundkapital von 50.000 Talern ausreichend sei. Es erwies sich jedoch als außerordentlich schwierig, diese Summe zusammenzubringen. Neben dem Kurfürsten, der 8.000 Reichstaler in das Unternehmen einzahlte, und dem Kurprinzen, der sich mit 2.000 Reichstaler beteiligte, waren es vor allem die Geheimen Räte und andere Personen aus dem persönlichen Umfeld des Kurfürsten, die Anteile zeichneten und oftmals nicht oder nicht pünktlich bezahlten. Um das operative Geschäft überhaupt ins Rollen zu bringen, musste Raule seinen Anteil schließlich auf 24.000 Reichstaler erhöhen494. Insgesamt wurden 48.000 Reichstaler gezeichnet495. In juristischer Hinsicht hatte die Gesellschaft den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Kooperation mit ihr delegierten obrigkeitlichen Befugnissen. Zugleich war sie von ihren inneren Strukturen her eine nach privatrechtlichen Grundsätzen organisierte Aktiengesellschaft 496 . Unter den Aktionären wurden drei Kategorien unterschieden: Partizipanten, Hauptpartizipanten und privilegierte Partizipanten. Partizipant war jeder, der 200 Reichstaler einzahlte, hatte dafür das Recht auf Gewinnbezug, jedoch kein Stimmrecht. Hauptpartizipanten waren diejenigen, die mindestens 1.000 Taler eingezahlt hatten. Dies verbriefte neben dem Gewinnbezug auch ein Stimmrecht in der Generalversammlung, welches die Ausübung von echtem Einfluss ermöglichte. Ein Mehrfaches von Tausend ergab ein äquivalentes Mehrfaches an Stimmen. Privilegierte Partizipanten waren schließlich diejenigen Aktionäre, die auf einmal 10.000 Reichstaler oder ein 492

Stuhr: See- und Kolonialmacht, S: 31; Borcke: Kurbrandenburgische Marine, S. 31. UA XIX, S. 576ff: Instruktion wonach sich unser Hofrat Paul Fuchs untertänigst zu achten, Cölln an der Spree den 25. Dezember/4. Januar 1681. 494 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 179-184. 495 Schmitt, Eberhard: Die brandenburgischen Überseehandelskompanien im XVII. Jahrhundert, in: Schiff und Zeit 11, Herford 1980, S. 6-20, hier: S. 9; ders.: The Brandenburg Overseas Trading Companies in the 17 th Century, in: Blussé/Gaastra: Companies and Trade, S. 159-176, hier: S. 163. 496 Schmitt: Überseehandelskompanien, S. 10f, ders: Trading Companies, S. 164f. 493

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Vielfaches davon eingezahlt hatten. Hatten diese dazu ihren Wohnsitz am Ort der Gesellschaft, waren sie zugleich auch Direktoren bzw. Bewindhaber. Die Organe der BAC waren die Generalversammlung und der Vorstand. Die Generalversammlung bestand aus sämtlichen Hauptpartizipanten, sie sollte jeweils nach der Rückkehr der Schiffe zusammentreten, um über den Verkauf der Waren zu beraten bzw. so oft, wie es die Satzungen festgelegt hatten. Beschlüsse erfolgten in der Generalversammlung regulär mit einfacher Mehrheit, Ausnahmen davon waren die Aussetzung der Gewinnverteilung, die Kreditaufnahme und die Absetzung eines Bewindhabers. Zu ihren Aufgaben gehörte die Entscheidung über sämtliche Personalfragen, die Entscheidung über den Verkauf der Rückfrachten, die Gewinnverteilung, Einsichtnahme in Bilanzen und Inventarlisten sowie ggf. Änderungen der Satzungen. Der Vorstand bzw. das Bewindhaberkollegium setzte sich aus drei Personen, einem vom Kurfürsten zu benennenden Präsidenten und zwei Bewindhabern als Vizepräsidenten zusammen. Diese Zahl wurde 1692 auf neun erhöht, so dass dem Präsidenten dann acht Direktoren zur Seite standen. Zu seinen Aufgaben gehörten die korrekte Buchführung, Inspektion und Inventarisierung der Schiffe, die Aufsicht über An- und Verkauf der Waren, Rechnungslegung und Bilanzierung sowie die Einberufung der Generalversammlung und die Ausführung der dort getätigten Beschlüsse497. Außerdem vertrat der Vorstand die Gesellschaft nach außen, die Mitglieder hafteten für ein Verschulden in der Geschäftsführung mit ihrem eigenen Vermögen. Dem Personal der BAC war es auch verboten, privaten Handel nach Übersee zu betreiben. Die Aufsicht über die Kompanie führte der Kurfürst, indem er nahezu alle Bediensteten unmittelbar in Eid und Pflicht genommen hatte. Die Teilnahme an der BAC war nicht auf die Untertanen des Kurfürsten beschränkt, was sie grundlegend von den anderen europäischen Handelskompanien unterschied, wo es den jeweiligen Untertanen teilweise bei Strafe verboten war, sich an ausländischen Kompanien zu beteiligen498. Im Oktroi war es jeder Person, ohne Ansehen ihres Standes, Würde, Abkunft, Nation oder Religion erlaubt, Anteile zu zeichnen. Obwohl das Oktroi der BAC unbeschränkten Zugang von Kapital ermöglichte, beteiligten sich neben dem Kurfürsten, dem Kurprinzen und Benjamin Raule nur kurfürstliche Beamte und zukünftige Angestellte der Kompanie499. Der Sitz der BAC war zunächst in Berlin, er wurde aber bereits ein Jahr später nach Emden verlegt.

497

Jahntz, Katharina: Privilegierte Handelskompanien in Brandenburg und Preußen. Ein Beitrag zur Geschichte des Gesellschaftsrechts, Berlin 2006, S. 76ff. 498 Jahntz: Privilegierte Handlungskompanien, S. 46f; Ring, Viktor: Asiatische Handlungskompanien Friedrichs des Großen, Berlin 1890, S. 164, Weindl, Andrea: Die Kurbrandenburger im atlantischen System, Köln 2001, S. 14. 499 Schück I, S. 161.

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3.2. Die Entwicklung der BAC bis zum Tod Friedrich Wilhelms 1688

Nachdem die Kapitalbeschaffung zur Gründung der BAC gesichert war, unternahmen die Beteiligten erste Schritte, um das operative Geschäft der Kompanie in Gang zu bringen. Für die erste Expedition unter der Schirmherrschaft der BAC schlug Raule vor, die beiden Fregatten Churprinz von Brandenburg unter dem Kommando von Matthias Voss und Morian unter dem Kommando von Philipp Pieterson Blonck, welche bereits seit Mai 1682 segelfertig auf der Reede von Glückstadt lagen, nach Afrika zu schicken. Die geplanten Kosten der Expedition sollten jedoch das gesamte bisher eingezahlte Kapital von 48.000 Reichstalern beanspruchen, und zwar jeweils zur Hälfte für die Ladung der Tauschwaren und für die Versorgung der geplanten 600 Sklaven 500. Die Expedition sollte unter dem persönlichen Schutz des Kurfürsten stehen, da zum Zeitpunkt ihrer Planung die BAC sich noch in ihrem Gründungsprozess befand. Den Oberbefehl sollte auf persönlichen Wunsch des Kurfürsten der erst kurz zuvor von einer mehrjährigen Pilgerreise zurückgekehrte brandenburgische Adelige Otto Friedrich von der Gröben übernehmen. Von der Gröben war eigens dafür noch in Abwesenheit von Friedrich Wilhelm zum Kammerjunker befördert worden und wurde bevollmächtigt, den im Vorjahr von Blonck mit den drei Häuptlingen geschlossenen Vertrag zu erneuern 501 . Dazu gab der Kurfürst ihm einen Brief für die drei Häuptlinge mit, in welchem er ihnen Schutz und Protektion sowie den Bau einer Festung zusagte502. Ebenso wie die Kapitäne erhielt von der Gröben eine Instruktion, wonach er angewiesen wurde, sobald er das Kap der Drei Spitzen erreicht hatte, Kontakt mit den drei Häuptlingen aufzunehmen und zu sondieren, ob sie immer noch gewillt wären ihrer Vertragspflicht nachzukommen. Falls dem so wäre, sollte von der Gröben unverzüglich mit dem Bau der zugesagten Festung beginnen503. Währenddessen war man in Berlin eifrig damit beschäftigt, alles nur mögliche zu unternehmen, was dem Überseehandel in irgend einer Weise förderlich war. So schlug Raule dem Kurfürsten vor, in Berlin Schiffe bauen zu lassen, zum einen, um den in der Marine befindlichen Schiffszimmerleuten Beschäftigung zu verschaffen und zum anderen, weil er sich davon aufgrund des billig zu beziehenden Bauholzes großen Erfolg versprach504. Er hatte auch geplant, zusammen mit seinen Geschäftspartnern über Hamburg hinaus Handel nach Frankreich, Portugal, Spanien, England und Holland zu treiben, um die für den Tauschhandel benötigten Waren aus erster Hand beziehen zu können. Friedrich Wilhelm bestellte dazu eine Kommission, welche zur Verbesserung 500

GStA Rep. 65 Nr. 33, Blatt 192. Huth, Hans: Otto Friedrich von der Gröbens Abenteuer in Afrika, in: Der Bär von Berlin, 1976, S. 31-52, hier: S. 35. 502 GStA Rep. 65 Nr. 29, Blatt 1. Abgedruckt bei Schück II, S. 102f, Nr. 52, dort jedoch falsch datiert auf den 16. Mai 1681, während die Originalvorlage auf den 16. November datiert ist. Schück geht davon aus, dass es sich um einen Schreibfehler handelt, siehe ebenda, Anm. 2. 503 Schück II, S. 133ff, Nr. 65. Zum Verlauf der Expedition siehe Kapitel 6.3.1. 504 Schück I, S. 165f. 501

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der Schifffahrt und des Handels entsprechende Vorschläge unterbreiten sollte. Geleitet wurde die Kommission von dem kurfürstlichen Kriegsminister Joachim Ernst von Grumbkow. Raule unterbreitete der Kommission folgende Vorschläge zur Prüfung: 1. Die Errichtung einer Lehnbank, welche eine Summe von 100.000 Reichstalern zu 4 bis 4,5 Prozent aufnehmen und danach kleinere Beträge zu 6 bis 7 Prozent gegen reale Sicherheit von zwei Dritteln des Wertes mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist verleihen sollte; 2. Einführung eines Wechselrechts als Sicherheit für die Bank mit strenger Exekution gegen den Schuldner ohne förmlichen Prozess; 3. Einführung einer Pflichtversicherung gegen Hausbrände für alle Hausbesitzer in Berlin, Cölln und Werder; 4. Gezielte Anwerbung der wegen ihres Glaubens verfolgten Franzosen durch Anbieten von günstigen Bedingungen; 5. Errichtung eines Kommerzienkollegiums in Berlin für die Schlichtung von Handelssachen ohne Anwaltszwang; 6. Erlassung einer Proklamation, nach welcher jeder Kaufmann und Handwerker seine Absichten über die Verbesserung des Handels beim Kommerzienkollegium vorbringen dürfe; 7. Ausstellung eines Handwerks-Reglements; 8. Nachlass der Steuern bei diversen Genussmitteln der Handwerksgesellen; 9. Bau von Wohnhäusern für die Armen gegen geringen Mietzins; 10. Ermittlung eines angemessenen Tarifs für den Personen- und Gütertransport aus Frankreich; 11. Betreibung des Schiffbaus in Berlin. Die Kommission befand Raules Vorschläge für grundlegend gut, einige für jedoch wenig praktikabel. Der größte Kritikpunkt betraf die Einrichtung der Bank, da die Einrichtung einer solchen nach ihrer Ansicht nur bei bereits blühendem Handel erfolgreich sein könnte. Außerdem bestünde das Risiko, dass alle Einleger zugleich ihre Guthaben kündigen könnten, was die Bank dann in große Schwierigkeiten bringen würde. Raule wandte dagegen ein, dass die Bank ja gerade dazu bestimmt sei, den Handel zu beflügeln, eben weil viele interessierte Investoren dadurch erst das benötigte Kapital an die Hand bekämen. Das Risiko der Kündigung räumte Raule zwar ein, gab jedoch zu bedenken, dass die Kündigungsfristen unterschiedlich wären und dass die nicht rechtzeitig eingelösten Pfänder versteigert oder die Sicherheiten selbst anstelle von Geld zurückgegeben werden könnten. Dazu vertrat Raule die Ansicht, dass jeder kurfürstliche Untertan sein Geld lieber in Berlin als in Hamburg angelegt sehen würde. Ob eine von Raules Ideen verwirklicht wurde, ist nicht bekannt. Es ist jedoch bemerkenswert, dass seine Ideen bereits erste Ansätze staatsökonomischen und sozialpolitischen Denkens trugen. Auch für die Bedürfnisse der Marine sollte gesorgt werden. Eine Anzahl von Verordnungen sollte die Einrichtung eines Admiralitätshauses, einer Schiffswerft, einer Reeperbahn, mehrerer Logen nebst Zubehör sowie eines Gefängnisses in Pillau regeln. Die Oberaufsicht über sämtliche administrativen Angelegenheiten lag bei Raule505.

505

Schück I, S. 166ff.

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Ende April 1683 erhielt die BAC ein neues Reglement, welches bereits in seinem ersten Artikel bestimmte, den Sitz der Kompanie von Königsberg nach Emden zu verlegen und gleichzeitig die Emdener Bürgerschaft als Teilhaber aufzunehmen 506. In den weiteren Paragraphen wurden hauptsächlich allgemeine Organisationsfragen geregelt. An der Spitze der Kompanie sollten drei Direktoren stehen, die von den Hauptpartizipanten gewählt wurden. Einer von ihnen sollte vom Kurfürsten als Präsident ernannt werden. Das Leitungsgremium war verpflichtet, über jede Ausrüstung von Schiffen die Zustimmung der Teilnehmer einzuholen und darüber Rechenschaft abzulegen, außer bei Gefahr im Verzug. Außerdem mussten sie für die Versteigerung der Rückfrachten Sorge tragen und ihnen oblag die Aufgabe, hereinkommendes Edelmetall zu vermünzen. Über die Vermögenslage der Kompanie mussten die Direktoren einmal im Jahr einen Rechenschaftsbericht abgelegen. Die Aufnahme von Krediten und Anleihen gegen Verpfändung von Kompanieeigentum bedurften der Zustimmung von zwei Dritteln der Partizipanten. Die Bewindhaber übten die Kontrolle über die Geschäfte der Kompanie auf Sitzungen aus, welche einmal wöchentlich stattfinden sollten. Um zu gewährleisten, dass die Kompanie ständigen Kontakt zum Kurfürsten hielt, wurde eigens dafür ein ständiger Vertreter am Berliner Hof bestellt. Alles, was in diesem Dokument nicht geregelt wurde, sollte durch die Direktoren mit einfacher Mehrheit entschieden werden. Inzwischen waren die beiden Schiffe Kurprinz und Morian wieder zurückgekehrt. Der Gewinn aus dieser ersten Expedition war jedoch, von der Gründung der Festung Großfriedrichsburg durch Otto Friedrich von der Gröben abgesehen, eher gering. Der Erlös aus dem Verkauf der Waren und der Vermünzung des in Afrika eingehandelten Goldes betrug insgesamt weniger als 20.000 Reichstaler. Im Einzelnen bestand der Erlös der Rückfracht der Morian aus 58 Pfund und 8 Lot Gold, aus dem 7.226 ¼ Dukaten im Wert von 14.453 Reichstalern geprägt wurden, aus 600 Pfund Getreide für 457 Reichstaler und 16 Groschen und 9.800 Pfund Elfenbein im Wert von 3.400 Reichstalern. Die Kurprinz brachte den größten Teil ihrer Waren wieder zurück, sowie 1 Mark Gold im Wert von 320 Gulden und eine Obligation über 9.160 Reichstaler für verkaufte Sklaven, welcher der Käufer nicht zu zahlen bereit war, da er bei der Wegnahme der Wappen von Brandenburg angeblich Verluste erlitten und der Kurfürst sich verpflichtet hätte, dafür aufzukommen. Dies reichte nicht einmal aus, um eine zweite, bereits geplante Expedition auszurüsten, deren Kosten mit 46.131 Reichstalern veranschlagt worden war 507 . Für diese Fahrt waren die beiden Schiffe Wasserhund und Goldener Löwe vorgesehen. Um die beiden Schiffe dennoch in Fahrt zu setzen, musste die Kompanie 16.000 Reichstaler Kredit aufnehmen. Anfang September segelte die Wasserhund, ein kleineres Schiff mit nur zehn Geschützen armiert, von Emden ab, während ihr die 506 507

Schück II, S. 136ff Nr. 67 und S. 169ff Nr. 72. Schück II, S. 193ff Nr. 81.

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größere, mit 32 Geschützen armierte Goldener Löwe Mitte Oktober nachfolgte. Ende November trat in Emden erstmals das Bewindhaberkollegium zu einer ordentlichen Versammlung zusammen. Die ersten Amtshandlungen bestanden darin, die wichtigsten administrativen Posten zu besetzen508. Im einzelnen wurden Bestallungen für einen Protokollisten, einen Magazin-Kommissar, einen Buchhalter und Kassierer und einen Equipagenmeister ausgestellt sowie eine verbindliche Eidesformel für das Personal erlassen. Danach wurde eine Bilanz erstellt, welche Auskunft über die Vermögensverhältnisse der Kompanie geben sollte 509 . Demnach beliefen sich die Passiva der Kompanie auf 77.750 Reichstaler und die Aktiva auf 99.021 Reichstaler. Der Aussagewert dieser Bilanz ist jedoch eher gering, da auf der Seite der Aktiva die Vermögenswerte eher willkürlich aufgelistet wurden. So ist z. B. die Festung Großfriedrichsburg mit 12.000 Reichstalern veranschlagt, was etwa der Summe entspricht, welche der Kurfürst zu ihrem Bau bereitgestellt hatte. Ihr wahrer Wert dürfte jedoch deutlich geringer gewesen sein, da ihr Bau gerade erst begonnen hatte und zu diesem Zeitpunkt lediglich aus einem abgesteckten Grundstück und den Materialien bestand, die Kapitän Blonck dort zurückgelassen hatte, bevor er wieder nach Europa zurückkehrte510. Des weiteren wird ein Posten verkaufter Sklaven der Fregatte Kurprinz mit 10.076 Reichstalern aufgeführt, der jedoch nicht real existierte, da es sich um den o. g. Schuldschein handelte, der aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Käufers nicht vollstreckt werden konnte. Bereits bei dieser ersten Bilanz ist ersichtlich, was sich wie ein roter Faden durch alle Bilanzen der brandenburgischen Handelskompanien ziehen sollte: die überwiegend korrekte Verbuchung der Passiva bei gleichzeitig geschönter bzw. willkürlicher Buchung der Aktiva, um die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der Kompanie „zu verschönern“. Um dies zu erreichen, wurden einfach die zur Verfügung stehenden Warenwerte und, was noch leichter war, der koloniale Besitz entsprechend hoch geschätzt. Und wenn dies nicht ausreichte, „erfand“ man einfach entsprechende Forderungen zum gewünschten Wert. Mit dem sich so ergebenden „Überschuss“ von 21.271 Reichstalern schloss der Bericht der Bewindhaber an den Kurfürsten mit der Bitte, dass dieser der Kompanie die Summe der ausstehenden Forderung über die gelieferten Sklaven vorschießen möge. Da die finanzielle Lage der gerade ins Leben gerufenen Kompanie nach wie vor angespannt blieb, mussten schnell Wege gefunden werden, die ihre Vermögensverhältnisse aufbessern konnten. Dazu gab es zwei Möglichkeiten. Entweder erhöhten die bereits engagierten Investoren ihre Einlagen, oder es mussten neue Investoren gefunden werden. Die Teilhaber waren aber mitnichten dazu geneigt, weiterhin Geld in die Kompanie einzulegen, sie drängten im Gegenteil auf die Auszahlung einer Dividende. Raule versuchte, dies zu verhindern, indem er

508

Schück II, S. 187-192 Nr. 80a-e. Stadtarchiv Emden, 1. Registratur Nr. 279b, fol. 110. 510 Schück II, S. 155ff Nr. 69. 509

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gegenüber dem Kurfürsten argumentierte, dass gerade die verfrühte Auszahlung von Dividenden sowohl bei der französischen Ostindien-Kompanie wie bei der WIC für deren erhebliche finanzielle Schwierigkeiten verantwortlich war. Er befürchtete völlig zu Recht, dass die Kompanie dem finanziellen Ruin preisgegeben wäre, wenn die erzielten Gewinne unter den Investoren aufgeteilt würden, anstatt sie für die Bildung einer soliden Kapitaldecke zu nutzen. Dies schien den Kurfürsten zu überzeugen, denn er ordnete darauf an, die erzielten Gewinne bis auf weiteres ausschließlich zur Ausrüstung neuer Expeditionen zu verwenden 511. Da die bisherigen Teilhaber kein frisches Geld einlegen wollten, blieb also nur der Weg, sich nach neuen Investoren umzusehen. Die Weigerung der Investoren, erneut Geld zu geben, ist insofern verständlich, da sie bereits einige Monate zuvor ihre Einlagen um 20 Prozent erhöht hatten und auch weiterhin keine nennenswerte Gewinnausschüttung zu erwarten war. Dabei war bereits in Paragraph 1 des Reglements für die BAC festgelegt, dass 50.000 Reichstaler als Anfangsinvestition nicht ausreichend waren und diese Summe verdoppelt werden müsste, um wie geplant zwei Mal zwei Schiffe aussenden zu können512. Bereits Anfang August 1683 war es dem Kurfürsten gelungen, die ostfriesischen Stände zu einer Einlage von insgesamt 24.000 Reichstalern zu bewegen 513. Ihre Beteiligung reichte jedoch nicht aus, so dass Anfang Januar 1684 der Kurfürst sich deswegen auch an den Kurfürsten und Erzbischof von Köln, Maximilian Heinrich von Bayern wandte 514 . Friedrich Wilhelm wollte Maximilian Heinrich mit dem Versprechen locken, dass dieser bei einer Einlage von 20.000-24.000 Reichstalern bei der Entscheidungsbefugnis den anderen Bewindhabern gleichgestellt wäre. Tatsächlich ließ Maximilian Heinrich sich überzeugen, so dass er im März 1684 schließlich die Einzahlung von 24.000 Reichstalern zusagte. Es bedurfte jedoch mehrerer Erinnerungen seitens Friedrich Wilhelms, bis er die erste Hälfte im Mai 1685 endlich bezahlte. Die andere Hälfte wurde sogar erst Mitte April 1688 ausgestellt 515. Die Beteiligung Maximilian Heinrichs unterschied sich von derjenigen der anderen Investoren dadurch, dass er einen eigenen Bewindhaber stellen durfte und jährlich fünf Prozent Zinsen vor allen anderen ausgezahlt bekommen sollte. Um die immer noch instabile finanzielle Situation der BAC dennoch zu stärken, verfiel Raule in Berlin wieder auf die Idee zur Gründung einer ostindischen Kompanie. Er versprach sich vom Handel mit Asien nach wie vor größere Gewinne, die dazu verwendet werden sollten, den Handel mit Afrika zu stützen. Dem Projekt trat Meinders jedoch entgegen, indem er Raule darauf aufmerksam machte, dass ein solches Projekt deutlich mehr Kapital binden würde, was der BAC eher schaden als nützen würde516. 511

GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 141 Schück II, S. 169-175 Nr. 72, hier: S. 170. 513 Moerner: Staatsverträge, S. 448ff Nr. 262. 514 UA XIX, S. 866-870: Instruktion für Paul Fuchs, Cölln an der Spree den 18./28. Januar 1684; die Nebeninstruktion für Fuchs bei Schück II, S. 194 Nr. 82. 515 GStA Rep. 65 Nr. 45, Blatt 68. 516 Schück II, S. 185f Nr. 78. 512

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Auch sei seiner Meinung nach die Konkurrenz der anderen europäischen Handelskompanien in Asien viel zu groß, weshalb er diesem Projekt keine große Chance gab. Raule setzte sich zwar noch mehrfach für dieses Projekt ein, jedoch blieb es bei diversen Verhandlungsversuchen und einigen Entwürfen, die nicht mehr zur Ausführung kamen. Der Expedition der im September und Oktober 1683 ausgesendeten Fregatten Wasserhund und Goldener Löwe war ebenfalls kein großer finanzieller Erfolg beschieden, was offenbar auf Streitigkeiten zwischen dem Kommandanten von Großfriedrichsburg und seinem Oberkaufmann zurückzuführen war, die sich negativ auf den Handel auswirkten517. Auch die Auseinandersetzungen mit den anderen europäischen Kompanien sollten dazu beitragen, dass ein glücklicher Start der Geschäfte der BAC eher schleppend verlief. Besonders die WIC versuchte von Anfang an, dem jungen Unternehmen Hindernisse in den Weg zu legen. Dass die konkurrierenden Kompanien einiges unternehmen würden, um sich unliebsame Mitbewerber vom Hals zu halten oder sie gar auszuschalten, war den Bewindhabern der BAC und vor allem Raule klar. Ein weiteres Hindernis, welches ebenso hartnäckig war wie die Konkurrenz und der permanente Geldmangel, war das eher wenig zuverlässige Beamtenpersonal in den Kolonien. Im Juli 1686 wurde gegen das Führungspersonal von Großfriedrichsburg, namentlich den Kommandanten Philipp Pieterson Blonck sowie Nathaniel Dillinger, Daniel Gerhard Reinermann und Karl Konstantin von Schnitter eine Untersuchung anberaumt, wobei ihnen u. a. Befehlsverweigerung, Veruntreuung und Misswirtschaft vorgeworfen wurden 518 . In diese Untersuchung wurde auch der Admiralitätsrat Anthony Brouw verwickelt, der sich Anfang Dezember 1684 zu einer Inspektionsreise nach Großfriedrichsburg begeben hatte, weil er angeblich seinen Auftrag, in der Festung für Ordnung zu sorgen, nicht erfüllt hatte519. Raule bezifferte den dadurch entstandenen Schaden beim Kurfürsten auf 240 Mark Gold, was etwa 36.000 Reichstalern entsprach 520 . Er befürchtete nun, dass der Kurfürst aus Unmut über die derartige Illoyalität der leitenden Kompaniebeamten kurzen Prozess machen und die Kompanie auflösen würde. Deshalb hob er beim Kurfürsten in seinem Bericht deutlich hervor, dass trotz dieses menschlichen Versagens kein Grund vorliegen würde, die Kompanie fallen zu lassen, weil sie bei einem Einlage-Bestand von 84.000 Talern einen AktivaBestand von 120.500 Talern aufweisen würde. Diese Summe setzte sich zusammen aus dem Wert unverkaufter Waren über 100.000 Reichstaler sowie den drei Kompanieschiffen Goldener Löwe, Wasserhund und Kurprinz mit insgesamt 10.500 Reichstaler sowie der Entschädigungssumme über 10.000 Reichstaler, welche die WIC für die Wegnahme der Wasserhund zahlen sollte. Raule unterließ es jedoch, Friedrich Wilhelm auf die Passiva hinzuweisen, welche ebenfalls in 517

Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 35f. Schück II, S. 285f, Nr. 112. 519 Großer Generalstab, S. 25. 520 Schück II, S. 299-309 Nr. 118; Steltzer: Häfen, S. 102. 518

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beträchtlicher Höhe vorhanden waren521. Unter solchen Voraussetzungen waren die ostfriesischen Partizipanten nicht länger bereit, ihr eingezahltes Kapital in der Kompanie zu belassen und drängten auf Auszahlung ihrer Einlagen. Da Raule befürchtete, dass sie ihm weiteren Ärger bereiten könnten, wenn sie weiterhin in der Kompanie engagiert blieben, drängte er Anfang 1686 beim Kurfürsten auf dessen Übernahme der ostfriesischen Anteile. Dies würde den Kurfürsten zwar 36.000 Reichstaler kosten, mit etwas Glück wären diese jedoch in drei Jahren 100.000 Reichstaler wert 522. Bei den Berliner Partizipanten sah es nicht viel besser aus, auch sie hätte Raule gerne aus der Kompanie gedrängt, dann wären an der Kompanie nur noch der Kurfürst und Raule beteiligt gewesen 523 . Der Kurfürst stimmte der Abfindung der ostfriesischen Partizipanten zu und hätte auch die Anteile der Berliner Partizipanten übernommen524. Diese hatten jedoch aus mehr Ergebenheit denn aus Begeisterung für die Sache darum gebeten, in der Kompanie verbleiben zu dürfen, was nicht weiter verwunderlich war, da die Berliner Partizipanten durchweg kurfürstliche Beamte waren. Die betroffenen Beamten fürchteten, in der Gunst des Kurfürsten zu sinken, wenn sie sich zu diesem Schritt entschließen würden. Friedrich Wilhelm entgegnete darauf Raule, dass er niemanden gegen seinen Willen aus der Kompanie drängen wollte525. Die Verhandlungen mit den Ostfriesen verliefen relativ schnell und führten Ende Juni 1686 zu deren Austritt aus der Kompanie, ohne dass die beiderseitigen sonstigen Beziehungen beeinträchtigt wurden526. Inzwischen hatte Friedrich Wilhelm die BAC mit der Marine zusammenlegen lassen, womit Raules Befugnisse noch weiter angewachsen waren. Er nutzte seine neue Stellung als Handels- und Marineminister sogleich, um die Schifffahrtsaktivitäten der BAC auszuweiten. Bereits im August 1686, kurz nach dem Abschluss des Vergleichs mit den ostfriesischen Partizipanten, ließ Raule zwei Schiffe, die Fleute Derfflinger und die Fregatte Falke nach St. Thomas 527, fünf weitere Schiffe, namentlich die Wasserhund, die Litauer Bär, die Friede, die Vogel Greif und die Kiebitz nach Großfriedrichsburg und ein Schiff, die Roter Löwe nach Arguin in See stechen, ohne vorher das Bewindhaberkollegium zu informieren. Sie führten Waren im Wert von 20.000 bzw. 24.000 und 10.000 Reichstalern mit sich, die von Geldern aus dem Marine-Etat finanziert wurden528. Nach der Zusammenlegung der BAC mit der Kriegsmarine verfügte die Kompanie über siebzehn Schiffe, welche Raule am liebsten alle für Handelsfahrten heranziehen wollte. Besonders die größeren Schiffe wollte er für den Sklavenhandel einsetzen und dieser sollte von der BAC in einem größeren 521

Schück I, S. 203. GStA Rep. 65 Nr. 41, Blatt 90-93. 523 GStA Rep. 65 Nr. 41, Blatt 102-105. 524 Schück II, S. 282 Nr. 110. 525 Schück II, S. 299ff Nr. 118, hier: S. 306, Anm.1. 526 Schück II, S. 283f Nr. 111. 527 Schück II, S. 286 Nr. 113. 528 GStA Rep. 65 Nr. 41, Blatt 250-252. 522

125

Umfang betrieben werden. Anfang 1687 machte Raule deshalb dem Kurfürsten den Vorschlag, die Insel Tobago vom Herzog von Kurland zu kaufen529. Nach Raules Meinung bot sich Tobago in besonderem Maße an, da man dort Indigo, Kakao, Kaffee, Zuckerrohr und Tabak günstig anbauen könnte und auch für den Sklavenhandel keinen besseren Ort finden könnte. Dieses Mal war der Vorschlag nicht ganz unbegründet, da sich einige niederländische Kaufleute aus Curacao ansiedeln wollten, falls die Insel in den Besitz des Kurfürsten übergehen würde. Friedrich Wilhelm zog den Erwerb der Insel ernsthaft in Betracht, er ließ das Projekt jedoch wieder fallen, da er weitere Verwicklungen mit den Niederlanden befürchtete530. Zugleich führte der Kurfürst noch im Sommer 1687 Verhandlungen mit dem König von Dänemark über die Abtretung der beiden Festungen Friedrichsburg und Christiansfort in Westafrika. Der dänische König stimmte der Abtretung der beiden Festungen unter der Bedingung zu, dass die dänische Westindien-Kompanie ihre Zustimmung dazu geben würde. Zu einer Inbesitznahme der beiden Festungen ist es jedoch nicht gekommen. Die Gründe dafür liegen vermutlich darin, dass der dänische Kostenvoranschlag für den Erwerb und Instandsetzung der Festungen 60.000 Reichstaler betrug und zudem die Festung Friedrichsburg zum gegenwärtigen Zeitpunkt in englischem Pfandbesitz war531. Die finanzielle Situation der BAC nahm nach der Abfindung der ostfriesischen Partizipanten einen unerwarteten Aufschwung. In einer im April 1687 angefertigten Bilanz wies die BAC einen Aktiva-Bestand im Gesamtwert von 192.309 Reichstalern aus, dem ein Passiva-Bestand von 134.966 Reichstalern gegenüberstand. Der daraus resultierende Überschuss von 57.343 Reichstalern stellte demnach eine solide Grundlage für ein zu erwartendes weiteres Wachstum der BAC dar532. Auch wenn dies den Kurfürsten in seinen Bemühungen, sein Land durch den Überseehandel wieder nach vorn zu bringen, zu bestätigen schien, nahmen die außenpolitischen Schwierigkeiten, welche die BAC schon vor ihrer Entstehung begleiteten, weiter zu. Als die Anfang 1684 von der WIC in Aussicht gestellten Entschädigung wegen der Wegnahme der Wappen von Brandenburg noch immer nicht gezahlt worden waren, beschloss Friedrich Wilhelm ungeachtet der ansonsten guten Beziehungen zu den Niederlanden erneut Repressalien gegen die WIC. Zu ihrer Ausübung sollten drei Schiffe nach Guinea geschickt werden. Der Kurfürst suspendierte diesen Befehl jedoch, als der Prinz von Oranien und der Ratspensionär Fagel dem kurfürstlichen Gesandten Fuchs versicherten, dass die WIC bereit sei, eine Entschädigung über 60.000 Reichstaler zu zahlen und zur Verhütung künftiger Spannungen gewisse Grenzverläufe in Afrika zu vereinbaren. Angesichts dieser Versprechen erklärte sich Friedrich Wilhelm bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, 529

GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 49-51. UA III, S. 787: Hop an den Griffier, Berlin den 1./11. September 1687. Erst Friedrich III. schloss mit Herzog Friedrich Casimir von Kurland einen Vertrag über die Abtretung einer Hälfte der Insel. Moerner: Staatsverträge, S. 550-554 Nr. 343. 531 UA III, S. 793-796: Hop an den Prinzen von Oranien, Berlin den 27. September/7. Oktober 1687. 532 Schück II, S. 523-537 Nr. 172, hier: S. 528. 530

126

welche im August 1685 in einem Vergleich zwischen den Generalstaaten und dem Kurfürsten mündeten533. In diesem Vergleich verpflichteten sich die Niederlande u. a. dazu, ein Reglement zu erlassen, welches der gegenseitigen Anerkennung der Rechte und Besitzungen der jeweiligen Kompanien und der Vermeidung von entsprechenden Auseinandersetzungen dienen sollte. Dieses Reglement sollte auf der politischen Bühne den Anschein erwecken, dass zwischen Brandenburg und den Niederlanden nun alles in bester Ordnung sei, die Feindseligkeiten an der westafrikanischen Küste gingen seitens der WIC jedoch weiter. Indessen ließ der endgültige Erlass des versprochenen Reglements auf sich warten. Um die Verhandlungen zu beschleunigen, beorderte der Kurfürst seinen Marinedirektor nach Den Haag, um mit dem Bewindhaberkollegium der WIC direkt zu verhandeln. Die Deputierten der WIC ließen jedoch nichts unversucht, um die Verhandlungen zu verschleppen, obwohl die Ansprüche des Kurfürsten vom Prinzen von Oranien und vom Ratspensionär Fagel unterstützt wurden 534. Nachdem im erbittert geführten Streit viele Schriften zwischen den Parteien gewechselt wurden und der Kurfürst die Generalstaaten wiederholt zur Erledigung ermahnt hatte, sah sich Raule Ende März 1687 schließlich genötigt, das Feld zu räumen, da seine Gegner erneut ein Mittel gefunden hatten, eine längere Vertagung der Verhandlungen herbeizuführen 535 . Raule übergab Anfang März dem Ratspensionär Fagel den Entwurf eines Reglements, der im wesentlichen festlegte, dass die brandenburgischen Besitzungen in Westafrika von den Niederlanden anerkannt werden, der brandenburgische Seehandel dort nicht mehr gestört und die brandenburgischen Schiffe denen der französischen, dänischen und niederländischen gleichgestellt werden. Schiffsvisitationen sollten nur im Rahmen der Überprüfung von Flagge und Seepässen stattfinden, Privatreisende nicht nach Afrika befördert werden und die WIC sollte an die BAC eine Entschädigung zahlen536. Außerdem stellte Raule den Generalstaaten eine Rechtfertigungsschreiben zu, um die Niederlande von den rechtmäßigen Absichten des Kurfürsten zu überzeugen. Im wesentlichen beinhaltete dies ein Plädoyer für den freien Handel aller Nationen nach dem Modell des Hugo Grotius, nach welchem es auch Brandenburg erlaubt sein müsse, ungestört die Weltmeere zu befahren. Diese Bekanntmachung hatte jedoch nicht mehr Erfolg als die bereits vorher abgegebenen Erklärungen, die WIC beharrte weiterhin auf ihrem Monopolanspruch am Überseehandel. Auf Wunsch des Prinzen von Oranien wurde zu weiteren Verhandlungen der Kaufmann Johann Pedy nach Rotterdam bestellt. Sowohl der Prinz als auch der Kurfürst erhofften sich davon einen nennenswerten

Fortschritt

bei den

Verhandlungen. Tatsächlich

präsentierten die

Generalstaaten dem Kurfürsten Ende Juni einen ersten Entwurf der Resolution. Dieser entsprach 533

Moerner: Staatsverträge, S. 469f Nr. 280. Schück I, S. 209. 535 Schück I, S. 209f Anm. 244. 536 GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 113-114. 534

127

jedoch nicht im geringsten den Erwartungen des Kurfürsten. Die brandenburgischen Besitzungen Großfriedrichsburg, Accada und Takoradi wurden nicht als rechtmäßig anerkannt, die Ansprüche wegen der Vertreibung einiger portugiesischer Schiff wurde abgelehnt. Immerhin erklärte sich die WIC bereit, wegen der Wegnahme der Wasserhund aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen der Niederlande zum Kurfürsten eine Entschädigung zu zahlen. Der niederländische Gesandte am kurfürstlichen Hof, Johan Ham, bemühte sich nach Kräften, die Forderungen der Generalstaaten vor dem Kurfürsten zu rechtfertigen, hatte damit jedoch keinen Erfolg537. Friedrich Wilhelm verlangte in erster Linie die Anerkennung der Rechtmäßigkeit seiner Besitzungen, trotzdem vertraten die Niederlande weiterhin die Meinung, dass der Kurfürst seine Ansprüche auf die Goldküste aufgeben sollte. Friedrich Wilhelm reagierte auf diese Forderung ziemlich erbost und befahl seinem Gesandten von Diest, die Verhandlungen wieder aufzunehmen 538 . Die nicht enden wollenden Streitigkeiten ließen Raule nun um den Fortbestand der BAC fürchten, weshalb er sich mit einer Denkschrift an den Kurfürsten wandte539. Er stellte darin fest, dass es in Anbetracht der zwingenden Ursachen für den Kurfürsten, mit den Niederlanden in gutem Einvernehmen zu bleiben, hinsichtlich der BAC nur zwei Möglichkeiten bestehen würden: entweder die BAC wird aufgegeben, indem man sie möglichst gewinnbringend verkauft, oder die Geschäfte werden der WIC gegenüber noch entschlossener betrieben. Sollte sich der Kurfürst für letzteres entscheiden, so sollten sowohl die BAC als auch Raule selbst gegen weitere Verfolgungen noch besser geschützt werden, und die völkerrechtliche Anerkennung der brandenburgischen Flagge auf den Weltmeeren mit Nachdruck durchgesetzt werden. Außerdem müsse der Kurfürst die versprochenen Geldmittel für den Sklavenhandel bereitstellen und in Erwägung ziehen, den Vertrag mit Dänemark wegen der Insel St. Thomas fallen zu lassen und stattdessen die nahe bei Puerto Rico gelegen Krabbeninsel zu besetzen. Von dem Erwerb der Krabbeninsel versprach Raule sich vor allem die Einsparung von 10.00015.000 Reichstalern an Zollgebühren für den Sklavenhandel auf St. Thomas und die Gewinnung eines lukrativen Schildpatt- und Holzhandels, wovon die zu errichtende Garnision unterhalten werden könnte. Raule wollte die zentrale Lage der Insel auch dazu nutzen, mit den anderen Inseln in der Karibik ungestört Handel zu treiben, und hoffte vielleicht auch, die Spanier durch ihre Nähe zu Puerto Rico dazu zwingen zu können, die immer noch ausstehenden Subsidien zu bezahlen. Dem Kurfürsten erschien dieses Gedankenmodell wichtig genug, um darüber ein Gutachten der Geheimen Räte einzufordern. Dieses Gutachten erhielt Friedrich Wilhelm auch kurze Zeit später, worin die Geheimen Räte jedoch zu dem Ergebnis gelangten, dass sie zwar den Wert und die Wichtigkeit der Schifffahrt sowie das Recht des Kurfürsten auf freien Handel anerkannten, aber

537

UA III, S. 778. Schück II, S. 311ff Nr. 120. 539 GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 125-133. 538

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auch die erheblichen Kosten und Mühen sowie den entschlossenen Konkurrenzwillen der Niederlande in Gegenrechnung stellten 540 . Sie befürchteten, dass die maritimen Tätigkeiten des Kurfürsten als Streitpunkt für einen immer weiter schwelenden Konflikt zwischen Brandenburg und den Niederlanden sorgen würde. Die wahre Absicht hinter dieser Argumentation war also, dass die Räte die BAC zugunsten der guten Beziehungen zu den Niederlanden opfern wollten541. Doch die Aufgabe der BAC aus Staatsräson war für den Kurfürsten undenkbar. Seine Standhaftigkeit sollte sich bald darauf auszahlen, die Generalstaaten lenkten Ende 1687 tatsächlich ein. In einer Resolution vom 27. Dezember wiesen sie zwar die WIC an, sich für den Verteidigungsfall bereit zu halten, damit sie bei eventuellen Übergriffen von brandenburgischen Schiffen an der Küste von Afrika erfolgreich Widerstand leisten könnten, zugleich aber auch ihrerseits alle Beeinträchtigungen der brandenburgischen Beamten und Kaufleute in den von ihnen okkupierten Plätzen zu unterlassen und letztere zu respektieren542. Auch das geforderte Reglement sollte endlich vereinbart werden. Als der Kurfürst die Resolution erhielt, befahl er seinem Gesandten von Diest, bei der Erstellung des Reglements darauf zu achten, dass die WIC die Handelsplätze Großfriedrichsburg, Accada und Takoradi als brandenburgischen Besitz anerkannte und dass sie eine Entschädigung über mindestens 20.000 Reichstalern leisten sollte543. Im März 1688 erreichte Friedrich Wilhelm die Nachricht, dass der niederländische Admiral de Sweers im Oktober 1687 die Handelsplätze Accada und Takoradi überfallen hatte, die brandenburgischen Offiziere und Mannschaften als Gefangene nach Elmina bringen und sämtliche Waren beschlagnahmen ließ 544 . Dazu sollte er noch gedroht haben, die afrikanischen Einwohner, die in der Gegend um Großfriedrichsburg lebten, gegen die Brandenburger aufzuhetzen. Dies war ein weiterer heftiger Rückschlag für den Kurfürsten, der seinen Gesandten von Diest umgehend instruierte, von der WIC die besetzten Handelsplätze zurückzufordern und für den entstandenen Schaden Entschädigung zu leisten. Wieder spielten die Niederlande auf Zeit und versuchten, das kurfürstliche Gesuch zu verschleppen 545. Doch diesmal erfolgte die Entscheidung über die Satisfaktion ziemlich rasch. Bereits am 1. Mai teilten die Generalstaaten dem bereits auf dem Sterbebett liegenden Kurfürsten mit, dass sie die WIC angewiesen hätten, ihn zu entschädigen 546. Friedrich Wilhelm sollte dies jedoch nicht mehr erleben, mit seinem Tod am 9. Mai 1688 begann sowohl für den Staat Brandenburg-Preußen als auch für die BAC ein neuer Abschnitt.

540

GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 194-195. Schück I, S. 215. 542 UA III, S. 800: Resolution der Generalstaaten, den 27. Dezember 1687. 543 GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 235-239. 544 Großer Generalstab, S. 26ff; UA XX, S. 1281ff: Bericht Rébenacs an Ludwig XIV., 23. März 1688. 545 UA XX, S. 1224ff: Berichte Poissins (Nachfolger Rébenacs als französischer Gesandter am kurfürstlichen Hof) vom 10. April, 17. April und 23. April 1688 546 UA XX, S. 1286: Bericht Poissins an Colbert de Croissy, undatiert. 541

129

3.3. Die Reorganisation der Gesellschaft unter Friedrich III./I.

Nach dem Tod Friedrich Wilhelm traten am kurfürstlichen Hof einige Veränderungen ein, die sich auch auf die weitere Entwicklung der BAC auswirken sollten. Vor allem die Begeisterung für die Seefahrt und den Überseehandel, welche Friedrich Wilhelm und Raule zu immer neuen Initiativen angespornt hatte, erfuhr unter der Herrschaft Friedrichs III. einen merklichen Dämpfer. Immerhin fühlte sich Friedrich III. dazu verpflichtet, das angefangene Werk seines Vaters auch gegen erhebliche Widerstände in seiner Umgebung und mit großem finanziellen Aufwand fortzuführen, ohne sich jedoch selbst mit dessen Plänen zu identifizieren. So gingen die Geschäfte der BAC zunächst ihren gewohnten Gang. Die Befürchtungen Raules, der neue Kurfürst würde Kompanie und Marine auflösen, bestätigten sich nicht. Friedrich III. besaß jedoch nicht die Durchsetzungskraft seines Vaters, um gegenüber den anderen europäischen Mächten, vor allem gegenüber den Niederlanden, die brandenburgischen Handelsstützpunkte zu behaupten. Auch war die Herrschaft Friedrichs III. von langwierigen militärischen Konflikten überschattet, erst vom Pfälzischen, danach vom Spanischen Erbfolgekrieg. Sein Tod im Jahr 1713 sollte deshalb seine Hoffnung vereiteln, auch in Friedenszeiten regieren zu können. Während seiner 25 Jahre dauernden Herrschaft waren ihm lediglich vier Friedensjahre vergönnt547. Friedrichs erste Amtshandlung war Anfang Mai eine Weisung an seinen Gesandten von Diest in Den Haag, mit den Generalstaaten über die Herausgabe der beiden von der WIC annektierten Handelsstützpunkte und die Aufgabe der Blockade von Großfriedrichsburg zu verhandeln. Unterstützt wurde von Diest dabei von Raule, der eigens dazu im August nach Den Haag gereist war. Die Verhandlungen verliefen zunächst wieder ohne Erfolg und die WIC setzte ihre Praktiken fort. Bereits im Januar 1688 hatte ein Schiff der WIC die brandenburgische Fregatte Berlin gekapert und nach Elmina gebracht548. Dies bedeutete einen angeblichen finanziellen Verlust im Wert von 122.775 Gulden für die BAC549. Das einzige, was von Diest und Raule erreichten, war ein im Oktober 1688 von Holland gefasster Kompromiss, bei den Generalstaaten die Rückgabe des Handelsstützpunktes Akkada und die Regulierung des entstandenen Schadens zu erwirken 550. Es dauerte jedoch bis zum 1. März 1690, bis die WIC Akkada tatsächlich an die BAC zurückgab, Takoradi jedoch in Besitz der WIC verblieb. Die Regulierung des beiderseitig erlittenen Schadens – auch die WIC behauptete, dass die BAC ihren Handel empfindlich gestört hätte – sollte einem vierköpfigen Schiedsgericht anvertraut werden. Dessen Urteil, welches erst am 16. Februar 1694 547

Steltzer: Häfen, S. 169. Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 41; Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, S. 47; Großer Generalstab, S. 27. Nach der Kaperung verliert sich die Spur des Schiffes. 549 Schück I, S. 218. 550 GStA Rep. 65 Nr. 45, Blatt 328. 548

130

gefällt wurde, verurteilte die WIC schließlich zu einer Zahlung von 42.000 Gulden in Silber an die BAC, womit sämtliche Ansprüche ausgeglichen werden sollten 551 . Die Wirkung dieses Urteils wurde jedoch dadurch gemindert, dass sowohl die Generalstaaten als auch Friedrich III. die territorialen Ansprüche ihrer Kompanien an der Guineaküste nicht gefährdet sehen wollten552. Einen gewissen Ersatz für das verlorene Takoradi sollte das ebenfalls 1694 erworbene Fort Sophie Louise bei Taccrama, das die Verbindung zwischen Großfriedrichsburg und Akkada sichern sollte553. Wie wenig die WIC gewillt war, die okkupierten Plätze zurückzugeben, zeigt ein Brief der WIC aus dem Jahr 1689 an den Gouverneur von Elmina, worin dieser instruiert wird, die Eingeborenen der Umgebung vollständig auf die WIC einzuschwören und ihnen begreiflich zu machen, dass die BAC an der gesamten Guineaküste keinerlei Handelsrechte besäße554. Kurz nach Friedrichs Regierungsantritt traten vier englische Kaufleute, Henry Bull, William Peacock, William Patterson und James Smyth, an ihn heran und baten um die Ausstellung eines Oktrois für eine in Emden zu errichtende amerikanische Handelskompanie 555. Sie beantragten dazu die Überlassung von zwei Kriegsschiffen sowie 200 Soldaten zu einem angemessenen Preis. Sie beabsichtigten zunächst, im auf dem mittelamerikanischen Isthmus gelegenen Königreich Darien eine Handelsniederlassung zu gründen, um dort Plantagenwirtschaft, Bergbau und Perlenfischerei zu betreiben. Vor allem aber wollten sie dort den spanischen Sklavenhandel unterlaufen 556 . Die Verhandlungen um die Details wollten sie ausdrücklich mit dem Hofkammerpräsidenten Eberhard von Danckelmann und dem Geheimen Rat von Knyphausen führen und nicht mit Benjamin Raule und dessen Geschäftspartnern557. Der Kurfürst verlieh ihnen im Oktober 1688 ein Oktroi, welches ihnen für dreißig Jahre das Privileg zur ausschließlichen Fahrt nach Nord- und Südamerika und nach Ostindien sowie zur Ausübung des Sklavenhandels in Afrika verlieh558, dem bereits im Januar 1690 wegen angeblicher Mängel ein revidiertes Oktroi folgte 559 . Der Unterschied zwischen den beiden Oktrois besteht namentlich darin, dass in ersterem Raule ausdrücklich aus diesem Unternehmen ausgeschlossen, im revidierten jedoch neben Danckelmann und Knyphausen doch wieder als Direktor berufen wurde. Die ausgestellten Privilegien übertrafen sogar noch diejenigen der BAC. Um Investoren zu gewinnen, wurde für das Projekt ausgiebig die Werbetrommel gerührt. Es scheiterte jedoch trotz sorgfältiger Vorbereitung kurz vor seiner Vollendung. Die englischen

551

Schück I, S. 221. Borke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 49f und 58f. 553 Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 80f; Großer Generalstab, S. 24; Schück I, S. 324; Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 48 und S. 70. 554 GStA 8. HA Rep. 92 Slg. Jorberg Nr. 51. 555 StaE Nr. 279a, fol. 38. 556 Schück II, S. 361ff Nr. 129 und S. 365ff Nr. 130. 557 Schück I, S. 222. 558 Schück II, S. 324ff Nr. 123. 559 Schück II, S. 349ff Nr. 127. 552

131

Geschäftsleute gingen mit dem Versprechen, in England 70 Familien für die Besiedelung Dariens anzuwerben, in ihre Heimat zurück und kamen nicht mehr zurück. Entweder hat der inzwischen ausgebrochene Pfälzische Erbfolgekrieg oder der Protest der spanischen Krone sie an ihrer Rückkehr gehindert. in Madrid sah man durch die neue Kompanie eine erhebliche Gefährdung des spanischen Handels und man betrachtete dort dazu noch den mittelamerikanischen Isthmus wie überhaupt den gesamten amerikanischen Kontinent als persönliches Eigentum 560 . Der spanische Gesandte in London erklärte dem brandenburgischen Gesandten von Schmettau, dass der Kurfürst durch die Zulassung einer amerikanischen Kompanie der spanischen Krone mehr Schaden zufügen würde als durch eine Kriegserklärung. Friedrich antwortete darauf, dass er keinesfalls beabsichtigte, die spanische Krone zu schädigen, stellte jedoch klar, dass Entdeckung und päpstliche Schenkung eines ganzen Erdteils allein für den Besitzanspruch nicht ausreichend sei 561 . Außerdem sei das Königreich Darien von der spanischen Krone unabhängig und könne deshalb Verträge schließen, mit wem es wolle. Zugleich bot Friedrich die Aufgabe des Unternehmens an, falls Spanien sich endlich dazu bereit erklärte, die noch ausstehenden Subsidiengelder bezahlen. Diesen Anspruch betrachtete Spanien inzwischen jedoch als verjährt, so dass es wohl zu keinem derartigen Arrangement gekommen sein dürfte. Im Oktober 1688 erhielt die BAC ein neues Reglement, um die Etats von Marine und Kompanie voneinander zu trennen 562 . Außerdem wollte der Kurfürst den Machtbereich Raules eindämmen, indem er Johann von Danckelmann zum Präsidenten und die Räte Leonhard von Grinsveen und Abraham Johann Cuffeler zu Beisitzern ernannte563. Er erteilte ihnen den Auftrag, alle diesbezüglichen Angelegenheiten genau zu überprüfen, da der finanzielle Anteil des Kurfürsten inzwischen auf über 140.000 Reichstaler angewachsen war. Raules Ernennung zum kurfürstlichen Rat und Marinedirektor wurden zwar im Februar 1689 bestätigt, man stellte ihm jedoch zugleich zwei Geheime Räte an die Seite, mit denen er alles gemeinsam beraten und die daraus resultierenden Beschlüsse an die Admiralität in Emden weiterleiten sollte 564. Damit stand Raule zwar immer noch über dem Präsidenten und den Direktoren, seine uneingeschränkte Disposition war damit allerdings beendet. Die Beratungen, die er mit zwei gleichgestellten Personen abzuhalten verpflichtet war, hatten den Zweck, ihn zu kontrollieren. Der Preis dafür war eine erhebliche Verlangsamung des Geschäftsflusses. Im Marinereglement vom 13. Juli 1689 wurden Dodo von Knyphausen und der Oberpräsident Eberhard von Danckelmann zu dieser Aufgabe bestimmt, 560

Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 52f; Jordan, A.: Die Geschichte der brandenburgisch-Preußischen Kriegs- Marine, Berlin 1856., S. 91f; Rein, Adolf: Über die Bedeutung der überseeischen Ausdehnung für das europäische Staatenwesen. Ein Beitrag zur Bildungsgeschichte des Welt-Staaten-Systems, in: HZ 137 (1928), S. 2890, hier: S. 32-43; Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 78f. 561 Schück I, S. 224. 562 Schück II, S. 324-338 Nr. 123. 563 Schück II, S. 315-323 Nr. 122. 564 Schück II, S. 339f Nr. 125.

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letzterer konnte sich bei Abwesenheit von seinem Bruder, dem General-Kriegskommissar Daniel Ludolf vertreten lassen 565 . Ein Jahr später gelang es Raule jedoch, mit Hilfe Eberhard von Danckelmanns seine frühere Machtstellung zurückzugewinnen. Dies wurde in einer Erweiterung des Marinereglements vom 27. August 1690 bestätigt 566 . Zugleich nahm die BAC wieder ihre Geschäfte auf, denn durch die umständlichen administrativen Veränderungen und wahrscheinlich auch durch die anhaltenden Anfeindungen gegen Raule kam es 1689 zu keiner Aussendung von Schiffen. Der im gleichen Jahr ausgebrochene Krieg mit Frankreich weckte zunächst nur den Wunsch, Kaperschiffe gegen den Feind auszurüsten567. Dazu beabsichtigte der Kurfürst, zwei „SeeEquipagen“ mit zwei bzw. drei Schiffen auf Kaperfahrt zu schicken 568. Die Admiralität in Emden berichtete jedoch, dass die für die zweite Equipage benötigten 12.000 Reichstaler nicht zur Verfügung stehen würden, da die Lieferanten und Arbeiter, die mit der Ausrüstung der Schiffe beauftragt worden waren, noch Forderungen in Höhe von über 11.000 Reichstalern hätten und vor Begleichung selbiger nicht tätig werden würden 569. Tatsächlich wurde nur ein Schiff, die Fregatte Fuchs, auf Kaperfahrt geschickt. Raule schickte ihr noch auf eigene Rechnung die Schnau Rummelpott zur Verstärkung nach. Beide kaperten tatsächlich eine Anzahl von Schiffen. Einige von ihnen waren jedoch mit dänischen und hamburgischen Seepässen unterwegs, so dass die BAC mit Dänemark in Verwicklungen geriet und das selbst Repressalien gegen Emdener Schiffe veranlasste570. Darauf schlug Raule vor, auch gegen Dänemark zu kapern, dies hätte jedoch die Unterstützung der Niederlande bedurft, welche schwerlich zu erreichen gewesen wäre. Deshalb entschloss sich Friedrich im Interesse des guten Einvernehmens zu einem Austausch der gekaperten Schiffe mit Dänemark. Nachdem Raule wieder mit der Geschäftsführung der BAC beauftragt worden war, schickte er im Spätsommer 1690 trotz der Tatsache, dass die Meere von französischen Kaperschiffen nur so wimmelten, drei Schiffe nach Guinea und zwei nach St. Thomas 571 . Inzwischen hatten sich die finanziellen Verhältnisse der BAC weiter verschlechtert. Die Schiffe, die nach Guinea und St. Thomas segelten, sind entweder gesunken oder wurden mit teils wertvoller Fracht von französischen Kaperschiffen aufgebracht572. Um weitere Schiffsausrüstungen finanzieren zu können, ließ der Kurfürst, wie schon in früheren Fällen geschehen, Leibrenten ausstellen, für die er als Selbstschuldner bürgte 573 . Doch auch diese Maßnahme konnte nicht verhindern, dass die BAC 565

Schück II, S. 341-349 Nr. 126. Schück II, S. 368-372 Nr. 131. 567 Schück I, S. 229. 568 GStA Rep. 65 Nr. 46, Blatt 18-21. 569 GStA Rep. 65 Nr. 46, Blatt 26-27. 570 Schück I, S. 230. 571 Schück I, S. 229. 572 Schück II, S. 385-393 Nr. 135a. 573 GStA Rep. 65 Nr. 66, Blatt 68. 566

133

gegen Ende 1691 kurz vor dem Bankrott stand. Seit dem Regierungsantritts Friedrichs III. waren für den Unterhalt der BAC und der Marine 321.047 Reichstaler aufgewendet worden 574. Der Kurfürst entschloss sich deshalb Ende Februar 1691, die gesamte Kompanie an Dritte zu übertragen, die gewillt waren, sie durch neue Einlagen wieder flott zu machen, wobei die Organisationsstruktur denen von VOC und WIC angenähert werden sollte575. Alle bisherigen Einzahlungen wurden auf die Hälfte ihres Wertes herabgesetzt, um die Schulden der neuen Gesellschaft zu mindern. Diese neue Gesellschaft wurde fortan „Brandenburgisch-Africanisch-Amerikanische Compagnie“ (BAAC) genannt. Die neue Gesellschaft sollte ständig sechs Schiffe zur Verfügung des Kurfürsten halten, für deren Gebrauch er bei Bedarf eine Pachtsumme zahlen sollte. Die neuen Teilhaber kamen zumeist aus den Niederlanden. Damit das Monopol von VOC und WIC wirksam umgangen werden konnte, sollte der Marinerat Grinsveen als Strohmann agieren, unter dessen Namen das Geld der niederländischen Investoren eingezahlt und dann in Aktien umgewandelt wurde. Darüber hinaus war die BAAC auch selbstständiger als ihre Vorgängerin. Der Kurfürst hatte außer auf das Recht zur Ernennung des Präsidenten keine weitere Möglichkeit der Einflussnahme. Er gewährte der Kompanie Schutz durch Repressalien und Fürsprache bei ausländischen Mächten und sicherte ihr gegen die Verpflichtung, die bisherigen Beamten nach Möglichkeit beizubehalten, einen jährlichen Zuschuss von 12.000 Reichstalern auf zehn Jahre zu, damit die Kompanie daraus ihre Ausgaben bestreiten konnte. Das Oktroi sollte eine Gültigkeit von 40 Jahren haben, die nach Ablauf gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr um weitere 30 Jahre verlängert werden konnte. Die Gesellschafter hatten dazu das Recht, sich selbst ein Reglement zu geben, wovon sie auch sogleich Gebrauch machten. Im September 1692 erhielt die BAAC ein neues Oktroi, welches ihr u. a. erlaubte, Defensivkriege zu führen und Frieden zu schließen, sowie die Erlaubnis, gegen die Feinde des Kurfürsten unter Abgabe von zehn Prozent der Prisengewinne zu kapern 576. Es wurde auch ausdrücklich bestimmt, dass die Kompanie nicht vor Ablauf der Gültigkeit des Oktrois aufgelöst werden oder eine Reduktion des Kapitals stattfinden durfte. In einem Separat-Artikel wurde den ausländischen Kaufleuten, die sich zu einer Einlage von mindestens 150.000 Reichstalern bereit erklärten, gewisse Vorrechte und besonderer Schutz gegen Verfolgung durch ihre Regierungen zugesagt

577

. Dies bedeutete wohl im Prinzip nichts anderes als die Verleihung der

brandenburgischen Staatsbürgerschaft an die betroffenen Investoren. 1692 und 1693 unternahm die BAAC insgesamt vierzehn Handelsfahrten, deren Rückfrachten immerhin so viel einbrachten, dass die Kompanie ihre Schulden in Höhe von 100.000 Reichstalern tilgen konnte, obwohl nicht alle 574

Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 82. Schück II, S. 385-393 Nr. 135a und S. 393f Nr. 135b; Moerner: Staatsverträge S. 643 Nr. 421, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 83f. 576 Schmitt: Die brandenburgischen Überseehandelskompanien, S. 12; ders: Brandenburg Overseas Trading Companies, S. 166; Schück II, S. 416-426 Nr. 139a. 577 Schück II, S. 426ff Nr. 139b. 575

134

Fahrten finanziell erfolgreich waren bzw. einige Schiffe nicht nach Emden zurückkehrten. Die Generalversammlung der BAAC setzte sich etwas anders zusammen als die ihrer Vorgängerin. Sie bestand nun nicht mehr aus sämtlichen Hauptpartizipanten, sondern lediglich aus neun Personen: drei auf Lebenszeit berufenen Vertretern des Kurfürsten, einem Vertreter der Direktoren, zwei Vertretern der privilegierten Hauptpartizipanten sowie drei Vertretern der gewöhnlichen Hauptpartizipanten. Sie wurde, wahrscheinlich in Anlehnung an das Beispiel der niederländischen Kompanien, „die Versammlung der Neun“ genannt. Der Beschlussfassung der Generalversammlung unterlagen Bestallung der Hauptbediensteten in Europa sowie in Übersee, Planung, Ausrüstung und Durchführung der Handelsfahrten, Koordinierung des Schiffbaus, Prüfung der Bilanzen, Entscheidungen über die Gewinnausschüttung, Änderungen des Reglements sowie Regelung jedweder Angelegenheiten welche das Interesse der Gesamtheit berührte und von besonderem Interesse waren 578 . Zum Präsidenten ernannte der Kurfürst wiederum Johann von Danckelmann, die Bewindhaber blieben weiterhin in Diensten der neuen Kompanie, mit Ausnahme von Johann Cuffeler, der zuvor als Marinerat nach Königsberg versetzt worden war579. Eine im August 1692 in Emden aufgestellte Bilanz wies für die BAAC einen Aktiv-Bestand von 415.944 Reichstalern aus, dem ein Passiv-Bestand von 333.555 Reichstalern gegenüberstand, so dass sich daraus ein Überschuss von 82.389 Reichstalern ergab580. Die regelmäßigen jährlichen Ausgaben der Kompanie sind darin mit 28.524 Reichstalern gelistet, wovon 17.040 Reichstaler für Gehälter und der Rest für Zinsen aufgewendet wurden. Dazu steuerte die BAAC aus eigenen Mitteln aber nur 3.524 Reichstaler bei, während dem Kurfürsten die restlichen 25.000 Reichstaler belastet wurden. Die neuen Interessenten hatten sich von Knyphausen, Danckelmann und Raule zusichern lassen, dass der Kurfürst zusätzlich zu den bereits vereinbarten 12.000 Reichstalern jährlich noch 8.000 Reichstaler aus der ostfriesischen Marinekasse und weitere 5.000 Reichstaler aus anderen Mitteln bezahlen würde. Sie selbst legten nach und nach 268.633 Reichstaler ein. 1693 kam ein Sklavenhandelsvertrag mit Spanien zustande und die Schiffsbautätigkeiten auf der Werft in Havelberg wurden ausgeweitet. Dies überstieg jedoch bald die finanziellen Möglichkeiten der BAAC, da sie ja überwiegend mit fremden Geld arbeitete. Als ihre Gläubiger sich weigerten, weiteres Geld einzuzahlen, geriet sie wieder in eine finanzielle Schieflage, aus der sie sich nur mit der Ausgabe von Leibrenten auf kurfürstliche Garantie zu retten glaubte. Dazu waren einige Aktionäre mit der Direktion nicht zufrieden und daher der Ansicht, dass die Kompanie unweigerlich auf ihren Ruin zusteuern würde und drängten auf eine Generalversammlung. Diese trat am 24. August 1694 in Emden zusammen, da Raule und Knyphausen amtlich 578

Schmitt: Die brandenburgischen Überseehandelskompanien, S. 12, ders.: Brandenburg Overseas Trading Companies, S. 167. 579 Schück II, S. 394-398 Nr. 136. 580 Schück II, S. 407-415 Nr. 138.

135

verhindert waren und keinen früheren Termin wahrnehmen konnten. Der Kurfürst hatte bereits Anfang Mai in einer Instruktion an Danckelmann, Knyphausen und Raule die Punkte umrissen, die vorrangig der Klärung bedurften581. Darin stellte der Kurfürst fest, dass er nach sorgfältiger Prüfung sämtlicher Gutachten der Geheimen Räte zu keinen weiteren Einzahlungen verpflichtet sei, sondern dass die weitere finanzielle Ausstattung Sache der Partizipanten sei. Auch hätten sich die niederländischen Investoren selbst zuzuschreiben, wenn sie in Schulden gerieten, da sie mehr Geld für See-Equipagen aufwendeten als sie vorher zusammengebracht hätten. Dennoch gestatte er den Direktoren, Leibrenten in Höhe von 100.000 Reichstalern auf seinen Namen aufzunehmen 582. Auf der Generalversammlung selbst brachen dann heftige Streitigkeiten unter den Partizipanten aus, so dass sich die Versammlung in zwei Lager spaltete, nämlich in Raule und seine Anhänger auf der einen und Joshua van Belle und seine Parteigänger auf der anderen Seite. Raules Gegner warfen ihm vor, er lege nicht ordentlich Rechnung und habe den niederländischen Investoren gedroht, dass der Kurfürst die Bewilligung der Leibrenten zurückziehen und die Niederländer von der Verwaltung ausschließen werde. Um sich diesem Druck zu beugen, stimmten sie schließlich am 6. September 1694 der Provisional-Konvention von Rype zu, um überhaupt Zugang zu den Büchern der Kompanie zu bekommen583. Die weitere Entwicklung der BAAC sollte von da an durch diesen entstandenen Riss in der Direktion entscheidend beeinflusst werden. Immerhin einigte man sich am 1. Oktober auf der Generalversammlung, die bis zum 5. Dezember 1694 dauerte, auf eine Bilanz, die einen Überschuss von 122.266 Reichstalern aufwies. Der Passiv-Bestand betrug 671.471 Reichstaler und der Aktivbestand betrug 793.737 Reichstaler. Über verschiedene andere Dinge konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. So wollten bspw. die niederländischen Investoren durchsetzen, dass eine Equipage von mehr als 100.000 Reichstalern nicht ausgerüstet werden sollte, da sie ihrer Ansicht nach durch die vom Kurfürsten bewilligte Rentenaufnahme nicht hätte gedeckt werden könne 584 . Das Resultat dieser Generalversammlung war, dass der Kurfürst sich bereit erklärte, nun jährlich 25.000 Reichstaler in die Kompanie einzulegen und der Erlass eines verbindlichen Reglements585. Im Streit der beiden Parteien hatte das Lager um Raule zunächst den Sieg davongetragen und dadurch erreicht, dass die Führung der Geschäfte in den nächsten Jahren nach seiner Leitung erfolgte. Seitdem Raule und seine Parteigänger die Direktion der BAAC führten, fanden in den Jahren 1695-1697 regelmäßig Generalversammlungen statt, wobei es auf der im August 1695 abgehaltenen Sitzung gelang, die seit dem Ryper Vergleich immer noch im Hintergrund

581

Schück II, S. 434f Nr. 142. Schück II, S. 434f Nr. 142. 583 Schück II, S. 436ff Nr. 143. 584 Schück I, S. 243f. 585 Schück II, S. 444-454 Nr. 145. 582

136

schwelenden Unstimmigkeiten beizulegen586. Jedes Jahr wurden mehrere Schiffe nach Westafrika und in die Karibik geschickt und weder der immer noch andauernde Krieg noch diverse Prozesse, in welche einige der missgünstigen niederländischen Investoren die BAAC verwickelten, konnte die Kompanie daran hindern, ihren Geschäften nachzugehen. Es kam jedoch wiederholt zu Unglücksfällen in den Überseestützpunkten und zu weiteren Schiffsverlusten. So wurde die brandenburgische Niederlassung auf St. Thomas im November 1694 von einem französischen Seeräuber überfallen und ausgeplündert. Der entstandene Schaden betrug 24.573 Silber-Reales und konnte nicht ersetzt werden. Im Juni 1696 brannte dort ein Magazin mitsamt den darin enthaltenen Waren nieder. Der Direktor der brandenburgischen Vertretung auf St. Thomas schrieb dieses Unglück

dem dänischen Gouverneur zu, da dieser sich angeblich geweigert hatte, massive

Steinbauten errichten zu lassen 587 . 1695 ging die Nordischer Löwe dadurch verloren, dass der Kapitän nicht wie vereinbart nach St. Thomas gesegelt war, sondern mitsamt seiner Besatzung desertiert war und nun als Pirat die amerikanischen Gewässer unsicher machte. Der Kurfürst teilte dieses Faktum dem englischen König mit, den Kapitän mitsamt seinem Schiff an die BAAC auszuliefern, falls er auf englischem Boden gefasst werden sollte588. Der Verlust mehrerer Schiffe, die mit wertvoller Fracht auf dem Rückweg nach Emden waren, ist auf französische Kaper zurückzuführen. Der Handel auf Arguin litt unter der Konkurrenz zeeländischer Schmuggler. Auch in Großfriedrichsburg gab es erneut Probleme, als der brandenburgische Gouverneur Jakob Tenhoof im Jahr 1696, ohne eine Schlussrechnung zu hinterlassen, mit 60 Mark Gold im Wert von 19.200 Gulden und sämtlichen Papieren angeblich ohne Erlaubnis nach Vlissingen abgereist war. Da Tenhoof unterwegs verstarb und seine Gläubiger seinen Nachlass in Beschlag legten, wurde der BAAC die Verfolgung ihrer vermeintlichen Ansprüche deutlich erschwert. Den Vorwurf der Untreue machte die BAAC auch Tenhoofs Sohn Jakob, der ebenfalls in Großfriedrichsburg tätig gewesen war. Der von der BAAC angestrengte Prozess gegen die beiden konnte erst 1713 mit einem Vergleich beendet werden, worin Jakob Tenhoof verpflichtet wurde, der BAAC 5.200 Reichstaler zu zahlen und elf Rechnungsbücher von Großfriedrichsburg herauszugeben, wogegen König Friedrich Wilhelm I. ihm über alle Ansprüche an die Erblasser aus seiner Zeit als Bediensteter der BAAC quittierte589. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten gelang es der BAAC, jedes Jahr fünf bis sechs Schiffe auszurüsten, deren Rückfrachten über 100 Prozent Gewinn einbrachten. Der Etat der BAAC von 1696 wies einen Überschuss von über 136.154 Reichstalern aus, zudem konnte die Kompanie erneut Schulden in Höhe von 70.000 Reichstaler an den Kurfürsten

586

Schück II, S. 455-459 Nr. 147. GStA Rep. 65 Nr. 66, Blatt 22-23. 588 GStA Rep. 65 Nr. 63, Blatt 133-135. 589 Schück I, S. 252. 587

137

zurückzahlen

590

. Die Hoffnung der BAAC auf eine Belebung des Handels nach dem

Friedensschluss von Ryswick war demnach nicht ganz unbegründet. Diese Hoffnung veranlasste die Partizipanten, eine neue Einlage in Höhe von 100.000 Gulden sowie eine weitere über 70.000 Gulden auf Kredit und noch einmal 100.000 Reichstaler mit Zustimmung des Kurfürsten als Leibrente aufzunehmen. Und tatsächlich schien der Erfolg ihnen recht zu geben, denn die Rückfrachten von drei für insgesamt 182.000 Gulden ausgerüsteten Schiffe brachten 1698/1699 264.000 Reichstaler Gewinn

591

. Erstmals in der Geschichte des brandenburg-preußischen

Überseehandels schien es, dass die Bemühungen Kurfürst Friedrich Wilhelms endlich Früchte tragen sollten. Diese erfreuliche Entwicklung sollte durch den Sturz des bisherigen Oberpräsidenten Eberhard von Danckelmann ein jähes Ende finden. Dieser war 1695 von Kurfürst Friedrich III. zum Premierminister ernannt worden592. Zudem riss er auch Raule mit sich, weil der in sämtliche dem Minister vorgeworfenen Angelegenheiten verwickelt war. Zum Sturz Danckelmanns hatten vor allem dessen knauserige Finanzpolitik am kurfürstlichen Hof und diverse außenpolitische Misserfolge beigetragen593. In der gegen ihn im Februar 1698 eingeleiteten Untersuchung wurde ihm u. a. auch zur Last gelegt, dass er die kurfürstlichen Interessen bei der Bernstein-Gewinnung in Preußen, dem Holzhandel in Havelberg, der Marineverwaltung und der Münze in Emmerich geschädigt hätte594. Als dritter im Bunde sollte auch Freiherr von Knyphausen zur Verantwortung gezogen werden, er starb jedoch noch während der Voruntersuchung. Die Leitung über die Marine und die Kompanie wurden nun den Geheimen Räten Freiherrn von Schwerin und Freiherrn von Chalkowski übertragen. Raule wurde angewiesen, durch diese die kurfürstlichen Entscheidungen einzuholen. Doch auch in dieser untergeordneten Stellung durfte Raule nicht allein entscheiden, ihm wurde der Rat Kornmesser zur Seite gestellt. Zusätzlich wollte der Kurfürst die Bücher der Kompanie prüfen lassen, worauf das Bewindhaberkollegium jedoch darum bat, von dieser Überprüfung Abstand zu nehmen, da es fürchtete, dass die Kreditwürdigkeit der Kompanie dadurch erheblichen Schaden nehmen würde595. Dazu bat es den Kurfürsten um die ausdrückliche Erklärung, dass dieser gegen die Kompanie keine Ansprüche stellen werde, falls seine Forderungen aus dem Jahr

1692

mehr

als

170.000

Reichstaler

betragen

hätten.

Friedrich

sicherte

dem

Bewindhaberkollegium den Forderungsverzicht zu, bestand jedoch weiter auf einer Überprüfung 590

Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 91f. Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 84. 592 Droysen, Johann Gustav: Geschichte der preußischen Politik, Band 4 Teil 1, S. 73-79; Bresslau, Harry/Isaacsohn, Siegfried: Der Fall zweier preußischer Minister. Des Oberpräsidenten Eberhard von Danckelmann 1697 und des Großkanzlers C. J. M. von Fürst 1779. Studien zur Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Berlin 1878, S. 28. 593 Bresslau/Isaacsohn: Der Fall zweier Minister, S. 31f; Droysen: Geschichte der preußischen Politik, S. 113ff. 594 Breysig, Kurt: Der Prozess gegen Eberhard Danckelmann. Ein Beitrag zur brandenburgischen Verwaltungsgeschichte, Leipzig 1889, S. 80. 595 GStA Rep. 65 Nr. 70, Blatt 42-49. 591

138

der Bücher aus den Jahren 1688 bis 1692596. An der Generalversammlung, die 1698 stattgefunden hatte, sollten an Stelle von Raule und Knyphausen die Räte Kornmesser und Walter teilnehmen. Kornmesser war selbst Teilhaber der Kompanie und mit zwei ihrer wichtigsten niederländischen Partizipanten, den Gebrüdern Pedy, verschwägert. Dazu nahm er in der Funktion eines kurfürstlichen Kommissars an mehreren Untersuchungen gegen die Kompanie teil597. Raule sollte anfänglich zur Teilnahme an dieser Generalversammlung wegen Befangenheit nicht zugelassen werden, konnte aber dann doch an ihr teilnehmen, nachdem er unter Eid geschworen hatte, dort ausschließlich die Interessen des Kurfürsten zu vertreten und anschließend sofort nach Berlin zurückzukehren598. Wie nicht anders zu erwarten war, brachen auf der Generalversammlung in diesem von Neid und Misstrauen geprägten Klima die alten Parteienstreitigkeiten zwischen den Teilhabern wieder offen aus. Sie entzündeten sich an der bereits erwähnten Forderung des Kurfürsten, wonach er die Geschäfte der alten Kompanie einer genauen Überprüfung zu unterziehen gedachte. Während die Anhänger Raules, nach einem ihrer Fürsprecher auch Welland-Partei genannt, sich diesem Ansinnen nach Kräften widersetzten, weil ihrer Meinung nach eine offizielle Prüfung bei potentiellen Investoren für ein entsprechendes Negativimage sorgen würde, votierte das gegnerische Lager unter ihrem Fürsprecher Joshua van Belle für diese Buchprüfung, es war jedoch deutlich in der Minderzahl599. Die Bilanz wies erstmalig ein Minus von 14.664 Reichstaler auf, bei einem AktivBestand von 800.069 Reichstaler und einem Passiv-Bestand von 814.733 Reichstaler 600 . Die Kommissare sprachen auch die Besorgnis aus, dass sich die Unterbilanz wegen verschiedener Forderungen, die nicht einziehbar waren, in Wirklichkeit auf 50.000 bis 60.000 Reichstaler belaufen müsste. Unter diesen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, dass es bis auf weiteres zu keiner neuen Ausrüstung von Schiffen kam. Das Bewindhaberkollegium erstattete dem Kurfürsten Ende Oktober 1698 einen ausführlichen Bericht, in welchem es offen feststellte, dass ihn die Kompanie bisher viel Geld gekostet, ihm aber nichts eingebracht habe. Um weiteres Ungemach zu vermeiden, gab es nach Meinung des Bewindhaberkollegiums drei Möglichkeiten: Die Auflösung der Kompanie, ihr Verkauf oder die Weiterführung der Geschäfte mit deutlich reduzierten Kosten. Sie stellten fest, dass, sollte die Kompanie aufgelöst werden, der Kurfürst zwar von seinen jährlichen finanziellen Zuwendungen an die Kompanie befreit wäre, von dem bisher eingezahlten Kapital jedoch nicht viel übrig bleiben würde und darüber hinaus auch die kurfürstlichen Interessen in Ostfriesland dadurch akut gefährdet wären. Auch der Verkauf der Kompanie würde sich negativ 596

GStA Rep. 65 Nr. 70, Blatt 85-89. Rachel, Hugo/Wallich, Paul: Berliner Großkaufleute und Kapitalisten, Band 2: Das Zeitalter des Merkantilismus, Berlin 1967, S. 128ff. 598 Schück II, S. 463f Nr. 151. 599 Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 62f; Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 98. 600 Schück I, S. 256. 597

139

auf Ostfriesland auswirken. Sie plädierten deshalb für die Beibehaltung der Kompanie und schlugen vor, die Interessenten und Bewindhaber nach Berlin zu laden, um die Konflikte und den anhaltenden Streit unter ihnen zu beenden. Für die Leibrenten sollten Sicherheitsleistungen gefordert und der jährliche Betrag, den der Kurfürst in die Kompanie einzahlte, auf 12.000 Reichstaler gesenkt werden. Die Besoldung der Bediensteten in der Kompanie sollte gekürzt und keinerlei finanzielle Vorschüsse mehr gewährt werden. Auch die Untersuchung über die Verwaltung der Kompanie vor 1692 sollte abgeschlossen werden 601 . Friedrich III. entschied sich für die Beibehaltung der Kompanie, namentlich mit Rücksicht auf die Situation in Ostfriesland und wahrscheinlich auch, um seiner Ehre nichts zu vergeben. Um die geplante Einigung zwischen den Interessenten herbeizuführen, wurden sie aufgefordert, an einer am 24. Dezember in Berlin anberaumten Versammlung teilzunehmen bzw. Vertreter zu schicken. Die Welland-Partei lehnte dies jedoch ab und macht ihrerseits den Vorschlag, die Versammlung in Kleve abzuhalten. Die Bewindhaber benutzten dies als Vorwand, um die ihnen nicht genehme Reise nach Berlin vorerst aufzuschieben. Danckelmann argumentierte gegenüber dem Kurfürsten, dass aufgrund der Jahreszeit die holländischen Interessenten gar nicht nach Berlin reisen könnten. Der Kurfürst bestand jedoch auf der Anwesenheit sämtlicher Investoren, da sie schließlich Auskunft über den Zustand der Kompanie geben sollten. Außerdem war ihre Anwesenheit umso dringender erforderlich, da Raule mittlerweile verhaftet und in der Festung zu Spandau eingesperrt sowie sein gesamtes Vermögen konfisziert worden war. Diese Nachricht hatte unter den Partizipanten offenbar für erheblichen Unmut gesorgt, denn Friedrich III. erklärte dazu umgehend, dass dies nicht aufgrund seiner Geschäftspraxis innerhalb der Kompanie geschehen war sondern wegen persönlicher Bereicherung in anderen Angelegenheiten602. Nicht anders erging es Grinsveen, der ebenfalls von seinen Ämtern suspendiert und verhaftet wurde603. Dazu wurde er in seinem eigenen Haus in Emden arrestiert, was unter Emdener Bevölkerung für große Empörung sorgte. Der Bewindhaber de Goyer und der Fiskal Cloeck nutzten dann auch die erste sich bietende Gelegenheit zur Flucht nach Holland. Durch

die

Weigerung

der

Anhänger

Raules

war

die

in

Berlin

anberaumte

Generalversammlung nicht zustande gekommen, worauf der Kurfürst in den Vorschlag einwilligte, die Generalversammlung in Kleve stattfinden zu lassen. Als kurfürstliche Vertreter schickte Friedrich die Räte Blaspeil, Hymmen und Walter mit einer Instruktion, deren Inhalt im wesentlichen den Vorschlägen des letzten Berichts entsprach604. Im Hinblick auf die Subsidien für die Kompanie erklärte der Kurfürst ausdrücklich, dass er ab sofort nur noch 1.000 Reichstaler monatlich zahlen 601

Schück II, S. 468-481 Nr. 155. GStA Rep. 65 Nr. 75, Blatt 494-497, Blatt 489-499, Blatt 500-502. 603 GStA Rep. 65 Nr. 75, Blatt 214-220. 604 GStA Rep. 65 Nr, 78, Blatt 21-35. 602

140

wolle und die Zahlung der weiteren 5.000 bzw. 8.000 Reichstaler, welche ohnehin nie schriftlich zugesagt waren, einstellen werde. Rückständige Zahlungsverpflichtungen seitens des Kurfürsten sollten von seinem verzinsbaren Kapital abgeschrieben werden, jedoch erst nach der ihm zugefallenen Raule´schen Bezüge. Die Versammlung begann am 3. März 1699605 . Dort brachen aber umgehend wieder die alten Rivalitäten zwischen den Parteien aus, so dass Blaspeil, Hymmen und Walter nichts anderes übrig blieb, als ihrer Instruktion gemäß den anwesenden Partizipanten die zur Verhandlung anstehenden Punkte schriftlich zur Begutachtung zu übermitteln. Die einzige Einigung, die auf

der Versammlung erzielt werden konnte, war der Beschluss, die Frage der

Fortsetzung der Kompanie sowie die Untersuchung ihres Zustandes auf der Generalversammlung in Emden zu klären. Des weiteren erklärten beide Parteien einstimmig, auf die 5.000 Reichstaler Subsidien und auf eine Gewinnverteilung zumindest so lange verzichten zu wollen, bis die Ansprüche aus den kurfürstlichen Leibrenten befriedigt worden seien. In Emden tagten dann unter dem Vorsitz der Räte Kornmesser und Cleßmann nur Anhänger der Waddingsveen-Partei. Obwohl insgesamt nur sieben statt der vorgeschriebenen neun Direktoren anwesend waren, wurde die Versammlung gemäß dem Brauch der WIC für beschlussfähig erklärt. Welland und seine Anhänger hatten sich inzwischen völlig zurückgezogen, die Kompanie befand sich in einem Zustand der inneren Erosion. Die unter den Interessenten herrschende Uneinigkeit hatte dann auch folgerichtig die regelrechte Lähmung sämtlicher Geschäfte zur Folge. Es wurden nicht nur allein 1699 keine Schiffe zu den brandenburgischen Handelsplätzen geschickt, sondern – und dies ist die eigentliche unternehmerische Katastrophe – die Erlöse aus den Rückfrachten gerade zurückgekehrten Schiffe Friedrich III, Sophie Louise und Kurprinz, welche einen Gewinn von knapp 100.000 Reichstalern einbrachten, nicht für weitere Schiffsausrüstungen verwendet wurden, weil die anwesenden Partizipanten diese Gewinne in die eigene Tasche steckten, um wenigstens einen Teil ihres Geldes vor dem drohenden Konkurs zu retten. Es waren besondere Maßnahmen seitens des Kurfürsten erforderlich, um zumindest einen Teil der Erlöse für die Einlösung der Leibrenten und der rückständigen Zinsen zu sichern. Das organisatorische Chaos, in das die Kompanie geraten war, kann u. a. daran anschaulich gemacht werden, dass Johann von Danckelmann und einige andere Interessenten die nicht verkauften Rentenscheine unter sich aufgeteilten, um ihre Forderungen an die Kompanie abzusichern606. In ähnlicher Weise verfuhren Welland und seine Freunde, indem sie, nachdem Emden die Nachricht erreicht hatte, dass das Schiff Die Sieben Provinzen mit reich beladener Rückfracht bei Irland gesunken war, die Versicherungspolice zurückhielten, welche sich auf 70.000 Reichstaler belief. Welland wollte die Police erst herausgeben, wenn seine Ansprüche an die Kompanie und die seiner Freunde vollständig 605 606

Schück I, S. 262. GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt102-104.

141

befriedigt worden seien607. Hinzu kam noch, dass zwei weitere Schiffe, die Der Fliegende Drache und die Charlotte Louise ebenfalls verloren gegangen waren608. Die Charlotte Louise wurde im November 1698 von einem englischen Seeräuber gekapert und nach Sao Thomé gebracht. Der Kapitän eines anderen brandenburgischen Schiffs, der Kurprinzessin bat den portugiesischen Gouverneur auf Sao Thomé darum, das Schiff befreien zu dürfen, dies wurde ihm jedoch verweigert609. Der dadurch entstandene Schaden wurde auf 122.000 Reichstaler geschätzt und die Rückerstattung von der portugiesischen Krone über mehrere Jahre hinweg immer wieder verlangt. Unter derartigen Umständen konnten die Beschlüsse der Generalversammlung nur wenig zur Verbesserung der geschäftlichen Situation der Kompanie beitragen. Obwohl eine Reihe von Einsparmaßnahmen durchgeführt wurden, u. a. wurden einzelne Gehälter gekürzt bzw. gestrichen, der Schiffbau in Havelberg als zu kostspielig aufgegeben, auf die kurfürstlichen Subsidien wie gewünscht verzichtet, eine Amnestie für Danckelmann, Grinsveen und de Goyer erlassen, das Kapital des Kurfürsten auf 100.000 Reichstaler festgesetzt und eine günstigere Zollrolle mit Emden vereinbart, konnte der wichtigste Beschluss, nämlich sofort zwei Schiffe für die Fahrt nach Westafrika und in die Karibik und fünf weitere im darauf folgendem Jahr auszurüsten, aufgrund von Geldmangel und dem inzwischen eingetretenen Verlust der Kreditfähigkeit der BAAC nicht ausgeführt werden 610 . Nahezu alle verfügbaren Geldmittel waren zur Befriedigung diverser Forderungen und zur Tilgung von Schulden aufgewendet worden. Friedrich III. forderte erneut die Direktoren auf, an einer Besprechung der Situation in Berlin teilzunehmen 611 . Als diese wieder nicht auf diese Forderung eingingen, riss dem Kurfürsten erstmalig der Geduldsfaden. Er beschloss darauf, sich von der Kompanie zu trennen und beauftragte seinen Gesandten in London, von Tettau, Kontakt mit den in Darien angesiedelten Schotten aufzunehmen und ihnen den Kauf der brandenburgischen Handelsstützpunkte anzubieten612. Er sollte dabei äußerst vorsichtig vorgehen, damit bei den Schotten nicht der Eindruck erweckt würde, der Kurfürst wolle die Kompanie um jeden Preis loswerden. Auch dürften die niederländischen Investoren keinesfalls von einem beabsichtigten Verkauf der Kompanie erfahren. Aber bevor von Tettau berichten konnte, dass die Schotten über keinerlei Mittel verfügten um die angebotenen Handelsstützpunkte zu übernehmen, sandte Friedrich III. den Kammerrat Walter in die Niederlande, um zwischen den feindlichen Parteien einen erneuten Vermittlungsversuch zu starten und so den endgültigen Untergang der Kompanie abzuwenden613. Dazu bot er allen, die sich zur erneuten Aufnahme der Geschäfte bereit 607

GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt 318-319, Blatt 365-366. GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 492-493. 609 Großer Generalstab, S. 29f. 610 GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt 246-313. 611 GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt 230-235. 612 GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt 361. 613 GStA Rep. 65 Nr. 80, Blatt 3-4 608

142

erklärten, weitgehende Zugeständnisse und Vorschüsse sowie eine Schenkung von 25.000 Reichstaler an die Kompanie gegen eine Sicherheitsleistung betreffs der Leibrenten. Um die Einigkeit des Direktoriums wiederherzustellen versprach er eine Amnestie für alle Gesellschafter. Mit viel Mühe und Überzeugungskraft gelang es Walter, die verfeindeten Parteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Tatsache, dass der bereits 1698 abgesetzte Johann von Danckelmann wieder den Vorsitz über die Kompanie übernehmen sollte, nachdem ihm vom Kurfürsten Sicherheit für seine Person und seine ostfriesischen Besitzungen zugesichert worden waren, veranlasste die Welland-Partei, mit dem Kurfürsten einen Vergleich abzuschließen, in welchem ihr die alleinige Verwaltung der Kompanie übertragen wurde614. Der Kurfürst verzichtete auf das Recht, zwei Vertreter zur Generalversammlung zu schicken und behielt sich lediglich das Recht vor, den Präsidenten zu ernennen und sich jederzeit durch außerordentliche Deputierte über die Geschäfte der Kompanie unterrichten zu lassen. Die Generalversammlung bestand fortan aus nur noch sieben Mitgliedern. Die von der neuen Direktion zur Erhaltung der Kompanie eingelegten Vorschüsse wurden mit einem Vorzugsrecht vor allen anderen Forderungen ausgestattet und der Kurfürst reduzierte seine Ansprüche von 100.000 auf 51.000 Reichstaler 615. Dafür erhielt er bis zur Tilgung der Leibrenten ein Pfandrecht auf das Vermögen der Kompanie. Präsident und Bewindhaber verpflichteten sich unter Garantie der Stadt Emden, die Verkaufserlöse aus den Rückfrachten zum Wohl der Kompanie zu verwenden, wovon sie nur befreit waren, wenn sie mit fremden Personen Verträge schlossen und diese zur Löschung der Rückfrachten auf einem anderen Hafen als Emden bestanden. Die Stadt Emden versprach im Interesse der kurfürstlichen Forderungen nur Schiffe auslaufen zu lassen, deren Kapitäne sich eidesstattlich dazu verpflichtet hätten, ihre Rückfrachten in keinem anderen Hafen als in Emden zu löschen sowie alles zu tun, was dem Schutz der Kompanie dienlich war616. Alle Beteiligten hofften, dass die BAAC nun vor ihrem Untergang gerettet war. Die darauf neu aufgestellte Bilanz vom 15. Juli 1700 ergab jedoch ein Soll von 295.590 Reichstalern, wobei die Aktiva wieder einmal der allgemeinen Geschäftspraxis gehorchend viel zu hoch angesetzt worden waren. So war bspw. die Zahl der zum Verkauf stehenden Sklaven und Waren in Großfriedrichsburg mit 87.130 Reichstalern angegeben. In Wahrheit waren dort jedoch bereits Anfang 1699 die Warenbestände völlig erschöpft und nur noch ein Barbestand von 36.800 Reichstaler vorhanden, so dass der Gouverneur von Großriedrichsburg, Jean van Laar, dem Bewindhaberkollegium mitteilte, dass er keine Waren mehr zum Handeln hätte und dringend um

614

Schück II, S. 491-497 Nr. 160a und S. 498 Nr. 160b. Bei Stuhr: See- und Kolonialmacht sind 40.000 Reichstaler als Erlass genannt. 616 Schück I, S. 268. 615

143

Nachschub bat617. Unter den Schulden, welche die Kompanie noch hatte, waren auch einige sehr dringliche. Namentlich erreichten den kurfürstlichen Hof wiederholt Klagen der niederländischen Rentenpapierbesitzer, dass teilweise noch Zahlungen aus den Jahren 1695 bis 1698 ausstehen würden. Man befürchtete noch weit größere Unzufriedenheit, da im Januar 1701 Zahlungen in Höhe von 60.000 Gulden fällig wurden und die Mittel zu deren Deckung nicht vorhanden waren618. Um Kosten zu sparen, hielt das Bewindhaberkollegium im Jahr 1700 keine Generalversammlung ab, sandte aber zwei Schiffe nach Guinea und ein Schiff nach St. Thomas. Das letztere kehrte im Sommer 1701 wieder nach Emden zurück, brachte aber nur Waren im Wert von weniger als 10.000 Reichstaler zurück 619. Da man auf einen Erlös von mindestens 40.000 Reichstaler gehofft hatte, lastete man die Schuld daran dem Kommerzienrat van Belle an, indem man ihm vorwarf, als Bruder des Führers der Gegenpartei die Kompanie absichtlich benachteilgt zu haben. Von den Schiffen, die nach Guinea gesegelt waren, ging die Sophie Luise durch einen Unfall verloren, sie war unterwegs leck geschlagen und konnte sich nur mit Mühe in den Hafen von Martinique retten620. Das andere Schiff, die Held Josua strandete in der Nähe von Plymouth in England. Die Ladung des Schiffs konnte geborgen werden, sie wurde jedoch von Admiral Bastian, einem Gläubiger der Kompanie, konfisziert621. Bastians Forderung betrug angeblich 21.000 Reichstaler, während die konfiszierten Waren einen Gesamtwert von 44.910 Gulden hatten. Um die Herausgabe der Waren entspann sich ein Prozess, den zu führen die Kompanie aufgrund von Geldmangel jedoch kaum fähig war und der erst durch einen Vergleich im Jahr 1706 beendet wurde. Danach sollten die Erben Bastians die Waren gegen Zahlung von 2.000 Reichstalern ausgehändigt bekommen, der Überschuss aus dem Verkauf der Waren in Rotterdam sollte jedoch der Kompanie zufallen. Die Ausführung dieses Vergleichs dürfte sich jedoch über längere Zeit hingezogen haben622. Damit hatte sich die finanzielle Lage der BAAC soweit verschlechtert, dass sie an den Rand der Handlungsunfähigkeit gedrängt wurde. Vor allem die Bezahlung der Ansprüche aus den verkauften Leibrenten war völlig ins Stocken geraten. In dieser Situation begann sich innerhalb des Bewindhaberkollegiums langsam Verzweiflung breit zu machen, so dass man dort auf den Plan verfiel, sich zur Lösung der Probleme an denjenigen zu wenden, welcher der Gesellschaft bereits in der Vergangenheit so oft aus der Patsche geholfen hatte: Benjamin Raule. Der wurde jedoch noch immer von einigen als Hauptursache allen Übels betrachtet. Obwohl die Untersuchung gegen ihn bereits im April 1700 mit seiner Begnadigung eingestellt worden war, wurde er noch immer trotz

617

GStA Rep. 65 Nr. 76, Blatt 492-493. Schück I, S. 268. 619 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 34-38. 620 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 48-49. 621 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 230-233, Blatt 240-241. 622 Schück I, S. 269. 618

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wiederholter Gesuche um seine Freilassung in der Festung zu Spandau gefangen gehalten 623. Raules Aufgabe sollte nun darin bestehen, den mittlerweile zum König in Preußen gekrönten Kurfürsten Friedrich III./I. von der Last der Leibrenten zu befreien, die immer drückender wurde, da die Generalstaaten den König bereits mehrfach wegen der Bezahlung angemahnt hatten 624. Außerdem wollte er das Problem auch deshalb beseitigt wissen, da er sich infolge des Todes von Wilhelm III. von Oranien Hoffnungen auf eine eventuelle oranische Erbschaft machte. Raule erklärte unterdessen, dass er ohne Einsicht in die Bücher der BAAC keinen angemessenen Rat erteilen könne. Seiner Meinung nach wäre es das beste, der König würde entweder die Interessenten wieder vereinen oder die Kompanie selbst übernehmen und verkaufen, nachdem alle Aktionäre zur Aufgabe ihrer Aktien veranlasst worden seien. Die Leibrenten sollten vom König in ablösbare Losrenten umgewandelt werden625. Zu letzterem erklärte sich der König bereit, wobei die Renten durch jährliche Abzahlungen innerhalb von elf Jahren getilgt werden sollten 626 . Sowohl diese Vorschläge als auch die Erklärung der Direktoren der Kompanie über die unabdingbare Anwesenheit Raules in Emden ermöglichten diesem schließlich die ersehnte Freiheit aus der Haft, worauf er sich umgehend nach Emden begab um zu retten, was zu retten war627. Raule hielt es tatsächlich für möglich, die Geschäfte wieder zum Laufen zu bringen, wenn der König sich dazu bereit erklären würde, der Kompanie 100.000 Reichstaler zu übereignen, um damit die noch verbliebenen vier Schiffe auszurüsten und nach Großfriedrichsburg und St. Thomas zu schicken628. Dazu sollten die verbliebenen Investoren dem Beispiel des Königs folgen oder aber sämtliche ihrer Ansprüche an die Kompanie übertragen, denn Raule befürchtete, dass die Handelsstützpunkte der Kompanie ohne weitere Versorgung aus Emden ansonsten verloren gehen würden. Diese Befürchtungen waren nicht ganz unbegründet. In Arguin und Großfriedrichsburg konnte schon seit einiger Zeit der Handel kaum noch aufrecht erhalten werden. Besonders schlimm stand es um St. Thomas, da der Pachtvertrag mit Dänemark bereits seit zwei Jahren ausgelaufen und ein weiterer bisher nicht ausgehandelt worden war. Als sich im Dezember 1702 der preußische Gesandte Graf von Viereck an den dänischen Großkanzler von Reventlow wandte, um erneut wegen St. Thomas vorzusprechen, erwiderte dieser, dass die BAAC bereits dem Untergang geweiht sei und sie den Handel nur noch mit Interloper aufrecht halten würde629. Offenbar rechneten die Dänen bereits mit dem baldigen Konkurs der BAAC und versuchten, diesen Vorgang noch zu beschleunigen. Friedrich entschied sich schließlich dafür, die BAAC nicht mit neuem Kapital 623

Schück II, S. 490f Nr. 159. GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 3-5. 625 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 25-28, Blatt 67-73. 626 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 116-119, Blatt 138-139. 627 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 78-80; Schück II, S. 499ff Nr. 163 und S. 502f Nr. 164. 628 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 183-189. 629 GStA Rep. 65 Nr. 81, 168-170. 624

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auszustatten, sondern das noch vorhandene Inventar zu verkaufen630. Dem gegenüber wandte das Bewindhaberkollegium ein, dass der Abtransport der Waren, welche ohnehin bereits vertraglich gebunden seien, mindestens eine weitere Expedition erforderlich machen würde und dass zu befürchten wäre, dass eine derartige Aktion bei den afrikanischen Vertragspartnern auf wenig Gegenliebe stoßen würde631. Raule unterbreitete dem König auch einen Vorschlag, nach welchem die Kompanie Schiffe auf Kaperfahrt gegen Frankreich aussenden oder eine unter spanischer Herrschaft stehende Insel in der Karibik erobern sollte632. Diese Idee fand bei Friedrich ebenfalls keine Zustimmung, obwohl er Anfang 1703 am kaiserlichen Hof versuchte, dafür zu werben. Auch dieses Projekt sollte mit 100.000 Reichstalern aus der königlichen Schatulle finanziert werden, was Friedrich jedoch nicht behagte. Aus dem gleichen Grund scheiterte auch der Abschluss eines Sklavenliefervertrags, weil die Kompanie ohne Vorfinanzierung nicht fähig gewesen wäre, vertragsgemäß zu liefern 633. Die letzte Bilanz wies einen Fehlbetrag von 362.867 Reichstalern aus, den das Bewindhaberkollegium allerdings nicht auf Korruption und Betrug zurückführen wollte sondern allein auf die Tatsache, dass Raule seit 1698 die Geschäfte nicht mehr führen konnte634. In dieser schwierigen Lage wandte sich der König noch einmal an die Investoren, doch niemand war mehr bereit, sich irgendwie für die Kompanie einzusetzen. Schließlich riet ihm von Schmettau dazu, die Kompanie möglichst gut zu verkaufen, den Erlös zur Bezahlung der Leibrenten als privilegierter Schuld zu verwenden und eventuelle Überschüsse unter den Interessenten aufzuteilen. Damit die Investoren keinen Grund zur Beschwerde hätten, sollten sie zu einer Konferenz nach Utrecht geladen werden, wo ihnen dieser Vorschlag unterbreitet werden sollte 635 . Als Raule von diesem Plan erfuhr, drängte er darauf, wenigstens Arguin von dem Verkauf auszunehmen, da die Geschäfte dort noch funktionieren würden 636 . Zu einem Verkauf der Kompanie ist es jedoch nicht gekommen, da es offenbar niemanden gab, der an einer Übernahme der BAAC interessiert gewesen war. Von 1704 an bot die BAAC nur noch ein Bild des allmählichen Zerfalls, genau wie ihre Schiffe, die untätig und langsam verrottend im Hafen lagen. Für ihren Erhalt und ihre Instandsetzung fehlte nun ebenso das Geld wie für die Bezahlung ihrer Besatzungen und des übrigen Personals, sowohl in Preußen als auch in Übersee 637 . Aus Arguin traf unterdessen die Nachricht ein, dass der dortige Kommandeur die Insel samt seiner Garnison verlassen wolle, falls nicht umgehend Hilfe eintreffen würde. Der König von Arguin hatte sogar seinen Neffen Hamet 630

GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 190-193. GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 200-202. 632 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 165-167. 633 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 152, Blatt 203-204. 634 GStA Rep. 65 Nr. 83, Blatt 1-29. 635 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 273. 636 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 325. 637 Schück I, S. 275. 631

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Mansor Ibrahim nach Den Haag geschickt, um über die dortigen Zustände zu berichten und um die Fortführung der Geschäfte zu ersuchen. Von Schmettau wurde von Friedrich angewiesen, in seinem Namen mit Hamet Mansor zu verhandeln. Die Korrespondenz ergab, dass auf Arguin zwar ein reger Handelsverkehr stattfand, einige Kompaniemitglieder jedoch stark an diesem beteiligt waren und deshalb kaum an der Wiederaufnahme des Handels durch die Kompanie interessiert waren. Von Schmettau riet dazu, zumindest ein Schiff mit Waren und einer neuen Besatzung für das Fort nach Arguin zu schicken638. Tatsächlich ließ der König das kleinste der noch vorhandenen Schiffe, die Fortuna, für eine Fahrt nach Arguin und Großfriedrichsburg ausrüsten, wozu er der Kompanie 3.000 Reichstaler zur Verfügung stellte. Dem Kapitän des Schiffes ließ Friedrich zwei königliche Schreiben mitgeben, in welchen er die Kommandanten von Arguin und Großfriedrichsburg dazu aufforderte, weiterhin auf Posten zu bleiben. Er versprach, ihnen weitere Schiffe zu schicken, sobald die Kriegszeiten vorbei wären. Das Schiff lief Anfang Dezember 1705 von Emden in Richtung Arguin aus, wurde jedoch kurz darauf am Kap Finisterre von einem französischen Kaperfahrer aufgebracht. Friedrich willigte danach ein, die Versicherungsgelder und zusätzlich 1.200 Reichstaler zur Ausrüstung eines weiteren Schiffes zu verwenden, diesmal sollte es aber nur mit den notwendigsten Versorgungsgütern für die Festungen beladen werden 639. Dazu kaufte der Marinerat Ramler von Raule ein kleines Schiff für 7.600 Hamburger Mark an und ließ es für die Fahrt nach Westafrika umbauen. Das Schiff lief Ende November 1707 innerhalb eines englischen Konvois in Richtung Westafrika aus, wurde jedoch am 23. Dezember vom englischen Konvoi getrennt und von zwei französischen Kriegsschiffen angegriffen, am folgenden Tag jedoch von einem holländischen Schiff wieder aus der Gewalt der Franzosen befreit 640. Am 30. Dezember lief das Schiff erneut von Vlissingen nach Arguin aus, es musste jedoch wieder umkehren, da der Hauptmast bei einem Sturm verloren gegangen war. Am 16. April 1708 wurde es erneut von zwei französischen Kriegsschiffen aufgebracht 641 . Darauf ordnete Friedrich an, vorerst keine weiteren Schiffe mehr auszusenden, bis die Gefahr durch französische Kaper gebannt wäre, zugleich wollte er jedoch die Versorgung von Arguin und Großfriedrichsburg durch Interloper sicherstellen642. Durch die ausbleibende Versorgung wurde die Situation in den Festungen zunehmend schlechter. Die Garnison in Großfriedrichsburg, Akkada und Taccrama war nur noch insgesamt 27 Mann stark, wovon der überwiegende Teil inklusive dem Kommandanten von Großfriedrichsburg krank danieder lagen. Sie alle baten deshalb um ihre Ablösung643 . Auch der Kommandant von Arguin wies in einem Schreiben an das Bewindhaberkollegium darauf hin, dass er und seine 638

GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 50-52. Schück I, S. 276f. 640 Großer Generalstab, S. 51f. 641 GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 198-199. 642 GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 209. 643 Schück I, S. 278. 639

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Mannschaft bereits seit zehn Jahren auf der Insel festsitzen würden, obwohl sie vertragsgemäß nur drei Jahre dort bleiben sollten. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, schickte er seinen Unterkaufmann Christian Düring nach Emden, um über die Verhältnisse auf Arguin zu berichten 644. Weil der König die überseeischen Besitzungen unbedingt erhalten wollte, wies er Marinerat Ramler an, in den Niederlanden drei Schiffe zu mieten, die mit Versorgungsgütern und neuen Besatzungen nach Arguin und Großfriedrichsburg geschickt werden sollten. Sie traten ihre Reise Anfang 1709 an und alle drei erreichten ihr Ziel, womit die Festungen vorerst zumindest mit dem nötigsten versorgt werden konnten645. Inzwischen war die finanzielle Lage der BAAC so prekär, dass bereits 1705 in Emden die Ladung eines aus St. Thomas zurückgekehrten Schiffes versteigert werden musste, um mit dem Erlös die Kompaniebediensteten in Emden bezahlen zu können, denn deren Gehälter konnten schon lange nicht mehr ausbezahlt werden 646 . Im Jahr 1706 verstarb Johann von Danckelmann, der bis zu seinem Tod die Präsidentschaft der BAAC innegehabt und sich bis zum Schluss für die Kompanie eingesetzt hatte. Ein Jahr später starb auch Raule. Damit bestand das Bewindhaberkollegium nur noch aus dem Marinerat Freitag, denn der Vertreter der Stadt Emden übte sein Stimmrecht schon seit 1699 nicht mehr aus. Proportional zur Personaldecke wurde auch die Anzahl der in Kompanie-eigenem Besitz befindlichen Schiffe dezimiert. Um wenigstens einen Teil der Schulden abbauen zu können, wurde 1706 ein in Hamburg liegendes Heckboot, welches dort auf seine Fertigstellung wartete und langsam verrottete, für 1.450 Hamburger Mark an einen ansässigen Segelmacher verkauft 647 . Zwei Jahre später wurde in Emden ein weiteres Schiff, die Schloss Oranienburg, für 9.926 Gulden verkauft. Der Wert des restlichen Inventars der Kompanie, verbleibende Schiffe, Gerätschaften und Immobilien belief sich auf 48.820 Gulden 648. Weil eine Veräußerung der übrigen Werte nur den Gläubigern der Kompanie zugute gekommen wäre, Friedrich aber weiterhin an der Vorstellung festhielt, den Überseehandel nach der Beendigung des Krieges wieder aufnehmen zu können, wurde der Marinerat Ramler angewiesen, die Interessenten zu einer Fortsetzung der Geschäfte zu überreden 649. Seine Bemühungen waren jedoch erfolglos. Die Welland-Partei erklärte, lieber ihre Aktien zu verlieren als weiterhin der Kompanie Geld zur Verfügung zu stellen. Die Waddingsveen-Partei hatte die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Geschäfte gänzlich aufgegeben und stellte dem König sämtliche weiteren Entschlüsse anheim. Dazu forderten beide die Rückzahlung ihrer Forderungen 650 . Auf Anregung von Ramler und von Schmettau entschloss sich der König, sämtliche Interessenten zu einer Generalversammlung nach 644

GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 289-290. GStA Rep. 65 Nr. 95, Blatt 27-275, Blatt 322-324. 646 Schück I, S, 280. 647 GStA Rep. 65 Nr. 90, Blatt 129-130, Blatt 149. 648 GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 225-227. 649 Schück I, S. 281. 650 GStA Rep. 65 Nr. 95, Blatt 246-253, Blatt 285-291. 645

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Emden zu laden. Zusätzlich ließ er das

gesamte verbliebene Vermögen der BAAC

beschlagnahmen651. Die Generalversammlung war auf den 15. Januar 1710 terminiert, es erschien jedoch keiner der geladenen Interessenten. Die Welland-Partei erachtete die Reise nach Emden für sinnlos652, die Waddingsveen-Partei reagierte gar nicht auf die königliche Einladung. Darauf wurde ein neuer Termin am 4. August festgelegt, aber wiederum erschien niemand der geladenen Interessenten, worauf ein dritter Termin am 8. September festgelegt wurde. Diesmal fügte der König der Einladung die Drohung hinzu, dass bei Nichterscheinen der Interessenten sämtliche Ansprüche der betroffenen Person verfallen würden653. Auch diese Warnung ließ die Interessenten völlig unbeeindruckt. Am 18. Mai 1711 machte der König schließlich seine Drohung wahr und ließ das gesamte Vermögen der BAAC sowie die Schiffe und überseeischen Besitzungen beschlagnahmen654. Alle Oktrois wurden für aufgehoben, die ausgegebenen Aktien und sonstigen Ansprüche für erloschen und die ganze Kompanie für dem König anheim gefallen erklärt. Keine der betroffenen Parteien erhob dagegen Einspruch. Als nächstes versuchte Friedrich, mit dem König von Dänemark wegen St. Thomas zu einer Einigung zu kommen. Dazu schlug er vor, die rückständigen Pachtzahlungen mit den Schadenersatzansprüchen der Kompanie zu verrechnen. Dieser Vorschlag stieß beim dänischen König jedoch auf wenig Verständnis, so dass die dortigen Verhältnisse weiterhin ungeklärt blieben 655 . Umso energischer versuchte er, die Handelsstützpunkte in Westafrika bis nach dem erhofften Friedensschluss zu halten. Friedrich wagte jedoch auch weiterhin nicht, eigene Schiffe nach Westafrika zu schicken, da die Gefahr von Kaperungen nach wie vor nicht gebannt war. Um dieses Risiko auf andere abzuwälzen, erteilte er im Juli 1711 einigen Rotterdamer Kaufleuten ein Oktroi, welches ihnen gestattete, auf Arguin in königlichem Namen Handel zu treiben 656 . Als Gegenleistung forderte er von ihnen, dass sie die Festung auf eigene Rechnung unterhalten und als Bezahlung vier Last Gummi für jedes Schiff, das Arguin anlaufen sollte. Dazu sollten sie auf ihrer ersten Fahrt den neuen Kommandeur von Arguin, Nikolas de Both und seine Familie, kostenfrei mitnehmen. De Both sollte den bisherigen Kommandeur Jan Reers ablösen, der insgesamt 24 Jahre auf Arguin gelebt hatte. Auch der Kommandeur von Großfriedrichsburg, Franz de Lange, wurde Ende Dezember 1711 von Nicholas Dubois abgelöst. Dubois kam gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass Großfriedrichsburg bei einem kurz zuvor ausgebrochenen Krieg zwischen zwei verfeindeten Stämmen in die Hände des Gegners fiel. Kurz zuvor war Akkada von einheimischen

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Schück II, S. 510ff Nr. 169. GStA Rep. 65 Nr. 95, Blatt 446-447. 653 GStA Rep. 65 Nr. 96, Blatt 104-109. 654 Schück II, S-. 519-523 Nr. 171. 655 GStA Rep. 65 Nr. 98, Blatt 154-155, Blatt 200. 656 GStA Rep. 65 Nr. 98, Blatt 213. 652

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Kriegern auf Initiative der WIC und der RAC überrannt worden 657. Als Friedrich davon erfuhr, wies er umgehend seine Gesandten in London und Den Haag an, bei den Verantwortlichen um Schadenersatz zu ersuchen. Während die WIC behauptete, von diesen Vorfällen keine Kenntnis zu haben, dem jedoch nachzugehen versprach, lehnte der mit dem Fall betraute englische Staatssekretär Viscount Bolingbrote dem preußischen Gesandten Bonet die Forderung nach Schadenersatz entschieden ab und behauptete stattdessen, dass im Gegenteil die BAAC schadensersatzpflichtig wäre658. Friedrich befahl darauf Bonet wenige Tage vor seinem Tod, sich energisch für die Rechte der preußischen „Mohren“ einzusetzen und weiterhin darauf zu drängen, das die Schuld nicht auf preußischer, sondern auf englischer Seite zu suchen sei659. Dies war die letzte Order des ersten preußischen Königs, welche in Sachen Überseehandel erteilt wurde.

3.4. Der Niedergang und der Verkauf der BAAC durch Friedrich Wilhelm I.

Während Friedrich III./I. noch bis zum Schluss an der Kompanie festgehalten hatte, betrachtete Preußens zweiter König Friedrich Wilhelm I. den Überseehandel als eine „Chimäre,“ dessen er sich folgerichtig gleich zu Beginn seiner Regierungszeit zu entledigen versuchte660. Friedrich Wilhelm I. ging davon aus, dass die überseeischen Handelsbemühungen seinen Vater und seinen Großvater zusammen etwa 2 Mio. Reichstaler gekostet hatten und davon so gut wie nichts in die Staatskasse zurück geflossen war661. Auf der Haben-Seite befanden sich zwar einige Orte in Afrika und einer in der Karibik, welche er sein Eigen nennen konnte. Diese waren aber durch die permanente Unterversorgung aus der Heimat in einem sehr beklagenswerten Zustand und konnten sich nur noch durch Schleichhandel über Wasser halten. Hinzu kam, dass unter den Ministern des neuen Königs niemand mehr war, der über genügend Sachkenntnis verfügte, um die Kompanie bzw. deren Geschäfte weiterzuführen. Selbst der Kammerrat von Ilgen, der noch unter Friedrich I. mit der Bearbeitung aller Kompaniesachen betraut war, hatte das Interesse an den Geschäften verloren und den König im Oktober 1714 um die Entbindung aller damit zusammenhängenden Aufgaben gebeten662. Am 6. März 1713 wies der König seine Gesandten in Hamburg, Amsterdam und London erstmals an, nach Käufern für die Kompanie und deren Inventar zu suchen 663. Wie dringlich dem König die Abstoßung der Kompanie war, ist daran ersichtlich, dass er die Order bereits eine Woche

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Großer Generalstab, S. 32ff. GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 1-3. 659 Schück II, S. 544f Nr. 175, Großer Generalstab, S. 39. 660 Das oft zitierte Wort von der Chimäre resultiert aus einer königlichen Order an Meinertzhagen vom 29. September 1717, Schück II, S. 567ff Nr. 188. 661 Schück I, S. 287. 662 Schück II, S. 562f, Nr. 185. 663 Schück II, S. 545 Nr. 176a.. 658

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später wiederholte 664 . Schmerzlicher als der bereits entstandene finanzielle Schaden war nach Ansicht des Königs jedoch die Tatsache, dass ein derartiges Projekt ohnehin nur in Zeiten des Friedens mit Erfolg betrieben werden konnte, während in Kriegszeiten dazu ein angemessener Schutz durch Kriegsschiffe nötig wäre, die Preußen gar nicht besaß, und ein Ende des Spanischen Erbfolgekrieges am Beginn von Friedrich Wilhelms Regierungszeit immer noch nicht absehbar war665. Der König hoffte, dass entweder die WIC oder die RAC die BAAC aufkaufen würde. Als Kaufpreis verlangte er 200.000 Reichstaler, mindestens jedoch 150.000 Reichstaler 666 . Der preußische Resident in Hamburg berichtete kurz darauf, dass sich kein Käufer für die Kompanie finden ließe, es seiner Meinung nach jedoch möglich wäre, selbige nach einem erfolgreichen Friedensschluss zu verpachten 667 . Die Idee, die Kompanie zu verpachten, stieß beim König auf Interesse und der Pachtzins wurde auf 6 Prozent des Kaufpreises veranschlagt. Währenddessen meldete Romswinckel aus Amsterdam, dass er der WIC die Kompanie zum Kauf angeboten hatte, die Direktoren hatten jedoch mit der Begründung, die geforderte Summe nicht bezahlen zu können, abgelehnt668. Obwohl Friedrich Wilhelm I. fest entschlossen war, den Überseehandel aufzugeben, gab es immer noch einige Befürworter, die sich für dessen Fortsetzung stark machten. Vor allem die Bewindhaber in Emden sprachen sich gegen einen Verkauf aus, da sie befürchteten, dass der preußische König mit dem Verkauf der Kompanie auch seine politischen Interessen in Ostfriesland aufgeben würde. Gegen eine Verpachtung hatten sie jedoch nichts einzuwenden, allerdings unter der Voraussetzung, dass Emden weiterhin Sitz der Kompanie bliebe, dass alle Schiffe dort ausgerüstet würden und ebenda ihre Rückfrachten löschen würden. Aus den gleichen Gründen hatte sich auch der Marinerat Ramler gegen den Verkauf der Kompanie ausgesprochen 669 . Dabei verwies er ausdrücklich auf das Interesse des Königs an der Sicherung von Ostfriesland sowie auf die Nachteile, welche ein eventueller Verlust des einzigen zugänglichen Nordseehafens mit sich bringen würde. Dazu betonte er, dass sich der Handel bereits mit geringen Mitteln fortsetzen ließe, womit die Handelsstützpunkte in Afrika und in der Karibik nicht dem endgültigen Verfall preisgegeben würden, und dass selbst das an die Rotterdamer Kaufleute verliehene Oktroi dem König gewisse finanzielle Vorteile bringen würde. Friedrich Wilhelm I. ließ sich dennoch nicht von seinem Vorhaben abbringen. Was die ostfriesische Frage betraf, glaubte sich der König durch den kaiserlichen Erlass von 1694 auf der sicheren Seite, auch ohne die Kompanie in Emden 670 . 664

Schück II, S. 546f Nr. 176b. GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 89-90. 666 GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 74-75. 667 GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 32-35. 668 Schück I, S. 288. 669 Schück II, S- 547-551 Nr. 177. 670 Schück II, S. 551f, Nr. 178. 665

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Allerdings wollte er die Reste der Kompanie auch nicht möglichst billig verschleudern, vor allem nicht die überseeischen Besitzungen. Um die Festungen zumindest bis zu ihrem Verkauf einigermaßen zu erhalten, spielte er sogar mit dem Gedanken, ein Schiff mit Versorgungsgütern nach Arguin und Großfriedrichsburg zu schicken. Allerdings beabsichtigte er nicht, sich selbst finanziell zu beteiligen, sondern das Risiko auf fremde Geldgeber abzuwälzen. Deshalb stellte er den Rotterdamer Kaufleuten, deren erste Fahrt nach Arguin ihm einen Erlös von 5.000 Gulden gebracht hatte, gegen eine Gebühr von 2.000 Gulden zwei Seepässe für eine weitere Fahrt nach Arguin aus671. Er musste jedoch Jan Reers, dem kurz zuvor zurückgekehrten Kommandanten von Arguin und einigen seiner Untergebenen insgesamt 3.000 Gulden an ausstehenden Gehältern auszahlen, nachdem Reers dem König über die Zustände auf Arguin berichtet hatte 672 . Mit der nächsten Fahrt wollte der König dem nun auf Arguin wirkenden Kommandanten Nikolas de Both neben einigen Versorgungsgütern auch die Order erteilen, alles nicht benötigte Personal zu entlassen und vor allem den Schmuggelhandel zu unterbinden, denn über diesen hatten sich die Rotterdamer Kaufleute wiederholt beim König beschwert 673 . Um in Zukunft besser vor der unerlaubten Konkurrenz geschützt zu sein, baten sie den König um ein Oktroi, welches ihnen gegen eine Gebühr von 200 Reichstalern jährlich für 25 Jahre den freien und ausschließlichen Handel auf Arguin gewähren sollte674. Friedrich Wilhelm I. lehnte dieses Angebot ab. Zum einen war ihm die gebotene Summe zu niedrig, obwohl sie kurz darauf auf 400 Reichstaler verdoppelt wurde, zum anderen wollte er im Hinblick auf den Verkauf der Festung keine derart lange vertragliche Bindung eingehen675. Da innerhalb von sieben Monaten kein Käufer für die BAAC gefunden werden konnte, wurden die Geheimen Räte von Ilgen, von Kraut und Kramer sowie der Marinerat Ramler mit der weiteren Verwaltung aller Angelegenheiten in Sachen Überseehandel beauftragt 676. Diese machten Anfang 1714 den Versuch, die Stadt Emden zur Fortführung der Kompanie entweder allein oder in Verbindung mit fremden Interessenten zu bewegen. Zu diesem Zweck sollte sich Meinertzhagen in den Niederlanden nach geeigneten Investoren umsehen, die gewillt wären, von Emden aus gegen eine jährliche Gebühr von 1.000 Reichstaler und zwölf „Mohren“ den Handel nach den guineischen Besitzungen auf eigene Kosten zu übernehmen677. Der König war unter den gleichen Bedingungen auch bereit, das gleiche Privileg einigen englischen Kaufleuten zu gewähren. Auf die Nachfrage der englischen Interessenten unter der Federführung des Kaufmanns Henry Johnson, ob sie auch an 671

Schück I, S. 290. Schück II, S. 553ff Nr. 179. 673 GStA Rep. 65 Nr. 106, Blatt 15-18; Schück II, S. 555f Nr. 180. 674 Schück II, S. 559ff Nr. 183. 675 GStA Rep. 65 Nr. 106, Blatt 202. 676 Schück II, S. 557f Nr. 181. 677 Schück II, S. 561f Nr. 184. 672

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andere Plätze segeln dürften, entgegnete der König, dass es ihnen frei stehen würde, zu segeln wohin sie wollten, jedoch nur an solche Plätze, welche nicht bereits von anderen Nationen beansprucht würden, es sei denn, sie hätten auch mit ihnen entsprechende Verträge. Johnson hatte sich bereits bei Friedrich I. um eine Handelserlaubnis bemüht. Sofort wurde die Stadt Emden von diesen Verhandlungen benachrichtigt und die dortigen Magistraten zeigten sich auch nicht abgeneigt, ihnen die gleichen Privilegien wie der vorherigen Kompanie zu erteilen. Es sollte Johnson gestattet werden, die Gewässer der preußischen Überseebesitzungen unter königlicher Flagge gegen Berechnung der dort üblichen Abgaben zu befahren und die Gebäude und Werften in Emden unentgeltlich zu benutzen. Von den Retouren sollten außer den üblichen Abgaben an die Stadt Emden eine Gebühr von fünf Prozent an den König entrichtet werden. Auch die Versorgung der Festungen sollte von den englischen Kaufleuten übernommen werden. Der Plan kam jedoch nicht zur Ausführung, da Johnson nach der Unterbreitung der Bedingungen nichts mehr von sich hören ließ. Die einzige Einnahmequelle, welche die BAAC noch besaß, waren die geringfügigen Abgaben aus der Verpachtung der Handelsprivilegien an die Rotterdamer Kaufleute. Diese müssen finanziell auf ihre Kosten gekommen sein, denn bereits im Oktober 1714 baten sie erneut um zwei Seepässe, um dort Gummi und Straußenfedern einzuhandeln. Sie boten dem König einen Erlös von 6.000 Reichstalern, falls dieser bereit sei, ihnen dazu Handelswaren im Wert von 600 Reichstalern mitzugeben. Friedrich Wilhelm I. erklärte sich zur Ausstellung der Seepässe bereit, bat aber dazu um die Lieferung von 150 Sklaven im Alter von zehn bis zwölf Jahren, wozu er dann 1.200 Reichstaler geben wollte 678 . Die Kaufleute erwiderten darauf jedoch, dass sie diese Bitte nicht erfüllen könnten, da die in und um Arguin ansässigen „Mohren“ in Wirklichkeit Türken wären, deren Haut fast so weiß wie die der Europäer wäre. Sie boten deshalb an, so viele schwarze Sklaven einzuhandeln, wie verfügbar wären679. Mit der einzelnen Erlaubnis für jede Fahrt wollten sich die Kaufleute auch nicht zufrieden geben. Sie baten daher kurz darauf darum, gegen eine Pacht von 1.500 Gulden jährlich und die Übernahme der Unterhaltskosten für das Fort nebst der Garnison zwölf Jahre lang privilegiert und allein Handel auf Arguin treiben zu dürfen. Während der Verpachtung sollte Arguin dann auch nicht verkauft werden. Damit war der König jedoch nicht einverstanden, er forderte stattdessen 2.000 Gulden pro Jahr und im Verlauf der Pachtfrist wenigstens 200 Last Gummi und 20.000-24.000 Straußenfedern. Dazu verlangte er Sicherheit für die Pacht sowie die unversehrte Übergabe des Forts nach Auslauf des Vertrags 680. Das passte den Kaufleuten wiederum nicht und sie zogen sich kurz darauf unter Bezug auf die nach wie vor in den

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Schück II, S. 562f, Nr. 185. GStA Rep. 65 Nr. 108, Blatt 23-24. 680 Schück I, S. 297. 679

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Niederlanden gültigen Plakate, welche das Verbot der finanziellen Beteiligung für Niederländer an ausländischen Handelsunternehmen proklamierten, von den Verhandlungen zurück. Der Wunsch, 150 Mohren zu erwerben, blieb beim König jedoch bestehen, da er sie in seinen Regimentern als „Trommler und Pfeifer“ verwenden wollte. Ramler machte dem König deshalb Ende November 1714 Vorschlag, dass dieser selbst ein Schiff ausrüsten lassen und zur Bezahlung dieses Unternehmens, wofür 20.000 Reichstaler veranschlagt worden waren, das Kompanie-Inventar in Emden zu verkaufen und für den Rest die Einnahmen des Gummihandels verwenden solle681. Den Verkauf des Inventars wollte der König jedoch vermeiden, da er befürchtete, dass die Erlöse daraus sofort den Gläubigern anheim fallen würden682. Trotz alledem wurden weiterhin Versuche unternommen, die immer mehr in Bedrängnis geratenen Handelsstützpunkte wenigstens rudimentär zu versorgen. So wurde im März 1715 mit dem niederländischen Kaufmann Pieter de Ruyter ein Vertrag geschlossen, der ihm erlaubte, bis zu drei Schiffe innerhalb von vierzehn Monaten zu schicken und dort Handel zu treiben 683. De Ruyter verpflichtete sich, alle Rückfrachten in Emden zu löschen und vier Prozent der Erlöse an die königliche Schatulle zu bezahlen sowie auf seinen Schiffen alles erforderliche Material für den Unterhalt der Festungen zu transportieren und auf jeder Rückreise zehn bis fünfzehn Mohren kostenfrei zurückzubringen. Um etwaigen Verfolgungen durch die Generalstaaten zu entgehen, sollte er sich in Emden einbürgern lassen. Seine Kapitäne sollten den in den Niederlanden residierenden preußischen Ministern den Eid der Treue leisten. Desgleichen war im Oktober 1715 dem preußischen Agenten Bernhard van Santen in Dortrecht ein Seepass für eine Fahrt nach Guinea erteilt worden. Das Schiff, mit welchem von Santen nach Guinea unterwegs war, wurde jedoch im Januar 1716 nahe Assin von einem Schiff der WIC aufgebracht. Obwohl der preußische Agent den WIC-Bediensteten seinen Pass vorlegte, entgegneten sie nur, dass der Pass zwar gut sei, aber übel respektiert wäre. Friedrich Wilhelm I. war folgerichtig über diese Missachtung seiner Flagge sehr erbost und wies Meinertzhagen an, die Sache aufs äußerste zu verfolgen. Aber selbst die Erklärung, dass das Schiff auf Kosten des Königs ausgerüstet worden war und von Santen lediglich im Auftrag des Königs unterwegs war, half nicht 684 . Schließlich konnte die Konfiszierung nicht verhindert werden, weil festgestellt wurde, dass das Schiff niederländischen Untertanen gehörte, von ihnen ausgerüstet wurde und mit niederländischer Mannschaft fuhr685. Weder die Androhung noch die Ausführung von Repressalien änderten noch etwas an der Situation. Als Friedrich Wilhelm im Juni 1717 ein in Kolberg liegendes niederländisches Schiff beschlagnahmen ließ, erhoben die 681

Schück II, S. 564ff Nr. 186. Schück II, S. 566f Nr. 187. 683 GStA Rep. 65 Nr. 109, Blatt 324. 684 Schück I, S. 299. 685 GStA Rep. 65 Nr. 115, Blatt 72-77. 682

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Niederlande Einspruch mit der Begründung, dass ein derartiges Vorgehen nur im Falle verweigerter Justiz zulässig wäre, worauf der König das Schiff wieder freigeben ließ. Die Tatsache, dass die preußische Flagge von den anderen europäischen Mächten, allen voran von den Niederländern, nicht mehr respektiert wurde, war die Ursache dafür, dass de Ruyter von dem mit dem König geschlossenen Vertrag zurückgetreten war und dass 1717 ein ähnlich gestalteter Vertrag mit einem Franzosen namens David François Roignon, seines Zeichens Bürgermeister und Rat der Stadt Neufchatel, gar nicht mehr zustande kam 686. Der König selbst hatte inzwischen jegliche Motivation verloren, weitere Seepässe auszustellen, da er der Meinung war, dass ein Engagement in dieser Angelegenheit seinem Land mehr schaden als nützen würde687. Die mit der Verwaltung der die BAAC betreffenden Angelegenheiten betrauten Beamten hatten im August 1715 noch den Vorschlag gemacht, den Handel in Großfriedrichsburg und St. Thomas aufrecht zu erhalten688. Sie begründeten dies damit, dass der Handel in Großfriedrichsburg lediglich einen jährlichen Etat von 50 Goldmark benötigen würde, wobei der dortige Gouverneur es in der Vergangenheit oftmals geschafft hatte, diesen selbst zu erwirtschaften und dass es deshalb lohnend sei, zwei bis drei Schiffe jährlich dorthin zu schicken. Auch die Fortsetzung des Handels mit St. Thomas erschien ihnen lohnend, da das auf der Insel noch vorhandene Gesamtvermögen 23.843 Pesos betrage und in Hinblick auf seinen Erhalt ein neuer Vertrag mit Dänemark geschlossen werden solle. Ansonsten würde vor allem in Guinea die Gefahr bestehen, dass sich die Einheimischen dieser Besitzungen bemächtigen würden. Der König war jedoch nicht gewillt, auf diese Vorschläge einzugehen und beharrte weiterhin auf dem Verkauf der Gesellschaft 689 . Die Verhandlungen mit Dänemark brachten als Ergebnis lediglich eine dänische Forderung in Höhe von über 1 Mio. Reichstaler an Preußen, der eine Gegenforderung von 246.959 Reichstalern an Dänemark gegenüberstand, was schließlich dazu führte, dass es zu keiner Einigung mehr kam und die beiden verbliebenen Bediensteten der BAAC auf St. Thomas einfach ihrem Schicksal überlassen wurden690. Ebenso erging es der Festung Großfriedrichsburg. Im November 1716 hatte Dubois die Festung verlassen, um dem König persönlich über ihren andauernden Verfall zu berichten. Seinem Urteil nach war die Festung dem Zugriff fremder Mächte ausgesetzt, falls nicht binnen Jahresfrist etwas dagegen unternommen würde, denn nur so lange wollte sein afrikanischer Stellvertreter, ein gewisser Jan Conny, die Festung im Namen Preußens verteidigen. Dubois´ Bericht veranlasste den König, die Verkaufsbemühungen nun zu beschleunigen, so lange ein Verkauf überhaupt noch möglich erschien. Im Januar 1716 traten drei Vertreter der RAC an Bonet 686

Schück I, S. 300 mit Anm. 58. Schück II, S. 567ff Nr. 188. 688 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 99-104. 689 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 145-148. 690 Schück I, S. 302. 687

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in London heran und boten für den Kauf der afrikanischen Besitzungen die Summe von 25.000 Pfund Sterling. Als Bonet die Summe für zu gering erachtete, boten sie 200.000 Reichstaler für den Fall, dass Preußen ihnen durch Fürsprache am englischen Hof ein afrikanischen Handelsmonopol verschaffen würde691. Dafür war beim englischen Parlament jedoch keine Zustimmung zu erwarten, da die RAC inzwischen die BAAC aufkaufen und den Handel nach Afrika intensivieren wollte. Dazu wollte die RAC eine staatlich garantierte Anleihe über 1 Mio. Pfund Sterling aufnehmen, was jedoch durch den englischen Schatzkanzler Robert Walpole verhindert wurde, da dieser ausschließlich daran interessiert war, die Staatsschulden abzubauen und alles zu verhindern suchte, was diesen Plan gefährden konnte692. Im März 1717 wurde die BAAC auf königlichen Befehl hin in England wieder zur Pacht, in den Niederlanden jedoch zum Kauf angeboten 693 . Im August 1717 trat dann die WIC als interessierter Käufer an Meinertzhagen heran694. Als Friedrich Wilhelm I. die Nachricht erreichte, wies er Meinertzhagen an, ihnen die BAAC sofort zu verkaufen. Er sollte ihr die billigsten Bedingungen einräumen und bot St. Thomas gleich dazu. Als Bezahlung wollte der König entweder eine feste Kaufsumme, bar oder in Aktien, oder eine jährliche Pachtzahlung akzeptieren 695 . Die WIC war jedoch weniger an der Kompanie selbst interessiert, ihr ging es hauptsächlich darum, die ungeliebte preußische Konkurrenz endlich ausschalten zu können. Ihr erstes Angebot betrug 50.000 Gulden, welches jedoch bald reduziert wurde, da die WIC nicht davon ausging, dass die Übergabe der Festungen reibungslos ablaufen würde, da auf Großfriedrichsburg mittlerweile Jan Conny das Sagen hatte und sich die Gerüchte mehrten, dass Conny die endgültige Übernahme der Festung im Sinn hatte. Diese Gerüchte wurden dann auch von der WIC dazu genutzt, den Kaufpreis für die anderen Überseebesitzungen der BAAC zu drücken. Am 18. Dezember 1717 kam mit der WIC ein Kaufvertrag zustande, worin bestimmt wurde, dass Großfriedrichsburg und die benachbarten Plätze sowie Arguin für 6.000 Dukaten in den Besitz der WIC übergehen sollten696. 2.000 Dukaten sollte die WIC sofort nach Empfang der Besitzurkunde zahlen und den Rest, nachdem die Festungen tatsächlich in den Besitz der WIC übergegangen waren, was die WIC auf eigene Kosten zu bewerkstelligen hatte. Sollte dies nicht bis zum 1. Januar 1720 gelungen sein, sollte über die bereits gezahlten 2.000 Dukaten eine gütliche Einigung getroffen werden. Nach dem Erhalt der restlichen Summe sollte der preußische König eine Abtretungsurkunde an die WIC übergeben, worin geregelt wurde, dass er für sich und seine Nachkommen ausdrücklich darauf verzichtete, an der afrikanischen Küste jemals wieder Kolonien anzulegen oder dorthin irgendwelchen Handel zu 691

GStA Rep. 65 Nr. 114, Blatt 18-22. Schück I, S. 304. 693 GStA Rep. 65 Nr. 115, Blatt 51. 694 GStA Rep. 65 Nr. 115, Blatt 244-250. 695 Schück II, S. 567ff Nr. 188. 696 Schück II, S. 570-575 Nr. 189. 692

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treiben. Der König hatte kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen noch vergeblich versucht, sich ein Rückkaufrecht vor allem für Arguin zu sichern, was die Vertreter der WIC jedoch ebenso entschieden ablehnten wie die Bitte, die in Afrika noch vorhandenen Waren entweder kostenfrei nach Amsterdam zu bringen oder deren Wert zu ersetzen. Als Anerkennung für den König versprach die WIC, ihm mit dem ersten aus Guinea zurückkehrenden Schiff zwölf junge und gesunde Negersklaven, sechs davon mit goldenen Halsbändern zu liefern. Tatsächlich ergaben sich für die Niederländer bei den Versuchen, die bisherigen preußischen Festungen zu übernehmen, erhebliche Schwierigkeiten. Im Dezember 1718 kam aus Arguin die Nachricht, dass die Festung nicht mehr zu halten wäre. An Stelle von Nikolas de Both hatte seit Dezember 1716 der in preußischen Diensten stehende Niederländer Jan Wynen dort das Kommando, und er berichtete, dass sein Vorgänger versucht hatte, Arguin den Franzosen in die Hände zu spielen. Um im Falle des Verlustes nicht weiteren Ansprüchen seitens der WIC ausgesetzt zu sein, wurde diese über die auf Arguin herrschenden Umstände umgehend informiert und dazu aufgefordert, die Festung zu übernehmen, bevor sie in fremde Hände geraten würde. Die WIC war jedoch damit beschäftigt, zuerst Großfriedrichsburg zu übernehmen, da Jan Conny sich weigerte, die Festung zu räumen. Als die WIC versuchte, Großfriedrichsburg gewaltsam zu nehmen, schlug Conny den Angriff erfolgreich zurück697. Die WIC wollte die restliche Summe des vereinbarten Kaufpreises nicht bezahlen, bevor sie Großfriedrichsburg in Besitz genommen hatte. Nach dem Eintritt des Fälligkeitstermins drohte Friedrich Wilhelm I. der WIC, dass er den Vertrag mit ihr lösen würde, falls diese die Zahlung weiterhin verzögern und stattdessen die Kompanie den Franzosen oder den Engländern zum Kauf anbieten würde 698 . Obwohl Großfriedrichsburg noch immer von Conny gehalten wurde, erklärte sich die WIC bereit, bei der Übergabe der Abtretungsurkunde die restlichen 4.000 Dukaten zu zahlen. Die geforderten zwölf Sklaven waren bereits im Jahr zuvor vertragsgemäß geliefert worden. Friedrich Wilhelm I. versuchte danach jedoch, von dem Vertrag wieder los zu kommen, da er durch seinen Gesandten in London, den Grafen von Degenfeld, erfahren hatte, dass die RAC 100.000 Reichstaler für die afrikanischen Besitzungen zu zahlen bereit wäre699. Als die Engländer von der Erfüllung des Vertrags mit der WIC erfuhren, zogen sie ihr Angebot wieder zurück. Dieses Angebot veranlasste den König dazu, die WIC aufgrund der großzügigen Offerte der Engländer um eine Ergänzungszahlung zu bitten. Dies lehnte die WIC zuerst mit dem Hinweis ab, dass die Versuche, Großfriedrichsburg in Besitz zu nehmen, bereits Kosten in Höhe von 200.000 Gulden verursacht hätten. Im September 1721 überließ sie dem König jedoch unentgeltlich eine ihrer Aktien, welche sofort verkauft wurde, womit ein Erlös von weiteren

697

Schück II, S. 575ff Nr. 190. GStA Rep. 65 Nr. 119, Blatt 1. 699 GStA Rp. 65 Nr. 119, Blatt 46, Blatt 147-148. 698

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1.200 Dukaten erzielt wurde700. Von dem o. g. Verkauf waren die preußischen Besitzungen auf St. Thomas und in Emden ausgenommen. Ein Verkauf der Besitzungen auf St. Thomas scheiterte regelmäßig an den vermeintlichen Schadensersatzansprüchen Dänemarks an die BAAC, obwohl Friedrich Wilhelm I. sich immer wieder um einen Vergleich mit dem dänischen Hof bemüht hatte. Bordeaux, der letzte Kompanie-Bedienstete auf St. Thomas, sandte regelmäßig Berichte an das Bewindhaberkollegium in Emden, obwohl man ihn bereits vollständig seinem Schicksal überlassen und nicht einmal darüber informiert hatte, dass die Kompanie an die Niederländer verkauft worden war. Trotzdem gelang es ihm, den Handel auf St. Thomas im Namen der Kompanie aufrecht zu halten701. Gegen die immer wieder von den dänischen Gouverneuren gestellte Forderung, die Insel nach Ablauf des Pachtvertrags zu verlassen, wehrte Bordeaux sich regelmäßig mit dem Hinweis darauf, dass er die Insel nicht ohne königlichen Befehl verlassen könne. Außerdem befürchtete er, dass die Dänen im Falle seiner Abreise augenblicklich sämtliches Eigentum der Kompanie beschlagnahmen würden702. Im Jahr 1717 hatte Bordeaux um seine Ablösung gebeten703, seinen Demissionsbefehl hatte er aber nie erhalten704. Bis 1727 ließen ihn die Dänen gewähren, dann eröffnete der dänische Gouverneur Suhm wegen der rückständigen Pachtzahlungen einen Prozess gegen Bordeaux als Vertreter der BAAC. Obwohl Bordeaux den Beginn des Prozesses dem Bewindhaberkollegium meldete und diese Information tatsächlich den preußischen Hof erreichte, wollte Friedrich Wilhelm I. ohne genaue Kenntnis der Sachlage nichts unternehmen und auf einen detaillierten Bericht von Bordeaux warten705. Als dieser dann 1731 endlich eintraf, war es zu spät, um noch irgend etwas zur Rettung der Lage auf St. Thomas zu unternehmen706. Bordeaux war bereits in zwei Instanzen zur Zahlung einer beträchtlichen Landschuld verurteilt worden. Obwohl er sich die Bestätigung des Urteils durch einen Richter in Europa vorbehielt, wurde das Urteil umgehend vollstreckt, indem die Dänen sämtliche preußischen Besitzungen auf St. Thomas beschlagnahmten und versteigern ließen. Bordeaux bezog darauf mit seiner Familie das kleine ehemalige Wohnhaus der BAAC, da er für eine Rückkehr nach Europa mittlerweile zu alt war. 1720 hatte Friedrich Wilhelm erstmals verfügt, die restlichen Besitztümer der BAAC, welche in Emden noch vorhanden waren, zu verkaufen 707. Die Emdener Beamten hatten jedoch wiederholt von einem öffentlichen Verkauf abgeraten, weil die Stadt Emden die dort stationierten preußischen 700

Truppen

nur wegen

Schück II, S. 580 Nr. 193. GStA Rep. 65 Nr. 123, Blatt 15-21. 702 GStA Rep. 65 Nr. 161, Blatt 45-61. 703 Schück I, S. 310. 704 GStA Rep. 65 Nr. 117, Blatt 116-118. 705 GStA Rep. 65 Nr. 123, Blatt 61. 706 GStA Rep. 65 Nr. 123, Blatt 72-75. 707 GStA Rep. 65 Nr. 119, Blatt 17. 701

158

der

Existenz

der

BAAC

duldete

und die

alten

Kompaniebediensteten, Lieferanten und Gläubiger das restliche Vermögen der Kompanie in Beschlag nehmen würden. Friedrich Wilhelm I. erachtete sich jedoch zum Verkauf berechtigt, da die Kompanie sich bereits seit 1711 vollständig in königlichem Besitz befand. Der Verkauf wurde schließlich der Vorsicht halber unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen, was noch einmal einen Gesamterlös von knapp 6.500 Reichstaler einbrachte. Die mit dem Verkauf betrauten Beamten mussten sich jedoch vor dem König verantworten, da sie den Verkauf nicht persönlich geleitet, sondern dies ihren Stellvertretern überlassen hatten. Friedrich Wilhelm I. war der Ansicht, dass der Verkauf ansonsten mehr Geld eingebracht hätte, gab sich aber mit der Erklärung zufrieden, dass dies eine reine Schutzmaßnahme gewesen war, um unnötiges Aufsehen zu vermeiden 708. Eine Denkschrift, welche vom Marinerat von Ilgen im Jahr 1722 geschrieben wurde, fasst die Geschehnisse der BAAC noch einmal zusammen709. Nach Ansicht von Ilgens war das Unternehmen von Beginn an ein einziger Betrug, weil man sowohl Kurfürst Friedrich Wilhelm als auch Friedrich III./I. einen angeblichen finanziellen Vorteil vorgespiegelt hatte, den es in Wirklichkeit gar nicht gegeben hatte. In einem ironischen Ton äußerte sich von Ilgen über die Tatsache, dass die ansonsten so knauserige WIC die nahezu wertlosen Handelsstützpunkte der BAAC aufgekauft hatte, obwohl Preußen noch nicht einmal in der Lage gewesen war, diese einwandfrei an sie zu übergeben. Auch die permanenten Unstimmigkeiten innerhalb des Bewindhaberkollegiums sowie der immer währende Geldmangel trugen nach von Ilgens Meinung dazu bei, dass diesem Unternehmen kein Erfolg beschieden sein konnte. Mit dem Verkauf der letzten Kompanie-Effekten im Jahr 1725 endete dann die Geschichte dieses einst mit so hohen Erwartungen begonnenen Unternehmens.

708 709

Schück I, S. 311f mit Anm. 110. Schück II, S. 580ff Nr. 194.

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Kapitel 4. Wirkungsgebiete der BAC

4.1 In Europa

4.1.1. Pillau und Königsberg

Die Stadt Königsberg war im 17. Jahrhundert die bedeutendste Handels- und Hafenstadt in Preußen. Ihre Stellung im Geflecht der Handelsstraßen im Herzogtum war im Prinzip die gleiche, wie sie bereits im Ordensstaat gewesen war710. Der Handelszug aus Litauen zur preußischen Küste war schon lange ein essenzieller Bestandteil des nordeuropäischen Wirtschaftsraumes, da die gehandelten Waren auf beiden Seiten unentbehrlich waren. Es kam lediglich darauf an, Danzig als lästigen Konkurrenten auszuschalten. Durch geschickte Zollpolitik gelang dies sogar ohne größeres Investitionsrisiko. Obwohl Königsberg dadurch zu einer der wichtigsten Handelsstädte im baltischen Handel entwickelt hatte, bildeten sich dort keine herausragenden Handelsfamilien wie in Danzig, Hamburg oder in den Niederlanden, im Gegenteil. Ihre kleinliche, auf größtmögliche Sicherheit bedachte und ängstlich rechnende Art verhinderte, dass sich in Königsberg ein ferne Gebiete umspannender Handel entwickeln konnte. Dies lag auch nicht im Sinne der Königsberger Kaufleute. Die günstige Lage ihrer Stadt sollte allen ein angemessenes Auskommen ermöglichen, aber nicht mehr711. In dem Maße, wie die Bedeutung Königsbergs als Handelsstadt stieg, schränkten die Kaufleute ihre Tätigkeiten ein, anstatt sie entsprechend auszuweiten. Der ohnehin geringe Schiffsverkehr, den Königsberg im 16. Jahrhundert betrieb, wurde sogar ganz eingestellt. Bereits 1704 gab es in Königsberg kein einziges seegehendes Schiff mehr, das im Auftrag eines Königsberger Kaufmanns fuhr712. Ab dem 17. Jahrhundert bestand das Kerngeschäft der Kaufleute in Königsberg überwiegend aus der Vermittlung von Waren der litauischen Kaufleute an die englischen und niederländischen Kaufleute, die als Kommissionäre ihrer heimischen Firmen in Königsberg ansässig waren. Durch die Tatsache, dass diese Warenströme nicht versiegten, wurde den Königsberger Kaufleuten ein gutes Einkommen garantiert. Die günstige Lage Königsbergs sorgte dafür, dass dieser Warenverkehr nicht versiegte. Allerdings führte die bequeme Haltung der Königsberger Kaufmannschaft dazu, dass sich der Handel bei weitem nicht in dem Maße entwickelte, wie es in anderen europäischen Handelsmetropolen der frühen Neuzeit der Fall war. Diese ablehnende Haltung bekam Kurfürst Friedrich Wilhelm bereits 1651 zu spüren, als er die 710

Gause, Fritz: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen. 3 Bände, hier: Band 1: Von der Gründung der Stadt bis zum letzten Kurfürsten, Köln 1996, S. 131ff; ders.: Königsberg in Preußen. Die Geschichte einer europäischen Stadt, München 1968, S. 31ff. 711 Rachel, Hugo: Handel und Handelsrecht in Königsberg in Preußen im 16. bis 18. Jahrhundert, in: FBPG 22, Leipzig 1909, S. 95-135, hier: S. 109f. 712 Rachel: Handel und Handelsrecht, S. 110, Anm. 1.

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Königsberger Kaufleute dazu aufforderte, sich finanziell an einer Ostindienkompanie zu beteiligen. In diesem Jahr schickte der Kurfürst seinen Kammersekretär Friedrich Schlezer nach Hamburg, Königsberg und nach Kurland, um für die Beteiligung einer Ostindienkompanie zu werben 713 . Schlezers Aufgabe war, zum einen mindestens 26.000 Reichstaler als Anleihe für den Erwerb der dänischen Ostinienkompanie einzuwerben und zum anderen, die Städte für die Beteiligung einer eigenen Ostindienkompanie zu gewinnen. Während man sich in Hamburg zumindest abwartend verhielt, bereiteten Schlezers Verhandlungen in Königsberg dem Kurfürsten gleich zu Beginn eine herbe Enttäuschung. Als Schlezer Anfang November in Königsberg eintraf, musste er, da die Räte offenbar nicht willens oder fähig waren, ein gemeinsames Treffen zu vereinbaren, jeden Stadtrat einzeln aufsuchen, um das kurfürstliche Gesuch vortragen zu können714. Die Räte wollten zuerst die Reaktion des Herzogs von Kurland abwarten, ehe sie selbst zu einer Entscheidung bereit wären. Was die geforderte Anleihe betraf, antworteten sie, dass sie bereits Handel und Wandel genug hätten mit den Waren, welche sie aus Litauen und Russland beziehen würden und nicht einmal vermögend genug wären, um diese Waren bezahlen zu können, weshalb sie größtenteils nach Danzig zum Schaden des Pillauer Sundzolls verhandelt würden715. Sie seien daher nicht in der Lage, sich an einer Ostindienkompanie zu beteiligen und dem Kurfürsten das gewünschte Darlehen über 26.000 Reichstaler zu gewähren. Die eigentliche Ursache für die ablehnende Haltung dürfte jedoch kaum der vorgegebene Geldmangel gewesen sein. Anfang 1652 berichtete Schlezer, dass die Räte in Königsberg darum gebeten hätten, die Malzmühle wieder in Betrieb nehmen zu dürfen, was mit erheblichen Einnahmen verbunden gewesen wäre716. Vielmehr wollten die Königsberger Räte und auch der Herzog von Kurland von dem Vertrag mit Dänemark befreit werden. Ein anderer Grund, weshalb die Königsberger sich gegen die Idee einer Ostindienkompanie des Kurfürsten wehrten, liegt vermutlich darin, dass Friedrich Wilhelm immer wieder den Zuzug fremder Kaufleute unterstützte, die das Monopol der einheimischen Kaufleute unterliefen. So klagten die Räte im Oktober 1663, dass sich in Königsberg derart viele Schotten auf die Königsberger Freiheiten eingeschlichen hätten, dass sie ganze Häuser besetzt hielten 717 . Als im selben Monat zwei schottische Kaufleuten in Königsberg um das Bürgerrecht ersuchten und die Räte ihnen dies verwehrte, forderte der Kurfürst mit Nachdruck, ihnen das Bürgerrecht zu erteilen718. Auch wurde die Anwesenheit ausländischer Händler immer wieder als Argument für die angebliche Armut der Königsberger Kaufleute bemüht. Im Februar 1679 beklagten sich die Räte, dass die schottischen, englischen und niederländischen Kaufleute und Handwerker inzwischen so 713

Schück II, S. 32-37 Nr. 12. Schück I, S. 42. 715 Schück II, S. 40f Nr. 14. 716 Schück II, S. 42ff Nr. 15. 717 UA XVI, S. 455ff: Ex Protocollo der Drei Städte Königsberg, den 16. Oktober 1663. 718 UA XVI, S. 459f, Anm. 2. 714

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zahlreich waren, dass die Stadt dadurch in Armut zu versinken drohte und den Einheimischen alle Nahrung entzog. Sie ersuchten deshalb den Kurfürsten, diesem Treiben endlich Einhalt zu gebieten 719 . Im August 1685 klagen sie über die hohe Steuerlast, indem sie einmal mehr die Übermacht der schottischen Händler sowie die stetig fallenden Zolleinnahmen anprangerten 720. Im September bewilligten sie dem Kurfürsten die Akzise, machten aber wiederum auf die ihrerseits empfundene unerträglich gewordene Situation durch den zunehmenden Einfluss fremder Kräfte beim Kurfürsten aufmerksam 721 . Die ausländischen Kaufleute empfanden dies natürlich völlig anders. 1685 klagte ein englischer Kaufmann in einem Schreiben an den Kurfürsten, dass die Königsberger Kaufleute ihr Handelsmonopol gleich doppelt ausüben würden. Zum einen richtete es sich gegen die Bürger, da diese nicht aus erster Hand kaufen dürften, zum anderen richtete es sich gegen die Fremden, die nicht an fremde verkaufen dürften. Auch würden zu viele Händler die gleichen Waren verkauften, was dazu führen würde, dass diese verarmten und keinen Kredit mehr hätten. Die Lösung könne deshalb nur sein, dass die Königsberger Kaufleute anfangen sollten, selbst aus erster Hand in Litauen und Preußen zu kaufen sowie einen eigenen Handel nach England, den Niederlanden und nach Übersee aufzubauen und auch dort den kleinlichen Zwischenhandel auszuschalten. Auch für den Schiffbau wäre Königsberg sehr geeignet, vorausgesetzt, die Königsberger würden damit aufhören, die dazu benötigten Rohmaterialien unbearbeitet nach außen zu verkaufen722. Nicht besser erging es 1680 Benjamin Raule, als er sich in Königsberg aufhielt, um dort für eine Schiffbau-Gesellschaft zu werben. Er war im Januar vom Kurfürsten beauftragt worden, den Seehandel und die Seefahrt in Preußen aufzurichten723. Raule versuchte, den Kaufleuten klar zu machen, dass sie vom Schiffbau und Überseehandel nur profitieren könnten, da alles notwendige vorhanden sei und der Stadt einen erheblichen Konjunkturwandel zum Besseren bringen würde724. Um den Schiffbau in Gang zu bringen, sollten die preußischen Stände ihm 6.000 Reichstaler aus den Erlösen des Bernsteinhandels überlassen, womit Baracken für Matrosen sowie Magazine und Gebäude für ein Marinekollegium errichtet werden sollten. Dazu sollten sie auch Bauholz für den Schiffbau bereit stellen. Raule versuchte nach seiner Ankunft in Königsberg auch, eine Schiffsbaukompanie mit einem geplanten Kapital von 50.000 Reichstalern zu gründen. Er selbst wollte sich unter der Federführung der Königsberger Kaufleute zur Hälfte daran beteiligen. Als Privileg verlangte er lediglich, den Direktor der Gesellschaft ernennen zu dürfen. Raule wies vor allem darauf hin, dass besonders in Kriegszeiten eigene Schiffe für den Konvoidienst nützlich 719

UA XVI, S. 873ff: Memorial des Standes von Städten und in specie der Städte Königsberg, den 23. Februar 1679. UA XVI, S. 992f: Derer von Städten Erklärung, den 3. August 1685. 721 UA XVI, S. 997f: Absonderliche Resolution der Städte Königsberg, den 18. September 1685. 722 Rachel: Handel und Handelsrecht, S. 114f. 723 Schück II, S. 92 Nr. 44. 724 Schück II, S. 93f Nr. 45. 720

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wären. Allerdings erhoffte er sich nicht viel von den Königsbergern, da er schnell merkte, dass sich selbige nur für Dinge interessierten, die sie selbst in die Hand nehmen konnten725. Und tatsächlich scheiterte der Plan einer Schiffsbaugesellschaft an der Gleichgültigkeit der Kaufleute. Als nächstes wandte er sich der Aufgabe zu, eine Schiffswerft in Pillau einzurichten und dort einen neuen Kanal stechen zu lassen. Dazu wurde er vom Kurfürsten zunächst mit dem Bau einer Schiffswerft mit drei Helligen auf dem Pillauer Haken beauftragt. Die Baukosten sollten aus den Einnahmen des samländischen Bernsteins bestritten werden. Das Personal der Werft stammte überwiegend aus den Niederlanden726. Auf der Pillauer Werft wurden u. a. im Jahr 1681 die Schiffe Friedrich Wilhelm zu Pferde und Kurprinz von Brandenburg gebaut. Auf dem Werftgelände befand sich ein Kran zum Einsetzen der Masten, eine Werkhalle für Arbeiten im Winter, eine Ankerschmiede und eine Reeperbahn für die Herstellung von Tauwerk. Die Verwaltung der Werft oblag dem im Jahr 1681 gegründeten Admiralitätskollegium. Bis zum Jahr 1683 war der Hafen von Pillau die Heimat sowohl von der kurfürstlichen Flotte als auch der Marinegarnison. Des weiteren arbeitete Raule auch Vorschläge aus, wie sich Maße und Gewicht ordnen sowie die Schifffahrt auf dem Haff verbessern ließen und wie man das Wirken der schottischen Kaufleute einschränken könnte727 . Der Kurfürst war mit Raules Vorschlägen überwiegend einverstanden. Obwohl Raule unermüdlich versuchte, die Kaufleute in Königsberg zur Teilnahme am Überseehandel zu bewegen, blieben alle seine Bemühungen erfolglos. Noch 1684 beklagte er sich beim Kurfürsten über die engstirnige Haltung von dessen Untertanen. Obwohl alles, was für die Aufrichtung der Schifffahrt und des Seehandels vorhanden wäre, ließen sich nicht genügend Kaufleute bzw. Investoren finden, die bereit wären, sich an einem entsprechenden Unternehmen zu beteiligen. Sie würden, besonders in Königsberg, nur an ihre Privilegien denken und nicht über ihren eigenen beschränkten Horizont blicken, deshalb könnten sie nicht sehen, welche Vorteile ihnen der Seehandel bringen würde. Um diesem Übel abzuhelfen, empfahl Raule dem Kurfürsten dringend, sich an Engländer, Franzosen und Niederländer zu wenden, welche wegen ihres Glaubens im eigenen Land einen schweren Stand hätten und sie in den eigenen Städten anzusiedeln. Diese sollten dann durch entsprechendes Engagement den kurfürstlichen Untertanen ein Vorbild sein 728 . Ungeachtet der genannten Schwierigkeiten wurde Königsberg zum Sitz der BAC und Pillau als Basis ihrer Schiffe bestimmt. Ein besonderes Privileg zur Beteiligung der Königsberger Kaufleute an der Kompanie blieb ebenso erfolglos 729 . Da trotz allem eine Besserung der Situation nicht zu erwarten war, verlegte der Kurfürst die Kompanie im Jahr 1683 schließlich nach Emden. 725

Schück I, S. 111. Haberland, Konrad: Die Seestadt Pillau und ihre Garnison, Pillau 1936, S. 65f. 727 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 184. 728 Schück I, S. 140. 729 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 281-283. 726

163

4.1.2. Emden

Der Umstand, dass das Fürstentum Ostfriesland in den Einflussbereich Brandenburg-Preußens geriet, ist den Erbstreitigkeiten zwischen der regierenden Fürstin Christine Charlotte von Württemberg und den ostfriesischen Ständen zuzuschreiben. Christine Charlotte hatte nach dem frühen Tod ihres Ehemanns Georg Christian Cirksena im Jahr 1665 die Regentschaft übernommen, die sie für ihren erst nach dem Tod ihres Mannes geborenen Sohn Christian Eberhard als Vormund ausübte, wobei ihr Schwager Edzard Ferdinand und ihr Vater, Herzog Eberhard von Württemberg sowie die welfischen Herzöge Ernst August und Georg Wilhelm als Mit-Vormünder fungierten730. Dadurch stand Christine Charlotte in einer besonderen Beziehung zu auswärtigen Mächten. Die Konflikte, die Ostfriesland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bedrohten, waren Teil des ganz Europa bedrohenden Kampfes Ludwigs XIV. um die Hegemonie in Europa und die französische Expansion nach Osten. Die im Jahr 1672 erfolgte Kriegserklärung Frankreichs und dessen Verbündeten an die Niederlande traf die Ostfriesen keinesfalls überraschend. Bereits im Dezember 1671 hatten die Niederlande sowohl die Fürstin Christine Charlotte als auch die ostfriesischen Stände auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass sich fremde Truppen im Land einquartieren und sie die Rolle als Schutzmacht für Ostfriesland nicht durch Verstärkung ihrer eigenen Garnisonen Nachdruck verleihen konnten und Ostfriesland sich deshalb selbst auf den Verteidigungsfall vorbereiten sollte. Christine Charlotte schrieb am 10. Januar einen Landtag aus. Zu einem Ergebnis kam es jedoch erst, als aus Amsterdam Unmut über die schleppende Reaktion auf die Warnung vor der Kriegsgefahr geäußert wurde731. Es gelang schließlich ein Vergleich, nach dem die Werbung der Soldaten und die Auswahl der Offiziere von der Fürstin und den Ständen gemeinsam kontrolliert und die Truppen sowohl auf die Fürstin als auch auf die Stände eingeschworen wurden. Allerdings wurden zusätzlich zu den bereits bestehenden drei MilizKompanien in Emden nur vier neue Kompanien, welche jeweils 150 Mann stark waren, ausgehoben und dies auch nur begrenzt für ein Jahr732 . Diese Regelung verdeutlicht, dass die ostfriesischen Stände sämtliche Vorkehrungen getroffen hatten, um zu verhindern, dass daraus eine stehende Truppe wurde, welche der Fürstin dazu dienen konnte, ihren Machtanspruch zu erweitern, vor allem dann, wenn es darum ging, Steuern gegen den Willen der Stände einzutreiben 733. Nach Ablauf des 730

Hirsch, Ferdinand: Der Große Kurfürst und Ostfriesland, Aurich 1914, S. 3; Klopp, Onno: Geschichte Ostfrieslands, 3 Bände, Osnabrück 1854-1858, hier: Band 2, S. 372 (nachfolgend als Klopp II zitiert); Schmidt, Heinrich: Politische Geschichte Ostfrielands, Leer 1975, S. 289. 731 Wiarda, Tileman Dothias: Ostfriesische Geschichte, 10 Bände, Aurich 1796, unveränderter Nachdruck Leer 1968, hier: Band 6 S. 1f (nachfolgend als Wiarda 6 zitiert). 732 Wiarda 6, S. 21. 733 Melchers, Thorsten: Ostfriesland - Preußens atypische Provinz? Preußische Integrationspolitik im 18. Jahrhundert,

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Jahres gab es jedoch Streit zwischen der Fürstin und den Ständen, da die Stände eine Kompanie nach Emden verlegt hatten, um die Verminderung der niederländischen Garnison infolge des Krieges zu kompensieren 734 . Die Fürstin hingegen hatte kein Interesse an der Verstärkung des Schutzes der Stadt. Sie wollte vor allem Söldner, die auf sie persönlich eingeschworen waren und über die sie nach Belieben verfügen konnte 735 . Sie stütze sich bei dieser Forderung auf einen Reichstagsbeschluss aus dem Jahr 1654, worin den Ständen im Reich aufgetragen wurde, hinreichende Mittel für die Instandhaltung und Besetzung der für die Landesverteidigung notwendigen Festungen zu bewilligen. Diese Regelung ermöglichte allerdings erheblichen Spielraum für alle Detailfragen, womit Auseinandersetzungen vorprogrammiert waren 736 . Diese Bestimmung schränkte das ständische Bewilligungsrecht tendenziell ein, was der Forderung der Fürstin nach Söldnern Nachdruck verlieh. Zudem lag die Verteidigung Ostfrieslands neben den Generalstaaten nun auch im Interesse des Kaisers, der diesen ab 1673 beistand. Kaiser Leopold versuchte zu dieser Zeit, der Kaiserwürde im Nordwesten des Reichs mehr Gewicht zu verleihen. Dies bedeutete in erster Linie, dass er das politische Gewicht der Niederlande in Ostfriesland reduzieren musste, da deren Position zu Ostfriesland zunehmend problematischer wurde737. Während er in Wien mit Bolo Ripperda, dem Bevollmächtigten von Fürstin und Ständen, wegen der Befreiung Ostfrieslands von den Reichssteuern verhandelte, erreichte ihn die Nachricht über den Vergleich zwischen der Fürstin und Münster 738 . Dies führte dazu, dass zwei die ostfriesischen Kriegslasten betreffende Verträge, nämlich der der Fürstin mit Münster und der des Kaisers mit den Ständen, der gegen die münsterschen Truppen und gegen die Niederlande als fremde Macht in Ostfriesland gerichtet war, gegeneinander standen. Zudem lies Christine Charlotte weiterhin Steuern gegen den Willen der Stände eintreiben 739. Erst im April 1678 gelang es dem Kaiser, den Bischof zum Abzug seiner Truppen aus Ostfriesland zu bewegen, indem er 200 Mann nach Münster schickte, um dort ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren 740. Diese Maßnahme sorgte zunächst für eine gewisse Beruhigung der Lage. Dies änderte sich jedoch wieder, als 1678 der Kaiser den Ständen Wappen und Siegel verlieh, womit er den Dualismus der herrschaftlichen Verhältnisse in Ostfriesland anerkannte und auch die alte Frage nach der Notwendigkeit eigener Truppen in Ostfriesland wieder aufgeworfen wurde741. In ihrem Bemühen um militärische Macht

Oldenburg 2002 S. 121. Wiarda 6, S. 32. 735 Wiarda 6, S. 38ff. 736 Press, Volker: Kriege und Krisen, Deutschland 1600-1715, München 1991, S. 333f; Schilling, Heinz: Höfe und Allianzen, Deutschland 1648-1763, Berlin 1989, S. 120f. 737 Schmidt, Heinrich: Politische Geschichte Ostfrielands, Leer 1975, S. 293f. 738 Wiarda 6, S. 97f. 739 Wiarda 6, S. 111. 740 Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 4; Wiarda 6, S. 125f. 741 Wiarda 6, S. 139ff. 734

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wandte die Fürstin sich wieder zu den Niederlanden und den welfischen Herzögen, worauf sich die Stände wieder an den Kaiser wandten und um ein Konservatorium baten, wobei sie darauf aufmerksam machten, dass die Gefahr eines neuerlichen Eingreifens durch reichsfremde Staaten bestehen würde 742 . Da der Kaiser befürchtete, dass sich auf diese Weise auswärtige Mächte in Reichsangelegenheiten zu mischen drohten, stimmte er diesem Vorschlag zu und bestimmte am 16. Mai 1681 Bischof Ferdinand von Paderborn und Münster, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Pfalzgraf Johann Wilhelm von der Pfalz zu Konservatoren der Grafschaft Ostfriesland und ihrer Stände743. Das Ziel dieses Konservatoriums war, den innenpolitischen Status Quo zu erhalten als auch den außenpolitischen Schutz Ostfrieslands sicher zu stellen. Als Friedrich Wilhelm nach dem Frieden von St. Germain in seinen Expansionsplänen enttäuscht worden war, suchte er wieder den Schulterschluss zu Frankreich, da er sah, dass Frankreich seinen Plänen förderlicher war als der Kaiser. Der hatte bereits 1675 die brandenburgischen Erbansprüche auf die schlesischen Herzogtümer Liegnitz, Brieg und Wohlau beim Tod des letzten Piasten ignoriert. Dazu wollte er Brandenburg keine weiteren Gewinne auf Kosten kleinerer Reichsstände zugestehen. Unter diesen Umständen war es für Ludwig XIV. ein Leichtes, Brandenburg als Bündnispartner zu gewinnen744. Die Rückgabe Vorpommerns an Schweden hatte dem Kurfürsten wieder einmal den für die wirtschaftliche Entwicklung seiner Territorien so dringend benötigten Seehafen verwehrt. Dies ließ Ostfriesland für Friedrich Wilhelm immer attraktiver werden, obwohl in Emden und Leer nach wie vor niederländische Truppen stationiert waren und sich das Verhältnis des Kurfürsten zu den Niederlanden seit dem Bündniswechsel zu Frankreich deutlich verschlechtert hatte, woran auch ein Besuch Wilhelms III. von Oranien in Potsdam im Oktober 1680 nichts änderte745. Ende September wurde zwischen dem Kurfürsten und den ostfriesischen Ständen ein Vertrag geschlossen, dessen Inhalt aber erst nach der Besetzung Greetsiels offiziell bekannt werden sollte. Darin wurde auch in mehreren geheimen Zusatzartikeln die Bezahlung der künftig in Ostfriesland stationierten Truppen geregelt, die auf 1250 Reichstaler pro Monat für 280-300 Mann veranschlagt wurden746. Um seine Truppen unbemerkt nach Greetsiel bringen zu können, bat der Kurfürst den dänischen König, mit dem er kurz zuvor noch ein Defensiv-Bündnis geschlossen hatte747 , seine Truppen in Glückstadt einschiffen zu dürfen unter dem Vorwand, seiner Bündnispflicht nachzukommen, um keinen Verdacht zu schöpfen 748 . Sämtliche Vorbereitungen zu diesem Plan wurden innerhalb weniger Wochen abgeschlossen. Münster und die Niederlande wurden erst kurz 742

Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 5. UA XXII, S. 509f: Kaiserliches Konservatorium über Ostfriesland, Wien den 16. Mai 1681. 744 Press: Kriege und Krisen, S. 421; Schilling: Höfe und Allianzen, S. 229. 745 Opgenoorth 2, S. 217ff. 746 UA XXII, S. 519f: v. Diest an den Kurfürsten, Cleve den 30. September/10. Oktober 1682; Moerner: Staatsverträge, S. 436ff Nr. 254; Schück II, S. 135f Nr. 66. Bei Moerner fehlt der Zusatz, der die Bezahlung der Truppen regelt. 747 Moerner: Staatsverträge, S. 428f Nr. 248. 748 UA XXII, S. 521: Der Kurfürst an den König von Dänemark, Potsdam den 3. Oktober 1682. 743

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vor der Einschiffung der Truppen informiert, so dass sie keine Zeit mehr für eventuelle Gegenmaßnahmen hatten, ohne sich dabei übergangen fühlen zu müssen 749. Auch die Mannschaften selbst wurden über ihr wahres Ziel erst auf See informiert. Lediglich die Offiziere waren zuvor in den Plan eingeweiht worden750. Befehlshaber über das Unternehmen war Oberstleutnant von Brandt, der auch die Weisung erhalten hatte, sich das Vertrauen der Bevölkerung zu erwerben. Die Schiffe stachen am 26. Oktober in See und gingen drei Tage später bei heftigem Sturm in der Emsmündung vor Anker. Tags darauf setzte von Brandt mit einem Fischerboot nach Emden über, wo er bereits von v. Diest, Dodo von Knyphausen und dem Bürgermeister Andree erwartet wurde, um zu überlegen, wie man sich Greetsiel am besten bemächtigen könnte. Ihre Idee war, sich als Verstärkung im Namen der Fürstin auszugeben und dann durch die geöffneten Tore zu stürmen. Dieser Plan scheiterte, da der örtliche Kommandant inzwischen Verdacht geschöpft hatte751. Weil die Überrumpelung nun ausschied, wollte von Brand die Burg im Sturm nehmen, da er erfahren hatte, dass die Besatzung nur aus 15 Männern und einem Leutnant mit Proviant für zehn Tage bestand 752 . Die Entscheidung darüber stellte er den Ostfriesen anheim. Beim Ausschiffen der Soldaten kam es jedoch zu einer Panne. Diese wurden versehentlich zwei Meilen vor der Küstenlinie auf einer Sandbank ausgesetzt und mussten die ganze Nacht durch das Watt laufen, bis sie die Küste erreichten753. Inzwischen hatte der Kommandant der Salvegarde, Martin von Gerdes, der Fürstin angeboten, die Burg Greetsiel zu besetzen. Die Fürstin verlangte aber nur die Vertreibung der brandenburgischen Truppen. Sie legte bei den Ständen Protest ein und erkundigte sich nach von Brandts Absichten. Dieser erwiderte, er sei kraft des Konservatoriums zum Schutz Ostfrieslands gekommen 754 . Inzwischen war aus Emden die Erlaubnis zur Erstürmung der Burg gegeben worden. Obwohl von Brandt alles dazu vorbereitet hatte, strebte er eine unblutige Übernahme der Burg an. Dazu bot er in der Nacht zum 6. November 1682 dem Kommandanten der Burg einen Posten als Leutnant in der kurfürstlichenen Armee und einen Sold von 200 Reichstalern, wenn er die Burg übergeben würde. Da dem Leutnant bewusst war, wie aussichtslos seine Lage war, akzeptierte er von Brandts Angebot. Er bat jedoch darum, zumindest zum Schein zu kämpfen. Dieser Bitte kam von Brandt nach, als beide Seite einige Schüsse in die Luft abgegeben hatten, besetzte von Brandt mit seinen Truppen die Burg und ging sogleich daran, umfangreiche 749

Opgenoorth I, S. 238. UA XXII, S. 522f: Instruktion für Oberst-Leutnant von Brandt, Potsdam den 9. Oktober 1782; Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 17. 751 Klinkenborg, Melle: Die Einnahme Greetsiels durch die Brandenburger 1682, in: EJB 13, 1895, S. 234-239, hier: S. 235. 752 UA XXII, S. 525f: von Brandt an den Kurfürsten, Greetsiel den 3. November 1682. 753 Klinkenborg: Einnahme Greetsiels, S. 237. Nach Wiarda 6, S. 178f und Klopp 2, S. 405 sind die Schiffe unter dem Vorwand, Muscheln für die Kalkbrennereien zu transportieren, in den Emder Hafen eingelaufen. Nach Melchers: Ostfriesland, S. 137, Anm. 92 wurde wahrscheinlich nur eine Vorhut im Watt ausgesetzt, während der Rest in Emden an Land ging. 754 Wiarda 6, S. 179f. 750

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Verteidigungsvorbereitungen zu treffen755. Knapp zwei Wochen später trat am 18. November der Geheimvertrag zwischen dem Kurfürsten und den ostfriesischen Ständen offiziell in Kraft. Er versprach den Schutz der Stände vor dem willkürlichen Verhalten der Fürstin, weitere Vermittlungsversuche zwischen den Parteien und den Schutz Ostfrieslands vor der Einflussnahme fremder Mächte. Die Soldaten wurden auf den Vertrag eingeschworen und sollten nicht ohne die Zustimmung der Stände zurückgezogen werden. Der Vertrag wurde schließlich auf dem kurz darauf folgenden Landtag am 31.12.1682 ratifiziert756. Allerdings zeigten sich sowohl Christine Charlotte als auch Kaiser Leopold ziemlich befremdet über die Stationierung brandenburgischer Truppen in Ostfriesland. Der Kaiser forderte sogar den Abzug der kurfürstlichen Truppen, worauf Friedrich Wilhelm hinwies, dass der Abzug der Truppen die kaiserliche Autorität untergraben würde und dass es ihm mit dem Schutz der ostfriesischen Stände ernst war 757 . Als auch die Niederlande ihr Missfallen über die kurfürstliche Präsenz in Ostfriesland zum Ausdruck brachten, gab der Kurfürst zur Antwort, dass er zwar die Verträge der Ostfriesen mit den Niederlanden nicht kannte, dass aber Ostfriesland Teil des Reiches war und die Niederlande davor warnte, sich in Reichsangelegenheiten einzumischen. Sollten sie sich doch einmischen, würden er und seine Mit-Konservatoren weitere Truppen in Ostfriesland stationieren und er wies bei der Gelegenheit zugleich auf die Hilfeleistungen hin, die er in der Vergangenheit den Niederlanden geleistet hatte758. Schützenhilfe bekam der Kurfürst dabei sowohl vom Kaiser als auch vom dänischen König. Leopold kritisierte scharf die bisherige Abhängigkeit Ostfrieslands von den Niederlanden. Auch wenn sie in der Vergangenheit als Freunde und Nachbarn in ostfriesische Angelegenheiten eingegriffen hätten, hätte sich dadurch an den Rechten des Reiches an Ostfriesland nichts geändert. Damit ist klar, dass der Kaiser zumindest zu dieser Zeit auf die Hilfe des Kurfürsten angewiesen war, um die Niederlande von einer Gegenreaktion abzuhalten. Die Präsenz Kurbrandenburgs in Ostfriesland hatte dazu geführt, dass sich der Status Ostfrieslands als ein von den Niederlanden abhängiger Teil des Reichs geändert hatte. Durch die fortwährende Bedrohung durch die Expansionspläne Ludwigs XIV. waren die Niederlande offenbar nicht länger bereit, die Ostfriesische Frage eskalieren zu lassen 759. Die Situation war für den Kurfürsten günstig und er hatte sie optimal genutzt, wobei sich sein stehendes Heer wieder einmal als lohnende Investition erwiesen hatte. Jetzt kam es darauf an, sich dauerhaft in Ostfriesland zu etablieren, da ihm klar war, dass das Konservatorium nicht ewig andauern würde. Anfang Februar 1683 brach Dodo von Knyphausen nach Berlin auf, um weitere 755

UA XXII, S. 526: von Brandt an den Kurfürsten, Greetsiel den 5. November 1682; Klinkenborg, Einnahme Greetsiels, S. 238f. 756 Wiarda 6, S. 183f. Der Kurfürst ratifizierte ihn bereits am 11. Dezember. 757 UA XXII, S. 534f: Der Kurfürst an den Kaiser, Potsdam den 29. Dezember 1682; Wiarda 6, S. 187f. 758 Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 22. 759 Wiarda 6, S. 206f.

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Verhandlungen mit dem Kurfürsten zu führen. Zu dieser Zeit war er Präsident der ostfriesischen Stände und des Hofgerichts. Knyphausen hielt sich in Berlin vom 24. Februar bis zum 25. April auf760. Dort traf er nicht nur mit dem Kurfürsten persönlich zusammen, sondern auch mit Benjamin Raule und weiteren brandenburgischen Ministern, zu denen u. a. Paul von Fuchs, Joachim Ernst von Grumbkow, Kurprinz Friedrich, Christoph Caspar von Blumenthal, sowie der Graf von Dohna und der französische Gesandte Comte de Rébenac gehörten 761 . Raule hatte sich bereits in einer Denkschrift vom 15. März 1683 beim Kurfürsten für die Stadt Emden als Sitz der BAC eingesetzt 762 . In dieser Denkschrift legt er dar, dass die Ostsee im Winter für vier Monate unzugänglich sei, die Fahrt durch das Kattegat wegen der Stürme sehr gefährlich waren, die Fahrt durch den Sund aber wegen des hohen Zolls sehr kostspielig und dazu noch vom Wohlwollen des dänischen Königs abhängig war. Des weiteren konnte der Hafen von Pillau den Schiffen keinen hinreichenden Schutz bieten und war überdies für die Schifffahrt nach dem Süden zu weit abgelegen. Umso größer wären die Vorzüge in Emden, da die Stadt einen der besten Häfen Europas besaß. Raule vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass man die in Emden ansässige Kaufmannschaft zum Eintritt in die Kompanie und zur Annahme des kurfürstlichen Schutzes bewegen sollte. Friedrich Wilhelm glaubte nun, die Stadt Emden auf seine Seite zu ziehen, indem er ihnen genau das bot, was sie von ihrem Landesherrn bisher vergeblich erwartet hatten, nämlich Schutz und Unterstützung ihrer Handelsinteressen. Am 22. April wurde schließlich zwischen dem Kurfürsten und von Knyphausen ein Handels- und Schifffahrtsvertrag geschlossen 763 . Darin versprach der Kurfürst, besonders dafür Sorge zu tragen, dass die mit kurfürstlichen Seepässen und Flaggen versehenen ostfriesischen Schiffe zu allen Zeiten freien Handel treiben durften und speziell in Dänemark den kurfürstlichen Untertanen gleichgestellt werden sollten. Für den Verkehr in den kurfürstlichen Ostseehäfen erhielten sie diverse Zollerleichterungen. Die Ostfriesen wurden dazu privilegiert, in Brandenburg Schiffe zu bauen und der Kurfürst versprach, sich beim englischen König dafür einzusetzen, dass der gesamte Handel zwischen England und dem Reich über Emden abgewickelt werden sollte. Schließlich sollte auch die BAC von Königsberg nach Emden verlegt werden. Im Gegenzug gewährte die Stadt Emden den kurfürstlichen Untertanen innerhalb ihrer Mauern das Bürgerrecht, trat einen Teil der Hafenzölle an Brandenburg ab, erlaubte die Nutzung der Stadt für Magazine, versprach in der Ostsee nur mit den brandenburgischen Städten Handel zu treiben und akzeptierte Abgaben für den Schutz ihres Handels. In geheimen Zusatzartikeln wurde auch der Schutz der Stände durch Brandenburg bekräftigt. Dies sollte auch für den Fall gelten, falls 760

Nöldeke, Ingeborg: Einmal Emden-Berlin und zurück im Frühjahr 1683, Berlin 1989, S. 12ff; Treue, Wilhelm: Eine Frau, drei Männer und eine Kunstfigur. Barocke Lebensläufe, München 1992, S. 208. 761 Treue; Barocke Lebensläufe, S. 210. 762 Schück II, S. 165-169 Nr. 71. 763 StaE Reg. I Nr. 981e: Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und den ostfriesischen Ständen, in specie der Stadt Embden, Berlin den 22.4./2.5.1683.

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der Kaiser das Konservatorium kassieren und auf den sofortigen Abzug der brandenburgischen Truppen bestehen würde. Schließlich wurden die ostfriesischen Stände dazu eingeladen, sich mit 16.000 Reichstalern an der BAC zu beteiligen. Dies stieß bei Raule jedoch auf Widerstand, da er sich nur gegen eine besonderen Vergütung mit ihrer Zulassung einverstanden erklären wollte, da er durch die Verlegung des Geschäftssitzes der BAC nach Emden nicht nur das alleinige Direktorium der Gesellschaft verloren hätte, sondern auch mancherlei Vorteile bei der Beschaffung von Bauholz für den Schiffbau. Raules Widerspruch hatte einiges Gewicht, da er die Hälfte des eingezahlten Kapitals der BAC beigesteuert hatte. Trotzdem wurde er vom Kurfürsten angewiesen, nach Emden zu reisen und dort die Verlegung der BAC in die Wege zu leiten764. Dort angekommen, unternahm Raule zunächst eine Untersuchung der örtlichen Gegebenheiten, die schließlich seine Zustimmung für die Verlegung der BAC fanden. Bei einer Konferenz mit den ostfriesischen Ständen sträubten diese sich aber, anstatt der geforderten 16.000 Reichstaler die Summe von 25.000 Reichstalern sofort bar einzubringen und zusätzlich noch eine Vergütung für die alten Partizipanten zu zahlen. Darauf wurde er vom Kurfürsten ermahnt, sich mit den geforderten 16.000 Reichstalern zufrieden zu geben, es sei denn, sie würden freiwillig mehr bieten765. Tatsächlich entschlossen sie sich wenige Tage später zur Einlegung von insgesamt 24.000 Reichstalern und versprachen, diese in drei Ratenzahlungen unter Abkürzung bestimmter Prozesse zu leisten766. Raule bat sich dennoch eine Rekognition von 2.400 Reichstalern aus mit der Begründung, dass er die ganze Arbeit mit der Verlegung der Kompanie gehabt hätte und dass jemand permanent am kurfürstlichen Hof über die BAC korrespondieren müsste, wozu sich Raule kurzerhand selbst bestimmte, was von Meinders zwar kritisiert, vom Kurfürsten aber geduldet wurde767. Zum Präsidenten der BAC wurde Dodo von Knyphausen, als Bewindhaber die Partizipanten Leonhard von Grinsveen und der Bürgermeister von Emden, Otto Schinckel ernannt. Im gleichen Maß, wie die ostfriesischen Stände wohlwollend auf die Einrichtung der BAC in Emden reagierten, regte sich bei Fürstin Christine Charlotte entsprechender Widerstand. In einem an den Kurfürsten gerichteten Schreiben protestierte sie als Vormund ihres Sohnes gegen den wegen Aufrichtung einer afrikanischen Kompanie mit den Ständen geschlossenen Vertrag 768 . Namentlich kritisierte sie, dass die wirtschaftlichen und juristischen Gewalten ihres Sohnes zunehmend in die Hände auswärtiger Mächte fallen würde. Des weiteren hätte nur der Regent in Ostfriesland – also sie selbst – das Recht, eine entsprechende Handelsgesellschaft in Emden zu etablieren bzw. anderen dieses Privileg zu erteilen. Sie forderte 764

Hofmeister, H.: Die maritimen und colonialen Bestrebungen des Großen Kurfürsten, Emden 1886, S. 41. Schück I, S. 172f. 766 StaE Reg. I Nr. 279: Aufstellung des Benjamin Raule über Anteilseigner und ihr angelegtes Kapital in der Africanischen Compagnie, Emden den 29. Juni 1683. Es wurden zumeist Anteile zwischen 100 und 450 Reichstalern gezeichnet. 767 Schück I, S. 174. 768 StaE Reg. 1 Nr. 225: Protest der Fürstin Christine Charlotte gegen die Begründung einer „Africanischen Compagnie“ mit Monopolstellung, Aurich den 14. August 1683. 765

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den Kurfürsten deshalb auf, die BAC wieder aus Emden abzuziehen. Darauf bat die Stadt Emden ebenfalls beim Kurfürsten um Unterstützung gegen die Fürstin 769 . Der Kurfürst antwortete der Fürstin, sie sollte froh sein, wenn fremde Mächte solche Gesellschaften in seinen Landen errichten würden und dass die Kompanie zum Vorteil des ganzen Landes gereichen würde770. Ende Januar 1685 stellte die Stadt Emden der BAC das Fleischhaus und ein weiteres Gebäude zur Verfügung, welche als Magazine der Kompanie genutzt wurden 771 . Dazu erhielten einige der angesehensten Familien Emdens Sitz und Stimme im Bewindhaberkollegium der BAC. Viele Emder Bürger fanden Arbeit in der Verwaltung der BAC und dem Marinekollegium oder gingen als Besatzung der Schiffe bzw. der Festungen mit nach Übersee772. Dadurch entwickelte sich zwischen der Stadt Emden und Brandenburg ein recht enges Verhältnis. Friedrich Wilhelm war nicht nur darum bemüht, die Kompanie zu etablieren, sondern übernahm auch die Vermittlung bei ungelösten Fragen innerhalb der ostfriesischen Stände und zwar in der Position, die vorher die Niederlande innegehabt hatten. Dabei trat ab Mitte 1683 Raule offen an die Seite von Diests, schließlich hing der Erfolg seiner Pläne auch von der Geschlossenheit seiner Vertragspartner ab773. So war dann auch der nächste Schritt des Kurfürsten, eine förmliche Admiralität in Emden einzurichten, worauf im September 1684 und der Stadt Emden ein entsprechender Vertrag geschlossen wurde 774 . Darin ging es neben der Klärung militärischer Fragen auch um die Abgrenzung ständischer und kurfürstlicher Verpflichtungen. Durch diese Regelungen war Brandenburg-Preußen in Ostfriesland neben den Niederlanden nun selbst militärisch präsent. Das in Emden stationierte Marinier-Korps wurde in das Wachsystem der Stadt integriert, wobei die Marinesoldaten dem Kriegsrat unterstellt wurden775. Die Kontakte Brandenburg-Preußens zu den ostfriesischen Ständen und zur Stadt Emden gingen schon bald über die bisher geschlossenen Verträge hinaus. Vor allem die Familie von Knyphausen war eng mit dem brandenburgischen Fürstenhaus verbunden, da man in Berlin erkannt hatte, dass von Knyphausen über kameralistische Fähigkeiten verfügte, die ihn zu einem geschätzten Berater in wirtschaftlichen Angelegenheiten machte. So wurde ein Ostfriese als Geheimer Rat und Hofkammerpräsident einer der wichtigsten Beamten in Berlin. Seine Erfahrung in ostfriesischen Rechts- und Verfassungsangelegenheiten, seine Verdienste um die Wahrung brandenburgischer Interessen sowie seine verwandtschaftlichen Verbindungen machten ihn auch unter Friedrich III. zu einem geschätzten Ratgeber in ostfriesischen

769

StaE Reg. 1 Nr. 225: Schreiben der Stadt Emden an Kurfürst Friedrich Wilhelm, undatiert. Wiarda 6, S. 214f. 771 Moerner: Staatsverträge, S. 465f Nr. 277. 772 Schück II, S. 273ff Nr. 106. 773 Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 39. 774 Moerner: Staatsverträge, S. 463f Nr. 273. 775 StaE Reg. 1 Nr. 982e: Ordonnanz über die Compagnie de Marine . 770

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Angelegenheiten776. Dies alles schützte ihn jedoch nicht davor, einer Palastintrige zum Opfer zu fallen. Als in den 1690er Jahren Friedrich III. die Linie solider Staatswirtschaft verließ, wurde Danckelmann gestützt, der wie Knyphausen für Sparsamkeit stand und nicht zuletzt wegen ihrer geistig-kulturellen Interessen gelobten Kurfürstin Sophie Charlotte ein Dorn im Auge war. Mit ihm fielen auch Knyphausen und Raule in Ungnade. Alle verloren ihre Ämter und Privilegien. Zwar konnte ihnen kleinere Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden, diese lagen jedoch eher im bisher nicht gelösten Finanzchaos begründet als in echten strafbaren Handlungen777. Kurz nach ihrer Etablierung in Emden wurde die BAC aktiv und schickte Ende 1683 wieder zwei Schiffe nach Afrika. Ihr finanzieller Spielraum war aber von Anfang an unzureichend. Die ostfriesischen Partizipanten konnten nicht dazu bewogen werden, ihre Einlagen zu erhöhen, da trotz Raules rosigen Versprechen keine Dividende zu erwarten war. Zudem versuchte Fürstin Christine Charlotte wiederholt, durch Klagen die BAC aus Ostfriesland zu vertreiben, jedoch ohne Erfolg. Inzwischen wurde in Guinea die Festung Großfriedrichsburg begründet und von den Dänen ein Handelsplatz in der Karibik erworben. Dennoch kam das Unternehmen nicht solide auf die Beine. Regelmäßige Schiffsverluste, die übermächtige Konkurrenz sowie ein gewisses Quantum an Misswirtschaft führten 1686 dazu, dass die ostfriesischen Stände aus der BAC wieder austreten wollten, worauf Friedrich Wilhelm deren Anteile kurzerhand selbst übernahm. Ebenfalls machten sich nun das Fehlen eines eigenen Handelsstützpunktes in der Karibik und die – bezogen auf die Gesamtgröße der brandenburgischen Flotte – herben Schiffsverluste bemerkbar. Die Ideen für eine ostindische und amerikanische Kompanie fanden kein Kapital und die Pläne für eine Belebung des Emshandel keinen Zuspruch. In Emden konnte die geplante Werft zum Bau von großen Schiffen für die BAC nicht realisiert werden, weil die Emder Handwerker nicht zulassen wollten, dass Facharbeiter aus den Niederlanden in die Stadt kamen und ihnen Konkurrenz machten778. Zudem war ausgerechnet Schiffsbauholz Mangelware. Erst als im Jahr 1687 die Marine und Handelsschifffahrt dem alleinigen Kommando Raules unterstellt wurden, erlebte die BAC einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung. Kapitalmangel und Schiffsverluste machten sich aber weiterhin schmerzhaft bemerkbar. Der Geheime Rat hatte inzwischen klar erkannt, dass die Niederlande als größte Handelsmacht auf dem europäischen Kontinent einen weiteren Konkurrenten nicht hinnehmen würden. Kurfürst Friedrich Wilhelm versuchte dennoch bis zu seinem Tod 1688, durch wiederholte finanzielle Zuschüsse und Einfallsreichtum doch noch entsprechende Erfolge zu erzielen. Derweil kam Ostfriesland immer noch nicht zur Ruhe. Der Konflikt um die Frage der

776

Treue: Barocke Lebensläufe, S. 210. Treue: Barocke Lebensläufe, S. 252ff. 778 Steltzer: Häfen, S. 108. 777

172

Autorität eskalierte erneut, diesmal wegen der eigentlich zur Befriedung des Landes eingesetzten kaiserlichen Salvegarde779. Dazu warf Christine Charlotte dem Kurfürsten immer wieder vor, das kaiserliche Konservatorium für eigene Zwecke zu missbrauchen780. Die Fürstin mobilisierte gegen die kaiserliche Truppe in Aurich und im Harlingerland das Landesaufgebot, worauf sich sowohl die ostfriesischen Stände und die Generalstaaten beim Kaiser beschwerten. Da die kaiserliche Autorität im Nordwesten des Reiches erneut bedroht war, teilte er beiden Parteien mit, dass er eine Kommission zur endgültigen Beilegung der Streitigkeiten einsetzen würde und empfahl darüber hinaus, dass Christine Charlotte endlich die Regierungsgeschäfte an ihren Sohn Christian Eberhard übertragen sollte781. Letzteres wurde sowohl vom Kurfürsten als auch von den Ständen unterstützt. Die Fürstin hielt aber die vormundschaftliche Regierung bis 1690 aufrecht und betrieb eine im Prinzip reichsfeindliche Politik, indem sie sich auf die Hilfe der Niederlande stützte. Der Autorität ihres Hauses wegen akzeptierte sie die rechtlichen Einflussmöglichkeiten einer fremden Macht, so wie es zuvor die Stände zum Missfallen der Landesherrschaft getan hatten782. Friedrich Wilhelm setzte an dieser Stelle an, um sich seinen Einfluss auf Ostfriesland über die Zeit des Konservatoriums hinaus zu sichern, indem er versuchte, sich vom Kaiser die Liechtensteinische Schuld übertragen zu lassen 783 . Dabei handelte es sich um Forderungen, die der Fürst von Liechtenstein an das Haus Cirksena hatte. Da nicht zu erwarten war, dass Christine Charlotte oder ihr Sohn die Schuld jemals abzahlen konnte, hoffte der Kurfürst, einige ostfriesische Ämter als Pfand übernehmen zu können. Nach der Übertragung der Liechtensteinischen Forderungen durch den Kaiser an den Kurfürsten erhoben die liechtensteinischen Erben Protest, da eine solche „Cession“ erbrechtlich nicht möglich sei 784. Als der Kaiser seine ursprünglich gemachte Zusage darauf nicht einhalten wollte, weigerte sich der Kurfürst, seine Truppen aus Ostfriesland abzuziehen. Er argumentierte Generalstaaten

785

wieder mit

der Bedrohung durch Braunschweig-Lüneburg und die

. Die Niederlande hatten offenbar in der schwebenden Frage der

Liechtensteinischen Schuld eine Möglichkeit gesehen, ihren Einfluss auf Ostfriesland wieder auszudehnen 786 . Um dies zu verhindern, schlugen die Räte des Kaisers vor, Greetsiel mit kaiserlichen Truppen so lange zu zu besetzen, bis der Kurfürst sich mit der Fürstin endgültig

779

Schmidt: Politische Geschichte, S. 298; Wiarda 6, S. 194f. UA XIV, S. 1374f: Der Kurfürst an den Kaiser, Goltze den 28.August 1687. 781 Hirsch: Kurfürst und Ostfriesland, S. 59f; Wiarda 6, 225f. 782 Melchers: Ostfriesland, S. 150. 783 UA XXI, S. 207ff: von Canitz an den Kaiser, Wien den 10./20. Oktober 1686; UA XXII, S. 579: Der Kurfürst an den Hofkanzler Graf Stratmann, Potsdam den 11./21.März 1687. 784 UA XIV, S. 1314: Fridag an den Kaiser, Berlin den 12. September 1686; UA XIV, S. 1322: Der Kaiser an Fridag, Wien den 25. Oktober 1686. 785 UA XIV, S. 1379-1383: Fridag an den Kaiser, Berlin den 18. Oktober 1687; UA XXI, S. 226f: Der Kurfürst an den Kaiser, Potsdam den 12./22. Oktober 1687; 786 UA XXI, S. 236f: Der Kurfürst an den Kaiser, Potsdam den 20./30. März 1688; S. 238: Der Kurfürst an den Kaiser, Potsdam den 6./16. April 1688. 780

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geeinigt hätte. Im Gegenzug sollte Friedrich Wilhelm aber freier Handel und freie Schifffahrt gewährt werden 787 . Auch Christine Charlotte erneuerte mehrfach ihr Angebot, dem Kurfürsten Greetsiel als freien Hafen zur Verfügung zu stellen, allerdings nur für den Seehandel 788. Dies lehnte der Kurfürst ab und betonte ausdrücklich, wie wichtig es bei der gegebenen Situation sei, eigene Truppen in Ostfriesland zu haben. Er wies darauf hin, dass zum Unterhalt der Truppen Schiffe notwendig seien, die der Kaiser nicht hatte, wohl aber Brandenburg789. Offenbar beließ der Kaiser es dabei und Friedrich Wilhelm schloss darauf mit ihm am 30. September 1687 einen Vergleich über eine Abfindung von 240.000 Reichstalern

790

. Diese Verhandlungen markieren einen

Wendepunkt in der brandenburgischen Politik, da sie im Zeichen einer neuen Annäherung an den Kaiser und die Niederlande stehen. Zudem erkaltete die Bindung des Kurfürsten zu Frankreich, weil dort in dieser Zeit das Edikt von Nantes aufgehoben wurde und der Kurfürst durch das kurz darauf erlassene Edikt von Potsdam vielen französischen Glaubensflüchtlingen eine neue Heimat in seinen Territorien bot. Zugleich verbesserte sich auch das Verhältnis des Kurfürsten zu den Welfen, die daran arbeiteten, in das Kurfürstenkollegium aufgenommen zu werden 791. Der Kaiser hatte erkannt, dass er auf die militärische Unterstützung Brandenburgs angewiesen war, weshalb er dessen Position tolerierte, auch die in Ostfriesland. Deshalb konnte Friedrich Wilhelm weiterhin auf die Anwartschaft in Ostfriesland hoffen und seine Stellung als wichtigen Machtfaktor in der ostfriesischen Machtbalance zum Ende seiner Regentschaft konsolidieren. Dennoch blieb die BAC weiterhin das einzige Bindeglied zwischen Berlin und Emden. Dies sollte sich aber auch unter der Regentschaft Friedrichs III./I. bewähren. Am 14. März 1690 gab Christine Charlotte endlich dem allgemeinen Drängen nach und übergab die Regierungsgeschäfte an ihren Sohn Christian Eberhard. Da ihr Sohn jedoch nicht besonders willensstark war und sie auch weiterhin Einfluss auf ihn ausübte, lief die Politik zunächst in den alten Bahnen. Die Stände standen an der Seite des Kurfürsten, Christian Eberhard auf der Seite von Braunschweig-Lüneburg, womit er einen Erbvertrag geschlossen hatte, wonach Ostfriesland an die Welfen fallen sollte, falls das Haus Cirksena in fürstlicher und gräflicher Linie ohne männlichen Nachkommen bleiben sollte792. Dies jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Stände dazu ihr Einverständnis erklären würden. Zugleich ersuchte Friedrich III. um die Erbexpektanz beim Kaiser nach. Damit war die Grundlinie im Wettbewerb um den Einfluss auswärtiger Mächte in Ostfriesland zwischen zwei Konkurrenten festgelegt: Brandenburg-Preußen und Hannover. Da es Ernst August aber vorrangig um die 787

UA XIV, S. 1390f: Votum deputarum über Fridags Schreiben vom 18. Oktober 1687. UA XXII, S. 576f: von Canitz an den Kurfürsten, Wien den 28.11./1.12. 1686; S. 581: Danckelmann an den Kurfürsten, Wien den 17./27. April 1687. 789 UA XIV, S. 1392ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 23. Januar 1683. 790 Moerner: Staatsverträge, S. 498 Nr. 298. 791 Opgenoorth 2, S. 255f. 792 Melchers: Ostfriesland, S. 152f. 788

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Kurwürde ging, bemühte er sich in dieser Angelegenheit um einen Ausgleich mit Brandenburg. Als Folge dieser Entwicklung übten die beiden in der letzten Dekade des 17. Jahrhunderts gemeinsam die Schiedsrichterrolle bei den innenpolitischen Streitigkeiten in Ostfriesland aus. In der Frage der Erbfolge empfahl Ernst August sogar, eine Erbverbrüderung mit Friedrich III. anzustreben. Dies hielt Friedrich III. jedoch nicht für nötig, da 1694 der Kaiser die Anwartschaft für Ostfriesland tatsächlich erteilt und 1706 sowie 1715 bestätigt hatte793. Dazu verfolgte er eine kaisertreue Politik und preußische Soldaten waren innerhalb des Reiches sehr begehrt, was Preußen als Bündnispartner immer wertvoller werden ließ. Zudem begann Preußen, Ostfriesland auch in Reichsangelegenheiten zu vertreten, Verträge zu vermitteln und bezog mit Billigung des Konkurrenten Hannover das Fürstentum in seinen Einflussbereich ein. Zugleich war Preußen Vormacht im Niederrheinischwestfälischen Kreis geworden, womit Ostfriesland in einen Zustand geraten war, in dem die Annexion der nächste logische Schritt gewesen und der mit der Erbexpektanz auch schon vorbereitet war. Friedrich III. war daher bemüht, die Erbansprüche aufrecht zu erhalten und in Ostfriesland hinsichtlich der Stände und der Konkurrenten vorsichtig zu agieren 794 . Weniger vorsichtig musste er in Fragen sein, welche die BAC betrafen. In seinem Begehren, die Stadt Emden möge der BAC Privilegien verleihen, fand er dort stets ein offenes Ohr. Wie sehr der Stadt an einer Fortsetzung des Überseehandels durch Brandenburg-Preußen gelegen war, ist aus den teils ziemlich heftigen Reaktionen auf die Anzeichen des sicheren Niedergangs ersichtlich, besonders dann, wenn Emder Bürger direkt betroffen waren. So lösten 1698 die Verhaftungen von Kompaniebediensteten in Emden und Beschlagnahmen ihrer Besitztümer eine Wellen der Empörung aus 795 . Die kurfürstlichen Truppen wurden von der Bevölkerung bedroht, als sie die Verhaftungen durchführten. Zwei Jahre später zeigte sich die Stadt dann auch entsprechend erfreut, als Friedrich III. sich entschlossen hatte, die Kompaniegeschäfte in Emden fortzusetzen796. Und als 1714 der aus St. Thomas nach Emden zurückgekehrte Kompaniebeamte Sievert Horst wegen Unterschlagung von 200.000 Reichstalern angeklagt wurde, war dessen Rückhalt unter der Emder Bevölkerung so groß, dass der mit der Untersuchung des Falles betraute Geheime Rat Ilgen dem König empfahl, die Sache durch einen Vergleich beizulegen, um die Kollision mit den ostfriesischen Ständen zu vermeiden 797 . Friedrich III./I. hatte sich dem Druck der ostfriesischen Stände immer wieder gebeugt, da er bis zuletzt hoffte, den Überseehandel nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges wieder aufnehmen zu können. Zudem fürchtete er, dass er bei Aufgabe

793

Wiarda 6, S. 325ff. Melchers: Ostfriesland, S. 155. 795 Schück I, S. 261. 796 Schück I, S. 267. 797 Schück I, S. 295. 794

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der Kompanie den Rückhalt der dortigen Bevölkerung zu verlieren798. Gänzlich anders sah dies sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm I., der die Meinung vertrat, dass die Ostfriesen nicht von ihm verlangen könnten, aus reiner Verbundenheit an dieser defizitären Handelskompanie festzuhalten799. Als 1725 das Inventar der Kompanie öffentlich versteigert und das Marinier-Corps abgezogen wurde, verschwand der wirtschaftspolitische Aspekt der preußischen Politik in Ostfriesland völlig, bis das Fürstentum am 26. Mai 1744 endgültig in preußischen Besitz überging.

4.2 Brandenburg-Preußen in Afrika

4.2.1. Großfriedrichsburg und Umgebung

Nachdem die erste Expedition nach Afrika durch die Kontaktaufnahme zu drei Häuptlingen dem brandenburgischen Überseehandel einen ersten Achtungserfolg beschert hatte, zögerte Friedrich Wilhelm nicht, eine zweite Expedition auszurüsten. Dazu sollten die beiden Fregatten Churprinz unter dem Kommando von Matthias Voss und die Morian unter dem Kommando von Kapitän Pieterson Blonck nach Westafrika geschickt werden. Für den Oberbefehl über die Expedition wünschte sich der Kurfürst, der sich bei der Durchführung seiner maritimen Operationen bisher auf niederländisches Personal verlassen hatte, einen fähigen brandenburgischen Offizier, der sowohl in militärischen wie diplomatischen Angelegenheiten Erfahrung haben sollte. Er fand ihn schließlich in der Person des Kammerjunkers und Majors Otto Friedrich von der Gröben. Bereits in jungen Jahren machte von der Gröben eine mehrjährige Reise ins Heilige Land und diente währenddessen mehrere Monate auf einer maltesischen Galeere, bis es ihm gestattet war, seine Reise ins Heilige Land fortzusetzen. Als er dort alle wichtigen heiligen Stätten besucht hatte, entschloss er sich zur Rückkehr in die Heimat. Der Rückweg führte ihn dabei über Zypern, Marseille, Paris, London und Holland schließlich wieder nach Brandenburg zurück. Noch während seiner Abwesenheit wurde von der Gröben vom Kurfürsten in den Rang eines Kammerjunkers erhoben800. Seine Mission war primär von diplomatischer Natur, denn die kurfürstliche Order vom 18. Mai 1682 wies ihn ausdrücklich an, den im Jahr zuvor mit den drei Häuptlingen geschlossenen Vertrag zu erneuern und alles für die Errichtung eines befestigten Handelsstützpunktes vorzubereiten801. Dazu erhielt er den militärischen Oberbefehl über die beiden Fregatten, deren Besatzung aus insgesamt 100 Matrosen, 40 Soldaten, 1 Sergeant, 2 Korporalen, 2 Ingenieur-Leutnants und einem Fähnrich bestand. Kapitän 798

Schück II, S. 468ff Nr. 155. Schück II, S. 551f Nr. 178. 800 Huth, Hans: Otto Friedrich von der Gröbens Abenteuer in Afrika, in: Der Bär von Berlin, Berlin 1976, S. 31 -52, S. 35. 801 Schück II, S. 133ff Nr. 65. 799

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Voss dagegen sollte vor allem die Interessen der BAC vertreten. Er erhielt die Instruktion, an der westafrikanischen Küste möglichst lukrativ Handel zu treiben. Dabei sollte er darauf achten, nicht mit den anderen europäischen Repräsentanten in Konflikt zu geraten. Während von der Gröben angewiesen wurde, mit der Morian nach Beendigung seiner Mission die Heimreise anzutreten, sollte Voss die eingehandelten Sklaven in die Karibik bringen und dort verkaufen. Dazu sollten auch seltene und exotische Tiere für den Kurfürsten in die Heimat mitgebracht werden802. Die Expedition stach in der zweiten Maihälfte 1682 von Glückstadt aus in See. Ihr Weg führte um Helgoland, England und Schottland herum nach Madeira, wo sie ihre mittlerweile zur Neige gegangenen Lebensmittelvorräte ergänzten. Nach zwei Monaten erreichten sie die Senegalküste nahe der Mündung des Rio d´Onore, wo von der Gröben erstmals seinen Fuß auf afrikanischen Boden setzte. Der Fluss war dort so breit, dass die Schiffe sechs Meilen stromaufwärts fahren konnten, um dort den Handel mit den Eingeborenen aufzunehmen. Diese boten den Brandenburgern Elfenbein, Ambra, Flusspferdezähne, Tierhäute und Honig, welche gegen Branntwein, Eisen, Becken, Kessel und schlesische Leinwand getauscht wurden803. Nach der Passage vom Kap Verde erreichten sie Gambia, wo ihnen der Handel erst nach einer ordentlichen Bestechung des einheimischen Häuptlings gestattet wurde. Sogar das Auffüllen der Wasser- und Lebensmittelvorräte der Schiffe ließen sie nicht ohne entsprechende Bestechung zu804. Danach ging es weiter zur Insel Bunce Island, der Residenz des englischen Gouverneurs John Case an der Gambia-Küste. Dieser empfing von der Gröben sehr gastlich und erlaubte ihm, die Schiffsvorräte zu ergänzen805. Danach segelten sie weiter zur Pfefferküste. Dort scheiterte jedoch der Versuch, Handel mit den Eingeborenen zu treiben, da diese den den Brandenburgern gegenüber sehr misstrauisch waren. Der Grund für dieses Misstrauen waren offenbar französische Schiffe, welche die Küste regelmäßig anliefen und vorgaben, Handel treiben zu wollen, dann aber die an Bord gekommenen Eingeborenen einfach entführten und in die Sklaverei verkauften. Wahrscheinlich befürchteten sie, dass die Brandenburger mit ihnen ebenso verfahren würden, weshalb sie es nicht schafften, einen fruchtbaren Tauschhandel aufzunehmen. Dennoch gelang es von der Gröben, etwa 1.000 Pfund Elfenbein einzuhandeln806. Danach setzte er die Fahrt nach Kap Miserado fort, wo er Reparaturarbeiten an den Schiffen durchführen ließ. Die dortigen Einwohner standen in dem Ruf, Kannibalen zu sein, weshalb von der Gröben äußerste Vorsicht walten ließ. So ordnete er an, niemals unbewaffnet und stets unter dem Schutz der Soldaten an Land zu gehen. Die Begegnungen mit den Einheimischen verliefen zwar in einer gespannten Atmosphäre, dafür aber relativ 802

GStA Rep. 65 Nr. 33, Blatt 212-217. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 12f. 804 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 15f. 805 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 29. 806 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 35f. 803

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friedlich807. Danach segelten sie weiter bis zum Rio Sester, wo sie vom dortigen König, welcher sich Peter nannte, freundlich empfangen wurden 808. Nach mehreren weiteren Stationen entlang der westafrikanischen Küste erreichten sie schließlich die Goldküste, wo ihnen erstmals ein größerer Handel gelang, indem von der Gröben Gold gegen Leinentuch und Musketen nebst Munition tauschte809. Im allgemeinen charakterisierte von der Gröben die Eingeborenen als gerissene Händler, die sich über den Wert des Goldes durchaus im Klaren wären 810 . Durch ihre Erfahrungen mit portugiesischen Händlern waren die Eingeborenen offenbar gegenüber Betrug sensibilisiert und so versuchten sie oftmals, ihre Handelspartner selbst zu betrügen, indem sie dem angebotenen Goldstaub Sand oder anderen minderwertigen Metallstaub beimischten 811 . In Kap Es Apolonia florierte das Geschäft sogar noch besser. Dort konnte von der Gröben 500 Musketen, 400 Pfund Schießpulver und einige Fässer Branntwein eintauschen, weil gerade eine größere Stammesfehde ausgebrochen war812. Auf dem Weg nach St. Anthony bei Axim begegnete von der Gröben einem englischen Handelsschiff und nutzte die Gelegenheit für einen Besuch an Bord der beiden Schiffe. Nachdem der englische Kapitän einen Gegenbesuch an Bord der Churprinz gemacht hatte, zeigte sich dieser erstaunt über die gute Bewaffnung des brandenburgischen Schiffes und hielt sie zuerst für Kaperfahrer. Von der Gröben konnte dieses Missverständnis entkräften und bot dem Engländer sogar an, sich ihm anzuschließen, was der Engländer jedoch ablehnte. Tags darauf begegneten die Brandenburger einem holländischen Schiff, das unter dänischer Flagge fuhr. Dieses Schiff hatten die Brandenburger bereits in Glückstadt zu Beginn ihrer Expedition gesehen. Die Begegnung zwischen ihnen verlief jedoch ereignislos813. Als Gröben das Fort Axim erreichte, stellte er fest, dass es kaum bemannt war. Die verbliebene Mannschaft bestand lediglich aus einem Kaufmann und seinem Assistenten, einem Korporal und elf ihm unterstellte Soldaten. Damit war die Besatzung gerade stark genug, um einen Angriff der Eingeborenen abwehren zu können. Der dortige Kaufmann teilte von der Gröben mit, dass der Goldhandel aufgrund der verstärkten Aktivität von Interloper an der Goldküste stark nachgelassen hatte, deshalb sei der Unterhalt der Festung kaum rentabel. Überhaupt hätten die meisten Festungen oftmals nur wenig mehr als einen Ober- und Unter-Kaufmann und 20 Soldaten als Besatzung814. Anschließend fuhren die Brandenburger weiter zur Festung Elmina. Dort waren die Niederländer bereits über die Anwesenheit der Brandenburger an der Goldküste informiert. Kurz nachdem die beiden Schiffe auf der Reede vor Elmina vor Anker gegangen waren, schickte 807

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 39ff. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 45. 809 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 52f. 810 Steltzer: Häfen, S. 70. 811 Huth: Gröbens Abenteuer, S. 43f. 812 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 61. 813 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 63; Huth: Gröbens Abenteuer, S. 45. 814 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 64. 808

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dessen Kommandant, Thomas Ernsthausen, seinen Oberkaufmann Jean Belt mit zwei Assistenten an Bord der Churprinz, um gegen die Anwesenheit der Brandenburger zu protestieren. Belt warf von der Gröben vor, ihren Handel empfindlich zu stören, da sie keine entsprechenden Handelsrechte an der Goldküste hätten. Sollte von der Gröben dieser Anordnung nicht Folge leisten, hätte dies entsprechende Konsequenzen zur Folge. Von der Gröben ließ sich jedoch nicht einschüchtern und wies Belt darauf hin, dass sie im Auftrag des Kurfürsten von Brandenburg Handel treiben würden und ihr Handelsmonopol lediglich für die eigenen Untertanen anwenden konnten. Im übrigen konnten die Eingeborenen Handel treiben, mit wem sie wollten. Darüber hinaus würden sie jede Art von Gewalt mit entsprechender Gegengewalt beantworten

815

. Als Belt merkte, dass der

Brandenburger sich nicht einschüchtern ließ, zog er sich wieder zurück und von der Gröben entschloss sich darauf, noch eine Woche zu bleiben und weiteren Handel zu treiben. Währenddessen erreichte auch ein unter zeeländischer Flagge fahrender Interloper Elmina. Kurz darauf kam Belt wieder an Bord der Churprinz und bat von der Gröben darum, bei der Kaperung des seeländischen Interloper behilflich zu sein, da gerade kein niederländisches Schiff verfügbar war. Von der Gröben entschloss sich, dieser Bitte nachzukommen. Er versprach sich davon offenbar eine Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen zu den Niederländern. Das Unternehmen misslang, aber die Holländer zeigten sich darüber trotzdem erkenntlich, indem sie ihm einen Kaperbrief ausstellten, der es ihm erlaubte, alle holländischen Interloper nach Belieben zu kapern 816. Nach diesem Zwischenfall in Elmina segelten die Brandenburger weiter zur Festung Boutry. Auf dem Weg begegneten sie einem holländischen Schiff, das unter dem Kommando des Vaters von Kapitän Voss stand. Dieser reagierte ebenfalls ziemlich entsetzt auf die Anwesenheit der Brandenburger an der Goldküste, sein Erstaunen nahm sogar noch zu, als von der Gröben ihm den Kaperbrief zeigte, der ihm in Elmina ausgestellt worden war. Als sie das Dorf Accada nahe am Kap der Drei Spitzen erreichten, wurden sie von den Eingeborenen stürmisch empfangen. Da von der Gröben den Ort für die Gründung einer Niederlassung für geeignet hielt, trat er mit den örtlichen Häuptlingen in Verhandlung, welche mit einem mündlichen Vertrag über die Errichtung einer Handelsniederlassung endeten. Die Vollstreckung des Vertrags wollte er jedoch aussetzen, bis er seinen Auftrag bei den Häuptlingen, zu denen er eigentlich geschickt worden war, erfüllt hatte. Deshalb gab er ihnen einen silbernen Degen als Pfand und wollte die Reise gerade fortsetzen, als in diesem Moment auf der Reede von Accada ein Kaufmann der WIC eintraf und im Auftrag seines in Elmina residierenden Generaldirektors den Küstenabschnitt im Nahmen der WIC in Besitz nehmen wollte. Dies geschah angeblich auf Wunsch eines einheimischen Häuptlings. Von der Gröben fühlte sich darauf von den Einheimischen betrogen und stellte die übrigen Häuptlinge zur Rede, die darauf 815 816

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 65. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 67.

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hin anboten, mit den Niederländern zusammen zu arbeiten. Das lehnte von der Gröben jedoch aus gutem Grund ab und gab Order zur Weiterfahrt817. Am nächsten Tag erreichten die Brandenburger schließlich den Ort, an welchem Blonck ein Jahr zuvor den ersten Vertrag mit drei Häuptlingen geschlossen hatte. Dort fanden sie jedoch nur ein zerstörtes Dorf vor und von der Gröben erfuhr von den Einheimischen, dass die drei Häuptlinge, mit denen ein Jahr zuvor der Schutzvertrag geschlossen worden war, bei einer Stammesfehde getötet wurden. Er ließ darauf den Berg mit dem zerstörten Dorf von seinen Ingenieuren inspizieren. Diese kamen zu dem Schluss, dass dieser für die Errichtung einer Festung bestens geeignet war. Nachdem auch die nähere Umgebung des Berges erkundet wurde, wobei die Brandenburger feststellten dass in unmittelbarer Nähe der geplanten Festung ein Fluss im Meer mündete, nahm von der Gröben den Berg am Neujahrstag 1683 offiziell für Brandenburg in Besitz 818 . Damit hatte Brandenburg das erste Territorium in Westafrika erworben. Die Inbesitznahme wurde entsprechend feierlich begangen, indem die brandenburgische Fahne aufgepflanzt und mehrere Kanonenschüsse abgefeuert wurden. Zum Zeichen der Treue wurde von der Gröben von den Häuptlingen aufgefordert, Fetisch zu trinken. Dabei handelte es sich um ein Gemisch aus Branntwein, Schießpulver und Veilchenwurzelextrakt. Direkt danach wurde von den Ingenieuren der Grundriss der zu errichtenden Festung abgesteckt und erste Erdarbeiten in Angriff genommen819. Am folgenden Tag kam ein Häuptling aus Axim, um im Auftrag der WIC genau den Platz in Besitz zu nehmen, auf dem von der Gröben die brandenburgische Fahne aufgepflanzt hatte. Nach kurzem Palaver musste er jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen820. Kurz darauf kam als erstes fremdes Schiff ein Engländer, welcher den damaligen Gepflogenheiten entsprechend grüßte und anschließend ankerte, um seine Trinkwasservorräte zu ergänzen. Kurz darauf erschien ein dänischer Interloper. Inzwischen hatte sich die Nachricht der brandenburgischen Präsenz an der Guineaküste wie ein Lauffeuer verbreitet, so dass wieder eine Gesandtschaft aus Accada bei von der Gröben vorstellig wurde und darum bat, stattdessen ihre Festung bei Accada zu errichten. Von der Gröben lehnte das Gesuch erneut ab, da er bewusst den Konflikt mit der WIC vermeiden wollte, den dies unvermeidlich zur Folge gehabt hätte. Er versprach aber, bei ihrer Rückkehr im folgenden Jahr erneut darüber zu entscheiden. Am 5.1.1683 wurde schließlich durch von der Gröben im Namen des Kurfürsten von Brandenburg unter Anwesenheit von insgesamt 14 Häuptlingen der Schutzvertrag besiegelt821. Dieser verpflichtete die Eingeborenen dazu, beim Bau der Festung Hilfe zu leisten, mit keinen anderen Schiffen außer den brandenburgischen Handel zu treiben und zu 817

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 73f. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 77f. 819 Voigt, Christoph: Die Gründung von Großfriedrichsburg in epischer Darstellung, in: ZKKK 14/7, Berlin 1912, S. 413-430, hier: S. 415ff; Gröben: Bergone, S. 742ff. 820 Gröben: Bergone, S. 747ff. 821 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 82f; Schück II, S. 155ff Nr. 69. 818

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verhindern, dass sich andere anderen Handelskompanien in der Nähe niederlassen würden. Im Gegenzug wurden ihnen militärischer Schutz gegenüber ihren Feinden, einheimischen wie fremden, gewährt. Am folgenden Tag erschien der Kaufmann von Axim, um eine weitere Protestnote gegen die vermeintlich unberechtigte Landnahme Brandenburgs zu überreichen. Von der Gröben wies diese jedoch zurück mit der Begründung, dass dieser Protest direkt an den kurfürstlichen Hof gerichtet werden müsse 822 . Er bot dem Niederländer gegenseitige Freundschaft an, wies aber zugleich darauf hin, dass ihm auch frei stehen würde, die Brandenburger anzugreifen. Er sollte dann jedoch die Konsequenzen tragen. Nach einiger Zeit zog der Kaufmann unverrichteter Dinge wieder ab und von der Groeben ließ zur Sicherheit weitere Kanonen an den Bauplatz bringen. Die weiteren Arbeiten zu Ausbau der Festung wurde durch eine Fieberepidemie stark behindert 823. Zeitweilig waren von 40 Mann nur noch fünf Mann arbeitsfähig. Auch von der Gröben erkrankte an der Landseuche, wie derartige Krankheiten damals genannt wurde. Während seiner Erkrankung starben die beiden Ingenieure, sein Sekretär, der Sergeant, vier Soldaten und zwei Matrosen. Der Rest war entweder durch die Krankheit geschwächt oder derart mit der Pflege der Erkrankten beschäftigt, dass der Bau der Festung vollständig zum Erliegen kam. Erst als die Morian, welche zwischenzeitlich den weiteren Küstenverlauf erkundet hatte, wieder zurückgekehrte und von ihrer Besatzung 15 Matrosen und einige Soldaten abkommandiert wurden, konnten das Wohnhaus und die Baracken fertig gestellt sowie die Palisaden mit Erde verfüllt werden. Sie waren kaum damit fertig, wurden sie von befreundeten Einheimischen, gewarnt, dass feindliche Stämme aus Adom mit 4.000 Mann einen Überfall auf die brandenburgische Stellung planten. Der Überfall erfolgte auch tatsächlich am nächsten Tag, kurz nachdem sich die Einwohner rund um das brandenburgische Fort in selbiges in Sicherheit gebracht hatten. Ein einziger Kanonenschuss der Brandenburger wehrte den Angriff jedoch schnell ab824. Danach erholte von der Gröben sich langsam wieder von seiner Krankheit und sah seine Mission als erfüllt an. Er nahm von der in Großfriedrichsburg verbliebenen Garnison und von den eingeborenen Häuptlingen Abschied und schiffte sich auf der Morian gen Heimat ein, während die Churprinz in die Karibik aufbrach, um dort eine Ladung von etwa 300 Sklaven zu verkaufen825. Auf der Heimreise wurde der Proviant knapp, so dass er vor der Einfahrt in den Ärmelkanal von einem vorbeifahrenden englischen Schiff Brot und Butter übernehmen musste. Als er schließlich Hamburg erreichte, begab er sich augenblicklich nach Berlin, um dem Kurfürsten Bericht zu erstatten. Dort wurde er gefeiert und von Friedrich Wilhelm mit den Ämtern Marienwerder und Riesenburg belehnt, die schon sein Vater innegehabt hatte. Der Ort, auf dem Großfriedrichsburg erbaut wurde, liegt auf einer Landzunge, die etwa 17 m 822

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 83f. Gröben: Bergone, S. 752ff. 824 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 87f. 825 Huth: Gröbens Abenteuer, S. 49. 823

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hoch ist und sich knapp 20 m in den Atlantik erstreckt. Das Plateau hat eine Kantenlänge von 113 m und 45 m. Zu beiden Seiten mündet je ein Flussarm ins Meer, die in der Trockenzeit beide kein Wasser führen, während der Regenzeit aber die Landzunge zu einer Insel werden lassen. Die Festung war quadratisch angelegt, mit einer Bastion zur Landseite hin und mit einem Zaun umgeben826. Der Kompaniebeamte Johann Niemann verglich die Festung bei seinem Eintreffen im März 1684 gar als Bauerngarten, das provisorisch errichtete Wohngebäude als Bauernscheune827. Eine weitere zeitgenössische Darstellung lieferte der niederländische Kolonialbeamte Willem Bosman nach seinem Besuch von Großfriedrichsburg im Jahr 1698828. Er betonte die Größe der Festung und bemängelte zugleich das seiner Meinung nach zu kleine Kaliber der Bewaffnung. Das Haupt-Eingangstor wiederum sei zwar das schönste an der ganzen westafrikanischen Küste, selbiges wäre aber viel zu groß geraten. Des weiteren bot seiner Ansicht nach die Brustwehr bei einem Meter Höhe nur ungenügenden Schutz. Zu einem ähnlichen Schluss kam auch der Kapitän der deutschen Kreuzerkorvette SMS Sophie, Korvettenkapitän Stubenrauch, als dieser 1886 die Ruinen Großfriedrichsburgs besuchte und anschließend bestätigte, dass die Festung zumindest von der Seeseite aus gut zu beschießen war, da sie dort zu schwach gebaut worden war829. Die Tatsache, dass beim Bau von Großfriedrichsburg der Verteidigung auf der landeinwärts gerichteten Seite einen größeren Stellenwert eingeräumt wurde, als der Verteidigung eines Angriffes vom Meer aus, ist damit begründet, dass Angriffe feindlicher Stämme weitaus häufiger waren und gemäß der vertraglichen Vereinbarungen der Brandenburger mit den örtlichen Häuptlingen entsprechenden Schutz gewähren mussten. Ein Angriff der europäischen Konkurrenz erschien den Verantwortlichen weitaus weniger wahrscheinlich. Der Ausbau der Festung wurde bereits bei der Rückkehr von der Gröbens nach Berlin umfassend in Angriff genommen. Der Kurfürst genehmigte dafür 12.000 Reichstaler aus der eigenen Kasse und weitere 12.000 Reichstaler aus den Einnahmen französischer Subsidien und dem preußischen Pfundzoll830. Diese Gelder reichten jedoch bei weitem nicht aus. Im April 1687 berichtete Raule dem Kurfürsten, dass der Ausbau der Festung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen und dass er immer dann, wenn die finanziellen Mittel dies ermöglichen würden, das benötigte Baumaterial dorthin schicken würde831. Überhaupt musste alles, was für den Bau von Großfriedrichsburg benötigt wurde, aus Brandenburg-Preußen an die westafrikanische Küste gebracht werden. Das für die Besatzung vorgesehene militärische Personal setzte sich aus fünf Offizieren, einem Feldprediger, zwei Feuerwerker, zwei Schreiber, vier Unteroffiziere, einem 826

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 79. StaE Reg. I, Nr. 279, teilweise abgedruckt bei Hofmeister: Die Maritimen und colonialen Tätigkeiten, S. 48f. 828 Bosman, Willem: A New and Accurate Description of the Coast of Guinea, Devided into the Gold, the Slave and the Ivory Coasts, London 1705, S. 9ff. 829 Petsch, Kurt: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, S. 85. 830 Schück II, S. 181f Nr. 75. 831 Schück II, S. 299-309, Nr. 118, hier: S. 304. 827

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Ingenieur, zwei Wallmeister, einem Profoß und 70 Musketieren zusammen. Als Besonderheit sollten die Soldaten nach Möglichkeit auch einen handwerklichen Beruf erlernt haben, damit sie auch für den Ausbau der Festung herangezogen werden konnten. Es wurden dafür mindestens fünf Zimmerleute, fünf Maurer, zwei Schreiber, vier Tischler, vier Schmiede und zwei Büchsenmacher benötigt. Darüber hinaus sollten noch vier bis fünf Mann als Spielleute einsetzbar sein. Der gesamte Bedarf an Material und Ausrüstung geht aus einer Inventarliste hervor, die im Juni 1683 von Raule aufgestellt und vom Kurfürsten abgesegnet wurde 832 . Ende Juni 1683 erteilte der Kurfürst Feldmarschall Derfflinger den Auftrag, 40 Soldaten mit 2 Sergeanten anzufordern, von denen 25 auf der Festung, 10 auf der Goldener Löwe und weitere 5 auf der Wasserhund ihren Dienst verrichten sollten. Als Kommandant der Festung war Karl Konstantin von Schnitter vorgesehen, der zugleich Festungsbau-Ingenieur war und und den Ausbau der Festung leiten sollte. Beide Schiffe trafen im Februar 1684 bei Großfriedrichsburg ein und von Schnitter nahm gleich darauf den Ausbau der Festung in Angriff. Dabei erweiterte er den ursprünglichen Grundriss um zwei weitere Bastionen, der Hauptwall wurde aufgemauert und die innen liegenden Gebäude zweistöckig angelegt. Deren untere Stockwerke dienten vorwiegend als Magazin, während die oberen Wohnräume für den Generaldirektor, die Beamten und die Garnison enthielten. Im Außenwerk waren die Schmiede, die Küche, die Werkstatt des Zimmermanns und ein Lazarett eingerichtet worden. Unter der Nordbatterie befand sich das Pulvergewölbe, unter der Ostbatterie war das Gefängnis untergebracht und unter der Südbatterie lag „des Commandeurs-Begräbnisgewölb“833. Der Besitz Brandenburg-Preußens an der Guineaküste blieb nicht lange auf den Platz von Großfriedrichsburg beschränkt. Als gegen Ende Februar die Bauarbeiten im vollen Gange waren, begaben sich die bei Accada ansässigen Einwohner unter den Schutz der Brandenburger und erbaten die Errichtung einer weiteren Festung, da die Holländern sie angeblich im Stich gelassen hatten. Von Schnitter kam diesem Wunsch gerne nach und beschloss im mittlerweile eingerichteten Rat von Großfriedrichsburg die Errichtung einer weiteren Befestigungsanlage834. Bereits zwei Tage später kam es auf dem abgesteckten Platz der neuen Festung, der etwa 4 km von Großfriedrichsburg entfernt war, zu einem Vertrag mit 24 Häuptlingen, welche sich unter Eid verpflichteten, dem Kurfürsten den ganzen Berg zu überlassen und bei der Errichtung der Festung zu helfen, die Besatzung mit Lebensmitteln zu versorgen und mit keinem anderen als den Brandenburgern Handel zu treiben. Im Gegenzug erklärte sich der Kurfürst bereit, sie gegen jeden Angriff von außen zu schützen. Zwei Tage später wurde dieser Vertrag um einen Handelsvertrag mit allen dort lebenden

832

Großer Generalstab, S. 18f; Schück II, S. 176ff Nr. 74. Schück I, S. 321. 834 Schück II, S. 204f Nr. 85. 833

183

Häuptlingen erweitert835. Von Schnitter begab sich umgehend nach Accada, um auf einer kleinen vom Meer umspülten Anhöhe eine neue Festung zu errichten. Der Grundriss der neuen Festung, welche zu Ehren der Kurfürstin Dorothea „Dorotheenschanze“ genannt wurde, war deutlich kleiner als der von Großfriedrichsburg. Er bestand lediglich aus drei halben Bollwerken und hatte die Form eines Dreiecks 836 . Der Erwerb von Accada war für die Brandenburger ein Glücksfall, weil die Gegend den einzigen natürlichen geschützten Hafen an der Guineaküste und ertragreiche Böden für den Getreideanbau bot. Hier wurden auch die langen Brandungskanus gebaut, die an der Küste für das Be- und Entladen der Schiffe essenziell wichtig waren. Manchmal wurden sogar europäische Schiffe mit solchen Kanus ausgerüstet, bevor sie ihre Fahrt zu den großen Sklavenmarktplätzen fortsetzten. Der Wert eines solchen Kanus lag bei 400 bis 600 £837. Von Großfriedrichsburg aus wurden auch enge Kontakte zu Takoradi geknüpft, das rund acht km östlich von Accada lag und von einem holländischen Fort beherrscht wurde. Die Brandenburger hatten bereits im Mai 1684 erste Beziehungen zu den Einheimischen geknüpft, diese jedoch nicht weiter ausgebaut, da die Gegend im Einflussbereich der WIC lag. Die Bewohner von Takoradi tendierten stark zu den Brandenburgern. Zum einen, weil die Niederländer sie beim Handeln oftmals übervorteilten und zum anderen, weil bereits von der Gröben ihnen gegen den Angriff der Adom Hilfe geleistet hatte. Als im Januar 1685 ein Krieg zwischen den Stämmen der Adom und den Anta ausgebrochen war, hatte sich die WIC aus diesem Gebiet zurückgezogen. Die Einwohner wandten sich darauf an die Brandenburger in Großfriedrichsburg und baten um militärischen Schutz. Da offenbar keine Gefahr mehr durch die WIC drohte, ließ von Schnitter bei Takoradi die brandenburgische Flagge aufpflanzen und schickte seinen Fähnrich, einen gewissen du Mont, einen Sergeant und sechs Soldaten mit drei Dreipfündern, um den Platz zu befestigen 838 . Der Schutz durch die Brandenburger war den Eingeborenen offenbar so wichtig, dass sie bereits im Jahr zuvor ihren Häuptling Jancke nach Berlin geschickt hatten, um kurfürstlichen Schutz zu erbitten, welchen der Kurfürst auch gewährte 839 . Die zwei neuen Handelsstützpunkte befanden sich jedoch nur wenige Jahre im Besitz der BAC. Am 7. Oktober 1687 ließ der niederländische Gouverneur von Elmina, Nikolas de Sweerts, durch 300 bewaffnete Einheimische Accada und Tacoradi überfallen und für die WIC in Besitz nehmen. Danach ließ er Großfriedrichsburg belagern, wodurch der Handel mit den Eingeborenen empfindlich gestört wurde. 1690 kam Accada wieder in brandenburgischen Besitz, Tacoradi musste jedoch von der BAC endgültig abgeschrieben werden. Über das Aussehen der Anlage der Dorotheenschanze bei Accada selbst ist nur bekannt, dass sie aus 835

Schück II, S. 205ff Nr. 86a, S. 207ff Nr. 86b, S. 222f Nr. 89. GStA VIII. HA Rep. 92, Slg. Jorberg Nr. 47. 837 Barbot, Jean: Barbot on Guinea. The writings of Jean Barbot on West Africa 1678-1712, 2 Bände hier: Band 2, S. 346. 838 Großer Generalstab, S. 23. 839 Duchhardt, Heinz: Europäisch-Afrikanische Rechtsbeziehungen in der Epoche des Vorkolonialismus, in: Saeculum 36, Freiburg 1985, S. 367-379, hier: S. 374. 836

184

einem Haus mit Plattform und zwei Batterien bestand und mit zwölf Kanonen bewaffnet war840. 1712 fiel Accada im Rahmen eines zwischen den auf englischer, niederländischer und preußischer Seite stehenden Einheimischen ausgebrochenen Krieges erneut in die Hände der WIC. Der Platz wurde aber kurz nach dem Ende der Kampfhandlungen wieder an die BAAC zurück gegeben841. Als Ersatz für das verloren gegangene Takoradi ließ die BAC als vierte Befestigung Anfang der 1690´er Jahre noch eine kleine, durch einen Erdwall geschützte Schanze auf dem Kap der Drei Spitzen errichtet. Diese Schanze wurde zuerst Taccrama, später dann Sophie-Louise-Schanze genannt und besaß als Bewaffnung lediglich zwei kleine Geschütze. Ihre Aufgabe bestand darin, die Verbindung zwischen Großfriedrichsburg und Accada sowie die Süßwasserquellen am Kap zu schützen. Die Befestigung bestand aus einem viereckigen Bau mit zwei Stockwerken, wovon das untere als Wohnung für die Soldaten und als Magazin für Material und die Sklaven diente. Das obere Stockwerk wurde als Verkaufslokal und Domizil für den Kaufmann und dessen Assistenten genutzt. Das Gebäude war mit einem Dach aus Stroh gedeckt und hatte als Bewaffnung an der Südseite fünf Kanonen auf einer kleinen Batterie842. Die Besatzung der Stützpunkte war je nach Bedeutung sehr verschieden und und einem stetigen Wandel unterlegen. Der Hauptort war Großfriedrichsburg, dem die anderen Stützpunkte unterstellt waren. Während Kurfürst Friedrich Wilhelms Regentschaft bestand die Besatzung von Großfriedrichsburg aus insgesamt 49 Mann, während Accada lediglich mit sieben Mann und Takoradi sogar mit nur zwei Mann besetzt wurde843. Im April 1687 hatte sich Raule dafür eingesetzt, das Beamtenpersonal auf Großfriedrichsburg zu reduzieren, um Kosten zu sparen. Es erschien ihm ausreichend, wenn in Großfriedrichsburg der Kommandant sowohl über militärische als auch ökonomische Fähigkeiten verfügen würde. An militärischem Personal sollten nicht mehr als zwanzig Mann dort zu stationiert sein. Accada sollte mit vier, Taccarary sogar mit nur drei Mann auskommen 844 . Damit folgte Raule auch dem allgemeinen Zeitgeist, da die europäischen Handelsstützpunkte in Westafrika allgemein mit durchschnittlich 20 Mann relativ schwach bemannt waren845. Die Personaldecke blieb bis zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges noch relativ hoch. So bestand 1697 allein in Großfriedrichsburg das militärische Personal aus insgesamt 42 Mann846. Erst als die BAC ihre Stützpunkte nicht mehr hinreichend versorgen konnte, nahm auch die Stärke der Besatzungen ab. 1707 bestand die Garnison in Großfriedrichsburg aus 27 Mann, von denen die

840

Bosman: Description, S. 11; Schück II, S. 439-444 Nr. 144. Großer Generalstab, S. 36. 842 Schück I, S. 324. 843 Schück II, S. 273ff Nr. 106. 844 Schück II, S. 299-309 Nr. 118. 845 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 90. 846 GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 315. 841

185

meisten krank waren847. Im Jahr 1712 bestand die Besatzung von Großfriedrichsburg nur noch aus 21 Mann, die von Accada und Taccarary aus je zwei Mann. Das Oktroi der BAC sah jedoch vor, falls die Mannschaft der Garnison reduziert oder dienstunfähig werden werden sollte, dass auch die zivilen Bediensteten der Kompanie zum Wachdienst herangezogen werden konnten 848 . Diese wurden auch dazu angehalten, immer eine geladene Waffe bereit zu halten, um einen eventuellen Angriff der Eingeborenen abwehren zu können. Auch sollten die Waffen vom Waffenmeister regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden 849. Neben den o. g. Handelsstützpunkten, die alle auf dem als Goldküste bezeichneten Abschnitt Guineas lagen, versuchte Brandenburg-Preußen offenbar auch, sich an der Sklavenküste festzusetzen. Bereits 1683 hatte der Sekretär der gerade zurückgekehrten Fregatte Churprinz dem Bewindhaberkollegium in Emden angeboten, an der Sklavenküste mit fünf bis sechs Mann eine Loge zwischen Accra und Whydah einzurichten. Angeblich wären die dortigen Eingeborenen dem Handel mit Brandenburg-Preußen sehr

zugeneigt

und die

Einrichtung des

geplanten

Handelsstützpunktes ließe sich leicht mit wenigen Mitteln einrichten, was eine sofortige Belebung des Handels bewirken würde850. Friedrich Wilhelm ging auf diesen Vorschlag ein und befahl dem Bewindhaberkollegium in Emden, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Dazu sollte mit dem nächsten Schiff, dass nach Westafrika segeln würde, die von der Fregatte Churprinz wieder zurückgebrachten Tauschwaren dazu verwendet werden, um beim König von Accra Sklaven einzukaufen851. Es ist jedoch nicht klar, ob und wie dieser Sekretär die Sklavenküste erreicht hat, da bis zum Jahr 1686 keine Fahrten zu den genannten Küstenabschnitten durchgeführt wurden. Zwar wurden noch im Herbst 1686 noch die Fregatten Wasserhund und Goldener Löwe nach Westafrika geschickt, dies geschah aber noch vor der Rückkehr der Kurprinz 852 . In der zeitgenössischen Beschreibung der Sklavenküste von Barbot werden brandenburgische Stützpunkte in Popo und seit 1684 in Whydah erwähnt. Wahrscheinlich ist damit das Jahr 1694 gemeint, obwohl die Brandenburger bereits in den 1680´er Jahren Sklaven in Whydah einhandelten853. Ein Offizier der brandenburgischen Fregatte Dorothea namens Hoofman Friedson berichtete, während das Schiff auf der Reede vor Whydah lag und auf eine Lieferung Sklaven wartete, in einem Brief dass der Ankauf der Sklaven über einen Zwischenhändler namens Petlij Wijborne abgewickelt würde, der dort als Makler im Auftrag der BAC tätig wäre854. Dies lässt darauf schließen, dass es zumindest zu diesem Zeitpunkt einen brandenburgischen Stützpunkt an der Sklavenküste gab. In dem Oktroi, das 847

Schück I, S. 325. Schück II, S. 136-142 Nr. 67. 849 Schück I, S. 326. 850 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 244-245. 851 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 265-268. 852 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 124-126 und Blatt 197-184. 853 Jones: Brandenburg Sources, S. 190. 854 GStA Rep. 65 Nr. 45, Blatt 353. 848

186

1692 für die BAAC erlassen wurde, wird auf den Sklavenhandel an der Sklavenküste noch einmal Bezug genommen, indem der BAAC der Sklavenhandel und die Einrichtung einer oder mehrerer Stützpunkte ausdrücklich gestattet wurde855. Die Verwaltung der Handelsstützpunkte war derart gegliedert, dass ein militärischer Befehlshaber und ein Oberkaufmann unabhängig nebeneinander eingesetzt werden sollten, wobei ersterer den Oberbefehl über die Miliz führte und letzterer die alleinige Direktion über alles führte, was den Handel und die diplomatische Repräsentation betraf856. Als Entscheidungsgremium für die militärischen Angelegenheiten wurde ein Kriegsrat eingerichtet, der sich aus dem Direktor, einem Major, einem Leutnant, zwei Fähnrichs und dem Ingenieur zusammensetzen sollte857. Diese Art der Gewaltenteilung stellte sich jedoch bald als ineffektiv heraus, so dass dieses System reformiert werden musste. Im Marine-Reglement von 1690 war der Direktor bzw. Gouverneur von Großfriedrichsburg zugleich auch der Oberbefehlshaber der Miliz858. Ihm stand ein Ratskollegium in einer beratenden Funktion zur Seite, in dem der Kaufmann, der Unterkaufmann und der Vorsteher von Accada Sitz und Stimme hatten. Alle wichtigen Angelegenheiten sollten dort geprüft und nach gemeinsamer Beschlussfassung ausgeführt werden. Als Assistent diente ein Sekretär, dessen Aufgabe es war, über die Versammlungen und Beschlüsse Protokoll zu führen. Außer den genannten Beamten gab es noch einen Geistlichen, einen Fiskal bzw. Zahlmeister, einen Buchhalter, einen Schreiber, einen Arzt und Handwerksleute aller Art. Der Generaldirektor hatte seinen Sitz in Großfriedrichsburg, die Vorsteher in Accada und Takoradi, später in Taccrama, unterstanden seinem Befehl. Das machte sich auch in der Buchführung bemerkbar, denn die Nebenorte waren als Filialen eingestuft, für die im Hauptbuch des Kontors jeweils ein eigenes Konto eingerichtet war. Die Bücher wurden jährlich geschlossen und bilanziert. Die Originale wurden in Großfriedrichsburg aufbewahrt und Kopien an das Bewindhaberkollegium nach Emden geschickt859. Bis zum Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges wurden die Bücher in Großfriedrichsburg überwiegend korrekt geführt, danach weisen sie erhebliche Lücken auf. Offenbar wurde es in Anbetracht der mangelhaften Versorgungslage mit der korrekten Buchführung nicht mehr so genau genommen. Die gesamten Personalkosten betrugen bis zum Jahr 1700 im Durchschnitt 7.000 Reichstaler. Von da an verringerte sich die Zahl der Bediensteten und damit auch die Kosten. Allerdings sanken diese auch dann nicht unter 4.500 Reichstaler860. Über die Rechtspflege in den Handelsstützpunkten ist relativ wenig bekannt. In dem Oktroi von 1682 ist lediglich vermerkt, dass sämtliche Justiz- und Kriminalsachen am Haupthandelsplatz 855

Schück II, S. 416-426 Nr. 139a, Absatz 3. Schück II, S. 136ff Nr. 67, Artikel 6 und 7; S. 169ff Nr. 72, Artikel 22 und 23 und Moerner: Staatsverträge Nr. 263. 857 StaE Reg. I Nr. 279a: Instruktion für den Oberkaufmann Joost van Colster, undatiert. 858 Schück II, S. 368ff Nr. 131, Artikel 13. 859 Schück II, S. 444ff Nr. 145, Artikel 28. 860 Schück I, S. 330. 856

187

in Afrika und in Europa im Namen des Kurfürsten von den Kompaniebeamten durchgeführt wurden 861 . Dies sollte nach einem vom Kurfürsten genehmigten Reglement erfolgen. Das erste Reglement ist jedoch erst 1692 erlassen worden und hatte nur Geltung für das Admiraliätskollegium in Emden862. Lediglich im Pachtvertrag für St. Thomas existierten einige, wenn auch eher allgemein gehaltene Verordnungen, welche die Rechtspflege berührten. Justiz- und Kriminalsachen, welche die inneren Angelegenheiten der BAC betrafen, sollten von den Kompaniebediensteten intern geregelt werden. Bei Angelegenheiten, welche die BAC im Umgang mit der Dänischen Kompanie betrafen, sollte im Streitfall ein Gremium zusammentreten, das aus je zwei Mann der BAC und der Dänischen Kompanie zusammengesetzt und vom dänischen Gouverneur geleitet werden. Nach spätestens sechs Wochen Verhandlungszeit sollte der Gouverneur ein Urteil fällen oder, falls vom Gremium gewünscht, eine entsprechende Fristverlängerung gewähren. Nach der Verkündung des Urteils konnte bis zum Ablauf von sechs Wochen Einspruch gegen selbiges erhoben werden, aber nur, wenn Leib und Leben oder Vermögenswerte über 500 Reichstaler bedroht waren 863 . In Großfriedrichsburg

blieb,

soweit

es

sich

um

Kompaniebedienstete

handelte,

die

Entscheidungsgewalt über die Regelung der einzelnen Fälle beim Generaldirektor. Es ist zwar anzunehmen, dass dieser sich mit seinen Untergebenen beraten hat, aber ansonsten völlig frei seine Entscheidungen getroffen haben dürfte. Die Verhandlung von Strafsachen lief dahingehend ab, dass der Kriegsrat zusammen trat und das Urteil fällte, so geschehen im Jahr 1686 in Großfriedrichsburg, als zwei Angehörige der Miliz für dienstuntauglich erklärt wurden 864. Es kam auch vor, dass sich die Delinquenten vor dem Bewindhaberkollegium in Emden verantworten mussten. In diesem Fall wurde bereits vor Ort eine Art Voruntersuchung des Falls durchgeführt, wie es 1686 bei den Korruptionsvorwürfen gegen von Schnitter, Reinermann, Brouw und Plonck der Fall gewesen war865 . In Fällen, wo die Eingeborenen beteiligt waren, hatte sich im Laufe der Zeit die Praxis herausgebildet, dass ein gemischter Rat aus Einheimischen und Europäern zusammen trat und den Fall gemeinsam verhandelte. Das Urteil fällte dann der Häuptling nach Landessitte unter Aufsicht des Generaldirektors.

Ein

Vertrag von

1712, den

der

Generaldirektor

Dubois

von

Großfriedrichsburg mit den Häuptlingen von Porquesoe geschlossen hatte, regelte die Strafe bei Vergehen, die wahrscheinlich am häufigsten vorgekommen sein dürften, wobei es sich interessanterweise überwiegend um Geldstrafen handelte. So war der Diebstahl eines Schafs mit 2-4 Engels und Straßenraub mit bis zu 6 Engels geahndet, Mord aber nur mit einer arbiträren Geldstrafe. Die Geldstrafe fiel zu gleichen Teilen an den Generaldirektor, die Häuptlinge und die betroffene 861

Schück II, S. 136ff Nr. 67, Artikel 19. Schück II, S. 429ff Nr. 140. 863 Schück II, S. 257ff Nr. 103, Artikel 14-17. 864 Schück II, S. 273 Nr. 106. 865 Schück II, S. 285f Nr. 112. 862

188

Gemeinde bzw. den Stamm866. Von 1683 bis 1685 bekleidetem Kapitän Blonck, Major Dillinger und Hauptmann von Schnitter, der nach dem vermutlich 1684 eingetretenen Tode Dillingers zum Major befördert worden war, das Amt des militärischen Gouverneurs. Als Ober- bzw. Unterkaufmann waren Joost van Colster und Anton Brouw, als Fiskal Reinermann eingesetzt 867 . Allen gemein ist, dass das Bewindhaberkollegium der BAC mit ihrer Ämterführung unzufrieden war und entsprechende Untersuchungen gegen sie anstrengte, wozu Brouw, der zuvor noch Admiralitätsrat im Bewindhaberkollegium gewesen war, eigens dazu nach Großfriedrichsburg geschickt worde, um die Ordnung wieder herzustellen und die Beschuldigten ihrer Bestrafung nach Emden zu überstellen. Blonck, von Schnitter, Brow und Reinermann wurde vorgeworfen, dass sie durch ihre "Negligenz, Bosheit und liderlichen Lebesstil" der BAC großen Schaden und Verluste zugefügt hätten 868 . Offenbar kam es zu keiner Verurteilung, Brouw bekam sogar seine inzwischen eingereichten Gegenansprüche an die

Kompanie zurück

erstattet

869

.

Im

Oktober 1686 bat das

Bewindhaberkollegium den Kurfürsten, die Akten zu schließen, damit der Kompanie keine weiteren Kosten entstehen würden, worauf die Akten auch eingefordert wurden, aber das Verfahren gegen von Schnitter im November 1688 noch schwebend war870. Die über die genannten Beamten laut gewordenen Klagen bezogen sich hauptsächlich auf ihren Lebenswandel, welcher für deren Untergebene ein schlechtes Vorbild abgab. Brouw wurde daher u. a. angewiesen, das gottlose Treiben der Mehrzahl der Beamten einzudämmen 871 . Es wurde bestimmt, dass in Zukunft die Vorsteher von Großfriedrichsburg und Accada, ein dritter Handelsplatz existierte zum Zeitpunkt des Erlasses noch nicht, sich allabendlich sämtliche Beamte vor der Mahlzeit zum Gebet versammeln sollten. Jeden Sonntag war der Vortrag einer Predigt aus der Hauspostille vorgeschrieben. Ohne eine Entschuldigung durfte niemand, ausgenommen die Wachposten, dieser Andachtsübung fernbleiben. Das Fernbleiben wurde mit Geldstrafe oder, bei Wiederholung, mit arbiträrer Strafe geahndet. Diese Vorschriften müssen von Erfolg gekrönt gewesen sein, da diese erst 1708 der neuen Generaldirektor Lange wieder entsprechend instruiert wurde872. In dieser Vorgehensweise war Brandenburg-Preußen keine Ausnahme. Auch die Niederländer sorgten sich um das Seelenheil ihrer Bediensteten. So wurde 1706 auf den Festungen ein Gebetstag für den Frieden angeordnet, an dem bei Androhung des Abzugs von bis zu drei Monatsgehältern das Huren, Saufen, Spielen Fluchen, Raufen und

866

Schück II, S. 538ff Nr. 173. Schück I, S. 179. 868 Schück II, S. 285f Nr. 112. 869 Schück I, S. 335. 870 Schück I, S. 335. 871 Schück II, S. 299-309 Nr. 118. 872 Schück I, S. 336. 867

189

Brüllen verboten war873. Leben und Arbeit auf den westafrikanischen Festungen waren streng hierarchisch gegliedert. Es gab höhere Beamte und Offiziere, untergeordnete Beamte, freie Handwerker, sowie Soldaten und Sklaven für die Arbeit innerhalb und außerhalb der Festungen. Dazu befanden sich eine gehörige Anzahl freier Afrikaner und Abkömmlingen, die aus Verbindungen von Europäern und Einheimischen hervorgegangen waren, auf den Gehaltslisten der Kompanien. Die Beamten und die Offiziere aller europäischen Handelskompanien pflegten gesellschaftlichen Umgang miteinander und unterhielten auch freundschaftliche Beziehungen sowie persönliche Rivalitäten. Diese wurden oftmals dazu genutzt, sich gegenseitig auszuspionieren und Komplotts und Intrigen zu schmieden. Letztere waren auch als Stimulans überaus beliebt, um etwas Abwechslung in den ansonsten öden Alltag zu bringen. Die allgemeine Atmosphäre in den Festungen war meistens gespannt, wie es sich ergibt, wenn eine Gruppe von Menschen isoliert und auf engem Raum dazu gezwungen ist, zusammen zu leben. Aufgestaute Aggressionen und Langeweile führten oftmals zu Schlägereien. Um schlimmeres zu verhindern, wurde jede sich bietende Möglichkeit, Feste zu feiern, genutzt, was dann auch mit entsprechendem Alkoholkonsum verbunden war. Die einheimische Bevölkerung nahm an den Festen der Europäer regen Anteil. So beschreibt Johann Peter Oettinger das Neujahrsfest 1693 auf Großfriedrichsburg als ein Ereignis, an welchem mehrere hundert Einheimische als Musiker und Tänzer teilnahmen874. Auch intime Beziehungen zwischen Europäern und afrikanischen Frauen waren allgemein üblich. Die Einheimischen empfanden es als völlig normal, dass ein allein lebender Europäer auf weibliche Gesellschaft nicht verzichten wollte. Als Otto Friedrich von der Gröben Anfang 1683 kurz nach der Begründung von Großfriedrichsburg am Fieber erkrankte, gab ihm einer der Häuptlinge zwei neunjährige Kinder als Gefährtinnen 875. Viele Europäer lebten in wilder Ehe mit einheimischen Frauen, woraus auch eine nennenswerte Zahl an Kindern, die aus diesen Beziehungen hervorging, resultierte. Allerdings gab es unterschiedliche Ausprägungen in der Handhabung derartiger Beziehungen. Während auf den englischen Festungen es den einheimischen Frauen erlaubt war, bei ihren europäischen Männern innerhalb der Festung zu wohnen, wurde dies von den calvinistisch geprägten Niederländern nicht geduldet. Ihren Bediensteten wurde nur gestattet, sich bei Tageslicht außerhalb der Festung aufzuhalten, also dann, wenn sie sich im Dienst befanden. Ein Problem besonderer Art war für alle Handelskompanien war die Fürsorge für die stetig steigende Zahl der Kinder, die aus den gemischten Verbindungen hervorging. Der Generaldirektor und der Rat von Elmina beschlossen im Jahr 1700 deshalb, dass jeder, der in Afrika Kinder gezeugt hatte, diese auf eigene Kosten bei seiner Rückkehr in die Heimat

873

Steltzer: Häfen, S. 163. Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 48f. 875 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 84. 874

190

mitnehmen sollte. Im Todesfall des Erzeugers sollte dieser dafür eine seinem Rang angemessene Summe Geld als Erbe bereithalten, um die standesgemäße Versorgung und die christliche Erziehung der Kinder zu sichern. Dazu sollten für diese Kinder öffentliche Häuser eingerichtet werden, worin sie ab ihrem sechsten Lebensjahr sowohl von Einheimischen als auch von Europäern entsprechend erzogen und ausgebildet wurden876. Der erste Generaldirektor der BAC auf Großfriedrichsburg war Johann Niemann aus Emden. Er bekleidete diese Amt vom März 1686 bis April 1691. Seine Instruktion wurde ihm von Admiralitätsrat Brouw erteilt, nachdem er vom Bewindhaberkollegium nach Großfriedrichsburg geschickt worden war. Bosman beschreibt ihn als einen Mann mit Sachverstand und fundierten Kenntnissen der örtlichen Gegebenheiten, der stets im Interesse seines Herrn gehandelt und mit Ehre in die Heimat zurückgekehrt sei877. Als Niemann 1688 um seine Ablösung bat, ersuchte ihn der Kurfürst, so lange zu warten, bis eine geeignete Person für seine Ablösung gefunden worden sei. Inzwischen sollte er die Verteidigungsbereitschaft der Festung ausbauen und den Schmuggelhandel unterbinden. Nötigenfalls sollte Niemann bis zu 100 Sklaven ankaufen und diese als Arbeitskräfte für den Ausbau der Festung einsetzen. Dafür wollte sich der Kurfürst entsprechend erkenntlich zeigen878. Als Niemann aber 1691 wieder nach Emden zurückgekehrt war, wurde ihm umgehend der Prozess gemacht. Ihm wurde u. a. vorgeworfen, dass er ein willkürliches und grausames Regiment geführt hätte, im einzelnen sollte er einheimische Häuptlinge ohne ersichtlichen Grund in Haft genommen und einen Sklaven, der angeblich seinem Herrn einige Taler gestohlen hatte, derart gefoltert haben dass dieser an den Folgen der Folter gestorben war. Außerdem wurde er noch der vielfachen Erpressung, des Betruges und gefälschter Buchführung bezichtigt 879 . Es konnte ihm jedoch in keinem Anklagepunkt etwas nachgewiesen werden, weshalb die Akten 1698 geschlossen und an den Kurfürsten gesandt wurden880. Niemann wurde anschließend in den Stadtrat von Emden berufen. Sein Nachfolger in Großfriedrichsburg war das Vater-Sohn-Gespann Johann und Jakob ten Hooft, die ebenfalls beide ihre Aufgabe gut geführt und unter den Einheimischen sehr beliebt gewesen waren881. Doch auch bei ihnen schien das Bewindhaberkollegium anderer Ansicht gewesen zu sein, denn auch gegen sie bzw. ihre Erben, Johann ten Hooft war auf dem Weg nach Emden verstorben, strengte es einen Prozess an, welcher erst nach mehreren Jahren durch einen Vergleich beendet wurde. Von 1695 bis 1697 war ein Niederländer namens Gijsbregt van Hoogfeld Generaldirektor von Großfriedrichsburg. Zuvor hatte van Hoogfeld in Axim als Kaufmann in Diensten der WIC 876

Steltzer: Häfen, S. 164. Bosman: Guinea Coast, S. 8. 878 Schück I, S. 337. 879 StaE Reg. I Nr. 279a: Untersuchung gegen Johann Niemann, 1692. 880 Schück I, S. 338. 881 Bosnam: Guinea Coast, S. 8. 877

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gestanden. Dort hatte er seine Untergebenen derart schlecht behandelt, dass die WIC sich genötigt sah, ihn für dienstuntauglich zu erklären und nach Europa zurückzuschicken. Van Hoogfeld dachte jedoch nicht daran, dem Urteil der WIC zu folgen und begab sich kurzerhand in die Dienste der BAAC. In Großfriedrichsburg versuchte er, sich bei den Einheimischen durch die großzügige Gewährung von Privilegien beliebt zu machen. Dies hatte jedoch zur Folge, dass dies die Position der BAAC empfindlich schwächte und so den Anfang ihres Ruins einleitete. Schließlich wurde er sowohl von der BAAC als auch von den Einheimischen aus seinem Amt vertrieben und durch einen Mennoniten namens Jan van Laar ersetzt. Ihm wurde nachgesagt, dass er es angeblich besser verstand, täglich einen Krug Branntwein zu trinken als die Geschäfte der BAC zu führen 882 . Größeren Schaden konnte er allerdings nicht anrichten, da er bereits kurz nach seinem Amtsantritt in Großfriedrichsburg verstarb. Die Geschäfte in Großfriedrichsburg befanden sich zu seiner Zeit bereits im Niedergang. So meldete van Laar nach Emden, dass die Kaufleute zunehmend ausbleiben, da in Grofriedrichsburg alle Waren verdorben bzw. aufgebraucht waren, da angeblich keine geeigneten Magazine zur Verfügung stehen würden. Er wollte sich deshalb bemühen, für entsprechenden Lagerraum zu sorgen und damit zusammenhängend auch die Westbatterie der Festung wieder instand zu setzen 883 . Ihm folgte Jan de Visser, wieder ein Niederländer und angeblich ein Mann von so geringem Sachverstand, dass ihm dieser Posten niemals hätte anvertraut werden dürfen. Kurz nach seiner Amtsübernahme wurde der in Accada eingesetzte Kaufmann von den Einheimischen ermordet. Angeblich geschah der Mord nicht nur mit Wissen, sondern sogar auf Initiative von de Vissers Nachfolger, Adrian Grobber. Weil der Mord in Accada ungesühnt blieb, gingen die Einheimischen noch weiter und nahmen auch de Visser gefangen und entführten ihn ins Landesinnere, wo er dann ebenfalls auf grausame Weise ermordet wurde. De Vissers Nachfolger wurde erstmals von den Einheimischen als Generaldirektor eingesetzt 884 . Über die Zustände in Großfriedrichsburg und die Dauer Grobbers Amtszeit ist so gut wie nichts bekannt. Auch die Ermordung de Vissers geht lediglich aus einer Order des Bewindhaberkollegiums hervor, in welcher die Einleitung einer diesbezüglichen Untersuchung angeordnet wurde. Ähnlich sieht es bei seinem Nachfolger Johann Münz aus. Über ihn ist lediglich überliefert, dass ihm angeblich einmal der englische Gouverneur von Capo Corso wegen eines finanziellen Engpasses 150 Mark Gold gegen Verpfändung der preußischen Besitzungen angeboten hatte. Münz lehnte ab und machte dem Engländer ein entsprechendes Gegenangebot in Bezug auf Capo Corso. Im Februar 1706 verließ er Großfriedrichsburg, nachdem er kurz zuvor noch seinen Nachfolger, den in preußischen Diensten stehenden Kaufmann Heinrich Lamy als Generaldirektor von Großfriedrichsburg eingesetzt hatte.

882

Bosman: Guinea Coast, S. 9. GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 492-493. 884 Bosman: Guinea Coast, S. 9. 883

192

Immerhin konnte Münz vor seiner Abreise seinem Nachfolger noch Waren in einem Gesamtwert von 128 Mark Gold übergeben, obwohl unter den einheimischen Stämmen bereits sechs Jahre zuvor ein Krieg ausgebrochen war, der zur Folge hatte, dass der Handel in Großfriedrichsburg nahezu vollständig zum Erliegen gekommen war. Der Konflikt konnte erst zu diesem Zeitpunkt beendet werden. Münz vertrat jedoch gegenüber dem Bewindhaberkollegium die Auffassung, dass in Großfriedrichsburg der Handel durch die Absendung neuer Waren wieder belebt werden könnte885. Lamy hatte bereits im Sommer 1707, ein Jahr nach seiner Einsetzung als Generaldirektor das Bewindhaberkollegium um seine Ablösung gebeten, da er schwer erkrankt war. Ende November 1707 gab das Bewindhaberkollegium seinem Gesuch statt. Er traf jedoch erst im Oktober 1709 in Emden ein, von seiner schweren Krankheit gezeichnet. Auf die Bitte seiner Mutter befürwortete das Bewindhaberkollegium einen ehrenvollen Abschied Lamys aus der BAAC. Einige Monate zuvor hatte Lamy noch Franz de Lange als seinen Nachfolger eingesetzt. De Lange sandte mit dem Schiff, mit dem auch Lamy nach Emden abgesegelt war, einen vollständigen Bericht über die Zustände und Gebräuche auf Großfriedrichsburg. Demnach begab sich de Lange Anfang Januar 1709 von Zeeland aus nach Großfriedrichsburg, das er am 25. März erreichte. Er fand die Festung in einem hervorragenden Zustand vor, im Vergleich zu den anderen Festungen an der dortigen Küste. Kurz nach seiner Ankunft besuchte er die anderen preußischen Stützpunkte Accada und Taccrama, wo er mit den jeweiligen Häuptlingen die Handels- und Schutzverträge erneuerte886. Zugleich erstellte er ein Inventar der in Großfriedrichsburg gelagerten Handelswaren und entließ alle seiner Meinung nach überzähligen und ungeeigneten Kompaniebediensteten, die dann mit Lamy nach Emden zurückkehren sollten. Um die Verteidigungsbereitschaft der Festung zu erhöhen, ließ er drei Kanonen am Strand aufstellen, um angreifende Schiffe besser abwehren zu können. De Lange stellt in seinem Bericht auch klar, dass er aufgrund der mangelnden Versorgung mit Handelswaren aus der Heimat darauf angewiesen war, diese von den vorbeifahrenden Interlopern einzuhandeln. De Lange wies auch darauf hin, dass sich unter den Einheimischen durch gezielte Streuung seitens der Niederländer das Gerücht verbreitet hatte, dass die preußische Kompanie verarmt wäre und verkauft werden sollte, weshalb die einheimischen Häuptlinge eine schlechte Meinung von der preußischen Kompanie hätten. Das Regiment von de Lange auf Großfriedrichsburg währte nur etwa achtzehn Monate. Am 16. Dezember 1710 wurde er von den Einheimischen aus der Festung entführt, ins Hinterland verschleppt und blieb verschollen. Wahrscheinlich wurde er dort ermordet. Der Grund für seine Entführung lag angeblich darin begründet, dass er seine Zustimmung für militärische Unterstützung verweigerte, als zum wiederholten Mal ein Krieg zwischen verfeindeten Stämmen ausgebrochen 885 886

Schück I, S. 340. Schück II, S. 509f Nr. 168.

193

war. Seine Untergebenen waren offenbar froh über sein Verschwinden. Der Chirug Jacques Herlin beschrieb de Lange in einem Bericht an das Bewindhaberkollegium in Emden als starrsinnig, geizig und unfähig, die Geschäfte angemessen zu führen. Dazu würde er nur in die eigene Tasche wirtschaften und seinen Bediensteten die Gage kürzen. Zu einem ähnlichen Urteil kam auch der Buchhalter Kuyp, der de Lange als Trunkenbold bezeichnete, der mit seinen Untergebenen übel umsprang und seine Taschen durch das Absetzen von Kompaniebediensteten füllte887. Die Lücke, welche die Entführung von de Lange gerissen hatte, versuchte der in brandenburgischen Diensten stehende afrikanische Makler Jan Conny zu schießen, indem dieser eigenmächtig den Kaufmann Stockhoff als Generaldirektor einsetzte, dessen Interims-Direktion jedoch nicht lange währen sollte888. Gegen das eigenmächtige Vorgehen Connys regte sich Widerstand seitens der Engländer und Niederländer. Eine englisch-niederländische Delegation versuchte in Verhandlungen mit Conny, den Streit beizulegen und de Lange wieder als Generaldirektor der BAAC einzusetzen, jedoch ohne Erfolg. Dabei ging es ihnen nicht darum, de Lange zu helfen, sondern sie wollten verhindern, dass Conny die Kontrolle über die preußischen Besitzungen erlangte, die aufgrund ihrer geographischen Lage inzwischen eine Schlüsselstellung im Handel mit den Stämmen des afrikanischen Hinterlandes einnahmen. Sie waren in der zweiten Dekade des 18. Jahrhunderts die Endstation der wichtigsten Handelsrouten der Asante und Aowin geworden, die von den inländischen Händlern immer stärker bevorzugt wurden und auf denen das meiste Gold an die Küste gelangte889. Da die BAAC durch die Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekrieges ihre Stützpunkte nicht mehr mit Nachschub versorgen konnte, waren sowohl die Engländer als auch die Niederländer daran interessiert, die preußischen Besitzungen zu übernehmen, um sich der preußischen Konkurrenz zu entledigen. Zu ihrem Leidwesen war Conny jedoch der lachende Dritte, da er nach de Langes Abgang die Kontrolle über Großfriedrichsburg innehatte. Der neue und zugleich letzte preußische Generalgouverneur von Großfriedrichsburg war Nikolas Dubois, der am 27. Dezember 1711 in Großfriedrichsburg eintraf. Zuvor war er bereits zwölf Jahre in Diensten der WIC in Guinea gewesen und war mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut. Von Schmettau hielt Dubois sogar für besonders geeignet, den bereits verloren geglaubten Handel in Afrika wieder in Schwung zu bringen890. Bei seiner Ankunft befanden sich die Einheimischen, die um Großfriedrichsburg herum siedelten, mit denen im Krieg, die in niederländischen und englischen Diensten standen. Die Ursache für diesen Konflikt war, dass der niederländische Makler in Axim, ein Mann namens Apré, Anspruch auf eine Sklavin namens Ajebba erhob. Anspruch auf die selbe Frau erhob jedoch auch Conny. Als Dubois die Geschäfte in 887

Schück I, S. 342. Daaku, Kwame: Trade and Politics on the Gold Coast 1600-17210, Oxford 1970, S. 128. 889 Daaku: Gold Coast, S. 129. 890 Schück I, S. 342. 888

194

Großfriedrichsburg übernahm, stand das Kriegsglück gerade zugunsten von Connys Gegnern, denen es gelungen war, Accada zu erobern. Der Verlust währte nur kurz, bereits im Februar wurde Accada wieder von den Preußen besetzt891. Kurz darauf begab sich Conny mit großem Gefolge zu Dubois, um ihm seine Aufwartung zu machen. Dabei schwor er, dass er jederzeit dazu bereit wäre, für den König von Preußen sein Leben zur Verteidigung von Großfriedrichsburg einzusetzen und wann immer nötig, gegen die niederländischen und englischen Feinde zu kämpfen. Dubois schloss darauf mit Conny, dem König von Anta und einigen Häuptlingen einen Vertrag, in welchem die Eingeborenen der BAAC erneut Gehorsam und Treue gelobten 892. Der Krieg mit den Engländern und den Niederländern zog sich noch einige Monate hin und wurde am 20. Oktober 1712 durch einen unter den Vertretern der WIC, RAC und der BAAC ausgehandelten Friedensvertrag beigelegt893. Darin wurde u. a. geregelt, dass zwischen den drei betroffenen Nationen und ihren Untertanen – damit waren die in Diensten der jeweiligen Kompanie stehenden Afrikaner gemeint – ein dauerhafter Frieden geschlossen wurde, und dass die in preußischen Diensten stehenden Afrikaner an die Engländer und die Niederländer je 40 Benten Gold zu vier festgesetzten Terminen zahlen sollten. Conny und Apré sollten sich wegen der Sklavin Ajebba nach Landessitte vergleichen und der preußische Generaldirektor dabei als Schiedsmann agieren. Der englische Makler Ranta und der niederländische Makler Obin sollten je 50 Benten Gold als Strafe für die Zerstörung der preußischen Festung Dorothea in Accada zahlen und die zu den Preußen übergelaufenen Sklaven wurden an ihre Besitzer zurückgegeben. Obwohl Großfriedrichsburg weder von der BAAC noch seitens des Königs versorgt wurde, bekleidete Dubois für fünf Jahre das Amt des Generaldirektors in Westafrika. Es gelang ihm, durch Handel mit Interlopern, die in großer Zahl auf der Reede vor Großfriedrichsburg vor Anker gingen, den Unterhalt für sich und die übrigen Bediensteten zu sichern. Da die Warenbestände immer knapper wurden, es waren nur noch Waren im Wert von etwa 4.000 Gulden vorhanden, begab sich Dubois im November 1716 nach Emden, um in Preußen persönlich auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen. Es ist wahrscheinlich, dass Dubois nicht freiwillig, sondern auf Anweisung Connys nach Europa abreiste894. Bereits ein Jahr zuvor hatte sich das Gerücht verbreitet, dass Dubois den Verstand verloren und sich nach Neuholland begeben hätte. Dieses Gerücht drang auch zu König Friedrich Wilhelm I. vor, weshalb er Marinerat Freitag anwies, den

Posten

des

Generaldirektors

neu

zu

besetzen.

Offenbar

zweifelte

auch

das

Bewindhaberkollegium die Kompetenz von Dubois an. So bezeichnete Marinerat Ramler die Abrechnugen von Dubois als konfus und unbrauchbar. Im März 1717 traf Dubois in Amsterdam ein und sein Bericht bestärkte König Friedrich Wilhelm in seinem Vorhaben, sich der unrentablen 891

Großer Generalstab, S. 35. Schück II, S. 538ff Nr. 173. 893 Schück II, S. 542ff Nr. 174. 894 Daaku: Gold Coast, S. 137. 892

195

Handelsstützpunkte zu entledigen, bevor es zu spät war895. Vor seiner Abreise übertrug er dem Sergeanten Anton Günther die kommissarische Direktion über die Festung. Conny hatte ihm zugesichert, Großfriedrichsburg noch vierzehn Monate lang für den König von Preußen zu halten. Dieses Zeit verstrich, ohne dass ein preußisches Schiff oder ein preußischer Befehlshaber in Großfriedrichsburg eintraf, den inzwischen hatte Friedrich Wilhelm sämtliche preußischen Besitzungen an die WIC verkauft und es ihr überlassen, diese in Besitz zu nehmen. Inzwischen hatte Conny damit begonnen, die Betriebskosten von Großfriedrichsburg auf ein Minimum zu senken. Im Dezember 1716 entließ er alle europäischen Bediensteten, die nicht über genügend Geldmittel verfügten, um sich selbst zu versorgen, bis auf den Kommandanten und einen Sergeanten. Als Conny von der WIC aufgefordert wurde, Großfriedrichsburg zu übergeben, verweigerte er die Übergabe mit der Begründung, er könne die Festung nur einem preußischen Repräsentanten übergeben. Tatsächlich aber hatte er sich dazu entschlossen, die Festung den Franzosen zu überlassen 896 . Zu dieser Zeit lag der französische Kapitän Pierre Morel mit dem französische Schiff La Princesse de Roquefort auf der Reede von Großfriedrichsburg vor Anker. Conny hatte Morel darum gebeten, die Festung einzunehmen, was Morel ablehnte, da er Schwierigkeiten mit den Niederländern befürchtete. Die WIC beschloss, die Festung mit einer List zu nehmen, wobei sie sogar stillschweigend von der preußischen Regierung unterstützt wurden, da die restlichen 4.000 Dukaten erst mit der Inbesitznahme von Großfriedrichsburg fällig waren. Dazu schickten die Niederländer drei Schiffe unter dem Kommando des Kapitäns van der Hoeven nach Großfriedrichsburg897. Dort versuchten sie, Conny aus der Festung auf eins der Schiffe zu locken, indem sie sagten, dass sie ihm dort die geforderte preußischen Order übergeben würden. Conny fiel nicht auf diese List herein und schickte stattdessen seinen Sekretär Bosman zu den Niederländern, um die Dokumente in Empfang zu nehmen898. Conny lehnte die Übergabe jedoch ab und bekräftigte erneut, dass er die Festung nur einem Schiff unter preußischer Flagge übergeben würde. Danach versuchte die WIC, Großfriedrichsburg mit Gewalt zu nehmen. Die Reputation Connys unter den Einheimischen war jedoch so groß, dass die Niederländer zunächst keine Verbündeten fanden, um den Angriff durchzuführen. So ließen sie den ursprünglichen Plan, die Festung von Land her anzugreifen, fallen und versuchten es mit einem Landungsunternehmen von See aus unter Beteiligung ausschließlich niederländischer Soldaten. Obwohl die Operation von den Niederländern gut vorbereitet war, erlitten sie eine empfindliche Niederlage. Von den 50 an dem Unternehmen beteiligten niederländischen Soldaten wurden 36 und ein Leutnant von den 895

Schück I, S. 344. Voigt, Christoph: Jan Conny und seine Beziehungen zu Großfriedrichsburg, in: ZKKK 14,2, Berlin 1912, S. 116-128, hier: S. 123. 897 Schück II, S. 575f Nr. 190. 898 Dabei handelte es sich um einen Sohn von Willem Bosman, der aus der Verbindung mit einer einheimischen Sklavin in Elmina hervorgegangen war. 896

196

Afrikanern getötet und der Rest in die Flucht geschlagen 899. Damit hatte die WIC nicht nur die militärischen Fähigkeiten Connys dramatisch unterschätzt, es war zugleich auch der Auftakt eines schwelenden Konflikts, der mehrere Jahre andauern sollte. Nach seinem Sieg über die WIC ließ Conny die Verteidigungsablagen von Großfriedrichsburg weiter ausbauen. Die Niederländer installierten darauf in Schussweite zwei schwere Mörser, um die Festung bei Bedarf sturmreif schießen zu können. Conny setzte unterdessen den Handel mit französischen, englischen und portugiesischen Schiffen fort. Seine Absicht war, aus Großfriedrichsburg einen Freihafen zu machen, der allen Nationen offen stehen sollte, ausgenommen jedoch die europäischen Handelskompanien. Da die WIC zunächst weder handelspolitisch noch militärisch gegen Conny vorgehen konnten, versuchten sie, ihn mit Bestechung unter ihre Kontrolle zu bringen. So boten sie Conny 1722 ein monatliches Salär von zwei Unzen Gold sowie eine jährliche Zuwendung von 48 £ und Handelsgüter im Wert von 192 £ für seinen privaten Handel, ohne auf ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit Preußen hinzuweisen900. Conny akzeptierte schließlich dieses Angebot und die WIC erkannte damit indirekt an, dass Conny Eigentümer der Stützpunkte blieb und sie der WIC nur zur Pacht überlassen hatte. Die WIC gab sich jedoch nicht geschlagen. Als sie zwei Jahre später versuchten, ihm Handelsbeschränkungen aufzuerlegen, brachen die Feindseligkeiten wieder aus. Obwohl Conny die Verteidigungsanlagen von Großfriedrichsburg in gutem Zustand gehalten und auch Pokoso stark befestigt hatte, konnte er den Niederländern nicht mehr standhalten. Im November 1724 nahmen sie Großfriedrichsburg im Sturm. Conny flüchtete nach Asante und kehrte nicht mehr nach Großfriedrichsburg zurück.

4.2.2. Arguin

Während in den tropischen Breiten Westafrikas der Handel mit Sklaven, Gold und Elfenbein im Vordergrund stand und von allen europäischen Mächten betrieben wurde, erweckte an der westafrikanischen Saharaküste zur gleichen Zeit ein anderes Handelsgut die Begehrlichkeiten der europäischen Handelskompanien, das Gummi Arabicum901. Bei Gummi Arabicum handelt es sich um ein Exsudat aus der Rinde verschiedener Akazienbäume, die in der südlichen Sahara von Mauretanien bis Somalia heimisch sind. In gediegener Form besteht das Gummi aus einem weißen Pulver, welches als Lebensmittelzusatzstoff, Verdickungsmittel und als Medikament gegen Atembeschwerden eingesetzt wurde. Die größten Vorkommen an Akazien befinden sich in einem 899

Daaku: Guinea Coast, S. 138; Steltzer: Häfen, S. 222f; Voigt: Jan Conny, S. 124. Daaku: Guinea Coast, S. 140. 901 Labat, Jean-Baptiste: Nouvelle Relation de l`Afrique Occidental, 5 Bände, Paris 1728, hier: Band 2, S. 81ff; Seiwert, Wolf-Dieter: Maurische Chronik. Die Völker der Westsahara in historischen Überlieferungen und Berichten, München 1988, S. 96 f; Webb, James: The Trade in Gum Arabic. Prelude to French Conquest in Senegal, in: JAH 26, 1985 Nr. 2/3, S. 149-168, hier: S. 153 f. 900

197

geographischen Gürtel, der zwischen dem nördlichen Senegal und dem südlichen Mauretanien verläuft. Das Gummi Arabicum wird geerntet, indem das kristallisierte Harz vorsichtig von der Rinde abgekratzt wird, wobei ein Baum etwa 500-800g reines Harz liefert und ein Sklave davon etwa 2-3 kg pro Tag ernten konnte902. Nach der Ernte wurde es auf den Karawanenstraßen zu den westafrikanischen Handelshäfen oder zu den lokalen Märkten am Senegal-Fluss gebracht. Der Handel mit dem aus dem Senegal und dem Sudan stammenden Gummi Arabicum wurde nahezu vollständig über die der mauretanischen Küste vorgelagerten Insel Arguin und den weiter südlich gelegenen Hafen Portendick abgewickelt. Die Portugiesen errichteten 1445 auf der Insel den ersten festen europäischen Handelsstützpunkt

903

. Zu Anfang war das bevorzugte Handelsgut der

Portugiesen Goldstaub, welchen sie für Weizen und Textilien eintauschten. Generell folgte der frühe europäische Handel an den westafrikanischen Küsten noch keinem festen Muster, auch das Gummi spielte zunächst eine untergeordnete Rolle, da man es in erster Linie auf Gold und Sklaven abgesehen hatte904. Beides ließ sich weiter südlich an der schwarzafrikanischen Küste problemloser und billiger beziehen als bei den Mauren. Der Gummihandel nahm zur Mitte des 17. Jahrhunderts einen immer größeren Aufschwung und erreichte 1659 seinen vorläufigen Höhepunkt, als die Franzosen ihren Handelsstützpunkt St. Louis in der Senegal-Mündung ihre erste dauerhafte Niederlassung in Westafrika gründeten und dadurch quasi ein Monopol auf den dortigen Gummihandel etablierten905. Gummi Arabicum war nicht das einzige von den Europäern begehrte Handelsgut. Ein weiteres waren Straußenfedern, welche überwiegend als Hut- und Helmschmuck, zur Verschönerung von Baldachinen, Himmelbetten sowie zur Verzierung von Sakralräumen Verwendung fanden 906 . Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Strauße in Westafrika weit verbreitet. Die gewaltige Nachfrage nach Straußenfedern führte jedoch zum Aussterben der dortigen Populationen907. Des weiteren wurden an den Küsten der Westsahara noch Ambra und Bezoarsteine eingehandelt908. Bei Ambra handelt es sich um die wachsartige Darmausscheidung des Pottwals, welches

wegen

seines

intensiven

Geruchs

hauptsächlich

in

der

Kosmetik-

und

Schokoladenproduktion zur Anwendung kam. Darüber hinaus wurde Ambra auch in der Medizin als

902

Webb: Trade in Gum Arabic, S. 155; Labat: Nouvelle Relation I, S. 238. Oßwald, Rainer: Die Handelsstädte der Westsahara. Die Entwicklung der arabisch-maurischen Kultur von Sinqit, Wadan, Tisit und Walata, Berlin 1986, S. 140f. Oßwald geht jedoch davon aus, dass die Errichtung der Festung erst unter der Regentschaft Alfons V. ab 1461 erfolgte. 904 Oßwald, Rainer: Schichtengesellschaft und islamisches Recht. Die Zawaya und Krieger der Westsahara im Spiegel von Rechtsgutachten des 16.-19- Jahrhunderts, Wiesbaden 1993, S. 352. 905 Seiwert: Maurische Chronik, S. 96. 906 Koltermann, Till Philip: Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte: Die Insel Arguin vor der Küste Mauretaniens, in: BEH 28, Berlin 1999, S. 9. 907 Labat: Nouvelle Relation II, S. 10. 908 Koltermann, Till Philip/Plehn, Marcus: An der Grenze von Afrika - Medizin und Pharmazie auf der preußischen Insel Arguin 1684 – 1722, in: DAZ Beilage Geschichte der Pharmazie Jg. 57, Juni 2005, S. 3; Labat: Nouvelle Relation I, S. 312. 903

198

Aphrodisiakum und als Antidepressivum genutzt909. Gewonnen wurde Graues Ambra, auch Ambra gris genannt, indem mauretanische Nomaden ihre Kamele nachts über die Strände trieben und die vom Meer angeschwemmten Brocken aufsammelten, welche von den Kamelen anhand ihres empfindlichen Geruchssinns aufgespürt wurden 910 . Die Suche erfolgte deshalb nachts, weil das Ambra aufgrund der deutlich niedrigeren Temperaturen der Geruchssinn der Kamele besser arbeitete. Ein weiteres begehrtes Handelsgut waren Bezoarsteine, die als wirksame Medizin bei Vergiftungen angesehen wurden911. Dabei handelte es sich um steinartige Ablagerungen aus den Eingeweiden verschiedener Wiederkäuer wie bspw. Antilopen. Bezoarsteine konnten den 32-fachen Wert ihres Gewichtes in Silber erzielen, doch ein nennenswerter Handel mit Bezoarsteinen auf Arguin ist nicht feststellbar912. Die älteste Erwähnung der Insel wird einer Siedlungsgründung des karthagischen Entdeckers Hanno zugeschrieben, der mit einer Expedition um 470 v. Chr. entlang der afrikanischen Westküste segelte und dabei vermutlich bis in den Golf von Guinea vordrang. Sein Reisebericht, der Periplus des Hanno, erwähnt die Entdeckung einer Insel mit einer Größe von fünf Stadien, die im Winkel einer Bucht gelegen war und beschreibt die Gründung einer Siedlung namens Cerne (Kerne) 913 . Plinius der Ältere lokalisierte Kerne acht Stadien entfernt an der mauretanischen Küste914. Über die Beschaffenheit der ersten europäischen Siedlung von Kerne ist nichts bekannt. Es ist zu vermuten, dass die Karthager diese Siedlung nach ähnlichen Mustern angelegt, verwaltet und gesichert haben, wie dies bei den anderen Kolonien im Mittelmeer und am Atlantik der Fall war. Die Überlegung, es könnte sich um eine befestigte Siedlung gehandelt haben, scheint plausibel, zumal auch die passive Präsenz schwarzafrikanischer Bevölkerungsgruppen, die nahe Kerne gesiedelt haben, eine solche Annahme unterstützt. Die Existenz dieser karthagischen Kolonie war, ähnlich wie die iberischen Besitzungen, eng an das Schicksal ihrer Mutterstadt gekoppelt, die nach drei aufeinander folgenden Kriegen schließlich an Rom fiel. Als 42 n. Chr. die Afrikaprovinz Mauretania unter römische Direktherrschaft fiel, verlief die Südgrenze des Römischen Reiches nun am Fuß des Atlas-Gebirges, dessen Ausläufer zugleich an der Atlantikküste die maritime Schwelle zur Provinz Lybia markierte. Die karthagische Expansion nach Westen sowie das Wagnis der Auskundschaftung und Besiedelung der fernen Guineaküste wurde unter römischer Herrschaft offenbar nicht fortgesetzt, obwohl eine Landexpedition unter Paullinus angeblich bis in das südliche Marokko vorgedrungen war. Der östliche Seeweg nach Indien über das Rote Meer war den Römern bereits bekannt, weshalb ihnen sowohl die Passage des Atlantiks als auch die 909

Labat: Nouvelle Relation I, S. 335 f. Labat: Nouvelle Relation I, S. 321. 911 Labat: Nouvelle Relation II, S. 98. 912 Koltermann/Plehn: An der Grenze von Afrika, S. 3. 913 Sommer, Michael: Die Phönizier. Handelsherren zwischen Orient und Okzident, Stuttgart 2005, S. 139. 914 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 31f. 910

199

Durchquerung der Sahara offenbar wenig verlockend erschien 915 . Die perspektivisch über die Jahrhunderte hinweg tradierte Unbezwingbarkeit und die daraus resultierende fehlende Attraktivität der Erkundung derartiger Grenzgebiete, wie sie der Atlantik bspw. südlich des Kap Bojador aufwies, reichte offenbar aus, um die bisher in Ansätzen gereifte Idee der Ozeanfahrt in einen komatösen Zustand zu versetzen. Die Seefahrer der Spätantike, des Mittelalters und sogar noch die portugiesischen Seefahrer des 14. Jahrhunderts waren davon überzeugt, dass südlich des Kap Bojador ein „Meer der Finsternis“ liegen würde, welches das Ende der Welt markierten und jeden in den Abgrund reißen würde, der versuchte, sich ihm zu nähern916. Mit der Expansion der maurischen Vorherrschaft auf dem nordafrikanischen Kontinent trat diese vermeintliche Furcht der christlichen Seefahrer jedoch zunehmend in den Hintergrund. Bis 1434 waren portugiesische Flottenverbände entlang der westafrikanischen Küste tief nach Süden vorgedrungen. Der in Diensten des portugiesischen Infanten Heinrich (dem Seefahrer) stehende Nautiker Antonio Gonzales war 1441 südlich von Bojador erstmals auf Angehörige eines Sahel-Volkes gestoßen. Dieser gewaltsame Zusammenstoß kann als Prototyp des europäischafrikanischen

Zusammenpralls

der

Kulturen

angesehen

werden.

Der

portugiesische

Expeditionstrupp nahm nach einem kurzem Scharmützel zehn Afrikaner gefangen und verschleppte sie als Sklaven nach Portugal, was zugleich auch den ersten belegten Fall von Versklavung von Afrikanern durch eine maritime europäische Macht darstellte. Drei Jahre später erreichte der Portugiese Nuno Tristão Arguin und verschleppte ebenfalls vierzehn Afrikaner in die Sklaverei. Die Zahl der Entführungen stieg rasant an. Zur Mitte des 15. Jahrhunderts waren es bereits über 800 Sklaven pro Jahr, womit die Portugiesen den Boden für den später einsetzenden kommerziellen Sklavenhandel bereiteten917. Allerdings ließ die gewaltsame Versklavung von Menschen auch Raum für friedlichen Tauschhandel von Luxusgütern wie Salz, Gold und Elfenbein. Der kommerzielle Austausch zwischen Afrikanern und Europäern lief anfangs entweder am Strand oder auf den portugiesischen Schiffen ab. Dies empfanden die Portugiesen als einen lästiger Umstand, den sie durch den Bau einer befestigten Handelsstation beizukommen versuchten und die sich wiederum durch ihre strategische Lage auszeichnen musste. Arguin war für die Errichtung eines stationären Handelsplatzes hervorragend geeignet, da die Insel innerhalb einer weitläufigen Bucht lag und von schwer zu umschiffenden Sandbänken geschützt wurde. Ein weiterer Vorteil war, dass die Insel über eine natürliche Süßwasserquelle verfügte918. 1445 errichteten die Portugiesen auf der Insel das erste europäische Handelsfort in den Tropen, welches heute als Prototyp für eine Kette von später

915

Rella: Im Anfang war das Fort, S. 34f. Konzelmann, Gerhard: Sie alle wollten Afrika, Stuttgart 1979, S. 52. 917 Rella: Im Anfang war das Fort, S. 83. 918 Henning, Richard: Terrae Incognitae, 4 Bände, hier: Band 4, Leiden 1956, S. 108. 916

200

erbauten Festungen entlang der afrikanischen Küste, Indien und Ostasien gilt919. Obwohl Arguin keinerlei Schätze bot, war sie dennoch von großer strategischer Bedeutung, weil die Portugiesen hier einen wichtigen Umschlagplatz des arabische Handels erreicht hatten. Die Strategie, feste Handelsstützpunkte militärisch zu schützen, kam nicht von ungefähr. Lissabon sah sich von Anfang an dazu genötigt, die neu entdeckten Küstengebiete und ihr handelspolitisches Kapital zu schützen, ungeachtet des im Jahr 1579 geschlossenen Friedens von Alcáçovas mit Kastilien. Während die Spanier bis auf weiteres außenpolitisch durch den sich hinziehenden Konflikt mit Grenada abgelenkt waren, witterten die marokkanischen Meriniden, die 1465 von der schwachen Dynastie der Ouattasiden abgelöst worden waren, im Konflikt gegen die portugiesische Präsenz in Nordafrika Morgenluft. Während das handelspolitische Konzept des europäischen Festungsbaus in Schwarzafrika langsam zu greifen schien, errang Portugal auf dem marokkanischen Schauplatz einen Pyrrhussieg nach dem anderen. Die kostspielige Fortsetzung des Maurenkrieges in Marokko mochte zwar dem Adel zusätzliche Einnahmen gebracht haben, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, war Portugals militärische Engagement im Maghreb wenig ergiebig920. Unter der Regentschaft von Heinrich dem Seefahrer erfuhren die Aktivitäten auf Arguin einen Aufschwung und auch die Entdeckungsfahrten wurden mit Nachdruck fortgesetzt. Die Seereise nach Guinea bedurfte in jedem Fall der Genehmigung des Prinzen, dazu musste der Gewinn zu Raten von bis zu 50 Prozent an Heinrich abgeführt werden. Nach dessen Tod im Jahr 1460 wurde ein neues System des Westafrikahandels eingeführt, das die weitere Exploration der Küste durch private Expeditionen vorsah, welche eigens dazu mit einem königlichen Privileg ausgestattet wurden. Arguin war von diesem Privileg jedoch ausgenommen. 1469 wurde der gesamte Westafrikahandel, wieder unter Ausschluss von Arguin und darüber hinaus der Kapverdischen Inseln, für fünf Jahre an den Kaufmann Fernão Gomes vermietet, der sich verpflichten musste, pro Jahr 200.000 Rais an die portugiesische Krone zu zahlen. Dazu wurde Gomes verpflichtet, jährlich 100 léguas der westafrikanischen Küste neu zu erforschen 921 . 1470 wurden die Vertragsbedingungen für Gomes noch einmal verschärft, indem die portugiesische Krone das Handelsprivileg für bestimmte Waren wie Malagetta-Pfeffer und Edelsteine wieder an sich nahm und auf diese Weise versuchte, die Finanzierung weiterer Entdeckungsreisen auf dem Weg nach Indien zu sichern. Gomes protestierte mehrfach gegen diese Verschärfung, jedoch ohne Erfolg. Allerdings erreichte er 1470 gegen die Zahlung weiterer 100.000 Rais das Handelsrecht in Arguin sowie die Verlängerung um ein weiteres Jahr seines Privilegs, das 1474 ausgelaufen war922. 919

Boxer, Charles: The Portugese Seaborne Empire 1415-1825, London 1969, S. 25. Rella: Im Anfang war das Fort, S. 85. 921 Schmitt, Eberhard (Hg.): Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Band 2, München 1984, S. 67ff 922 Santos Lopes, Maríla: Schwarze Portugiesen. Die Geschichte des frühen Westafrikahandels, in: Beck, Thomas (Hg.): Kolumbus´ Erben. Europäische Expansion und überseeische Ethnien im Ersten Kolonialzeitalter, 1415-1815, 920

201

Etwa zur gleichen Zeit versuchte Kronprinz João, der spätere König João II., ein staatliches Monopol für die im Tauschhandel mit Westafrika wichtigen Güter wie Pferde, Stoffe und Metalle zu schaffen. Dessen Durchsetzung war jedoch mit allerhand Schwierigkeiten verbunden. Proportional zur Strenge dieser Vorschriften war auch mit deren regen Missachtung zu rechnen, vor allem durch diejenigen, die in Westafrika selbst an der Schnittstelle des Handels saßen. Die wichtigste Maßnahme zum Schutz des Monopols bestand folgerichtig darin, das System der Faktoreien und Festungen, wie sie auf Arguin errichtet wurden, weiter auszubauen. Ihnen standen vom König ernannte Gouverneure bzw. Kapitäne vor. Sämtliche Bedingungen des Handels, Ankauf und Umschlag, der europäischen wie der einheimischen Waren und der Tauschgüter aus anderen Gebieten, oblagen der Kontrolle dieser Faktoreien, womit sie die Ansprüche der Krone gegenüber den afrikanischen Händlern zu vertreten und den Handel so in ihrem Interesse zu regulieren versuchten. Dabei waren in den Faktoreien drei Positionen von entscheidender Bedeutung: erstens die des Faktors, des Vorstandes der Faktorei, zweitens die des Kapitäns, der für die militärische Sicherheit des Marktes zu sorgen hatte und drittens die des Schreibers, in dessen Hand die Kontrolle über die ein- und ausgehenden Waren lag. Um auf diesen einflussreichen Positionen Missbrauch vorzubeugen, wurden sie alle drei Jahre neu besetzt. Dazu waren die Preise der Waren, ausgenommen die der Sklaven, durch königliche Dekrete festgelegt. Den Schiffen, die nach Westafrika unterwegs waren, gab man Preislisten mit. Die Schreiber der Faktoreien protokollierten alle ein- und ausgehenden Waren sowie deren Preise, damit in Lagos bzw. später in Lissabon eine genaue Kontrolle möglich war923. Im Fall von Arguin hatte sich dieses strenge Handelssystem für die Portugiesen bewährt. Dort endeten die Karawanenrouten, auf denen Gold, Sklaven, Getreide, Pferde, Gummi und Stoffe aus dem Landesinneren an die Küste gebracht wurden. Hier konnte man jene Waren erwerben, die einerseits für den europäischen Markt und andererseits für den Handel an der weiter südlich gelegenen Küste von Bedeutung waren. So wurden die Faktoreien nicht nur zu Umschlagplätzen für europäische und afrikanische Waren, sondern auch zu innerafrikanischen Handelszentren, in denen Produkte verschiedener Regionen gegeneinander getauscht wurden. In diesem Zusammenhang steht auch das Bemühen Portugals, Teile Nordafrikas zu erobern, um sich so einen direkten Zugang zu diesen Waren zu sichern. Damit spielte Nordafrika, hier vor allem Marokko, eine zentrale Rolle in der Organisation des westafrikanischen Handels. Die Bedeutung von Arguin für den westafrikanischen Handel ging im Verlauf des 16. Jahrhunderts jedoch immer mehr zurück. Zum einen war dafür die Konkurrenz anderer Faktoreien verantwortlich, vor allem die weiter südlich gelegene Faktorei São Jorge da Mina (Elmina), die 1481 errichtet worden war. Dazu kam noch die Konkurrenz der nicht unmittelbar an die Faktoreien gebundenen Handelsplätze, die

923

Darmstadt 1992, S. 21-37, hier: S. 27. Santos Lopes: Schwarze Portugiesen, S. 28f.

202

sich entlang der Flüsse Guineas gebildet hatten. Andererseits war es den Portugiesen trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, die landgestützten Handelswege ganz zu verdrängen, so dass vor allem die arabische Konkurrenz nicht allein auf den Handel mit den Faktoreien angewiesen war. Die Portugiesen hatten auf Arguin für über einhundert Jahre Handel betrieben, bis sie 1633 von der WIC von dort vertrieben wurden 924. Die Niederländer forcierten den Gummihandel mit großem Erfolg. Allerdings zogen sie damit auch die Aufmerksamkeit der Franzosen auf sich, welche bereits 1659 auf einer kleinen Insel in der Senegal-Mündung das Fort. St. Louis errichtet hatten und somit ihrerseits Anspruch auf kolonialen Besitz in Westafrika erhoben. Im September 1678 zwangen französische Kriegsschiffe die niederländische Besatzung auf Arguin zum Abzug und zerstörten Teile der Festung in der Hoffnung, die Mauren dazu zu zwingen, ihr Gummi nicht mehr an der mauretanischen Küste, sondern weiter südlich am Senegal zu verkaufen 925 . Damit waren sie zunächst erfolgreich und Frankreich besaß für einige Jahre das Monopol im Gummihandel an der westafrikanischen Küste. Die Franzosen hatten jedoch weder die Mittel noch das Interesse, die Festung auf Arguin dauerhaft zu halten. Deshalb wurde die Festung mit Erlaubnis von König Ludwig XIV. teilweise gesprengt926. Der französische Kommandant Jean-Baptiste Du Casse ließ entgegen den Kapitulationsbestimmungen die maurische Inselbevölkerung Arguins, insgesamt 280 Mauren, als Sklaven nach Westindien deportieren. Während der Überfahrt gelang diesen zwar die Befreiung, jedoch konnten die Franzosen den Aufstand unter großen Verlusten auf beiden Seiten erfolgreich niederschlagen. Aus diesem Zwischenfall resultierten anschließend dauerhafte Feindseligkeiten zwischen dem Emirat Trarza und den Franzosen 927 . Darauf hin verschwand der Handelsstützpunkt auf Arguin für einige Zeit aus dem Fokus der europäischen Mächte, bis im Jahr 1685 ein neuer Konkurrent in Gestalt der BAC an der mauretanischen Küste auftauchte. Im Februar 1684 machte Raule Kurfürst Friedrich Wilhelm auf eine Möglichkeit aufmerksam, den Handel an der westafrikanischen Küste auszuweiten. Raule hatte durch seine Kontakte mit erfahrenen niederländischen Seeleuten erste Kontakte zum Emir von Trarza im mauretanischen Südwesten herstellen können. Er empfahl dem Kurfürsten einen Handelsplatz, der innerhalb von vier Monaten erreichbar wäre, unter dem Schutz des dortigen Königs stand und wo man als Handelsgüter arabisches Gummi, Ambra, Bibersteine und Straußenfedern einhandeln konnte928 . Friedrich Wilhelm griff den Vorschlag sofort auf und erteilte am 19. Juni 1685 dem Kapitän Cornelius Reers Order, mit der Fregatte Roter Löwe die Insel Arguin anzulaufen, dort 924

Monod, Théodor: L´Ille d´Arguin. Essai Historique, Lissabon 1983, S. 66 ff. Ly, Abdoulaye: La Compagnie du Sénégal, Paris 1958, S. 140 ff. 926 Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, S. 87. 927 Ly: La Compagnie du Senegal, S. 140 ff, Monod: L´Ille d´Arguin, S. 80ff. 928 GStA Rep. 65 Nr. 32, Blatt 145-152, Schück II, S. 209-216 Nr. 84. 925

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entsprechende Handelsbeziehungen aufzunehmen und so lange vor Ort zu verbleiben, bis diese zum Erfolg geführt haben929. Reers erreichte die mauretanische Küste am 3. Oktober 1685 und konnte bereits am nächsten Tag nach kurzen Verhandlungen mit einem maurischen Unterhändler erfolgreich erste Handelsbeziehungen aufnehmen. Als am darauffolgenden Tag ein niederländisches Schiff die Insel erreichte, ließ Reers sofort die brandenburgische Flagge aufziehen. Die maurische Inselbevölkerung ergriff sogleich Partei für die Brandenburger und forderten die Niederländer auf, Arguin zu verlassen930. Reers blieb bis Ende Januar 1686 auf Arguin und fuhr dann weiter nach Portendick, dem Hauptumschlagplatz für Gummi Arabicum. Dort konnte er erstmalig Kontakt mit König As-Sayyad, dem Emir von Traza aufnehmen. Dieser zeigte sich von der Idee, mit den Brandenburgern Handel zu treiben, begeistert und versprach Reers die Übergabe der Festung auf Arguin bei seiner Wiederkehr im darauffolgenden Jahr. Für die Gewinnung der Sympatie der Brandenburger war ebenfalls ein Ereignis mit den Niederländern hilfreich, nachdem ein niederländischer Kaufmann namens Jakob Lambrecht de Hond bei seinen Verhandlungen mit dem Emir die örtlichen Gepflogenheiten missachtete und damit jede Chance verspielte, mit dem Emir Geschäfte zu machen. Der Emir gab Reers einen Brief sowie einen Sklaven mit, um seine vertraglichen Absichten zu bekräftigen. Offenbar wollte der Emir damit sich zunächst Gewissheit verschaffen, ob sich die Brandenburger als zuverlässige und loyale Handelspartner erweisen würden, welche der etablierten Konkurrenz gewachsen waren931. Mitte 1686 kehrte Reers nach Brandenburg zurück und erstattete dem Kurfürsten Bericht. Raule und Friedrich Wilhelm erkannten sofort, welche Chance sich ihnen hier bot. Im Oktober 1687 ließ Raule eine weitere Expedition ausrüsten, die aus den Schiffen Roter Löwe und den beiden Fregatten Brandenburgischer Dragoner und Berlin bestand932. Auf den Schiffen wurden nicht nur Handelswaren, sondern auch Baumaterial für die Instandsetzung der Festung und 20 Geschütze für die Bewaffnung herangeschafft933. Der Handels- und Schutzvertrag, der von Reers zwischen dem Emir von Trarza und Brandenburg geschlossen wurde, ist auf den 20.12.1687 datiert 934. Der Vertrag beinhaltete drei Artikel, in denen sich der König, seine Nachfolger sowie seine Untertanen unter den Schutz des Kurfürsten begab und ihm die Festung Arguin zur Wiederherrichtung und Besatzung überließ. Der Kurfürst und seine Nachfolger hingegen wurden verpflichtet, den König und seine Nachfolger sowie seine Angehörigen auf des Königs Kosten gegen seine Feinde militärisch zu verteidigen. Es folgte eine Loyalitätsverpflichtung des Königs gegenüber dem Kurfürsten und 929

GStA Rep. 65 Nr. 40, Blatt 134-135. Jones: Brandenburg Sources, S. 266. 931 Jones: Brandenburg Sources, S. 268. 932 Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, S. 88. 933 Großer Generalstab, S. 47. 934 GStA Rep. 65 Nr. 173, S. 318f, abgedruckt bei Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 153 ff, Jones: Brandenburg Sources, S. 162f und 280f, Monod: L´Ille d´Arguin, S. 100 f, Schück II, S. 313f Nr. 121. 930

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dessen Gouverneuren, die Einräumung eines Handelsmonopols für Brandenburg sowie ein Verbot für die einheimischen Lotsen, Schiffe, welche den Brandenburgern unerwünscht sind, zu navigieren935. Die Vertragsklauseln machten deutlich, dass dem Bündnis zwischen dem Emir und Kurfürst Friedrich Wilhelm vor allem die handels- und machtpolitischen Motive des Emirs zugrunde lagen. Dies ist einerseits damit begründet, dass die Macht des Emirs zum Zeitpunkt des Vertragsabchlusses noch nicht gefestigt war, was daran ersichtlich war, dass sich der Emir auf eigene Kosten von den Brandenburgern militärisch beschützen lassen wollte, was wiederum nichts anderes bedeutete, dass er sich regelmäßige Waffenlieferungen von den Brandenburgern erhoffte. Andererseits konnte der Emir mit der Erteilung des Handelsprivilegs an die Brandenburger und die Bewilligung ihrer dauerhaften Präsenz auf Arguin dem maurischen Handel einen regelrechten Aufschwung verleihen, da er auf diese Weise der französischen Compagnie du Senegal einen direkten Konkurrenten vor die Nase gesetzt hatte, welcher im Gegensatz zu den Schiffen der WIC über einen befestigten Stützpunkt verfügte, der seinen Handelsschiffen bei Verfolgung wirksamen Schutz bieten konnte. Des weiteren hatte der Vertrag zwischen Brandenburg und dem Emir von Trarza das französische Gummihandelsmonopol beseitigt, da es jetzt wieder im Ermessen des Emirs lag, ob er seine Handelsgeschäfte am Senegal oder an der Küste abwickelte und somit auch wieder die Preise seiner Handelswaren selbst diktieren konnte936. Der Vertrag zwischen Brandenburg und dem Emir von Trarza wurde in den Jahren 1698 und 1703 erneuert, was die ernsthaften Absichten beider Seiten zum Ausdruck brachte 937 . Denen gemäß begab sich der Emir mitsamt seinen Nachfolgern und seinen Untertanen unter brandenburgischen Schutz. Er überließ ihnen das Fort auf Arguin gegen die Verpflichtung, es auf eigene Kosten zu unterhalten und versprach, nur mit brandenburgischen Schiffen Handel zu treiben. Natürlich blieb die Etablierung der Brandenburger auf Arguin den anderen europäischen Konkurrenten, allen voran der Compagnie du Senegal, nicht verborgen. Sie setzte sogar eigens für die Vertretung ihrer Interessen auf Arguin zwei Schiffe dorthin in Fahrt, um die Brandenburger von Arguin zu vertreiben. Cornelius Reers, der inzwischen als brandenburgischer Gouverneur auf Arguin eingesetzt worden war, hatte das Fort bereits stark befestigt und armiert, als die beiden französischen Schiffe Ende 1687 dort eintrafen. Als Reers sich weigerte, die Insel zu räumen, versuchte der französische Kapitän de Montortier, die Festung mit Gewalt einzunehmen. Der Versuch scheiterte und de Montortier musste unverrichteter Dinge wieder die Heimreise antreten. Von 1688 an bis zum Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahr 1701 entwickelte sich ein blühender Handel zwischen den Brandenburgern und dem Emirat Trarza. Die

935

Stetzer: Häfen S. 89. Koltermann: Arguin, S. 13. 937 Schück II, S. 464 Nr. 152 und S. 502f Nr. 165. 936

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brandenburgischen Handelswaren umfassten Kleiderstoffe, Gewehre, Schießpulver, Eisenbarren, Kupferwaren, Korallen und Tabak. Die Mauren lieferten ihnen dafür das begehrte Gummi Arabicum, sowie Straußenfedern, Ambra, Sklaven, Gold und Elfenbein. Darüber hinaus handelten sie auch mit exotischen und seltenen Waren wie Bezoarsteine, Felle und Häute von Geparden und Löwen sowie Fisch, Salz und Pfeffer. Der Gewinn soll sich in der kurzen Zeit des friedlichen Handels auf 100 Prozent belaufen haben938. Der Handel mit Sklaven und Elfenbein spielte an der Küste der Westsahara jedoch eine untergeordnete Rolle. Das dort eingehandelte Gold stammte aus den am Oberen Senegal-Niger gelegenen Regionen Bambuk und Bure 939 . Zweifellos hat zur Entstehung dieser guten Beziehung die Tatsache beigetragen, dass die Festung über einen Zeitraum von dreißig Jahren lediglich vier Kommandanten gesehen hatte 940 . Von 1687 bis 1691 besaß Cornelius Reers den Posten des Gouverneurs auf Arguin. Er lebte zusammen mit seiner Frau während seiner ganzen Amtszeit, lediglich unterbrochen von einem Aufenthalt in Hamburg im Jahr 1689, auf der einsamen Wüsteninsel 941 . Cornelius Reers starb 1692 auf der Überfahrt nach St. Thomas an Bord der Fregatte Friedrich III., welche er als Kapitän befehligte942. Als Nachfolger von Reers übernahm von 1691 bis 1694 der Niederländer Jakob Lambrecht de Hond das GouverneursAmt, obwohl selbiger kurioserweise noch Anfang 1686, als er noch in Diensten der WIC stand, die Inbesitznahme Arguins durch die Brandenburger erfolglos zu verhindern versucht hatte 943 . Lambrecht de Hond wurde im März 1696 von Jan Reers, dem Sohn des verstorbenen Cornelius Reers, abgelöst944. Während seiner ersten Amtsperiode, die von 1694 bis 1700 dauerte, gelang es ihm, den Handel bis zu den Kanarischen Inseln auszudehnen, indem er sie regelmäßig mit Salz, Fischen und zeitweise auch mit Sklaven belieferte945. Sogar die französische Compagnie du Senegal akzeptierte vorbehaltlos die brandenburgische Vormachtstellung. Französische Schiffe ankerten vor Arguin

und

erhielten

die

Erlaubnis

zum

Salzhandel. Manchmal

übernahmen

sogar

brandenburgische Schiffe Transportaufgaben für die Franzosen und belieferten die französischen Garnisonen in Goree und St. Louis946. Ein Jahr nach dem Regierungsantritt von Kurfürst Friedrich III. wurde BrandenburgPreußen zwischen 1689 und 1697 in den Pfälzischen Erbfolgekrieg der Augsburger Liga gegen Ludwig XIV. hineingezogen. Dies hatte zur Folge, dass von den insgesamt 36 Schiffen, welche die BAC bzw. ihre Nachfolgegesellschaft BAAC besaß, 21 verloren gingen. Bei den verloren 938

Schück I, S. 350. Koltermann: Arguin, S. 16. 940 Schück I, S. 349. 941 GStA Rep. 65 Nr. 46, Blatt 65-67 942 Jones: Brandenburg Sources, S. 8. 943 Jones: Brandenburg Sources, S. 266. 944 GStA Rep. 65 Nr. 67, Blatt 31. 945 GStA Rep. 65 Nr. 105, Blatt 122. 946 GStA Rep. 65 Nr. 74, S. 420-422. 939

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gegangenen Schiffen handelte es sich u. a. um sieben Fregatten, vier Fleuten und vier Schnauen. Zwölf Schiffe sind gestrandet, untergegangen, verbrannt oder verschollen. Insgesamt neun Schiffe wurden von französischen, englischen oder niederländischen Gegnern erbeutet. Darüber hinaus verloren die Brandenburger in der Karibik noch 10 Barken, welche überwiegend von den Niederländern erbeutet wurden947. Doch ungeachtet des Krieges konnte sich der brandenburgische Handelsposten auf Arguin deutlich erfolgreicher entwickeln als sein französischer Konkurrent am Senegal. Die Compagnie du Senegal verlor bereits in der ersten Hälfte des Krieges fünf größere voll beladene Schiffe. Der französische Sklavenhandel zwischen Westafrika und der Karibik kam zum Erliegen, Gorée und St. Louis waren von der Heimat abgeschnitten

948

. Als 1692 ein

brandenburgischer Flottenverband Arguin anlief, plante man sogar einen Angriff auf die französischen Besitzungen an der Guineaküste 949 . Zwar wurde dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt, jedoch ist dies ein Beleg für das Selbstbewusstsein Brandenburgs im dritten Kriegsjahr. Der Direktor der Compagnie du Senegal schlug den Brandenburgern sogar vor, den Handel zu vereinen 950 . Allerdings besetzten die Engländer 1693 kurzzeitig Gorée und St. Louis, was die Zusammenlegung des brandenburgischen und französischen Handels verhinderte951. 1694 war die Compagnie du Senegal bankrott und wurde verkauft. Zwei Jahre später wurde sie wieder neu gegründet und der Pfälzische Erbfolgekrieg wurde beendet, was zu Folge hatte, dass die Franzosen nun eine aggressivere Politik an der mauretanischen Küste verfolgten. Die Franzosen hatten mittlerweile eingesehen, dass die Aufgabe der Inselfestung ein schwerer Fehler gewesen war und forderten ab 1697 die Rückgabe der Insel. Der brandenburgische Gesandte in Paris, Des Alleurs, berief sich jedoch ausdrücklich auf den Vertrag, den Brandenburg mit dem Emir von Trarza geschlossen hatte. Die Compagnie du Senegal sah dies jedoch ganz anders und betrachtete die gesamte mauretanische Küste als ihr Eigentum. Auch der Wille der Mauren spielte für sie keine Rolle, was sich in ihrer Antwort deutlich wiederspiegelt 952. Die Franzosen entsandten im August 1697 André Brue als neuen Gouverneur der Compagnie du Senegal nach St. Louis. Er machte sich sofort daran, die neuen Hegemonialansprüche Frankreichs an der westafrikanischen Küste in die Tat umzusetzen. Während Jan Reers auf Arguin mit Amar Agijel, dem neuen Emir von Trarza, den brandenburgisch-maurischen Schutz- und Handelsvertrag erneuerte, begründete André Brue eine neue französische Machtpolitik am Senegal, wobei es ihm primär um die direkte Kontrolle über die Goldregion des oberen Senegal-Niger-Gebietes ging953. Er verweigerte den Soninke die Abgaben 947

Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 48. Ly: La Compagnie du Sénégal, S. 207ff. 949 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 30. 950 Koltermann: Arguin, S. 18. 951 Ly: La Compagnie du Sénégal, S. 210ff. 952 GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 91-92. 953 Schück II, S. 464f, Monod: L´Ille d´Arguin, S. 100. 948

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und den Mandingo drohte er mit Krieg, falls sie sich dem französischen Handel entgegenstellen sollten. Brue respektierte keine örtliche Autorität und betrachtete die Compagnie du Senegal als Alleinherrscher über ein Gebiet, in dem die französischen Händler bisher allenfalls geduldet worden waren. Dies hatte Folge, dass die Mandingo das französische Fort St. Joseph eroberten und die Franzosen für lange Zeit aus der Region vertrieben. Auch der unteren Senegal-Region setzte Brue mit seiner Ignoranz – er beherrschte keine der eingeborenen Sprachen – und Gewaltpolitik dem freien Handel schweren Schaden zu. Der Herrscher von Cayor und Baol, Lat Sukaabe Fall, nahm im Juni 1701 Brue und andere Angehörige der Compagnie du Senegal gefangen und ließ die Warenlager der Kompanie plündern. Lediglich die Zahlung eines beträchtlichen Lösegeldes verhinderte die Hinrichtung Brues. Doch anstatt aus dem Vorfall zu lernen, ließ er nach seiner Freilassung die Küste Cayors durch französische Kriegsschiffe abriegeln und wiegelte die Nachbarstämme gegen Lat Sukaabe Fall auf, so dass dieser schließlich kapitulieren und das Lösegeld zurückzahlen sowie die Franzosen kostenlos mit Sklaven beliefern musste 954. Während des spanischen Erbfolgekrieges wandte sich der Herrscher von Cayor mehrmals an Jan Reers auf Arguin in der Hoffnung, gemeinsam mit den Preußen die Franzosen vertreiben zu können 955. Da Arguin jedoch durch den Niedergang des Schiffsverkehrs durch den Krieg ebenso betroffen war wie Goree und St. Louis, war dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Die Beziehungen zwischen Preußen und den Mauren waren zwar insgesamt besser als die zwischen den anderen europäischen Mächten, aber nicht ungetrübt. Durch die Auswirkungen des spanischen Erbfolgekrieges litt auch der Handel zwischen Brandenburg-Preußen und den Trarza in zunehmendem Maß. Deshalb sandte Emir Amar Agijel Mitte des Jahres 1703 seinen Neffen Hamet Mansor Ibrahim auf einem niederländischen Schiff nach Europa, um vor Ort Beschwerde über den Zusammenbruch des Handels einzulegen. In Amsterdam angekommen, bezog Hamet Mansor Quartier bei dem Buchhalter Francois de Bruimme, welcher bereits früher in brandenburgischen Diensten auf St. Thomas tätig war. Im Mai 1704 wandte er sich in einem Brief an König Friedrich I. Er beklagt darin u. a. die schlechte Regierung durch Reers, den mangelhaften Zustand der Festung sowie über die Tatsache, dass Reers dazu neige, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Hamet Mansor bat darum, diesem Treiben durch entsprechende Befehle ein Ende zu setzen sowie um eine persönliche Audienz beim preußischen König956. Zu einer Zusammenkunft zwischen Hamet Mansor und Friedrich I. kam es zwar nicht, doch Hamet Mansors Gesuch blieb nicht unbeachtet. Er wurde an den preußischen Gesandten in Den Haag, Wilhelm von Schmettau, verwiesen. Dort betonte Hamet Mansor erneut, dass Reers sich weigerte, an den Emir Abgaben zu zahlen, die Trarza

954

Koltermann: Arguin, S. 19. GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 315-317. 956 GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 8-9. 955

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übervorteilte und das Ausbleiben preußischer Handelsschiffe dazu nutze, auf eigene Rechnung Handel zu treiben. Schließlich drohte er sogar mit der Kündigung des Bündnisses, falls sich der König weiterhin passiv verhalten sollte957. Der Aufenthalt Hamet Mansors in den Niederlanden war insofern bedeutsam für die preußisch-maurischen Beziehungen, da er interessante Rückschlüsse über das politische Selbstverständnis des im Umgang mit europäischen Händlern nicht unerfahrenen Emirs von Trarza zulässt. Die Trarza betrachteten sich als gleichberechtigte Handelspartner und verstanden es dem preußischen König und der BAAC gegenüber durchaus, sich für ihre Rechte einzusetzen. Im Gegenzug wurden sie von der preußischen Seite ernst genommen. Hamet Mansor wurde den diplomatischen Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts entsprechend in Den Haag empfangen und behandelt. Von Schmettau berichtete über die diplomatischen Vorgänge ausführlich an König Friedrich I., was beweist, welchen Stellenwert er dem Anliegen Hamet Mansors einräumte. Er wurde seinem Rang und seiner politischen Stellung entsprechend genau so behandelt wie jeder andere europäische Diplomat. Von Schmettau brachte Hamet Mansor sogar eine gewisse Bewunderung entgegen und charakterisierte ihn als einen Menschen, der durchaus zur gepflegten Konversation fähig sei. Allerdings zeigt sich von Schmettau verwundert über Hamet Mansors unstandesgemäße Auftreten und seine Kleidung, die er offensichtlich für eines König nicht würdig erachtete958. Hamet Mansors Berichterstattung über die Zustände auf Arguin verfehlten ihr Wirkung nicht. Friedrich I. ließ im November 1705 die Fregatte Fortuna mit Handelswaren und einer neuen Besatzung für das Fort ausrüsten. Jedoch erreichte die Fortuna ihr Ziel nicht, da sie am Weihnachtstag 1705 bei Kap Finisterre von französischen Kaperfahrern aufgebracht wurde959. Ein Jahr später schickte Friedrich I. ein weiteres Schiff, den Aviso Freundlichkeit von Hamburg aus nach Arguin. Aber auch dieses Schiff erreichte sein Ziel nicht, es wurde am 23. Dezember 1706 in der Nähe von Gravesend im Ärmelkanal von zwei französischen Fregatten trotz heftiger Gegenwehr gekapert. Doch die Freude der Franzosen über das aufgebrachte Schiff währte nur kurz. Am nächsten Tag wurde die Freundlichkeit von einer holländischen Fregatte erneut gekapert und nach Veere in Zeeland verbracht960. Der Kapitän wurde bei dem Gefecht mit den französischen Schiffen schwer verwundet, so dass er am 26. Dezember seinen Wunden erlag. Die restliche Besatzung wurde nach Vlissingen verbracht. Obwohl Friedrich I. und die BAAC regelmäßig von derartigen Rückschlägen geplagt wurden, wollte der König den Handel an der westafrikanischen Küste nicht aufgeben. In einem Schreiben vom 22. November 1707 forderte er Gouverneur Reers auf, das Vertrauen der Trarza den preußischen Handelspartnern gegenüber weiter zu festigen. Reers sollte ihnen versichern, dass die 957

GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 1-5, Schück II, S. 503 ff. GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 50-52. 959 Großer Generalstab, S. 50. 960 Großer Generalstab, S. 52. 958

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Handelsbeziehungen fortgesetzt und intensiviert würden, sobald der Krieg vorbei sei. Darüber hinaus interessierte sich Friedrich I. auch für exotische Tiere aus Westafrika und erbat sich für den von ihm gegründeten königlichen preußischen Tiergarten in Berlin Löwen, Tiger, Strauße und andere selten Tiere

961

. Da der Handel zwischen Preußen und den Trarza nahezu völlig

zusammengebrochen war und die Festung auf Arguin sich lediglich durch niederländische Interloper mit dem notwendigsten versorgen musste, konnte Jan Reers seine Stellung auf Arguin behaupten. Die Interloper wurden jedoch von allen großen Handelsgesellschaften als Schmuggler angesehen und entsprechend bekämpft. Zwar verbesserte sich das Verhältnis zwischen ihm und dem Emir Amar Agijel nicht, doch der plötzliche Tod des Emirs, der bei einem bewaffneten Raubzug gegen den benachbarten Stamm der Oulad Delim getötet wurde, verhinderte schlimmeres 962. Unter der Herrschaft des neuen Emirs Ali Chandurah gelang es Reers, das Vertrauen der Trarza zurück zu gewinnen. Reers und Ali Chandurah kannten sich bereits längere Zeit und pflegten auch nach dessen Machtübernahme eine innige Freundschaft963. Besonders hilfreich war dabei die Tatsache, dass Reers die arabische Sprache beherrschte, was für einen europäischen Händler in Westafrika keineswegs selbstverständlich war. Einen interessanten Einblick in das alltägliche Leben in der Festung auf Arguin lieferte der aus Hamburg stammende Sergeant Christian Düring, der zwischen 1690 und 1708 nahezu ununterbrochen in der Festung Dienst tat. Von Juni 1700 bis Oktober 1702 amtierte er sogar als kommissarischer Gouverneur auf Arguin. Währenddessen lebte seine Frau in Europa in völliger Armut, da die BAAC den Sold ihres Mannes nicht ausbezahlte. Nach Dürings Tod forderte seine Witwe den noch ausstehenden Sold ihres Mannes sowie die von Düring vorgeschossenen Gelder und wies darauf hin, dass sie auf die ausstehenden Gelder angewiesen sei und von großer Armut bedroht wäre. Dieser Umstand liefert ein weiteres Schlaglicht auf die immer schlechter werdende Versorgungslage der Festung Arguin964. Während seiner Zeit als kommissarischer Gouverneur auf Arguin schrieb Düring einen ausführlichen Bericht an das Bewindhaberkollegium der BAAC in Emden, worin er die Lebensweise der Mauren, ihre politischen Motive sowie den Handel und den Dienst in der Festung beschrieb. Obwohl die Brandenburger eine Art Exklusivvertrag für Waren aller Art mit dem Emirat Trarza hatten, trieben sie nicht nur mit ihnen Handel sondern auch mit benachbarten Stämmen, vor allem mit den Oulad Delim, die nördlich von Arguin Viehzucht betrieben und die Festung mit frischem Fleisch, Straußeneiern und Straußenfedern belieferten. Daher betrachteten sie auch mit Sorge die nicht enden wollende Feindschaft zwischen den Trarza und den Oulad Delim, die ständig Krieg gegeneinander führten, wobei es ihnen nicht nur um bessere Weideplätze für ihre Herden ging 961

GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 100-103. Koltermann: Arguin, S. 21. 963 Labat: Nouvelle Relation I, S. 111f. 964 GStA Rep. 65 Nr. 95, Blatt 404. 962

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sondern auch darum, sich gegenseitig größtmöglichen personellen Schaden zuzufügen

965

.

Interessanterweise wirkte sich die Tatsache, dass die Brandenburger mit beiden Stämmen Handel trieben, nicht negativ auf das Verhältnis zu den Trarza aus. Ein Befragungsprotokoll des Bewindhaberkollegiums vom September 1709 an den Sohn von Christian Düring, Hans Christian Düring, der ebenfalls auf Arguin als Unterkaufmann Dienst tat, veranschaulicht detailliert sowohl die Verhältnisse der Brandenburger zu den Einheimischen als auch die wirtschaftlichen Einschätzungen selbiger sehr anschaulich966. So beklagte auch er die ständige Kriegsbereitschaft zwischen den beiden Stämmen, stellte aber auch klar, dass die Präsenz der BAAC auf Arguin ein lohnendes Geschäft darstellte, wenn die Festung jährlich von wenigstens zwei Schiffen angelaufen würde. Düring erwartete eine jährliche Menge von 240-250 Last Gummi sowie 8.000-12.000 Stück Straußenfedern, welche einen Nettoerlös von 125.000 Gulden bringen sollten. Des weiteren erhoffte er sich einen weiteren Gewinn von 8.000-10.000 Gulden aus dem Handel mit Salz auf den Kanarischen Inseln sowie weitere 20.000 Gulden aus dem Verkaufserlös von jährlich 100 Sklaven. Den jährlichen Unterhalt für das Fort sowie die Kosten für den Einkauf und den Transport der Waren bezifferte er auf insgesamt 46.000-47.000 Gulden. Die Schiffe sollten zeitlich so von Emden auslaufen, dass sie jeweils im Februar und September Arguin erreichen sollten, weil dies die beste Zeit zum Handeln sei967. Der Grund dafür war, dass in diesen Zeiträumen die Wetterbedingungen für den Segelschiffsverkehr aufgrund der örtlichen Klimaverhältnisse am günstigsten waren, da jeweils die für die afrikanische Westküste typischen Unwetterperioden umgangen werden konnten. Auch die Gefahr durch niederländische Schmuggler und Kaperfahrer stufte Düring als gering ein, da diese zu den genannten Zeitpunkten die westafrikanischen Küsten nicht befuhren. Er stellte ebenfalls fest, dass zwar der Unterhalt der Festung trotz der fehlenden regelmäßigen Schiffsverbindung gewährleistet, der Dienst in der Festung jedoch aufgrund dessen sehr eintönig war. Die Besatzung zählte im Jahr 1709 16 Soldaten. Die Ausrüstung bestand aus vier Booten, einer Schaluppe und zwei Kanus. Die Armierung bestand aus 28 Kanonen von 2 bis 18 Pfund Kaliber, einem großen und zwei kleinen Mörsern sowie 1000 Pfund Schießpulver. In der Siedlung nahe der Festung lebten etwa 300 Mauren mit ihren Familien968. Ähnliches hatte bereits Christian Düring sen. berichtet969. Da Düring ein insgesamt positives Bild von den Verhältnissen auf Arguin vermittelte, wurde er vom Bewindhaberkollegium der BAAC mit der Rückkehr nach Arguin und der Fortsetzung der Handelsbeziehungen beauftragt. Aufgrund der Korruption innerhalb der BAAC und des immer noch andauernden 965

GStA Rep. 65 Nr. 93, Blatt 315-317. Schück II, S. 512-519 Nr. 170. 967 Schramm, Josef: Die Westsahara, Freilassing 1969, S. 22ff. 968 Schück II, S. 512-519 Nr. 170. 969 GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 315-317. 966

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Spanischen Erbfolgekrieges wurden die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft immer schwieriger, so dass sie am 18. Mai 1711 schließlich aufgelöst wurde und das gesamte Inventar in den persönlichen Besitz Friedrichs I. überging970. Der König hatte jedoch nicht die Absicht, den Handel mit Afrika einzustellen, da er mit einem Aufschwung des Seehandels rechnete, sobald der Krieg vorbei wäre. Er hielt deshalb an seinen überseeischen Besitzungen fest und versuchte, den Kontakt mit ihnen aufrecht zu erhalten. Am 31. Juli 1711 erteilte er einer Gruppe von Kaufleuten aus Rotterdam ein Privileg, welches es ihnen gestattete, von 1711 an insgesamt 6 Jahre lang die Handelsstützpunkte in Guinea und Arguin anzulaufen und dort freien Handel zu treiben. Als Bedingung für dieses Privileg legte Friedrich fest, dass die Festungen auf Kosten der Rotterdamer Kaufleute unterhalten werden sollten. Als Bezahlung forderte Friedrich I. für jedes Schiff, welches sich auf der Rückreise befindet, vier Last Gummi auf eigene Rechnung971. Mit einem der ersten Schiffe kam auch der aus Den Haag stammende Jan Nicolaszoon de Both mit seiner Familie nach Arguin, um Jan Reers in seiner Funktion als Gouverneur abzulösen. Reers hatte insgesamt 24 Jahre, davon sieben Jahre als Kaufmann und siebzehn Jahre als Kommandant der Festung, auf Arguin gelebt und die brandenburgisch-preußische Herrschaft auf Arguin entscheidend geprägt 972 . Nach seiner Rückkehr nach Vlissingen legte er in einem Bericht an König Friedrich I. Rechenschaft über seine geleisteten Dienste auf Arguin ab und bat den König, ihm die noch ausstehenden Gelder auszubezahlen, die er aus eigener Kasse aufgebracht hatte, um den Sold der Soldaten bezahlen zu können 973 . Doch Reers hielt es nicht lange in seiner Heimat aus. Trotz der zahlreichen Entbehrungen, die er während des Spanischen Erbfolgekrieges auf Arguin verbracht hatte, kehrte er bereits Ende 1713 als Unterkaufmann in Diensten der Rotterdamer Kaufleute an die mauretanische Küste zurück. Doch zu einer Fortsetzung der guten Beziehungen zwischen den Brandenburgern und den Mauren sollte es nicht mehr kommen. Die Rotterdamer Kaufleute hatten sich in dem vom König verliehenen Oktroi verpflichtet, de Both zusammen mit dessen Familie und einigen Soldaten nach Arguin zu bringen, wo dieser Reers als Kommandant und Gouverneur auf Arguin ablösen sollte. Als Jan de Both im März 1712 auf Arguin eintraf und Reers im Kommando ablöste, wurden seine Vorstellungen vom Amt des Gouverneurs schnell von der Realität eingeholt974. Den Zustand der Festung und die allgemeinen Verhältnisse empfand er als trostlos und völlig unzureichend. Vor allem aber beschwerte er sich bei König Friedrich I. darüber, dass die Trarza auch mit englischen und niederländischen Schiffsführern

970

Schück II, S. 519. GStA Rep. 65 Nr. 98, Blatt 217. 972 GStA Rep. 65 Nr. 104, Blatt 93-95; Schück II, S. 553-555 Nr. 179. 973 Schück II, S. 554. 974 Schück I, S. 285. 971

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zum Nachteil der Brandenburger Handel trieben 975 . Als dann auch noch die versprochenen Versorgungsschiffe aus Rotterdam ausblieben, ließ de Booth jeglichen Gedanken von Loyalität gegenüber der preußischen Krone fallen und begann, auf der Festung ein Regime nach seinen Vorstellungen zu etablieren. Er besaß ein ausgeprägtes kaufmännisches Talent, was er dazu nutzte, zahlreiche Handelswaren zu seinem eigenen Vorteil zu verkaufen. Außerdem fing er an, die Besatzung der Garnison zu schikanieren. So zwang die Soldaten, unnützen Tand zu Wucherpreisen zu ersteigern. Er ließ sie tagsüber bei glühender Sonne ohne schützende Kleidung Wache schieben, was schwere Hautverbrennungen zur Folge hatte. Nach Sonnenuntergang pflegte de Both sich regelmäßig zu betrinken. An seinem Geburtstag und an den Geburtstagen seiner Frau und seiner Tochter ließ er großzügig Pulver und Kanonenkugeln verschießen. Darüber hinaus ließ er Teile der Festung schleifen, was die Verteidigungsfähigkeit des Kastells schwächte. Fortan bezeichneten die Soldaten die Festung als „Ruine“ und „Maulwurfshügel“. De Both verkaufte auch Waffen an die Mauren des Festlandes und ließ sich diese mit Gold bezahlen. Teile der Garnison ersetzte er durch Mauren, aber als er ihnen den versprochenen Sold schuldig blieb, drohten sie mehrmals, die Insel zu verlassen. Am 10. April 1713 meuterte der Großteil der Garnison gegen den verhassten Gouverneur. De Both konnte aber dank der Intervention des Unterkaufmanns Vermeulen seiner Absetzung entgehen. Den Meuterern versprach de Both eine Veränderung der Verhältnisse, worauf sie ihren Plan, ihn als Gouverneur abzusetzen, fallen ließen. Doch diesen Irrtum mussten sie teuer bezahlen. Aus Rache ließ de Both vier Garnisonsmitglieder foltern und anschließend aufhängen. Zwei weitere Meuterer, der Sergeant Abraham von Texel und der Schmied Hendrik Dierks, wurden auf einer kleinen unfruchtbaren Insel im Golf von Arguin ohne jegliche Vorräte ausgesetzt. Nach drei Monaten Isolation versuchten sie schließlich, die Insel auf einem notdürftig gezimmerten Floß zu verlassen. Während der Sergeant durch Entkräftung auf dem offenen Meer starb, erreichte Hendrik Dierks das Festland, wo er allerdings nur knapp der Gefangennahme durch die Mauren entging, da ihn Jan Reers, der Ende 1713 an die Küste von Arguin zurückgekehrt war, zufällig entdeckte976. Unterdessen wurden die Geschäftspraktiken von de Both immer willkürlicher. So verlangte er von der Gruppe Roterdamer Kaufleute, die von König Friedrich I. das Handelsprivileg auf Arguin bekommen hatten, dass sie seinem in Dortrecht lebenden Neffen im Voraus eine Handelsgebühr entrichten sollten, um Gummi und Salz auf Arguin einzuhandeln. Auch reichte ihm der Handel mit den privilegierten Kaufleuten nicht. Er trieb zusätzlich Handel mit jedem Schiff, das die Insel anlief. Die Rotterdamer Kaufleute sahen daraufhin ihr Handelsprivileg gefährdet und forderten in einer Petition, die an den preußischen Marinerat Johann Ramler gerichtet war, bei Friedrich I. die Ablösung de Both da sie unter den gegebenen Umständen weder willens noch fähig 975 976

GStA Rep. 65 Nr. 101, Blatt 223 und 226f. GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 184-189.

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wären, auf Arguin Handel zu treiben977. In einer von Jan Reers und anderen Besatzungsmitgliedern des Schiffes König von Preußen verfassten Beschwerdeschrift vom 1. August 1714 wird nicht nur der Konflikt zwischen de Both und der preußischen Krone, sondern auch sein zunehmender Größenwahn deutlich. De Both war im November 1713 beim Schmuggelhandel mit einem englischen Schiff überrascht worden. Der Steuermann Erasmus Müller schildert, dass de Both, der die deutsche Sprache nicht beherrschte, auf die Übersetzung eines an ihn gerichteten königlichen Briefes, worin seine mangelnde Loyalität beklagt wurde, abfällig reagierte978. Auch gegenüber den maurischen Fischern, die sich zum Handel auf das preußische Schiff begeben hatten, verhielt sich de Both sehr gewalttätig. Er ließ sie mit Waffengewalt vom Schiff holen und verprügelte sie anschließend selbst mit seinem Gehstock 979 . Im Juni 1714 ließ er ein englisches Handelsschiff kapern und die gesamte Besatzung hinrichten. Dem mittlerweile zum neuen preußischen König gekrönten Friedrich Wilhelm I. schickte de Both ein Verzeichnis über die erbeuteten Waren und lastete das Massaker an den englischen Seeleuten seinen eigenen Männern mit der Behauptung an, er wäre im Kampf mit ihnen niedergeschlagen worden und hätte aufgrund dessen diesen sinnlosen Akt der Gewalt nicht verhindern können980. Diese Amtsmissbräuche belegen, dass der korrupte de Both die preußische Festung in ein regelrechtes Piratennest verwandelt hatte, das vollständig unter seiner willkürlichen Herrschaft stand. Angehörige der Garnison, die ihm unliebsam waren, hatte er entweder töten oder repatriieren lassen. Diese Zustände blieben in Berlin jedoch nicht unbemerkt. In mehreren mahnenden Briefen forderte der preußische König de Both auf, auf der Insel wieder geordnete Verhältnisse herzustellen. Bemerkenswert ist, dass Friedrich Wilhelm zwar auf die gegen de Both erhobenen Vorwürfe eingeht, er aber mehr darüber verärgert war, dass er bei weitem nicht die erhofften Mengen an Gummi und anderen Waren erhalten hatte. Dabei war de Both bei wirklich allen verhasst, bei den Mauren wie bei den Europäern981. Er verstand es meisterhaft, Zwietracht zu säen, so dass an einen geregelten Handel nicht mehr zu denken war. Doch schließlich sollte de Both seiner eigenen Profitgier zum Opfer fallen. Am 15. November 1716 ließ der Emir von Trarza ihn gefangen nehmen, als er versuchte, Waffen an die Oulad Delim zu verkaufen982. Daraufhin blieb die Garnisonsbesatzung für etwa vier Wochen sich selbst überlassen. Am 24. Dezember 1716 erreichten wieder zwei Schiffe aus Rotterdam die Insel und setzten der langen Zeit des Leidens ein Ende. Der Kapitän des Schiffes König von Preußen, Jan Wynen Bastiaenz, bemühte sich, den angerichteten Schaden einigermaßen zu beheben und übernahm am 7. April 1717 das vakante Amt des

977

GStA Rep. 65 Nr. 105, Blatt 162-165. GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 139. 979 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 140. 980 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 136-137, Nr. 115 Blatt 150. 981 GStA Rep. 65 Nr. 108, Blatt 172, Nr. 112, Blatt 171-175. 982 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 184-189. 978

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Gouverneurs auf Arguin983. Emir Ali Chandurah hingegen wandte sich nun den Franzosen zu. Am 29. Juli 1717 schloss er mit André Brué einen Handels- und Schutzvertrag ab, der Frankreich das Monopol über den Gummihandel sicherte und den gesamten Küstenabschnitt zwischen Tanit und Portendick an die Franzosen abtrat984. Nachdem Friedrich Wilhelm I. die Reste der BAC an die WIC verkauft hatte, war die preußische Herrschaft auf Arguin jedoch noch nicht beendet, da die zunehmende Präsenz starker französischer Flottenverbände an der mauretanischen Küste die Übergabe von Arguin an die WIC verzögerten. Dies hatte zur Folge, dass Arguin ab Mitte des Jahres 1718 vollständig von der Versorgung abgeschnitten war. Inzwischen war es de Both nach sechs Monaten in maurischer Gefangenschaft gelungen, wieder in Freiheit zu kommen. Der Emir hatte ihn an die Franzosen in St. Louis ausgeliefert, wo er sich bereitwillig im Juli 1718 in deren Dienste stellte985. André Brué sah in de Both offenbar ein wertvolles Instrument, um sich Arguin zu bemächtigen. Kurz darauf versuchte er, den auf Arguin stationierten Sergeant Daniel Billon durch Bestechung dazu zu bringen, gegen Jan Wynen zu meutern 986 . Er hatte damit jedoch keinen Erfolg. Billon informierte seinen Kommandanten über den Plan, worauf dieser das Kastell in Verteidigungsbereitschaft setzen ließ987. Danach wurde das Ende der preußischen Herrschaft aufgrund der fortschreitenden Krise des französischen Handels am Senegal, die durch wiederholte Angriffe von Piraten auf St. Louis und Goree sowie Feinseligkeiten mit den Spaniern in der Karibik ausgelöst worden war, bis 1721 hinausgezögert. Zum Jahreswechsel 1720/1721 verließen fünf französische Kriegsschiffe den Hafen von Lorient in der Bretagne und segelten unter dem Kommando von Antoine Alexis Periér de Salvert nach Arguin. Periér De Salvert hatte nicht nur den Auftrag, die preußische Besatzung von Arguin zu verteiben, sondern er sollte auch die gesamte maurische Bevölkerung, die noch auf der Insel lebte, nach Französisch-Louisiana deportieren und stattdessen Bambra-Sklaven aus dem Gebiet des oberen Senegal-Niger auf Arguin ansiedeln. Die Franzosen hofften, dass fremde Siedler fernab ihrer Heimat den französischen Interessen weitaus dienlicher wären als die selbstbewussten Trarza988. Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Als die Franzosen am 26. Februar 1721 Arguin erreichten, hatte Jan Wynen kurz zuvor alle maurischen Frauen und Kinder sowie alle nicht wehrfähigen Männer auf eine kleine, nordöstlich von Tidra gelegene Insel namens Naire evakuiert, womit es ihm gelang, 300 Trarza vor der Versklavung durch die Franzosen zu retten 989 . Die preußische Besatzung auf Arguin war inzwischen auf vier Personen zusammengeschrumpft, dazu 983

GStA Rep. 65 Nr. 168, Blatt 1-4. Koltermann: Arguin, S. 25. 985 GStARep. 65 Nr. 115, Blatt 205-209 986 GStA Rep. 65 Nr. 168, Blatt 5-6. 987 GStA Rep. 65 Nr. 168, Blatt 7-8. 988 Koltermann: Arguin, S. 27. 989 GStA Rep. 65 Nr. 120, Blatt 88-90. 984

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standen Wynen noch 40 wehrfähige Trarza zur Verfügung, ohne die eine Aufnahme des Kampfes gegen die Franzosen unmöglich gewesen wäre. Die Landung auf der Insel stellte die Franzosen vor keine nennenswerte Probleme, da auch de Both an dem Unternehmen beteiligt war, indem er die französischen Schiffe dank seiner topographischen Kenntnisse durch die tückischen Sandbänke gelotst hatte. Die Einnahme der Festung gestaltete sich für Periér de Salvert jedoch schwieriger als erwartet. Jan Wynen und seine maurischen Verbündeten wehrten die französischen Angriffe fast zwei Wochen lang erfolgreich ab. Selbst als die Lage hoffnungslos erschien, verweigerte Wynen die Übergabe der Festung an die Franzosen. Am 8. März 1721 erkannte er jedoch, dass er gegen die französische Übermacht chancenlos war. Die Franzosen hatten inzwischen über 700 Mann und neun schwere Geschütze auf der Insel abgesetzt. Die Geschütze hatten die Festung sturmreif geschossen und im Kastell war die Munition ausgegangen. In der Nacht vom 9. auf den 10. März verließ Jan Wynen mit der restlichen Besatzung Arguin und schlugen sich in einem Boot bis zur Insel Naire durch990. An Verlusten waren ein Toter und fünf Verwundete zu beklagen. Zwei Mauren wurden zurückgelassen, da sie nicht mehr transportfähig waren. Ende Mai traf Wynen auf Reers, der inzwischen in Diensten der WIC stand. Reers informierte Wynen darüber, dass sich Ali Chandurah inzwischen mit der WIC verbündet hatte, um eine drohende Abhängigkeit vom französischen Handel abzuwenden. Reers versuchte, mit deren Hilfe und mit dem Einverständnis des Emirs, in der Nähe von Portendick einen befestigten Stützpunkt zu errichten. Periér de Salverts Flotte hatte währenddessen Arguin wieder verlassen, um die Verfolgung der geflüchteten Preußen aufzunehmen. Am 8. Juni traf ein französisches Kriegsschiff südlich von Portendick auf die Galiot, auf der sich Reers und Wynen befanden und kaperte das Schiff, worauf Wynen und Reers in französische Gefangenschaft gerieten und Anfang September 1721 nach Port Louis verbracht wurden 991. Die Feindseligkeiten zwischen den Franzosen und der WIC wegen der Besitzverhältnisse um Arguin setzten sich noch bis 1727 fort. Am 11. Januar 1722 besetzte die WIC unter dem Kommando von Jan Reers Arguin erneut. Zwei Jahre später erschien Periér de Salvert am 20. Februar 1724 mit einer Flotte von neun Schiffen wieder vor Arguin und zwang Reers zur endgültigen Kapitulation und zur Übergabe der Festung. Als am 1. März 1724 auch die Festung von Portendick von Periér de Salvert erobert wurde, hatte Frankreich sein Handelsmonopol de facto durchgesetzt992. Der am 13. Januar 1727 zwischen Frankreich und den Niederlanden geschlossene Vertrag von Den Haag setzte den Auseinandersetzungen um den Gummihandel endgültig ein Ende. Die Niederlande akzeptierten die französischen Hoheitsrechte an der mauretanischen Küste und erhielten für die Abtretung ihrer

990

Schück II, S. 577f Nr. 190. Schück II, S. 579f Nr. 191. 992 Labat: Nouvelle Relation I, S. 232; Monod: L´Ile d´Arguin, S. 127ff. 991

216

Rechte auf Arguin und Portendick eine Entschädigung von 30.000 Gulden. Im April 1728 wurde die Insel schließlich aufgegeben und die Festung gesprengt993.

4.3. Brandenburg-Preußen in der Karibik

4.3.1. St. Thomas

Am 27. Januar 1681 meldete der ehemalige britische Freibeuter und zu diesem Zeitpunkt auf Jamaika amtierende Vizegouverneur Sir Henry Morgan nach London, dass vier kleine Fregatten, die unter dem Kommando eines gewissen Cornelius Reers stehen würden, in Port Royal eingelaufen waren und Kaperbriefe vorgelegt hätten, welche der Kurfürst von Brandenburg ausgestellt hatte und die brandenburgischen Schiffe dazu ermächtigen würden, Jagd auf spanische Schiffe zu machen 994. Damit beschrieb er, wahrscheinlich ohne es zu ahnen, das erste Auftauchen der brandenburgischen Flagge in karibischen Gewässern. Henry Morgan gestattete Reers, Wasser und Proviant für die Fortsetzung seiner Mission aufzunehmen sowie den Verkauf von zwei bereits zuvor aufgebrachten spanischen Prisen. Zu weiteren Handelsaktivitäten ist es jedoch nicht gekommen. Die kleine brandenburgische Flotte hielt sich insgesamt vier Monate in der Karibik auf, um Jagd auf spanische Schiffe zu machen, wobei noch ein weiteres spanisches Schiff aufgebracht werden konnte und kehrte Anfang Mai 1681 wieder nach Pillau zurück. Parallel zu den Kaperflotten hatte Benjamin Raule auch zwei Schiffe nach Afrika geschickt, die Instruktionen der Kapitäne der Morian und der Wappen von Brandenburg sah eine Beteiligung am Sklavenhandel zwischen Afrika und der Karibik vor995. Während die Wappen von Brandenburg von der WIC aufgebracht wurde, absolvierte die Morian die Dreiecksroute, ohne jedoch nennenswerten Gewinn abzuwerfen. Auch die Ausrüstung einer weiteren Expedition Ende 1681 sollte ursprünglich dem Sklavenhandel dienen. Um einen weiteren finanziellen Fehlschlag zu vermeiden, versuchte Raule zusammen mit den beiden aus Amsterdam und Vlissingen stammenden Kaufleuten Jan Pedy und Gillis Royaert den Verkauf der Sklaven über über französische oder spanische Lizenzen abzuwickeln, jedoch ohne Erfolg. Die Schiffe Fortuna und Brandenburgischer Dragoner konnten erst auslaufen, nachdem Raule gegenüber der WIC klargestellt hatte, dass es sich um ein brandenburgisches Unternehmen handelte und die Schiffe keine Interloper waren. Diesmal beschränkten sie sich auf den Handel an der afrikanischen Westküste. Auch die Expedition der Fregatten Kurprinz und Morian unter dem

993

Koltermann: Arguin, S. 29. Cal-Col. XI, S. 5f Nr. 13. 995 Schück II, S. 95f Nr. 46. 994

217

Kommando von Otto Friedrich von der Gröben, die zur Gründung von Großfriedrichsburg führte, war als Sklavenhandelsfahrt geplant gewesen. Diese Expedition verlief zwar erfolgreich, aber Raule und seine niederländischen Geschäftspartner erkannten deutlich, dass für den erfolgreichen Handel mit Sklaven ein eigener Stützpunkt in Westindien fehlte. Diese Notwendigkeit erwähnte Raule bereits im August 1681 in einem Schreiben an den Kurfürsten996. Raule stellte in Aussicht, dass es mit einem eigenen Stützpunkt in der Karibik gelingen könnte, einen wesentlichen Teil des Sklavenhandels der WIC zu übernehmen. Dazu sollte der Kurfürst sich beim dänischen König dazu verwenden, die in dänischem Besitz stehende Insel St. Thomas entweder zu kaufen oder zu pachten. St. Thomas war im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts von besonderem Wert. Die Insel lag im Gegensatz zu den niederländischen Antillen näher an den Gebieten mit dem größten Bedarf an Sklaven. Dies waren die britischen Zuckerkolonien Antigua, St. Christopher, Nevis Montserrat sowie in direkter Nachbarschaft von St. John, deren Zuckerproduktion gerade zu expandieren begann. Der zentrale Anlaufhafen der RAC war Jamestown auf Barbados. Die anderen Inseln auf den Antillen, die unter britischer Kontrolle standen, litten aufgrund ihrer Entfernung zu den karibischen Sklavenmärkten an einem beständigen Mangel an schwarzen Arbeitskräften. Sie waren daher gezwungen, entweder die Größe der Plantagen so zu begrenzen, dass sie mit wenigen Arbeitskräften auskommen konnten oder auf das wenig profitable System der „indentured labour“ zurückzugreifen. Mehrere Versuche, Antigua als Anlaufpunkt für englische Sklavenschiffe zu etablieren, scheiterten am Widerstand der mächtigen Barbados-Lobby in London, da sie Konkurrenz im Zuckerhandel und sinkende Preise in Großbritannien fürchtete. Die Versorgung dieser Region mit Sklaven versprach also ein ordentliches Gewinnpotential. Zudem lagen die niederländischen Antillen, zu denen die Schiffe der WIC ihre Sklavenladungen brachten, weitab in der südlichen Karibik. Allein St. Eustachius und St. Martin lagen in einer besseren Position. Allerdings litten beide noch unter den Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England. Gegen St. Thomas sprach jedoch, dass der dortige Handel durch Piraten und Freibeuter gefährdet war und allgemein als Piratennest galt, worauf Raule den Kurfürsten ebenfalls aufmerksam machte997. Im März 1684 vereinbarte Raule als Vertreter des Kurfürsten und der Berliner Partizipanten mit Freiherrn von Knyphausen als Vertreter der ostfriesischen Patizipanten der BAC, in Dänemark Verhandlungen wegen der Insel St. Thomas aufzunehmen. Die Verhandlungsbasis war, einige Logen und Negereien gegen die Abgabe von zwei Sklaven von einhundert auf der Insel errichten zu dürfen. Damit waren die ostfriesischen Partizipanten jedoch nicht uneingeschränkt einverstanden 998.

996

GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 230. GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 111. 998 Schück I, S. 193. 997

218

Sie hielten es für keine gute Idee, sich auf St. Thomas festzusetzen, weil sie dadurch eine Zersplitterung der ohnehin knappen Geldmittel befürchteten und dass bereits alle Kräfte zur Hebung des Handels in Afrika aufgewendet werden mussten. Sie rieten auch deshalb ab, weil auf St. Thomas nur ein kleiner Teil der Insel von den Dänen kultiviert worden war. Auf dessen Abtretung sollte man besser nicht hoffen, weil die Kultivierung eines eigenen Platzes mindestens drei Jahre in Anspruch nahm. Schließlich machten sie noch geltend, dass in der Karibik allerorten Kaperschiffe drohten. Friedrich Wilhelm hatte inzwischen die Notwendigkeit eines eigenen Handelsplatzes in der Karibik für den erfolgreichen Sklavenhandel klar erkannt und seinen Gesandten von Brandt in Kopenhagen angewiesen, beim dänischen Hof eine entsprechende Anfrage einzureichen, wobei er tatsächlich auf Interesse stieß. Der Grund dafür war, dass sich der dänische Afrika- und Westindienhandel gerade

in einer schwerem Krise befand.

Dänemark war über die

Handelsaktivitäten der BAC gut informiert und der König erhoffte sich durch das Interesse der BAC an St. Thomas eine spürbare Belebung desselben. Die Verhandlungen darüber gingen unter von Brandts Leitung jedoch nur langsam voran. Deshalb erhielt Raule im September 1685 vom Kurfürsten den Auftrag, selbst nach Kopenhagen zu reisen und die Verhandlungen voranzutreiben. Raule war davon allerdings wenig begeistert, da er sich für die direkte Verhandlung mit dem dänischen König als wenig geeignet empfand999. Um seinem Generaldirektor der Marine die Mission zu erleichtern, ließ der Kurfürst mehrere Empfehlungsschreiben an den dänischen Hof ausfertigen und wies von Brandt zusätzlich an, Raule jede nur mögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Raules Verhandlungspartner auf dänischer Seite waren als Vertreter von Christian V. der Großkanzler Fredrick Graf Alefeld, der Graf Güldenlöve, die königlichen Räte Baron Biermann und Baron Reventlow sowie der KommerzienDirektor Gyldensparre und der Admiral Niels Juel von der dänischen Westindien-Kompanie. Obwohl Raule sich den diplomatischen Verhandlungen nicht gewachsen fühlte, wurde sein sachkundiges Wissen auf dänischer Seite wohl geschätzt. Im Vorfeld hatte Juel die Verhandlungen jedoch zu hintertreiben versucht und damit dem Kurfürsten unbeabsichtigt in die Hände gespielt, da Juel bei allen beteiligten Ministern ziemlich unbeliebt war. Nach der Ansicht von Brandts ging es Juel offenbar darum, die bereits am Boden liegende dänische Kompanie komplett in den Ruin zu führen. Am 13. Oktober 1685 wurde Raule von Christian V. in Schleswig empfangen. Er gab Raule zu verstehen, dass es ihm am liebsten wäre, dass die Dänische Westindien-Kompanie und die BAC miteinander vereinigt würden 1000 . Auf dieser Grundlage bewegte sich die Konferenz, die Raule einige Tage darauf mit dem dänischen Staatsrat Güldensparr hatte. Beide Handelskompanien sollten ihre afrikanischen und westindischen Stützpunkte in die neue gemeinsame Kompanie einbringen 999

Schück I, S. 193. Westergaard: Danish West Indies, S. 76f.

1000

219

und durch eine Einlage von je 150.000 Reichstaler die Kapitalbasis verstärken. Kopenhagen und Emden sollten Hauptkontore in Europa und die dänische Faktorei Cabo Corso bzw. Cape Coast Castle sollten Hauptkontor in Afrika werden. Alle Schiffe sollten unter dem Danebrog segeln. Die politische Leitung sollte bei den Dänen und die kaufmännische Leitung bei den Brandenburgern liegen1001. Raule befürwortete diesen Vorschlag, da auf diese Weise mit einem Aufschwung des Schiffbaus in Brandenburg zu rechnen und die brandenburgische Schiffskapazität besser zu nutzen wäre. Dazu sollte die Kapitalbasis und damit das finanzielle Risiko geteilt und vor allem die politische Basis und die Anerkennung des brandenburgischen Überseehandels verbessert werden. Damit bewies Raule eine für die damalige Zeit bemerkenswerte wirtschaftspolitische Weitsicht. Er ging davon aus,

dass

ein

gemeinsamer dänisch-brandenburgischer

Sklavenhandel

den

Niederländern gegenüber deutlich konkurrenzfähiger und unter dänischer Flagge besser vor niederländischen Übergriffen geschützt wäre. Den beständigen Vorwürfen der WIC, die unter brandenburgischer Flagge fahrenden Schiffe wären aufgrund ihrer überwiegend niederländischen Mannschaften und Kapitalgeber in Wahrheit niederländische Interloper, wären somit die Grundlage entzogen worden. Die Vereinigung der beiden Kompanien hätte auch beiden Nationen genutzt, da jeweils die eine das einbrachte, was der anderen fehlte. So besaß Brandenburg-Preußen die besseren Stützpunkte in Afrika, denn Cape Coast Castle war zunächst 1663 zunächst von den Schweden, 1665 dann von den Engländern erobert worden, womit Dänemark de facto keinen Handelsstützpunkt mehr in Westafrika besaß 1002 . Des weiteren waren die brandenburgischen Handelsfahrten besser organisiert. Die Dänen hingegen besaßen den für den Sklavenhandel so dringend benötigten Stützpunkt in der Karibik und ihre Flagge war im Überseehandel allgemein anerkannt. Beiden gemein war der enorme Kapitalmangel und das Ausbleiben von Dividenden, da die erwirtschafteten Gewinne vollständig reinvestiert werden mussten. Auf Wunsch des dänischen Königs wurden die Verhandlungen in Kopenhagen weitergeführt. Dort war man aber an einem Verkauf bzw. einer Verpachtung von St. Thomas an die BAC nicht interessiert, auch die Zulassung der BAC zum Handel auf St. Thomas stieß auf wenig Gegenliebe, weshalb sich Raule umso engagierter beim Kurfürsten für die Zusammenlegung der beiden Kompanien stark machte. Friedrich Wilhelm lehnte die Zusammenlegung der Kompanien jedoch ab und Raule wurde angewiesen, mit den Dänen einen Vertrag zur Errichtung eines Stützpunktes und über eine Handelskonzession auszuhandeln1003. Am 24. November 1685 brachte Raule die Verhandlungen zum Abschluss, nachdem er zuvor 1001

Schück I, S. 194. Dantzig, Albert: Forts and Castles of Ghana, Accra 1980, S. 35; Lawrence, Arnold Walter: Trade Castles and Forts of West Africa, London 1963, S. 183ff. 1003 Schück I, S. 196. 1002

220

noch bestehende Einwände auf dänischer Seite durch Bestechung beseitigt hatte. Der Vertrag wurde von Friedrich Wilhelm am 19. Dezember 1685 und von Christian V. am 5. Januar 1686 ratifiziert 1004 . Damit hatte Brandenburg-Preußen auf St. Thomas das Recht, auf dreißig Jahre, gerechnet ab dem ersten Eintreffen eines brandenburgischen Schiffes, eine Niederlassung zu unterhalten. Der BAC wurde ein Gebiet zugewiesen, um eine Plantage mit zweihundert Sklaven anlegen zu können. Der Schiffsverkehr der Brandenburger sollte über den Hafen von Christiansfort abgewickelt werden, außer der dänische Gouverneur gewährte hiervon eine Ausnahme. Ab dem dritten Jahr war eine Grundsteuer von fünf Pfund Tabak für je zehn Quadratfuß fällig. Von allen nach St. Thomas ein- oder ausgeführten Waren sollte die BAC eine Zollgebühr in Höhe von fünf Prozent an die Dänen entrichten. In Dänemark und Norwegen hergestellte Güter waren von dieser Abgaberegelung ausgenommen. Von allen eingeführten Sklaven sollte der Gegenwert von einem von Hundert Eigentum der dänischen Kompanie, bei der Ausfuhr der Gegenwert von zwei von Hundert an die Dänen abgeführt werden. Der Export von Farb- und Dufthölzern sowie von Kakao wurde der BAC untersagt. Rechtsstreitigkeiten sollten von einem paritätisch zu besetzenden Gericht geschlichtet werden. Für überzählige Sklaven der BAC hatten dänische Plantagenbesitzer ein Vorkaufsrecht. Der Verkauf von Sklaven durch andere Nationen auf St. Thomas war untersagt und der BAC war gestattet, Sklaven an alle anderen Nationen zu verkaufen. Jedem mit einem brandenburgischen Seepass ausgestatteten Schiff war es erlaubt, St. Thomas anzulaufen. Die Souveränität der brandenburgischen Besitzungen lag ausschließlich beim dänischen König. In einer zusätzlichen Deklaration wurden einig Artikel des Vertrags entweder präzisiert oder aufgehoben 1005. Die BAC war danach nicht mehr verpflichtet, eine eigene Plantage anzulegen und das Recht, die Seepässe auszustellen, lag nicht mehr allen beim dänischen König sondern auch beim Kurfürsten und seinen Beauftragten. Dazu wurden alle im Hauptvertrag festgelegten Handelsbeschränkungen aufgehoben. Unmittelbar nach dem Abschluss des Vertrags nahm die BAC den Handelsverkehr nach St. Thomas auf. Am 6. Mai 1686 verließen zwei Schiffe, die Fleute Derfflinger und die Schnau Falke, den Hafen von Pillau, um in Emden für die Fahrt in die Karibik ausgerüstet zu werden 1006. Von dort aus segelten sie als Teil eines Konvois, der sich aus insgesamt acht Schiffen zusammensetzte, nach Großfriedrichsburg. Von diesen acht Schiffen waren vier weitere für den Handel in Amerika bestimmt und verfügten über dänische Seepässe, die in Kopenhagen mit dem Ziel St. Thomas ausgestellt worden waren1007. Bis zum Mai 1687 brachten die beiden Schiffe 280 Sklaven nach St.

1004

Schück II, S. 257-267 Nr. 103 und S. 278ff Nr. 109. Schück II, S. 293ff Nr. 116. 1006 Schück II, S. 286-291 Nr. 113. 1007 Kellenbenz, Hermann: Die Brandenburger auf St. Thomas, in: JGSWGL 2, Köln/Graz 1965, S. 196-217, hier: S. 198. 1005

221

Thomas 1008 . Kurz zuvor hatte Raule eine Absprache über Pedro van Belle als Mittelsmann in Rotterdam mit den Spaniern über die Lieferung von 400-450 Sklaven getroffen1009. Die Sklaven sollten nach St. Thomas gebracht und dort von den Spaniern gegen Barzahlung abgeholt werden. Neben den Sklaven brachte die Derfflinger auch den ersten Kommerziendirektor der BAC, Jean Delaporte und das für den Aufbau des Handelsstützpunktes notwendige Baumaterial nach St. Thomas. Gemäß der Ausrüstungsliste von Derfflinger und Falke hatten die Schiffe alles an Bord, was zum Aufbau der Behausungen, Logen und Gärten notwendig war. Hinzu kam überzähliger Schiffsproviant und 30.000 Steine, welche auf Delaportes Rechnung an Bord genommen wurden. Die BAC errichtete auf St. Thomas ein steinernes Warenhaus, worin sämtliche Handelsgüter so lange eingelagert wurden, bis sie von einem Schiff nach Europa transportiert werden konnten. Wie bei den Stützpunkten in Westafrika musste die BAC alles, was zum Bau und Unterhalt einer Loge benötigt wurde, aus Europa heranschaffen. Dazu gehörte das gesamte Baumaterial, eine Kücheneinrichtung, Werkzeuge für die Landwirtschaft sowie eine Schmiedewerkstatt. Angelegte Gärten sollten zum Anbau der zur Verpflegung der Sklaven benötigten Lebensmittel dienen. Neben diverser Handelswaren aus Amsterdam und Berlin beinhaltete die Fracht auch ein Posten von 116 Ballen schlesischer Leinwand, die in Frankfurt eingekauft worden waren und wahrscheinlich für den Tauschhandel in Westafrika bestimmt waren. Zu den Passagieren auf dieser Reise gehörte neben Jean Delaporte auch der aus Amsterdam stammende Henrik Scholten, der als Delaportes Stellvertreter und als Buchhalter der BAC fungieren sollte. Scholten war auch gemeinsam mit Delaporte für die Ausrüstung der beiden Schiffe verantwortlich. Für die Bewirtschaftung der Gärten und der in dem Vertrag mit den Dänen geplanten Plantage hatte Raule siebzehn französische Pflanzer angeworben. Ihre Passage wurde komplett von der BAC finanziert, indem sie, ähnlich wie die für die afrikanischen Stützpunkte angeworbenen Handwerker, ein Handgeld und einen Meisterlohn erhielten. Damit waren sie weder „indentured servants“ noch freie Siedler, sondern Bedienstete der BAC. Weitere Bedienstete waren der Kaufmann Jan van Kampen, dessen Aufgabe darin bestand, den Handel mit den Spaniern abzuwickeln und ein niederländischer Arzt, der dafür verantwortlich war, die medizinische Versorgung sowohl der Sklaven als auch der Europäer zu gewährleisten. Die Kosten der Ausrüstung beliefen sich auf insgesamt 19.963 Reichstaler. Davon wurden zwei Drittel von Raule getragen, der Rest stammte aus dem Verkaufserlös einer Ladung Sklaven und der Ausgabe neuer Aktien1010. Derfflinger und Falke erreichten St. Thomas Ende November 1686 nach dreimonatiger Passage auf der Dreiecksroute. Anfang 1687 wurde die Falke mit den aus der Sklavenladung 1008

Brübach, Nils: Brandenburg-Preußen im transatlantischen Sklavenhandel 1685-1715, Erlangen/Nürnberg 1988, S. 177 und S. 231. 1009 Schück II, S. 299-309 Nr. 118. 1010 Schück II, S. 286-291 Nr. 113

222

erlösten Waren nach Emden geschickt. Die Rückfracht bestand vornehmlich aus 64.581 Pfund Zucker, 7.255 Pfund Baumwolle, 1.430 Pfund Kakao, 1.024 Pfund Tabak, 55 Pfund Konfitüren (Melasse), sowie 21 Pfund Schildpatt, 20 Pfund Bastard-Zimt, 566 Stück Guajakholz und 220 Tonnen anderer Hölzer1011. Der Erlös aus dieser Rückfracht hat wahrscheinlich maßgeblich zu dem in 1687 erwirtschafteten Überschuss der BAC beigetragen. Allein der Wert des Zuckers betrug in Westindien 1.266 Reichstaler, der Verkaufswert in Europa lag bei 11.800 Reichstalern und der Wert des Tabaks und des Kakaos zusammen bei 3.000 Reichstalern1012. Allerdings begannen bereits bei der Abwicklung dieser Rückfracht die Probleme mit den Dänen, da auf beiden Seiten einige Punkte des Vertrags unterschiedlich ausgelegt wurden. Delaporte behauptete gegenüber dem dänischen Gouverneur Christoph Heins, dass die BAC nicht verpflichtet wäre, zur Bestimmung der Ein- und Ausfuhrzölle auf alle Güter die Waage der DVIGK zu nutzen, da die Zölle nicht auf St. Thomas, sondern in Europa entrichtet werden mussten und die beiden Kompanien jährlich abrechnen würden. Gouverneur Heins befürchtete dagegen, dass die BAC die DIVGK auf diese Weise über den tatsächlichen Umfang ihres Handels täuschen konnten und bestand deshalb auf eine Abrechnung auf St. Thomas, dem sich die BAC dann auch beugte1013. Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, ob der Vertrag von 1685 die BAC dazu verpflichtet hätte, eine Plantage anzulegen. Die Dänen hatten offenbar angenommen, dass die brandenburgischen Siedler Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak oder andere tropische „cash crops“ anbauen würden. Delaporte hatte gleich nach seiner Ankunft auf der Insel ein Gebiet von 10.000 Quadratfuß abstecken lassen. Dieses sollte jedoch für den Anbau von Nahrungsmitteln für die Sklaven genutzt werden

1014

. Hier offenbarte sich ein ernsthafter

Ineressenkonflikt zwischen der BAC und der DIVGK. Die Dänen erwarteten, dass die BAC Hilfe bei der Kultivierung und der Sicherung der Insel Hilfestellung leisteten, während die BAC vor allem ungestört Handel treiben wollten. Im August 1688 brach Delaporte nach Europa auf, um das Bewindhaberkollegium in Emden über die ersten Erfolge und über die Missstimmungen mit dem dänischen Gouverneur zu berichten. Dazu nutzte er entweder die Prinz Ludwig oder die Friede die entweder Ende 1687 oder Anfang 1688 Ladungen von 80 bzw. 320 Sklaven nach St. Thomas gebracht hatten 1015 . Im gleichen Zeitraum brachten die BAC-Schiffe Friedrich Wilhelm und Seemöwe zusammen 380 Sklaven nach St. Eustachius. Insgesamt waren im genannten Zeitraum acht brandenburgische Schiffe auf der Dreiecksroute unterwegs. Ein Schiff, die Braunfisch, ging durch eine Sklavenrevolte an Bord verloren 1016. Inzwischen waren von der BAC auch zwei kleinere 1011

Kellenbenz: Brandenburger auf St. Thomas, S. 198; Westergaard: Danish West Indies, S. 79. Mintz: Die süße Macht, S. 93 und S. 192; MacCusker, John: Money and Exchange in Europe and America, 16001775, London 1978, S. 9; Dunn, Richard S.: Sugar and Slaves, London 1973, S. 168ff und S. 205. 1013 Brübach: Brandenburg-Preußen im transatlantischen Sklavenhandel, S. 181. 1014 Schück II, S. 299-309 Nr. 118. 1015 Weindl, Andrea: Die Kurbrandenburger im „atlantischen System“ 1650-1720, Köln 2001, S. 79; TSTD2 Nr. 21913. 1016 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 62f; Weindl: Kurbrandenburger, S. 79. 1012

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Schiffe auf St. Thomas stationiert worden, um den Handel bzw. Transport der Sklaven zwischen den Inseln abzuwickeln. Für die Pflanzer brachte dieser rege Schiffsverkehr große Vorteile, da sie nun einigermaßen sicher sein konnten, dass sie ihre Erzeugnisse auch absetzen, durch den Tausch Sklaven einkaufen und so ihre Plantagen besser ausnutzen und damit die Produktivität erhöhen konnten. Zudem lieferte die BAC Sklaven auch gegen die Ausstellung von Schuldscheinen. So konnten auch Pflanzer davon profitieren, die nicht über tropische Erzeugnisse oder Bargeld verfügten. Da weder für die BAC beim Verkauf der Sklaven noch für die Pflanzer beim Verkauf ihrer Erzeugnisse eine Preiskonkurrenz bestand und die Transporte ausschließlich von Schiffen der BAC abgewickelt wurde, konnten alle Beteiligten trotz der Abgaben an die Dänen einen guten Erlös erzielen. Zudem war die BAC bei den Pflanzern als Partner sehr willkommen, da sie auch die Versorgung mit Waren aus Europa sicherstellte. Obwohl die Dänen auch Abnehmer für tropische Produkte waren und sie einlagerten, konnten sie diese weder abtransportieren noch die Versorgung mit afrikanischen Sklaven und europäischen Fertigwaren sicherstellen. Als St. Thomas Opfer eines Überfalls von französischen Piraten wurde, bei dem die gesamten Lagerbestände sowohl der Dänen wie auch der BAC geraubt wurden, stellte sich die Frage, ob die DVIGK überhaupt für die Sicherheit der Insel sorgen konnte1017. Im September 1688 äußerte Gouverneur Heins deshalb die Befürchtung, dass die Pflanzer im Falle eines Konflikts zwischen der dänischen Krone und der BAC sich eher auf die Seite der Brandenburger schlagen würden und so die Dänen von der Insel vertreiben könnten1018. Kurz nach dem Tod Friedrich Wilhelms kam es innerhalb der BAC zu Spannungen zwischen Friedrich III. und Raule wegen dessen Buchführung. Darauf wurde die weitere Ausrüstung von Schiffen zunächst gestoppt. Zugleich beschwerte sich Friedrich III. beim dänischen König über das Verhalten von Gouverneur Heins. Dieser hatte nicht nur wiederholt versucht, die BAC auf St. Thomas zur Anlage einer Plante zu drängen, sondern den dänischen Pflanzern auch untersagt, ihre Schulden bei der BAC zu begleichen, so lange die BAC seinen Forderungen nicht nachgab. Der brandenburgische Gesandte in Kopenhagen gab als Grund für dieses Vorgehen an, dass die BAC den Handel auf St. Thomas gänzlich übernommen hätte und der dänische Gouverneur sich auf diese Weise schadlos halten wollte1019. König Christian V. versprach, die Gründe für die Beschwerden zu beseitigen. Ende des Jahres 1688 kehrte Delaporte zusammen mit 291 Sklaven an Bord der Fleute Derfflinger nach St. Thomas zurück1020. Bis zum Tod von Gouverneur Heins im Oktober 1689 gab es dann auch keine nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen der BAC und den Dänen. Der Anlass waren zwei von Raule auf eigene Rechnung ausgerüstete Schiffe, die Fuchs und die 1017

Koltermann: St. Thomas, S. 15. Westergaard: Danish West Indies, S. 80. 1019 Schück I, S. 231. 1020 TSTD2 Nr. 35130; Weindl: Kurbrandenburger, S. 79; Westergaard: Danish West Indies, S. 320. 1018

224

Rummelpott, die vertragswidrig den Hafen von St. Thomas als Operationsbasis nutzen wollten, um als Kaperfahrer Jagd auf französische Schiffe zu machen. Brandenburg befand sich zu dieser Zeit auf Seite der Augsburger Liga gegen Frankreich im Krieg. Dänemark blieb in diesem Konflikt jedoch neutral, deshalb war eine der ersten Amtshandlungen des durch den dänischen Inselrat mit der Amtsführung betrauten Vize-Gouverneurs Johann Lorentz, den beiden Schiffen die weitere Benutzung des Hafens zu untersagen 1021. Ebenso vertragswidrig war aber auch das am 7. November 1689 von Lorentz erlassene Mandat, den dänischen Pflanzern den Kauf von brandenburgischen Waren sowie erneut die Rückzahlung ausstehender Schulden an die BAC zu untersagen. Hier ging Lorentz zum ersten mal über Repressionen, die ihre Ursache in einer konträren Auslegung des Nutzungsvertrags hatte, hinaus und betrieb fortan eine aggressive Politik gegenüber der BAC. Er sah in ihr keinen Helfer, die zum Fortbestand der dänischen Kolonie beitrug, sondern einen direkten Konkurrenten, weshalb er sich zum Ziel gesetzt hatte, den brandenburgische Handel auf St. Thomas zu hintertreiben, wo immer sich ihm eine Möglichkeit dazu bot. Im Jahr 1690 erhielt Lorentz von Thormölen, der St. Thomas kurz zuvor von der DIVGK gepachtet hatte, den Auftrag, sich mit der BAC in der Frage der anzulegenden Plantage zu einigen und von ihr die vertragsgemäßen Pachtgelder für die von ihr genutzten Ländereien einzufordern. In Thormölens Vertrag mit der DIVGK war dafür eine Summe von 3.000 Reichstaler vorgesehen, Lorentz forderte von der BAC jedoch 20.000 Reichstaler und war dazu fest entschlossen, diese weit überhöhte Forderung auch durchzusetzen1022. Am 13. Oktober ließ der Gouverneur im Inselrat in dem auch zwei Niederländer, ein Kapitän Delicaet und ein gewisser Laurenz Westerbaen, vertreten waren, die Forderung gegenüber der BAC zur Sprache bringen1023. Delicaet wandte darauf ein, dass Lorentz hier eine schwierige Aufgabe zu erfüllen hätte und dies nicht im Auftrag einfacher Leute, sondern auf Geheiß von Fürsten und Prinzen. Dies lässt darauf schließen, dass Lorentz nach einem Plan vorging, der auf höherer Ebene beschlossen worden war. Er wollte nun herausfinden, wie weit seine Position im Falle eines Aufstands gefestigt war. Lorentz konnte dabei mit der Unterstützung sowohl von den beiden Niederländern als auch den Pflanzern rechnen, die Schuldner bei der BAC waren und darauf hofften, so von ihren Schulden befreit zu werden. Bemerkenswert dabei ist, dass die Geschehnisse auf St. Thomas in den gleichen Zeitraum fielen, in dem die BAC in Westafrika zwei ihrer Stützpunkte an die WIC verlor und Raules Reputation am kurfürstlichen Hof durch Intrigen einiger Höflinge erheblichen Schaden nahm. Offenbar hatte sich Lorentz von den Niederländern in die Pflicht nehmen lassen, der BAC größtmöglichen Schaden zuzufügen, da man

1021

Westergaard: Danish West Indies, S. 81 Westergaard: Danish West Indies, S. 82. 1023 Westergaard: Danish West Indies, S. 83ff. 1022

225

in Kopenhagen über das Geschehen informiert war1024. Am 25. November ließ Lorentz durch zwei loyale Ratsmitglieder Delaporte eine Rechnung über 20.000 Reichstaler ausstellen. Delaporte lehnte die Zahlung als nicht begründet ab. Er wurde aber durch ein Erkenntnis des dänischen Gerichts zur Zahlung der Summe binnen drei Tagen bei Vermeidung der Exekution verurteilt, nachdem er sowohl mündlich als auch schriftlich fristgerecht beim Inselrat Einspruch erhoben hatte, ohne jedoch die Rechtmäßigkeit des Pachtzinses von 3.000 Reichstalern in Frage zu stellen. Delaporte versuchte, Lorentz zum Einlenken zu bewegen und wies darauf hin, dass die BAC vorrangig den Handel mit Afrika und Europa abwickeln würden und dass eine friedliche Kooperation beiden Seiten mehr nützen würde. Lorentz ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Als bekannt wurde, dass binnen drei Tagen drei brandenburgische Schiffe auf St. Thomas eintreffen würden, beschloss Lorentz, seine Forderung mit Gewalt durchzusetzen, obwohl er wusste, dass die BAC auf ihren Schiffen immer Seesoldaten an Bord hatte und die noch im Aufbau befindliche Festung einem brandenburgische Angriff nicht standhalten würde. Am 12. Dezember ließ er durch den dänischen Kompanieschmied die Tore der brandenburgischen Magazine aufbrechen und beschlagnahmte Zucker und Baumwolle im Wert von 24.652 Reichstaler. Der dabei entstandene Schaden wurde sogar noch größer, da die brandenburgischen Schiffe ohne Ladung nach Europa zurückfahren mussten. Delaporte musste dem tatenlos zusehen, da er nicht über die nötigen militärischen Mittel verfügte, um Lorentz Einhalt zu gebieten. Die fünf Schiffe, die im Spätsommer 1690 von Raule auf eigene Rechnung ausgerüstet wurden, hatten nur die zehn bis zwanzig Marinesoldaten, die für die Bedienung der Geschütze nötig waren, an Bord. Zwei der Schiffe fuhren direkt nach St. Thomas, die anderen drei fuhren nach Westafrika, um Sklaven einzukaufen. Inzwischen beriet sich Delaporte mit den Pflanzern und einem englischen Kapitän über das weitere Vorgehen. Zugleich berieten die Dänen im Inselrat darüber, auch die brandenburgischen Gebäude und Sklaven in Beschlag zu nehmen. Delaporte wollte zunächst keine weitere Konfrontation mit den Dänen provozieren und schickte mit einem der auf St. Thomas stationierten Schiffe einen Bericht nach Europa. Mitte 1691 wurde sein Bericht in Emden und Berlin diskutiert. Im Juni ließ Friedrich III. durch seinen Residenten Falaiseau in Kopenhagen eine Protestnote überreichen, worin er die Ablösung von Lorentz und und die Bestrafung sämtlicher Schuldigen verlangte1025. Christian V. forderte darauf von Lorentz eine Erklärung und die Übersendung aller zur Klärung der Sachlage benötigten Dokumente. Im September erfuhr das Bewindhaberkollegium sowohl durch dänische Quellen als auch durch den Bericht Delaportes, dass Lorentz am 7. März 1691 die Schiffe Fuchs und Kurprinzess hatte beschlagnahmen lassen. Letztere hatte eine Ladung

1024 1025

Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 185f. Schück I, S. 232.

226

von 477 Sklaven an Bord1026. Lorentz hatte einen Leutnant mit einem bewaffneten Boot zu den Schiffen geschickt, die die Ladung der Kurprinzess für beschlagnahmt erklärt und 43 Mann der Besatzung der zur Rückfahrt nach Europa auslaufbereiten Salamander als Besatzung für die beschlagnahmte Falke gemustert. Nur die Drohung des Kapitäns der Fregatte Kurprinz, Bernd LaSage, das Feuer auf die dänischen Lagerhäuser zu eröffnen, hinderten Lorentz daran, noch größeren Schaden anzurichten 1027 . Friedrich III. beauftragte darauf im Oktober 1691 Falaiseau, gemeinsam mit dem preußischen Zollkontrolleur Wybrand von Workum in Kopenhagen erneut um die Absetzung von Lorentz zu ersuchen, die beschlagnahmten Waren zurückzufordern, die strittigen Artikel in dem Vertrag von 1685 durch genauere Absprachen zu ersetzen und für einen in Zukunft ungestörten Handel zu sorgen1028. Auf dänischer Seite verhandelten auf Thormölens Auftrag Baron von Juel und der Oberstaatssekretär Moth. Beide unterstützten die Position von Lorentz und versuchten ständig, die Verhandlungen zu verschleppen bzw. scheitern zu lassen. Die Gründe für ihr Verhalten liegen in einer von Baron Juel unterzeichneten Instruktion von 1690 und einer weiteren Order vom 22. Dezember 1691, wonach Lorentz angewiesen wurde, den brandenburgischen Handel so weit wie möglich zu ruinieren und alles, was er in Besitz bringen konnte, nach Dänemark zu schaffen. Damit sollte die magere Bilanz der DIVGK vor dem Inkrafttreten des Vertrags mit Thormölen aufgebessert werden. Auch Thormölen selbst hatte ein Interesse daran, soviel wie möglich aus den brandenburgischen Abgaben herauszuholen, damit er seine jährliche Pacht gegenüber der dänischen Krone bezahlen konnte. Solange die Dänen keine eigenen Schiffe nach St. Thomas schicken konnten, war auch nicht mit Einnahmen zu rechnen, denn die auf der Insel eingelagerten Waren brachten keine Rendite. Offenbar war Anfang 1691 diese Lage für Lorentz derart prekär, dass er die Waren der Kompanie nur abtransportieren konnte, indem er ein brandenburgisches Schiff beschlagnahmen ließ1029. Falaiseau und Workum konnten die Verhandlungen nur durch geschicktes Taktieren beschleunigen. Während Workum an der Börse von Kopenhagen und andernorts versuchte, Informationen zu sammeln, band Falaiseau die Verhandlungen über St. Thomas mit in die Verhandlungen um die dänische Truppenbeteiligung bei den in Flandern stehenden Reichstruppen. Obwohl Christian V. bereits 1689 mit Ludwig XIV. ein Neutralitätsabkommen geschlossen hatte, war er als Graf von Schleswig und Holstein sowie als Graf von Oldenburg Reichsfürst im niedersächsischen Reichskreis und damit im Rahmen des des Reichsheeres zur Stellung von Truppen im Krieg gegen Frankreich verpflichtet. Kurfürst Friedrich III. hatte sich bereit erklärt, die dänischen Kontingente mit zu übernehmen. Falaiseau nutzte diesen Umstand, um beim dänischen 1026

Schück II, S. 398ff Nr. 137a; TSTD2 Nr. 21917. StaE Reg. I Protokolle XIII,1 S. 6-22. 1028 Schück I, S. 232. 1029 Westergaard: Danish West Indies, S. 99ff. 1027

227

König eine positive Entscheidung in der Karibik-Frage herbeizuführen. Die Entscheidung lag nun nicht mehr in den Händen der eigentlichen Initiatoren, sondern beim König, der bereit war, um des außenpolitischen Vorteils wegen einzulenken. Am 21. April 1692 schlossen beide Parteien einen Interims-Vergleich, der von Dänemark am 23. April ratifiziert und am 10. Juni durch einen Nebenrezess ergänzt wurde, worin alle brandenburgischen Forderungen erfüllt und für die Zukunft bessere Konditionen für die BAC vereinbart wurden 1030 . Im einzelnen sollten die von Lorentz beschlagnahmten Güter, ersatzweise andere Waren oder Geld an die BAC zurückgegeben und der durch die Beschlagnahme der Kurprinzess entstandene Schaden erstattet werden. Sollte Lorentz diesen Anordnungen nicht Folge leisten, war er persönlich haftbar. Ersatzleistungen durften nur mit qualitativ einwandfreien Waren geleistet werden. Als Grundlage dafür diente der Marktwert der Waren in Westindien. Die BAC sollte nicht zur Anlage einer Plantage verpflichtet werden und die DIVGK dufte deswegen keine weiteren Forderungen erheben. Alle von der BAC zu leistenden Abgaben werden in eine jährlich zu zahlenden Summe von 3.000 Reichstalern, zahlbar in Hamburg, zusammengefasst. Dies alles sollte für einen Zeitraum von drei Jahren gelten, falls vor Ablauf kein neuer Vertrag über die Nutzungsrechte geschlossen worden war. Alle Papiere wurden in dreifacher Ausfertigung auf brandenburgischen Schiffen nach St. Thomas gebracht. 1692 schickte die inzwischen in BAAC umbenannte Kompanie drei Schiffe nach Afrika und Westindien. Davon befuhr die Fleute Derfflinger die Dreiecksroute und brachte Anfang 1692 500 Sklaven nach St. Thomas1031. Im März erreichte auch die Friedrich Wilhelm St. Thomas mit 299 Sklaven an Bord. Zuvor hatte sie noch zwei Kompanien Marinemiliz nach Großfriedrichsburg gebracht1032. Beide Schiffe erreichten bis Anfang Mai wieder Europa und wurden umgehend erneut für weitere Fahrten instand gesetzt und ausgerüstet. In den Jahren 1692 und 1693 liefen mindestens fünfzehn Schiffe unter brandenburgischer Flagge in die Karibik, womit dieser Zeitraum, was die Schiffsbewegungen betrifft, der mit der größten nautischen und handelstechnischen Aktivität der BAAC war1033. Dies lag zum einen daran, dass die BAAC in Kopenhagen sämtliche Ansprüche durchsetzen konnte und die Dänen und die Niederländer Schadenersatz für die Plünderung der Stützpunkte bzw. Wegnahme von Schiffen und Waren zahlten. Zum anderen konnte bereits 1691 zwischen den Hauptpartizipanten und dem Kurfürsten wegen dem drohenden Konkurs der BAC ein Vergleich geschlossen werden, bei dem die Kapitalbasis der Kompanie aufgestockt und ihre Organisationsstruktur geändert wurde. Des weiteren lag der Schwerpunkt des operativen Geschäfts nicht mehr im Handel mit Westafrika, sondern im Sklavenhandel. Der neue Vertrag erreichte St. 1030

Moerner: Staatsverträge, S. 569ff Nr. 356a-c; Schück II, S. 398-407 Nr. 137a-c. TSTD2 Nr. 35132; Jones: Brandenburg Sources, S. 202; Westergard: Danish West Indies, S. 320; Weindl: Kurbrandenburger, S. 79; Kellenbenz: St. Thomas, S. 207f. Dort werden alternativ auch 388 Sklaven angegeben. 1032 TSTD2 Nr. 21920. 1033 TSTD2 Nr. 21921-21924, Nr. 35132. 1031

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Thomas im Sommer 1692 fast zeitgleich auf brandenburgischen und dänischen Schiffen. Am 17. September 1692 traf auch der neue dänische Gouverneur Franz Delavigne auf der Insel ein und übernahm von Lorentz die Amtsgeschäfte. Als eine der ersten Amtshandlungen gab Delavigne der BAAC die im Vorjahr von Lorentz beschlagnahmten Waren zurück. Diese waren bereits auf ein Schiff verladen worden, das reisefertig im Hafen lag. Dabei handelte es sich um die von Lorentz beschlagnahmte Salamander, für die inzwischen in Amsterdam 19.000 Gulden aus der Assekuranz an die BAAC gezahlt worden war1034. Wieder in Besitz ihres ursprünglichen Eigentümers segelte de Salamander zurück nach Europa, wo der Verkauf ihrer Ladung einen Erlös von 17.700 Reichstalern ergab1035. Währenddessen bemühte sich Delavigne vertragsgemäß um ein besseres Verhältnis zu den Brandenburgern. Deren Handel begann darauf wieder zu florieren, was von Lorentz argwöhnisch betrachtet wurde. Lorentz schickte zudem regelmäßig Berichte an die Direktoren Juel und Moth nach Kopenhagen, in denen er zunehmend auf Distanz zu Delavigne ging1036. Um den Handel in der Karibik bewältigen zu können, unterhielt die BAAC eine kleine Flotte von insgesamt neun kleineren und zwei größeren Schiffen. Das Waagbuch der von der BAAC zwischen 1692 und 1694 mit benutzten dänischen Kompaniewaage dokumentiert einen Teil des von St. Thomas aus abgewickelten

Handelsverkehrs,

wobei

überwiegend

Zucker

und

Baumwolle auf

die

brandenburgischen Schiffe verladen wurden1037. Für die Sklaven hatte die BAAC drei Hauptabnehmer. Neben dem freien Verkauf auf St. Thomas wurde an die Spanier gemäß dem 1693 geschlossenen Asiento de Negroes 3.000 Sklaven und an die Niederländer auf Curacao vier mal jährlich 600 Sklaven geliefert. Das Geschäft mit den Spaniern wurde nur zu einem kleinen Teil über St. Thomas abgewickelt, sondern über St. Peter oder im direkten Verkehr. Die Niederländer wurden von der BAAC sogar ausschließlich direkt beliefert. Lediglich die Lücken, die durch Krankheit oder Tod ausgefallene Sklaven entstanden waren, wurden von St. Thomas nach Curacao gebracht. Die Niederländer wurden dabei jedoch nicht bevorzugt berücksichtigt. Kommerziendirektor Delaporte belieferte zuerst denjenigen, der die besten Preise bezahlte1038. 1693 stellte sich die Situation auf St. Thomas folgendermaßen dar1039: die Besitzung auf St. Thomas bot Platz für 800 Sklaven. Verpflegung für selbige war für zehn bis fünfzehn Monate eingelagert. Im Jahr davor hatte die BAAC 6.000 Sklaven an die Niederländer verkauft, weitere Lieferungen gingen an französische Pflanzer auf St. Croix und an die Engländer. Im Magazin lagerten Waren im Wert von 17.000 Reichstalern. Die Dänen waren besonders wegen des regen Handels der BAAC mit den Franzosen zunehmend beunruhigt. Um im Fall einer 1034

StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 26. StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 29. 1036 Westergaard: Danish West Indies, S. 100f 1037 Kellenbenz: St. Thomas, S. 206ff. 1038 StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 58f. 1039 StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 202ff; Protokolle XIII.2 S. 137. 1035

229

Auseinandersetzung mit den Dänen einen zweiten Ausweichstützpunkt zur Verfügung zu haben, ließ Delaporte die Krabbeninsel besetzen, zudem hatte sich der französische Gouverneur von St. Croix unter brandenburgischen Schutz gestellt und der BAAC die Überlassung der Insel in Aussicht gestellt, falls die BAAC für die Sicherheit der französischen Pflanzer Sorge tragen würde. Delaporte entgegnete darauf, dass eine Besetzung von St. Croix nur mit Einrichtung einer Garnison sicher wäre und dass dies unweigerlich Probleme mit den Engländern aufwerfen würde. Im Juni leitete Willem Pedy, der Leiter des Emdener Kontors, den Vorschlag Delaportes an Raule und den Kurfürsten weiter und schlug vor, sich mit den Engländern wegen St. Croix zu einigen. Dies würde nach Pedys Meinung den karibischen Handel deutlich verbessern 1040 . Raule entgegnete, dass es besser wäre, zuerst die Besitzverhältnisse von St. Croix zu klären1041. Zudem wollte Friedrich III. seine militärischen Kräfte nicht noch zusätzlich belasten. Da Brandenburg sich gerade gegen Frankreich im Krieg befand, war man sich nicht sicher, ob ein brandenburgischer Besitz in der Karibik von Verbündeten sowie von den Gegnern anerkannt würde. Deshalb wurden in Berlin wieder Anstrengungen unternommen, die vorteilhaften Regelungen das Interimsvertrags zu verlängern. Ende des Jahres 1693 wurde Delaporte nach Europa zurückgerufen, um an den Verhandlungen als Berater teilzunehmen. Auch Lorentz reiste mit ihm nach Europa, um in Kopenhagen den Direktoren der DIVGK Bericht zu erstatten. Nachfolger von Delaporte wurde Pedro van Belle, der in einer Order vom 23. Januar 1695 vom Kurfürsten instruiert wurde, im Falle eines gewaltsamen Übergriffes der Dänen sich entsprechend zur Wehr zu setzen. Im April 1694 bat Friedrich III. König Christian V. um eine Verlängerung des Vertrags um weitere vier Jahre, so lange der Krieg noch andauern würde1042. Der König wollte sich jedoch nicht so lange vertraglich binden, deshalb hatte Falaiseau bis zum 19. April nur eine einjährige Verlängerung ausgehandelt. Als Abschlagszahlung waren nun 4.000 Reichstaler fällig. Die noch ausstehenden 9.000 Reichstaler sollten bis zum November 1695 gezahlt werden, dann sollten auch neue Verhandlungen beginnen. Inzwischen war Lorentz wieder nach St. Thomas zurückgekehrt. In seinen Berichten an die Direktoren der DIVGK denunzierte er die BAAC als voll verantwortlich für die Schwierigkeiten der Dänen auf St. Thomas und warf Gouverneur Delavigne Unfähigkeit und Kollaboration mit den Brandenburgern vor 1043 . Baron Juel und Staatsrat Moth nutzten Lorentz´ Berichte, um den Pachtvertrag mit Thormölen nicht zu verlängern. Auch die Thormölen entstandenen Verluste wurden ihm nicht ersetzt. Lorentz drängte nun darauf, dass die DIVGK endlich einen regelmäßigen Schiffsverkehr nach St. Thomas einrichten und sich am Sklavenhandel beteiligen sollte. Am 24. 1040

StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 169ff. StaE Reg. 1, Protokolle XIII.1 S. 196. 1042 Schück I, S. 245. 1043 Westargaard: Danish West Indies, S. 106. 1041

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November 1694 wurde er schließlich zum Gouverneur von St. Thomas ernannt, aber erst das Direktorium der 1696/97 auf neue Kapitalbasis gegründeten Dänischen Westindien-Kompanie ging auf seine Forderungen ein. Seit 1696 liefen regelmäßig pro Jahr zwei dänische Schiffe St. Thomas an, die Sklaven an Bord hatten1044. Ungestört von den politischen Schwierigkeiten in Europa liefen zwischen 1694 und 1696 neun brandenburgische Schiffe St. Thomas mit Sklavenladungen an Bord an1045. Im April 1695 übergab Pedro van Belle dem noch amtierenden Gouverneur Delavigne Güter im Wert von 9.320 Reales, um die fällige Zahlung von 9.000 Reichstalern aus dem Interimsvertrag von 1692 zu begleichen1046. Dass die Zahlung auf St. Thomas erfolgte und nicht, wie im Vertrag festgelegt in Hamburg, ist vermutlich darin begründet, dass Thormölen sich nicht mit den Direktoren Juel und Moth einigen konnte, wer die Zahlungen der BAAC einziehen durfte. Thormölen standen diese Einnahmen aus dem Pachtvertrag zu, deshalb wollte er damit seinerseits die Pacht an die DIVGK finanzieren und ging offenbar davon aus, dass die Pacht von der DIVGK erhoben wurde und dann mit seinen Verpflichtungen verrechnet wurden, während Juel und Moth alle Einnahmen und Ausgaben, die St. Thomas betrafen, über Thormölen abwickeln wollten1047. Nach Ablauf des Vertrages zwischen Thormölen und der DIVGK ließ Thormölen von Delavigne wohl deshalb die fälligen 9.000 Reichstaler einziehen, um zumindest einen Teil seiner Verluste auszugleichen. Dies sollte nicht der einzige finanzielle Verlust sein, den die BAAC auf St. Thomas hinnehmen musste. Im April 1694 waren die brandenburgischen Magazine von einem französischen Piraten geplündert worden, wodurch der BAAC ein Schaden von 24.573 Reichstalern entstand. Im Juni 1696 brannte ein Lagerhaus zusammen mit den darin befindlichen Waren nieder. Pedro van Belle gab daran dem dänischen Gouverneur die Schuld, da er den Brandenburgern nicht erlaubt hatte, solide Häuser aus Stein zu errichten

1048

. Im Jahr 1695 ging zudem noch ein

brandenburgisches Schiff dadurch verloren, dass der Kapitän nicht wie vereinbart St. Thomas anlief sondern zusammen mit der Mannschaft desertierte und als Pirat die karibischen Gewässer unsicher machte1049. Trotzdem konnte die BAAC in den Jahren 1694/1695 durch den Umschlag von Sklaven und Waren einen Gewinn von 122.000 Reichstalern erzielen1050. Inzwischen wurden im November 1695 die Verhandlungen mit den Dänen über die weitere Präsenz der BAAC auf St. Thomas wieder aufgenommen. Auf der Seite Brandenburgs verhandelten Falaiseau und als dessen Berater Delaporte mit den dänischen Direktoren Juel und Moth. Der Einfluss von Moth war am dänischen Hof offenbar so groß, dass kein Minister seinem Wort zu 1044

Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 199. TSTD2 Nr. 21935-21939, 21951, 21952, 35133, 35134; Weindl: Kurbrandenburger, S. 80. Dort ist als zehntes Schiff die Nordischer Löwe aufgeführt, die in Afrika von englischen Seeräubern erbeutet wurde. 1046 Westergaard: Danish West Indies, S. 89. 1047 Westergaard: Danish West Indies, S. 99. 1048 GStA Rep. 65 Nr. 66, Blatt 22-23. 1049 GStA Rep. 65 Nr. 63, Blatt 133-135. 1050 Schück II, S. 439ff Nr. 144. 1045

231

widersprechen wagte und die Verhandlungen sich so schwierig gestalteten, dass Falaiseau es bereits als Erfolg betrachtete, als ihm im Juni 1696 gestattet wurde, nicht mehr mit Juel und Moth allein, sondern mit allen dänischen Ministern über St. Thomas verhandeln zu dürfen. Die bisher gestellten Forderungen der Dänen waren völlig überzogen. So verlangten sie eine jährliche Pacht von 10.000 Reichstalern, den völligen Verzicht der BAAC, auf St. Thomas oder den anderen dänischen Inseln Plantagen anzulegen oder sonstige Güter zu erwerben und dass die BAAC spätestens nach sechs Jahren sich für immer von St. Thomas zurückziehen sollte. Erst als Friedrich III. beim dänischen König darum ersuchte, erst einmal über die im nächsten Jahr zu zahlende Pacht zu verhandeln, kam wieder Bewegung in die Verhandlungen1051. Christian V. erwiderte, dass er dem Gouverneur Order erteilen würde, den brandenburgischen Handel zunächst ungestört zu lassen, wenigstens bis man zu einer für beide Seiten akzeptablen Übereinkunft gekommen war 1052 . Nach dieser vorläufigen Regelung tauschten Falaiseau und Moth noch mehrere Vertragsentwürfe aus, von denen jedoch keiner zu einem neuen Vertragsabschluss führte. Die Dänen wollten der BAAC den Handel mit Dritten auf St. Thomas gestatten, ihr gleichzeitig aber den Handel mit den Dänen untersagen, da sie inzwischen selbst in der Lage waren, den Handel auf St. Thomas mit ihren eigenen Landsleuten abzuwickeln. Juel und Moth hatten indes aus schierer Eifersucht versucht, die Blüte des brandenburgischen Handels als Hauptursache für das bisherige Scheitern des dänischen Handels darzustellen, weshalb sich Friedrich III. im Februar 1697 beim dänischen König erneut um einen Vergleich bemühen musste 1053 . Darauf wurden erneut Vorschläge eingereicht, abgelehnt und Gegenvorschläge gemacht1054. Um die Sache endlich zu einem Ende zu führen, schlug Falaiseau dem Kurfürsten vor, Verhandlungen mit einem aus Kopenhagen stammenden Kaufmann namens Leers aufzunehmen, der sich bereit erklärt hatte, nach St. Thomas zu gehen und entweder die Aktienmehrheit der DIVGK zu übernehmen oder die Insel auf seinen Namen zu pachten und anschließend über die BAAC Handel zu treiben, falls diese ihm dazu kurfürstlichen Schutz gewähren würde. Auf Anweisung von Friedrich III. nahmen Delaporte und Knyphausen im August 1697 Verhandlungen mit Leers auf. Sie sollten zunächst feststellen, wie hoch die Kosten für die Pacht wären, ob Leers die Souveränität über die Insel erlangen könnte und welche Bedingungen Leers selbst an die BAAC stellen würde. Im Gegenzug versprach der Kurfürst Leers und seiner Familie Schutz und Schirm in kurfürstlichen Diensten. Im Dezember wurde ein erster Vertragsentwurf ausgearbeitet, wonach Leers St. Thomas pachten und von der BAAC eine jährliche Rekognition von 4.000 Reichstalern und noch einmal 4.000 Reichstaler für das Monopol auf den

1051

Schück I, S. 246. Schück I, S. 247. 1053 Schück I, S. 247. 1054 Schück I, S. 248. 1052

232

Sklavenhandel erhalten sollte1055. Es kam jedoch zu keinem Vertragsabschluss zwischen Leers und der BAAC und die Verhandlungen wurden nicht weitergeführt. Inzwischen hatte die BAAC die noch ausstehenden Rekognitionsgelder an die Dänen gezahlt, um wenigstens die Seepässe für die Passage nach St. Thomas zu erhalten. Die BAAC hatte sich inzwischen angewöhnt, die Zahlung der vertraglich vereinbarten Rekognitionen zu verschleppen, um sie als Druckmittel bei den Verhandlungen einzusetzen. Das Resultat war, dass deren Zahlung in den dänischen Vertragsentwürfen ein zentraler Punkt war, wie in einem dänischen Vertragsentwurf, den Juel und Moth dem neuen brandenburgischen Gesandten Adam Otto von Viereck im September 1699 überreichten1056. Da die BAAC zu dieser Zeit jedoch unter erheblichen inneren Schwierigkeiten litt, kam es wieder zu keinem Vertragsabschluss. Die Verhandlungen über Situation der BAAC auf St. Thomas wurden danach immer wieder aufgenommen und unterbrochen, so dass sie sich mit immer weiter abnehmender Bedeutung bis 1714 hinzogen. Im Zeitraum von 1696 bis 1699 hatte die BAAC auch auf St. Thomas mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihren Ursprung sowohl in den Geschehnissen auf der Insel selbst als auch in Europa hatten. Zum einen gingen mehrere Schiffe entweder durch Havarie oder durch Kaperung verloren1057. Die Niederländer beschlagnahmten mehrere brandenburgische Schiffe auf Aruba und Curacao und im Juni 1696 brannte wieder eines der brandenburgischen Warenlager auf St. Thomas nieder. 1699 sank das Schiff Sieben Provinzen vor Irland mit einer Ladung im Wert von 7.000 Reichstaler. Ungeachtet dessen konnten noch drei Schiffe Rückfrachten im Gesamtwert von 100.000 Reichstalern nach Europa bringen. Dieser Erlös wurde jedoch nicht zur Ausrüstung neuer Handelsfahrten genutzt, da das Bewindhaberkollegium in Emden inzwischen in zwei verfeindete Parteien zerfallen war, die sich unversöhnlich gegenüberstanden. Um den Schiffsverkehr trotzdem aufrecht zu erhalten, trieben Pedro van Belle und sein Stellvertreter

Sievert Horst Handel mit

Schiffen aus Hamburg und Emden, die mit kurfürstlichen Seepässen versehen waren. Auf diese Weise konnten bis Ende 1698 sechs Sklavenladungen nach St. Thomas gebracht werden1058. Auch in den Jahren danach wurde diese Praxis, die im Rezess von Schönhausen ausdrücklich vorgesehen war, weiter fortgesetzt1059. 1703 kehrte als letztes Schiff die Kastell Spandau aus St. Thomas nach Emden zurück, nachdem sie 207 Sklaven dort abgeliefert hatte

1060

. Bis 1717 wickelten

ausschließlich Schiffe von privaten Reedern, die unter preußischer Flagge fuhren, den Handel mit Westafrika und der Karibik ab. Bis 1701 hatte die DIVGK den Vertrag von 1685 weitgehend eingehalten. Inzwischen hatte Pedro van Belle im Namen der BAAC Grundbesitz auf St. Thomas 1055

Schück I, S. 249. Schück I, S. 250. 1057 Weindl: Kurbrandenburger, S. 80; Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 202. 1058 Kellenbenz: St. Thomas, S. 216. 1059 Schück II, S. 491ff Nr. 160a. 1060 TSTD2 Nr. 21946; Weindl: Kurbrandenburger, S. 80. 1056

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erworben. Als der Dominikaner Jean-Baptiste Labat im April 1717 St. Thomas besuchte, stellte er fest, dass die dort lebenden Preußen zwar unter dem Schutz der Dänen stehen würden, dafür aber den ganzen Handel abwickeln würden und deshalb die eigentlichen Herren der Insel waren 1061 . Labat beschrieb auch den Ort Christiansfort, der überwiegend von Hugenotten und Niederländern aus Europa bzw. von den anderen europäischen Karibikinseln besiedelt war. Als Labat vom preußischen Kompaniedirektor van Belle empfangen wurde, bedauerte dieser, dass er keinen Handel mit St. Croix mehr treiben konnte. Labat führte die vergleichsweise dichte Besiedelung darauf zurück, dass St. Thomas wegen ihres natürlichen Hafens als Handelsplatz hervorragend geeignet war1062. Bevor Labat die Insel wieder verließ, besuchte er noch van Belles Zuckermühle, die er als hervorragend organisiert lobt. Die Plantagen waren im Vergleich zu den französischen Inseln kleiner, neben Zucker wurden vor allem Lebensmittel angebaut. Den einzigen Nachteil, den Labat erwähnte, war die ständige Bedrohung der Insel und des in den umliegenden Gewässern ablaufenden Schiffsverkehrs durch Piraten. Im Jahr 1703 hatte es offenbar einen Wechsel in der Leitung der BAAC auf St. Thomas gegeben, denn seit Ende diesen Jahres bezeichnete sich Sievert Horst in einem an das Bewindhaberkollegium gerichteten Bericht selbst als „Oberdirektor“, nachdem er von Pedro van Belle kurz vor dessen Abreise nach Europa dazu befördert worden war1063. Zum preußischen Besitz auf St. Thomas gehörte neben dem steinernen Packhaus auch die von Labat erwähnte Zuckermühle, was darauf hindeutet, dass die BAAC sich selbst in der Produktion von Zucker versucht hat. Inzwischen hatte sich die Situation des regen Handels und Schiffsverkehrs von und nach St. Thomas in den letzten zwanzig Jahren fast völlig umgekehrt. Die auf der Insel befindlichen Preußen hatten kaum noch Kontakt nach Europa. Ab dem Jahr 1709 ist kein nennenswerter Versuch der BAAC mehr ersichtlich, den Sklavenhandel aufrecht zu halten, im Gegensatz zum dänischen Schiffsverkehr, der zwischen einem und vier Schiffen pro Jahr umfasste 1064 . Sievert Horst trieb deshalb mehrmals Handel mit dänischen Kapitänen, was ihm dem Vorwurf einbrachte, die BAAC finanziell stark geschädigt zu haben

1065

. Deshalb leitete das Bewindhaberkollegium eine

Untersuchung gegen ihn ein, die mehrere Jahre andauerte1066. Insgesamt fehlte es der BAAC an Kapital und an erfahrenem Personal. Auch nach der Kassation der Kompanie war König Friedrich I. nicht in der Lage, einen geregelten Verkehr mit Westafrika und St. Thomas aufrecht zu halten. Erst nach dem Thronwechsel im Jahr 1713 wurde von Friedrich Wilhelm I. versucht, den Seehandel 1061

Labat, Jean-Baptise: Nouveau voyage aux îles de l'Amérique, 6 Bände, Paris 1722, hier: Band 6, S. 238ff. Labat: Nouveau voage 6, S. 293ff. 1063 StaE Reg. 1 Nr. 280: Schreiben der Stadt Emden über die Bitte um Ermöglichung der Verteidigung des Sievert Horst, den 16. November 1714. 1064 Westergaard: Danish West Indies, S. 321. 1065 StaE Reg. I Nr. 280. Brief vom 16. November 1714. 1066 Schück I, S. 295. 1062

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wieder zu beleben. Er ließ jedoch keine eigenen Schiffe ausrüsten, sondern beschränkte sich darauf, interessierten niederländischen Kaufleuten Konzessionen und Seepässe auszustellen. Im Frühjahr 1713 wurden Verhandlungen mit dem auf St. Thomas ansässigen Franzosen Chevalier du Repaire eingeleitet, als dieser in Europa weilte, um sich dort um einen Einstieg in den Sklavenhandel zu bemühen. Am 21. August 1714 erhielt er von Friedrich Wilhelm I. die Erlaubnis, gegen Abgabe von 10 Reichstalern pro verkauften Sklaven in den preußischen Stützpunkten in Westafrika und in der Karibik Handel zu treiben1067. Die Fahrt kam erst 1716 zustande, nachdem der König beschlossen hatte, die BAAC mitsamt ihren Stützpunkten zu verkaufen 1068. Zwischen 1716 und 1718 wurden die Verhandlungen mit Dänemark wegen St. Thomas noch einmal fortgesetzt. Die Dänen forderten wegen angeblichen erlittenen Schadens die unglaubliche Summe von 1.078.229 Reichstalern. Der preußische Unterhändler von Ilgen akzeptierte allerdings nur eine Forderung über 90.000 Reichstaler und stellte eine Gegenforderung von 264.959 Reichstalern als Schadenersatz für die wiederholte Beschlagnahme von preußischem Besitz auf St. Thomas und die Verletzung der dänischen Schutzverpflichtung während eines erneuten Überfalls von französischen Piraten im Jahr 16961069. Auch dieses mal konnte keine Übereinkunft erzielt werden, weshalb man auf preußischer Seite die Frage wegen St. Thomas endgültig zu den Akten legte und die beiden verbliebenen Bediensteten der BAAC auf St. Thomas, Direktor Bordeaux und sein Buchhalter Caba, mitsamt allen noch auf St. Thomas befindlichen Besitztümern einfach ihrem Schicksal überließ. Im Sommer 1714 war der Oberdirektor Sievert Horst nach Europa zurückgekehrt, um die BAAC dazu zu bringen, den Schiffsverkehr nach St. Thomas wieder aufzunehmen. Dort erwartete ihn allerdings eine böse Überraschung. Der Chevalier du Repaire hatte das Gerücht verbreitet, dass Sievert Horst über 200.000 Reichstaler mit Schmuggelhandel verdient hätte. Der König orderte deshalb eine Untersuchung gegen ihn an und zugleich dessen Verhaftung und Beschlagnahme sämtlicher Besitztümer1070. Horst wurde allerdings in mehreren Eingaben an den König in Schutz genommen1071. Der König erklärte schließlich, Horst den Arrest gegen die Stellung eine Kaution zu erlassen. Er bestand jedoch auf die Prüfung seiner Rechnungsbücher Untersuchung

1072

. Während der

erklärte Horst, dass ein gewinnbringender Handel in Zukunft nur mit einem

regelmäßigen Schiffsverkehr zu erwarten war und dass er die Fortsetzung des Handels befürwortete, nachdem es mit Dänemark zu einer entsprechenden Übereinkunft über die Abgaben gekommen sei. 1067

Schück I, S. 293. Tabeller ob Skibsfart, S. 56f. Dort ist im Sundzollregister ein einziges für Afrika und St. Thomas bestimmtes und in Frankreich ausgerüstetes Schiff nachweisbar. 1069 Schück I, S. 302. 1070 StaE Reg. 1 Nr. 280: Aufforderung zur Festsetzung des Sievert Horst an die Stadt Emden, 3. November 1714. 1071 StaE Reg. 1 Nr. 280: Bürgschaftserklärung von Dodo Horst und Severin Schröder für Sievert Horst, 14. Dezember 1714. 1072 StaE Reg. 1 Nr. 280: Anordnung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. Über die Vornahme der Untersuchung in Berlin, Oktober 1715. 1068

235

Den Wert der Waren auf der Insel bezifferte er auf 28.000 Dukaten 1073. Als einige Emder Bürger im Dezember 1715 Kaution für Horst stellten, weigerte der mit der Untersuchung beauftragte Rat Romswinckel sich, ihn freizugeben und warf ihm nun Unterschlagung von Waren vor. Erst nachdem im April 1716 geklärt war, dass Horst die mitgebrachten zwei Fässer Indigo und einen Posten Baumwolle an zwei Kaufleute aus Amsterdam verkauft hatte, wurde er im Mai 1715 aus der Haft entlassen. Erst 1721 wurde die Anklage gegen ihn fallen gelassen, nachdem er sich mit dem König auf einen Vergleich und die Zahlung von 800 Dukaten geeinigt hatte1074. Im Jahr 1715 brachte als letztes Schiff, das auf der transatlantischen Dreiecksroute unter preußischer Flagge fuhr, die König von Preußen eine Ladung von 212 Sklaven nach St. Thomas1075. Bis 1721 wurden die preußischen Besitzungen in Afrika und Übersee entweder erobert oder an die WIC verkauft. Die Faktorei auf St. Thomas war von dem Verkauf jedoch nicht betroffen, sondern blieb sich selbst überlassen. Vor seiner Abreise hatte Sievert Horst noch den Buchhalter Caba zu seinem Nachfolger bestimmt. Caba starb jedoch bereits im Jahr 1718. Bereits seit 1716 war der Franzose Jean Bordeaux der letzte überlebende und im preußischen Diensten stehende Direktor der BAAC 1076 . Bordeaux schickte regelmäßig Berichte über den Zustand der Niederlassung nach Emden. Dies tat er auch dann noch, als die BAAC längst aufgehört hatte, zu existieren. Er erhielt weder auf seine Berichte noch auf dessen Hilfegesuche eine Antwort. Der Rat von Emden leitete die zumeist auf niederländischen Schiffen eingegangenen Schreiben nach Berlin weiter. Bordeaux wurde schließlich am 8. Juli 1718 von Friedrich Wilhelm I. offiziell von seinem Posten abberufen1077. Diese Order hatte ihn jedoch nie erreicht, denn im März 1724 meldete er nach Emden, dass die Dänen sich der verbliebenen Effekten auf der Insel bemächtigt hätten 1078. Es war ihm sogar gelungen, den Handel auf St. Thomas sogar noch einige Zeit gewinnbringend weiterzuführen. 1723 betrug der Wert sämtlicher noch auf St. Thomas befindlichen Gütern und Liegenschaften noch 24.884 Reichstaler, denen Verbindlichkeiten von 7.743 Reichstalern gegenüber standen 1079. Obwohl Bordeaux offensichtlich mit Gewinn arbeitete, nahm man in Berlin davon keine Notiz mehr. Inzwischen hatten die Dänen von 1715 an immer wieder den Abzug der Preußen von St. Thomas gefordert. Bordeaux konnte sie eine Zeit lang hinhalten, indem er darauf hinwies, dass er seinen Posten nur mit einer offiziellen Order aus der Heimat verlassen könnte. 1727 erhob der neue dänische Gouverneur Suhm Anklage gegen Bordeaux wegen der ausstehenden Zahlungen. Bordeaux´ Bericht über die Eröffnung des Prozesses erreichte zwar Berlin, der König wollte jedoch 1073

Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 209. Schück I, S. 296. 1075 TSTD2 Nr. 21949; Weindl: Kurbrandenburger, S. 81. 1076 Schück I, S. 309 Anm. 99. 1077 Schück I, S. 310. 1078 GStA Rep. 65 Nr. 161, Blatt 54-61. 1079 GStA Rep. 65 Nr. 123, Blatt 15-21. 1074

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weitere Berichte aus St. Thomas abwarten, bevor er weitere Schritte in Erwägung ziehen wollte. Inzwischen war bereits das Urteil über Bordeaux gesprochen und vollstreckt worden. Bordeaux hatte sich zwar die Appellation an ein Gericht in Europa vorbehalten, aber ihm fehlten ganz offensichtlich die Mittel dazu. Nachdem das Urteil gegen ihn vollstreckt und die restlichen verbliebenen preußischen Besitztümer von den Dänen öffentlich versteigert worden waren, lebte Bordeaux bis zu seinem Tod in dem ehemaligen Wohnhaus der BAAC auf St. Thomas.

4.3.2. Versuche zum Erwerb einer eigenen Insel

Obwohl der Vertrag von 1685 Brandenburg-Preußen die Tür in die karibischen und amerikanischen Sklavenmärkte öffnete, ließ dessen Formulierung doch so viele Fragen offen, dass er von Anfang an den Keim des Zerfalls in sich trug. Um sich von den Vertragspartnern unabhängig zu machen, versuchten Kurfürst Friedrich Wilhelm und dessen Berater, eine eigene Insel in der Karibik zu erwerben, die nicht unter der Kontrolle einer fremden Macht stand. 1682 versuchte der Kurfürst, den Konflikt mit Spanien wegen der nicht gezahlten Subsidiengelder dazu zu nutzen, eine der Antilleninseln zu erwerben, indem er als Ersatz für die 1,8 Mio. Reichstaler die Insel Trinidad forderte1080. Diese Forderung hatte man am spanischen Hof allerdings ebenso wenig beachtet, wie die Forderung nach Zahlung der ausstehenden Subsidien. Auch Herzog Jakob Kettler von Kurland hatte sich seit 1658 um Trinidad als Ausgleich für ein von spanischen Kaperfahren vor Dünkirchen weggenommenes Schiff bemüht 1081 . Zwei Jahre später suchte der brandenburgische Gesandte Ezechiel Spanheim am französischen Hof nach einer Möglichkeit, die Insel St. Vincent oder St. Croix zu erwerben1082. Beide Inseln waren Außenposten des französischen Kolonialgebietes in der Karibik. Während es auf St. Vincent eine kleine französische Garnison, aber kaum Plantagen gab, war St. Croix zwar dichter besiedelt, lag aber von den wirtschaftlichen Zentren auf Guadeloupe und Martinique zu weit entfernt, um im Kriegsfall wirksam verteidigt werden zu können. Außerdem wurden die Inseln nur selten von französischen Schiffen angelaufen. Um am französischen Hof eine positive Entscheidung zu erwirken, hatte Friedrich Wilhelm versichert, dass Brandenburg den französischen Handel nicht beeinträchtigen würde und dass er im Kriegsfall neutral bzw. an der Seite Frankreichs stehen würde1083. In Paris ging man auf die Vorschläge nicht ein. Nicht einmal die wiederholt ersuchte Vergünstigung, 500 bis 600 Sklaven gegen ungesottenen Zucker auf den

1080

UA XXIII, S. 1012: Wolfradt an den König, Berlin den 22. März 1682; UA XIV, S. 1021f: Lamberg an den Kaiser, Wien den 6. April 1682; UA III, S. 646f: Bruijninex an Amerongen, Wien den 7. Mai 1682. 1081 Mattiesen: Kolonial und Überseepolitik, S. 57f, S. 62, S. 676, S. 695, S. 763ff. 1082 UA XX, S. 859: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 29. Februar 1684. 1083 Schück I, S. 192

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französischen Inseln einzutauschen, wurde gewährt1084. Aufgrund dieses mangelnden Erfolgs kam es schließlich zu dem Vertragsabschluss mit Dänemark. Bereits zwei Jahre später, nach der Rückkehr der ersten Schiffe, die nicht nur wertvolle Rückfrachten sondern auch Berichte über die ersten Auseinandersetzungen mit den Dänen auf St. Thomas mitbrachten, schlug Raule zwei Projekte zur Errichtung von Handelsstützpunkten auf anderen karibischen Inseln vor. Im Zusammenhang mit dem Vorhaben, die in Pillau und Hamburg liegenden Schiffe für den Sklavenhandel auszurüsten, wies Raule den Kurfürsten auf die Vorzüge der in der südlichen Karibik liegenden Insel Tobago hin und schlug vor, vom Herzog von Kurland die Insel zu kaufen 1085. Nach Raules Dafürhalten war Tobago die beste Wahl, weil dort Indigo, Zucker, Kakao, Kaffee, Tabak und andere tropische Produkte dort in großer Zahl gedeihen würden. Raule hatte sich kurz zuvor in Den Haag mit einigen niederländischen Kaufleuten darauf verständigt, dass diese bereit wären, dort Plantagen anzulegen, falls es dem Kurfürsten gelingen sollte, die Insel zu erwerben. Friedrich Wilhelm sandte darauf einen Vertragsentwurf an den Herzog, in dem die Abtretung einer Hälfte der Insel an Brandenburg gegen Zahlung von 40.000 Reichstalern vorgesehen war1086. Parallel dazu informierte der Kurfürst sich in London über die Rechte, die der Herzog tatsächlich über die Insel besaß. Diese waren nicht gesichert, ihnen standen sogar englische Besitzansprüche gegenüber. Da der Kurfürst ähnliche Probleme mit England wie bei seinen Stützpunkten in Westafrika mit den Niederländern befürchtete, wurde das Projekt zu diesem Zeitpunkt nicht weiter verfolgt 1087. Als nächstes schlug Raule im Dezember 1687 die Okkupation der Krabbeninsel vor1088. Zu den Vorteilen einer eigenen Insel in der Karibik zählte Raule, dass man auf diese Weise erstens die jährlichen Zölle und Abgaben von 10.000 bis 15.000 Reichstalern einsparen konnte, die bisher auf St. Thomas angefallen waren, zweitens die Insel Möglichkeiten zum Aufbau eines florierenden Handels mit tropischen Hölzern und Schildpatt bieten würde, aus deren Erlös sich die notwendige Garnison finanzieren ließ, drittens der ungestörte Handel mit den anderen karibischen Inseln ohne die Handelsbeschränkung aus dem Vertrag mit St. Thomas möglich war und viertens die Nähe zu den spanischen Sklavenmärkten auf Puerto Rico günstig war. Der Kurfürst legte Raules Vorschlag kurz darauf dem Geheimen Rat zur Prüfung vor. Dort hatte man einerseits die Befürchtung, dass sich die Ausweitung der maritimen Aktivitäten belastend auf die Beziehungen zu den Niederlanden auswirken würde, andererseits befand man Raules Vorschlag zur Ausweitung des Sklavenhandels und der Besetzung der Krabbeninsel als vernünftig1089. Tatsächlich landeten die Brandenburger am 6. Februar 1689 auf der Krabbeninsel, nahmen sie feierlich für den 1084

GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 264 (siehe Anhang I Nr. 7). GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 49-51. 1086 Schück I, S. 207. 1087 UA III, S. 787: Hop an den Griffier, Berlin den 1./11.September 1687. 1088 GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 125-133. 1089 GStA Rep. 65 Nr. 44, Blatt 194-195. 1085

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Kurfürsten in Besitz und zogen kurz darauf wieder ab, ohne jedoch die Inbesitznahme kenntlich zu machen1090. Als sie jedoch am 19. Dezember 1692 wieder zurückkehrten, um einen Stützpunkt zu errichten, fanden sie die Insel von den Dänen besetzt vor, die dazu noch behaupteten, bereits im Jahr 1682 Ansprüche auf die Insel geltend gemacht zu haben. Dabei hatte Gouverneur Delavigne die dänische Flagge erst zwei Tage zuvor auf der Krabbeninsel aufziehen lassen 1091 . Raule beauftragte darauf im Jahr 1693 das Bewindhaberkollegium in Emden, die Besitzverhältnisse zu klären1092. Danach wurden von der BAAC jedoch keine weiteren Ansprüche auf die Krabbeninsel erhoben. Im Sommer 1689 versuchten die Brandenburger, die kleine Insel St. Peter in Besitz zu nehmen. Die Insel, die etwa zehn km lang und 2 km breit ist, gehört heute zum Territorium der Britischen Jungfern-Inseln und heißt Peter Island. Sie liegt drei Meilen östlich von St. John und zwei Meilen südlich von Tortola. Die Insel zeichnete sich durch einen geschützten Hafen und ihre zentrale Lage zu den anderen britischen Inseln und St. Croix aus. Für die Betreibung von Plantagen war das topographische Profil der Insel jedoch nicht geeignet. Die Okkupation der Insel durch die BAC stand möglicherweise im Zusammenhang mit dem dänischen Verbot für die beiden brandenburgischen Kaperschiffe Fuchs und Rummelpott, den Hafen von St. Thomas für den Verkauf von Konterbande zu nutzen1093. Einen Handelsplatz der BAC für den Verkauf von Sklaven hatte es auf St. Peter aber offensichtlich gegeben. Kommerzien-Direktor Delaporte erwähnt im Dezember 1692 an Raule einige Logen auf St. Peter für den Handel mit den Inseln Tortola, St. Christopher und St. Croix 1094 . Im April 1693 berichtete Delaporte über den Verkauf von 167 Sklaven, die mit dem Schiff St. Jakob nach St. Peter gebracht worden waren1095. Der Verkauf hatte einen Erlös von 6.700 Gulden eingebracht 1096 . Der Stützpunkt auf St. Peter wurde offenbar nur sporadisch und nur im Zeitraum der größten Handelsaktivität der BAAC für den Umschlag von Sklaven genutzt. Wahrscheinlich geschah dies, um die Abgabenlast an die Dänen auf St. Thomas zu minimieren. Im Fall der Ladung von der St. Jakob war der Verkaufspreis mit etwa 16 Reichstalern pro verkauften Sklaven jedoch sehr niedrig, was darauf schließen lässt, dass die Qualität der Sklaven sehr schlecht gewesen und die Ladung auf St. Thomas damit unverkäuflich gewesen sein dürfte, da dort in der Regel bessere Qualität geboten wurde. Im Jahr 1694 fuhr die St. Jakob erneut auf der Dreiecksroute, auf dieser Reise wurde ein Erlös von 36.000 Reichstaler erzielt1097. Zwischen 1691 und 1693 gab es noch weitere Projekte der BAC, eine eigene Insel zu 1090

Schück I, S. 233. Westergaard: Danish West Indies, S. 102, Anm. 29. 1092 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1, S. 256 und XIII.2, S .196. 1093 Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 216. 1094 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 202ff. 1095 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 49; TSTD2 Nr. 21927. 1096 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 171. 1097 TSTD2 Nr. 21937; STAE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 212. 1091

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erwerben. Zum einen wurde am 14. Mai 1691 mit Kurland ein Vertrag über den Kauf von Tobago und einen gemeinsamen Versuch zur Kolonisierung geschlossen. Zum anderen versuchte Friedrich III. im Juli des selben Jahres, den englischen König William III. dazu zu bringen, ihm die Insel St. Eustachius zu überlassen. Gleichzeitig machte Delaporte in seinen Berichten an das Bewindhaberkollegium mehrfach den Vorschlag, die Insel St. Croix zu übernehmen. Er berichtete am 19. Juni 1693 an Raule, dass der französische Gouverneur die Insel unter brandenburgischen Schutz gestellt hatte1098. Der Versuch, auf Tobago ansässig zu werden, machte dabei im Vergleich zu den anderen Projekten die größten Fortschritte. Tobago war im Jahr 1608 vom englischen König Jakob I. in Besitz genommen worden. Versuche, die Insel zu besiedeln, blieben jedoch erfolglos. Im Jahr 1628 kamen Niederländer auf die Insel, deren Siedlungsprojekt ebenfalls erfolglos blieb. Um 1654 hatte der Herzog Jakob Kettler von Kurland die Insel von den Engländern erworben und mit Siedlern besetzt 1099 . Der Besitz von Tobago in kurländischer Hand war jedoch zu keiner Zeit unumstritten. Während des Schwedisch-Polnischen Krieges fiel Tobago erneut in die Hand Englands. Zwischendurch hatten wiederholt die Niederländer versucht, dort zu siedeln. Nach dem Frieden von Oliva bemühte sich Herzog Jakob darum, Tobago zurück zu bekommen, was ihm zwei Jahre vor seinem Tod im Jahr 1680 gelang1100. Sein Sohn Friedrich Kasimir konnte Tobago jedoch nicht halten, obwohl er während seiner gesamten Regierungszeit Anspruch auf die Insel erhob. Wie sein Vater, wandte er sich dabei an die englische Krone, erhielt aber stets ablehnende Bescheide. Im Dezember 1686 zog England sich auf den Standpunkt zurück, dass die in der Vergangenheit gemachten Zusagen nicht rechtskräftig gewesen waren. Am englischen Hof hielt man das Herzogtum dazu für unfähig, die dortige Siedlung zu halten, weshalb man den Bitten des Herzogs keine Beachtung schenken sollte. Ein sehr viel handfesteres Argument dürfte jedoch das Motiv, eine mögliche Konkurrenz für die Kolonialmärkte auf Barbados auszuschalten, gewesen sein 1101. In dem Vertrag, der zwischen Friedrich III. und dem Herzog Friedrich Kasimir Kettler geschlossen wurde, sollte die rechte Seite von Tobago gegen Zahlung von 40.000 Reichstalern nach einer gemeinsam durchzuführenden militärischen Sicherung und anschließender Besiedelung an BrandenburgPreußen abgetreten werden1102. Hier stand nicht die Gründung eines Handelsplatzes im Vordergrund sondern die Einrichtung eines militärischen Stützpunktes mit anschließendem Aufbau einer Siedlungskolonie. Zu diesem Zweck sollte eine Flotte von zehn Schiffen, die von beiden Vertragspartnern gemeinsam ausgerüstet werden sollten, mit 300 Soldaten und allen zum Bau und Bewaffnung einer Festung notwendigen Materialien nach Tobago bringen und so lange dort 1098

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 137. Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 425ff. 1100 Cal.-Col. XI, S. 70ff Nr. 136, S. 179ff Nr. 357, S. 282ff Nr. 668. 1101 Cal.-Col. XII, S. 287 Nr. 1007, S. 297 Nr. 1033 und Nr. 1034, S. 341f Nr. 1184, S. 354 Nr. 1205, S. 454f Nr. 1567, S. 601ff Nr. 1898, S. 648 Nr. 2098; Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 912ff. 1102 Schück II, S. 377ff Nr. 134; Moerner: Staatsverträge, S. 550ff Nr. 343. 1099

240

stationiert bleiben, bis eine mit 50 Kanonen armierte Festung errichtet und ihr weiterer Bestand gesichert worden war. Den Posten des Gouverneurs sollte der Niederländer Balthasar Bes bekleiden. Um die für die geplanten Bautätigkeiten benötigten Arbeitskräfte aufzubringen, sollten bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit 500 Sklaven nach Tobago gebracht werden. Die Verwaltung der Kolonie sollte durch einen Inselrat vorgenommen werden. In der Kolonie sollte allgemeine Religionsfreiheit herrschen, die Ansiedlung von Jesuiten war jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Sogar der Mindestpreis für einen auf Tobago gehandelten Sklaven wurde im Vertrag festgelegt. Dieser sollte etwa 70 bis 80 Reichstaler betragen. Lediglich die Frage, auf welche Weise die Kolonie besiedelt und wirtschaftlich genutzt werden sollte, war erst durch entsprechende Absprachen zwischen Raule, dem Bewindhaberkollegium der BAAC und dem zukünftigen Gouverneur zu regeln und damit bei Vertragsabschluss noch ungewiss. Hier werden einige Parallelen zur Gründung von Großfriedrichsburg deutlich. Zuerst sollte durch den Bau einer Festung die Insel militärisch gesichert werden, erst anschließend wurde Handel getrieben. Während man in Westafrika auf bereits bestehende Infrastrukturen der Einheimischen zurückgreifen konnte, mussten die Europäer in der Karibik die Infrastrukturen selbst installieren. Dies geschah entweder durch einen Handelsstützpunkt oder durch die Anlage von Plantagen. Brandenburg und Kurland hatten für den Abschluss dieses Vertrags völlig unterschiedliche Motive. Kurland ging es primär darum, seinen zumindest nominell bestehenden Anspruch auf Tobago durchzusetzen. Ber BAAC ging es vor allem darum, endlich einen eigenen, sicheren Handelsstützpunkt zu bekommen, um ungestört Handel treiben zu können und somit nicht mehr vom Wohlwollen der Dänen auf St. Thomas abhängig zu sein. Welchen Stellenwert die umfangreichen militärischen Regelungen für Friedrich III. hatten, ist daran ersichtlich, dass er das Projekt augenblicklich fallen ließ, als England sich nicht dazu bereit zeigte, den Anspruch auf Tobago aufzugeben. Dazu kam der Vertrag für Brandenburg einem Betrug gleich, da Friedrich Kasimir der BAAC den gebirgigen Ostteil der Insel verkauft hatte, der zudem noch den bezifferten Wert in Herzog Jakobs Testament für den gesamten Besitz auf Tobago um 10.000 Reichstaler überstieg. Zusätzlich sollte Brandenburg noch Anleihen in über 25.000 Reichstaler zahlen, damit die im Vertrag geplante Expedition überhaupt finanziert werden konnte. In Berlin wurde der Schwindel jedoch schnell aufgedeckt und die Vertragsurkunde am 25. August 1693 an Kurland zurückgegeben1103. Im Oktroi von 1692 hatte sich Friedrich III. noch verpflichtet, wegen Tobago in England entsprechende Anfragen zu stellen1104. Gleichzeitig wollte er sich auch darum bemühen, die Insel St. Eustachius zu übernehmen, die England zwei Jahre zuvor den

1103 1104

Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 930f. Schück II, S. 416ff Nr. 139a.

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Niederländern weggenommen hatte 1105 . Der Grund für das Interesse des Kurfürsten an St. Eustachius war, dass wiederholt frühere Bewohner der Insel, die nun auf St. Thomas lebten, Delaporte darauf aufmerksam gemacht hatten, dass sie gerne wieder dorthin zurückkehren würden, wenn der Kurfürst sich dazu bereit erklären würde, die Insel zu übernehmen. Auch darauf wollte man sich am englischen Hof nicht einlassen, da die Briten wie im Fall von Tobago Konkurrenz für ihren Handel auf Barbados befürchteten1106. 1706 lebte das Tobago-Projekt noch einmal auf, als ein dänischer Kapitän namens Palm dem preußischen Gesandten in Kopenhagen, Graf von Viereck, entsprechende Vorschläge unterbreitet hatte. Im Geheimen Rat wurden Palms Vorschläge jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass es zu gefährlich und zu kostspielig war und darüber hinaus auch Schwierigkeiten mit England bedeuten würde1107. Trotzdem behielt man Tobago in Berlin weiterhin im Auge. Im Jahr 1721 fragte König Friedrich Wilhelm noch einmal wegen der Besitzverhältnisse Tobagos in London an, erhielt aber nur zur Antwort, dass er sich nicht lächerlich machen sollte1108. Der Vorschlag von Kommerzien-Direktor Delaporte, die Insel St. Croix zu erwerben, orientierte sich näher an den Handlungsmöglichkeiten und der handelspolitischen Situation

der

BAAC, da der Handel mit französischen Pflanzern und Händlern auf St. Croix einen großen Anteil ihres gesamten Handelsaufkommen in der Karibik ausmachte. Seit 1648 gab es französische Siedlungen auf der Insel, wobei es in den Jahren 1650 und 1666 zu nennenswerten Einwanderungsschüben kam, gleich nachdem die französischen Pflanzer von den Engländern auf St. Christopher vertrieben worden waren. Dabei war der Anteil an hugenottischen Siedlern besonders hoch. Zuerst wurde auf St. Croix überwiegend Tabak angebaut, der Anbau von Zuckerrohr nahm erst nach 1670 merklich zu. Um ein weiteres Anwachsen des calvinistischen Anteils der Bevölkerung zu verhindern, übertrug Frankreich die Verwaltung der Insel an den Malteserorden. Entscheidend war jedoch, dass St. Croix von den anderen französischen Besitzungen in der Karibik zu weit entfernt lag und ein regelmäßiger Schiffsverkehr mit Europa und Afrika nicht gewährleistet werden konnte. Daran konnte auch der Malteserorden nichts ändern. Deshalb trieben die Einwohner von St. Croix Handel mit St. Thomas, also den Dänen und der BAAC 1109. Im Jahr 1696 sollte die gesamte französische Bevölkerung nach St. Domingue evakuiert werden, obwohl der französische Gouverneur mehrfach erfolglos versuchte, dies zu verhindern. Das Hauptmotiv für die Umsiedlung war vermutlich darin begründet, dass der Anteil an französischen Siedlern auf St. Domingue erhöht werden sollte und dass dort angeblich bessere Plantagen anzulegen waren1110. Delaporte berichtete im Juni 1691 dem Bewindhaberkollegium in Emden über die Situation auf St. Croix. Kurz zuvor 1105

Schück II, S. 385ff Nr. 135a, S. 416ff Nr. 139a, S. 468ff Nr. 155. Schück I, S. 234f. 1107 Schück I, S. 279. 1108 Mattiesen: Kolonial- und Überseepolitik, S. 988. 1109 Knox, John: A Historical Account of St. Thomas, New York 1852, S. 35. 1110 West, Hans: Beyträge zur Beschreibung von St. Croix, Kopenhagen 1794, S. 160f. 1106

242

hatte sich der französische Gouverneur unter brandenburgischen Schutz gestellt und den Schiffen der BAAC gestattet, die Insel direkt anzulaufen. Delaporte hielt die Situation für günstig, um den Handelsstützpunkt von St. Thomas nach St. Croix zu verlegen. Zugleich waren auch die Engländer an St. Croix interessiert. Deshalb sollte mit ihnen ein Handelsvertrag abgeschlossen werden, der englischen und brandenburgischen Schiffen gleichermaßen den Zugang zur Insel sichern sollte. St. Croix sollte so faktisch brandenburgisches Territorium in einem Teil der Karibik werden, wo die Engländer an einem intensiven Handel in diesem Teil der Karibik kaum interessiert waren1111. Dies war eine durchaus realistische Einschätzung, da die BAAC im nördlichen Teil der Inselkette der Antillen den Sklavenhandel im Gebiet nordwestlich von Antigua überwiegend und auf St. Croix sogar nahezu vollständig abwickelte, trotz der starken Präsenz der europäischen Mitbewerber. Der Umzug nach St. Croix hätte sowohl den Zwischenhandel als auch die Abhängigkeit der BAAC zu den Dänen aufgehoben. Im Juni 1693 wurde das Bewindhaberkollegium von Raule und dem Kurfürsten angewiesen, die Besitzverhältnisse von St. Croix zu klären 1112 . Dazu verhandelten sowohl Raule als auch Willem Pedy mehrfach mit dem französischen Gesandten Bonet, jedoch ohne Erfolg. Bonet dementierte sämtliche Berichte über die Räumung der Insel und bezeichnete die Schutzerklärung des Gouverneurs als ungerechtfertigt. Trotz der bisher erzielten wenig ermutigenden Ergebnisse wollte man in Berlin den Plan einer eigenen Insel in der Karibik noch nicht aufgeben. Nachdem die BAAC im Jahr 1695 ihre finanziellen Probleme weitgehend lösen konnte, wurde ein neues Projekt in Angriff genommen. Im Mai 1694 hatte der Kurfürst die Zeichnung von Leibrenten über 100.000 Reichstaler auf seinen Namen bewilligt, die zur Ausrüstung neuer Schiffe und zum Erwerb der Insel Tortola, welche 30 km östlich von St. Thomas lag, verwendet werden sollten1113. Tortola war seit 1621 in Besitz der Niederlande1114. Im Jahr 1663 wurde die Insel von dem Engländer William Hampton erworben1115. Dessen Erben hatten sie während des Holländischen Krieges im Jahr 1672 unter den Schutz des Gouverneurs der Leeward Islands, William Stapleton gestellt unter dem Vorbehalt, dass sie die Insel nach Beendigung des Krieges zurück erhalten sollten, was jedoch nie geschah. Im Herbst 1686 hatte König Jakob II. die Restitution der Insel befohlen, was wegen der kurz darauf in England ausgebrochenen Unruhen nicht erfolgt war. Darauf schlossen am 25. Juni 1695 Hamptons Erben mit einem Engländer namens Joseph Shepherd, der als Bevollmächtigter der BAAC agierte, einen Kaufvertrag, in dem vereinbart wurde, dass die Insel an die BAAC gegen Zahlung von 3.500 Gulden verkauft werden sollte, sobald der König den Kurfürsten bzw. die BAAC in Besitz der Insel 1111

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1, S. 139ff und S. 150ff. StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1, S. 169. 1113 Schück I, S. 240f. 1114 Rella: Fort, S. 163f. 1115 Cal.-Col. XV, S. 201f Nr. 382.I. 1112

243

gesetzt hatte1116. Bereits im März 1695 hatte Kommerzien-Direktor Pedro van Belle auf St. Thomas die Vollmacht erhalten, Tortola zu besetzen, dort Logen und Festungen anzulegen, den Handel zu regulieren und alles weitere zu unternehmen, was im Interesse der BAAC lag. Van Belle machte von dieser Vollmacht jedoch keinen Gebrauch. Im April 1697 wandte er sich an den britischen Gouverneur der Leeward-Islands, Lord Codrington, und bat darum, falls von Auskunft aus London über Tortola verlangt würde, sich für die BAAC einzusetzen1117. Codrington versprach darauf van Belle entsprechende Unterstützung, da er in der BAAC einen wertvollen Verbündeten sah1118. Dass die BAAC Tortola dennoch nicht in Besitz nehmen konnte, lag in den politischen Verhandlungen in Europa begründet. Zum einen gelang es den beiden brandenburgischen Gesandten Dobrzenski und Danckelmann nicht, eine Anerkennung der Ansprüche zu erreichen. Danckelmann übergab dem König ein entsprechendes kurfürstliches Gesuch, worauf er allerdings zur Antwort erhielt, dass es der König an das Board of Plantations weitergeleitet hatte. Ein gleichartiges Schreiben ging an Gouverneur Codrington1119. Zusätzlich hatte der Kurfürst angeboten, 1.000 bis 2.000 £ Sterling für Besitzansprüche an Tortola zu zahlen. Das Board of Plantations wollte jedoch erst einen entsprechenden Bericht aus Antigua abwarten, bevor es eine Entscheidung treffen wollte 1120 . Im Frühjahr 1698 teilte Dobrzinski dem Kurfürsten mit, dass das Board of Plantations nicht bereit sei, Tortola an Brandenburg abzutreten 1121. Der zweite Grund war allerdings deutlich gravierender. In den Jahren 1696 und 1697 wurde nur jeweils ein Schiff für die Fahrt nach Westindien ausgerüstet. Damit standen der BAAC nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um den Plan von 1695 auszuführen, obwohl Gouverneur Codrington die Duldung einer brandenburgischen Präsenz auf Tortola ausdrücklich zugesichert hatte. Offenbar hatte man in Emden und Berlin nicht erkannt, dass hoheitliche Fragen in der Karibik einen weitaus geringeren Stellenwert hatten als in Europa. Die Inbesitznahme der für England unwichtigen Insel durch die BAAC hätte kaum Auswirkungen gehabt, selbst dann nicht, wenn es der BAAC gelungen wäre, wie auf St. Thomas einen florierenden Handelsplatz zu etablieren. Davon hätten auch die englischen Kolonien auf Antigua, Montserrat, St. Kitts und Nevis profitiert. Gegenüber dem niederländischen St. Eustachius bot Tortola dazu noch den Vorteil, dass es hier bereits Ansätze von einer funktionierenden Plantagenwirtschaft gab, die nur deshalb nicht expandierte, weil die RAC weder deren Versorgung mit Sklaven noch den Abtransport der Handelswaren sicherstellen konnte. Es ist anzunehmen, dass die teils niederländischen und teils englischen Pflanzer die Brandenburger ebenso unterstützt hätten, wie es auf St. Thomas und St. Croix der Fall war, vorausgesetzt, die BAAC hätte es geschafft, den 1116

Schück I, S. 244. Cal.-Col. XV, S. 201f Nr. 382/VIII. 1118 Schück I, S. 245. 1119 Cal.-Col. XI, S. 310 Nr. 596. 1120 Cal.-Col. XI, S. 316 Nr. 613. 1121 Schück I, S. 244. 1117

244

regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen der Karibik und Europa bzw. Afrika zu gewährleisten. Dies ist daran ersichtlich, dass es der BAAC im Jahr 1696 gelang, völlig unbehelligt die Insel St. Croix in Besitz zu nehmen, nachdem sie bereits mehrere Jahre zuvor friedlich Handel mit den Franzosen getrieben hatte. Obwohl Brandenburg-Preußen und Frankreich in Europa zu dieser Zeit Kriegsgegner waren, hatte 1693 der französische Gouverneur in Westindien eben diesen um Kooperation gebeten. Das bedeutet, dass Feindschaft in Europa nicht zwingend gute Kontakte in Übersee zunichte machen musste. Im Januar 1696 wurden alle französischen Einwohner auf St. Croix nach St. Domingue evakuiert, um diese für Frankreich wertvollere Kolonie besser gegen englische Übergriffe schützen zu können. Damit war St. Croix jedoch nicht entvölkert, denn die niederländischen und hugenottischen Pflanzer waren von der Umsiedlung nicht betroffen. Es fehlte aber eine offizielle Verwaltung und ein adäquater militärischer Schutz. Diese Chance wollte Kommerzien-Direktor Pedro van Belle nicht ungenutzt verstreichen lassen. Am 20. Januar 1696 schickte er die Fortuna unter dem Kommando von Kapitän Jan Thomas mit zwanzig bewaffneten Männern, dem Sekretär Antzitsema und seinem Stellvertreter Josef Bordeaux nach St. Croix und ließ die Insel im Namen des Kurfürsten in Besitz nehmen1122. Am folgenden Tag gingen der Kapitän, der Sekretär, der Assistent und vierzehn Männer an Land, pflanzten die brandenburgische Fahne auf und vergruben darunter in einer in einem Holzkasten verpackten Flasche eine Kommission, welche die Besitzansprüche Brandenburg-Preußens auf St. Croix kenntlich machen sollte. Am Abend fuhren sie dann wieder nach St. Thomas zurück. Dass Brandenburg-Preußen nicht nur den Handel in der Karibik im Auge hatte, sondern dort auch militärische Interessen verfolgte, ist an einem anderen Projekt ersichtlich, welches von Raule im Jahr 1702 ausgearbeitet wurde 1123 . Demnach sollte die BAAC die Wirren des Spanischen Erbfolgekrieges dazu nutzen, einen oder mehrere spanische Stützpunkte in Westindien zu überfallen und in ihren Besitz zu bringen oder Jagd auf französische Schiffe zu machen. Um das Vorhaben abzusichern, wurde im Dezember 1702 ein Rezess mit Österreich geschlossen, in dem unter anderem geklärt wurde, dass der Kaiser nach Friedensschluss den Preußen die gleichen Vorteile und Privilegien in Westindien einräumen wollte wie den Engländern und den Niederländern. Dabei wurde jedoch zur Bedingung gemacht, dass sich Preußen erfolgreich einem der spanisch-amerikanischen Stützpunkte bemächtigen könnte 1124 . Tatsächlich plante man die Ausrüstung mehrerer Schiffe in Emden. Der Plan kam jedoch nicht zur Ausführung, da König Friedrich I. sich weigerte, einen finanziellen Vorschuss über 100.000 Reichstaler zu leisten. Wie im Fall der Inbesitznahme der Krabbeninsel folgten auch nach der Okkupation von St.

1122

Schück I, S. 294. GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 200-202. 1124 Schück I, S. 273. 1123

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Croix keine weiteren Schritte, um den Besitzanspruch zu festigen. Der Bericht, den van Belle kurz darauf nach Europa schickte, wurde sogar erst im Jahr 1712 in Berlin bekannt, nachdem ein Erwerb der Insel von Frankreich von neuem in Betracht gezogen wurde. Einmal mehr machte der unregelmäßige Schiffsverkehr und Frankreichs deklamatorischer Anspruch auf St, Croix während der Friedensverhandlungen von Rijswyck der handelspolitisch vernünftigen Vorgehensweise van Belles den Garaus. Dabei hatte Friedrich III. 1699 noch versucht, St. Croix gegen Arguin einzutauschen 1125 . Auch während der Friedensverhandlungen von Utrecht mühte sich Preußen vergeblich um den Erwerb von St. Croix. König Friedrich Wilhelm I. wies von Knyphausen an, beim französischen Hof eine entsprechende Anfrage einzureichen. Friedrich Wilhelm I. rechnete nicht mit fruchtbaren Verhandlungen, deshalb wies er Bordeaux und Horst auf St. Thomas an, allen Personen, die sich unter preußischer Obhut auf St. Croix niederlassen wollten, die Erlaubnis dazu erst nach Abschluss der Verhandlungen zu erteilen. Zu diesem Zeitpunkt war das Engagement Friedrich Wilhelms I., durch den Erwerb einer eigenen Insel den Überseehandel wieder aufzunehmen, durchaus ernst gemeint. Er wollte nicht nur den Handel stärken, sondern auch durch interessierte Siedler dort Plantagen anlegen lassen und sagte BAAC-Bediensteten auf St. Thomas entsprechende Hilfe zu1126. Zu diesem Zeitpunkt betrachtete er den Überseehandel noch nicht als „Chimäre“. Dies sollte sich erst mit der Affäre um den in preußischen Diensten stehenden Agenten Bernhard van Santen ändern, als der mangelnde Respekt einer verbündeten Nation vor der preußischen Flagge außerhalb europäischer Gewässer deutlich wurde. Die Kosten und das Risiko, die mit einem erneuten und intensiveren Engagement verbunden gewesen wären, hatten den König von weiteren Investitionen und der Vergabe weiterer Privilegien Abstand nehmen lassen, weshalb er den Versuch, St. Croix in seinen Besitz zu bringen, endgültig aufgab.

1125 1126

GStA Rep. 65 Nr. 78 Blatt 21-35. Schück I, S. 294.

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Kapitel 5. Organisation und Durchführung des Sklavenhandels

5.1 Die Anfänge

Brandenburg-Preußen war, als es im letzten Viertel des 17. Jahrhundert mit dem Sklavenhandel begann, der letzte europäische Staat, der den Einstieg in den lukrativen Handel mit Afrika und Westindien suchte. Auch hier bedeutete die Teilnahme am Überseehandel von Beginn an auch die Teilnahme am transatlantischen Sklavenhandel, obwohl in Brandenburg-Preußen durch das Fehlen einer überseeischen Plantagenkolonie die BAC nicht dazu gezwungen wurde, diese mit Sklaven versorgen zu müssen. Ohne Kolonien oder zumindest eigene Handelsstützpunkte in Westafrika und in Amerika war der erfolgreiche Absatz von Sklaven nicht nur schwierig, sonder auch gefährlich, da die bereits etablierten europäischen Handelskompanien ihre Monopole eifersüchtig bewachten und versuchten, jede Konkurrenz bereits im Keim zu ersticken. Dennoch war man in BrandenburgPreußen fest entschlossen, von Anfang an die Möglichkeiten des Sklavenhandels zu testen. Die Erlöse, die man sich aus dem Handel mit Sklaven erhoffte, sollten zur Finanzierung der Kosten der ausgerüsteten Schiffe dienen und, falls dabei Gewinne erzielt wurden, als Anreiz dazu dienen, noch mehr Schiffe auszurüsten. Im Juli 1680 ließ Raule die erste Expedition, bestehend aus den beiden Schiffen Morian und Wappen von Brandenburg auf eigene Rechnung, aber unter brandenburgischer Flagge nach Afrika ausrüsten. In der Instruktion, die der Kapitän Joris Bartelsen vom Kurfürsten erhielt, ermächtigte diesen ausdrücklich, an der afrikanischen Küste Gold, Elfenbein, Getreide, Sklaven und was ihm sonst noch lukrativ erschien, einzuhandeln1127. Wahrscheinlich hatte Raule bereits bei dieser ersten Expedition die Errichtung eines befestigten Handelsstützpunktes im Sinn. Im Mai 1681 schlossen Kapitän Blonck und die auf der Morian mitgereisten Kaufleute von der Becke und van de Geer mit drei Häuptlingen am Kap der drei Spitzen einen Handels- und Schutzvertrag. Darin verpflichteten sich die Vertreter Raules und des Kurfürsten, innerhalb von acht bis zehn Monaten zurückzukehren, um einen befestigten Handelsposten zu errichten 1128. Von den eingehandelten Sklaven sollten ein halbes Dutzend im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren nach Europa gebracht werden. Der Rest sollte in Cadiz, Lissabon, auf den Kanarischen Inseln oder wo immer es Bartelsen und Blonck lukrativ erschien, verkauft werden. Der Verkauf in Westindien war nur eine von mehreren Optionen. Dort waren zwar die höchsten Erlöse zu erwarten, aber das Risiko, dass die Schiffe in Westindien wegen Schleichhandel beschlagnahmt werden konnten, machte auch den Verkauf auf den europäischen Märkten trotz geringerer Margen ebenfalls attraktiv. Es gelang jedoch nicht, auf dieser ersten Expedition Sklaven einzuhandeln. Weil es der WIC im Vorfeld nicht 1127 1128

Schück II, S. 95f Nr. 46. Schück II, S. 100ff Nr. 51a und 51b.

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gelungen war, durch politische Intervention den Einstieg Brandenburg-Preußens am Einstieg in den Überseehandel zu verhindern, versuchte sie es nun mit Gewalt. Im Januar 1681 wurde die Wappen von Brandenburg von zwei Schiffen der WIC nach einer Visitation beschlagnahmt und nach Elmina gebracht. Als Begründung gaben die Verantwortlichen die niederländische Herkunft des Kapitäns und der Ausrüster des Schiffes an. Offenbar hatte der Gouverneur von Elmina mit der Wegnahme der Wappen von Brandenburg eine Order aus Europa ausgeführt, denn weder aus dem vom Kurfürsten ausgestellten Seepass noch aus dessen Instruktion ging hervor, dass die Wappen von Brandenburg von Niederländern ausgerüstet worden war. Im Sommer 1681 kehrte die Morian mit 100 Pfund Goldstaub und 10.000 Pfund Elfenbein nach Europa zurück. Noch bevor die Morian in Europa eingetroffen war und die Nachricht über die Kaperung der Wappen von Brandenburg überbrachte, war ein weiteres Schiff, die Fortuna von dem aus Vlissingen stammenden Kaufmann Gillis Royaert mit einer Ladung im Wert von 50.000 Reichstaler ausgerüstet worden. Auch dieses Schiff wurde von der WIC beschlagnahmt. Kurz zuvor waren zwei weitere Schiffe nach Afrika gesegelt. Eins davon, die Brandenburgischer Dragoner, wurde von Raule ausgerüstet, das zweite, die Kurprinz von Brandenburg, fuhr auf Kosten von Johann Pedy, einem von Kurfürsten zum Rat und Kommissar ernannter Kaufmann aus Rotterdam, nach Afrika. Im Frühjahr und Sommer 1682 wurde sogleich die nächste Expedition ausgerüstet, die wieder aus zwei Schiffen, der Morian und der Kurprinz von Brandenburg bestand. Beide Schiffe hatten eine umfangreiche Ladung an Bord, die zur Durchführung von drei Aufträgen dienen sollte. Zum einen war nach der erneuten Kontaktaufnahme mit den Häuptlingen am Kap der Drei Spitzen alles nötige Material zur Gründung eines befestigten Handelsstützpunktes an Bord. Dies waren Ziegelsteine zur Errichtung der Gebäude, alle dafür notwendigen Werkzeuge und Handwerker sowie die Bewaffnung. Zweitens hatten beide Schiffe Waren geladen, um an der westafrikanischen Küste Handel treiben zu können. Das Sortiment bestand u. a. aus 2.100 Eisenbarren, 840 Pfund Kupferbarren, ca. 4.000 Pfund Kupferarmbänder, 3.400 Pfund Messingkessel, 6.650 Spiegel, 4.750 Pfund Korallen, 1.880 Stück Leinen, 1.277 Stück Wolltuch, 240 Karabiner und 600 Musketen. Drittens hatte die Kurprinz von Brandenburg alles an Bord, was man für den Transport und den Unterhalt einer Ladung Sklaven benötigte, dies waren ein großer Kessel für die Zubereitung der Mahlzeiten, eine Trommel, 50 Pfund Tabak und 200 Fußeisen für die Fixierung der Sklaven 1129. Die Trommel sowie diverse andere Musikinstrumente und der Tabak wurden dazu gebraucht, die Moral unter den Sklaven zu heben. In den Instruktionen des Kapitäns Matthias Voss war festgelegt, dass die beiden Schiffe gemeinsam zum Kap der Drei Spitzen segeln und sich dann dort trennen sollten. Die Morian sollte mit ihrer Fracht an der Küste solange Handel treiben, bis möglichst alle aus 1129

StaE Reg. 1 Nr. 297b: Rechnung über das Schiff und Ladung der Fregatte Kurprinz zur Abfahrt nach Guinea, Emden den 6./16. Juli 1682.

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Europa mitgebrachten Waren eingetauscht worden waren. Die Mission der Kurprinz von Brandenburg bestand darin, den zum militärischen Kommandanten der Expedition ernannten Major Otto Friedrich von der Gröben während den Verhandlungen mit den Afrikanern zu unterstützen und beim Aufbau des Stützpunktes behilflich zu sein. In den kurfürstlichen Instruktionen wurden sowohl Voss als auch von der Gröben angewiesen, sich gegen eventuelle Übergriffe durch die WIC mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen, aber von den anderen europäischen Stützpunkten entfernt zu halten, damit ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden konnte, Schleichhandel zu treiben 1130 . Zusätzlich erhielt Voss den Auftrag, 500 Sklaven einzuhandeln und diese in der niederländischen Kolonie Berbice zu verkaufen 1131 . Dazu hatte Raule zuvor eigens mit dem niederländischen Kaufmann Abraham van Pere einen Liefervertrag geschlossen. Van Peres Familie hatte um 1620 mit dem Aufbau einer niederländischen Kolonie in Guyana begonnen. Dorthin hatten sich nach ihrer Vertreibung auch niederländische Siedler aus Brasilien geflüchtet, welche dort den Anbau von Zuckerrohr etablierten. Um die Plantagen mit Sklaven zu versorgen, schlossen van Pere und dessen Gouverneur Bourse Lieferverträge mit einzelnen Sklavenhändlern ab. Dies funktionierte bis zum Jahr 1684, danach wurde auch Berbice in das Monopol der WIC mit einbezogen 1132. Voss nahm in Afrika voraussichtlich 334 Sklaven an Bord und lieferte vertragsgemäß 254 Sklaven in Berbice ab 1133 . Der Erlös betrug 10.076 Reichstaler bei einem Verkaufspreis von 60 Reichstaler pro verkauften Sklaven, dazu kam noch eine kleine Portion Goldstaub im Wert von 300 Reichstaler1134. Das Geld floss jedoch nicht direkt an die inzwischen gegründete BAC, sondern in Form eines Schuldscheins, der noch Ende 1687 nicht eingelöst werden konnte1135. Bereits im folgenden Jahr wurden weitere Schiffe für die Fahrt nach Großfriedrichsburg ausgerüstet. An Bord befanden sich die Garnison für die Festung und Waren für den Tauschhandel. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Metallwaren aller Art, diverse Textilien und Waffen nebst Munition. Der Umschlag der Handelsgüter war schon im ersten Jahr des Bestehens von Großfriedrichsburg sehr rege. Aus einer Abrechnung aus dem Jahr 1684 geht hervor, dass auf die BAC auf Großfriedrichsburg Waren mit einem Verkaufswert von 22.649 Gulden umsetzen konnte, die zuvor in Europa für 8.970 Gulden eingekauft worden waren1136. Den größten Tauschwert hatten dabei Feuerwaffen, Spiegel und sog. „Spanish Neptunes“, Messinggefäße unterschiedlicher Größe und Form1137. Sie konnte zum dreibis fünffachen Wert eingetauscht werden. Damit war der Handel mit Gütern ebenso einträglich wie 1130

Schück II, S. 129ff Nr. 64 und 65. GStA Rep. 65 Nr. 33, Blatt 212-217. 1132 Jones: Brandenburg Sources, S. 19 Anm. 6. 1133 TSTD2 Nr. 21960: Weindl: Kurbrandenburger, S. 79. 1134 Schück II, S. 191ff Nr. 80e 1135 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 265-268. 1136 Jones: Brandenburg Sources, S. 78 Nr. 11. 1137 Hamann, Nicole Lea: Forging an Atlantic World: An Historical Archaeological Investigation of African-European Trade of Metal-Wares, Pensacola 2007, S. 107ff. 1131

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der Sklavenhandel, allerdings vorausgesetzt, dass die Einnahmen auch nach Europa gelangten und von den Bediensteten der Kompanie korrekt verbucht wurden.

5.2. Bemühungen um den Asiento de Negros

Der aus dem Spanischen stammende Begriff Asiento bezeichnete zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert einen Vertrag zwischen der spanischen Krone und einer Privatperson bzw. einer Kompanie, durch den die Krone dem Vertragspartner für einen festgelegten Zeitraum die Bewirtschaftung eines bestimmten Handelsgutes als Monopol verpachtete 1138 . Asientos wurden oftmals in Verbindung mit Staatsschulden geschlossen. Das bedeutete, dass der Geldgeber für den Erwerb staatlicher Schuldverpflichtungen statt einer Rückzahlung einen Asiento bekam, also ein Handelsmonopol für ein bestimmtes Gut bzw. für eine bestimmte Gegend. Große Bedeutung erlangte der Asiento für die Wirtschaft der spanisch-amerikanischen Kolonien, da er der Krone feste Einnahmen und die Versorgung der Gebiete mit bestimmten Waren sicherte bzw. sichern sollte, während das Risiko des Handels beim Vertragspartner lag. Außerdem schien sich über die Vergabe von Asientos das koloniale Monopolsystem, das den Handel mit den neu entdeckten Gebieten ausschließlich Kastiliern reservierte, besser kontrollieren und durchsetzen zu lassen. Angesichts des steigenden Bedarfs nach versklavten Arbeitskräften in Amerika und fehlender eigener Handelsposten in Afrika, sah sich die spanische Administration schon bald nach einer ersten Konsolidierung der Macht in den neu entdeckten Gebieten genötigt, das amerikanische Monopolsystem dahingehend aufzuweichen, dass man den so genannten Asiento de Negros, also das Privileg, schwarze Sklaven nach Amerika liefern zu dürfen, auf ausländische Kaufleute übertrug. Von Anfang an unterwarf die spanische Krone entgegen den Wünschen der Siedler die Einfuhr schwarzer Arbeitskräfte einer strengen Kontrolle. Auf diese Weise ließ sich nicht nur der Zuzug kontrollieren. Die für die Einfuhr schwarzen Personals zu entrichtenden Gebühren brachten der königlichen Kasse auch eine beachtliche Einnahmequelle. Als der Arbeitskräftemangel in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer offenkundiger wurde, ging die Krone dazu über, Günstlingen Sklaveneinfuhrlizenzen zu erteilen. Allerdings besaßen die Begünstigten oftmals keine Erfahrungen im Sklavenhandel und nutzten ihre Lizenzen zur Spekulation. Das Ergebnis war ein schwunghafter Handel mit Einfuhrlizenzen über eine bestimmte Anzahl schwarzer Sklaven, ohne den Arbeitskräftemangel in der Neuen Welt tatsächlich zu beheben. Erst die 1580 erfolgende Vereinigung Portugals und Spaniens unter einer Krone, bot die Möglichkeit, die Versorgung der 1138

Weindl, Andrea: Der transatlantische Sklavenhandel im zwischenstaatlichen europäischen Vertragsrecht der Frühen Neuzeit, in: Publikationsportal Europäische Friedensverträge, hrsg. vom Institut für Europä ische Geschichte, Mainz 2008-11-18, Abschnitt 1–16. URL: . URN: (aufgerufen am 06.05.2010).

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Neuen Welt mit schwarzen Arbeitskräften in erfahrene Hände zu legen, ohne dieses Geschäft fremden Kaufleuten übertragen zu müssen. Grundsätzlich war der Amerikahandel allein den kastilischen Kaufleuten vorbehalten, so dass andere Untertanen des spanischen Königs ebenso vom Handel mit Spanisch-Amerika ausgeschlossen blieben wie Untertanen anderer Monarchen oder Republiken. Man hätte den Asiento de Negros unter denselben rechtlichen Prämissen also auch Engländern, Niederländern oder Franzosen überschreiben können. Allerdings befand sich Spanien mit all diesen Mächten immer wieder im Kriegszustand, so dass es kaum wünschenswert erschien, den lukrativen Handel an Untertanen verfeindeter Mächte zu übertragen. Natürlich sollte auch das amerikanische Staatsgebiet vor fremden Begehrlichkeiten geschützt werden. Benjamin Raule hatte klar erkannt, dass ohne eigene Stützpunkte in Westafrika und in der Karibik die Beteiligung Brandenburg-Preußens am transatlantischen Sklavenhandel ohne Aussicht auf Erfolg oder zumindest ein unkalkulierbares Risiko bleiben musste, zugleich aber genau das Marktsegment war, in dem sich die höchsten Gewinne erzielen ließen. Weil für den brandenburgischen Überseehandel ein eigener Dreieckspunkt in der Karibik fehlte, war Raule zunächst dazu übergegangen, Lieferverträge mit niederländischen Kaufleuten abzuschließen, die das Monopol der WIC nicht beeinträchtigten. Ähnlich wie später die BAC auf St. Thomas die Unterversorgung mit Sklaven in der nördlichen Karibik, besonders auf den Leeward Islands ausnutzen konnte, beabsichtigte Raule, davon zu profitieren, dass die noch im Aufbau befindliche niederländische Kolonie Surinam nicht von den Schiffen der WIC angelaufen und somit nicht mit Sklaven und anderen notwendigen Gütern versorgt wurde. Eine äußerst lukrative Möglichkeit zur Partizipation am Sklavenhandel bot sich Raule im Jahr 1681. Die aus Rotterdam stammenden Kaufleute Balthasar und Johann Coymans und der in ihren Diensten stehende Faktor auf Curacao, Joshua van Belle, der Vater des späteren brandenburgischen Kommerzien-Direktors auf St. Thomas, Pedro van Belle, waren an Raule herangetreten, um mit ihm über einen Sklavenliefervertrag zu verhandeln. Sie hatten Raule angeboten, dass dieser anstelle der WIC ihnen jährlich 6.000 Sklaven liefern sollte. Sie machten jedoch zur Bedingung, dass Raule dazu von den Dänen die Insel St. Thomas erwerben sollte1139. Raule und der Marinerat Pedy schlugen darauf dem Kurfürsten vor, von den Dänen die Insel für 40.000 Gulden zu kaufen oder auf andere Art dafür zu sorgen, dort Sklavenhandel betreiben zu können. Nach Meinung der beiden Coymans-Brüder sollte auf diese Weise der Überseehandel auf Kosten der WIC auf eine einträgliche Basis gestellt werden. Für Raule dürften dabei nicht nur die zu erwartenden großen Gewinne ein Motiv gewesen sein, obwohl er bei jeder sich bietenden Gelegenheit beim Kurfürsten darauf hinwies, dass „... der Sklavenhandel die source allen Reichtums ist, den die Spanier aus ihren Indien holen...“1140. Ihm ging es auch darum, 1139 1140

GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 229-232. Schück I, S. 192.

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der WIC größtmöglichen Schaden zuzufügen. Raule sah in der Aufnahme des Sklavenhandels ein Druckmittel, welches sich gegen die übermächtige Konkurrenz der WIC einsetzen ließ. Während den Verhandlungen in Den Haag wegen der Streitigkeiten zwischen der BAC und der WIC sah Raule sich offenbar nicht ohne Stolz als meist gehasste Person in den Niederlanden, da es ihm gelungen war, durch den Einstieg Brandenburg-Preußens in den transatlantischen Sklavenhandel die WIC in ihrem Kerngeschäft zu treffen, obwohl der Umfang des brandenburgischen Sklavenhandels zu diesem Zeitpunkt noch sehr gering war1141. Durch die Tatsache, dass die spanische Krone über keine eigenen Stützpunkte in Westafrika verfügte, blieb sie auf die Versorgung ihrer amerikanischen Kolonien durch fremde Mächte angewiesen. Auch war die Vergabe des Asientos eine wichtige Einnahmequelle. Die Brüder Balthasar und Johann Coymans waren zu dieser Zeit Inhaber des Asiento de Negros. Damit hatten sie das Exklusivrecht zur Versorgung der spanischen Kolonien mit Sklaven. Seit etwa 1670 hatte Spanien erhebliche Schwierigkeiten, die in den Bergwerken und Plantagen ihres gesamten Kolonialreichs benötigten Arbeitskräfte zu beschaffen. Die Genuesen Grillo und Lomelin, die den Asiento von 1662 bis 1669 innehatten, konnten ihrerseits die vereinbarten Lieferungen nur dadurch erfüllen, indem sie die Sklaven bei den Niederländern auf Curacao einkauften 1142 . Aus diesem Grund verloren die beiden 1674 den Asiento, da die Casa della Contratacion in Sevilla und nicht zuletzt die spanische Inquisition eine Beteiligung von Gegnern Spaniens und Häretikern verhindern wollten. Der eigentliche Grund für den Verlust des Asientos war jedoch die Tatsache, dass beide im Jahr 1670 in schwere finanzielle Nöte gerieten 1143 . Der Asiento ging darauf an den portugiesischen Kaufmann Antonio Garcia. Dieser machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Geschäfte zu tarnen, sondern verließ sich von Anfang an auf englische und niederländische Zwischenhändler. Carcia war jedoch ein ähnliches Schicksal beschieden wie dessen Vorgängern, auch er verlor den Asiento aufgrund der offenen Kooperation mit der RAC und der WIC. Sogar das Kapital, mit dem die Sklaven in Afrika eingekauft wurden, stammte aus den Niederlanden, nämlich vom Bankhaus Coymans. Spanien vergab darauf 1678 den Asiento wiederum an zwei genuesische Kaufleute, Juan Barroso und dessen Schwiegersohn Nikolas Porcio1144 . Sie schlossen kurz darauf einen Vertrag über die Lieferung von 6.500 Sklaven nach Curacao ab, worauf die WIC umgehend sechs Schiffe zur Verfügung stellte. Weitere Lieferverträge folgten, so dass der Asiento bei der WIC in den Jahren von 1679 bis 1687 für stabile Einnahmen

1141

Schück I, S. 210. Donnan, Elizabeth: Documents Illustrative of the History of the Slave Trade to America, 4 Bände, New York 19301935, hier: Band 1, S. 106f. 1143 Postma: Dutch Slave Trade, S. 34f 1144 Postma: Dutch Slave Trade, S. 37f. 1142

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sorgte 1145 . Porcio sollte auf spanischer Seite als „Apoderado General“ die Abwicklung des Zwischenhandels organisieren. Dessen Partner und zugleich Coymans Beauftragte waren die in Curacao ansässigen Faktoren Balthasar van Becke, Joshua und dessen Sohn Pedro van Belle1146. Joshua van Belle war ab 1690 auch Aktionär der BAC, Pedro vertrat ihn von 1685 bis 1687 auf Curacao. Als Pedro van Belle nach Cadiz zurückkehrte, wurde er wegen angeblichen Betruges angeklagt und musste in die Niederlande flüchten1147. Wahrscheinlich hatte er Gelder, die für die spanische Krone bestimmt waren, unterschlagen oder die Abrechnungen gefälscht. Im November 1682 kam es auf Curacao zu Problemen zwischen der WIC und den Asiento-Agenten. Porcio hatte offenbar an den Verträgen mit der WIC vorbei auch über seinen Verbindungsmann Santiago Castillo auf Jamaika Sklaven beschafft, wobei Castillo eng mit der RAC zusammenarbeitete, die sich ebenfalls seit geraumer Zeit um Lieferverträge aus dem Asiento bemühte1148. Ab 1683 bemühte sich Benjamin Raule direkt um den Asiento. Im Juli meldete er dem Kurfürsten, dass er Kontakt zum spanischen König aufgenommen hatte, um von ihm die Erlaubnis einzuholen, pro Jahr 2.000 bis 3.000 Sklaven in den spanischen Kolonien in Westindien verkaufen zu dürfen. Um nicht den Anschein zu erwecken, das Monopol zu unterlaufen, plante Raule, die Sklaven an einen neutralen Ort in Westindien zu bringen, wo die Spanier die Sklaven dann übernehmen konnten1149. Weil die BAC zu dieser Zeit noch keinen eigenen Handelsstützpunkt in der Karibik besaß und die Verhandlungen mit Dänemark wegen St. Thomas erst 1685 zum Abschluss gekommen waren, kam es zu keinem Vertragsabschluss mit Spanien. Zudem wurde der Asiento bereits von den Coymans-Brüdern verwaltet.

Im Jahr 1686 erreichte Raule durch die

Vermittlung von Joshua van Belle eine Vereinbarung, wonach die BAC 400 bis 450 Sklaven nach St. Thomas liefern sollte, wo sie dann von den Spaniern gegen Barzahlung abgeholt werden sollten1150. Anscheinend hatte Raule mehrfach größere Mittel aufgewendet, um in den Besitz von Lieferverträgen zu kommen, wobei er, abgesehen von kleineren Kontingenten, zunächst erfolglos blieb. Deshalb warfen ihm die Emder Partizipanten in einer Beschwerde über dessen Geschäftspraktiken an Kurfürst Friedrich III. im Jahr 1689 vor, viele Tausend Reichstaler seien auf sein Vorgeben von dem Abschluss eines Sklavenliefervertrages mit den spanischen Asientos vergeudet worden, während er selbst hatte eingestehen müssen, dass er diese nur als Entwurf in den Händen gehabt hätte1151. Bis zum Jahr 1685 lief der Sklavenhandel der WIC aus dem Asientovertrag ausschließlich 1145

Postma: Dutch Slave Trade, S. 41. Donnan: Documents I, S. 327. 1147 Jones: Brandenburg Sourches, S. 181 Anm.2. 1148 Weindl, Andrea: Wer kleidet die Welt, S. 224. 1149 GStA Rep. 65 Nr. 37, Blatt 111 (siehe Anhang I Nr. 6). 1150 Schück II, S. 299-309 Nr. 118. 1151 Schück I, S. 227. 1146

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über Curacao. Die Sklaven wurden auf Schiffen der WIC angeliefert, über Kaufleute bzw. Faktoren, die in Diensten der Inhaber des Asientos standen, weiterverkauft und schließlich mit den Schiffen der Asientistas in die spanischen Kolonien gebracht1152. Obwohl die spanische Krone die Tatsache akzeptieren musste, dass ein Großteil der für die spanischen Kolonien bestimmten Sklaven auf Curacao eingekauft und auch von der WIC angeliefert wurde, war es ihr bislang gelungen, direkte Vertragsabschlüsse mit der WIC bzw. den Generalstaaten zu vermeiden. Erst im Jahr 1685 wurde der WIC erlaubt, mit zwei Schiffen pro Jahr die Häfen Veracruz, Portobello oder Cartagena anzulaufen1153. Als Barroso 1683 starb, war Porcio alleiniger Inhaber des Asiento. Allerdings wurde er kurz darauf des Betrugs überführt und eingesperrt. Balthasar Coymans hatte maßgeblich dazu beigetragen, Porcio zu diskreditieren und konnte darauf den Asiento selbst übernehmen. Obwohl Übernahme des Asiento nicht unumstritten war, konnte Coymans seine Position behaupten, da er sowohl das Kapital als auch die Verbindungen besaß, um den Sklavenhandel auf einer sichern Basis betreiben zu können1154. Solange der Asiento in Coymans´ Händen lag, war die Stellung der WIC als Hauptlieferant für Sklaven gesichert. Durch die niederländische Vormachtstellung in Afrika und die Auseinandersetzung der spanischen Krone mit Portugal wurde die WIC praktisch zur alleinigen Versorgerin der spanischen Kolonien mit Sklaven. Die Unregelmäßigkeiten, in die van Belle verwickelt war, stehen im Zusammenhang mit dem im Jahr 1686 eingetretenen Tod Balthasar Coymans, der in diesem Zusammenhang verlangten Rechnungslegung und den teilweise erfolgreichen Versuchen Porcios, der WIC ihre Gewinnanteile aus dem Sklavenhandel zu unterschlagen bzw. sie aus dem Geschäft zu verdrängen. Dazu hatte Porcio Jan Coymans 260.000 Pesos aus dem Erbe dessen Bruders vorenthalten. Als nächstes ließ er den Faktoren auf Curacao die Gehälter sperren sowie drei Sklavenschiffe festsetzen1155. Inzwischen Jan Coymans hatte den Fall vor die Kammer von Zeeland gebracht und der niederländische Botschafter in Madrid, Frances Falckenburgh, versuchte zu seinen Gunsten zu intervenieren. Pedro van Belle trat wahrscheinlich noch vor Beginn des Jahres 1690 in brandenburgische Dienste, sein Vater und der zweite ehemalige Faktor auf Curacao, Balthasar van Becke, sind zumindest bis 1698 als Hauptpartizipanten der BAAC nachgewiesen 1156. Ab 1692 war van Belle Kommerzien-Direktor der BAAC auf St. Thomas und seit diesem Zeitpunkt lieferten brandenburgische Schiffe über St. Thomas und St. Eustachius pro Jahr viermal 600 Sklaven an die Spanier1157. Zwischen 1690 und 1694 wurde demnach der Coymans-Asiento durch die Lieferungen brandenburgischer Sklavenschiffe abgewickelt, womit die BAAC zumindest zeitweise zwischen 1152

Postma: Dutch Slave Trade, S. 349ff. Postma: Dutch Slave Trade, S. 43. 1154 Postma: Dutch Slave Trade, S. 42. 1155 Donnan: Documents I, S. 364ff. 1156 GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 82. 1157 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 112ff. 1153

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1690 und 1693 die Lücke füllen konnte, die durch die verwirrende Situation im Asientohandel entstanden war. Teilweise war die Situation derart undurchsichtig, dass zeitweilig nicht einmal klar war, ob die Verträge der spanischen Krone mit Coymans bzw. dessen Nachfolger Carcau noch bestanden oder nicht. Im Herbst 1688 befanden sich auf Curacao über 5.000 Sklaven zum Verkauf, die nicht mehr innerhalb des Vertrags verkauf werden konnten, was im darauf folgendem Jahr schließlich dazu führte, dass Curacao zum offenen Markt erklärt und die Sklaven im gesamten karibischen Raum verkauft wurden1158. 1694 hatten Raule und Danckelmann einen weiteren Liefervertrag mit Spanien geschlossen 1159 . Raule berichtete dem Kurfürsten, dass er mit einem Kaufmann in Verhandlung getreten war, der einen Asiento vom spanischen König erhalten hatte und der BAAC gestatten wollte, jährlich 2.000 bis 3.000 Sklaven nach Spanisch-Westindien zu bringen. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem spanischen Kaufmann, mit dem Raule verhandelt hatte, entweder um Porcio, der seit dem Tod seines Schwiegervaters Barroso den Asiento allein innehatte, oder um dessen Nachfolger Bernardo Marin, der den Asiento offiziell seit 1692 und faktisch seit 1694 als Agent für die Portugiesische Afrika-Kompanie verwaltete 1160 . Noch im gleichen Jahr hatte das Bewindhaberkollegium den Kurfürsten um weitere Zuschüsse gebeten, da die finanzielle Situation der BAAC aufgrund des immer noch andauernden Pfälzischen Erbfolgekrieges sich zunehmend verschlechterte, da in dieser Zeit mehrere Schiffe durch französische Kaperfaher verloren gegangen waren. Die BAAC hatte Aussicht auf jeweils einen Vertrag mit den Portugiesen über die jährliche Lieferung von 1.500 Sklaven nach Cartagena und Porto Bello und den Franzosen über die Lieferung von 600 Sklaven jährlich nach Martinique und Guadeloupe1161. Die Abschlüsse dieser Verträge sollten ausgeführt werden, sobald die Gefahr durch Kaperfahrer zurückgegangen und die BAAC endlich in Besitz eines eigenen Handelsstützpunktes gekommen war. 1698 versuchte der Gouverneur von St. Domingue in Paris die Genehmigung für den Erwerb von 3.000 Sklaven auf St. Thomas einzuholen. Diese Genehmigung sollte für fünf Jahre Gültigkeit haben. Als die Franzosen die Kolonisierung einer kleinen Insel südlich von St. Domingue in Betracht gezogen hatten, sollten für den Aufbau der Kolonie 3.000 Sklaven und danach jährlich 200 Sklaven auf St. Thomas eingekauft werden1162. Entsprechende Verhandlungen mit Brandenburg-Preußen hatten jedoch nicht stattgefunden, wahrscheinlich hatte Ludwig XIV. das Gesuch nicht beachtet. Die Vergabe des Asiento in der letzten Dekade des 17. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl fluktuierender Verträge. So lag der Asiento ab 1696 in den Händen der 1158

Postma: Dutch Slave Trade, S. 44f. GStA Rep. 65 Nr. 61, Blatt 13-19. 1160 Postma: Dutch Slave Trade, S. 47. 1161 GStARep. 65 Nr. 61, Blatt 175-178. 1162 Munford, Clarence: The Black Ordeal of Slavery and Slave Trading in the French West Indies, 1625-1715, 2 Bände, hier: Band 2: The Middle Passage and the Plantation Economy, Lewiston 1991, S. 394. 1159

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portugiesischen Companhia de Cacheu. Zwischen 1698 und 1699 verhandelte die BAAC mit den Portugiesen um eine Beteiligung an ihrem Asiento. Der brandenburgische Gesandte in Lissabon, ein gewisser Bergier, meldete am 12. Februar 1698 dem Kurfürsten, dass die portugiesische AfrikaKompanie den jährlichen Handel von 3.000 Sklaven nach Cartagena und Veracruz gegen Campecheholz, Indigo und Kakao gestatten wollte, sich man in Lissabon aber nicht sicher wäre, ob die BAAC die Lieferung auch garantieren konnte. Einige Wochen später meldete Bergier nach Berlin, dass er weiterhin um einen Vertragsabschluss bemüht war1163. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen, obwohl Raule Anfang Februar dem Kurfürsten meldete, dass der Liefervertrag bereits abgeschlossen sei1164. Stattdessen war es der WIC bereits 1697 gelungen, mit den Portugiesen einen Vertrag über die jährliche Lieferung von 2.500 bis 3.000 Sklaven abzuschließen. Der Vertrag galt zunächst für zwei Jahre und wurde 1699 um weitere zwei Jahre verlängert. Ein Nebeneffekt des Liefervertrags mit den Portugiesen war, dass die WIC damit ihrem eigenen Sklavenhandel auf Curacao zu einem erheblichen Aufschwung verhelfen konnte, bevor der Asiento 1701 vorübergehend an die Franzosen vergeben wurde 1165 . Um die fehlende Beteiligung am Asiento auszugleichen, hatte die BAAC versucht, einen Liefervertrag mit niederländischen Interlopern zu schließen1166. Bei dem Versuch ist es offenbar geblieben, weitere derartige Vertragsschlüsse sind nicht nachweisbar. 1702 wurde letztmalig ein Versuch gemacht, mit den Franzosen einen Liefervertrag abzuschließen. Das Projekt sah vor, jährlich 1.500 Sklaven in die Karibik zu liefern. Ein Teil sollte nach St. Domingue zum Preis von 120 Piaster, der Rest nach Martinique zum Preis von 110 Piaster pro Piece d´India geliefert werden1167. Auch dieses Projekt scheiterte schließlich an der prekären finanziellen Situation der BAAC und ihrer Unfähigkeit, eine entsprechende Vorauszahlung zu leisten1168. Wie sehr Brandenburg-Preußen an vertraglich abgesicherten Sklavenlieferungen interessiert war, geht aus den Verhandlungen mit Dänemark über die Zulassung der BAC zum Handel auf St. Thomas hervor. Raule führte die Verhandlungen in Kopenhagen vor allem in Hinblick auf die Nutzung von St. Thomas als Zwischenlager in einem über Lieferverträge abgesicherten Sklavenhandel. Die Besiedlung von St. Thomas oder einer anderen Insel wurden so lange nicht berücksichtigt oder angestrebt, bis es zu ersten Schwierigkeiten mit den Dänen kam. Selbst nach den tatsächlich oder geplanten Okkupationen von St. Croix, der Krabbeninsel, Tortola, Tobago und St. Eustachius blieben in den Planungen der BAC die Vorteile eines ungestörten Handels dominierend gegenüber den Planungen, eigene Plantagenkolonien zu etablieren. Damit 1163

Weindl: Kurbrandenburger, S. 49 Anm. 250. Schück I, S. 252. 1165 Postma: Dutch Slave Trade, S. 47f. 1166 GStA Rep. 65 Nr. 77, Blatt 15. 1167 GStA Rep. 65 Nr. 77, Blatt152. 1168 GStA Rep. 65 Nr. 81, Blatt 200-202. 1164

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unterscheiden sich sowohl die Konzeption als auch die Voraussetzungen des Sklavenhandels Brandenburg-Preußens von den Bedingungen, unter denen die anderen europäischen Mächte den Sklavenhandel aufgenommen hatten. Für England, Frankreich, Spanien, Portugal und die Niederlande waren die eigenen Plantagenkolonien die wichtigsten Absatzmärkte. Erst in zweiter Linie versuchten sie, mit vertraglich geregeltem Sklavenhandel die unterversorgten Kolonien anderer Nationen zu beliefern. Hinzu kommt, dass die westindischen Kolonien und die afrikanischen Handelsstützpunkte von den europäischen Mächten in zunehmenden Maß als Teil des jeweiligen nationalen Territoriums gesehen wurden und sie damit zusammenhängend auch der zu dieser Zeit vorherrschenden merkantilistischen Ideologie folgend versuchten, ihre Konkurrenten im Handel mit den eigenen Kolonien die anderen Nationen auszuschließen. Um den Handel kontrollieren und möglichst hohen Profit erwirtschaften zu können, wurde dieser privilegiert. Die privilegierten Handelskompanien der frühen Neuzeit waren aber aus genau diesem Grund nicht fortlaufend in der Lage, den jeweiligen Bedarf ausreichend zu decken. Die geschlossenen nationalen Systeme konnten aufgebrochen werden, indem Schleichhändler die Monopolstellungen der Kompanien gefährdeten. Die Absatzmärkte richteten sich dadurch mehr nach dem Preisgefälle als nach den jeweiligen Besitzern der Inseln. Auf diese Weise konnte in Westindien ein Binnenmarkt entstehen, der auch von Nationen ohne eigene Plantagenkolonien wie BrandenburgPreußen bedient werden konnte. In den Jahren 1690 bis 1696 wurde die französische Kolonie auf St. Croix fast ausschließlich von der BAAC mit Sklaven beliefert. Die Sklaven wurden dazu nach St. Thomas gebracht, dort eingelagert und je nach Bedarf nach St. Croix verkauft. Auch die anderen Inseln der Gruppe der Jungferninseln, die zumeist unter britischer Herrschaft standen, bezogen viele ihrer benötigten Sklaven von der BAAC auf St. Thomas. Im Sommer 1692 kauften die Engländer auf St. Thomas 90 Sklaven, die sie mit acht Schiffen auf die Inseln Antigua, Nevis und Montserrat verteilten 1169 . Kurz zuvor waren die Inseln vom einer französischen Kaperflotte überfallen und geplündert worden und die verloren gegangenen Arbeitskräfte mussten möglichst schnell ersetzt werden. Deshalb bezahlten die Engländer für die Sklaven einen deutlich höheren Preis als auf St. Thomas üblich war. Für die BAAC war das Geschäft so lukrativ, dass sie sogar Sklaven aus einer für die Spanier bestimmten Lieferung an die Engländer verkaufte1170. Kurz darauf wurden von St. Thomas aus weitere 50 Sklaven nach St. Christopher geliefert 1171 . Im Jahr 1693 lieferte das brandenburgische Schiff Soetendal 335 Sklaven direkt nach St. Christopher. Der Verkauf brachte neben einer Rückfracht von 100 Tonnen Rohzucker noch 3.000 Reichstaler Gewinn1172. Die BAAC profitierte nicht zuletzt auch davon, dass es vom Beginn ihrer Präsenz auf St. 1169

Kellenbenz: St. Thomas, S. 204ff. StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2 S. 59. 1171 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2 S. 296. 1172 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 197-204; Protokolle XIII.3 S. 196; TSTD2 Nr. 21930. 1170

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Thomas bis zum Jahr 1698 überhaupt keinen und bis 1709 nur unzureichenden dänischen Sklavenhandel gab. Bis 1700 lassen sich nur zwei dänische Sklaventransporte nachweisen, folgerichtig waren deshalb auch die dänischen Pflanzer und deren eigene Westindien-Kompanie Kunden der BAAC1173. Besonders in ihrer Anfangszeit trug die BAAC maßgeblich dazu bei, dass die dänische Kolonie sich überhaupt entwickeln konnte. Der Gewinn, den die BAAC daraus zog, war so groß, dass man in Dänemark beschloss, selbst in den Sklavenhandel einzusteigen. Nachdem die Dänen die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden hatten, auf den ersten dänischen Sklaventransporten kamen 30 bis 50 Prozent der Sklaven ums Leben, konnten sie ihre karibischen Kolonien ab 1730 selbst mit Sklaven versorgen 1174. Der intensive Handel der BAAC mit Sklaven bedingte somit nicht nur den Aufstieg von St. Thomas zu einem der bedeutendsten Sklavenmärkte in der Karibik, sondern ermöglichte dort auch einen prosperierenden dänischen Zuckerrohranbau. Dazu hatte die BAAC St. Thomas zu einem voll ausgestatteten Handelsstützpunkt ausgebaut, mit einer ständigen personellen Präsenz, Magazinen für die Einlagerung von Waren und sogar einer Einrichtung für die Veredelung von Rohzucker. St. Thomas war der erste Anlaufpunkt für die auf der Dreiecksroute fahrenden Schiffe, Sammelstelle für den innerkaribischen Handel und lokales Verkaufskontor für die dortigen dänischen Pflanzer. Obwohl Brandenburg-Preußen die dänische Hoheit über St. Thomas nie in Frage gestellt hatte, empfanden die Dänen die brandenburgische Dominanz im Sklavenhandel als hoheitliche Einschränkung. Besonders der dänische Gouverneur Johann Lorentz empfand den wirtschaftlichen Erfolg Brandenburg-Preußens auf St. Thomas als tiefe persönliche Kränkung, weshalb er stets versuchte, die Geschäfte der BAAC zu hintertreiben. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens hatte demnach drei verschiedene Grundlagen. Zuerst wurden die Sklaven nach dem Abschluss von Lieferverträgen zu festen Konditionen verkauft. Dazu gehörten der Vertrag über die Lieferung von Sklaven in die niederländische Kolonie Surinam von 1682 und im Anschluss an die Gründung von Großfriedrichsburg in Westafrika die Fortführung des

Coymans-Asiento.

Danach

nutzen

sie

die

lokalen

und

temporär

auftretenden

Versorgungsengpässe der britischen und französischen Antillen aus und als letztes belieferten sie die dänischen Pflanzer auf St. Thomas direkt mit den benötigten Sklaven. Auf die Ausrüstung der einzelnen Fahrten hatte diese Unterscheidung keine Auswirkung, wohl aber auf die Frequenz der Fahrten der BAAC auf der Dreiecksroute, die Menge der verschifften Sklaven und die Organisationsbasis des Sklavenhandels. So lässt sich die Beteiligung Brandenburg-Preußens am transatlantischen Sklavenhandel in drei Zeitabschnitte einteilen. Zuerst die Aufbauphase von 1680 bis 1690, danach der Zeitraum mit der größten Aktivität und Rentabilität von 1690 bis 1698 und schließlich die Zeit der risikoverminderten Erteilung von Handelskonzessionen an ausländische 1173 1174

Kellenbenz: St. Thomas, S. 202ff; Westergaard: Danish West Indies, S. 320ff. Westergaard: Danish West Indies, S. 320ff; TSTD2 Nr. 35052, Nr. 35053.

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Investoren von ca. 1700 bis 1717. Der erste Abschnitt war gekennzeichnet durch den Aufbau der dazu nötigen Infrastrukturen, der Einrichtung der Handelskompanie und der Aufnahme diplomatischer Verhandlungen mit den anderen europäischen Mächten. Der Absatz von Sklaven ist hierbei von einmalig abgeschlossenen, mengengebundenen Lieferverträgen gekennzeichnet. Hier sind die Dänen auf St. Thomas die primären Abnehmer. Kurz nach dem Tod von Kurfürst Friedrich Wilhelm beginnt der zweite Abschnitt des brandenburgischen Sklavenhandels mit der Reorganisation der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen BAC zur BAAC. Hier wird der Sklavenhandel zum Kerngeschäft, der überwiegende Anteil des Überseehandels wird auf der Dreiecksroute abgewickelt. Sklavenhandel

das

Durch die

Übergewicht.

Wie

Fortführung des wichtig

dieser

Coymans-Asiento gewinnt langfristige

Kontrakt

für

der den

brandenburgischen Sklavenhandel tatsächlich war, ist daran ersichtlich, dass nach dessen Auslaufen im Jahr 1694 die Zahl der auf der Dreiecksroute fahrenden Schiffe deutlich abnimmt. Erst zwei Jahre später war es der BAAC gelungen, den Handel anders zu organisieren1175. Die Zahl der nach St. Thomas gebrachten Sklaven stieg wieder an. Zwischen 1690 und 1694 fielen etwa zwei Drittel der abgesetzten Sklaven auf die Lieferverpflichtungen aus dem Coymans-Asiento. Der Rest wurde an die Dänen, die Engländer und die Franzosen verkauft. Danach stieg der Anteil der für St. Thomas bestimmten Sklaventransporte und der dort verkauften Sklaven auf über die Hälfte des insgesamt sinkenden Exports an. Der Anteil der zu den britischen Inseln gelieferten Sklaven sank nach der Aufhebung des Monopols der RAC und der damit bedingten besseren Versorgung der Leeward Islands auf Null. Der Export zu den französischen Inseln litt unter dem andauernden Kriegszustand und besonders unter der Räumung von St. Croix, so dass außer auf St. Thomas nur noch Sklaven nach St. Eustachius verkauft wurden. Die Lage wurde noch dadurch verschärft, dass die brandenburgischen Schiffe große Ladungen Sklaven von guter Qualität bei geringsten Verlusten durch Krankheit oder Tod während der Mittelpassage nach St. Thomas brachten, was den bedarfsorientierten Verkauf deutlich erschwerte. Dazu wurde der Schiffsverkehr zurück nach Europa immer unregelmäßiger, so dass sich die brandenburgischen Magazine mit Waren füllten, welche nicht abtransportiert werden konnten. Diese Überangebot an tropischen Produkten und Sklaven ließ die Handelsmargen drastisch sinken, weshalb der Überseehandel in Emden und Berlin zunehmend für unrentabel empfunden wurde. Damit stand dann auch immer weniger Kapital für die Ausrüstung von neuen Schiffen zur Verfügung. Spätestens ab 1703 kam der Überseehandel auf der Dreiecksroute zum Erliegen. Selbst die Versuche, den direkten Handel mit der Karibik zu stärken, indem man auf St. Thomas und in Emden eine Zuckerraffinerie einrichtete, konnten daran nichts mehr ändern1176. 1175 1176

Siehe Anhang I. Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 93ff.

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Bis zum Jahr 1698 exportierte Brandenburg-Preußen jährlich über 1.000 Sklaven in die Karibik mit durchschnittlich fünf Fahrten pro Jahr, dazu kommt noch der rege Verkehr mit Westafrika, insbesondere nach Arguin. Die Handelsstützpunkte wurden Teil des Systems und waren nicht mehr das primäre Ziel des Handels. Großfriedrichsburg avancierte zum Operationszentrum des afrikanischen Handels. Ebenso stieg die militärische Bedeutung von Großfriedrichsburg, da immer mehr Schleichhändler davon abgehalten werden mussten, in den Handel einzugreifen. Ebenso mussten die immer wieder stattfindenden Übergriffe der WIC abgewehrt werden. Die Konzentration auf den Sklavenhandel war dann auch die treibende Kraft für die wiederholten Versuche, eine eigene Insel in der Karibik Besitz zu nehmen, um den Überseehandel durch die hoheitliche Kontrolle zu stabilisieren und den Repressalien durch die Dänen zu entgehen. Dieser Aspekt blieb auch in der dritten Phase des nun preußischen Sklavenhandels dominierend. Die Friedensverträge von Rijswijk und Utrecht definierten die karibischen Besitzungen zunehmend als Teile der europäischen Territorien und wurden damit einhergehend politisch und wirtschaftlich enger an ihre Mutterländer gebunden, wodurch der bis heute definierte Kolonialbegriff entstand. Das merkantilistische System wurde derart korrigiert, dass die wirtschaftliche Regulierung des Handels und damit auch des Sklavenhandels durch den Staat wegfiel und nur die politische Kontrolle über die Territorien übrig blieb. Fortan war es jedem gestattet, der Bürger des Mutterlandes oder der Kolonien war, dorthin Handel zu treiben. Unter diesem Kontext sind auch die Versuche

des

inzwischen

entstandenen

Königreich

Preußens

zu

sehen,

ein

eigenes

Überseeterritorium zu bekommen. Die durch die Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekrieges stark geschwächte Position des preußischen Überseehandels und die fehlenden militärischen Mittel, die für dessen Stärkung notwendig gewesen wären, haben auch erfolgreiche Ansätze stets scheitern lassen. Ab 1699 wurde der preußische Sklavenhandel nicht mehr durch eine Kompanie abgewickelt, sondern durch Privatpersonen. Die BAAC vergab bis zum Ende ihres Bestehens im Jahr 1711 und danach der preußische König Konzessionen an niederländische Kaufleute, die den Sklavenhandel nun unter preußischer Protektion gegen Gebühr betrieben. Dazu nutzten sie die afrikanischen Stützpunkte und verkauften ihre Sklaven über das preußische Kontor auf St. Thomas. Die Kapitäne der Schiffe hatten zuvor fast ausnahmslos in Diensten der BAAC gestanden und nutzten nun ihre Kenntnisse und Kontakte zum Handel auf eigene Rechnung. Wahrscheinlich hatten sie sogar ehemalige BAAC-eigene Schiffe dazu erworben. Die preußische Krone verdiente daran, indem sie für die erteilten Konzessionen Gebühren erhielt und zu einem geringen Prozentsatz am Gewinn beteiligt wurde. Dafür erhielten die Niederländer das Recht, unter preußischer Flagge zu fahren und an den preußischen Stützpunkten Handel zu treiben. Das finanzielle Risiko lag dabei voll und ganz bei ihnen. Die Preise auf St. Thomas orientierten sich immer mehr an der Qualität und Quantität der gelieferten Sklaven. Durch das entstandene Überangebot sank der Preis zwischen 1700 und 1702 260

auf unter 60 Reichstaler, der Markt war übersättigt. Auch deshalb kam es zwischen 1703 und 1706 zu keinen Ausrüstungen von Schiffen durch die BAAC, erst im Jahr 1707 lief wieder ein Schiff unter preußischer Flagge St. Thomas an und konnte seine Ladung für 80 Reichstaler pro verkauften Sklaven absetzen 1177 . Der Handel innerhalb der Karibik war vermutlich ganz zum Erliegen gekommen, denn vor 1700 hatte selbst die Ankunft von über 1.100 Sklaven innerhalb von vier Wochen keinerlei Auswirkung auf den Preis. St. Thomas war zu dieser Zeit noch Hauptumschlagplatz mit hohem Eigenbedarf, danach nur noch Hauptabnehmer mit sinkendem Eigenbedarf. Dazu kam nun der dänische Sklavenhandel in Gang, was die Position des preußischen Sklavenhandels weiter schwächte. Das letzte Schiff, das eine Ladung Sklaven unter preußischer Flagge nach St. Thomas brachte, war die König von Preußen, sie brachte im Jahr 1715 212 Sklaven nach St. Thomas1178. Danach erteilte König Friedrich Wilhelm keine weiteren Konzessionen mehr, der preußische Sklavenhandel hatte sein Ende gefunden.

5.3 Die Ausrüstung der Schiffe

Die Schiffe, die unter der brandenburgischen bzw. preußischen Flagge nach Westafrika und in die Karibik fuhren, wurden überwiegend in Emden ausgerüstet. Bereits kurz nach der Gründung der BAC hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm den Sitz der Kompanie auf Anraten Raules von Königsberg nach Emden verlegt, wo sie sowohl den Hafen als Ausgangsbasis und eigene Magazine nutzen konnte. Die Vorteile lagen dabei auf der Hand. Durch die günstige Lage war der Hafen von Emden ganzjährig eisfrei und konnte, was für die Segelschiffe das 17. und 18. Jahrhunderts besonders wichtig war, bei Wind aus unterschiedlichen Richtungen angelaufen werden. Dies war gegenüber den Häfen in der Ostsee, den Niederlanden und teilweise auch den englischen Häfen ein entscheidender Vorteil, da diese Häfen überwiegend auf Ostwind angewiesen waren. Zudem waren die Kosten für jedes ausgerüstete Schiff deutlich niedriger, da die dänischen Sundzölle und Gebühren für die Lotsen für die Passage durch das Kattegat entfielen. Dazu hoffte Raule auf die tatkräftige Unterstützung der ansässigen Kaufleute. Allerdings stand Emden in direkter Konkurrenz zu den niederländischen und englischen Häfen, was sich besonders während der EnglischNiederländischen Seekriege bemerkbar gemacht hatte, als der Emder Schiffsverkehr unter Kaperfahrern zu leiden hatte. Deshalb war es für die Stadt auch ein überzeugendes Argument, dass der Kurfürst durch seine Flotte militärischen Schutz zur See gewährleisten konnte. Und gerade für den Sklavenhandel bot Emden einige Vorteile. Die Stadt liegt in direkter Nachbarschaft zu den Niederlanden, wo die meisten für den Tauschhandel in Westafrika benötigten Waren günstig 1177 1178

TSTD2 Nr. 10331; Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 97 und S. 235. TSTD2 Nr. 21949

261

eingekauft werden konnten. Hinzu kam, dass die Transportkosten von Textilien aus Groningen und dem Münsterland, von Branntwein aus Friesland, von Glaswaren und Spiegel aus dem westdeutschen und südwestdeutschen Raum sowie von Metallwaren aus Franken und dem Bergischen Land nach Emden deutlich günstiger waren als nach Glückstadt, Brandenburg oder Preußen. Das hatte drei Gründe. Erstens lag Emden näher an den Erzeugergebieten. Dadurch reduzierten sich die Kosten für die Transporte sowohl zu Land und auf den Flüssen und Kanälen. Außerdem mussten deutlich weniger Zollabgaben für die zu transportierenden Waren geleistet werden. Die Grenze zur niederländischen Provinz Westfriesland lag in unmittelbarer Nachbarschaft und entsprechende Handelsverbindungen zwischen Emden und Groningen bestanden bereits. Über niederländische Mittelsmänner ließen sich die Zollabgaben offenbar gänzlich vermeiden, da die erhaltenden Abrechnungen keine Zollgebühren aufwiesen1179. Zweitens waren die Erzeuger in den Niederlanden und im Rheinland mit ihren Produktportfolios auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Sklavenhändler eingerichtet und konnten die benötigten Waren schnell und billig produzieren. Der Bedarf der WIC hatte sich entsprechend günstig auf die Schaffung der benötigten Infrastrukturen ausgewirkt. Drittens profitierte man auch beim Bezug von Waren aus den weiter entfernt liegenden Produktionszentren vom Verlauf der Handelsströme. So fanden Metallwaren aus Nürnberg über die Flüsse Main und Rhein den Weg in die Niederlande. Die BAC konnte diese Waren sowohl in Köln als auch an den Stapelplätzen und Zollstationen, die auf brandenburgischem Territorium lagen, günstig einkaufen1180. Die in Emden ausgerüstete Schiffe waren deutlich größer als die der anderen europäischen Sklavenhändler. Die von der RAC verwendeten Schiffe hatten eine durchschnittliche Größe von 100 Tonnen1181. Im Durchschnitt befanden sich etwa 225 Sklaven auf den Schiffen der RAC, die zwischen 1698 und 1707 zu den Leeward Islands gebracht wurden. Von den acht Schiffen erreichte nur die Royal Africa mit 538 Sklaven an Bord etwa die Menge, die auf den größten brandenburgischen Schiffen nach St. Thomas gebracht wurden

1182

. Ca. zwei Drittel aller

brandenburgischen Sklaventransporter brachten mehr als 500 Sklaven pro Ladung in die Karibik, wobei die größte Einzelladung sogar über 700 Sklaven umfasste 1183 . Vom restlichen Drittel umfassten über 80 Prozent über 150 Sklaven pro Ladung. Zwischen 1687 und 1709 sind sogar nur fünf Fahrten nachweisbar, auf denen weniger als 100 Sklaven transportiert worden sind, allerdings sank beim Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges die Anzahl der durch niederländische 1179

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 209. Kellenbenz, Hermann: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 2 Bände, hier: Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 1977, S. 330ff. 1181 Savigny, Carl Werner: Schwarze Handelsware. Soziologische und ökonomische Aspekte des britischen Negersklavenhandels in die nordamerikanischen Koloniendes 17. und 18. Jahrhunderts, Straubing 1980, S. 44f. 1182 TSTD2 Nr. 14937; Gaspar, David Barry: Bondmen & Rebels. A study of Master-Slave Relations in Antigua with Implications for Colonial British America, Baltimore/London 1985, S. 71ff. 1183 Siehe Anhang I. 1180

262

Privatreeder transportierten Sklaven erheblich. Der Durchschnitt aller unter brandenburgischer und preußischer Flagge transportierten Sklaven lag bei 350, deutlich über dem Niveau des englischen und niederländischen Transportvolumens. Die Gründe dafür liegen zum einen in der Größe der brandenburgischen Schiffe und in der geringen Sterberate während der Mittelpassage. Die Mehrzahl der bis 1700 eingesetzten Schiffe hatten eine Ladekapazität von 150 bis 200 Last, das entsprach 300 bis 400 metrischen Tonnen. Die kleineren Schiffe hatten eine durchschnittliche Größe von 80 Last1184. Die großen Zweidecker wie die Friedrich III. und Friedrich Wilhelm zu Pferde, Fregatten wie die Kurprinz und Kurprinzess und die Fleuten wie die Marschall Derfflinger, Afrikaner und Sieben Provinzen waren nahezu ausschließlich auf der Dreiecksroute unterwegs, während die leichten Fregatten, Schnauen und Galioten meistens nur einige Fahrten nach Westafrika unternahmen und dann entweder in Europa verblieben oder dauerhaft in Westafrika bzw. in der Karibik als Zubringerschiffe stationiert wurden. Dabei waren die kleineren Schiffstypen nur bedingt für den transatlantischen Einsatz geeignet, da sie zu leicht gebaut und aufgrund ihrer Größe unzureichend bewaffnet waren. Die größeren Schiffe hingegen waren von Anfang an als Kriegsschiffe konstruiert und damit einhergehend für den Transport von großen Menschenmengen eingerichtet, wobei auch die Bewaffnung und damit die Verteidigung gegen Kaperfahrer und Konkurrenten variabel waren. Rumpf und Takelage eines Zweideckers waren besser geeignet, den Belastungen einer Passage auf der Dreiecksroute stand zu halten, deren Wegstrecke immerhin etwa 20.000 Seemeilen ausmachte. Die Zweidecker waren für eine Bewaffnung von 50 bis 60 Geschützen ausgerichtet, die auf dem Batteriedeck und dem Oberdeck aufgestellt wurden 1185 . Wurde die Bewaffnung auf dem Batteriedeck reduziert bzw. ganz entfernt, entstand ein Raum, der hervorragend geeignet war für den Transport von Sklaven. Diese wurden an den Befestigungen fixiert, die normalerweise zur Arretierung der Geschütze vorgesehen waren. Die Stückpforten und Pulverluken dienten dann zur Belüftung, um Krankheiten vorzubeugen. Letztere dienten zudem als Sichtkontrolle. Die Zweidecker hatten zudem noch einen weiteren Vorteil: selbst bei halber Bewaffnung waren Schiffe wie die Friedrich III. und die Friedrich Wilhelm zu Pferde für jeden Angreifer ein ernstzunehmender Gegner. Gegen einzeln operierende Kaperfahrer konnten sie sich dann immer noch effektiv zur Wehr setzen. Im Juli 1692 berechnete Marinerat Willem Pedy die Kapazität eines brandenburgischen Sklavenschiffs auf vier Piece d´India pro Last 1186 . Als Verpflegung für die Sklaven sollten Hülsenfrüchte, Pökelfleisch und einheimische afrikanische Lebensmittel dienen. Die Kosten für die Verpflegung wurden auf zwei Gulden pro Piece d´India veranschlagt. Die Sklaven sollten in zwei Etagen auf dem Orlogdeck untergebracht werden. Pedy

1184

Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 63ff. Winter, Heinrich: Der holländische Zweidecker von 1660/1670, Rostock 1967, S. 22ff. 1186 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 54-56. 1185

263

betonte auch die Notwendigkeit eines Schiffsarztes an Bord, selbst wenn dieser 200 Reichstaler pro Reise kosten sollte, da nur auf diese Weise die Sterberate an Bord niedrig gehalten werden konnte. Da Verhältnis zwischen Ladevolumen und der Anzahl der zu transportierenden Sklaven betrug also vier vollwertige männliche Sklaven pro Last. Das Piece d´India war eine im transatlantischen Sklavenhandel gebräuchliche Recheneinheit für Sklaven, der ursprünglich aus den Asientoverträgen stammte und einen gesunden, männlichen Sklaven im Alter von 15 bis 30 Jahren bezeichnete. Da bei den meisten Sklaven das tatsächliche Alter nicht feststellbar war, wurden sie vom Schiffsarzt anhand von äußerlichen Merkmalen wie Ausbildung des Muskelapparates und der Genitalien, dem Zustand des Gebisses, der Extremitäten, des Haares und des Afters, letzterem wegen der Erkennung von Wurmkrankheiten, begutachtet und danach als ganzes, dreiviertel, zweidrittel oder halbes Piece d´India klassifiziert, wobei diese auch durch die Nachfrage in Westindien nach Sklaven von bestimmter Herkunft beeinflusst wurde. Zugleich war das Piece d´India auch eine Werteinheit. Im ausgehenden 17. Jahrhundert lag dieser bei ca. 100 Reichstaler. Auch war es üblich, die Sklaven nicht nach Köpfen sondern nach Piece ds´India zu zählen. Das hatte den Vorteil, dass ein einzelner Sklave, der die Mittelpassage nicht überlebt hatte und nicht als volles Piece d´India gerechnet wurde, auf einen Bruchteil des ursprünglichen Wertes gedrückt werden konnte. Auf diese Weise konnte eine Sklavenladung deutlich mehr Personen umfassen, als in Piece ´d India angegeben waren 1187. Pedys Berechnung von vier Piece d´India konnte also bedeuten, dass er mehr als vier Sklaven pro Last gerechnet hatte. Der Platzbedarf bezog sich nicht nur auf die Unterbringung der Sklaven, sondern auch auf die Lagerung der benötigten Lebensmittel und anderer Güter wie Brennholz, Kleidung und Fußfesseln. Die großen brandenburgischen Sklavenschiffe waren demnach für den Transport von bis zu 800 Sklaven ausgelegt. Allerdings wurde diese Zahl nie erreicht, weil der Zeitfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Sklaventransports essentiell war. Da eine so große Menge an erstklassigen Sklaven nicht an einem Ort zu bekommen war, mussten zum Einkauf stets mehrere Sammelpunkte angelaufen werden. Währenddessen wurden aber bereits von den an Bord befindlichen Sklaven ein Teil der für die Mittelpassage geplanten Verpflegung verbraucht, bevor diese überhaupt

angetreten wurde. Um diese Vorräte zu ergänzen, liefen auch die

brandenburgischen Sklavenschiffe vor Antritt der Mittelpassage Sao Thomé an. Die für die Versorgung der Sklaven an Bord kalkulierte Summe von zwei Gulden ist dabei mit den Aufwendungen auf Schiffen der RAC vergleichbar. So brachte die Armenian Merchant im Jahr 1691 eine Ladung von 435 Sklaven von Cape Coast Castle nach Barbados. Für den Unterhalt der Sklaven auf der Armenian Merchant wurden 161 £ Sterling veranschlagt, also pro Piece d´India

1187

Jones: Brandenburg Sources, S. 317f.

264

genau fünf Shilling, was etwa dem Gegenwert von zwei Gulden entsprach1188. Die Fahrtroute, die Größe und die Anzahl der transportierten Sklaven auf Schiffen der RAC ist vergleichbar mit den Statistiken der brandenburgischen Zweidecker auf einer Fahrt von Westafrika nach St. Thomas. Dies trifft auch für den Einkauf der Sklaven in Westafrika sowie den Ablauf der Fahrt zu, wobei die Fahrten der brandenburgischen Schiffe oftmals deutlich effizienter waren als die der RAC. Dies verdeutlicht ein Vergleich der Fahrten der Friedrich Wilhelm zu Pferde 1189 aus dem Jahr 1692/1693 und der Friedrich III. 1190 aus dem Jahr 1698/1699 mit den Fahrten der englischen Schiffen Armenian Merchant 1191 von 1691 und der Hannibal 1192 im Jahr 1694. Die Friedrich Wilhelm zu Pferde und die Friedrich III. gehörten zu den größten Schiffen der BAAC, welche die Dreiecksroute befuhren. Die Friedrich Wilhelm zu Pferde war am 25. April in Pillau vom Stapel gelaufen und wurde bis zum Oktober 1684 in Königsberg ausgerüstet 1193. Das Schiff wurde ursprünglich auf Rechnung von Benjamin Raule gebaut und war Bestandteil des Kaufvertrages vom 1. Oktober 16841194. Über die Baukosten ist nichts bekannt, im Inventar der BAAC von 1692 ist das Schiff jedoch mit 20.503 Reichstalern bewertet 1195. Das Schiff war etwa 35 m lang, 9 m breit und hatte einen Tiefgang von max. 4,5 m. An Bewaffnung trug es 25 bis 50 Kanonen, abhängig vom jeweiligen Einsatz. Friedrich Wilhelm zu Pferde fuhr allerdings nur einmal als Kriegsschiff im Jahr 1691, als sie einen Konvoi zu den Shetlandinseln begleitete 1196. Nach ihrer Rückkehr wurde sie umgehend zum Sklaventransporter umgerüstet, was 20.600 Gulden gekostet hatte, wovon 16.600 Gulden auf den Einkauf der Tauschwaren und 4.000 Gulden für die Versorgung der Sklaven entfielen. Der Verkauf der Sklaven brachte einen Erlös von 28.000 Gulden1197. Der Gewinn betrug nach Abzug der Kosten 22.400 Gulden, die durch drei in Rotterdam gezogene Wechsel in Höhe von insgesamt 20.000 Gulden vorab finanziert wurden 1198 . Mit dem Erlös wurden die Schiffe Kurprinz und Afrikaner ausgerüstet und die Friedrich Wilhelm zu Pferde überholt, da offenbar ihr Großmast gebrochen war und ausgetauscht werden musste 1199 . Im Juli 1692 war die Ausrüstung abgeschlossen. Die an Bord genommene Ladung war jedoch für die Versorgung der Stützpunkte der BAAC in Westafrika bestimmt. Die Waren für den Tauschhandel

1188

Donnan: Documents I S. 372. TSTD2 Nr. 21950. 1190 TSTD2 Nr. 35137; GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 63. 1191 TSTD2 Nr. 9810. 1192 TSTD2 Nr. 9714. 1193 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 67. 1194 Schück II, S. 246ff Nr. 96. 1195 Schück II, S. 407ff Nr. 138. 1196 Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, S. 190. 1197 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 2f und S. 29. 1198 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 5. 1199 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 23-26. 1189

265

befanden sich an Bord des Begleitschiffes Salamander1200. Die Ausrüstung der Friedrich Wilhelm zu Pferde inklusive der für den Tauschhandel bestimmten Fracht kostete 55.360 Gulden. Der Wert der Fracht, die u. a. aus Baumaterial für Arguin und Großfriedrichsburg und Musketen nebst Munition bestand, wurde auf 36.275 Gulden. Die Versicherungsprämie wurde mit 92.600 Gulden festgesetzt1201. Für den Unterhalt der Sklaven waren 4.879 Gulden kalkuliert. Darin enthalten waren die Kosten für die Verpflegung, die großen Kessel für die Zubereitung der Mahlzeiten, die Fußeisen sowie Tabak und Pfeifen, die zur Ablenkung der Sklaven dienten und Kalk zum Reinigen der Decks. Bei der Kalkulation war man von einer Reisedauer von fünfzehn Monaten ausgegangen, Die Besatzung unter Kapitän LaSage bestand aus 140 Mann, darunter auch der Schiffsarzt Johann Peter Oettinger. LaSage stand bereits seit 1684 in Diensten der BAC und erhielt einen monatlichen Sold von 30 Reichstalern 1202 . Oettinger bekam einen Sold von 13 Reichstalern, was dem Sold eines Leutnants entsprach. Dazu hatte er bereits Erfahrung als Schiffsarzt, da er ein im Jahr 1688 erworbenes Patent der WIC besaß und in dieser Funktion an einer Fahrt nach Westindien teilgenommen hatte1203. Am 25. Juli 1692 verließ ein Konvoi, bestehend aus der Friedrich Wilhelm zu Pferde, den Fregatten Kurprinz und Salamander, der Fleute Afrikaner und der Schnau Großfriedrichsburg den Hafen von Emden. Auch die beiden Fregatten waren für den Sklavenhandel ausgerüstet worden. Zusätzlich hatten sie noch Güter geladen, die für den Stützpunkt auf St. Thomas bestimmt waren1204. Die Salamander hatte eine Ladung im Wert von 34.454 Gulden an Bord, welche aus holländischen Seidenstoffen, Osnabrücker Leinen, Eisenbarren und ostfriesischem Branntwein bestand1205. Noch während die Friedrich Wilhelm zu Pferde unterwegs war, wurde das neueste und zugleich größte Schiff in Diensten der BAAC, die Friedrich III., für ihre erste Reise ausgerüstet. Sie wurde zwischen 1687 und 1691 auf der Havelberger Werft gebaut, im Winter 1691/1692 in Hamburg komplettiert und war am 30. April in Emden eingetroffen1206. Mit 36,92 m hatte die Friedrich III. etwa die Größe der Friedrich Wilhelm zu Pferde, war mit 32 Kanonen allerdings stärker bewaffnet. Im Kompanie-Etat von 1692 wurde sie mit 15.000 Reichstalern bewertet 1207 . Ihre erste Reise machte sie jedoch nicht nach Westafrika, sondern nach Hamburg, um dort für den Verkauf bestimmte Waren aus Westindien abzuliefern. Der Erlös dieser Fracht betrug 7.000 Reichstaler1208.

1200

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 54; TSTD2 Nr. 21918; Schück II S. 407ff Nr. 138; Jones: Brandenburg Sources S. 184. 1201 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.3 S. 357. 1202 Schück II S. 238ff Nr. 95. 1203 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 1f 1204 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 29f. 1205 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 43.. 1206 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 2. 1207 Schück II, S. 407ff Nr. 138. 1208 StaE Reg 1 Protokolle XIII.2 S. 171.

266

Gleich danach begann die Ausrüstung zum Sklaventransporter und im Frühjahr 1693 verließ die Friedrich III. Emden mit einer Ladung im Wert von 32.085 Gulden Richtung Afrika. Die Ausrüstung hatte 15.565 Gulden gekostet 1209. Im Mai 1694 erreichten von den 729 in Afrika an Bord genommenen Sklaven 705 lebend die Insel St. Thomas1210. Nur 24 Sklaven hatten die Reise nicht überlebt, das entsprach einer Verlustrate von gerade einmal 3,3 Prozent! Im Gegenzug hatten sowohl ihr Kapitän Cornelius Reers sowie dessen Erster Offizier Claas Sebrantsen die Reise nicht überlebt. Der Schiffer Wouter Ypes hatte die Friedrich III. nach St. Thomas und danach zurück nach Emden geführt. Der Verkauf der Sklaven brachte 70.906 Gulden, der Verkauf der Rückfracht von St. Thomas brachte 10.000 Gulden und der Erlös aus dem Handel in Westafrika noch einmal 30.600 Gulden. Der Gewinn betrug demnach 63.856 Gulden, das entspricht 175 Prozent der Kosten! Im gleichen Jahr hatte die Kurprinzess von 484 eingeladenen Sklaven 452 Sklaven lebend nach St. Thomas. 32 Sklaven hatten die Mittelpassage nicht überlebt, dies entsprach einer Verlustrate von 6 Prozent1211. Die zweite Reise auf der Dreiecksroute machte die Friedrich III. im Jahr 1695/1696 unter dem Kommando von Kapitän Jakob Lambrecht de Hond nach St. Thomas. Von den in Westafrika an Bord genommenen 807 Sklaven hatten diesmal nur 630 die Mittelpassage überlebt1212. Sollte der Verkaufspreis bei 80 bis 95 Reichstalern pro verkauften Sklaven gelegen haben, brachte diese zweite Fahrt einen Erlös von 50.000 bis 55.000 Reichstaler. Im Frühjahr 1697 kehrte die Friedrich III. wieder nach Emden zurück. Die Liegezeiten an den einzelnen Aufenthaltsorten in Westafrika und in der Karibik waren vergleichsweise kurz1213. Die Friedrich III. verbrachte ca. fünf Monate in Westafrika, davon drei als tatsächliche Liegezeit. Auf St. Thomas verbrachte sie 36 Tage, um die Sklaven zu entladen und damit notwendig gewordene Reparatur- und Reinigungsarbeiten durchgeführt werden konnten und die Rückfracht an Bord zu nehmen. Bis kurz vor Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges lief die Friedrich III. in einem Zwei-Jahres-Intervall St. Thomas an, womit sie etwa die gleiche Frequenz erreichte wie die kleineren und schnelleren Schiffe der RAC 1214. Aufgrund der Tatsache, dass die Ladungen der Friedrich III. zwischen 75 und 125 Prozent größer und die Sterberate während der Mittelpassage deutlich niedriger waren als die ihrer englischen Konkurrenten, waren ihre Fahrten wesentlich effizienter. In der zweiten Hälfte des Jahres 1697 wurde die Friedrich III. für ihre dritte

1209

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2 S. 169ff; Jones: Brandenburg Sources, S. 199. GStA Rep. 65 Nr. 67, Blatt 107; TSTD2 Nr. 21951; Jones: Brandenburg Sources, S. 202; Weindl: Kurbrandenburger S. 80. 1211 GStA Rep. 65 Nr. 67, Blatt 108; TSTD2 Nr. 21952; Jones: Brandenburg Sources, S. 202; Weindl: Kurbrandenburger, S. 80. 1212 TSTD2 Nr. 35133; Weindl: Kurbrandenburger, S. 80; Westergaard: Danish West Indies, S. 320. Dort werden 624 Sklaven gezählt. 1213 Walton, Gary M.: Sources of Productivity Change in American Colonial Shipping, in: The Economic History Review Vol. 20 Nr. 1, S. 67ff. 1214 Gaspar: Bondmen & Rebels, S. 71f. 1210

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Fahrt ausgerüstet, obwohl zu dieser Zeit im Bewindhaberkollegium der BAAC ein erbitterter Streit um die Vormachtstellung und die Verteilung der bisher erwirtschafteten Profite tobte. Die für den Einkauf von Sklaven bestimmte Fracht hatte einen Wert von 26.880 Gulden und die für den Küstenhandel auf Großfriedrichsburg bestimmte Fracht einen Wert von 17.692 Gulden1215. Bei der Zusammensetzung des Sortiments für den Tauschhandel dominierten dabei sowohl vom Wert wie auch vom Volumen die Menge an Kaurimuscheln, Eisen- und Kupferwaren. Die Friedrich III. fuhr in einem Konvoi mit den beiden Fregatten Kurprinzess und Sophie Louise. Die Kurprinzess hatte Fracht im Wert von 28.948 Gulden an Bord und zusätzlich noch eine für Arguin bestimmte Fracht im Wert von 25.027 Gulden1216. Die Sophie Louise führte Fracht im Wert von 42.551 Gulden1217. Sie sollte dabei den anderen beiden Schiffen als schwimmendes Magazin dienen, wenn bei ihnen die Tauschwaren zur Neige gingen, da sie weitere für den Sklavenhandel besonders begehrte Waren mitführte. Auch diese Expedition war überaus erfolgreich. Der Reingewinn der Friedrich III. betrug 159.331 Gulden, der von der Kurprinzess 42.004 Gulden und der von der Sophie Louise 63.906 Gulden. Dazu brachte die Friedrich III. auf dieser Fahrt 600 Sklaven und die Kurprinzess 400 Sklaven nach St. Thomas. Darüber hinaus hatte die Sophie Louise zusätzlich 253 Pfund Gummi Arabicum im Wert von 9.678 Gulden aus Arguin nach Emden gebracht. Die Ausrüstungsliste der Armenian Merchant für ihre Fahrt nach Westafrika belegt, dass sich die Zusammensetzung des Sortiments für den Tauschhandel in Westafrika im wesentlichen identisch waren. Als das Schiff im Dezember 1689 den Hafen von London verließ, hatte sie 46 Fässer Kaurimuscheln, 173 Messingpfannen und eine große Auswahl an verschiedenen Stoffen geladen. Der Gesamtwert dieser Fracht betrug 1.087 £, 11 s und 10 c1218. Davon entfielen 161 £, 5 s und 9 c auf die für die Versorgung der Sklaven benötigten Güter. Der wesentliche Unterschied war jedoch, dass die Armenian Merchant etwa die dreifache Menge an Kaurimuscheln und die zehnfache Menge an Eisenbarren mitführte als die Friedrich III. Dafür hatte die Armenian Merchant keine Musketen geladen. Die Friedrich III. hatte dagegen deutlich mehr Kupferwaren, die dreifache Menge Branntwein und die doppelte Menge Textilien an Bord. Über den Verlauf der Fahrt der Armenian Merchant ist nichts bekannt. Vom Verlauf der Fahrt der Hannibal von 1693/1694 sind wesentlich mehr

Details überliefert,

dafür fehlen

detaillierte Informationen

über die

Zusammensetzung der Fracht 1219 . Die Hannibal besaß eine Ladekapazität von 450 Tonnen und konnte bis zu 36 Geschütze mitführen. Im Sommer 1693 war sie von einigen Aktionären der RAC, darunter auch von ihrem Kapitän Thomas Phillips, erworben und für den Sklavenhandel ausgerüstet. 1215

GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 63 (siehe Anhang I Nr. 12). GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 64 (siehe Anhang I Nr. 13). 1217 GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 64a (siehe Anhang I Nr. 13). 1218 Donnan: Documents I, S. 371ff. 1219 Donnan: Documents I, S. 392ff. 1216

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Wie die brandenburgischen Schiffe hatte auch die Hannibal zwei verschieden Frachten an Bord, eine für den Küstenhandel und eine weitere für den Einkauf von Sklaven, bestehend aus großen Mengen Kaurimuscheln und Kupferpfannen, Musketen, Schießpulver, Eisenbarren und Textilien von unterschiedlicher Herkunft und Qualität1220. Der Gesamtwert der Ladung betrug, abgeleitet von den 700 eingekauften Sklaven bei dem von Kapitän Phillips angegebenen Preis von 3 £ 15 s ca. 2.700 £ bzw. 30.000 Gulden. Zusammen mit einem Konvoi von fünf weiteren Schiffen verließ die Hannibal Anfang Oktober 1693 den Hafen von London Richtung Westafrika.

5.4. Die Rekrutierung der Sklaven und der Handel in Westafrika

Wie im gesamten Handel in Afrika wurden auch für den Erwerb von Sklaven die Waren, die eingetauscht werden konnten, von den afrikanischen Handelspartnern strikt festgelegt. Die BAC besaß östlich des Kap der Drei Spitzen keine Magazine, um Waren zu lagern. Zur Vergrößerung des Warenangebots wurden deshalb kleinere Schiffe als schwimmende Magazine mitgeführt. Als im Jahr 1697 in Großfriedrichsburg einige für den Sklavenhandel wichtige Waren knapp geworden waren, kam der dortige Handel offenbar ganz zum Erliegen, weshalb Kommandant van Laar sich gezwungen sah, die benötigten Waren von Schleichhändlern zu kaufen1221. Das vornehmliche Ziel der europäischen Handelsinteressen in Afrika war der Erwerb von Gold, Elfenbein, Gummi und Sklaven, wobei ab ca. 1650 die Nachfrage von Sklaven durch den Aufschwung der Plantagenökonomien in Westindien die Nachfrage nach den anderen Gütern zunehmend in den Hintergrund drängte. Als Zahlungsmittel diente den Europäern eine breite Palette von Gütern. Den Hauptteil nahmen dabei Textilien und Metallwaren aller Art ein, entweder in Form von Barren oder in verarbeiteter Form als Klingen, Schüsseln, Becken, Armreife etc. In der Bucht von Benin und an der Sklavenküste waren Kaurimuscheln das primäre Zahlungsmittel. Aber auch Manufakturwaren und Dinge von niederem Gebrauchswert wie Glasperlen, Spiegel etc. wurden von den Afrikanern getauscht und spätestens mit dem Eintritt der Niederlande in den transatlantischen Sklavenhandel spielten Feuerwaffen eine nennenswerte Rolle 1222 . Allerdings importierten die Afrikaner außer Feuerwaffen nichts, was sie nicht auch selbst in ausreichender Menge hätten herstellen können1223. Die Nachfrage nach europäischen Gütern wurde entscheidend von deren Prestige, persönlichen Vorlieben und deren Veränderungen bestimmt und nicht durch den vorherrschenden Bedarf. Das bedeutete für die Europäer eine hohe Unsicherheit bei der Zusammenstellung der Frachten für den 1220

Donnan: Documents I, S. 395f. GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 492-493. 1222 Kea, Ray A.: Firearms on the Gold and Slave Coasts from the 16 th to the 17th Century, in: JAH 12/1984, S. 185213, hier: S. 186. 1223 Thornton: Africa and Africans, S. 44ff. 1221

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Handel mit Afrika, da Moden und Vorlieben beständig wechselten. Deshalb waren sie dazu gezwungen, eine möglichst breite Palette an Produkten anzubieten, um Zugang zu den afrikanischen Märkten zu bekommen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahm der Import von Feuerwaffen einen raschen Aufschwung. Zuvor hatten die Portugiesen nur wenige Waffen und Metallwaren eingetauscht. Die Gründe dafür sind entweder in dem päpstlichen Verbot, Waffen an Nicht-Christen zu liefern oder in der Tatsache, dass die Portugiesen selbst von flämischen und deutschen Produzenten abhängig waren, zu suchen1224. Der Konkurrenzkampf untereinander zwang die europäischen Handelskompanien zum Ausbau ihrer militärischen Position durch befestigte Stützpunkte, die zwar verhältnismäßig stark bewaffnet, dafür aber mit nur wenig Personal besetzt waren. Die personellen Lücken wurden durch Allianzen mit den lokalen Herrschern geschlossen, welche afrikanische Hilfstruppen zur Verfügung stellten. So konnte es passieren, dass bei einem bewaffneten Konflikt alle Gegner über europäische Waffen verfügten. Deshalb gehörte ab den 1660´er Jahren eine nennenswerte Anzahl an Gewehren und Munition zum Standard eines auf europäischen Schiffen für den Tauschhandel mitgeführten Sortiments. Da die Europäer jedoch Furcht vor gut bewaffneten afrikanischen Staaten hatten, tauschten sie oftmals minderwertige oder gar unbrauchbare Waffen ein, was zur Folge hatte, dass die afrikanischen Schmiede hervorragende Reparaturverfahren entwickelten1225. Ein weiteres wichtiges afrikanisches Handelsgut war Gold. Brandenburg-Preußen stieg etwa zu dem Zeitpunkt in den Handel mit Afrika ein, als sich der Schwerpunkt der westafrikanischen Exporte von Gold weg und zum Sklavenhandel hin entwickelte. Bis dahin war Gold für die Europäer weitaus wichtiger als Sklaven. 1665 schätzte die Company of Royal Adventures, dass etwa drei Viertel ihrer Erlöse in Afrika aus Gold und anderen Waren und der Rest aus Sklaven bestand1226. Nach einer Zusammenstellung der WIC für den Zeitraum von 1675 bis 1731 machte Gold etwa 75 Prozent des Handelswertes der Exporte aus Westafrika in dieser Periode aus. Demnach erwirtschaftete der Sklavenhandel nur 13 Prozent des Gesamthandelswertes in dieser Zeit, gefolgt von Elfenbein mit 3 Prozent und anderen Artikeln1227. Erst durch dem massiven Anstieg des Sklavenhandels gegen Ende des 17. Jahrhunderts konnten sich die Gold- und Sklavenexporte in etwa angleichen. Nach dem Frieden vom Rijswijk im Jahr 1697 konnten sich sowohl die Preise für westafrikanische Sklaven als auch deren Exportvolumen verdoppeln. Damit waren Sklaven bis zum Rückgang der Sklavenexporte nach 1807 Afrikas wichtigstes Exportgut. Allerdings spielten Sklaven an der Goldküste, dort wo Brandenburg-Preußen seine Stützpunkte unterhielt, erst ab 1740 eine 1224

Weindl: Kurbrandenburger, S. 27f. Kea: Firearms, S. 205. 1226 Bean, Richard, A note on the relative Importance of Slaves and Gold in West African Exports, in: JAH 15/1974, S. 351-356, hier: S: 354. 1227 Postma: Dutch Slave Trade, S. 85. 1225

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größere Rolle als Gold 1228 . Neben dem wachsenden Wohlstand, der aus dem Handel mit den Europäern und den gestiegenen Preisen für Sklaven resultierte, könnten die dadurch gestiegenen Opportunitätskosten für Arbeit zu einem Niedergang der Goldgewinnung in Afrika geführt haben. Dieser Effekt wurde noch verstärkt durch die Erschöpfung der leicht zugänglichen Vorkommen verstärkt, so dass der Goldexport im 18. Jahrhundert dann nicht nur relativ, sondern auch absolut abnahm1229. Im Gegensatz zu den anderen afrikanischen Exportgütern war Gold ausschließlich an der Goldküste erhältlich. In den meisten Regionen diente Gold als Zahlungsmittel in Form von Goldstaub und Nuggets. Obwohl im 17. Jahrhundert über dreißig Gewichtseinheiten für Gold existierten, waren die Standards an der gesamten Goldküste gemein und blieben über mehrere Jahrhunderte hinweg konstant. Beim Handel mit den Europäern war jedoch der Versuch, diese mit falschem oder minderwertigem Gold zu übervorteilen, weit verbreitet. So berichtete Otto Friedrich von der Gröben, dass der von den Afrikanern dargebotene Goldstaub etwa zur Hälfte mit Sand und Kupferpartikeln versetzt war1230. Allerdings gab es auch Gold gemischt mit Silber oder Kupfer, sog. „kakraas“. Diese Legierungen wurden oft wie Kleingeld genutzt und die Europäer mussten sie auch in ihren Faktoreien und Festungen akzeptieren, da ansonsten die einheimische Händler ihr reines Gold nicht herausgaben 1231 . Neben Großfriedrichsburg dienten der BAAC auch Akwida und Takoradi primär dem Goldhandel. Sie wurden auch angelegt, weil man sich dort ein größeres Handelsvolumen erhoffte als in Großfriedrichsburg1232. Nachdem die Stützpunkte angelegt waren, bemühte sich die BAC, afrikanische Händler aus dem Landesinneren dorthin zu ziehen. Zu diesem Zweck wurden Warensortimente als „Werbemaßnahme“ landeinwärts gesandt 1233 . Außerdem knüpfte die BAC Verbindungen zu den afrikanischen Händlern, die in der Nähe der größten niederländischen Festung Elmina aktiv waren, womit sie eine echte Gefahr für die WIC darstellte, da die Brandenburger bei den dortigen Afrikanern weitaus beliebter waren als die Niederländer1234. Auch die BAC bemühte sich von Anfang ihrer Präsenz in Westafrika an, in ihren Niederlassungen möglichst viel Gold von den Afrikanern zu bekommen. Der Umfang der eingehandelten Goldmengen war in der Summe betrachtete jedoch sehr gering. Zwar kehrte die Morian nach ihrer ersten Expedition im Jahr 1681 mit 100 Pfund Gold in holländischem Gewicht zurück, das entsprach etwa 200 Mark. Ein Jahr später brachte das selbe Schiff nur 58 Pfund und 8 Lot nach Europa und die Kurprinz sogar nur die Menge von einer Mark1235. 1685 schätzte die BAC 1228

Thomas: The Slave Trade, S. 345. Bean: Slaves and Gold Exports, S. 353ff. 1230 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 56. 1231 Weindl: Kurbrandenburger, S. 30. 1232 Jones: Brandenburg Sources, S. 258 Nr. 18 und S. 264 Nr. 26. 1233 GStA Rep. 65 Nr. 39, Blatt 314-333. 1234 Jones: Brandenburg Sources, S. 96f Anm. 4. 1235 GStA Rep. 65 Nr. 37 Blatt 220-221; Liesegang, Carl: Die Goldgewinnung an der Guineaküste in alter Zeit und die ersten deutschen Bergleute in der brandenburgisch-preußischen Kolonie Großfriedrichsburg, in: Koloniale 1229

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für Takoradi eine monatliche Menge von 9 bis 14 Pfund, etwa 18 bis 28 Mark Gold. Allerdings handelte die BAC dort nur etwa zwei Jahre. Zudem waren die tatsächlichen Einnahmen offenbar starken Schwankungen unterworfen, denn zwei Jahre zuvor hatte ein englischer Handelsposten noch 40 Mark Gold eingehandelt 1236 . 1688 belief sich der Goldexport von Takoradi nach Schätzungen eines französischen Kaufmanns auf 12,5 Mark Gold pro Monat. In einer Inventarliste von verkauften Gütern in Großfriedrichsburg aus dem Jahr 1684 geht eine Goldeinnahme von insgesamt 67 Mark, 3 Unzen und 4,25 Engels hervor1237. Aus dem selben Verzeichnis geht auch die Gewinnspannen der einzelnen Güter hervor, welche die BAC zum Tauschhandel nutze. Demnach wurde der höchste Gewinn von 550 Prozent mit Spiegeln erzielt, gefolgt von Baumwollkleidern mit 223 Prozent, Pfannen mit 193 Prozent, Kupferpfannen mit 191 Prozent, französischem Branntwein mit 191 Prozent und türkischen Stoffen mit 180 Prozent. Die Gewinnspannen der restlichen europäischen und indischen Textilien waren eher niedrig, sie lagen zwischen 30 und 75 Prozent. Daneben wurden noch Glasperlen mit 162 Prozent, Eisenbarren mit 160 Prozent, diverse Geschirre mit 110 bis 168 Prozent sowie 631 Musketen mit 158 Prozent, 346 Karabiner mit 130 Prozent und eine Flinte mit 124 Prozent Gewinn eingetauscht. Diese Angaben geben jedoch nur die Gewinne wieder, die sich aus der Differenz zwischen den Einkaufspreisen in Europa und den in Afrika erzielten Erlösen ergaben. Die Ausgaben für die Ausrüstung der Schiffe sowie Bau und Erhalt der Stützpunkte waren so hoch, dass niedrigere Gewinnspannen das ganze Unternehmen unrentabel gemacht hätten. Die europäischen Kaufleute besaßen außerdem wenig Einfluss darauf, welche Mengen des jeweiligen Artikels eingetauscht wurden. Mit Spiegeln konnten 1683 nur etwas über drei Mark Gold eingehandelt werden. Über 12 Mark wurden gegen Gewehre getauscht, die einen Gewinn von 158 Prozent abwarfen. Dieser Rechnung liegt ein europäischer Goldpreis von 320 Gulden pro Mark Gold zugrunde 1238 . Bosman rechnete die Mark Gold mit 330 Gulden um, allerdings hing der tatsächliche Goldpreis entscheidend von dessen Qualität ab, die sehr unterschiedlich war. Deshalb können die zeitgenössischen Wertangaben nur als Richtwerte angesehen werden1239. Aus den monatlichen Aufstellungen für Großfriedrichsburg der Monate Mai 1685 bis Februar 1686 ergeben sich Goldeinnahmen über insgesamt etwa 47 Mark Gold, denen Ausgaben teils in Gold, teils in Waren über 20 Mark Gold gegenüberstehen. Hinzu kamen noch ausstehende Schulden afrikanischer Händler über etwa acht Mark Gold1240. Die Gewährung von Krediten an afrikanische Händler gehörte an der Goldküste zur allgemeinen Geschäftspraxis. Im Rundschau 34/1943, S. 57-72, hier: S. 64. Weindl: Kurbrandenburger, S. 30f. 1237 Jones: Brandenburg Sources, S. 78 Nr. 11. 1238 Jones: Brandenburg Sources, S. 78, Anm. 1. 1239 Wätjen, Hermann: Zur Geschichte des Tauschhandels an der Goldküste um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Nach holländischen Quellen. In: Forschungen und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Festschrift Dietrich Schäfer zum 70. Geburtstag. Jena 1915, S. 527-563, hier: S. 552. 1240 Jones: Brandenburg Sources, S. 101ff Nr. 28-30, 32, 38, 41, 44, 47, 50, 55. 1236

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Jahr 1708 hatte die WIC sogar den Kredit eines afrikanischen Händlers übernommen, der Schulden bei der BAAC hatte, da dieser zuvor die WIC darum gebeten hatte und lieber mit den Niederländern als mit den Preußen Geschäfte machen wollte1241. Als im September 1685 die Schiffe Wasserhund und Charlotte Louise bei Großfriedrichsburg eingetroffen waren, wurde das bisherige Handelsvolumen um ein vielfaches angehoben. Der Umsatz stieg von 145 Engels im August auf 2.585,5 Engels im September. Kurz darauf wurde jedoch die Wasserhund in der Nähe von Takoradi von einem Schiff der WIC gekapert und nach Elmina gebracht. Dort wurde die Ladung konfisziert und das Schiff nebst dem Kapitän und fünf Besatzungsmitgliedern nach Großfriedrichsburg zurückgeschickt. Die Charlotte Louise kehrte darauf aus Furcht, das gleiche Schicksal zu erleiden, unverrichteter Dinge wieder nach Emden zurück. Raule bezifferte den Verlust auf 143.775 Reichstaler, was etwa 450 Mark Gold entsprochen hätte1242. In Akwida war der Goldhandel sogar defizitär, da von Juli 1685 bis Februar 1686 nur 590 Engels eingenommen wurden, denen aber Kosten in Höhe von 607,5 Engels gegenüberstanden1243. Im Jahr 1688 bezifferte der französische Kaufmann Ducasse das Exportvolumen für den Hafen am Kap der drei Spitzen auf ca. 300 Mark Gold pro Jahr. Für Elmina dagegen schätzte er das Volumen auf 1.000 bis 2.500 Mark Gold pro Jahr 1244 . Die im Jahr 1689 von den Franzosen gekaperte Stadt Emden hatte angeblich 175 Mark Gold an Bord

1245

. Da seit 1686 kein

brandenburgisches Schiff Gold aus Großfriedrichsburg nach Emden gebracht hatte, dürften es sich dabei um die Einnahmen von mindestens einem Jahr gehandelt haben. Im Etat der neu geschaffenen BAAC wurden die Goldvorräte in Großfriedrichsburg und der vorrätigen Güter auf 475 Mark Gold geschätzt 1246 . Dies kam der Schätzung Bosmans von jährlich 7.000 Mark Gold, das aus dem Hinterland an die Küste gebracht wurde, ziemlich nah, zudem ging Bosman noch davon aus, dass 1.000 Mark Gold gemeinsam an die Brandenburger und die Dänen fielen1247. Dies würde bedeuten, dass die BAAC zu Beginn der 1690´er Jahre einen großen Teil des niederländischen Handels übernommen hatte. Es muss jedoch bezweifelt werden, dass die BAAC eine derart große Menge Gold erwirtschaften konnte, das sie zu keinem Zeitpunkt ihrer Aktivitäten über genügend Schiffe verfügte, um die Stützpunkte in Westafrika ansteuern zu können. Selbst wenn das Handelsvolumen am Kap der Drei Spitzen über Jahre hinweg konstant geblieben wäre, wurde ein nennenswerter Teil des Goldes auf fremden Schiffen mit oder ohne Handelserlaubnis eingehandelt oder von den Bediensteten der Kompanie veruntreut, wie es u. a. dem ehemaligen Generaldirektor Johann 1241

Kea: Settlements, S. 242. Schück I, S. 202. 1243 Jones: Brandenburg Sources, S. 107ff Nr. 31, 34, 37, 39, 42, 45, 48, 52. 1244 Kea: Settlements, S. 195. 1245 Schück I, S. 235. 1246 Schück II, S. 407ff Nr. 138. 1247 Wätjen: Tauschhandel, S. 549. 1242

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Niemann im Jahr 1692 vorgeworfen wurde1248. In den Jahren 1693, 1695, 1697 und 1699 betrug der Goldexport der BAAC an der Goldküste zwischen 200 und 235 Mark Gold 1249 . Aufgrund der geringen Anzahl der BAAC-eigenen Schiffsbewegungen von und nach Großfriedrichsburg zu dieser Zeit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass nur die Hälfte des an den brandenburgischen Stützpunkten eingehandelten Goldes tatsächlich für die BAAC erwirtschaftet wurde. Es ist aber auch denkbar, dass das Volumen des Goldexports am Ende des 17. Jahrhunderts an der Goldküste generell abnahm. Nach einer Schätzung des Bewindhaberkollegiums aus dem Jahr 1699 sollte das jährliche Exportvolumen von Gold und Elfenbein zusammen etwa 100.000 Gulden betragen haben, das wären bei einem zugrunde gelegten Preis von 320 Gulden pro Mark etwa 300 Mark Gold gewesen1250. Noch 1715 gelang es dem brandenburgischen Generaldirektor immerhin, die für den Erhalt Großfriedrichsburgs benötigten 40-44 Mark Gold ohne Unterstützung zu erwirtschaften. Und das zu einer Zeit als keine Kompanieschiffe mehr die afrikanische Küste anliefen 1251 . Die Goldeinnahmen hingen dabei zum einen von der Menge und der Qualität des europäischen Warenangebots ab, also von der Anzahl der Schiffe, die von den Europäern nach Afrika geschickt wurden. Andererseits konnte der Goldfluss auch durch Grenzstreitigkeiten und Kriege ins Stocken geraten. So schrieb Bosman, als er im Jahr 1694 Großfriedrichsburg besuchte, dass die Brandenburger sich darüber beklagt hätten, keine zwei Mark Gold im Monat einhandeln zu können. Der Handel an den niederländischen Stützpunkte lag nach Bosman sogar bei Null1252. Ähnliches berichtete Barbot fünf Jahre später, als er in Großfriedrichsburg weilte und keinen Handel treiben konnte, da selbiger wegen der vielen Schleichhändler und mehr noch wegen der fortwährend andauernden Konflikte unter den Einheimischen zum Erliegen gekommen war 1253 . Auch der Konkurrenzkampf unter den Europäern konnte den Goldhandel beeinträchtigen. In den Jahren 1686 und 1687 ließ der Agent des Forts Axim die nach Großfriedrichsburg führenden Wege und Straßen blockieren und afrikanische Händler, die auf dem Weg ins brandenburgische Fort waren oder von dort kamen, ins Gefängnis werfen. Allerdings bedienten sich auch die Brandenburger dieser Methode. Im Jahr 1693 klagte der englische Agent in Dixcove, dass die Adom drei Händler, die in der englischen Festung Handel treiben wollten, abgefangen und nach Großfriedrichsburg geschickt hätten1254. Um von den Schwankungen im Goldhandel unabhängiger zu werden, versuchten die Brandenburger ab 1697, in der Nähe von Großfriedrichsburg selbst nach Gold zu schürfen, obwohl 1248

StaE Reg. 1 Nr. 279b, Nr. 121, teilweise bei Jones: Brandenburg Sources, S. 289 Nr. 78. GStA Rep. 65 Nr. 128 Blatt 14-19. 1250 GStA Rep. 65 Nr. 78 Blatt 104-111. 1251 Weindl: Kurbrandenburger, S. 33. 1252 Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 62. 1253 Barbot: Barbot on Guinea, S. 343. 1254 Jones: Brandenburg Sources, S. 176 Anm. 3. 1249

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die Niederländer dies drei Jahre zuvor etwa 90 km östlich von Großfriedrichsburg ebenfalls versucht hatten und am Widerstand der Afrikaner gescheitert waren. Anfang 1697 wurden der Bergverwalter Dennies und ein Steiger namens Heitz nach Großfriedrichsburg geschickt1255. Die Schürf- und Bergbauarbeiten wurden in der Nähe von Großfriedrichsburg ausgeführt. Dies geschah wahrscheinlich am Berg Manfro, da es nicht wahrscheinlich ist, dass sich die Bergleute weiter ins Hinterland begeben hatten, als die Kanonen von Großfriedrichsburg hätten schießen können. Im September meldete Dannies an den Präsidenten Eberhard von Danckelmann, dass ein Schacht abgeteuft und ein Stollen in den Berg getrieben worden war, dieser aber auch nach dreiwöchiger Arbeit nur „lettige Dam Erden“ zutage fördern würde. Außerdem waren aufgrund der Wetter sechs Bergleute krank geworden und drei verstorben. Dazu beklagte er die schlechte Verpflegung und bat um die Erlaubnis, 50 Sklaven für den Bergbau rekrutieren zu dürfen 1256 . In einem an Raule gerichtetem Gutachten sprach sich der Beamte W. H. Staeden von Cronenfels dafür aus, die Bergbauarbeiten fortzusetzen, da seiner Ansicht nach sowohl die beschriebenen Wetter als auch die Tatsache, dass die Erden Spat enthielten, für ein ergiebiges Goldvorkommen sprachen1257. Auch dem berühmten „Goldmacher“ und Hersteller von Rubingläsern, Johann Kunkel, der von 1677 bis 1685 in kurfürstlichen Diensten stand und für die Herstellung der Glasperlen verantwortlich war, die von der BAC an der Goldküste als Zahlungsmittel genutzt wurden, wurde um ein entsprechendes Gutachten gebeten. Dieses fiel allerdings deutlich verhaltener aus, da nach Kunkels Meinung die Frage, ob die Erde dort Gold beinhalten würden nur schwer zu beantworten sei und dass der erfolgreiche Abbau von Gold, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem Aufwand und nicht innerhalb von kurzer Zeit zu bewerkstelligen war1258. Aufgrund dieses Gutachtens und der Tatsache, dass die noch arbeitsfähigen Bergleute bis Ende des Jahres 1697 an mehreren Stellen Grabungen vorgenommen hatten, ohne auf Gold zu stoßen, lehnte Friedrich III. die weitere Finanzierung für den Bergbau in Westafrika ab, auch weil sich die BAAC sich zu dieser Zeit bereits in schwerer Schieflage befand1259. Aus dem Gold, dass die brandenburgischen Schiffe nach Emden gebracht hatten, wurden zwischen 1682 und 1696 gemäß den Bestimmungen des Reglements der BAC vom April 1682 regelmäßig Münzen geprägt1260. Diese sogenannten Guinea-Dukaten hatten einen Wert von zwei Reichstalern bzw. drei preußischen Talern1261. Die Dukaten dürften jedoch nur einen ideellen Wert 1255

Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 65. Schück II, S. 460f Nr. 149. 1257 Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 66f. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um Fluorit bzw. Flussspat, da es bei mechanischer Bearbeitung gasförmiges Fluor freisetzt und Ozon bildet. Wegen dem dabei entstehenden intensiven Geruch wird Fluorid auch Stinkspat genannt. 1258 Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 67. 1259 GStA Rep. 65 Nr. 74, Blatt 492-493. 1260 Schück II, S. 169ff Nr. 72, Artikel 9. 1261 Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 64; Schück I, S. 156f, Anm. 66. 1256

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gehabt haben. Sogar Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte behauptet, dass die Prägung eines Dukaten zwei Dukaten kosten würde1262 . Auch wurden in den Jahren 1684, 1689, 1691 und 1693 keine Guinea-Dukaten geprägt 1263 . 1683 konnten 7.226 ¼ Dukaten im Wert von 14.453 Reichstalern geprägt werden. Insgesamt hatte der Erlös der Schiffe Morian und Kurprinz 27.630 Reichstaler eingebracht. Diese beinhalteten jedoch auch Abraham van Peres Obligation über 9.160 Reichstaler, die noch nicht bezahlt waren und die Ausrüstung der Schiffe hatte 44.000 Reichstaler gekostet. Noch im August 1683 hatte Raule, obwohl Gröben bereits im Juli zurückgekehrt war, mit Gewinnaussichten von 68.000 Reichstalern aus dieser Expedition bei den ostfriesischen Ständen um deren Beteiligung an der BAC geworben. Ob ein Teil des Goldes ungemünzt an der BAC vorbei zum Erwerb der für den Sklavenhandel wichtigen Güter benutzt wurde, die Brandenburg-Preußen nicht selbst herstellen konnte, darf jedoch bezweifelt werden. Zwar tauschten die ostindischen Kompanien an der Koromandelküste Gold gegen Kaurimuscheln und indische Stoffe, während Brandenburg-Preußen für den Erwerb dieser Güter stets von fremden Märkten abhängig blieb, entsprechende Nachweise für den Zahlungsverkehr sind jedoch nicht auffindbar1264. Über den Handel in Westafrika und in der Karibik sowie über die Vorbereitungen und den Verlauf der Mittelpassage auf einem brandenburgischen Schiff gibt der Schiffsarzt Johann Peter Oettinger in seinem Tagebuch Auskunft, worin er seine Reise auf der Friedrich Wilhelm zu Pferde festgehalten hatte. Oettinger war bereits im April 1692 in Emden eingetroffen, um seinen Dienst in der BAAC anzutreten. Die Abreise der Schiffe verzögerte sich, da französische Kaperfahrer im Ärmelkanal Jagd auf englische Schiffe machten. Die Situation änderte sich erst nach dem Ausgang der Seeschlacht von Bafleur am 29. Mai 1692, als die französische Flotte gegen die überlegenen englischen und spanischen Schiffe eine schwere Niederlage erlitten 1265 . Nachdem die Friedrich Wilhelm zu Pferde den Hafen von Emden mit ihren Begleitschiffen am 25. Juli verlassen hatte, lief sie durch den Ärmelkanal und den Golf von Biskaya zur portugiesischen Küste. Zwei Stürme und der Kontakt mit einem niederländischen Schiff waren die einzigen bemerkenswerten Vorkommnisse. Am 8. September 1692 ankerte der brandenburgische Konvoi am Capo Blanco, in der Nähe von Arguin. Dort berieten die Offiziere zusammen mit dem stellvertretenden Kommandanten der Festung auf Arguin, Jakob Lambrecht de Hond, über die Möglichkeit, die weiter südlich gelegenen französischen Festungen bei Goree und St. Louis anzugreifen. Der Zweck dieser militärischen Operation war einerseits, die französische Konkurrenz im Gummihandel zu schwächen und 1262

Liesegang: Goldgewinnung an der Guineaküste, S. 65. Von Schrötter: Friedrich: Die Münzen Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten und Friedrichs III. von Brandenburg, Berlin 1913, S. 20 und S. 228. 1264 Binder, Franz: Die Goldeinfuhr von der Goldküste in die Vereinigten Provinzen 1655-1675, in: Kellenbenz, Hermann/Schneider, Jürgen (Hrsg.): Precious Metals in the Age of Expansion. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, Band 2, Stuttgart 1981, S. 131-149, hier: S. 143. 1265 Nöldeke, Hartmut: Die Friedrich Wilhelm zu Pferde und ihr Schiffs-Chirug, Herford 1990, S. 16. 1263

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andererseits, die Gefahr eines französischen Angriffs auf Arguin zu vermindern. Der Plan wurde fallen gelassen, da die Kampfkraft der französischen Schiffe deutlich größer war als die der Brandenburger1266. Hier trennten sich die Fregatten Kurprinz und Afrikaner vom Konvoi und fuhren mit einer Ladung von jeweils 500 Sklaven nach St. Thomas1267. Diese Menge wurde wahrscheinlich, abgeleitet von der relativ kurzen Reisedauer der Kurprinz, bereits vorher in der Festung zusammengetragen. Obwohl Arguin eine nennenswerte Rolle in der Frühzeit des transatlantischen Sklavenhandels spielte – die Portugiesen hatten im 15. Jahrhundert die Sklaven, die für den transsaharischen Handel vorgesehen waren, nach Arguin umgeleitet und von dort nach Portugal gebracht – hatte Arguin diese Bedeutung bereits während der Übernahme durch die Franzosen im Jahr 1638 verloren, da die Karawanen die Shahra nun weiter südlich durchquerten 1268. Auf der Fahrt der Sophie Louise im Jahr 1698/99 wurden in Arguin lediglich vier Sklaven eingekauft, eine Beteiligung am Sklavenhandel war allerdings, wie bei vielen nach Arguin segelnden Schiffen nicht geplant 1269 . Auf der Bewindhaber-Versammlung von 1699 wurde noch einmal angedacht, den Sklavenhandel von Arguin aus zu den Kanarischen Inseln aufzunehmen. Dieser Plan kam ebenfalls nicht mehr zur Ausführung1270. Auch der Plan, Arguin gegen eine Insel in der Karibik einzutauschen, lässt auf eine eher untergeordnete Rolle für die BAAC im Sklavenhandel schließen 1271. Allerdings kam der preußische Kaufmann Christian Düring bei einer Anhörung über die Zustände auf Arguin im Jahr 1709 noch zu dem Schluss, dass es durchaus möglich wäre, pro Jahr etwa 100 Sklaven auf Arguin einzuhandeln1272. Die restlichen Schiffe setzten ihre Fahrt entlang der afrikanischen Küste fort. Im Oktober wurden im britischen Fort Bunce die Trinkwasservorräte ergänzt. Während der weiteren Fahrt entlang der Küste wurde bereits Handel mit den Afrikanern getrieben. Die Friedrich Wilhelm zu Pferde erwarb dabei eine größere Menge an Elfenbein und 10.000 Pfund Pfeffer zum Preis von drei Pfennig pro Pfund 1273 . Nach einem kurzen Besuch im niederländischen Fort Axim ging die Friedrich Wilhelm zu Pferde am 19. Dezember auf der Reede vor Großfriedrichsburg vor Anker. Sofort wurden die für die Festung bestimmten Güter und das Baumaterial entladen und die mitgereisten Handwerker und Passagiere, die seit Beginn ihrer Fahrt in Emden an Bord waren, gingen an Land. Johann Tenhoof, der Kommandant von Großfriedrichsburg, wollte auch Oettinger als Arzt behalten, da ihm offensichtlich ein eigener fehlte. Erst durch die Intervention des Agenten Hoffman wurde Oettinger die Erlaubnis erteilt, mit den brandenburgischen Schiffen weiter zu 1266

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 30 und S. 33. TSTD2 Nr. 212923, Nr. 21925; StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 126f. 1268 Thomas: The Slave Trade, S. 331f. 1269 GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 64a. 1270 GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 21-29. 1271 GStA Rep. 65 Nr. 78 Blatt 21-35. 1272 Schück II S. 512ff Nr. 170. 1273 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 43f. 1267

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segeln. Oettinger hatte sowohl auf See als auch in Großfriedrichsburg viel zu tun. Während der Fahrt starben der Oberzimmermann Jakob Klein und mehrere Matrosen an Skorbut 1274 . Auf Großfriedrichsburg litten mehrere europäische Besatzungsmitglieder an der Ruhr, Gelbfieber und Malaria. Während seines Aufenthaltes registrierte er mindestens zehn Todesfälle. Dem Schmied konnte er erfolgreich einen Kropf entfernen1275. Inzwischen wurde die Friedrich Wilhelm zu Pferde für den Transport von Sklaven vorbereitet. Sie übernahm die Ladung der Salamander und auf ihrem Oberdeck wurden mehrere Kessel eingemauert, die zur Zubereitung von Mahlzeiten für 700 bis 800 Menschen dienen sollten. Zusätzlich wurden die Nahrungs- und Wasservorräte ergänzt und innerhalb des Rumpfes ein Zwischendeck eingezogen, um die Sklaven in mehreren Etagen unterzubringen. Wahrscheinlich hatte Kapitän LaSage auch einige der langen Kanus erworben, mit denen die Sklaven vom Strand zu den Schiffen gebracht wurden. Eigens dafür wurden am 16. Februar bei Accra neun Afrikaner, die im Umgang mit diesen Kanus geübt waren, sog. „Remandors“ angeheuert. Auf den Lohnlisten von Großfriedrichsburg tauchten auch regelmäßig sog. „Bomba“ auf, freie Afrikaner, die für die BAAC Botengänge erledigten oder die Sklaven beaufsichtigten1276. Dieser könnte durchaus die Sklaven in der Festung beaufsichtigt haben, aber aufgrund der Größe der Festung dürften dort nicht mehr als ein Dutzend Sklaven pro Jahr zum Verkauf bereit gehalten worden sein 1277 . Obwohl während der letzten beiden Dekaden des 17. Jahrhunderts der Sklavenexport von der Goldküste zunahm, lassen sich für Großfriedrichsburg kaum Nachweise über einen Handel mit Menschen der Goldküste in größerem Umfang finden. Selbst die Niederländer exportierten trotz deutlich stärkerer Präsenz der WIC zwischen 1675 und 1699 weniger als 5 Prozent aller von ihnen gehandelten Sklaven von der Goldküste1278. 1699 hatte das Bewindhaberkollegium sogar beschlossen, die Anzahl der zu dieser Zeit in Großfriedrichsburg eingelagerten 216 Sklaven auf 60 zu reduzieren und den Überschuss nach St. Thomas zu verkaufen, da deren Unterhalt offenbar zu kostspielig geworden war 1279 . Wahrscheinlich waren diese 156 Sklaven Teil der Ladung der Held Josua, als sie im Jahr 1700 eine Ladung von 421 Sklaven nach St. Thomas gebracht hatte1280. Bevor die Friedrich Wilhelm zu Pferde die Reede von Großfriedrichsburg verlassen konnte, mussten die Brandenburger noch zwei portugiesische Schiffe vertreiben, die widerrechtlich Handel mit den unter brandenburgischem Schutz stehenden Afrikanern getrieben hatten. Damit verfuhren die Brandenburger auf die gleiche Weise mit ihren Konkurrenten, wie alle anderen europäischen 1274

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 36. Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 46. 1276 Jones: Brandenburg Sources, S. 101ff Nr. 28, 29, 30 und S. 142f Nr. 55. 1277 Jones: Brandenburg Sources, S. 6 Anm. 26. 1278 Postma: Dutch Slave Trade, S. 113. 1279 GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 19-29. 1280 GStA Rep. 65 Nr. 128, Blatt 34. 1275

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Mächte und lieferten den unter ihrem Schutz stehenden Stämmen zugleich eine wirkungsvolle Demonstration, dass sie durchaus willens und fähig waren, die mit den Einheimischen eingegangenen Schutzverträge zu erfüllen. Schließlich wollten sie nicht die Grundlage ihres eigenen Handels unterminieren. Der Konkurrenzdruck war auf beiden Seiten hoch. Die Afrikaner trieben trotz bestehender Verträge vorrangig mit denen Handel, die sie am besten mit den begehrten europäischen Produkten versorgen und dazu noch Schutz gewähren konnten. Um den Handel zu stören, hetzte vor allem die WIC die Küstenstämme gegen die unter dem Schutz anderer europäischer Mächte stehenden Stämme auf1281. Auch die betroffenen Afrikaner profitierten von dieser Vorgehensweise, das sie auf diese Weise bei militärischem Erfolg einerseits an die Güter ihrer Rivalen herankamen und andererseits die gemachten Kriegsgefangene als Sklaven verkaufen konnten. Dazu konnten sie damit auch Einfluss im Handel mit den Europäern die Preise zu ihren Gunsten beeinflussen. Die europäischen Stützpunkte in Afrika waren keine Kolonien und die Einwohner der westafrikanischen Küsten keine unzivilisierten Wilden. Aber sie lebten in für die Europäer oftmals unverständlichen Sozialverbänden und wussten im Handel mit den Europäern ihre Vorteile durchaus zu wahren. Eine begrenzte militärische Überlegenheit sicherte den Europäern zwar einen gewissen Vorsprung. Wenn aber der Kontakt zu den Afrikanern aus Schwäche, Feindschaft oder Nachlässigkeit abriss, wurden diese Handelsposten schnell wertlos. Deshalb war das schnelle und entschlossene Vorgehen der Brandenburger gegen die portugiesischen Schmuggler nicht nur taktisch klug, sondern lebensnotwendig1282. Am 14. Februar 1693 brach die Friedrich Wilhelm zu Pferde endlich zum Sklavenhandel auf. Den ersten Sklaven hatte sie bereits an Bord, einen Afrikaner aus Großfriedrichsburg, der später versuchte, auf der Friedrich Wilhelm zu Pferde einen Aufstand anzuzetteln. Eine Woche später ankerte die Fregatte auf der Reede vor Accra, wo der Agent Hoffman mit dem Einkauf von Sklaven begann. Als Tauschwaren dienten Seiden- und Leinentextilien, Schießpulver und Glasperlen. Accra war zu dieser Zeit einer der besten Plätze für den Sklavenhandel, da fortlaufend kleine lokale Konflikte einen permanenten Zufluss an Sklaven generierten 1283 . Die Preise lagen dabei nach Oettinger für einen männlichen erwachsenen Sklaven bei 25 Reichstaler, für einen weiblichen erwachsenen Sklaven bei 20 bis 22 Reichstaler, für einen Jungen bei 12 bis 14 Reichstaler und für ein Mädchen bei 10 Reichstaler1284. Leider gab Oettinger nicht an, wie viele Sklaven eingekauft wurden. Am 10. März verließen die Brandenburger Accra und fuhren weiter zum Königreich Whydah. Dort unterhielt die BAAC wahrscheinlich eine sog. „Negerei“, eine mit Erdwällen umgebene Ansammlung von Lehmhütten und nur leicht bewaffnet, die als Sammelstelle für die zur 1281

Jones: Brandenburg Sources, S. 264 Nr. 26. Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 119f. 1283 Thomas: The Slave Trade, S. 349. 1284 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 52. 1282

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Verschiffung nach Westindien bestimmten Sklaven diente. Die Sklavenmärkte in Whydah unterschieden sich grundlegend von denen an der Goldküste. Während dort die afrikanischen Herrschaftsgebiete klein und durch fortdauernde Rivalitäten schwach waren, herrschte der König von Whydah über ein großes geschlossene Territorium. Er überwachte und kontrollierte den Handel mit den Europäern streng, deshalb war er in der Lage, die Europäer innerhalb kurzer Zeit mit großen Mengen an Sklaven zu versorgen1285. Der König selbst lebte etwa sieben Meilen weit im Landesinnern, in einem Ort namens Savi. An keinem anderen Platz in Westafrika war die Position der Europäer derart geschwächt als hier. Die Europäer konnten nur mit der Erlaubnis des Königs und unter Aufsicht eines seiner Beamten Handel treiben. Der König legte die Preise für die europäischen Güter fest und an ihn waren genau definierte Provisionen zu zahlen. Das primäre Tauschobjekt waren Kaurimuscheln, damit waren die Preise für Sklaven in besonderem Maß von den Preisen für Kaurimuscheln abhängig. Die Sklaven bezog der König aus unterschiedlichen Quellen. Zumeist waren es jedoch Kriegsgefangene. Ohnehin stammte bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts der überwiegende Teil der Sklaven aus dem inneren Teil des Kontinents. Von Whydah und anderen Küstenregionen aus wurden Beschaffungsexpeditionen ins Landesinnere geschickt, wo die Afrikaner ihre Landsleute gefangen nahmen und zu den Handelsplätzen an den Küsten brachten. Dabei war der König von Whydah vom König von Arda abhängig, da dieser die Pässe vom Landesinnern zu den Küsten kontrollierte 1286 . Diese bestehende Rivalität zwischen den beiden afrikanischen Herrschern konnte die Position der Europäer etwas verbessern, indem sie beide gleichmäßig umwarben. Eine Ursache für die ständigen Konflikte an der Gold- und Sklavenküste nach 1700 waren dann auch die nun zugelassenen privaten Sklavenhändler, die keine Rücksicht mehr auf die gegebenen Verhältnisse nahmen und damit erfolgreich das von den Handelskompanien in jahrzehntelanger Erfahrung etablierte Gleichgewicht aushöhlten. Die Notwendigkeit, bei den lokalen afrikanischen Herrschern um die Erlaubnis zum Sklavenhandel mit Hilfe von „Geschenken“ zu ersuchen, bestand für alle europäischen Teilnehmer am transatlantischen Sklavenhandel von Anfang an. Auch Otto Friedrich von der Gröben machte diese Erfahrung, indem er während seiner Expedition feststellen musste, dass ohne die Erlaubnis des jeweiligen Machthabers nicht einmal die Wasservorräte der Schiffe ergänzt werden konnten1287. Zeitraubende Verhandlungen mit afrikanischen Kaufleuten oder von den lokalen Herrschern eigens dafür eingesetzten Bediensteten waren notwendig, da die lokalen Machthaber natürlich als erste vom Handel profitieren wollten. Von der Gröben sah den Grund dafür vor allem in dem großen Konkurrenzdruck, den die Europäer selbst auf die lokalen Märkte ausüben würden und in der Gier

1285

Donnan: Documents I S. 292ff. Donnan: Documents I S. 440. 1287 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 15ff. 1286

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und Verschlagenheit der Einheimischen1288. Tatsächlich diente der Austausch von Geschenken zur Sicherung der Handelsverbindungen mit den Europäern. Die Afrikaner versuchten dadurch, sich den Waren der ersten Wahl und der besten Preise zu versichern. Die lokalen Herrscher forderten zudem für ihre Waren und für den Kauf europäischer Güter besondere Preise zu erhalten. Erst nachdem die Europäer diese Abgaben, die einer Handelssteuer gleichzusetzen waren, geleistet hatten, wurde der Handel freigegeben. Diese Freigabe bedeutete jedoch nicht die Erlaubnis zum Handel für jedermann. In vielen Fällen besaßen die Kaufleute privilegierte Positionen innerhalb der westafrikanischen Gesellschaften. Vor allem dann, wenn sie über entsprechende Sprachkenntnisse verfügten1289. Das Risiko des privaten Handels war allerdings auch für die Afrikaner relativ hoch, da sie oftmals Gefahr liefen, von den Europäern beraubt oder selbst in die Sklaverei verschleppt zu werden. So traf von der Gröben mehrfach auf Einheimische, die bei der Kontaktaufnahme äußerst zögerlich vorgingen. Das ging sogar soweit, dass von der Gröben einige Besatzungsmitglieder den Afrikanern als Geisel an Land schicken musste, als er einen Häuptling zu Verhandlungen an Bord einlud 1290 . Ähnlich wie in Europa versuchten auch die Afrikaner die Risiken durch staatlichen Schutz zu mindern, während die Staaten private Initiativen zur Hebung ihres Einkommens nutzten. Welche Machtfülle einzelne afrikanische Kaufleute besaßen, zeigen die Beispiele von Jan Kabes und Jan Conny, die beide im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert im Sklavenhandel aktiv waren. Kabes war vor allem bei britischen Händlern dafür berüchtigt, kräftig in die eigene Tasche zu wirtschaften1291. Conny nutze gar seine Stellung bei der BAAC dazu, sich zum lokalen Herrscher empor zu heben, als Preußens Stern in Großfriedrichsburg unterging. In Whydah war es üblich, dass für die Handelskonzession an den König und dessen Oberen Güter im Wert von 100 £ gezahlt werden musste. Außerdem wurden die europäischen Kaufleute verpflichtet, zuerst die Sklaven des Königs abzunehmen, welche zwischen einem Drittel und einem Viertel teurer waren als gewöhnlich 1292 . Obwohl Oettinger derartige Forderungen als Diebstahl betrachtete, erkannte er zugleich die Nutzlosigkeit, dagegen zu protestieren1293. Die BAAC profitierte beim Sklavenhandel in Whydah von zwei Faktoren. Zum einen war sie in der Lage, alle europäischen Waren billiger anbieten zu können, zum anderen wurde sie vom König begünstigt, da das brandenburgische Personal im Sklavenhandel überwiegend aus Niederländern bestand, die beim König von Whydah besonders gerne gesehen waren1294. Am 15. März 1693 ging Oettinger zusammen mit dem Agenten Hoffman an Land, um die Sklaven, die 1288

Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 56. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 57. 1290 Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 35 und S. 49. 1291 Donnan: Documents II S. 189; Thomas: The Slave Trade S. 393. 1292 Donnan: Documents I S. 441. 1293 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge S. 59. 1294 Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 123. 1289

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ihnen aus dem Landesinnern zugeführt wurden, zu begutachten. Diejenigen, die von Oettinger zum Kauf ausgesucht wurden, mussten sich in Gruppen zu 20 bis 30 Mann niederknien und bekamen ein Brandzeichen mit den Kürzeln „C.A.B.C.“, was für „Churfürstlich Afrikanisch-Brandenburgische Compagnie“ stand, um zu verhindern, dass sie von den afrikanischen Zwischenhändlern nach dem Kauf gegen minderwertige Ware ausgetauscht oder an einen europäischen Konkurrenten verkauft wurden1295. Die Markierung mit einem Brandzeichen war an der Sklavenküste allgemein üblich. Bei Männern wurde das Brandzeichen auf die Brust oder die Schulter gesetzt, bei Frauen war man dabei etwas vorsichtiger. Danach wurden sie meistens wieder in ihre Verschläge gesperrt, bis genügend Sklaven für die Einschiffung zur Verfügung standen1296. Bei der Auswahl achtete man darauf, dass möglichst Sklaven im Wert eines vollen Piece d´India eingekauft wurden. Bei den Frauen und Kindern sollte beachtet werden, dass ihre Zahl volle Piece d´India ergaben. Die evtl. vorhandenen Säuglinge durften dabei nicht von der Mutter getrennt werden1297. Die Auswahl der Sklaven nahm drei Wochen in Anspruch. Am 4. April 1693 hatte die Friedrich Wilhelm zu Pferde 738 Sklaven an Bord genommen und am nächsten Tag setzten die Brandenburger die Segel. Einige Sklaven waren bereits vor der Einschiffung gestorben und am Abreisetag hatte Oettinger weitere Krankheitsfälle sowohl bei den Sklaven als auch bei der Mannschaft zu behandeln. Zwei weitere wurden von Haien gefressen, als sie während des Überstiegs vom Boot auf das Schiff über Bord gingen. Die Haie wurden kurz darauf gefangen und in ihren Mägen fanden sich die sterblichen Überreste der zuvor verschlungenen Sklaven1298. Die Fahrt der Hannibal verlief ganz ähnlich wie bei den Brandenburgern. Auch die Dauer der Reise nach Westafrika war etwa gleich, abzüglich des Aufenthaltes der Brandenburger auf Arguin. Auch Kapitän Phillips kaufte in der Nähe von Axim einige Kanus und 10.000 Pfund Malagetta-Pfeffer. Den Pfeffer benötigte er als Medizin, um Krankheiten an Bord vorzubeugen. Auch die Brandenburger kauften diese Pfefferart, allerdings betrachteten sie ihn als normales Handelsgut. Die Brandenburger konnten den Pfeffer billiger einkaufen, als die Engländer. Phillips bezahlte pro 1.000 Pfund einen Eisenbarren im Wert von jeweils 3 s 6 p, was etwa 4,2 Pfennig entsprach1299. Zusätzlich wurden noch Mais, Palmöl und andere Güter eingekauft, wobei Phillips mit vier „bushels“ pro Sklave, ca. 105 kg, kalkulierte. Die gesamte Menge wurde für 1,5 oz. Gold erworben. Diese Lebensmittel dienten zur Ergänzung der bereits in England an Bord genommenen. Im Gegensatz zu den Brandenburgern machte Phillips an der Goldküste keinen Versuch, Sklaven zu kaufen, da sich während seines Aufenthaltes viele Stämme gegenseitig bekämpften. Auch der 1295

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 61. Donnan: Documents I S. 293. 1297 GStA Rep. 65 Nr. 33, Blatt 212-217. 1298 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge S. 63f. 1299 Donnan: Documents I S. 394ff. 1296

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allgemeine Küstenhandel war deswegen stark eingeschränkt, vor allem in der Gegend um Cape Coast Castle. Am 21. Mai 1694 gingen die Hannibal und ihr Begleitschiff, die East India Merchant auf der Reede vor Whyday vor Anker. Dort brauchten sie ganze neun Wochen, bis genügend Sklaven an Bord genommen werden konnten. Die Brandenburger hatten dazu lediglich drei Wochen benötigt. Eine derart kurze Liegezeit war aber auch bei den Brandenburgern nicht die Regel. Als im April 1688 die brandenburgische Fregatte Wappen von Brandenburg bzw. Dorothea in Whydah eingetroffen war, lag sie mehr als zwei Monate dort vor Anker, bis eine Ladung von insgesamt 105 Sklaven zusammengestellt war1300. Dort traf sie auf sechs englische und französische Schiffe, die bereits deutlich länger dort lagen und auf Sklaven warteten. Auch die Kurprinzess erwarb ihre Sklaven im Jahr 1698 in Whydah. Dort wurde sie von einem englischen Schmuggler angegriffen 1301. Einige Sklaven wurden auch in der Bucht von Biafra eingekauft, obwohl diese sog. Calabaries bei den Pflanzern in Westindien aufgrund ihrer geringen Belastbarkeit und ihres ausgeprägten Freiheitsdrangs kaum gefragt waren 1302. Auf der Generalversammlung des Bewindhaberkollegiums von 1699 wurde sogar beschlossen, dass fortan keine Sklaven mehr aus Calaba eingekauft werden sollten, um die restliche Ware nicht zu verderben1303. Nach Ansicht der BAAC kamen die Sklaven mit der besten Qualität aus Angola, weshalb im Kompanie-Etat aus dem Jahr 1694 Angola auch als wichtigstes Ziel im Sklavenhandel genannt wurde1304. Zusätzlich hatte die BAAC zwischen 1692 und 1698 mindestens drei niederländischen Schiffen Seepässe für den Sklavenhandel in Angola erteilt1305. Allerdings war es eher selten, dass eine gesamte Sklavenladung an einem Ort eingekauft werden konnte. In der Regel wurden die Sklaven einzeln oder in kleinen Gruppen erworben. So kaufte Robert Doegood, der Kapitän des englischen Schiffes Arthur, als er von Anfang Februar bis Ende März 1678 an der Sklavenküste lag, pro Tag nicht mehr als 20 Sklaven ein, oftmals waren es sogar nur zwei bis drei pro Tag1306. Der Ablauf der Rekrutierung der Sklaven unterschied sich bei den Engländern nicht von der Vorgehensweise der Brandenburger. Phillips musste beim König um Audienz bitten, ihm die Frachtlisten vorlegen und warten, bis er die Erlaubnis zum Sklavenhandel erhielt 1307 . Auch die Engländer versahen „ihre“ Sklaven mit einem Brandzeichen, sie brannten ihnen den Schiffsnamen auf die Brust. Oettinger und Phillips beklagten dabei gleichermaßen die mangelnde Sorgfalt der Afrikaner sowohl beim Transport der Sklaven wie auch der übrigen Waren von den Sammelpunkten 1300

TSTD2 Nr. 21961, dort auch die doppelte Namensgebung; Jones; Brandenburg Sources, S. 146 und 281, Doc. 68; Westergaard: Danish West Indies, S. 320. 1301 GStA Rep. 65 Nr. 91 Blatt 306-309. 1302 Postma: Dutch Slave Trade, S. 106ff. 1303 GStA Rep. 65 Nr. 77 Blatt 19-29. 1304 Schück II, S. 439 Nr. 144. 1305 Jones: Brandenburg Sources, S. 165 Anm. 4. 1306 TSTD2 Nr. 9990; Donnan: Documents I S. 226ff, Nr. 67. 1307 Donnan: Documents I S. 399ff.

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zurück zum Schiff. So nutzten viele Afrikaner den Umstand, die Fässer mit den Kaurimuscheln tragen zu müssen dazu, diese mutwillig zu beschädigen und einen Teil daraus zu entwenden1308. Phillips beklagte, dass die einheimischen Agenten die Sklaven rasierten, mit Palmöl einrieben und zusätzlich Alkohol einflößten, um sie so jünger erscheinen zu lassen 1309 . Am 27. Juli hatte die Hannibal 700 Sklaven an Bord genommen, 480 Männer und 220 Frauen. Für einen erwachsenen Sklaven betrug der Preis etwa 100 Pfund Kaurimuscheln bzw. 3 £ 4 s. Die weiteren gut eintauschbaren Güter waren Kupferpfannen, Eisenbarren und Leinenstoffe. Waffen und Schießpulver waren hingegen nicht gefragt. Selbst die Metall- und Stoffwaren, die normalerweise sehr gefragt waren, hatten einen deutlich geringeren Marktwert als Kaurimuscheln. Wenn ein afrikanischer Zwischenhändler fünf Sklaven zu verkaufen hatte, mussten mindestens zwei davon voll mit Kaurimuscheln und einer mit Messingschalen bezahlt werden. Dabei lag für die Engländer der Preis für die Menge an Muscheln für einen Sklaven bei über 4 £, bei den entsprechenden Metallwaren nur bei 50 s, weshalb der Tauschhandel eigentlich nur mit Kaurimuscheln und Kupferund Messingwaren rentabel war 1310 . Tauschten die Engländer indische Baumwollstoffe, lag der Preis für einen Sklaven sogar bei 6 £. Der durchschnittliche Preis betrug bei Phillips 3 £ 15 s. Deshalb war er darum bemüht, zuerst die mitgeführten Metallwaren und Textilien an den Mann zu bringen, bevor er die Muscheln zum Tausch anbot, da er fürchtete, sonst dies Waren gar nicht absetzen zu können. Als Faustregel galt: je mehr Sklaven gegen die in Europa billigen Waren eingetauscht werden konnten, desto lohnender war das Geschäft. Für die Europäer war auch ein klarer Nachteil, dass sie an der Sklavenküste keine eigenen Stützpunkte mit Magazinen unterhalten konnten, was ihnen erlaubt hätte, den Handel unabhängiger von der Schiffsladung und unter Ausnutzung der Binnenkonjunktur abzuwickeln. Darin unterschied sich der Handel an der Sklavenküste wesentlich von dem an der Goldküste und auf Arguin. Die BAAC glich diesen Nachteil aus, indem die Sklaven entweder in Großfriedrichsburg zwischengelagert wurden oder ein zweites oder sogar mehr Schiffe den eigentlichen Sklaventransporter als schwimmendes Magazin begleiteten. Letzteres war eindeutig vorteilhafter, da bei der Zwischenlagerung schnell Krankheiten und Aufstände entstehen konnten, was den Preis entsprechend minderte. Zudem war selbst in Großfriedrichsburg nicht genügend Platz, um mehr als 250 Sklaven auf einmal unterbringen zu können. Außerdem konnte man mit einem schwimmenden Magazin deutlich flexibler auf die Nachfrage der Afrikaner reagieren. Was in einer Region kaum gefragt war, hatte in der anderen Region einen besonders hohen Tauschwert und umgekehrt. Der durchschnittliche Einkaufspreis für die 738 Sklaven an Bord der Friedrich Wilhelm zu Pferde lag etwa bei 17 Reichstaler und 5

1308

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge S. 61. Donnan: Documents I S. 401. 1310 Donnan: Documents I S. 404f. 1309

284

Groschen bzw. bei 3 £ 9 s. Kapitän Phillips bezahlte einen durchschnittlichen Preis von 3£ 15 s. Im Jahr 1693 lag der Durchschnittspreis für den Kapitän der Friedrich III. bei 3 £ 4 s und auf der Fahrt im Jahr 1689/1699 lag er sogar bei nur 2 £ 19 s 1311. Dies konnte lediglich noch von der Armenian Merchant unterboten werden. Ihr Durchschnittspreis lag auf ihrer Fahrt im Jahr 1690/1691 bei 2 £ 15 s 1312 . Hierbei zeigte sich, dass die Brandenburger ihre Kaurimuscheln zu höheren Preisen einkaufen mussten als die Engländer. Für sie wirkten sich die Ausfuhrbeschränkungen für Kolonialprodukte günstig auf die Preise aus, während die Brandenburger die Muscheln auf den niederländischen Märkten einkaufen und dort mit anderen Interessenten konkurrieren mussten. Dafür konnte die BAAC Textilien und Metallwaren zu besseren Konditionen beschaffen, als die Engländer. Während Kapitän Phillips ca. 50 Prozent seiner Sklaven mit Kaurimuscheln bezahlen musste, schwankte der Anteil bei der BAAC bei 30 bis 35 Prozent. Der Anteil der mit Metallwaren und Textilien erworbenen Sklaven lag bei den Brandenburgern bei 50 Prozent über dem der englischen Schiffe. Das war auch der Grund für die relativ geringen Unterschiede bei den durchschnittlichen Einkaufspreisen

der

Sklaven.

Damit

waren

die

Brandenburger

im

transatlantischen Sklavenhandel im Vergleich zu den anderen europäischen Konkurrenten durchaus konkurrenzfähig und beim Transport der lebenden Fracht ihnen sogar überlegen.

5.5. Die Mittelpassage

Nachdem die europäischen Schiffe ihre jeweiligen Sklavenladungen an Bord genommen hatten, stand ihnen der schwierigste Teil ihrer Reise bevor, nämlich die Überfahrt über den Atlantik zu ihren jeweiligen Zielhäfen. Die Brandenburger liefen St. Thomas und die Engländer Barbados an. Sowohl die Friedrich Wilhelm zu Pferde als auch die Hannibal nahmen nicht sofort den Weg Richtung Westen, sondern liefen zuvor die portugiesische Insel Sao Thomé an, um dort noch einmal Frischwasser und Proviant aufzunehmen. Obwohl die Preise dort relativ hoch waren, nutzten die meisten Sklavenschiffe die Insel als letzten Zwischenstopp, bevor sie die Mittelpassage antraten1313. Sao Thomé wurde auch von anderen brandenburgischen Schiffen angelaufen. So ist diese Route auch für die Kurprinzess im Jahr 1698 nachgewiesen1314. Sowohl die Friedrich Wilhelm zu Pferde als auch die Hannibal nahmen nicht den direkten Weg nach Sao Thomé sondern fuhren wegen der Meeresströmung und der vorherrschenden Winde entlang der Küste bis zum Kap Lopez, südlich der Mündung des Nigers1315. Solange sich die Schiffe in der Nähe der Küste befanden, fürchteten die 1311

Jones: Brandenburg Sources, S. 199 Nr. 80 und S. 213 Nr. 90. Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 128f. 1313 Thomas: The Slave Trade, S. 362. 1314 GStA Rep. 65 Nr. 91 Blatt 306-309. 1315 Donnan: Documents I S. 406ff; Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 64. 1312

285

Europäer, dass die Sklaven entweder einzeln oder in Gruppen versuchen würden, zu fliehen. Sie gingen davon aus, dass die Unkenntnis der Afrikaner auf dem Gebiet der Navigation ein sicherer Schutz war. Allerdings waren Sklavenrevolten auf europäischen Schiffen auf hoher See deutlich häufiger als in Küstennähe1316. Sobald die Afrikaner auf die Schiffe gebracht worden waren, hatte sich das soziales Verhältnis zwischen den Sklavenhändlern und ihrer menschlichen Fracht umgekehrt. Auf dem Weg zur Küste sowie vor und während des Verkaufs waren sie ihren Unterdrückern nicht nur zahlenmäßig unterlegen. Die afrikanischen und europäischen Kaufleute verband ein gemeinsames ökonomisches Interesse. Beide Teile zogen Nutzen daraus, dass die Versklavten aus ihren angestammten sozialen Verbänden herausgerissen wurden und dadurch sämtliche Gesellschaftsnormen und Beziehungsmechanismen außer Kraft gesetzt waren. Der an das Alter eines Afrikaners gekoppelte soziale Wert wurde an Bord eines Sklaventransporters ins Gegenteil verkehrt. Während in den afrikanischen Herrschaftsverbänden die älteren Mitglieder aufgrund ihrer Lebenserfahrung besondere Autorität genossen und die jüngeren es gewohnt waren, sich dieser Autorität unterzuordnen, hatten die jungen nun in den Augen der Sklavenhändler aufgrund ihrer höheren Arbeitskraft den höheren Wert. Ihnen wurde die größere Chance eingeräumt, die Belastungen der Mittelpassage überleben und länger auf den westindischen Plantagen arbeiten zu können. Damit wurden die sozialen Bewertungsmaßstäbe durch ökonomische ersetzt. Auch an Bord der Sklavenschiffe blieben diese ökonomischen Bewertungsmaßstäbe erhalten, die soziale Situation änderte sich allerdings grundlegend. Zum einen kehrte sich das Zahlenverhältnis zugunsten der Sklaven um, zum anderen waren Afrikaner und Europäer an Bord der Schiffe in zwei sich überlagernde Beziehungsmuster eingebunden. Auf der einen Seite waren alle Menschen an Bord Teil einer Schicksalsgemeinschaft und gleichermaßen von Krankheiten, Unwetter und mangelhafter Verpflegung betroffen. Auf der anderen Seite stand die potentielle Konfrontation zwischen der Schiffsbesatzung und ihrer Ladung. Der Kapitän und die Mannschaft mussten alles tun, um den Wert ihrer menschlichen Fracht zu erhalten. So schilderte der Kapitän des englischen Schiffes Arthur im Jahr 1678 in seinem Logbuch anschaulich seine Bemühungen, das tägliche Sterben an Bord einzudämmen und die Sklaven bei Laune zu halten, ohne dies jedoch wirklich verhindern zu können1317. Noch während die Arthur sich an der westafrikanischen Küste aufhielt, starben bereits die ersten Sklaven an Bord, im Durchschnitt verlor die Arthur während der Mittelpassage etwa zwei Sklaven pro Tag. Die Europäer mussten also nicht nur dafür sorgen, dass die Verlustrate möglichst gering blieb, sondern auch besonders darauf achten, dass die Afrikaner untereinander keine sozialen Bindungen herstellen konnten, was ihnen ermöglicht hätte, ihre

1316

Davidson, Basil: Vom Sklavenhandel zur Kolonialisierung. Afrikanisch-Europäische Beziehungen zwischen 1500 und 1900, Reinbek 1966, S. 61f. 1317 Donnan: Documents I S. 226ff.

286

überkommenen Verhaltensmuster zu überwinden und so die Chance zu einem Aufstand gegen ihre Unterdrücker zu nutzen. Denn das Risiko einer Sklavenrevolte an Bord war eine ebenso ernstzunehmende Gefahr für den Erfolg des Sklavenhandels wie Krankheiten und Unwetter. Auch an Bord der Hannibal und der Friedrich Wilhelm zu Pferde war man darauf bedacht, das Risiko eines Aufstands möglichst gering zu halten. Kapitän Phillips ließ seine Sklaven paarweise in Fußeisen legen, um deren Bewegungsfreiheit einzuschränken. Dazu ließ er an den Bordwänden Wachen aufstellen, auf dem Achterdeck wurden geladenen Schusswaffen und Granaten bereit gehalten, die leichten Kanonen sowie die Drehbassen waren mit Schrot geladen und auf die Sklaven gerichtet und das Steuerhaus wurde gut gesichert1318. Diese massive Androhung von militärischer Gewalt diente nicht nur als schiere Vorsichtsmaßnahme, sondern sollte auch abschrecken. Das diese Maßnahmen nicht unbegründet waren, zeigte sich in mehreren Fällen, in denen es Afrikanern gelang, ein Schiff unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch die BAC verlor mindestens ein Sklavenschiff durch eine Rebellion an Bord, die Braunfisch1319. Wichtiger als die Androhung von Gewalt war die Kontrolle der Sklaven durch sog. „tumpas“, halbfreie Sklaven von der Goldküste, die sowohl die Friedrich Wilhelm zu Pferde als auch die Hannibal an Bord hatten. Ihre Aufgabe bestand darin, jedes Anzeichen von Widerstand der Besatzung zu melden und Streitigkeiten zu verhindern. Auch waren sie in die tägliche Bordroutine eingebunden, indem sie die Essensausgabe und die Reinigung der Sklavendecks überwachten. Als „Rangabzeichen“ trugen die tumpas eine Neunschwänzige Katze1320. Die Hannibal benötigte für die Fahrt nach Sao Thomé und für die Ergänzung ihrer Vorräte genau einen Monat. Bereits während der Fahrt entlang der Küste verlor die Hannibal täglich zwei bis drei Sklaven durch Krankheit1321. Am 27. August 1694 setzte sie die Segel in Richtung Barbados. Die Friedrich Wilhelm zu Pferde benötigte insgesamt sechs Wochen, bis sie ihre Mittelpassage antreten konnte. Einen Monat, nachdem sie Whydah verlassen hatte, ankerte sie am 5. Mai bei Kap Lopez, um Wasser, Brennholz und Lebensmittel aufzunehmen. Vom 15. bis zum 23. Mai nahm sie zusätzlich Frischfleisch, Yams und Bananen an Bord 1322. Damit ließ Kapitän LaSage bei der Verpflegung der Sklaven größere Sorgfalt walten als sein englischer Kollege. Diese Sorgfalt war lebenswichtig, da von der Ernährung von Mannschaft uns Sklaven der gesamte Erfolg des Unternehmens abhängig war. Noch während die Friedrich Wilhelm zu Pferde entlang der westafrikanischen Küste segelte, mussten an Bord gleich zwei Sklavenaufstände niedergeschlagen werden. Der Sklave, der bereits in Großfriedrichsburg wegen aufsässigen Verhaltens an Bord gebracht worden war, wurde dort mit der Aufgabe eines „tumpas“ betraut. 1318

Donnan: Documents I S. 406. Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 63 1320 Donnan: Documents I S. 407. 1321 Donnan: Documents I S. 408. 1322 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 71f. 1319

287

Dieser tat sich, als die Friedrich Wilhelm zu Pferde von Whydah zum Kap Lopez segelte, mit einigen anderen Sklaven zusammen, um wieder in Freiheit zu kommen. Damit wurde ausgerechnet derjenige zum Anstifter einer Rebellion, der genau diese eigentlich verhindern sollte! Das System der Überwachung von Sklaven durch Sklaven funktionierte allerdings gut und der tumpa wurde durch einen anderen tumpa verraten. Sofort wurde an Bord ein Kriegsgericht einberufen und der Rädelsführer zum Tod durch Erschießen und die anderen Beteiligten zu Kielholen und anschließendem Auspeitschen verurteilt 1323 . Die Verurteilung erfolgte gemäß § XXIII des kurbrandenburgischen

Seekriegsrechts.

Dabei

wurden

auf

die

Sklaven

die

gleichen

Rechtsverbindlichkeiten angewandt, die auch für die Besatzung Geltung hatten1324. Der Sklave, der den Komplott an Kapitän LaSage verraten hatte, wurde zur Belohnung in die Position eines „tumpas“ befördert. Selbstverständlich sollte mit dieser harten Bestrafung auch ein Exempel statuiert werden, was zunächst jedoch wenig Wirkung zeigte. Als die Friedrich Wilhelm zu Pferde am Kap Lopez lag, um weitere Vorräte für die Mittelpassage zu übernehmen, versuchte einige Sklaven erneut, einen Aufstand anzuzetteln. Ihr Plan war, die Besatzung umbringen und sich des Schiffes zu bemächtigen. Auch dieser Plan wurde rechtzeitig dem Kapitän verraten. Da man aber gerade im Hafen lag, wurden die Verantwortlichen diesesmal nur ausgepeitscht und anschließend in der Bilge des Schiffes in Ketten gelegt. Einer der Verurteilten versuchte zu fliehen. Er entledigte sich seiner Fesseln und sprang über Bord, wurde aber kurz darauf von einem der Beiboote wieder aufgegriffen und zu den anderen Meuterern gesperrt 1325. Die Tatsache, dass die Sklaven selbst im Hafen eines europäischen Handelsplatzes rebellierten, zeigt deutlich, dass ihnen klar gewesen sein dürfte, dass dies ihre letzte Chance war, zu entkommen. Ebenso wie die Arthur und die Hannibal hatte auch die Friedrich Wilhelm zu Pferde bereits hier ihre ersten Verluste zu beklagen. Bis zur Ankunft in Sao Thomé hatten 20 Sklaven ihr Leben gelassen. Oettinger machte dafür die schlechte Belüftung des Schiffes, mangelnde Bewegung und die unzureichende Ernährung verantwortlich1326. Zu den häufigsten Krankheiten gehörten Skorbut, Ruhr und Wassersucht. Die Ernährung bestand wöchentlich zweimal aus Schweine- und einmal aus Rindfleisch, ansonsten aus gekochten Bohnen, Erbsen und Graupen1327. Damit war die Ernährung der Sklaven bei den Brandenburgern sogar noch besser als auf der Hannibal. Dort bekamen die Sklaven als Grundration Maisbrot, versetzt mit Malagettapfeffer und Palmöl. Dreimal pro Woche bekamen die Sklaven gekochte Saubohnen. Letztere schienen bei den Sklaven überaus beliebt gewesen zu sein, jedenfalls empfahl Kapitän Phillips diese Art von Ernährung für weitere 1323

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 65. Schück II, S. 142ff Nr. 68. 1325 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 72f. 1326 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 63f. 1327 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 79. 1324

288

Sklavenfahrten1328. Dazu bekamen sie einen halben Liter Wasser zu jeder Mahlzeit. Die Sklaven mussten, nach Geschlechtern getrennt, zu jeweils zehn Personen aus einer Kupferschüssel essen. Die Mahlzeiten wurden zweimal täglich, morgens um 10:00 Uhr und nachmittags um 16:00 Uhr ausgegeben. Auch wurde die ausgegebene Menge nach Geschlecht variiert. Die Verpflegung der Besatzung unterschied sich kaum von derjenigen der Sklaven 1329. Auf Sauberkeit legte Oettinger großen Wert. So hatte er im Hafen von Sao Thomé die Decks und Bordwände mit Kalk und mit Essig versetztem Wasser reinigen lassen. Die Engländer kümmerten sich offensichtlich kaum um die Sauberkeit des Schiffes, sondern überließen dies ganz den Sklaven selbst bzw. den „tumpas“. Diese Sorgfalt machte sich bei den Brandenburgern durch deutlich niedrigere Verluste und einen allgemein besseren Zustand der Sklaven bei Anlieferung in der Karibik bemerkbar. Die Hauptursache für das Auftreten von Krankheiten an Bord war nicht, wie es zeitgenössische Berichte immer wieder betonen, die drangvolle Enge, in der die Sklaven untergebracht waren, sondern wurde durch die Lebensumstände an Bord, die Herkunft der Sklaven, die epidemiologische Situation der Besatzung und nicht zuletzt durch die Dauer der Mittelpassage definiert. Auf der Hannibal waren über 100 Sklaven an Pocken erkrankt 1330 . Die Erreger konnten nur durch ein europäische Besatzungsmitglied übertragen worden sein, da Pocken im 17. Jahrhundert in Afrika unbekannt waren. Sklaven aus Whydah und der Goldküste galten allgemein als anfälliger gegenüber den typischen Tropenkrankheiten, denen auch die Europäer nichts entgegenzusetzen hatten. Auf der Friedrich Wilhelm zu Pferde ist offenbar kein Sklave Pocken, Malaria oder einer anderen Tropenkrankheit zum Opfer gefallen, da Oettinger keinen derartigen Fall erwähnte, während Kapitän Phillips genau diese Krankheiten als hauptsächliche Todesursachen identifizierte. Eine weitere wichtige Ursache war das, was viele Schiffsärzte des 17. und 18. Jahrhunderts als „Melancholie“ bezeichneten, nämlich die psychologischen Auswirkungen der Mittelpassage auf die menschliche Fracht. Auf der Hannibal versuchte man diesem Phänomen zu begegnen, indem die Sklaven in regelmäßigen Abständen an Deck gebracht wurden und tanzen sollten, während einige Besatzungsmitglieder dazu mit Dudelsack, Fiedel und Harfe aufspielten. Schließlich spielte noch die Ausbildung der Schiffsärzte eine wichtige Rolle. Je besser ihre Ausbildung bzw. erworbenen Kenntnisse auf vorherigen Expeditionen war, desto besser waren sie mit den typischen Krankheitsbildern vertraut und konnten beim Kauf besser die bereits kranken Sklaven von den gesunden unterscheiden und so die Einschleppung von Erregern vermeiden. Ab den 1670´er Jahren gab die WIC ihren Schiffsärzten eine entsprechende Ausbildung, die tatsächlich dafür sorgte, dass auf niederländischen Schiffen die Sterblichkeit an Bord zurückging, so lange sich der Kapitän an

1328

Donnan: Documents I S. 407. Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 39f. 1330 Donnan: Documents I S. 407ff. 1329

289

die Anweisungen seines Schiffsarztes hielt, was aber nicht oft der Fall war1331. Letztlich hing die Zahl der Verluste durch Krankheit und Tod entscheidend von der Dauer der Mittelpassage ab. Je kürzer der Aufenthalt an den westafrikanischen Häfen war und je schneller die Schiffe dann den Atlantik überquerten, desto weniger Sklaven ließen unterwegs ihr Leben und desto gesünder waren sie bei ihrer Ankunft. Die Friedrich Wilhelm zu Pferde benötigte für die Mittelpassage 51 Tage. Sie verließ am 23. Mai 1693 Sao Thomé und erreichte am 9. Juli St. Thomas. Inklusive die Fahrt von Whydah nach Sao Thomé waren die Sklaven genau 100 Tage an Bord. Die Hannibal benötigte für die kürzere Strecke von Sao Thomé nach Barbados 71 Tage. Für die Fahrt von Whydah nach Sao Thomé hatte sie jedoch nur 29 Tage benötigt. Damit war die Verweildauer auf See bei beiden Schiffen gleich. Die deutlich geringere Sterberate an Bord der Friedrich Wilhelm zu Pferde resultierte demnach aus der fast um die Hälfte kürzere Atlantik-Überquerung. Von den in Afrika an Bord genommenen 700 Sklaven hatten nur 372 lebend den Faktor der RAC auf Barbados erreicht, 47 Prozent der Sklaven hatten die Mittelpassage nicht überlebt1332. Von den 738 Sklaven an Bord der Friedrich Wilhelm zu Pferde kamen 669 lebend auf St. Thomas an, nur knapp 10 Prozent hatten die Mittelpassage nicht überlebt

1333

. Auch auf den anderen nachgewiesenen

Sklaventransporten der BAAC ist eine allgemein geringere Sterberate nachweisbar. Die durchschnittliche Verlustrate auf brandenburgischen Sklaventransporten zwischen 1680 und 1718 betrug etwa 18,4 Prozent

1334

. Verglichen mit den Werten der anderen europäischen

Handelskompanien weist Brandenburg-Preußen den niedrigsten Wert auf. Bei der RAC lag die Verlustrate bei 23.5 Prozent, der französische Sklavenhandel von Nantes aus hatte eine Verlustrate von 17 Prozent. Die Dänen hatten sogar eine viermal höhere Verlustrate von 40,9 Prozent. Auch hier ist davon auszugehen, dass die hohe Sterberate auf dänischen Schiffen mit der Dauer der Mittelpassage zusammenhängt. Lediglich auf der letzten Reise der Christian V. kamen die Dänen mit einer Reisedauer von 51 Tagen in den Bereich der Brandenburger. Die Friedrich III. und die Kurprinzess brauchten im Durchschnitt etwa 50 Tage für die Fahrt vom letzten afrikanischen Hafen nach St. Thomas. Die schnellste Reise gelang im Jahr 1699 der Friedrich III. Für die Strecke von der Goldküste nach St. Thomas benötigte sie ganze 38 Tage. Selbst in der Anfangsphase des brandenburgischen Sklavenhandels waren die Verlustraten nicht so hoch wie bei den Dänen1335. Das Bewindhaberkollegium in Emden kalkulierte mit einer Verlustrate von 8 Prozent

1336

Wahrscheinlich griffen sie bei diesen Berechnungen auf die Erfahrungen der WIC zurück. Dort lag die Verlustrate in den 1680´er Jahren bei 14,5 Prozent, in der darauf folgenden Dekade bei 13 1331

Thomas: Slave Trade, S. 275ff. Donnan: Documents I S. 409f. 1333 Kellenbenz: Die Brandenburger auf St. Thomas, S. 212. 1334 Siehe Anhang I. 1335 Brübach: Brandenburg-Preußen, S. 143. 1336 GStA Rep. 65 Nr. 61 Blatt 122. 1332

290

.

Prozent und im Gesamtdurchschnitt, bei 15,9 Prozent1337. Die Ursache für die Schnelligkeit der brandenburgischen Schiffe war auch der finanzielle Anreiz, der den Kapitänen geboten wurde. Wouter Ypes, der Kapitän der Friedrich III. erhielt von der Sklavenfahrt im Jahr 1698/99 von dem Erlös für jeden Sklaven, den er oberhalb von 600 Sklaven, für deren Einkauf die Fracht kalkuliert war, ein Fünftel des Verkaufspreises1338. Der Kapitän hatte also einen doppelten finanziellen Anreiz. Zum einen konnte er versuchen, für die zum Sklavenhandel bestimmte Ladung möglichst viele Sklaven einzukaufen, zum anderen mehr als die von der BAAC kalkulierten Menge an Sklaven in Westindien abzuliefern und so einen Teil des Gewinns in die eigene Tasche umleiten.

5.6. Der Verkauf in der Karibik

Die Friedrich Wilhelm zu Pferde erreichte am 9. Juli 1693 den Hafen von St. Thomas. Die Überfahrt über den offenen Atlantik verlief ereignislos. Als das Schiff jedoch die Inselkette der Antillen erreichte, drang in der Nacht zum 17. Juni Wasser durch eine offen gelassene Stückpforte in das Quartier der weiblichen Sklaven ein. Die Stückpforte konnte geschlossen und das Wasser aus dem Schiff gelenzt werden, so dass keine Verluste zu beklagen waren1339. Drei Tage später brach an Bord in der Kombüse ein Feuer aus. Um das Feuer zu löschen, ließ Kapitän LaSage die Segel aufgeien und das Schiff vor den Wind drehen, um die Luftzufuhr zu mindern. An sämtlichen Niedergängen wurden Wachen postiert, die den Befehl hatten, auf jeden zu schießen, der versuchen würde zu entkommen. Das galt auch für den Rest der Besatzung. Nach einer halben Stunde war der Brand gelöscht und nach weiteren zwei Stunden konnte die Friedrich Wilhelm zu Pferde ihre Fahrt fortsetzen1340. Bevor das Schiff in den Hafen einlaufen konnte, mussten die Brandenburger noch zwei französische Kaperschiffe vertreiben, die ihnen in der Nähe von St. Thomas aufgelauert hatten. Aufgrund der verhältnismäßig guten Bewaffnung der Friedrich Wilhelm zu Pferde erkannten die Franzosen, dass sie bei einer Konfrontation mit den Brandenburgern kaum eine Chance hatten und zogen wieder ab1341. Am 15. Juli wurden im dänischen Waagbuch insgesamt 661 Sklaven registriert, das ergab 598 Piece d´India1342. Bei einem Verkaufspreis von 90 Reichstalern pro Piece d´India ergab die Ladung einen Erlös von 134.550 Reichstaler 1343 . Die Sklaven wurden zunächst im BAAC-eigenen Kontor untergebracht. Kurz darauf wären beinahe dreihundert von ihnen bei einem Feuer umgekommen. Ein Franzose hatte das Lagerhaus aus Rache in Brand gesetzt, weil eine von 1337

Postma: Dutch Slave Trade, S. 250. StaE Reg. 1 Nr. 279b: Bilanz der BAC, undatiert. 1339 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 79f. 1340 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 80f. 1341 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 84. 1342 Kellenbenz: Die Brandenburger auf St. Thomas, S. 212. Oettinger selbst nennt 659 Sklaven. 1343 Westergaard: Danish West Indies, S. 320. 1338

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ihm begehrte Sklavin nicht an ihn, sondern einem anderen Pflanzer verkauft worden war1344. Der weitere Verkauf der Sklaven begann am 21. Juli, als 56 Sklaven auf dem Schiff Salamander nach St. Croix gebracht wurden. Am 10. August wurden insgesamt 330 Sklaven auf den Schiffen Les Trois Freres, La Hachinne und La Volante, vermutlich nach St. Domingue gebracht. Ein weiterer größerer Posten von 111 Sklaven wurde an englisch Pflanzer auf Barbuda verkauft1345. Anfang September lieferte die brandenburgische Bark Emilie 11 Sklaven nach St. Christopher, der Rest wurde in kleineren Kontingenten an Pflanzer aus Tortola und Virgin Gorda verkauft. Die restlichen 80 Sklaven gingen an Pflanzer auf St. Thomas. Bis Mitte Oktober 1693 war die gesamte Ladung der Friedrich Wilhelm zu Pferde abgesetzt. Ihre Fracht war für den direkten Verkauf auf der Insel bestimmt. Lieferungen im Rahmen des Asiento de Negros wurden anders abgewickelt, wie im Fall der Fracht der Friedrich III. von 1694. In zwei Schüben wurden zuerst 428 und danach noch einmal 152 Sklaven mit der Fortuna zu den spanischen Territorien gebracht. Die Salamander brachte 54 Sklaven nach Santo Domingo. 71 weitere Sklaven wurden an den englischen Pflanzer Henry Drax verkauft, einen der größten Pflanzer auf Barbados. Drax und andere englische Pflanzer kauften gerne bei den Brandenburgern, da sie mit den von der RAC angelieferten Sklaven sowohl in Qualität als auch Quantität unzufrieden waren und deshalb im geheimen kleine Schiffe unterhielten, die Sklaven von anderen Inseln holten1346. Die Märkte auf St. Thomas und den niederländischen Antillen konnten auf diese Weise die Versorgungslücke der RAC bei den englischen Pflanzern schließen. Die meisten Lieferungen von brandenburgischen Schiffen wurden direkt auf der Reede von St. Thomas über St. Peter oder St. Eustachius abgewickelt. Auf diese Weise konnten sich die Brandenburger der dänischen Kontrolle entziehen und die Pflicht zur Abgabe von einem Prozent der Lieferung an die Dänen umgehen. Die Lieferungen der Schiffe Kurprinz, Afrikaner und Nordischer Löwe wurden so im Rahmen des Asientovertrages abgewickelt 1347 . Die Sieben Provinzen verkaufte ihre Fracht sogar direkt auf den französischen Inseln1348. Die Bezahlung der Sklavenlieferungen geschah auf drei verschiedenen Wegen. Die Käufer kleinerer Kontingente bzw. einzelner Sklaven tauschten ihre Agrarerzeugnisse direkt gegen Sklaven ein. Dies geschah besonders häufig bei Pflanzern aus Tortola und Virgin Gorda. Die Franzosen auf St. Croix und Saint Domingue wurden von den Zubringerschiffen direkt auf Kommission beliefert und bezahlten ihre Lieferungen später mit größeren Lieferungen ihrer Agrarprodukte, die ebenfalls von den brandenburgischen Schiffen in unregelmäßigen Abständen eingesammelt und nach St. Thomas gebracht wurden. Der größte Anteil der brandenburgischen Sklavenlieferungen, etwa zwei 1344

Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 90. Kellenbenz: Die Brandenburger auf St. Thomas, S. 212f. 1346 Dunn: Sugar and Slaves, S. 232f. 1347 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 3-9. 1348 StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2 ,S. 121. 1345

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Drittel, wurden durch Wechsel, die auf die Namen von europäischen Kommissionären ausgestellt worden waren, beglichen. Diese Wechsel wurden zusammen mit den Rückfrachten nach Europa gebracht, wo sie häufig entweder nicht einlösbar waren oder von den Kompaniebeamten in Emden leicht unterschlagen werden konnten. Lediglich die Lieferungen aus den Asientoverträgen wurden mit Bargeld bezahlt1349. Am 29. August 1693 verließ die Friedrich Wilhelm zu Pferde den Hafen von St. Thomas in Richtung Emden. Die Rückfracht an Bord bestand u. a. aus 126.137 Pfund Kakao, 61.160 Pfund braunem Zucker, 10.000 Pfund Cayote, 4.000 Pfund Brasilholz und 250 Pfund Indigo1350. Ihren Heimathafen sollte die Friedrich Wilhelm zu Pferde jedoch nicht mehr erreichen. Es war geplant, zuerst den Hafen von Cadiz anzulaufen und dort die Ladung Kakao zu verkaufen. In der Nacht zum 31. Oktober begegneten die Brandenburger einem französischen Schiffsverband, der auf dem Weg von Toulon nach Brest war. Der Verband bestand aus drei Linienschiffen 3. Ranges und einem Brander. Es waren die L´Etendu mit 60 Kanonen unter dem Kommando von Capitaine de vaisseau Charles-Daniel Chevalier de Ricous, die L´Ecueil, ebenfalls mit 60 Kanonen unter dem Kommando von Capitaine de vaisseau Davy d´Amfreville, die Le Capable mit 58 Kanonen unter dem Kommando von Capitaien de vaisseau Patoulet de Mazy und die La Diligente unter dem Kommando von Capitaine de brûlot Jolibert Guay.1351. Die Franzosen segelten zwanzig Seemeilen westlich des Kap Spartel, als die L´Ecueil die brandenburgische Fregatte sichtete. Als Kapitän LaSage die französischen Schiffe bemerkte, ließ er die Besatzung auf Gefechtsstation antreten. Gegen 22:00 Uhr näherten sich die Franzosen bei hellem Mondlicht und forderten die Brandenburger auf, sich zu erkennen zu geben. Kapitän LaSage zog darauf die brandenburgische Flagge auf und eröffnete augenblicklich das Feuer auf die französischen Schiffe. Die Le Capable wurde von einer Breitseite getroffen, die sie umgehend erwiderte. Kapitän LaSage wurde von der ersten einschlagenden Kanonenkugel getötet, worauf die Disziplin an Bord zusammenbrach und der Erste Offizier die Flagge strich1352. Chevalier de Ricous schickte sofort ein Boot, um die Offiziere, darunter auch Oettinger, gefangen zu nehmen. Auf Befragen teilten die brandenburgische Offiziere den Franzosen den Namen, Herkunft und die Zusammensetzung der Ladung mit. Die Inspektion durch die Franzosen ergab, dass das Schiff mehrere Treffer unterhalb der Wasserlinie erhalten hatte, welche zunächst reparabel erschienen. Am nächsten Morgen stellten sie jedoch fest, das der Steven gebrochen war, was eine schnelle Verlegung in einen portugiesischen oder französischen Hafen unmöglich machte. Darauf befahl Chevalier de Ricous, die Friedrich Wilhelm zu Pferde zu verbrennen, was Capitaine de brûlot Jolibert Guay mit seinem Brander erledigte. Die französische Verband segelte nach Brest, wo er am 25. November ankam. Zwei Tage später berichtete der 1349

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.2, S. 144 und Protokolle XIII.4, S. 40f. Kellenbenz: Die Brandenburger auf St. Thomas, S. 207. 1351 Nöldeke: Friedrich Wilhelm zu Pferde, S. 27 und S. 56ff. 1352 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 93ff. 1350

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Intendant des Hafens in einer Depesche dem Marineminister Louis de Pontchartrain in Versailles, dass er den Leutnant der Friedrich Wilhelm zu Pferde verhört und die Besatzung anschließend nach Hause entlassen hatte, da sie Holländer oder Nordländer seien 1353 . De Pontchartrain antwortete darauf am 3. Dezember, dass die brandenburgische Fregatte zu leichtfertig verbrannt worden war. Seiner Meinung nach hätte das Schiff oder zumindest deren Ladung in einen portugiesischen oder französischen Hafen gebracht werden sollen, um daraus Nutzen zu ziehen. Oettinger traf Mitte Januar in Emden ein, wo er zunächst einen Teil seines Lohns von der BAC ausbezahlt erhielt. Einige Wochen später quittierte er den Dienst und kehrte in seine Heimatstadt Künzelsau zurück, wo er sich als Arzt niederließ und bis zu seinem Tod lebte. Der finanzielle Verlust, den die Verbrennung der Friedrich Wilhelm zu Pferde durch die Franzosen der BAAC verursacht hatte, war erheblich. Der Wert der Rückfracht betrug 64.622 Gulden. Allein der Wert der Ladung Kakao schlug mit 22.074 Gulden und der Wert des Indigos mit 36.000 Gulden zu Buche, gefolgt vom Zucker mit 4.128 Gulden und dem Brasilholz mit 2.420 Gulden1354. Bereits der Erlös aus dem Verkauf der Sklaven hätte ausgereicht, um die Kosten der Reise zu decken. Den Ausrüstungs- und Frachtkosten der Friedrich Wilhelm zu Pferde von insgesamt 55.369 Gulden und weiteren 34.454 Gulden für die Salamander, die auf der Reise als schwimmendes Magazin gedient hatte, standen ein Erlös von 134.550 Gulden gegenüber. Hätte die Rückfracht der Friedrich Wilhelm zu Pferde ordnungsgemäß verkauft werden können, hätte die BAAC einen Gewinn von 109.349 Gulden erzielen können. Das entspricht 45.562 Reichstaler. Dieser Wert liegt damit in vergleichbarer Höhe mit anderen nachgewiesenen Rückfrachten. Aber es waren genau solche Verluste, welche für die prekäre Finanzlage der BAC und später der BAAC mit verantwortlich waren. Die Friedrich III. konnte im Jahr 1698/1699 für die auf St. Thomas abgelieferten 624 Sklaven einen Erlös von 172.425 Gulden erzielen 1355 . Auf der Liste der Rückfrachten waren allerdings nur 600 Sklaven mit einem Erlös von 165.740 Gulden verzeichnet 1356 . Gemeinsam mit den Rückfrachten der Kurprinzess und der Charlotte Louise konnten 97.867 Reichstaler, da entspricht 234.881 Gulden, in Emden verbucht werden. Die Rückfrachten bestanden hauptsächlich aus Zucker, Baumwolle und Indigo, allesamt Güter, die sich in Europa zu hohen Preisen absetzen ließen. Der Anteil der Friedrich III. an diesem Erlös betrug 112.000 Gulden oder 37.330 Reichstaler. Die Kurprinzess brachte Waren im Wert von 31.810 Reichstaler resp. 95.430 Gulden zurück und die Charlotte Louise Waren im Wert von 28.727 Reichstaler bzw. 86.090 Gulden 1357 . Die Erlöse aus den genannten Frachten gehören zu den 1353

Nöldeke: Friedrich Wilhelm zu Pferde, S. 59. StaE Reg. 1 Protokolle XIII.3 S. 157ff. 1355 Jones: Brandenburg Sources, S. 213 Doc. 90. 1356 GStA Rep. 65 Nr. 77Blatt 64. 1357 StaE Reg. 1 Nr. 279b: Bilanz der BAC, undatiert. 1354

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höchsten, die bei Fahrten auf der Dreiecksroute überhaupt erzielt werden konnten. Die Hannibal konnte 372 Sklaven lebend auf Barbados abliefern. Nach den Angaben von Kapitän Phillips wurden sie zu einem Preis von 19 £ pro Kopf weiterverkauft1358. Erst im April 1694 konnte die Hannibal die Rückreise nach Europa antreten. Ihre Liegezeit war mit 146 Tagen etwa dreieinhalb mal so lang wie die der Friedrich Wilhelm zu Pferde, deren Liegezeit in St. Thomas nur 43 Tage betragen hatte. Der lange Aufenthalt auf Barbados ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Hannibal die Rückreise im Konvoi antrat und auf die anderen Schiffe warten musste. Ihre Rückfracht bestand aus 700.000 Pfund braunem Zucker, sog. Muskovado oder „Barbados-Zucker“, eine sehr dunkle Zuckersorte mit einem hohen Anteil an Melasse sowie geringen Mengen anderem Zucker, Baumwolle und Ingwer. Der Muskovado hatte in London einen Marktwert von 1.505 £ bzw. 16.722 Gulden. Hinzu kam der Erlös aus dem Verkauf der Sklaven von 7.068 £, was 78.533 Gulden entsprach. Der Verlust, den Kapitän Phillips während der Mittelpassage erlitten hatte, wurde von ihm auf 6.500 £ oder 69.250 Gulden beziffert 1359. Über die Rückfracht der Armenian Merchant ist nichts bekannt, allerdings sind detaillierte Angaben über den Verkauf der Sklaven auf Barbados erhalten. Von den 431 Sklaven wurden etwa 10 Prozent gleich vom Schiff an verschiedene Pflanzer verkauft. Von den insgesamt neun direkten Käufern zahlten nur drei sofort und mit Bargeld, die restlichen erwarben ihre Sklaven auf Wechsel oder Kommission, die erst drei oder sechs Monate später fällig wurden1360. Der überwiegende Anteil wurde an den Faktor der RAC geliefert. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf der Sklaven betrug 5.138 £ 10 s. Damit lag der Preis pro Kopf mit knapp 12 £ deutlich unter dem der Hannibal. Der Gewinn aus den Fahrten der brandenburgischen Schiffe auf der Dreiecksroute war insgesamt größer als der Gewinn der englischen Konkurrenz. Das lag zum einen daran, dass die Brandenburger wie b. e. ihre für den Sklavenhandel bestimmten Tauschwaren günstiger einkaufen konnten, als die Engländer. Zwar lagen die Einkaufskosten für Sklaven etwa auf dem gleichen Niveau, gemessen an der effektiv in die Karibik verbrachten Anzahl der Sklaven war ein Sklave für die RAC deutlich teurer als für die BAAC. Die schnellere Mittelpassage und damit zusammenhängend die niedrigere Sterberate an Bord wirkte sich entscheidend auf die Gewinne im Sklavenhandel aus. Zum anderen waren die Rückfrachten der Brandenburger deutlich wertvoller als die Rückfrachten der Engländer. Die von der BAAC in Emden importierten Produkte erzielten höhere Preise als in London. Das Preisniveau für die Kolonialwaren lag auf dem Kontinent höher als auf den Britischen Inseln. Lediglich der Muskovado war davon ausgenommen. Auch bei den Verkaufspreisen in Westindien waren die Brandenburger teilweise im Vorteil. 1693 kostete ein

1358

Donnan: Documents I S. 410 Anm. 42. Donnan: Documents I S. 409. 1360 Donnan: Documents I, S. 372f. 1359

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Sklave auf St. Thomas für einen Pflanzer etwa so viel wie für dessen Kollegen auf Barbados. Auf den Leeward-Inseln und auf den französischen Antillen war der Preis ca. 20 bis 30 Prozent höher. Die englischen Kapitäne waren verpflichtet, ihre Sklaven an die Faktoren der RAC zu verkaufen. Die Brandenburger konnten deutlich flexibler auf die Bedürfnisse der Märkte reagieren. So scheute sich Kommerziendirektor Delaporte im Jahr 1692 nicht, Sklaven, die eigentlich im Rahmen des Asiento geliefert worden waren, an die Engländer auf Antigua, Nevis und Montserrat zu verkaufen, weil dort bessere Preis zu erzielen waren. Die im Rahmen des Asiento gelieferten Sklaven wurden nicht zu den ortsüblichen Marktpreisen sondern zu einem niedrigeren Preis verkauft. Statt 250 bis 300 Gulden wie auf St. Thomas, St. Croix oder den Leeward-Inseln bezahlten die Spanier nur 150 bis 190 Gulden pro Kopf. Das lag knapp unter den Preisen, die auf Barbados gezahlt werden mussten 1361 . Die Brandenburger standen bei der Vergabe des Asiento in Konkurrenz zu den Portugiesen und konnten ihren Asiento nur behalten, weil sie in der Lage waren, ihre Mitbewerber zu unterbieten 1362 . Ökonomisch betrachtet, war die Teilnahme der BAAC am transatlantischen Sklavenhandel, zumindest im Zeitraum ihrer größten Aktivität, ein gewinnbringendes Unternehmen. Auch die Sklaventransporte, die im Rahmen des Asiento abgewickelt wurden, konnten gute Gewinne erzielen. Dass die eingenommenen Profite nicht dazu beitragen konnten, die allgemeine finanzielle Lage der Kompanie zu verbessern, hatte mehrere Gründe. Zum einen rieb sich das in zwei Lager gespaltene Bewindhaberkollegium in Emden in einem nutzlosen Streit um die Überschüsse und die Führung der Geschäfte vollständig auf. Die einen wollten die Gewinne reinvestieren, um noch mehr Schiffe ausrüsten und den Sklavenhandel auf ein stärkeres Fundament stellen zu können, die anderen wollten maximalen persönlichen Profit in möglichst kurzer Zeit. Der Kurfürst und später der König von Preußen standen diesem Streit hilflos gegenüber, und als Friedrich III./I. gegen Ende seiner Regierungszeit die Kompanie verstaatlichte, war nicht mehr genug operative Substanz übrig, um den Handel gewinnbringend fortsetzen zu können. Als nächstes machten der Kompanie die erheblichen Schiffsverluste zu schaffen, welche durch Kaperungen während den Wirren des Pfälzischen und des Spanischen Erbfolgekrieges entstanden waren. Brandenburg-Preußen verfügte weder über die finanziellen Mittel noch über genügend Werftkapazität, um diese Verluste auszugleichen. Schließlich war die Position BrandenburgPreußens in der Karibik ohne eine eigene Insel zu schwach. Die Kooperation mit den Dänen funktionierte nicht, da gerade der Erfolg der BAAC im Sklavenhandel den Neid der Dänen erregte. Die brandenburgische Faktorei auf St. Thomas entwickelte sich zu einer „Kolonie in der Kolonie“. Aus der Zusammenarbeit wurde Konkurrenz. Die Dänen betrieben die Plantagen und verwalteten die Insel, die Brandenburger wickelten den Handel mit Afrika und Europa ab und machten St. 1361 1362

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 59 und S. 93. StaE Reg. 1 Protokolle XIII.1 S. 26.

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Thomas so zu dem florierenden Umschlagplatz in der Karibik, als der sie in zeitgenössischen Reiseberichten beschrieben wurde.

5.7. Der Schmuggelhandel

Der Schmuggelhandel war ein Problem, mit dem alle europäischen Handelskompanien zu kämpfen hatten. Dabei war der Schmuggelhandel eine direkte Folge der Gründung der europäischen Handelskompanien. Da sie mit dem Handel privilegiert waren, wurden alle Interessenten, die keine Anteile an den Kompanien hielten oder auf sonstige Weise in den Handel involviert waren, von diesem lukrativen Geschäft ausgeschlossen. Zugleich waren die Handelskompanien nicht in der Lage, die Versorgung ihrer eigenen Handelsstützpunkte bzw. Kolonien oder die Erfüllung von Lieferverträgen, wie bspw. im Rahmen des Asiento, zu gewährleisten. Durch die Tatsache, dass sowohl die transatlantischen Märkte als auch der topographische Raum schlichtweg zu groß war, um von einigen wenigen Unternehmen versorgt werden zu können, musste sich geradezu zwingend ein blühendes Schmuggelhandelswesen etablieren. Besonders die BAC und deren Rechtsnachfolger, die BAAC, standen in den Niederlanden von Anfang an in dem Ruf eines verkappten niederländisches Unternehmens, das unter fremder Flagge das Monopol der WIC unterlief 1363. Um den Schmuggelhandel wirksam unterbinden zu können, erließ die WIC in ihrem zweiten Oktroi von 1674, dass jede im Bewindhaberkollegium vertretene Kammer einen Bewindhaber als Kommissar einsetzen sollte, dessen Aufgabe darin bestand, potentielle Schleichhändler aufzuspüren und zu verfolgen1364. Wenigstens im eigenen Land sollte auf diese Weise der Schmuggelhandel bereits im Keim erstickt werden. Auch in den brandenburgischen Oktrois wurde festgelegt, dass der Handel auf der Dreiecksroute außerhalb der Kompanie illegal war. Entsprechende Kontroll- und Exekutionsorgane wurden dazu jedoch nicht eingerichtet. Der illegale Handel mit Sklaven begann bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts, allerdings fand dieser zunächst nur vereinzelt statt. 1605 lieferte ein in Middelburg ausgerüstetes zeeländisches Schiff Sklaven an englische Siedler am Oyapock. Ein Jahr später kauften niederländische Kaperfahrer erstmals selbst Sklaven in Angola ein. Zudem bewilligten die Generalstaaten 1606 ein Gesuch des aus Vlissingen stammenden Kaufmanns Jakob Merttensz, mit zwei Schiffen nach Guinea und Brasilien Handel zu treiben. Danach blieb der Sklavenhandel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vereinzelt in den Händen von holländischen Kaufleuten. Dies änderte sich ab dem Jahr 1660 jedoch, da die Seeländische Kammer der WIC nicht mehr in der 1363

Menkman, W. R.: De West-Indische Copmagnie, Amsterdam 1974, S. 158; van Dantzig, Albert: Het Nederlandse aandeel in de slavenhandel, Bussum 1968, S. 52 1364 Paesie, Ruud: Lorrendrayen op Africa. De illegale goederen- en slavenhandel op West-Africa tijdens het achtiendeeeuwse handelsmonopolie van de West-Indische Compagnie 1700-1734, Amsterdam 2008, S. 32.

297

Lage war, selbst Schiffe für den Sklavenhandel auszurüsten und nun bei privaten zeeländischen Reedern um Unterstützung nachsuchte 1365 . Obwohl die WIC von der Zeeländischen Kammer forderte, den Handel mit eigenen Schiffen anstatt mit privaten Reedern durchzuführen, akzeptierte die WIC diese Vorgehensweise zunächst. Allerdings mussten in den ausgehandelten Verträgen eine Provision an die WIC abgeführt werden1366. Nach der Re-Etablierung der WIC im Jahr 1674 war der Sklavenhandel Bestandteil ihres Handelsmonopols, welches jedoch kurz darauf aufgrund der großen Nachfrage nach Arbeitskräften in Surinam und des begrenzten Angebots erfolgreich unterlaufen wurde. Bereits 1676 forderte die WIC die Generalstaaten dazu auf, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Darauf forderten die Generalstaaten

die Kammer von Zeeland

dazu auf, den Sklavenhandel ab sofort ausschließlich mit eigenen Schiffen durchzuführen. Außerdem wurde ihr verboten, weitere Verträge mit privaten Reedern abzuschließen. Auch sollte die zuständigen Beamten in Paramaibo sicherstellen, dass nur Sklaven, die auf Schiffen der WIC angeliefert wurden, verkauft werden sollten. Alle diese Maßnahmen zeigten kaum Wirkung. Bereits drei Jahre später beklagte sich die WIC erneut bei den Generalstaaten wegen der Zunahme des Schmuggelhandels1367. Mit den Zuständen in Surinam unzufrieden, übertrug die Provinz Zeeland im Jahr 1682 die Verwaltung der Kolonie schließlich auf die WIC. Im darauffolgendem Jahr wurde die „Sozietät von Surinam“ gegründet, die sich ebenfalls gegenüber der WIC verpflichten musste, ausschließlich Sklaven und Waren über die WIC zu beziehen1368. Für private Reeder, die weiterhin am Sklaven- und Westafrikahandel Geld verdienen wollten, war das kein Problem, denn in den folgenden zwei Dekaden verlagerte sich vor allem der illegale Sklavenhandel hin zu den englischen und französischen Inseln in die Karibik. Hier bot sich das gleiche Bild, wie in Brasilien. Die Nachfrage nach Arbeitskräften für die Plantagen stieg derart schnell an, dass die jeweiligen Handelskompanien kaum in der Lage waren, diese Nachfrage zu befriedigen und die Pflanzer auf den illegalen Handel geradezu angewiesen waren. Zwar versuchte man auch in London und Paris, den Schmuggelhandel einzudämmen, in der Praxis zeigte dies aber kaum Wirkung. Da sich aufgrund der prekären Versorgungslage der karibischen Inseln hervorragende Aussichten auf Profite boten, gingen in Zeeland private Reeder zunehmend dazu über, Lieferverträge mit ausländischen Handelskompanien zu schließen. Auch die BAC schloss mehrmals mit zeeländischen Reedern Verträge über die Lieferung von Sklaven nach St. Thomas ab. Der erste Vertrag mit einem seeländischen Reeder wurde am 16. Juni 1692 geschlossen 1369 . In diesem Vertrag wurde u. a. festgelegt, dass die Sklaven im Verhältnis von 3:1, also von drei männlichen auf einen weiblichen 1365

Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 37. den Heijer, Henk: Goud, ivoor en slaven. Scheepvaart en handel van de Tweede Westindische Compagnie op Africa 1674-1740, Zutphen 1997, S. 29. 1367 Paesie: Lorrendrayen ob Africa, S. 38. 1368 Van Dantzig: Het nederlaandse aandeel, S. 78; Den Heier: Goud, ivoor en slaven, S. 276f. 1369 GStA Rep. 65 Nr. 173, S. 24-25. 1366

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Sklaven geliefert werden sollten. 1694 schlossen die zeeländischen Reeder Abraham Beck und Henrick van Wesel einen Liefervertrag mit der BAAC über die Lieferung von Sklaven nach St. Thomas 1370 . Auf der Seite der BAC trat dabei der zeeländische Kaufmann Pieter Macaré als Handelsagent auf. Am 27. August 1697 wurde erneut ein Liefervertrag zwischen Pieter Macaré und dem Kaufmann Mathias Bogaart geschlossen, der ihnen erlaubte, 134 Piece d´India nach St. Thomas zu liefern1371. Am 26. November des selben Jahres kam ein weiterer Liefervertrag mit den seeländischen Kaufleuten Michiel Verrunne, Adriaan de Labistrate und Lendert van Sonsbeck zustande. Dieser Vertrag betraf die Ladung der Schiffe Olijstack, Jonge Bogaert, Anna und Delphin1372. Der Handel mit Gold und Elfenbein in Westafrika war für die Schmuggler einer der wichtigsten Einnahmequellen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden pro Jahr mindestens 1.500 Mark Gold durch Schleichhändler aus Westafrika in die Niederlande gebracht. Zu dieser Zeit lag der Gesamtimport an Gold nach Europa bei etwa 7.000 Mark Gold1373. Nach anderen Schätzungen lag der Goldexport durch Schleichhändler in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei 500 Mark Gold. Damit hatte sich der Goldexport außerhalb des Kompaniehandels glatt verdreifacht 1374. Auch bei Elfenbein wurde etwa die Hälfte der gesamten Menge in die Niederlande durch Schleichhändler importiert1375. Am höchsten war die Schmuggelrate bei Gummi Arabicum an der mauretanischen Küste. Durch die Tatsache, dass die BAC den Niederländern bei der Besetzung dieses Marktsegments zuvorgekommen war, hatte die WIC zu keiner Zeit eine nennenswerte Rolle im Gummihandel gespielt und dort dementsprechend keine Schiffe bzw. Stützpunkte unterhalten. Dadurch hatten die Schleichhändler im Senegambia-Gebiet nahezu freie Hand. Durch die Wirren des Spanischen Erbfolgekrieges konnte die BAC spätestens ab 1701 ihren Handelsstützpunkt auf Arguin nicht mehr ausreichend versorgen, so dass der dortige Kommandeur zunehmend von Schleichhändlern abhängig wurde. Bei den Engländern sah die Situation nicht besser aus. Auch die im Jahr 1672 gegründete RAC hatte von Anfang an in Westafrika mit Schleichhändlern zu kämpfen. Deshalb schlossen die RAC und die WIC im Jahr 1677 einen Vertrag, um die Schleichhändler gemeinsam besser bekämpfen zu können 1376 . Strafrechtlich betrachtet konnte die RAC jedoch nicht viel dagegen unternehmen. Der Handel außerhalb der Kompanie war zwar verboten, aber nicht illegal. Ein Schiff, das nicht in Diensten der RAC unterwegs war und vor Westafrika versuchte, Handel zu treiben, 1370

StaE Reg. 1 Protokolle XIII.5, S. 273-277, S. 286-289. GStA Rep. 65 Nr. 173, S. 309-315. 1372 GStA Rep. 65 Nr. 173, S. 351-354. 1373 Postma, Johannes: West African exports and the Dutch West India Company 1675-1731, in EHJ 36, 1973, S. 53-74, hier: S. 60. 1374 Binder: Goldeinfuhr, S. 142. 1375 Postma: West African exports, S. 63. 1376 Davies: Royal African Company, S. 113ff; Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 41f. 1371

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wurde von der RAC aufgebracht und dessen Tauschwaren wurden beschlagnahmt. Die Besatzung und auch die Eigentümer bzw. Initiatoren hatten in den meisten Fällen keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Während die Schleichhändler in ihren jeweiligen Heimatländern als Monopolbrecher betrachtet wurden, genossen sie in der Karibik sowohl bei den Pflanzern als auch bei vielen Gouverneuren einen guten Ruf, da sie sich den Kompaniemonopolen entgegenstellten und so entsprechend Einfluss auf das von den Kompanien festgesetzte, völlig überhöhte Preisniveau von Sklaven und anderen in den Kolonien benötigten Importgütern nehmen konnten. Oftmals waren die in der Karibik ansässigen Europäer sogar selbst in den Schleichhandel involviert, wie im Fall von Christopher Codrington, dem die größten Plantagenbetriebe auf Barbados gehörten 1377. Sogar hochrangige Beamte beteiligten sich am Schleichhandel, wie im Fall des obersten Richters auf Barbados, William Sharpe1378. Schließlich entschloss sich das englische Parlament im Jahr 1698, den Handel für private Investoren freizugeben. Allerdings musste jeder, der ein Schiff für den Handel nach Westafrika oder in die Karibik ausrüstete, zehn Prozent des Gewinns an die RAC abgeben. Dies hatte zur Folge, dass die Anzahl der Fahrten nach Westafrika sprunghaft zunahm. An den

englischen Handelsplätzen konnten

nun auch

portugiesische und niederländische

Schleichhändler Handel treiben. Das niederländische Kompaniepersonal von Elmina protestierte mehrfach gegen das Auftauchen von niederländischen Schleichhändlern auf der Reede von Cape Coast Castle und versuchte regelmäßig, die Schleichhändler zu vertreiben. So hatten im März 1704 zwei Schiffe der WIC versucht, zwei seeländische Schleichhändler auf der Reede vor Cape Coast Castle in Beschlag zu nehmen. Sie mussten jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen, da der englische Gouverneur ihnen gedroht hatte, das Feuer auf sie zu eröffnen. Darauf konnten die Schleichhändler ihren Handel gegen eine Gebühr von 10 Mark Gold bei den Engländern fortsetzen. 1708 schloss die RAC mit der WIC einen Vertrag, in dem vereinbart wurde, dass fortan keine englischen Güter der RAC mehr auf niederländischen Schmuggelschiffen transportiert werden sollten. Dazu wurde Schiffen der WIC das Recht eingeräumt, vor englischen Festungen vor Anker liegende Schiffe zu durchsuchen, die im Verdacht standen, als Schmuggler zu fahren. Auch dieser Vertrag zeigte kaum Wirkung. Als im Jahr 1709 das in Seeland ausgerüstete Schiff Africa auf der Reede von Cape Coast Castle fünf Tage vor Anker lag, unternahm die RAC nichts, um den niederländischen Kapitän daran zu hindern, Handel zu treiben. 1713 wurde dieser Vertrag erneuert, aber auch das half nicht viel. Manchmal wurden die Interloper von den Engländern sogar in Schutz genommen1379. Teilweise fuhren seeländische Schiffe auch unter dem Schutz der dänischen Flagge nach Westafrika. So machte bspw. Thomas Tors mit seinem Schiff Charlotte Amalia zwischen den

1377

Davies: Royal African Company, S. 116. Cal.-Col. X, S. 93 Nr. 266. 1379 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 42. 1378

300

Jahren 1680 und 1683 mit einem dänischen Seepaß drei Fahrten nach Westafrika1380. Auf seiner dritten Reise begegnete ihm Otto Friedrich von der Gröben, der gerade zu Kap der Drei Spitze unterwegs war1381. Tors konnte offenbar ungestört in Westafrika Handel treiben, andere hatten nicht so viel Glück. Zudem sorgte die Wegnahme von Schiffen, deren Kapitäne mit Seepässen anderer Nationen ausgestattet waren, in den Generalstaaten für außenpolitischen Zündstoff. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kaperung des Schiffes Jungfrau Cornelia im Jahr 1675. Das Schiff war in den Niederlanden ausgerüstet worden und fuhr unter dänischer Flagge. Der aus Delft stammende Kapitän Floris van der Staal verweigerte die Herausgabe des Schiffes, worauf er zwei Jahre lang in Elmina festgehalten wurde. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich wegen dieser Angelegenheit ein Streit zwischen Dänemark und den Niederlanden, der bis ins Jahr 1684 hinziehen sollte. Eine Kommission in Hamburg versuchte, den Streit zu schlichten, jedoch ohne Erfolg. Die Niederlande beharrten darauf, dass van der Staal widerrechtlich das Monopol der WIC gebrochen hatte. Sie verkauften die Waren des Schiffes und behielten den Erlös ein1382 Als die BAC ab 1680 ihren Handel in Westafrika etablierte, versuchte die WIC alles in ihrer Macht stehende, um den neuen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Das Kernargument der WIC war, dass das Kapital der BAC und ihr Personal überwiegend aus den Niederlanden stammte. Immerhin waren die größten Hauptaktionäre neben Benjamin Raule die Brüder Willem und Jan Pedy, Joshua van Belle, Abraham Beck und Henrick van Wesel 1383 . Ebenso stammte auch das Personal der BAC, das auf den kompanie-eigenen Schiffen fuhr bzw. in Arguin und Großfriedrichsburg stationiert war, überwiegend aus den Niederlanden 1384. Benjamin Raule, sein Bruder Jakob und einige zeeländische Kaufleute wie Pieter Macaré und Gillis Royaert, die für die BAC als Agenten tätig waren, tauchen auch in den Aktionärsverzeichnissen der WIC auf, an der sie über die Kammer von Zeeland beteiligt waren1385. Zwar konnte die WIC nicht verhindern, dass die BAC sich in Westafrika und in der Karibik entsprechend einrichten konnte, jedoch kaperten niederländische Schiffe immer wieder Schiffe der BAC. Obwohl der Kurfürst und später der König immer wieder gegen diese gewaltsame Vorgehensweise der WIC bei den Generalstaaten Protest einlegten, stellten diese sich gegenüber diesen Protesten ebenso regelmäßig taub, da die BACeigenen Schiffe aufgrund der Tatsache, dass sie mit niederländischem Kapital und niederländischem Personal ausgerüstet waren, deshalb von den Generalstaaten als Interloper eingestuft wurden. Nach Ansicht der WIC waren die Bediensteten der BAC keine Repräsentanten des Kurfürsten, sondern 1380

Jones: Brandenburg Sources, S. 24. Gröben: Guinesische Reisebeschreibung, S. 16. 1382 Paesie, Ruud: Lorrendraaiers, Enterlopers en Octrooidieven. De Zeeuwse smokkelhandel op West-Africa tijdens het zewentiende-eeuwse handelsmonoplie van de Tweede West-Indische Compagnie 1674-1700, in: Archief1/2005, S. 1-60, hier: S, 26f. 1383 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 44. 1384 Jones: Brandenburg Sources, S. 311; Monod: L´Ile d´Arguin, S. 222. 1385 Schneeloch, Norbert H.: Aktionäre der Westindischen Compagnie von 1674, Stuttgart 1982, S. 177. 1381

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heimische Interloper und verhasste Lorrendrayer, welche zum Schein unter dem Schutz der brandenburgischen Flagge einen erbitterten Kampf gegen die WIC führten und dass ihnen deshalb das Handwerk gelegt werden musste1386. Der Verlust eines Schiffes, ob durch Kaperung oder höhere Gewalt, machte sich bei der BAC besonders schmerzhaft bemerkbar, da ihre Schiffskapazität sehr gering war. Aus diesem Grund kam es in Arguin und Großfriedrichsburg immer wieder zu Versorgungsengpässen, was schließlich dazu führte, dass die brandenburgischen Festungen sich zu regelrechten Freihäfen entwickelten, die vor allem von zeeländischen Interlopern angelaufen wurden. Die permanenten finanziellen Schwierigkeiten taten ihr übriges. Um die Kompanie zu sanieren, wurden 1692, analog zur Restrukturierung der WIC im Jahr 1674, alte Anteilscheine im Verhältnis 2:1 gegen neue umgetauscht. Auch dieses Mal kamen die Hauptanteilseigner aus dem Umfeld des Kurfürsten und aus den Niederlanden, vor allem aus der Provinz Zeeland. Doch auch diese finanzielle und strategische Neuausrichtung der Kompanie brachte nicht den gewünschten Erfolg, im Gegenteil. Der entbrannte Machtkampf zwischen Raule und Danckelmann auf der einen und Joshua van Belle und seinen Anhängern auf der anderen Seite führte schließlich dazu, dass Raule und Danckelmann im Dezember 1698 abgesetzt und in Festungshaft genommen wurden. Zudem verloren der Kurfürst und später der König zunehmend das Interesse an der Kompanie. Der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges führte schließlich dazu, dass nahezu alle BAAC-eigenen Schiffe französischen und niederländischen Kaperschiffen in die Hände fielen und die Handelsstützpunkte gar nicht mehr aus Europa versorgt werden konnten und diese nun nahezu vollständig vom Handel mit Interlopern abhängig wurden. Im April 1704 meldete der Kommandant von Elmina, Johan van Sevenhuijsen, dass innerhalb von zwei Tagen mindestens 35 Schiffe auf der Reede vor Großfriedrichsburg lagen, von denen die meisten seeländische und englische Schleichhändler gewesen waren 1387. Besonders die Zeeländer spielten nach 1700 nicht nur eine wichtige Rolle bei der Versorgung der preußischen Stützpunkte, sondern übernahmen auch die Transporte der Korrespondenzen und des Personals. Dies hatte einen einfachen Grund: da die BAAC nicht mehr in der Lage war, Schiffe auf Kosten der Kompanie auszurüsten, taten die seeländischen Hauptanteilseigner dies nun auf eigene Rechnung. Nachdem König Friedrich Wilhelm I. die Regentschaft übernommen hatte, bestanden die Einnahmen der BAAC nur noch aus den Gebühren, welche von den seeländischen Kaufleuten für die Erlaubnis entrichtet wurden, unter preußischer Flagge Handel in Arguin und Großfriedrichsburg treiben zu dürfen. Die Versorgungslage auf beiden Festungen hatte sich inzwischen derart verschlechtert, dass Handel kaum noch möglich war. Die spärlichen Einnahmen, die Dubois 1715 noch erzielte, nutze er dazu, den auf Großfriedrichsburg verbliebenen Rest der Garnison zu 1386 1387

Häpke: Benjamin Raule, S. 219. Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 47.

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versorgen. Im darauffolgenden Jahr kehrte er schließlich nach Europa zurück, um auf die prekäre Situation in Westafrika aufmerksam zu machen. Im Dezember 1716 handelten die zeeländischen Interloper Pieter Groenstaten und Thomas Plancke mit Jan Konny einen Vertrag aus, in dem vereinbart wurde, dass sie fortan ungestört Handel treiben durften. Als Gegenleistung sollten sie auf eigene Kosten Baumaterial und einige Männer zur Verstärkung der Garnison nach Großfriedrichsburg bringen. Konny erwies sich jedoch als unzuverlässiger Verbündeter, weshalb die Zeeländer bald wieder von

Großfriedrichsburg

zurückzogen. Sogar die WIC hatte anfangs kein Interesse daran, die afrikanischen Besitzungen der BAAC zu übernehmen, obwohl sie vorher permanent versucht hatte, den preußischen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Als sie die Reste der BAAC im Jahr 1717 doch übernahm, gestaltete sich die Inbesitznahme überaus schwierig, da sich Konny nicht aus Großfriedrichsburg vertreiben ließ und weiterhin mit Schleichhändlern aller Nationen Handel trieb. Als es zu Spannungen zwischen Konny und den Asante kam, hofften die Niederländer darauf, dass sich das Problem mit Konny von selbst lösen würde. Allerdings hatten sie sein diplomatisches Geschick unterschätzt. Konny hatte den König von Asante durch Bestechung auf seine Seite gezogen und besaß außerdem die Sympathie der Asante-Händler, die großen Nutzen aus den Handelsbeziehungen zu Konny zogen. Dies alles hatte dazu beigetragen, dass ein Krieg, der zwischen den von Konny beeinflussten Asante auf der einen und den unter dem Schutz der WIC stehenden Pokoso auf der anderen Seite abgewendet werden konnte. Konny war es durch den Handel mit Interlopern gelungen, die hohen Profite der europäischen Handelskompanien empfindlich zu schwächen und ihre Preise in Pokoso um 20 Prozent zu unterbieten. Wie stark Konnys „preußischer Handel“ florierte, zeigt die Tatsache, dass vom 28. November 1711 bis zum 24. Dezember 1713 mindestens 95 Schiffe die Reede von Großfriedrichsburg angelaufen hatten, von denen die Mehrzahl Interloper waren1388. Es lag deshalb im Interesse der einheimischen Händler aus dem Hinterland, sich diese günstige Bezugsquelle zu erhalten. Erst 1724 konnten die Niederländer Konny in die Flucht schlagen und zumindest den Handel mit seeländischen Interlopern „legalisieren“1389. Obwohl sich hauptsächlich zeeländische Kaufleute und Reeder im Schmuggelhandel engagierten, traten dabei auch namhafte Kaufleute aus Holland in Erscheinung, die sowohl den Handel als auch dessen Organisation von Amsterdam und Rotterdam aus abwickelten. Die Amsterdamer Kaufleute taten dies auf zweierlei Weise. Zum einen arbeiteten sie eng mit zeeländischen Kaufleuten zusammen bzw. waren direkt an der BAAC beteiligt. Zum anderen umgingen sie direkt das Handelsmonopol der WIC, indem sie Schiffe auf eigene Kosten ausrüsteten. Bei diesen Monopolbrechern handelte es sich überwiegend um wohlhabende jüdische Kaufleute. 1388 1389

Steltzer: Häfen, S. 221. Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 48.

303

Einige Kaufleute aus Rotterdam waren ebenfalls direkt an der BAAC beteiligt. Es waren dieselben, die ab 1711 vom preußischen König das Handelsrecht für Gummi auf Arguin erwarben. Als Hauptanteilseigner und Angehörige des Bewindhaberkollegiums der BAAC hatten die beiden Amsterdamer Kaufleute Abraham Beck und Henrick van Wesel Zugang zu wertvollen Informationen über den Westafrika-Handel, insbesondere über den Handel auf Arguin und im Senegal. Beide taten sich zusammen und gründeten ein Handelshaus, welches sich vornehmlich im Gummihandel engagieren sollte. So waren sie Anteilseigner des Schiffes Arche Noah, die zwischen 1699 und 1704 mehrere Reisen nach Arguin und an die Sengalküste unternahm. An dem Handelshaus Beck & van Wesel war auch Joshua van Belle beteiligt. Während des Spanischen Erbfolgekrieges bemühte sich Beck & van Wesel mehrfach um Kaperbriefe. Allerdings wurde keine einzige Kaperfahrt unternommen, da sie lediglich die Erlaubnis zum Handel nach Guinea erhielten 1390 . Der Handel nach Arguin und dem Senegal wurde hingegen von den Rotterdamer Kaufleuten dominiert. Eine wichtige Rolle spielte dabei Joshua van Belle, der mit einem Vermögen von 35.000 Gulden nicht nur größter Anteilseigner der BAAC war, sondern zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch zeitweise das Amt des Bürgermeisters der Stadt Rotterdam bekleidete. Zusätzlich war er auch Kommissar der Wisselbank und Bewindhaber der VOC1391. Als Bewindhaber bei der BAC war er bestens über den Westafrikahandel informiert und verfügte im Bewindhaberkollegium allein über sieben von 52 Stimmen. Zusammen mit Beck, van Wesel und den Pedy-Brüdern stellten sie innerhalb des Bewindhaberkollegiums der BAAC die sog. „Waddingsveen-Partei“

1392

.

Zusammen hatten sie genug Stimmen, um die Geschicke der BAAC lenken zu können und bildeten damit zugleich den stärksten Widerpart zu Raule und seinen Parteigängern. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, Schiffe auf eigene Rechnung auszurüsten und nach Westafrika zu schicken. Als Hamet Mansor Ibrahim in Amsterdam weilte, um über die Verhältnisse auf Arguin Auskunft zu geben, stellte sich heraus, dass van Belle, Beck und van Wesel die o. g. Arche Noah für den Handel auf Arguin ausgerüstet hatten. Als Friedrich I. die BAAC im Jahr 1711 verstaatlichte, erhielten sie von ihm ein Oktroi, welches ihnen für sechs Jahre den Handel auf Arguin erlaubte. Als Gegenleistung sollten sie lediglich für den Unterhalt der Festung sorgen und dem König Gebühren in Form von vier Last Gummi entrichten. Die ersten Reisen verliefen sehr erfolgreich, deshalb baten sie bald darauf um eine Verlängerung des Oktrois. Gleichzeitig forderten sie von ihrer eigenen Kompanie, den dortigen Handel mit anderen Schiffen einzudämmen. Außerdem wollten sie jetzt die Erlaubnis für den Handel nach Arguin auf andere Gebiete in Westafrika ausdehnen, jedoch ohne Erfolg, da inzwischen Friedrich Wilhelm I. die Regentschaft übernommen hatte und kein Interesse an der

1390

Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 121f. Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 127. 1392 Schück I, S. 254. 1391

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Weiterführung der Kompanie hatte. Mit dem Verkauf der BAAC ging auch Arguin in den Besitz der WIC über, die sich beeilte, den Handel mit Gummi Arabicum wieder zu beleben. Die Franzosen versuchten zur gleichen Zeit ebenfalls, Arguin wieder in ihren Besitz zu bringen, was ihnen im Jahr 1727 schließlich gelang. Aufgrund der ausbleibenden Versorgung von Arguin blühte der Schmuggelhandel mit Gummi auf. Zwischen 1699 und 1704 wurden mindestens zwanzig Schiffe in den Niederlanden ausgerüstet, von denen acht aus Holland und der Rest aus Zeeland kamen. Allein in Vlissingen war jedes Jahr mindestens ein Schiff für die Fahrt nach Arguin bestimmt. Ab dem Jahr 1711 wurden zusätzlich zwanzig Schiffe für den Handel im Senegambia-Gebiet im Rahmen des preußischen Oktrois in Fahrt gesetzt1393. Allein die Arche Noah befuhr die Route nach Arguin fünf mal, davon drei mal unter dem Kapitän Adrian Schott. Auf ihrer letzten Reise strandete die Arche Noah vor der englischen Küste bei Plymouth, danach fuhr Schott mit dem Schiff Sieben Provinzen nach Arguin, die ebenfalls von Beck, van Wesel und van Belle ausgerüstet worden war. Auch diese Fahrten wurden ohne Zustimmung der WIC durchgeführt. Dies änderte sich jedoch ab 1711. Vermutlich hatten die Direktoren der WIC erkannt, dass die verhasste preußische Konkurrenz kurz vor dem Kollaps stand und erteilten ihnen die Genehmigung für den Handel nach Arguin gegen Gebühr. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts betrug die reguläre Exportmenge von Gummi auf Arguin etwa 220 Pfund pro Quartal, die geschätzte Menge an illegal eingehandeltem Gummi lag bei etwa 700 Pfund im gleichen Zeitraum. Bezahlt wurde das Gummi allerdings nicht nur mit den klassischen, in Afrika so beliebten Tauschwaren, mit denen die Sklaven eingekauft wurden, sondern auch mit Bargeld. So hatte bspw. Adrian Schott an Bord der Arche Noah eine Kasse, die 500 Stücke von Achten und holländische Gulden enthielt. Dieses Geld war zum einen für Jan Reers, den Kommandanten auf Arguin bestimmt, zum anderen sollten damit Schmiergelder an den maurischen Fürsten abgedeckt werden. Auch hatten die Schiffe, die vorwiegend für den Einkauf von Gummi, Straußenfedern und anderen afrikanischen Produkten an der westafrikanischen Küste unterwegs waren, ein deutlich größeres Ladevolumen, als die für den Sklavenhandel eingesetzten Transportschiffe. Die Arche Noah hatte bei einer Länge von 102 Fuß eine Transportkapazität von etwa 100 Last, die Sieben Provinzen hatte eine Kapazität von 170 Last. Zwei seeländische Schiffe, die etwa zur gleichen Zeit auf der Reede von Arguin lagen wie die Arche Noah, hatten eine Kapazität von 115 Last und von 70 Last. Dabei handelte es sich um die Schiffe Het Lam und Jonge Jan. Deren Kapitäne, Cornelis Barrevoets und Jakob van Daale, machten mehrere Reisen nach Arguin1394. Der Grund für den Einsatz von größeren Schiffen für den reinen Güterhandel liegt darin, dass zum einen im Gegensatz zum Transport von Sklaven kein Kompromiss zwischen Kapazität 1393 1394

Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 236f. GStA Rep. 65 Nr. 86, Blatt 1-5.

305

und Geschwindigkeit eingegangen werden musste. Zum anderen kassierte der Emir von Trarza die Rekognitionsgelder nicht nach Gewicht oder Volumen, sondern nach dem Umfang der ganzen Schiffsladung, weshalb der Einsatz von größeren Schiffen ökonomischer war. Zudem konnten auch größere Schiffe die Reede von Arguin aufgrund der großen Wassertiefe relativ sicher anlaufen. Auch waren die Liegezeiten deutlich kürzer, oft traten die Schiffe bereits nach wenigen Tagen wieder die Heimreise an. Arguin entwickelte sich in der letzten Dekade des 17. Jahrhunderts zu einem beliebten Handelsplatz, obwohl zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges auch hier eine gewisse wirtschaftliche Stagnation einsetzte. Allerdings war Arguin für geraume Zeit der größte Handelsplatz für Gummi Arabicum, so dass die BAAC zeitweise das Weltmonopol für den Gummihandel besaß. Dazu wurden auch Felle, Häute, Ambra und Straußenfedern in nennenswerten Mengen gehandelt. Der Handel mit den Mauren und mit den Schiffen anderer europäischer Staaten war immerhin so einträglich, dass sich die Garnison auf Arguin selbst versorgen konnte1395. Die Menge an gehandeltem Gummi in Afrika betrug etwa 600 bis 800 Tonnen jährlich, zu einem durchschnittlichen Preis von 12 Gulden pro 100 Pfund. In den Niederlanden konnte das Gummi für mindestens den doppelten, manchmal sogar für den dreifachen Preis weiterverkauft werden 1396 . 1701 brachte die Arche Noah etwa 200 t und im darauf folgendem Jahr etwa 150 t Gummi nach Europa. Im selben Jahr importierten die beiden seeländischen Schiffe Het Lam und Jonge Jan zusammen ca. 350 t. Gummi, die Sieben Provinzen brachte im Jahr 1704 weitere 300 t Gummi nach Europa1397. Zwischen 1702 und 1708 fuhr kein einziges Schiff der BAAC nach Arguin. Erst 1709 brachte das preußische Schiff Gerechtigkeit Vorräte für zwei Jahre und sieben Marinesoldaten als Verstärkung für die Garnison. Nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahr 1713 nahm der Export von Gummi auf Arguin insgesamt ab, da sich der Gummihandel zunehmend zu anderen Handelsplätzen verlagerte. 1712 berichtete Jan de Both aus Arguin, dass er aufgrund der starken Präsenz englischer Interloper an der Sengalküste nur wenig Gummi einhandeln konnte. König Friedrich Wilhelm I. war darüber sehr erbost, da erst kurz zuvor ein niederländisches Schiff, welches unter dem Oktroi von 1711 fuhr, 60 Last Gummi nach Europa gebracht hatte und forderte de Both auf, die ausstehende Menge an Gummi mit dem nächsten Schiff nach Emden zu senden1398. Zuvor hatte er de Both bereits untersagt, weiterhin Handel mit anderen als mit den privilegierten Niederländern zu treiben 1399 . Auch die WIC importierte zwischen 1700 und 1730 nur geringe Mengen Gummi, mit Ausnahme einer kurzen Zeitperiode um das 1721 herum. Das meiste davon 1395

Van der Heyden: Rote Adler, S. 42. Monod: L´Ile d´Arguin, S. 105; Webb: The French Trade in Gum Arabic, S. 152. 1397 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 238. 1398 GStA Rep. 65 Nr. 112, Blatt 171-175. 1399 GStA Rep. 65 Nr. 105, Blatt 172. 1396

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wurde jedoch nicht von der Kompanie eingekauft, sondern stammte aus den Frachträumen von gekaperten Interlopern. Nach der Übernahme von Arguin durch die WIC im Jahr 1718 wurde der dortige Handel für niederländische Kaufleute gegen Gebühr freigegeben. Diese Gebühr betrug drei Prozent des gesamten Warenwertes. Die Freigabe des Handels währte jedoch nur bis 1723, da die WIC den Gummihandel vollständig in die eigene Hand nehmen wollte. Der Umfang des illegalen Handels am transatlantischen Sklavenhandel ist schwer zu ermitteln. Die Organisation und Durchführung einer Sklavenexpedition auf der Dreiecksroute war deutlich komplexer als eine reine Handelsfahrt nach Afrika

1400

. Zudem wurden viele

Sklavenladungen, die mit privatem Kapital organisiert wurden, direkt zu den spanischen oder französischen Märkten gebracht, wo sie nicht erfasst wurden 1401 . Zwar konnten Schiffe für den Sklavenhandel mit den gleichen Handelswaren bestückt werden, wie für den reinen Güterhandel. Das, was den Sklavenhandel für Interloper komplizierter machte als für die Kompanien, war der erfolgreiche Verkauf der Sklaven in der Karibik und das komplexe Kreditsystem, mit dem die Pflanzer ihre Sklaven zu bezahlen pflegten und der Ankauf deren Produkte für den Rücktransport nach Europa1402. Deswegen sahen die europäischen Handelskompanien und unter ihnen speziell die WIC ihre Hauptkonkurrenz weniger in den privat ausgerüsteten Expeditionen, sondern eher unter den Kompanien selbst, vor allem wenn dort niederländisches Kapital investiert war. Zwischen 1680 und 1725 wurden 28 illegale Sklaventransporte erfasst1403. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher gewesen sein. Der Anteil der durch die etablierten Kompanien gehandelten Sklaven ging im 18. Jahrhundert kontinuierlich zurück, während der Anteil an privaten Sklavenhändlern immer mehr zunahm1404. Während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden jährlich etwa 7.000 Sklaven unter niederländischer Flagge transportiert, von denen die Hälfte auf Schiffen fuhren, die aus Vlissingen stammten1405. Es wurden jedoch nicht alle in die Karibik oder nach Amerika gebracht. Viele von ihnen wurden auf Sao Thomé, Principe oder den Kanarischen Inseln verkauft, wo sie entweder auf den dortigen Plantagen eingesetzt oder an andere Sklavenhändler weiterverkauft wurden. Oftmals betätigten sich Interloper auch direkt als Zwischenhändler für Sklavenhändler anderer Nationen. Dies hatte für illegale Händler den Vorteil, dass die Wege zu diesen Märkten relativ kurz waren und die Sklaven nur für entsprechend kurze Zeit versorgt werden mussten. Vor allem die Kanarischen Inseln entwickelten sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einem wichtigen

1400

Siehe Kapitel 1. Postma: Dutch Slave Trade, S. 81. 1402 Paesie: Lorrendrayen op Afrika, S. 242. 1403 Postma: Dutch Slave Trade, S. 82. 1404 Unger, W. S.: Bijdragen tot de geschiedenis van de Nederlandse slavenhandel I, in : EHJ 26, 1956, S. 133-174, hier: S. 159. 1405 Van Dantzig: Het Nederlaandse aandeel, S. 108. 1401

307

Zwischenhandelsplatz für Sklaven 1406 . Es kam auch vor, dass Schiffe, die eigentlich für den Güterhandel ausgerüstet waren, einzelne oder kleine Gruppen von Sklaven an Bord hatten, um sie kurzfristig weiterverkaufen zu können. Der transatlantische Sklavenhandel war aber auch für private Sklavenhändler lukrativ, wenn der Verkauf der Sklaven über einen Liefervertrag abgewickelt wurde. Diese wurden zumeist mit fremden Handelskompanien geschlossen, zu denen auch die BAAC gehörte. Die Interloper kauften ihre Sklaven üblicherweise an den gleichen Marktplätzen ein, wie die Kompanien. Zeeländische und holländische Interloper bevorzugten für den Einkauf von Sklaven die Küste von Angola. Der Grund dafür lag schlicht in der Tatsache, dass die WIC dort keine befestigten Handelsstützpunkte unterhielt. Die Schiffsführer mieteten üblicherweise eine „lodge“, ein provisorisches Warenhaus, für die Zeit, die sie dort vor Anker lagen 1407. Auch waren in diesem Gebiet deutlich weniger Schiffe der WIC anzutreffen. Aufgrund dessen gab es dort nur wenige Kompaniebedienstete, die sich leicht umgehen ließen. Um Zeit zu sparen und die Mittelpassage schneller bewältigen zu können, waren die für den illegalen Handel genutzten Schiffe meistens deutlich kleiner, als die von den Kompanien genutzten Schiffe. Der bevorzugte Schiffstyp war etwa 80 Fuß lang und konnte ca. 350 Sklaven an Bord nehmen1408. Die Vorbereitungen für den Transport hingegen waren identisch. Bevor die Sklaven an Bord genommen wurden, musste das Zwischendeck eingezogen und eine zusätzliche Kombüse für die Zubereitung großer Mengen an Mahlzeiten eingerichtet werden. Die Versorgung der Sklaven bestand sowohl aus europäischen wie einheimischen Produkten. Manchmal kauften die Schiffsführer bestimmte Lebensmittel ein, die in dem Ruf standen, die Sterberate unter den Sklaven niedrig zu halten. Da auf den illegalen Sklaventransporten das Ausfallrisiko unter den Sklaven genauso hoch war, wie auf den kompanieeigenen Schiffen, war auch die durchschnittliche Sterberate ähnlich hoch. Allerdings darf bezweifelt werden, dass sich auf jedem Schmuggelschiff ein Arzt an Bord befunden hatte, der sich um die Gesundheit der Sklaven kümmerte, was bei den Kompanien Pflicht war. Trotzdem war die Sterberate bei den illegalen Sklaventransporten insgesamt niedriger als bei den Kompanien. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Schmuggelschiffe meistens kleiner und damit schneller waren und somit weniger Sklaven an Bord transportieren konnten1409. Da die Interloper i. d. R. nicht an bestimmte Handelsplätze gebunden waren, verkauften sie ihre Waren nahezu überall in der Karibik und auf dem amerikanischen Kontinent. Die WIC unterhielt im karibischen Gebiet zwei Haupthandelsplätze. Der Haupthandelsplatz im südlichen Teil der Karibik war die Insel Curacao. Von dort aus wurden die umliegenden Inseln mit Sklaven 1406

Binder: Die zeeländische Kaperfahrt, S. 53. Emmer: Dutch Slave Trade, S. 46. 1408 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 246. 1409 Postma: Dutch Slve Trade, S. 248ff. 1407

308

beliefert. Dementsprechend spielte der Schmuggelhandel dort kaum eine Rolle. Anders verhielt es sich im nördlichen Teil. Dort war die Insel St. Eustatius der größte niederländische Sklavenmarkt. Da während des Spanischen Erbfolgekrieges die meisten karibischen Inseln vom Schmuggelhandel abhingen und dieser nach dessen Ende im Jahr 1713 allmählich zurückging, entwickelte sich auf St. Eustatius ein Haupthandelsplatz für die Interloper 1410 . Dies galt in gleichem Maße auch für St. Thomas, deren Hafen Charlotte Amalie von den Dänen kontrolliert wurde. Im ersten Quartal des 18. Jahrhunderts wurden mehr Sklaven auf niederländischen Schmuggelschiffen nach St. Thomas gebracht als von dänischen Schiffen1411. Als Johann Peter Oettinger im Juli 1693 auf St. Thomas eintraf, beobachtete er im Hafen von Charlotte Amalie ein friedliches Nebeneinander von Kaperschiffen, Interloper und regulären Handelsschiffen aus fast allen europäischen Staaten 1412. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass St. Thomas bzw. der von der BAAC kontrollierte Teil der Insel einen Ort bot, an dem alle sonstigen Gegensätze für die Dauer des Hafenaufenthaltes temporär aufgehoben waren. Kriegsschiffe befeindeter Länder konnten dort ebenso ungestört ankern wie Schiffe konkurrierender

Handelskompanien bzw.

Kaperschiffe neben

ihren potentiellen

Beutschiffen. Es ist daher kein Wunder, dass auch von ihren Beutezügen aus dem Indischen Ozean zurückkehrende Piraten wie William Kidd oder Tempest Roger 1699 mit ihrer Beute auf St. Thomas Unterschlupf suchten und dort auch fanden1413. Die Plantagenlandschaft auf St. Thomas war ebenfalls stark durch die Niederlande geprägt, da die Pflanzer überwiegend niederländischer Herkunft waren, was sich sowohl in kultureller wie auch handelspolitischer Hinsicht entsprechend bemerkbar machte. Besonders vorteilhaft für die Schmuggler war, dass sie auf St. Thomas gleich zwei Abnehmer für ihre Sklaven hatten. So verkauften im Jahr 1710 zwei niederländische Interloper ihre Sklaven an die Dänen. Das erste Schiff, die Hunter, lieferte im Januar 1710 312 Sklaven. Kommandiert wurde sie von dem Zeeländer Henrik de Witte1414. Im Juli des selben Jahres lieferte die America unter dem Kommando des ebenfalls aus Zeeland stammenden David Dinesen weitere 200 Sklaven1415. In beiden Fällen wurden die Sklaven zum Preis von 100 Reichstalern an die Pflanzer weiterverkauft. Auch in den darauf folgenden Jahren kauften die Sklavenhändler auf den Inseln viele Sklaven von seeländischen Interlopern. Auf St. Eustatius konnten die Interloper sogar noch höhere Preise erzielen, da die Pflanzer bessere Preise zahlten und im Gegensatz zu St. Thomas keine örtlichen Zölle entrichtet werden mussten. Außerdem sorgte die hohe Nachfrage der umliegenden englischen und französischen Inseln für einen ständigen Bedarf, was auf St. Thomas nicht immer der Fall war. 1701 1410

Menkman: De Nederlanders, S. 144. Westergaard: Danish West Indies, S. 151 und S. 320ff. 1412 Oettinger: Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 85. 1413 Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 201; Westergaard: Danish West Indies, S. 112ff. 1414 TSTD2 Nr. 35139; Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 364; Westergaard: Danish West Indies, S. 322. 1415 TSTD2 Nr. 35069; Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 364; Westergaard: Danish West Indies, S. 149f und S. 322. 1411

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schätzte der Gouverneur auf St. Eustatius, Isaac Lemond, das jährliche Handelsvolumen auf 3.000 bis 4.000 Sklaven. St. Eustatius lag nicht nur an einer strategisch günstigen Stelle, sie verfügte auch über mehrere geschützte Buchten. Während die Kompanieschiffe in der Bucht vor Oranjestad vor Anker gingen, nutzten die Interloper die anderen Buchten und verkauften ihre Sklaven meistens direkt vom Schiff aus. Manchmal lagen in einer Bucht mehrere Interloper gleichzeitig vor Anker. Eine dieser Buchten von St. Eustatius, die Tommelendijkbaai, wurde auf zeitgenössichen Seekarten sogar als „Interloper´s Point“ bezeichnet1416. Sobald ein Interloper die Insel erreicht hatte, machte er seine Ankunft mit einem markanten Flaggensignal bekannt, um anzuzeigen, dass Sklaven zum Verkauf standen. Darauf dauerte es meist nicht lange, bis auch die benachbarten Inseln über die Ankunft einer neuen Sklavenladung informiert waren und sich die interessierten Käufer dort einfanden. Dieses Flaggensignal war derart bekannt, dass es von einigen der berüchtigsten Seeräuber dazu genutzt wurde, unbedarfte Inselbewohner an den Strand zu locken, um sie auszurauben 1417 . Oftmals waren die Interloper preiswerter, als die Kompanien. Vor allem profitierten die Franzosen davon, da sie keine eigenen Handelsstützpunkte in Westafrika besaßen und daher keine eigenen Sklaventransporte durchführen konnten1418. Die Preise der niederländischen Interloper lagen durchschnittlich etwa 20 Prozent unter den Preisen der WIC und der RAC. Die Engländer protestierten mehrfach bei der WIC gegen diesen Preisverfall, jedoch ohne Erfolg1419. Die Pflanzer bezahlten die Sklaven entweder bar oder mit ihren angebauten Produkten. Deutlich seltener als bei den Kompanien verkauften Interloper auf Kredit, da sie oftmals nicht die Möglichkeit hatten, ihre Forderungen zu einem späteren Zeitpunkt einzutreiben. Wurden Sklaven dennoch auf Kredit verkauft, wurden den Pflanzern meistens nur wenige Wochen Zeit gegeben, um ihre Schulden zu bezahlen. Für einen gesunden männlichen Sklaven verlangte die WIC zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 250 Gulden, was 100 Reichstalern bzw. dem Äquivalent in spanischen Real entsprach. 1719 war der Preis auf 72 Reichstaler gefallen, danach pendelte er sich bei etwa 80 Reichstalern ein. Ungeachtet dessen konnten die Interloper meistens auch diese Preise unterbieten. Solange es der WIC nicht gelang, die regelmäßige Versorgung der Sklavenmärkte zu gewährleisten, blieb der illegale Verkauf von Sklaven auch weiterhin ein lohnendes Geschäft. Zudem waren die von ihr ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Schmuggelhandels eher halbherziger Natur. Wenn die Niederländer versuchten, einen Interloper daran zu hindern, in den Hafen von Oranjestad einzulaufen, wich dieser einfach auf eine der o. e. Buchten oder auf eine benachbarte Insel aus. In einigen Fällen wurden auch Pflanzer, die Sklaven 1416

Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 250f. Defoe, Daniel: A General History of the Pyrates, from their first rise and settlements in the Islands of Providence to the present time, London 1724, S. 220f. 1418 Menkman, W. R.: De Nederlanders in het caraibische Zeegebiet, waarin verfat de geschiedenis der Nederlandschen Antillen, Amsterdam 1942, S. 107. 1419 Donnan: Documents II, S. XXI. 1417

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von Interlopern eingekauft hatten, strafrechtlich verfolgt. Es blieb jedoch bei einzelnen derartigen Maßnahmen, da die Pflanzer nicht bereit waren, auf den Handel mit Interlopern zu verzichten. Zudem war oftmals sogar das Kompaniepersonal teilweise oder ganz in den illegalen Handel eingebunden. Wie eng das Zusammenspiel zwischen Interlopern und Pflanzern war, verdeutlichen folgende Beispiele: als im Jahr 1700 das seeländische Schiff Johanna Cornelia mit 450 Sklaven an Bord vor St. Eustatius vor Anker lag, versuchte der dortige Oberkaufmann, das Schiff samt Ladung zu konfiszieren. Da eine Lieferung durch die WIC nicht in Sicht war, wehrten sich die Pflanzer gegen diese Maßnahme, da sie befürchteten, die Arbeit auf den Feldern nicht mehr bewältigen zu können, wenn ihnen nicht erlaubt wurde, Sklaven zu kaufen. Trotz des Protestes des Oberkaufmanns kaufte der niederländische Händler Lukas van Beverhoudt die gesamte Ladung und verkaufte die Sklaven dann selbst an die Pflanzer weiter. Zwei Jahre später konnten die Verantwortlichen auf St. Eustatius nicht verhindern, dass 200 Sklaven von dem Schiff Vier Gebroeders auf St. Eustatius verkauft wurde, da sowohl der Oberkaufmann als auch der Sergeant der Insel zum fraglichen Zeitpunkt völlig betrunken danieder lagen 1420. Ab 1715 verlagerte sich der illegale Handel auf St. Eustatius zunehmend von den Schiffen auf die Insel. Auch in der Oranjebay gingen fortan immer mehr Interloper vor Anker, um direkt Handel zu treiben. Der gelegentliche Beschuss von der Festung verlor zunehmend seinen Schrecken. So ließen sich im Jahr 1719 zwei Interloper trotz Beschießung von der Festung nicht vertreiben. Am darauffolgenden Tag kamen sie an Land und verkauften ihre Ladung in der Festung. Diese Entwicklung wollte die WIC natürlich nicht hinnehmen und ordnete die Einsetzung von Kommissaren auf St. Eustatius an, deren Aufgabe darin bestand, sämtliche Schiffe und Waren von Interlopern zu beschlagnahmen. Obwohl die WIC wusste, dass dies nicht ausreichen würde, um ihren eigenen Handel zu schützen, ergriff sie keine weiteren administrativen Maßnahmen. Ab 1720 nahm die WIC den regelmäßigen Schiffsverkehr nach St. Eustatius auf, um die Insel zu versorgen. Damit hoffte man auch, den Interlopern ihre Marktanteile zu entziehen. Als 1721 das erste Schiff der WIC mit einer Ladung Sklaven auf St. Eustatius eintraf, verlagerten die Interloper ihren Handel einfach zu anderen karibischen Inseln. So war bspw. die Einfuhr von illegal gehandelten Sklaven auf den englischen Inseln nicht verboten, obwohl auch hier die RAC regelmäßig gegen die Präsenz der Interloper protestierte. Auf den französischen Inseln Martinique und Guadeloupe sah es sogar noch besser aus. Dort kauften die Händler und Pflanzer alles, was sie kriegen konnten 1421 . Seeländische Interloper schlossen mit den Franzosen mehrfach Lieferverträge ab. So traten im Jahr 1700 einige französische Pflanzer auf St. Domingue mit einem Agenten in Seeland in Verbindung, und beauftragten ihn, in geheimen Verhandlungen mit seeländischen Reedern eine Sklavenfahrt zu 1420 1421

Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 253 Pitman, F. W.: The development of the British West Indies 1700-1763, New Haven 1917, S. 75ff.

311

organisieren 1422 . 1712 schloss der Gouverneur von St. Domingue wieder einen Vertrag mit seeländischen Interlopern über die Lieferung von 3.000 Sklaven innerhalb der nächsten zwei Jahre1423. Nachdem der Asiento de Negroes im Jahr 1690 an die portugiesische Companhia de Cacheu vergeben worden war, wurde schnell offensichtlich, dass sie den Vertrag nicht allein aus eigener Kraft erfüllen konnten. Deshalb schlossen die Portugiesen Lieferverträge sowohl mit der WIC als auch mit seeländischen Privatreedern. Federführend bei den Verhandlungen waren die Amsterdamer Agenten Manuel de Belmonte und die Brüder Simon und Luis de Souza. Der Vertrag legte fest, dass jährlich 2.500 bis 3.000 Sklaven durch die WIC in die spanischen Kolonien geliefert werden sollten. Die Companhia de Cacheu konnte jedoch ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, weshalb die WIC den Vertrag im Jahr 1701 wieder aufkündigte 1424 . Danach wurden vermehrt Lieferverträge mit seeländischen Reedern abgeschlossen, die in in zunehmenden Maß die Versorgung der spanischen Gebiete in Amerika mit Sklaven übernahmen. Im Juli 1701 berichtete Nikolaas van Beeck, der Gouverneur von Curacao, dass sich der Kapitän eines kurz zuvor eingelaufenen WIC-Schiffes bei ihm darüber beschwerte, dass während seines Aufenthaltes an der Küste vor Angola während seines Aufenthaltes mindestens drei Interloper lagen, um Sklaven zu kaufen. Bereits im Februar zuvor hatte van Beeck über vier Interloper berichtet, von denen drei zu anderen karibischen Inseln und eins nach Caracas gesegelt waren 1425 . Zwischen 1700 und 1703 kehrten neunzehn seeländische Schiffe aus der Karibik nach Europa zurück. Davon haben mindestens sechs Schiffe die Dreiecksroute mit Sklaven an Bord befahren, wahrscheinlich dürfte dieser Anteil aber höher gewesen sein 1426 . Auch in den darauf folgenden Jahren setzte sich der illegale Handel mit Sklaven fort. Allein auf St. Thomas haben zwischen 1700 und 1715 mindesten zwanzig zeeländische Schiffe ihre Sklaven verkauft1427. Erst danach war es den Dänen gelungen, die Insel regelmäßig mit Sklaven zu versorgen. Den zeeländischen Interloper kam demnach die Rolle zu, die entstandenen Versorgungslücken zu schließen, die zum einen durch den Spanischen Erbfolgekrieg und zum anderen durch das fortwährende Unvermögen der Kompanien, ihre Handelsmonopole durchzusetzen, entstanden waren.

1422

Munford: Black Ordeal I, S. 187 und II, S. 452. Munford: Black Ordeal II, S. 390ff. 1424 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 124f. 1425 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 254. 1426 Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 255. 1427 Westergaard: Danish West Indies, S. 320ff. 1423

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Kapitel 6. Der Aufbau einer kurbrandenburgischen Kriegsmarine

6.1. Die kurbrandenburgische Marine im Kampf gegen Schweden 1675 - 1679

Nach dem Tod Karls X. 1660 und dem darauf folgendem Niedergang Schwedens entwickelte sich Ludwig XIV. von Frankreich allmählich zur dominierenden Figur in Brandenburg. Als er kurz nach Kardinal Mazarins Tod im Jahr 1661 auch faktisch die Macht übernahm, ließ er bis 1693 seine Streitkräfte von bisher 70.000 auf insgesamt 320.000 Mann aufstocken und startete eine Reihe von Feldzügen, die vor allem der Sicherung von Frankreichs Vorherrschaft in Westeuropa dienen sollten 1428 . So zog er 1667-1668 gegen die Spanischen Niederlande, 1672-1678 gegen die Generalstaaten und 1688 gegen die Pfalz. Im Winter 1674/1675 befand sich der Kurfürst zusammen mit einem Truppenverband, bestehend aus brandenburgischen und österreichischen Soldaten, auf einem Feldzug im Elsass und am Oberrhein. Friedrich Wilhelm gehörte einer Koalition an, welche den Zweck hatte, die machtpolitische Expansion Ludwigs XIV. im französisch-niederländischen Krieg zu begrenzen. In der Hoffnung auf französische Subsidiengelder fielen die mit Frankreich verbündeten Schweden mit einem Heer von 14.000 Mann unter dem Befehl von General Wrangel im Dezember 1675 ohne vorherige Kriegserklärung in die Uckermark ein. Kurz darauf meldete sich in Den Haag bei den beiden brandenburgischen Gesandten Blaspeil und Romswinckel ein zeeländischer Reeder, der ihnen anbot, zusammen mit weiteren Geschäftspartnern auf eigene Kosten Schiffe für einen Kaperkrieg gegen Frankreich und Schweden in der Ostsee auszurüsten und einzusetzen. Als Gegenleistung forderten sie vom Kurfürsten die Ausstellung von 20 sog. Kommissionspatenten für die zu stellenden Fregatten sowie Aufnahme und Schutz für dieselben in den Häfen des Kurfürsten und seiner Verbündeten1429. Des weiteren boten sie ihm sechs Prozent des Gesamtwertes aller gekaperten Schiffe und Ladungen als Gewinnbeteiligung. Weitere 10 Prozent sollte der Prinz von Oranien in seiner Eigenschaft als General-Kapitän der Niederlande erhalten1430. Ein derartiges Vorgehen war zur damaligen Zeit nichts ungewöhnliches, der Wechsel vom Kauffahrer in Friedenszeiten zum Kaperfahrer in Kriegszeiten, war durchaus üblich. Vor allem die Zeeländer versuchten gern, durch kriegerische Handlungen erlittene Verluste durch Prisengewinne wett zu machen. Viele Kapitäne der niederländischen Seestreitkräfte hatten ihr Handwerk als Kaperfahrer gelernt und der Handel der Generalstaaten litt unter diesem Unwesen ebenso wie derjenige ihrer Feinde, da niederländische Schiffe häufig fremde Waren geladen hatten oder 1428

Clark, Christopher: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947, München 2007, S. 68. GStA Rep. 65 Nr. 2, Blatt 4-7; Häpke, Rudolf: Benjamin Raule und seine Handlungsbücher, in: EconomischHistorisch Jaarboek 9, s´Gravenhage 1923, S. 214-220, hier: S. 218, Peter: Die Anfänge der kurbrandenburgischen Marine, S. 66f. 1430 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 3, Schevill, Ferdinand: The Great Elector, Chicago 1947, S. 240. 1429

313

niederländische Waren unter fremden Flaggen transportiert wurden. Um die Verluste wenigstens einigermaßen einzudämmen, erließen die Generalstaaten regelmäßig entsprechende Verbote, welche jedoch nicht all zu viel ausrichteten. Friedrich Wilhelm ging sofort auf diese Forderungen ein und übersendete die geforderten Patente, da er sich davon eine erhebliche Schwächung seines Gegners, vor allem seiner zur Kriegsführung benötigten Mittel versprach 1431. Diese Vorgehensweise hielt der Kurfürst unter den gegebenen Verhältnissen für durchaus zulässig. Benjamin Raule, der bisher anonym gebliebene Bittsteller, hatte jedoch eine Antwort des Kurfürsten nicht abgewartet und bereits vier schwedische Schiffe aufgebracht, was in den Niederlanden für beträchtlichen Unmut sorgte, da viele niederländische Schiffe unter schwedischer Flagge die Ostsee befuhren und Raules Vorgehensweise somit den niederländischen Ostseehandel bedrohte

1432

. Um eventuellen

niederländischen Repressalien vorzubeugen und Raule vor vor der Verfolgung durch die Generalstaaten zu schützen, schlossen Blaspeil und Romswinckel mit Raule einen auf den 31.Januar 1675 vordatierten Scheinvertrag, in welchem Raule dem Kurfürsten insgesamt 10 Schiffe auf vier Monate vermietete. Dieser wurde durch einen zweiten Scheinvertrag wieder aufgehoben, bevor es am 20. März 1675 zu einem echten Vertragsabschluss mit dem Kurfürsten kam, in dem er zugleich die Generalstaaten um Unterstützung für seinen Kaperkrieg bat 1433 . Auch der brandenburgische Gesandte in Kopenhagen, Friedrich von Brandt, bat im Auftrag einiger dänischer Reeder den Kurfürsten um die Übersendung von vierzig Kaperbriefen, was der Kurfürst jedoch in Rücksichtnahme auf die mit Raule getroffenen Absprachen ablehnte. Außerdem legte der Kurfürst großen Wert darauf, dass seine Kaperschiffe auch wirklich kriegsfähige Fregatten sein sollten. Deshalb bot ihm der Kurfürst an, falls die dänischen Reeder bereit wären mindestens zwei Drittel der entstehenden Kosten zu übernehmen, vier Fregatten, im Notfall auch mehr, zum Kapern in die Ostsee zu schicken1434. Der Plan scheiterte jedoch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Niederlande. Die Anzahl der von Raule gekaperten Schiffe war inzwischen auf 21 angewachsen. Auf das Betreiben von Holland hatten die Generalstaaten am 28. März beschlossen, die vier von Raules Flotte gekaperten Schiffe wieder an ihre Besitzer zurück zu geben. Des weiteren forderten sie, dass alle weiteren Kaperunternehmen unterbleiben sollten und befahlen ihren für alle Seesachen zuständigen Deputierten, entsprechende Anordnungen zu treffen. Der Kurfürst versuchte vergeblich, diese Anordnung zumindest teilweise wieder rückgängig zu machen, indem er darauf hinwies, dass es sein gutes Recht sei, die aufgrund der Kriegseinwirkungen erlittenen Verluste auf diese Weise 1431

GSTA Rep. 65 Nr. 2, Blatt 52-54. UA III, S. 578, Schück II, S. 157f, Jordan: Kriegsmarine, S. 13. 1433 Schück I, S. 81, UA III, S. 452-458: Verhandlungen mit den Generalstaaten über die Kriegserklärung gegen Schweden, Oktober 1675 bis Juni 1676, hier: S. 457. 1434 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 4. 1432

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wieder zu kompensieren. Um seine Argumentation zu untermauern, bot er

dem Prinzen von

Oranien sogar zehn Prozent von allen außerhalb der Niederlande aufgebrachten Prisen 1435 . Die Holländer, auch der dem Kurfürsten und seinen Plänen bisher wohlwollend gegenüberstehende Ratspensionär Fagel, standen dem Kurfürsten in dieser Angelegenheit ablehnend gegenüber, da sie befürchteten, dass der Kurfürst den niederländischen Seehandel mit England und Schweden stören könne und dies nur anderen Ländern zugute kommen würde, die Schweden selbst aber keinen ernstzunehmenden Schaden davontragen würde. Darüber hinaus fürchteten sie die Konsequenzen einer allerdings nahe liegenden Gefälligkeit gegen den Kurfürsten, indem das Ausfahren auf fremde Kaperbriefe überhand nehmen könnte. Dieses drohende Überhandnehmen versuchten sie dadurch zu steuern, indem sie nicht nur die alten Verordnungen erneuerten, sondern auch den Reedern sämtliche dadurch entstehenden Kosten auferlegten. Die Generalstaaten wollten den Krieg an Schweden nur unter der Bedingung zu erklären, dass ihr Handel weiterhin frei bleiben sollte1436. Doch auch in anderen Staaten stieß der Kurfürst auf erhebliche Schwierigkeiten. Als eine von Raules Fregatten erneut zwei schwedische Schiffe aufbrachte und diese aufgrund schlechten Wetters nicht wie geplant in Glückstadt einliefen, sondern sich in den Hafen von Dover flüchten mussten, wurden sie umgehend von den englischen Behörden beschlagnahmt, welche auch eins der in Seeland beschlagnahmten Schiffe als Eigentum eines Kaufmanns aus Bristol beim Kurfürsten reklamierten1437. Der Protest des Kurfürsten vom 6. April, in dem er auf sein Recht auf Repressalien zur See gegen den Feind betonte, blieb ebenso erfolglos wie die von ihm bei seiner persönlichen Anwesenheit in Den Haag im Mai geführten Gespräche, weil die vom Ratspensionär Fagel und dem Prinzen von Oranien gegebenen Zusagen nicht eingehalten wurden. Immerhin gelang es dem Kurfürsten, ihnen das Versprechen abzuringen, die schwedischen Schiffe samt ihrer Fracht nach Ostende zu bringen, damit sie dort verkauft werden könnten. Das Verhandlungsglück war für den Kurfürsten jedoch nur von kurzer Dauer. Gleich nach seiner Abreise erließen die Generalstaaten ein neues Verbot und der öffentliche Verkauf der vier Prisen wurde gestoppt. Die Sache endete schließlich damit, dass die vier Fahrzeuge auf Befehl der Generalstaaten an ihre ursprünglichen Besitzer zurückgegeben wurden und sechs weitere gekaperte Schiffe in Seeland öffentlich versteigert wurden. Der Kurfürst erhielt vom Erlös der Versteigerung lediglich zehn Prozent. Bemjamin Raule indes war durch die ablehnende Haltung der Generalstaaten mittlerweile, da er vertragsgemäß das Kaperunternehmen komplett selbst finanziert hatte und eigentlich durch die erhofften Prisengewinne entschädigt werden sollte, ein finanzieller Verlust von 57.000 Taler entstanden und stand nun kurz vor dem Bankrott. Finanziert hatte er das Unternehmen bisher mit 1435

Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 4. UA III, S. 460f: Resolution der Staaten von Holland und Westfriesland, den 16.Juli 1675; UA III, S. 471-478: von der Tocht an den Griffier, Berlin den 27. Mai 1676, hier: S. 475. 1437 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 5, Schück I, S. 82. 1436

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geliehenem Geld seiner Geschäftspartner und durch den Verkauf persönlicher Besitztümer. Da er nun aufgrund der entgangene Einnahmen zunehmend unter Druck geriet, sah er keinen anderen Ausweg, als sich auf kurfürstliches Territorium zu retten, um so seiner Verhaftung wegen Piraterie und Veruntreuung zu entgehen. Der Kurfürst fühlte sich deshalb verpflichtet, ihn in jede Richtung schadlos zu halten1438. Anfang Mai ernannte der Kurfürst Raule zum kurfürstlichen Rat und vier Wochen später ließ er ihm eine Anweisung auf die holländischen Subsidiengelder in Höhe von 10.000 Reichstalern zukommen, verbunden mit einer Vollmacht, in Seeland die Subsidien einzuziehen1439. Inzwischen hatte Friedrich Wilhelm sich entschlossen, sich nicht mehr an den Kriegshandlungen gegen Frankreich zu beteiligen, sondern sein gesamtes militärisches Gewicht den Schweden entgegenstellen. Dazu wollte er sich nicht nur mit einer Vertreibung der schwedischen Truppen aus der Mark begnügen, sondern zusammen mit den Niederlanden, Dänemark u. a. alle schwedischen Besitzungen im Reich und Schweden selbst angreifen. Das Augenmerk des Kurfürsten lag zunächst auf den schwedischen Stellungen an den Mündungen von Elbe und Weser, dort vor allem die heute nicht mehr existierende Festung Karlstadt. Der Zweck der geplanten Expedition gegen die Festung war zugleich auch, Kontributionen im Bremer Raum einzutreiben und so die entstandenen Kosten wieder hereinzuholen. Bereits im Mai 1675 schloss der Kurfürst in Den Haag einen Vertrag mit dem niederländischen Oberst Simon Bolsey über die Anwerbung eines Regiments Marineinfanteristen von 534 Mann, die zur Bemannung von zwei Fregatte, einer Fleute und einer Schnau dienen sollten, welche von einigen Rotterdamer Kaufleuten auf vier Monate zur Verfügung gestellt werden sollten1440. Die Kosten betrugen 8.137 Reichstaler an Werbungskosten und 135.140 Gulden für die Anmietung der Schiffe. Die Schiffe wurden jedoch nicht, wie geplant, von den Rotterdamer Kaufleuten zur Verfügung gestellt, sondern von Raule, der sich in einem Vertrag von 27. Juni/7. Juli dazu verpflichtete, zum 1. August drei Fregatten mit sechzehn, zwölf und sechs Kanonen sowie eine Pinasse als Transportschiff auf drei Monate zur Verfügung zu stellen 1441 . Dafür sollte Raule insgesamt 58.000 Reichstaler in Anweisung auf die fälligen niederländischen Subsidien erhalten. Das zu rekrutierende Marineregiment war bereits Mitte Juni aufgestellt und bestand aus 569 niederländischen Offizieren und Soldaten. Raules Schiffe lagen zum Auslaufen bereit in Seeland, jedoch konnte er sie nicht nach Holland, wo das Marineregiment eingeschifft werden sollte, fahren lassen, da er immer noch schweren Verfolgungen durch seine Gläubiger ausgesetzt war und diese die Schiffe nicht eher freigeben wollten, bis Raule ihnen 10.000 Gulden gezahlt hätte. Schließlich 1438

Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 6, Schück I, S. 83, Schück II, S. 65f, Nr. 32 und Nr. 33a. Schück II, S. 67 Nr. 33b. 1440 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 6. 1441 GStA Rep. 65 Nr. 1, Blatt 13, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 7. 1439

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schoss Blaspeil die Summe vor, da auf andere Weise keine Schiffe aufzutreiben waren. Diese gemietete Flotte setzte sich aus den Fregatten Kurprinz, Berlin und Potsdam sowie dem Hooker Bulle und der Schnau Bielefeld, bewaffnet mit insgesamt 56 Kanonen, zusammen1442. Aufgrund dieser Verzögerung konnte die Flotte erst Mitte August die Marinesoldaten an Bord nehmen, jedoch erst am 6. September auslaufen, da ein heftiger Sturm am 18. August erhebliche Beschädigungen an den Schiffen verursacht hatte, welche erst repariert werden mussten. Inzwischen hatte Blaspeil auf dem Weg nach Bremen bei einem Zwischenaufenthalt in Amsterdam die dortige Admiralität dazu gebracht, dem Kurfürsten drei Kriegsschiffe mit je 40 bis 46 Kanonen auf drei Monate gegen Zahlung von 19.100 Gulden monatlich zu vermieten. Diese stießen am 8. September zu Bolsey und seiner Flotte. Aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen verzögerte sich der Angriff bis zum 29. September, was den Schweden die Möglichkeit gab, die Besatzung in Karstadt zu verstärken. Tags zuvor hatte Bolsey seine Marineinfanteristen 150 weiter Soldaten anlanden lassen, um den Angriff sowohl von Land wie auch von der See her durchzuführen. Bolsey versuchte, die Festung mit den Schiffsgeschützen sturmreif zu schießen, während die Marineinfanteristen sie erstürmen sollten. Der Plan schlug fehl, da die Schweden rechtzeitig die Befestigungen verstärkt und die Besatzung vergrößert hatten, so dass Bolsey am 1. Oktober den Rückzug befahl. Dabei gerieten 300 Mann von Bolseys Truppen in schwedische Gefangenschaft, da ihnen der Weg zurück auf die Schiffe abgeschnitten wurde 1443 . Weitere Unternehmungen im Bremer Raum wurden darauf nicht mehr unternommen und die Schiffe wurden vom Kurfürsten in die Ostsee beordert, wo sie seine geplanten Unternehmungen gegen Schwedisch-Pommern unterstützen sollten. Die Abfahrt sollte sich aufgrund anhaltenden schlechten Wetters wiederum verzögern. Dies hatte zur Folge, dass der Proviant auf Raules Schiffen knapp wurde und die Seeleute sich weigerten, weiter zu fahren. Die niederländischen Kriegsschiffe fuhren deshalb allein nach Kopenhagen, wo sie Ende November ankamen, während Raule in Hamburg um Kredit ersuchen musste, um den Forderungen seiner Schiffsleute nachzukommen. Anfang Dezember begab sich Bolsey mit zwei der niederländischen Kriegsschiffe und dem auf 220 Mann geschrumpften Marineregiment nach Wolgast, wo es bis Mai 1676 wieder auf 600 Mann aufgestockt werden sollte, was Bolsey jedoch nicht gelang. Der Kurfürst löste deshalb den Vertrag mit ihm, die niederländischen Kriegsschiffe überwinterten an der Küste Pommerns und kehrten im Frühjahr 1676 nach Holland zurück. Die von Raule gestellten Schiffe kehrten von der Elbemündung wieder nach Seeland zurück, wo sie im März 1676 instand gesetzt und neu bemannt wurden. Raule war bereits im Februar vom Kurfürsten zum Schiffs-Direktor ernannt worden1444. Zugleich wurde auch ein neuer Mietvertrag

1442

Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 26, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 7. Schück I, S. 87. 1444 Schück II, S. 67 Nr. 34. 1443

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zwischen ihm und dem Kurfürsten über die Anmietung der Schiffe geschlossen 1445. Danach wurden sie erneut in die Ostsee geschickt, und trafen Mitte Mai in Kopenhagen ein. Die gemietete Flotte bestand nun aus drei Fregatten mit den Namen Kurprinz, König von Spanien und Berlin, zwei Galioten mit den Namen Cleve und Potsdam, einer Yacht names Bracke und weiteren vier nicht namentlich genannten Schaluppen. Zusammen verfügte die Flotte über eine Bewaffnung von 76 Kanonen

1446

. Die flach gehenden Schaluppen waren für den Kriegsdienst auf dem Stettiner Haff

und dem Dammschen See bestimmt. Kommandeur der Flotte war der aus Amsterdam stammende Holländer Claas van Beveren. Ursprünglich für den Kommandeursposten vorgesehen war Jakob Raule, ein Bruder von Benjamin Raule, welcher jedoch kurz zuvor ebenfalls von seinen Gläubigern in Haft genommen worden war, aus der er erst 1680 wieder entlassen wurde1447. Als Berater und Dolmetscher für van Beveren fungierte der kurfürstliche Kommissar Gerhard Meinhard Neuhaus, der zuvor vom Kurfürsten den Auftrag erhalten hatte, die Kaperungen der Flotte zu verwalten. Friedrich Wilhelm wollte nicht nur schwedische Schiffe kapern lassen und damit die Seeverbindung zwischen Schweden und Pommern unterbrechen, sondern auch alle Konterbande auf fremden, auch englischen und niederländischen Schiffen, erbeuten. Dagegen erhob der dänische König Christian V. Einspruch, da er eine Einmischung Englands auf der Seite Schwedens in den Krieg befürchtete1448. Friedrich Wilhelm erklärte sich daraufhin bereit, auf die Kaperung von englischen und niederländischen Schiffen zu verzichten, sofern sie keine für Schweden bestimmten kriegswichtigen Waren führen würden. Im Gegenzug versprach der dänische König, keine derartigen Schiffe den Sund passieren zu lassen. Der Kurfürst verlegte sein Augenmerk auf die Blockade der mecklenburgischen und pommerschen Küste sowie auf Schiffe unter Lübecker und Hamburgs Flagge auf ihren Routen nach Schweden. Raule erhielt den Auftrag, sich der dänischen Flotte anzuschließen und mit ihr zusammen die schwedische Flotte anzugreifen. Er versprach sich bei diesem Plan einen erheblichen Gewinn, da er mit einem Drittel an den Prisengewinnen beteiligt war. Die Aussichten, das im Vorjahr verlorene Kapital nebst Zinsen erneut zu erwirtschaften, waren jedoch eher gering, da nur Schiffe unter schwedischer und französischer Flagge sowie unter derjenigen der freien Reichsstädte aufgebracht werden durften. Friedrich Wilhelm beabsichtigte auch, durch die Kaperung von Schiffen unter Hamburger Flagge ausstehende Subsidiengelder einzutreiben. Kaiser Leopold hatte kurz zuvor die Stadt angewiesen, dem Kurfürsten 100.000 Reichstaler auszuzahlen, was aber bisher

1445

GStA Rep. 65 Nr. 7, Blatt 20-22; Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 227f, Schwebs, Paul: Die brandenburgische Marine im Seekriege 1676, Berlin 1907, S. 9. Derartige Mietverträge wurden bis 1679 wiederholt zwischen Raule und dem Kurfürsten geschlossen, Schück I, S. 81. S. 85, S. 95-97, S. 99-100, S. 195. 1446 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 27, Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 230. 1447 Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 20. 1448 Schück I, S. 93, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 9.

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nicht erfolgt war1449. Hinzu kam, dass der Kurfürst auch Privateigentümern kleinerer Schiffe die Erlaubnis zur Kaper erteilt hatte. Sogar an Oberst Hille erging die Order, die kurfürstliche Leibyacht zu diesem Zweck auszurüsten. Hille meldete dem Kurfürsten darauf, dass die Yacht aufgrund ihres Alters in einem sehr schlechten Zustand und für ein derartiges Unternehmen nicht geeignet wäre1450. Stattdessen schlug er vor, eine Schute aus Livland entsprechend auszurüsten 1451 . Der Kurfürst befahl ihm, die Reparatur der Yacht und die Ausrüstung der Schute auf seine Kosten ausführen zu lassen. Kurz darauf sah sich der Kurfürst in seiner Vorgehensweise bestätigt, als der Erlös eines bereits Anfang Mai gekaperten Schiffes aus Lübeck die Kosten dieses Unternehmens vollständig deckten1452. Inzwischen war Raule mit seinen Fregatten von Kopenhagen in Richtung Rügen ausgelaufen. Ursprünglich sollte er von See aus einen Vorstoß brandenburgischer Truppen über die Swine nach dem von den Schweden besetzten Wolgast unterstützen, was allerdings aufgrund einer plötzlich einsetzenden Windstille misslang. Raule ließ seine Schiffe darauf nach Kolberg fahren, um dort seine Schiffsmannschaften aufzustocken. Dort teilte er sein Flotte auf: die Fregatte Berlin sollte zusammen mit einer Galiot ostwärts, die Fregatte Spanien westwärts und die Fregatte Kurprinz nördlich von Rügen kreuzen1453. Die beiden anderen Fregatten und die Galiot Cleve nahmen am 4. und 5. Juni an der großen Seeschlacht bei Öland zwischen Dänen und Schweden teil, wo sie die schwedische Fregatte Leopold und einen Brander aufbrachten1454. Der Erlös aus dieser Prise war jedoch eher gering, die „Leopold“ wurde auf lediglich 2.000 Reichstaler taxiert1455. Dennoch erregte der bescheidene Erfolg der brandenburgischen Flotte am kurfürstlichen Hof einiges Aufsehen. Danach erbeuteten Raules Fregatten noch ein englisches Handelsschiff und eines aus Lübeck. Beide hatten zuvor versucht, die Blockade der schwedisch-pommerschen Küste zu durchbrechen. Das englische Schiff hatte Tee, Eisen und Kanonen geladen, deren Verkaufserlös zu zehn Prozent Raule zugute kam, um weiterhin seine Schiffe unterhalten zu können. Beide Schiff wurden umgehen bewaffnet, neu bemannt und anschließend auf dem Haff eingesetzt, während die Fregatten die Blockade von Schwedisch-Pommern fortsetzten1456. Um zu verhindern, dass die anderen Nationen den Kurfürsten und seine Vorgehensweise den 1449

Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 13. Roessel: Roessel, Bruno: Die erste Brandenburgische Flotte im Schwedisch-Polnischen Kriege 1658-1660, Berlin 1905, S, 85f, Jordan, A.: Brandenburgisch-Preußischen Kriegs- Marine, S. 21. 1451 Roessel: Brandenburgische Flotte, S. 87. 1452 Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 21. 1453 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 10, Schück I, S. 93f. 1454 Schück I, S. 94, Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 22, von Buch, Dietrich Siegismund: Tagebuch Dietrich Siegismunds´von Buch aus den Jahren 1674 bis 1683, 2 Bände, Jena und Leipzig 1865, hier: Band 1, S. 185. Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 28 bezweifelt, dass die brandenburgischen Schiffe tatsächlich an der Seeschlacht teilgenommen hätten und vermutet, dass sie sich außerhalb des Geschehens aufhielten und die beiden schwedischen Schiffe vom Kurs abkamen und so den Brandenburgern in die Hände fielen. 1455 Schwebs: Brandenburgische Marine, S. 30. 1456 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 11, Schück I, S. 95. 1450

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Ruf als Seeräuber anhängen würden, etablierte er auf Anraten von Raule in Kolberg ein Seegericht, welches aus drei Kommissaren und einem Fiskal bestehen sollte. Letzterer sollte, nachdem er von Raule mit entsprechenden Informationen versorgt wurde, vor den Kommissaren Klage erheben. Diese sollten dann die betroffenen Parteien zur Beweisaufnahme vorladen und anschließend Raule die entsprechenden Akten zur Begutachtung überstellen, der dann wiederum die Akten zusammen mit seinem Gutachten an den Kurfürsten senden sollte, damit jener dann endlich seine Entscheidung im Namen des Seegerichtes verkündete 1457 . Inzwischen hatte Raule auf seine Bürgerrechte und Privilegien in seiner Heimatstadt Middelburg verzichtet und siedelte nach Berlin über. Am 13. Januar 1677 wurde der Mietvertrag über Raules Flotte erneuert, welche aus drei Fregatten, zwei Galioten und einer Yacht mit zusammen 76 Kanonen und 350 Mann Besatzung bestand. Dafür sollte der Kurfürst 27.000 Reichstaler an Raule zahlen1458. Zu der vom Kurfürsten gemieteten Flotte kamen noch sechs weitere nicht näher bezeichnete Schiffe mit insgesamt 111 Mann Besatzung, 73 Soldaten und 26 Kanonen, die Raule auf eigene Rechnung ausrüsten ließ 1459. Doch auch diesmal konnte Raule nicht die erhofften Prisengewinne einfahren, da der Kurfürst seine Schiffe für die Blockade der Gewässer von Stettin, Rügen und Stralsund benötigte 1460. Anfang August erneuerte der Kurfürst den Mietvertrag über Raules Flotte und beförderte ihn zugleich zum „Oberdirektor in Seesachen“ 1461 . Damit wollte er sich Raule gegenüber für ein kurz zuvor von drei von Raules Schiffen ausgefochtenen Seegefechts erkenntlich zeigen, bei dem es ihnen gelang, gegen eine Übermacht von acht schwedischen Schiffen siegreich zu bleiben, die bei Stettin einen Ausfallversuch gemacht hatten1462 . Kurz zuvor hatte Raule dem Kurfürsten vorgeschlagen, auch französische und spanische Schiffe zu kapern. Der Hintergrund war die gerade laufenden Verhandlungen um ein Handelsabkommen zwischen Frankreich und den Niederlanden. Das Motiv Raules war, durch die Kaperung von zumindest einem größeren spanischen Schiff dieses als Druckmittel für die Einforderung ausstehender Subsidien von der spanischen Regierung zu fordern und gleichzeitig dadurch alle anderen europäischen Seemächte Brandenburg als ernstzunehmenden Bündnispartner zu empfehlen 1463 . Friedrich Wilhelm war diesem Plan nicht abgeneigt, der Zeitpunkt dafür erschien ihm jedoch nicht besonders günstig, weshalb er Raule nur die Erlaubnis gab, so lange Hamburger Schiffe aufzubringen, bis die Subsidien eingebracht wären. Der einzige nennenswerte militärische Erfolg, den der Kurfürst zur See verbuchen konnte, war die Einnahme 1457

GStA Rep. 65 Nr. 13, Blatt 3-4. Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 12, Schück I, S. 96. Strantz, Victor von: Die Kurfürstlich Brandenburgische und die Kaiserlich Deutsche Kriegsflotte, Berlin 1875, S. 14. 1459 Schück I, S. 97, Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 231. 1460 UA XVIII, S. 32: Aus dem Chur-Brandenburgischen Hauptquartier für Stettin vom 29. Juni/9. Juli 1677; S. 34: Extract des Schreibens aus dem Feldlager zu Stettin, den 6./16. Juli 1677 1461 Schück II, S. 70 Nr. 36a. 1462 Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 29f. 1463 GStA Rep. 65 Nr. 15, Blatt 84-87. 1458

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von Stettin Ende Dezember 16771464. Im Februar 1678 macht Raule, der inzwischen mit seiner Familie nach Kolberg übergesiedelt war, dem Kurfürsten erneut einen Vorschlag zur „Verbesserung der Kommerzien“1465. Er erhielt kurz darauf vom Kurfürsten den Auftrag, in sämtlichen Häfen Pommerns Schiffe notfalls mit Gewalt aufzutreiben, da der Kurfürst beschlossen hatte, auf der Insel Rügen zu landen und die Schweden endgültig zu vertreiben 1466 . Es dauerte jedoch bis Ende Juli/Anfang August, bis die erforderliche Anzahl an Schiffen und Booten zusammengetragen worden war. Insgesamt standen dem Kurfürsten für die Landung auf Rügen 210 größeren und 140 kleinere Schiffe zur Verfügung 1467 . Den Oberbefehl über diese Flotte erhielt der Niederländer Cornelis Tromp, der bereits in der Seeschlacht vor Öland zwei Jahre zuvor die Schweden besiegt hatte. Nachdem noch einige dänische Schiffe unter dem Befehl von Admiral Niels Juel dazu gekommen waren, wurden die brandenburgischen Truppen am 10./20. September in Anwesenheit des Kurfürsten eingeschifft. Die brandenburgischen Truppen stürmten unter Feuerschutz der Schiffsgeschütze erfolgreich die Insel und die Schweden wurden vernichtend geschlagen1468. Dadurch waren nun auf dem Festland die Städte Stralsund und Greifswald, die sich noch in schwedischer Hand befanden, von See her abgeschnitten, worauf sie dem Belagerungszustand nicht mehr lange standhalten konnten und sich schließlich ergaben. Nach der Einnahme Stralsunds wurden drei Schiffe wieder in die Elbmündung geschickt, um hamburgische Schiffe zu kapern. Zwei weitere Schiffe deckten die Schiffsrouten nach Preußen und zwei weitere brachten die schwedischen Besatzungen von Stralsund nach Schweden zurück. Kurz nach der Einnahme Stralsunds plante der Kurfürst die Einrichtung eines Marinekollegiums, dessen Sitz in Berlin sein sollte, um damit seinen maritimen Absichten eine feste administrative Stütze zu geben 1469 . Dieses Marinekollegium sollte sowohl der Förderung der Seefahrt und des Seehandels dienen wie auch der Koordination des Aufbaus einer brandenburgpreußischen Kriegsmarine. Die Mitglieder sollten sich aus der Kaufmannschaft der Handels- und Seestädte rekrutieren. Die Instruktion für bereits für das in Kolberg eingerichtete Seegericht sollte auch für das Marinekollegium maßgebend sein, bzw. dieses in dem Kollegium aufgehen. Die Präsidentschaft bot der Kurfürst seinem Ratspräsidenten Otto von Schwerin an, wobei er auf die Beispiele von Axel Oxenstierna in Schweden und Colbert in Frankreich verwies. Direktor des 1464

UA XVIII, S. 36-41: Der Kurfürst an den Oberpräsidenten und die Geheimen Räte zu Cölln an der Spree, im Feldlager von Stettin den 17./27. Dezember 1677. 1465 Schück II, S. 71-73 Nr. 37. 1466 Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 14f. 1467 GStA Rep. 65 Nr. 20, Blatt 16-17. 1468 TE XI, S. 1160, Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 31ff, Francke, Otto: Die kriegerischen Ereignisse in und um Stralsund im Jahr 1678, Stettin 1875, S. 14ff. 1469 Schück I, S. 104, Steltzer: Häfen, S. 49, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 15. Dort ist von der Errichtung eines allgemeinen Handelsrats zu Stettin die Rede.

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Kollegiums sollte Benjamin Raule werden1470. Schwerin antwortete auf diesen Vorschlag, dass der Kurfürst sich dann einen unsterblichem Ruhm sichern würde, wenn er unter den derzeit gegebenen Umständen vor allem das Wohl seiner Untertanen im Auge behalten würde. Dies könne seiner Meinung nach zwar durchaus durch die Verbesserung des Handels erreicht werden, der Zeitpunkt dafür wäre durch den immer noch andauernden Krieg sehr ungünstig. Aber es wäre klug, sich beizeiten darüber Gedanken zu machen1471. Die angebotene Präsidentschaft lehnte Schwerin mit Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter und seine mangelnden Kenntnisse der Materie ab. Dazu teilte er dem Kurfürsten mit, dass seine Berater, die Kammersekretäre Stephani und Esich, darauf hingewiesen hätten, dass zuerst der Binnenhandel und die Manufakturen gefördert werden müssten, da sie überall im Lande am Boden liegen würden. Da die Einrichtung und Erhaltung eines derartigen Projekts nicht nur einen erheblichen finanziellen Einsatz erfordere, sondern auch sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken würde, hätten sie erhebliche Bedenken, dass es unter den gegebenen Umständen überhaupt machbar wäre. Der Kurfürst hatte inzwischen, da er nun mit Dänemark alleine gegen Frankreich und Schweden im Krieg stand, einen Vorschlag von Raule wieder aufgegriffen. Dieser hatte ihm im Dezember 1678 seine gesamte Flotte zum Kauf angeboten, da er mittlerweile die Ansicht vertrat, dass der Kurfürst in Zukunft permanent Schiffe für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke benötigen würde1472. Raule hatte auch gar keine andere Wahl, als seine Schiffe dem Kurfürsten zu verkaufen, da er sich deren Unterhalt mittlerweile finanziell nicht mehr leisten konnte. Anfang Januar 1679 unterzeichnete er zusammen mit Raule einen Vertrag, worin Raule sich verpflichtete, dem Kurfürsten acht Kriegsschiffe und 400 Mann Besatzung für sechs Jahre zur Verfügung zu stellen, welche teilweise in Stralsund und Kolberg stationiert werden sollten1473. Die Mannschaften, die in vier bis fünf Kompanien aufgeteilt wurden, sollten aus dem Kriegsetat mit 4.480 Reichstalern pro Monat finanziert werden. Die Ernennung der Offiziere blieb Raule vorbehalten. Des weiteren wurde er mit seinem Schiffskriegsrat zur Justiz über die Mannschaften nach dem damals gebräuchlichen Seerecht ermächtigt. Davon ausgenommen waren Kapital- und Hauptdelikte, bei welchen die Bestätigung des Urteils durch den Kurfürsten abzuwarten war. Falls die Schiffe, für deren Musterung ein kurfürstlicher Kommissar zuständig war, ohne Order im Hafen liegen würden, sollte Raule 1.000 Reichstaler pro Monat erhalten. Falls die Schiffe aber ganz oder teilweise in kurfürstlichem Auftrag unterwegs wären, sollte Raule eine erhöhte Vergütung erhalten. Die Seegefahr lag bei Raule, alle anderen Risiken eines eventuellen Verlusts lagen beim Kurfürsten. 1470

Schück II, S. 83f Nr. 41. Schück II, S. 85f Nr. 42a. 1472 Schück II, S. 78-82 Nr. 40. 1473 GStA Rep. 65 Nr. 24, Blatt 8-14; Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 15. Dies bedeutete die Abkehr von den kurzfristigen Mietzeiten von wenigen Monaten für die Schiffe. 1471

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Darüber hinaus waren alle aufgebrachten Prisen Eigentum des Kurfürsten. Die gemieteten Schiffe wurden im Jahr 1679 gleich mehrfach verwendet. Ein Teil versuchte, die Seeverbindung zwischen Schweden und Livland zu stören, wo bereits ein schwedisches Heer dabei war, gegen Preußen Front zu machen. Der andere Teil kreuzte in der Nordsee, um französische Schiffe zu kapern. Dem Kurfürsten fiel es jedoch sichtlich schwer, die gemietete Flotte zu unterhalten. Dies ist daraus ersichtlich, dass er jede aufgebrachte Prise dazu verwenden musste, um die Matrosen bezahlen zu können. Raule musste mehrfach in Vorkasse gehen, und teilweise dazu persönlichen Besitz einsetzen 1474 . Eine letzte Mission der brandenburgischen Flotte vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags von St. Germain 1475 bestand in der Rückführung der restlichen schwedischen Soldaten, die sich noch auf preußischem oder pommernschen Territorium befanden. Während der Friedensverhandlungen mit Frankreich bot der Kurfürst Ludwig XIV. Kleve und Wesel im Tausch gegen Pommern an, jedoch ohne Erfolg. Friedrich Wilhelm musste bereits zum dritten mal auf Pommern verzichten, lediglich eine geringe Grenzberichtigung an der Oder wurde erreicht.

6.2. Brandenburgischer Kaperkrieg in Friedenszeiten 1679-1681

Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte während des vier Jahre andauernden Krieges versucht, die Schweden endgültig zu vertreiben und seine Ansprüche auf Pommern durchzusetzen. Aber auch das genügte nicht, denn Ludwig XIV. gedachte keineswegs, seinen schwedischen Verbündeten auf Gedeih und Verderb an den Kurfürsten auszuliefern. Frankreich ging gestärkt aus den Kriegen mit den Niederlanden hervor und bestand darauf, dass alle vom Kurfürsten eroberten Gebiete in Pommern wieder an Schweden zurückgegeben werden mussten. Unterstützung erhielt er von Kaiser Leopold aus Wien, dem ein starkes Schweden ebenfalls wesentlich lieber war als ein starkes Kurbrandenburg1476. Friedrich Wilhelm schäumte vor Wut und fühlte sich einmal mehr ungerecht behandelt, musste aber am Ende seine Handlungsunfähigkeit eingestehen. Immerhin verpflichtete sich Frankreich, dem Kurfürsten binnen zwei Jahren 300.000 Reichstaler in Vierteljahresraten zu zahlen, um ihn für die Kriegskosten zu entschädigen. Friedrich Wilhelm musste seine Truppen aus Pommern abziehen und durfte nur kleine Besatzungen in den Festungen von Stralsund und Stettin unterhalten. Da der Friedensvertrag nicht explizit auf die kurfürstliche Flotte einging, dachte Friedrich Wilhelm auch nicht daran, sie wieder abzuschaffen, wie er das bereits 1660 hätte tun sollen. Ersichtlich ist dies an dem sechsjährigen Mietvertrag über acht Schiffe und 400 Matrosen und Offizieren, den er mit Raule noch vor den Friedensverhandlungen abgeschlossen hatte. Dieser

1474

Schück I, S. 106f. Mörner: Staatsverträge, S. 408-412 Nr. 237. 1476 Clark: Preußen, S. 75. 1475

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Vertrag erlebte noch mehrere Modifizierungen, bis sich der Kurfürst schließlich am 1. Oktober 1684 entschloss, von Raule insgesamt neun Schiffe für insgesamt 109.340 Reichstaler zu kaufen. Die Bezahlung sollte in mehreren Raten erfolgen 1477 . Damit konnten die Überseehandelspläne des Kurfürsten endlich Gestalt annehmen, an denen er seit seinem Regierungsantritt festhielt. Neben den kurfürstlichen Schiffen unterhielt Raule noch eine Anzahl von Schiffen auf eigene Kosten, mit denen er sein Handelstätigkeiten wieder aufnahm. Auf diese Weise fuhren zeitweise bis zu 30 Schiffe unter der kurbrandenburgischen Flagge, die zunächst einen roten Adler auf weißem Feld zeigte und 1701 gegen die königlich preußische Flagge, die einen schwarzen Adler auf weißem Feld zeigte, getauscht wurde1478. Die kurbrandenburgische Marine kam auch in den folgenden Jahren zu militärischen Einsätzen. Der Kampf gegen Schweden in der Ostsee hatte dem Kurfürsten allerdings gezeigt, dass er den bereits etablierten europäischen Seemächten in der offenen Seeschlacht nichts entgegenzusetzen hatte. Sein kleines Geschwader konnte aber durchaus Erfolge verbuchen, wenn es darum ging, dem Gegner durch Kapern einzelner Schiffe Schaden zuzufügen. Diese Erfahrung beabsichtigte der Kurfürst zu nutzen, indem er versuchte, durch Kaperung von Schiffen seinen Forderungen an andere Staaten Nachdruck zu verleihen. Das erste Unternehmen dieser Art unternahm der Kurfürst noch vor Abschluss des Friedensvertrags von St. Germain. Kaiser Leopold hatte dem Kurfürsten während des Krieges Subsidiengelder auf die Reichsstadt Hamburg anweisen lassen, die vom Hamburger Senat jedoch nicht gezahlt wurden. Friedrich Wilhelm beauftragte deshalb im März 1679 Claas van Beveren, mit sieben Schiffen, von denen Raule vier auf eigene Kosten stellte, Jagd auf hamburgische Schiff zu machen. Van Beveren erbeutete in der Nordsee und im englischen Kanal erfolgreich mehrere Schiffe, obwohl diese durch das Hamburger Konvoischiff Leopoldus Primus geschützt wurden.1479 Raule machte sogar den Vorschlag, gezielt Jagd auf die Hamburger Konvoischiffe zu machen 1480. Dies führte in Hamburg umgehend dazu, dass die Versicherungsprämien von 3,5 Prozent auf über 25 Prozent stiegen, was dem Hamburger Handel erheblich schadete1481. Als die Hamburger merkten, welchen Schaden der Kurfürst ihnen zuzuführen fähig war, waren sie bereit, zu verhandeln. Bei der Beilegung dieses Konflikts auch der französische Druck auf Brandenburg, das nach dem ihm aufgezwungenen Frieden ein Bündnis mit dem bisherigen übermächtigen Gegner abzuschließen

1477

Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 39, Schück I, S. 126, Schück II, S. 246-249, Nr. 96, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 55. Über den Kaufpreis existieren unterschiedliche Angaben. Bei Pierson, William: Der Große Kurfürst, Berlin 1873, werden 200.000 Reichstaler genannt und der Kauf der Flotte in das Jahr 1686 gelegt, bei Stenzel II, S. 462, beträgt der Kaufpreis sogar 1 Mio. Reichstaler. 1478 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 58f und S. 86, Voigt, Christoph: Von der Flagge Kurbrandenburgs, in: Marine-Rundschau 38 Nr. 8, Berlin 1933, S. 366-370. 1479 Baasch, Ernst: Hamburgs Convoyschiffahrt und Convoywesen, Hamburg 1896, S. 23 und S. 404. 1480 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 32. 1481 Hünemörder, Friedrich: Deutsche Marine- und Kolonialgeschichte im Rahmen einer Geschichte der Seefahrt und des Seekrieges. In Tabellenform kurz zusammengestellt, Kiel 1903, S. 100; Schück I, S. 107.

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suchte, eine große Rolle. Die Vermittlung zwischen Berlin und Hamburg übernahm der französische Gesandte am kurfürstlichen Hof, Rébenac. Am Ende zahlte die Stadt 125.000 Reichstaler an den Kurfürsten, die erbeuteten Schiffe wurden an ihre Besitzer zurückgegeben 1482. Das Kaperunternehmen gegen Hamburg hatte gezeigt, dass der Kurfürst nicht nur willens, sondern inzwischen auch fähig war, seinen Forderungen mit den Mitteln und Methoden durchzusetzen, derer sich auch die anderen europäischen Mächte bedienten. Ein größeres Unternehmen, welches bei allen anderen europäischen Mächten großes Aufsehen erregte, war die Exekution gegen Spanien, welches dem Kurfürsten nach Ende des Krieges Subsidiengelder in Höhe von 1,8 Mio. Reichstaler schuldete. Auch die Niederlande schuldeten dem Kurfürsten Gelder in Höhe von 82.000 Reichstalern, welche sie nicht bezahlen wollten 1483 . Zeeland bot anstelle der Barzahlung von 54.000 Reichstalern dem Kurfürsten Obligationen in Höhe von 20.000 Reichstalern, welche jedoch nicht zum Nennwert realisiert werden konnten1484. Spanien verweigerte gegen Ende des Krieges sogar die Zahlungen. Bereits 1677 hatte Raule dem Kurfürsten vorgeschlagen, durch Kaperung von Schiffen die ausstehenden Gelder einzutreiben 1485 . Zu dieser Zeit hatte Friedrich Wilhelm noch Bedenken, gegen seine Verbündeten vorzugehen. Jetzt hielt er jedoch die Zeit für reif, diesen Plan zu verwirklichen. Dazu wurden zuerst umfangreiche Vorbereitungen auf diplomatischer Ebene getroffen, indem der Kurfürst freie Einfahrt in den Häfen des Vatikans erbat1486. Dem Papst gegenüber begründete er sein Ersuchen mit der Absicht, Jagd auf nordafrikanische Piraten zu machen und so die christliche Seefahrt zu beschützen. Dieser Bitte kam der Papst nach und wies zugleich auch die Fürsten von Florenz und Malta an, ebenfalls den Schiffen des Kurfürsten freie Einfahrt in ihren Häfen zu gewähren. Friedrich Wilhelm forderte auch den König von Dänemark auf, sich an dieser Strafexpedition zu beteiligen, da dieser ebenfalls Ansprüche in Höhe von 3 Mio. Reichstalern an den spanischen Hof hatte, oder zumindest Schutz in den dänischen Häfen und freie Passage durch den Sund zu gewähren. Christian V. gewährte zwar die Bitte um die Passage und das Anlaufen seiner Häfen durch die kurfürstlichen Schiffe, eine direkte Beteiligung lehnte er jedoch ab, da er der Meinung war, für ein derartiges Unternehmen nicht angemessen gerüstet zu sein 1487 . 1482

UA XVIII, S. 698f: Der Kurfürst an Meinders, Potsdam den 6./16. Mai1679, S. 705-709: Der Kurfürst an Meinders, Potsdam den 3./13. Juni 1679, S. 711: Der Kurfürst an Meinders, Potsdam den 14./24. Juni 1679, S. 712 -714: Meinders an den Kurfürsten, Paris den 18./28. Juni 1679, S. 719-721: Der Kurfürst an Meinders, Potsdam den 4./14. Juli 1679. UA XX, S. 386: Mémoire donné par M. Meinders, Paris den 9. September 1679, S. 388: Mémoire donné par M. Meinders, Paris den 19. September 1679, S. 388f: Memorial betr. Die Forderung des Kurfürsten an Hamburg, den 2. Oktober 1679. Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 12, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 13 und S. 16, Philippson III, S. 258 und S. 266, Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 32. 1483 UA III, S. 555-557: Instruktion für den Gesandten Amerongen an den Kurfürsten von Brandenburg, Den Haag den 21. Oktober 1679. 1484 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 14. 1485 Schück I, S. 98, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 12. 1486 Borcke: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 13f, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 19, Schück I, S. 136. 1487 UA XIX, S. 558f: Der Kurfürst an v. Brandt, Cölln an der Spree den 31. Juli/10. August 1680 und S. 559f: v. Brandt an den Kurfürsten, Kopenhagen den 10./20. August 1680.

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Zuvor hatte der Kurfürst Raule beauftragt, in Kleve die für die auszusendenden Schiffe Mannschaften zu werben. Raule hatte dem Kurfürsten vorgeschlagen, zunächst Jagd auf spanische Westindienfahrer zu machen, die nicht in einem Flottenverband fuhren, oder in der Straße von Gibraltar spanische Schiffe anzugreifen, welche den Hafen von Cadiz anliefen. Dies hätte den Vorteil gehabt, dass man zugleich auch türkische Schiffe, welche die Straße von Gibraltar zu passieren beabsichtigten, hätte kapern können. Als dritte Alternative schlug er vor, Schiffe zu kapern, welche von Ostende nach London fuhren. Da eine Operation nach und in der Karibik mindestens acht Monate dauern würde, sollten die Schiffe auch auf den Inseln selbst Raubzüge durchführen, vor allem gegen die niederländischen Besitzungen. Letzteres schlug Raule dem Kurfürsten aus einem persönlichen Groll heraus vor, da er kurz zuvor seinen Bruder Jakob unter großen finanziellen Opfern aus der Schuldhaft gelöst hatte. Friedrich Wilhelm entschied sich darauf zuerst für die Entsendung der Schiffe in den Ärmelkanal und in die Straße von Gibraltar, um dort spanische Schiffe zu kapern, da er sich von einem Kaperunternehmen in europäischen Gewässern eher Erfolg versprach. In einer Instruktion vom 23. August 1680 wurde das Unternehmen dann detailliert geplant und vorbereitet1488. Demnach sollte die Flotte zuerst vor der Küste von Ostende dem nach Cadiz laufenden spanischen Schiffskonvoi auflauern. Sollte der Konvoi verpasst werden, sollten die Schiffe dann nach Cadiz segeln, um dem Konvoi dort abzufangen. Erst wenn auch das erfolglos wäre, sollte die Flotte nach Westindien segeln, um dort die spanische Silberflotte anzugreifen oder andere spanische Schiffe zu kapern. Auch Frankreich sollte in den Plan mit einbezogen werden. Spanheim, der sich seit Anfang 1680 als kurfürstlicher Gesandter in Paris aufhielt, wurde entsprechend instruiert, um sich im Rahmen seiner Aufgaben auch „um das Wohlwollen des Königs für die kolonialen Pläne des Kurfürsten“ zu bemühen1489. Friedrich Wilhelm wies Spanheim an, dem König das bevorstehend Unternehme anzuzeigen und ihn um Unterstützung zu bitten1490. Dem französischen Außenminister Croissy kam die Angelegenheit jedoch etwas delikat vor, deshalb gab er vor, dieses Thema während einer Audienz beim König vergessen zu haben. Spanheim ließ jedoch nicht locker und versorgte Croissy mit weiteren Informationen. Danach wollte der Kurfürst eine Flotte von sechs Kriegsschiffen und einem Brander eine Zeit lang vor den spanischen und flandrischen Küsten kreuzen lassen um die nicht bezahlten Subsidien durch Kaperung einzutreiben. Da es durchaus denkbar war, dass die brandenburgischen Schiffe wegen Unwetter, aus Sicherheitsgründen oder zur Ergänzung von Vorräten genötigt wären, einen französischen Hafen anzulaufen möge der König

1488

Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 15ff, Schück II, S. 97f Nr. 48. Mieck: David und Goliath, S. 41. 1490 UA XIX, S. 390: Der Kurfürst an Spanheim, Cöln den 25. Mai 1680. 1489

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dies gestatten 1491 . In einem ergänzenden Schreiben bat der Kurfürst außerdem, die im Atlantik kreuzenden

französischen

Kriegsschiffe

anzuweisen,

den

brandenburgischen

Schiffen

entsprechende Unterstützung zu gewähren. Da die Kaperflotte, wenn sie in europäischen Gewässern keine spanischen erbeuten könnte, nach Westindien segeln und dort ihr Glück versuchen solle, trug er schließlich den Wunsch vor, der König möge auch seinen dortigen Gouverneuren befehlen, den Schiffen des Kurfürsten in ihren Häfen Zuflucht zu gewähren1492. Tatsächlich ging Ludwig XIV. schrittweise auf diese Wünsche ein. Am 20. August schrieb er an Rébenac, er könne dem Kurfürsten seines Wohlwollens versichern 1493 . Kurz darauf berichtete Spanheim dem Kurfürsten, dass der König die erbetenen Befehle an die Kapitäne seiner Schiffe hat erteilen lassen und dass für seine europäischen Häfen ähnliche Orders folgen würden 1494. Für die französischen Häfen in Übersee erwies sich die Situation jedoch als etwas komplizierter. Bereits Anfang September hatte Croissy Spanheim mitgeteilt, dass der Sachverhalt in den Kolonien anders läge, da dort jeder auf seinen eigene Vorteil bedacht sei. Dort würde jeder nur für sich handeln und keinem anderen den Zutritt zu seinen Häfen gestatten, auch nicht solchen, mit denen man in Europa in enger Freundschaft stünde. Es wäre sonst zu befürchten, dass durch diesen Präzedenzfall auch andere um entsprechende Vergünstigungen suchen würden1495. Ungeachtet dieser grundsätzlichen Bedenken kam Ludwig XIV. dem Kurfürsten entgegen, indem er den Gouverneur der französisch-westindischen Inseln, den Grafen Blénac, anwies, den brandenburgischen Schiffen, falls sie durch einen Sturm gezwungen wären, eine Hafen auf den Antillen anzulaufen, Schutz zu gewähren und ihnen bei Bedarf Proviant zu verkaufen. Sie dürften allerdings weder Handel treiben noch fremde Waren auf die Insel bringen1496. Am 14. August lief die kleine Flotte, bestehend aus sechs Fregatten Friedrich Wilhelm, Kurprinz, Dorothea, Roter Löwe, Fuchs, und Berlin sowie dem Brander Salamander von Pillau in Richtung Cadiz in See. Den Oberbefehl über die Flotte hatte wieder der niederländische Kapitän Claas van Beveren. An Bord der Schiffe befanden sich insgesamt 165 Kanonen und 700 Mann Besatzung und Soldaten der kurfürstlichen Regimenter „Kurprinz“, „Barfuß“ und „Dönhoff“1497. Die Salamander lief jedoch vor Danzig auf Grund, wobei sie schwer beschädigt wurde und wieder nach Pillau zurückkehren musste. Die anderen Schiffe fuhren weiter nach Helsingör, wo sie großes Aufsehen erregten. Der schwedische König Karl XI. sah bereits das Dominium Maris Baltici durch die Anwesenheit der sechs brandenburgischen Fregatten gefährdet, jedoch versicherte ihm der 1491

UA XIX, S. 393: Der Kurfürst an Spanheim, Potsdam den 23. Juli 1680. UA XIX, S. 393f, Anm. 4. 1493 UA XX, S. 474: Ludwig XIV an Rébenac, den 20. August 1680. 1494 UA XIX, S. 395: Spanheim an den Kurfürsten, Paris den 3./13. September 1680. 1495 UA XIX, S. 394: Spanheim an den Kurfürsten, Paris den 27. August/6. September 1680. 1496 Boissonade: Relationes Economiques, S. 456. 1497 Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 33, Großer Generalstab, S. 5. 1492

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dänische Großkanzler, dass die brandenburgische Flotte keine Gefahr darstellen würde. Er fügte hinzu, dass man es auch in Dänemark nicht gerne sehen würde, wenn der Kurfürst mit dem Bau größerer Kriegsschiffe beginnen würde1498. Darauf teilte Friedrich Wilhelm dem dänischen König mit, dass er keineswegs den Unterhalt einer großen Kriegsflotte beabsichtigte und dass seine Schiffe stets zu Diensten des Königs stehen würden. Mit diesem Versprechen gab sich der dänische König zufrieden1499. Kurz nachdem die kurfürstliche Flotte den Ärmelkanal erreicht hatte, gelang es van Beveren am 18. September 1680, auf der Reede vor Ostende nach einem kurzen, aber überraschenden Enterkampf das spanische Schiff Carolus Secundus aufzubringen. Geladen hatte es wertvolle Brabanter Spitzen und Leinentücher im Wert von 100.000 Reichstaler. Van Beveren begleitete, obwohl er damit gegen seinen ausdrücklichen Befehl verstieß, bei der Flotte zu bleiben, die soeben aufgebrachte Prise selbst nach Pillau in Begleitung seiner stärksten Fregatten, der Friedrich Wilhelm und der Dorothea, wo er am 18. Oktober eintraf1500. Das Kommando über die restlichen vier Fregatten übernahm nun der Kommandant der Kurprinz, Cornelius Reers. Jedoch erreichte ihn die kurfürstliche Order, welche ihm befahl, vor Cadiz zu kreuzen, nicht mehr rechtzeitig, so dass er, nachdem er vergeblich dem neuen Gouverneur der Spanischen Niederlande, dem Herzog von Parma, aufgelauert hatte, Richtung Westindien segelte. Im November hatte der Kurfürst noch ein zweites Unternehmen gegen Spanien geplant. Demnach sollte der brandenburgische Schiffsführer Johann Lacher mit den drei Fregatten Prinzessin Marie, Wasserhund und Eichhorn spanische Schiffe vor Ostende kapern, danach durch den Ärmelkanal bis Madeira fahren, und falls er dabei nicht genügend Beute machen sollte, ebenfalls nach Westindien segeln1501. Inzwischen hatte das Erscheinen der brandenburgischen Schiffe in der Nordsee und auf dem Atlantik besonders bei den Niederländern und Engländern für entsprechendes Aufsehen gesorgt, so dass der Kurfürst von der Aussendung weiterer Schiffe vorerst wieder Abstand nahm. Dies ließ bei Raule die Befürchtung aufkommen, dass der Kurfürst die Marine abzuschaffen gedenke1502. Mittlerweile hatten England und die Niederlande angeboten, in dem Streit zu vermitteln, sogar Kaiser Leopold bestand nun auf eine baldige Beilegung1503. Die diplomatischen Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Spanien war auch weiterhin weder willens noch fähig, dem Kurfürsten eine ausreichende Befriedigung seiner Ansprüche zuzusichern. Deshalb wurden die Rüstungen zur See wieder aufgenommen, indem der Kurfürst am 1. Dezember mit Raule den Kontrakt über die in Westindien befindlichen Schiffen 1498

GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 194-195. GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 196-197. 1500 GStA Rep. 65 Nr. 27, Blatt 201-203. 1501 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 19ff, Schück I, S. 114, Herquet, C.:Zur Geschichte der brandenburgischen Kriegsmarine, in: Altpreußische Monatsschrift 15, Königsberg 1878, S. 622-624, UA XIV, S. 997f: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 2. Mai 1681. 1502 Schück I, S. 117 ,Schück II, S. 103ff Nr. 53. 1503 Pufendorf: Friderici Wilhelmi, S. 1124. 1499

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erneuerte und den Bau von drei weiteren Schiffen in Auftrag gab. Cornelius Reers hatte am 20. Dezember mit seinen vier Schiffen den Hafen von Port Royal auf Jamaika angelaufen und bat den Gouverneur Sir Henry Morgan, zwei spanische Prisen welche spanischen Wein, Salz und Brandy geladen hatten, verkaufen zu dürfen 1504 . Der Gouverneur gewährte Reers den Verkauf der Schiffe samt Ladung, wobei ein Erlös von 800 Pfund erzielt wurde, welcher zur Aufstockung der Vorräte verwendet wurde. Reers klärte den Gouverneur über seine Mission auf, wobei er vorgab, dass der Kurfürst von Brandenburg ein Verbündeter Englands sei und fügte hinzu, dass bald auch dänische Schiffe aus dem gleichen Grund in westindischen Gewässern auftauchen würden. Henry Morgan bat deshalb in England um Bestätigung dieses Konflikts, bevor er den brandenburgischen Schiffen weitere Befugnisse erlauben wollte. Reers verließ Jamaika wenige Tage später und kreuzte noch vier Monate in westindischen Gewässern, aber es fiel ihm lediglich ein spanisches Schiff in die Hände, das Wein geladen hatte. Im Mai 1681 kehrte er mit seinen Schiffen wieder nach Pillau zurück, das zuletzt aufgebrachte Schiff musste aufgrund einer Havarie zuerst den Hafen von Boston anlaufen, um dort repariert zu werden, so dass es erst im Oktober in Pillau eintraf1505. Seiner Rückkehr waren Gerüchte von reicher Beute vorausgegangen, welche sich allerdings nicht bewahrheiteten1506. Finanziell gelohnt hatte sich das Unternehmen für den Kurfürsten nicht. Die Expedition nach Westindien hatte insgesamt 110.000 Reichstaler gekostet, der Erlös aus dem Verkauf der Ladung der „Carolus Secundus“ betrug immerhin 100.000 Reichstaler, während der Wert des Schiffes selbst auf 15.000 Reichstaler geschätzt wurde 1507 . Friedrich Wilhelm entschloss sich deshalb bis auf weiteres, keine weiteren Schiffe mehr in die Karibik zu schicken. Am 20. April lief ein zweites Geschwader von drei Fregatten unter dem Kommando von Johann Lacher von Pillau aus, um in der Nordsee vor der flämischen Küste Jagd auf spanische Schiffe zu machen. Daraus ergaben sich bald erhebliche Probleme mit den Niederlanden, da Lacher vor der Scheldemündung und Ostende sämtliche Schiffe anhielt und inspizierte, denen er habhaft werden konnte. Dies hatte zur Folge, dass sich bald kein Schiffsführer mehr traute, einen flämischen Hafen anzulaufen oder zu verlassen1508. Die Niederländer sahen dadurch ihren Handel bedroht, was sie dazu veranlassten, beim Kurfürsten zu intervenieren. Friedrich Wilhelm versprach darauf, keine weiteren niederländischen Schiffe mehr anhalten zu lassen 1509 . Ende Juni lief ein weiterer Verband von drei Schiffen von Pillau in Richtung Schelde aus, der aus den Fregatten Fuchs 1504

Cal.-Col. XI, 1681-1685, S. 5f, Westergaard: Danish West Indies, S. 73. Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 35. 1506 GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 113-114; UA XX, S. 547f: Rébenac an Ludwig XIV, Berlin den 12. April 1681, S. 549f: Rébenac an Ludwig XIV, Berlin den 26.April 1681, UA XXI, S. 36f: Protokoll einer mit Amerongen abgehalte nen Konferenz am 10. März 1681, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 23f, Schück I, S. 116. 1507 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 24. 1508 Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 27. 1509 UA III, S. 604: Resolution der Generalstaaten, den 31. Mai 1681. 1505

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und Roter Löwe sowie aus der mittlerweile in Markgraf von Brandenburg umbenannten Carolus Secundus bestand. Die Markgraf von Brandenburg war zugleich auch das erste Schiff, das dem Kurfürsten selbst gehörte und nicht Bestandteil von Raules Mietflotte war. Befehligt wurde der Verband von dem aus Vlissingen stammenden niederländischen Kapitän Thomas Alders. Die Roter Löwe wurde von Raules Bruder Jakob befehligt. Nach der von Raule entworfenen Instruktion1510 sollte Alders die Flotte von Lacher ablösen, von diesem die Matrosen und Soldaten übernehmen und dann dem Ostender Konvoi auflauern. Danach sollte er in den Gewässern vor Cadiz Jagd auf spanische Schiffe machen, welche die Routen zwischen Spanien und Westindien befuhren und dabei ein besonderes Augenmerk auf die spanische Silberflotte legen. In Dänemark wurde wieder um die Erlaubnis zur Passage des Sunds ersucht, diesmal verlangte man am dänische Hof jedoch Aufklärung über die Absichten des Kurfürsten, denn Christian V. wurde langsam misstrauisch. Der Kurfürst ließ ihn wissen, dass er keinerlei feindliche Absichten gegen Dänemark hegte, worauf man am dänischen Hof die Bedenken aufgab1511. Alders traf sich wie geplant mit Lacher auf der Höhe von Calais und segelten anschließend in den Atlantik, um bei Kap St. Vincent die spanische Silberflotte abzufangen. Spanien war inzwischen gewarnt und hatte entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen. Am 10. Oktober sichtete Alders einige Schiffe und gab den Angriffsbefehl in der Annahme, die erwartete Silberflotte gestellt zu haben. In Wahrheit handelte es sich aber um zwölf spanische Kriegsfregatten und zwei Brander, die Spanien bereits im September ausgesandt hatte, um den brandenburgischen Kaperungen Einhalt zu gebieten. Nach einem zweistündigen Gefecht, bei dem auf den brandenburgischen Schiffen 10 Tote und über 30 Verletzte zu beklagen waren, zog Alders sich in den Hafen von Lagos zurück. Dies war das erste größere Seegefecht, in welches brandenburgische Schiff verwickelt waren. Als er wenige Tage später erneut auf die Suche nach der Silberflotte ging, hatte diese ihren Bestimmungsort bereits erreicht 1512 . Damit war das Kaperunternehmen beendet, nicht aber die diplomatischen Verwicklungen, die sich daraus ergaben. Auch finanziell hatte sich das Unternehmen kaum gelohnt, der Erlös aus dem Verkauf der Prisen deckte gerade die Kosten. Darauf wurden Raule und seine Matrosen beschuldigt, sich unberechtigt an der Ladung vergriffen zu haben, weshalb er den Kurfürsten um eine offizielle Untersuchung bat, die jedoch nichts ergab1513. Spanien war nicht der einzige säumige Zahler, auch die Niederlande hatten die vereinbarten Subsidien in den letzten Kriegsjahren nicht mehr rechtzeitig und vollständig entrichtet. Davon war 1510

Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 25ff. GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 216-219. 1512 Borcke: Brandenburg-Preußische Marine, S. 18, Kania, Hans: Der Große Kurfürst, Leipzig 1930 S. 214, Kirchhoff, Hermann: Seemacht in der Ostsee. Ihre Einwirkung auf die Geschichte der Ostseeländer im 17. und 18. Jahrhundert, Kiel 1907, S. 155f, Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 27, Phillipson III, S. 225, Schück I, S. 120, Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See, S. 37. Die Schilderung des Gefechts ist in der Literatur mit teilweise heldenhaften Attributen dargestellt. 1513 Buch II, S. 196, S. 245, Jordan: Brandenburgisch-Preußische Marine, S. 42. 1511

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besonders Benjamin Raule betroffen, da sich der Kurfürst zur Regel gemacht hatte, Raule bzw. die von ihm gemieteten Schiffe mit Assignationen auf eben diese Gelder zu bezahlen, was de facto bedeutete, dass Raule kein Geld aus der kurfürstlichen Schatulle bekam 1514. Aus diesem Grund hatte Raule bereits 1678 gefordert, seine Ansprüche gegenüber dem Kurfürsten durch Kaperung von niederländischen Schiffen geltend machen zu dürfen 1515 . Besonders die Haltung der Provinz Zeeland empfand der Kurfürst als äußerst anmaßend1516. Zeeland bot dem Kurfürsten anstelle der ihm zustehenden 54.000 Reichstaler nur Obligationen in Höhe von 20.000 Reichstalern und hatte Raule sogar gedroht, dass er im Falle der Nichtannahme dieses Angebots völlig leer ausgehen würde. Deshalb sollten die gegen Spanien ausgerüsteten Schiffe auch Schiffe aus der Provinz Zeeland aufbringen. Als sich aber die Verantwortlichen angesichts der drohenden Gefahr doch dazu entschlossen, zumindest die Hälfte der ausstehenden Gelder zu bezahlen, wurde das Unternehmen damit hinfällig1517. Damit war der Ärger des Kurfürsten mit den Niederlanden jedoch keineswegs beendet. Im Januar 1681 kaperte ein Schiff der WIC vor der Küste von Guinea ein unter brandenburgischer Flagge segelndes Schiff mit der Begründung, der Kapitän hätte das dortige Handelsmonopol der WIC verletzt1518. Der Kurfürst forderte darauf Satisfaktion von der WIC. Aus dieser Geschichte entwickelte sich ein diplomatischer Konflikt, der sich über mehrere Jahre hinzog und dessen Verlauf der Kurfürst mehrmals erwog, sich an Schiffen der WIC schadlos zu halten. Im Januar 1682 stellte Friedrich Wilhelm den Niederlanden schließlich ein Ultimatum und drohte mit entsprechenden Repressalien1519. Auf diese Drohung des Kurfürsten reagierten die Niederlande mit einer Gegendrohung1520. Am 23. November 1682 wurde die Fregatte Fuchs ausgesandt, um vor der westafrikanischen Küste Jagd auf niederländische Schiffe zu machen. Der Kapitän erlitt jedoch bereits Anfang Dezember in der Ostsee vor der Küste von Anholt Schiffbruch 1521. Im März 1684 nahm der Kurfürst den Plan eines Kaperunternehmens gegen die Niederlande wieder auf, allerdings musste er ihn wegen Geldmangel wieder fallen lassen1522. Anfang 1685 regte Raule an, brandenburgische Schiffe mit französischen Kaperbriefen auszustatten und sie gegen die Stadt Genua einzusetzen, da Frankreich gerade Krieg gegen die Stadt 1514

UA XVIII, S. 228f: Romswinckel an den Kurfürsten, Den Haag den 16./26. November 1678. Schück I, S. 101. 1516 UA III, S. 581: Amerongen an den Ratspensionär, den 16. Juni 1681. 1517 UA XX, S. 462: Rébenac an Ludwig XIV., Potsdam den 3. Juli 1680, S. 470: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 24. Juli 1680; UA XIV, S. 962-966: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 6. Oktober 1680. 1518 UA III, S. 430: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Potsdam den 12. November 1681. 1519 UA III, S. 643f: Amerongen an den Griffier, Berlin den 18. Januar 1682. 1520 UA III, S. 464f: Resolution der Staaten von Holland und Westfriesland, den24. Januar 1682, S. 645: Resolution der Generalstaaten, den 2. Februar 1682. 1521 UA XX, S. 697: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 6. Januar 1683, S. 710-713: Rébenac an Ludwig XIX., Berlin den 17. Februar 1683, Borcke: Brandneburg-Preußische Marine, S. 30; Schück I, S. 155, Szymanski: BrandenburgPreußen zur See, S. 40, Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 30. 1522 UA III, S. 768f: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 18. März 1684; UA XX, S. 858f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 29. Februar 1684, S. 861f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 4. März 1684, S. 873 -875: Rénemac an Ludwig XIV., Berlin den 4. April 1684. 1515

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führte. Dieser Plan wurde mit dem Fall der Stadt jedoch bald darauf ebenfalls hinfällig1523. Dies war nicht der erste Versuch, Brandenburgs Kriegsmarine in französische Dienste zu stellen. Friedrich Wilhelm hatte bereits 1679, unmittelbar nach dem Friedensschluss von St. Germain auf Anraten von Raule Ludwig XIV. angeboten, für Frankreich gegen entsprechende Subsidien Kriegsschiffe in der Ostsee zu stationieren, welche ihm im Fall eines neuen Konflikts mit den Niederlanden als Kaperfahrer zur Verfügung stehen sollten. Ludwig XIV. lehnte das Angebot des Kurfürsten jedoch ab, da er die Unterhaltung von Kriegsschiffen in der Ostsee als nutzlos erachtete. Das Angebot, für den französischen König Kaperschiffe zu stellen, war Teil des Handelsvertrags, den der Kurfürst mit Frankreich abschließen wollte. Schließlich kam es während des Pfälzischen Erbfolgekrieges unter der Regentschaft Friedrichs III. noch einmal zu einem Plan, Schiffe als Kaperfahrer auszurüsten, diesmal gegen Frankreich. Wegen der knappen Geldmittel konnte jedoch nur drei Fregatten ausgerüstet werden, die ab Juli 1689 im Ärmelkanal gegen feindliche und hanseatische Schiffe vorgehen sollten, die Konterbande für Brandenburgs Feinde transportierten. Es befanden sich unter den Prisen auch Schiffe, die unter der Flagge Hamburgs mit dänischen Seepässen fuhren, was zu Komplikationen mit der dänischen Krone führte. Die Dänen reagierten auf die Kaperung dieser Schiffe mit der Wegnahme von Kauffahrern aus Emden. Der Konflikt endete schließlich mit einem Vergleich und der Rückgabe der jeweiligen Beute 1524 . Dies war das letzte mal, dass brandenburgische Schiffe als Kriegs- bzw. Kaperschiffe genutzt wurden, danach war die gesamte Flotte Brandenburg-Preußens ausschließlich als Handelsfahrer auf der Dreiecksroute unterwegs. Bis zum Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges war die Zahl der einsatzfähigen Schiffe und die finanziellen Möglichkeiten in Brandenburg-Preußen derart zurückgegangen, dass die Ausrüstung von neuen Schiffen nahezu unmöglich geworden war.

6.3. Von der gemieteten Flotte zur Brandenburgisch-Preußischen Marine

Nachdem der Sitz der BAC nach Emden verlagert worden war und damit sowohl ein gut gelegener Hafen an der Nordsee sowie eigene Stützpunkte in Westafrika und in der Karibik zur Verfügung standen, war nach Ansicht des Kurfürsten die Zeit reif für eine eigene Flotte. Die gemieteten Schiffe, die Raule gehörten, waren ihm nun zu kostspielig geworden, außerdem waren sie dadurch weitgehend seiner Kontrolle entzogen. Das einzige Schiff, das tatsächlich dem Kurfürsten gehörte, war die Markgraf von Brandenburg. Friedrich Wilhelm hatte bereits während des SchwedischPolnischen Krieges in Betracht gezogen, die von Raule gemieteten Schiffe zu kaufen. Raule unterbreitete dem Kurfürsten ein entsprechendes Angebot, welches jedoch nicht zur Ausführung 1523 1524

UA XX, S. 990: Ludwig XIV. an Rébenac, Paris den 22. Februar 1685. Schück I, S. 229.

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kam1525. Da aber der noch in den Kinderschuhen steckende brandenburgische Seehandel wirksam geschützt werden musste, war nun eine gewisse Anzahl an Kriegsschiffen notwendig geworden. Als Raule sich im September 1681 in Berlin aufhielt, beauftragte der Kurfürst die Geheimen Räte Grumbkow und Meinders, zusammen mit Raule entsprechende Vorbereitungen für die Einrichtung der benötigten Flotte zu treffen. Die beiden hatten jedoch Bedenken wegen der Finanzierung der Flotte, denn bisher war zumeist Raule für die Kosten des Unterhalts der Schiffe in Vorkasse getreten. Die im Februar 1681 aufgestellte Generalabrechnung, welche dem Kurfürsten von Raule vorgelegt wurde, wies ein Saldo 41.103 Reichstalern zu Raules Gunsten aus, das der Kurfürst auch anerkannte. Die Hälfte sollte aus den Verkaufserlösen der Waren der Carolus Secundus, der Rest aus anderen Mitteln beschafft werden1526. Weil das Geld bis Ende September noch nicht an Raule gezahlt wurde, ordnete der Kurfürst an, dass Grumbkow und Meinders in ihrem Namen 25.000 Reichstaler aufnehmen und an Raule zahlen sollten. Inzwischen war Raules Forderung auf 48.516 Reichstaler angewachsen, wovon er vom Kurfürsten tatsächlich 45.000 Reichstaler zugesprochen bekam1527. Grumbkow und Meinders widersetzten sich der Anordnung des Kurfürsten, Friedrich Wilhelm blieb jedoch unnachgiebig, so dass sich die beiden schließlich doch fügen mussten. Während der folgenden Verhandlungen mit den Geheimen Räten schlug Raule vor, acht Kriegsschiffe und zwei Brander mit zusammen 206 Kanonen für 100.000 Gulden anzukaufen. Der Unterhalt der Schiffe wurde auf 2.581 Reichstaler in Friedenszeiten und in Kriegszeiten auf 9.360 Reichstaler veranschlagt. Hinzu kamen noch 500 Reichstaler pro Monat an Personalkosten für Zimmerleute und Werftarbeiter, die zusätzlich zwei Galioten anfertigen sollten, um sie als Kurierschiffe zwischen Pillau und Königsberg und zur Entlastung der größeren Schiffe einsetzen zu können. Für Vorräte wurden 20.500 Reichstaler veranschlagt. Zur Finanzierung sollten die Erlöse aus kurfürstlichen Lizenzen und Stromschifffahrtszöllen herangezogen werden 1528 . Der Kurfürst ging nur so weit auf die Vorschläge ein, dass er neun Schiffe wieder nur mietete anstatt sie zu kaufen. Er bewilligte jedoch die Einrichtung einer Admiralität in Pillau. Der Mietpreis sollte 800 Reichstaler pro Monat betragen, falls die Schiffe nicht benötigt und nur im Hafen liegen würden. Raule veranschlagte die Gesamtkosten auf 3.800 Reichstaler pro Monat, was der Kurfürst akzeptierte. Grumbkow und Meinders befanden in ihrem Gutachten, dass höchstens 3.000 Reichstaler für den Unterhalt zur Verfügung stehen würden und dass die Anzahl der Schiffe zu groß sei. Sie wollten auch die Personaldecke der Flotte erheblich reduzieren. Der Kurfürst entgegnete darauf, dass die Flotte alleine schon wegen des begonnene Überseehandels benötigt würde, stimmte ihnen jedoch in dem Punkt zu, dass die Kosten möglichst niedrig gehalten werden sollten. 1525

Schück II, S. 78-82 Nr. 40. GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 25-29; GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 30-33. 1527 GStA Rep. 65 Nr. 32, Blatt 142-144; Schück I, S. 121 Anm. 131. 1528 Schück II, S. 107-111, Nr. 54. 1526

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Außerdem würde es nach Ansicht des Kurfürsten keinen Sinn machen, eine Admiralität zu unterhalten, wenn man keine Schiffe besaß. Der monatliche Etat für die Schiffe wurde schließlich auf 3.203 Reichstaler festgelegt. Dies war der letzte Mietvertrag, den Friedrich Wilhelm mit Raule geschlossen hatte1529. Zwei Jahre lang beließ es Friedrich Wilhelm bei der gemieteten Flotte, bis er sich im Juli 1684 entschloss, sie abzuschaffen und mit einer eigenen Marine den Überseehandel zu schützen1530. Er kaufte zu dem ihm bereits gehörenden Schiff am 1. Oktober 1684 von Raule neun weitere Schiffe mit zusammen 176 Kanonen, der Kaufpreis betrug 109.340 Reichstaler1531. Davon entfielen 16.500 Reichstaler auf verschiedene, von Raule nachzuliefernde Ausrüstungsgegenstände, welche bei Lieferung Zug um Zug bezahlt werden sollten. Von den verbleibenden 92.840 Reichstalern sollten 12.000 Reichstaler sofort zur Hälfte, die andere Hälfte nach spätestens sechs Monaten bar bezahlt werden, während der Rest in monatlichen Raten von 1.500 Reichstalern getilgt werden sollte, was etwa viereinhalb Jahre dauerte. Die Übergabe der Schiffe sollte unverzüglich an ihren jeweiligen Liegeplätzen erfolgen. Dieser Kaufvertrag gilt gemeinhin als Geburtsstunde der ersten Brandenburg-Preußischen bzw. Deutschen Marine und löste die bis dahin geltenden losen Mietverhältnisse ab, welche dem Kurfürsten bisher lediglich das Recht gewährten, im Bedarfsfalle vertragsgemäß auf sie zurückgreifen zu dürfen. Der Kurfürst hatte nun eine eigene Flotte zur Verfügung, deren Schiffe und Inventar er nach Belieben einsetzen konnte. Durch die Übernahme der Flotte entstand auch die Notwendigkeit, eine eine entsprechende Organisationsstruktur zu etablieren. Die Marinekollegien, die noch zu Zeiten der Mietflotte eingerichtet wurden, standen mit der Marine nur in einem losen Zusammenhang. So war das im Sommer 1676 in Kolberg eingerichtete Seegericht lediglich für die Jurisdiktion der erbeuteten Prisen zuständig. Das im April 1681 eingerichtete Admiralitätskollegium wies bereits Grundzüge einer Marineverwaltungsbehörde auf. Raule hatte Anfang April 1681 beim Kurfürsten auf dessen Einrichtung gedrängt, um besser in juristischen Fragen betreffend die Seefahrt entscheiden zu können 1532. Dieses Kollegium existierte in Personalunion mit dem im Dezember 1681 eingerichteten Kommerzienkollegium, welches aus Rechtsgelehrten und erfahrenen Kaufleuten zusammengesetzt und dazu bestimmt war, in sämtlichen Schifffahrts- und Handelsangelegenheiten zu entscheiden. Das Reglement, welches für die Admiralität in Pillau erlassen wurde, stammt aus dem Jahr 1685. Darin wurde die Zusammensetzung des Kollegiums, die Jurisdiktion und das dabei zu beachtende Verfahren, die Pflichten der ihr unterstellten Beamten, Etatfragen sowie die Befugnis, Seepässe auszustellen

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Schück I, S. 123. Schück II, S. 238-245 Nr. 92. 1531 Schück II, S. 246ff Nr. 96. 1532 GStA Rep. 65 Nr. 28, Blatt 45-50. 1530

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geregelt 1533 . Als der Sitz der BAC 1683 nach Emden verlegt wurde, sollte dies auch mit dem Marinekollegium geschehen1534. Über die Marinekollegien und ihre Arbeit ist jedoch, zumindest zu Lebzeiten Friedrich Wilhelms, wenig bekannt, da er in nahezu allen Fragen, die das Marinewesen betraf, selbst entschied. Ein größerer Verwaltungsapparat entstand erst unter seinen Nachfolgern. Die Grundlage für die Marineverwaltung bildeten die für den Präsidenten Johann von Danckelmann und den Marineräten Grinsven und Kussler am 8./18. Oktober erteilte Instruktion1535, welche hauptsächlich durch das Marinereglement vom 13. Juni 16891536, dessen Novelle vom 27. August 1690 1537 und die Admiralitäts-Ordnung vom vom 24. September 1692 ihren weiteren Ausbau erfahren hat1538. Diesen Dokumenten zufolge war die höchste Instanz die Oberadmiralität in Berlin. Sie wurde geleitet von Raule und den Geheimen Räten Freiherrn von Knyphausen und Eberhard von Danckelmann, der für den Fall seiner Abwesenheit oder sonstigen Verhinderungen durch dessen Bruder, den General-Kriegskommissar Daniel Ludolf von Danckelmann vertreten wurde1539. Sie führten die Aufsicht über das Admiralitätskollegium, welches in wichtigen Fällen der vorgesetzten Behörde Bericht zu erstatten hatte. Ihr wurde einmal im Jahr Rechenschaft über die Verwaltung abgelegt und die abgeschlossenen Bücher zugestellt. Sie hatte darüber zu bestimmen, was nach Emden und, solange die Admiralität in Pillau bestand, nach Königsberg remittiert werden sollte, damit die dortigen Kollegien die See-Equipagen besorgen konnten. Des weiteren hatte sie etwaige Verbesserungsvorschläge nach vorheriger Anhörung der unteren Behörden dem Kurfürsten zu melden. Ihre Verfügungen waren nur verbindlich, wenn sie von mindestens zwei Mitgliedern unterzeichnet waren. Ein reguläres Gehalt erhielten die Mitglieder zunächst nicht, eine Order vom 7. Juli 1689 sprach ihnen jedoch eine Prisenbeteiligung von fünf Prozent zu1540. Sinn und Zweck der nach dem Tod Friedrich Wilhelms erlassenen Verordnungen war, die einer Alleinherrschaft Raules über Marine und Handelskompanie gleichkommenden Ausübungsgewalt unter Kontrolle zu bringen. Raules Stellung blieb auch unter der Herrschaft Friedrichs III. gefestigt, weshalb man ihm weiterhin freie Hand ließ. Nach der o. e. Novelle sollte die Oberadmiralität nur noch in besonders wichtigen Fällen zusammentreten, um zu verhindern, dass die Geheimen Räte sich in unnötiger Kleinarbeit ergehen und somit ihren Entscheidungsspielraum einengen würden. Die Admiralität in Emden bestand nach der Auflösung der Admiralität in Pillau aus einem Präsidenten und zwei Räten, die später auf vier Räte aufgestockt wurde. Sie war zuständig für die Ausrüstung und den Unterhalt der Schiffe, außerdem musste sie Instruktionen für die Beamten 1533

Schück I, S. 128. Schück II, S. 232-236 Nr. 93, hier: S. 235. 1535 Schück II, S. 315-323 Nr. 122. 1536 Schück II, S.341-349 Nr. 126. 1537 Schück II, S. 368-373 Nr. 131. 1538 Schück II, S. 429-432 Nr. 140. 1539 Schück I, S. 129. 1540 GStARep. 65 Nr. 46, Blatt 131-132. 1534

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erlassen, die sie, Schiffsführer und Gouverneure für die Handelsstützpunkte ausgenommen, selbst bestimmen durfte. Es war ihr erlaubt, unter Hinzuziehung des Kriegskommissars Kaperbriefe an die Schiffsführer auszustellen und war mit der Jurisdiktion ausgestattet, wie es auch in den anderen europäischen Nationen, vor allem in den Niederlanden, gebräuchlich war. Bei der Verhandlung von Zivil- und Kriminalangelegenheiten entschied das Kollegium in einer Besetzung

von fünf

Mitgliedern. Bei ersterem war ein summarisches Verfahren vorgeschrieben, wobei die Richter gehalten waren, nach dem kaiserlichen gemeinen Völkerrecht zu entscheiden hatten. Im Falle der Revision sollte den Richtern der ersten Instanz noch vier weitere Personen zugeordnet werden, von denen mindestens zwei Rechtsgelehrte sein mussten. Ein Beispiel für diese Verfahrensweise ist die Verhandlungssache des französischen Schiffers Wolfgang Heißler, dessen Schiff durch die BAC konfisziert wurde und der bei der Emdener Admiralität auf Herausgabe seines Schiffes Klage einreichte, die jedoch unter der Begründung abgewiesen wurde, Heißler hätte einen gefälschten dänische Seepass mit sich geführt und Konterbande transportiert 1541 . Bei der Verhandlung von Strafsachen gab es keine zweite Instanz. Die Anklage erhob ein Admiralitäts-Fiskal. Das Urteil durfte jedoch nur nach einem Geständnis des Angeklagten oder durch einen vollständig geführten Indizienbeweis geführt werden. Die Marine selbst unterlag dem bereits im Jahr 1682 von Friedrich Wilhelm erlassenen Seekriegsrecht 1542. Dessen strenge Bestimmungen wurden in der Praxis jedoch nicht immer befolgt. So wurde der brandenburgische Kapitän Heinrich Brand angeklagt, weil er auf der Rückreise von St. Thomas fremde Häfen angelaufen und dort unerlaubt Handel getrieben hatte, was ihm gemäß seiner Instruktion unter Androhung der Todesstrafe verboten war. Er wurde jedoch nicht, wie vom brandenburgischen Seekriegsrecht vorgesehen, zum Tode verurteilt, sondern stattdessen zu einer lebenslangen Dienstzeit in der BAC ohne Bezahlung verurteilt. Darüber hinaus sollte er der BAC den entstandenen Schaden in voller Höhe ersetzen 1543. Der enge Zusammenhang zwischen der Marine und der BAC erzeugte ein derart verwaltungstechnisches Durcheinander, dass eine Trennung ihrer Verwaltung zwar immer wieder versucht wurde, dies aber in den Anfängen stecken blieb. Bereits das Reglement von 1689 sah vor, die Etats von Marine und BAC zu trennen. Für die Vergangenheit sollten sie noch als Einheit betrachtet werden, da sich die Verantwortlichen offenbar nicht anders zu helfen wussten 1544 . Ein Transportkontrakt vom 27. Februar 1692 legt jedoch offen, dass eine Trennung nicht geschehen ist1545. Eine Aufrechnung der Mittel, die der Staat für den Unterhalt der Marine aufgewendet hat, ist deshalb nicht möglich. Nach dem Marine-Etat vom 1. Oktober 1684 waren für den Unterhalt der Schiffe 4.768 Reichstaler pro Monat veranschlagt, 1541

Schück II, S. 373f Nr. 132. Schück II, S. 142-155 Nr. 68. 1543 Schück II, S. 459f Nr. 148. 1544 Schück I, S. 131 und Schück II, S. 343f, Art. 3 und Art. 9. 1545 Schück II, S. 385-393 Nr. 135a. 1542

336

davon gingen allerdings 1.500 Reichstaler an Raule zur Bezahlung der von ihm angekauften Schiffe. Diese Gelder stammten ursprünglich aus den preußischen Zöllen, den ostfriesischen Beiträgen, der Verpachtung des Münzrechts und anderen Einkünften. Später wurde der Unterhalt der Marine primär aus der eigens dafür am 1. Januar 1686 gegründeten Marinekasse finanziert, deren Einnahmen aus den Gebühren bestand, welche fortan bei der Verleihung von nahezu allen Ämtern, Bedienungen und Chargen von den damit bedachten Personen fällig waren1546.

6.4. Die Bedeutung der Marine Brandenburg-Preußens in Europa

Die brandenburg-preußische Marine hatte im Vergleich zu den maritimen Streitkräften und Handelsflotten der anderen europäischen Staaten eine sehr untergeordnete Bedeutung. Die maritimen Interessen Brandenburg-Preußens, sofern sie überhaupt vorhanden waren, wurden im wesentlichen stellvertretend durch die Flotten von Bündnispartnern wahrgenommen. So bekämpfte im Nordischen Krieg nach dem Kriegseintritt Preußens Dänemark mit seiner Flotte die schwedische Flotte in der Ostsee und stellte 1715 bei der gemeinsamen dänisch-preußischen Landeoperation auf Rügen die Mehrzahl der benötigten Transportboote. Erst während des Siebenjährigen Krieges gab es wieder eine preußische Flotte von insgesamt dreizehn kleineren Schiffen, die allesamt im September 1759 von der überlegenen schwedischen Flotte vernichtet wurden 1547 . Sowohl die zahlenmäßigen Verhältnisse als auch die Zeit, in der die Marine Brandenburg-Preußens aktiv war, begrenzten ihre Möglichkeiten, dauerhafte Einflüsse zu hinterlassen. Im April 1675 besaß England insgesamt 92 Kriegsschiffe, Frankreich 96 und die Niederlande 136 Kriegsschiffe 1548 . In den 1680´er Jahren besaß Brandenburg-Preußen ca. 30 Kriegs- und bewaffnete Handelsschiffe, während allein die Niederlande etwa 10.000 derartiger Schiffseinheiten besaßen und 168.000 Seeleute unter ihrer Flagge fuhren1549. Diese hoffnungslos unterdimensionierte Flotte war so nicht in der Lage, dauerhafte wirtschaftliche Strukturen zu prägen, die einen ständigen Auf- und Ausbau der Flotte sowie Reparaturen vorhandener Schiffe stützen sollten. Des weiteren bildete sich kein maritimes Personalwesen heraus und infolge kaum vorhandener Gefechts- und Kriegserfahrung konnte sich keine maritime Tradition herausbilden. Obwohl das Bewusstsein über den Wert einer gut ausgebauten Flotte in Brandenburg-Preußen vorhanden war, wurde der Besitz einer eigenen Flotte von den meisten preußischen Herrschern trotzdem für überflüssig erachtet da man der Auffassung war, jederzeit auf die maritimen Kräfte der Bündnispartner zurückgreifen zu können. So ging 1546

Schück II, S. 268-272 Nr. 104. Wollschläger, Thomas: Die Military Revolution und der deutsche Territorialstaat. Determinanten der Staatskonsolidierung im europäischen Kontext 1670-1740, Norderstedt 2004, S. 32. 1548 Davies, J. D.: Pepys´s Navy. Ships, Men and Warfare 1649-1689, Barnsley 2008, S. 49. 1549 Mahan, Alfred Thayer: The Influence of Seapower upon History, London 1889, S. 96. 1547

337

bereits Friedrich I. während des Spanischen Erbfolgekrieges davon aus, dass er jederzeit über englische oder niederländische Kriegsschiffe verfügen konnte, falls Schweden in Preußen einfallen würde. Die Einschätzung, England bzw. die Niederlande, also die beiden zu dieser Zeit bedeutendsten europäischen Seemächte als Bündnispartner zu gewinnen und im Gegenzug dafür auf dem Kontinent militärische Operationen bzw. Sicherungsaufgaben zu übernehmen, sollte sich als Erfolgsmodell für Preußen erweisen. Selbst die Bündnispolitik Bismarcks war von der Idee der Nicht-Herausforderung Großbritanniens zur See und in den Kolonien geprägt. Diese Bündnispolitik, insbesondere mit England, hielt Preußen während des Siebenjährigen Krieges zur See den Rücken frei und bildete auch die Grundlage dafür, dass Preußen unter Friedrich II., abgesehen von der o. e. Flotte von 1759, keine eigene Kriegsflotte aufbauen musste aber trotzdem bis 1786 immerhin über 1.500 Handelsschiffe unter preußischer Flagge die Weltmeere befuhren1550. Während des gesamten 17. Jahrhunderts wurde der Ostseeraum im wesentlichen von der schwedischen Flotte beherrscht. Schwedens größter Hauptkonkurrent sowohl um die Handelswege als auch um die Transportrouten für den Einsatz und die Versorgung der schwedischen Truppen in der Ostsee war Dänemark, das, wie bereits gezeigt, lange Zeit um die Vorherrschaft im Ostseeraum stritt. Das am besten dokumentierte Beispiel für den Kriegsschiffbau des 17. Jahrhunderts ist die schwedische Wasa von 1628, ein zur damaligen Zeit großes Linienschiff und mit 1.200 Tonnen Wasserverdrängung zugleich das größte Schiff innerhalb der schwedischen Flotte. Für ihren Bau wurden 2.000-3.000 Eichenstämme benötigt und war mit über 25.000 Ausrüstungsgegenständen aller Art bestückt1551. Die wichtigsten davon waren 64 Kanonen, für deren Guss jeweils ca. 1,5 t Bronze benötigt wurden. Schiffe dieser Größenordnung zählten im 17. und 18. Jahrhundert zu den großen Linienschiffen, die sich für die Schlachtformation eigneten 1552. Während des Nordischen Krieges von 1674-1679 standen sich in der Ostsee mehrmals über 20 solcher Linienschiffe auf jeder Seite gegenüber. Obwohl die skandinavischen Schiffe insgesamt kleiner waren, als vergleichbare niederländische und englische Schiffe, waren für den Bau und Unterhalt enorme wirtschaftliche Ressourcen nötig. Für Schweden mit seinem unerschöpflichen Holzreichtum war dies kein Problem, auch weil es von direkten Kriegseinwirkungen weitgehend verschont blieb. Zudem wurde die Produktion von gusseisernen Kanonen unter Gustav II. Adolf, die wiederum vom schwedischen Erzreichtum abhing, stark ausgebaut. Diese Nutzung der eigenen Ressourcen konnte die maritime Entwicklung Schwedens entscheidend fördern, zumindest solange die Flottenführung im Interesse der Landkriegführung im östlichen und südöstlichen Ostseeraum stand. Als jedoch im Verlauf des Nordischen Krieges 1700-1721 durch mehrere militärische Niederlagen Schwedens der

1550

Wollschläger: Die Military Revolution, S. 33. Wollschläger: Die Miltary Revolution, S. 34. 1552 Howard, Frank: Segel-Kriegsschiffe 1400-1860, Augsburg 1996, S. 98ff, S. 105ff, S. 122, S. 143. 1551

338

gesamtwirtschaftliche Spagat für das erschöpfte Land zu groß wurde, stagnierte auch die Flottenentwicklung. Zudem erwuchs Schweden zu dieser Zeit mit dem Bau der russischen Flotte unter Zar Peter I. eine neue Bedrohung, gegen die es sich nur mit einer Ausbeutung seiner auswärtigen Ressourcen hätte behaupten können. Da dies nicht der Fall war, fiel die schwedische Flotte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hinter die russische zurück. Fortan war Russland der Hauptkonkurrent Schwedens in der Ostsee, so dass die schwedische Marine außerhalb dieses Bedrohungsfeldes faktisch keine Rolle mehr spielte1553. Eine wesentlich größere Bedeutung hatten die Entwicklungen des Marine- und Seekriegswesen für die Staaten des westeuropäischen bzw. atlantischen Raumes. Ein Vergleich der Flottenbestände zwischen der Mitte des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts belegt einen enormen Anstieg der Flottengröße wie im Fall Englands. Dort stieg die Zahl von weniger als 100 Kampfschiffen im Jahr 1651 auf etwa 240 im Jahr 1757. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auch bewaffnete Handelsschiffe dazugerechnet wurden, was auch eine Erklärung dafür ist, dass bereits 1588 den 102 Schiffen der spanischen Armada 193 englische Schiffe, davon 180 mit einer Größe von unter 500 t, gegenüberstanden1554. Insgesamt nahm die absolute Zahl der Schiffe an den beteiligten Seegefechten während des 18. Jahrhunderts und später ab. Dies lag daran, dass die Anzahl von gleichzeitig aktuellen Kriegsschauplätzen deutlich zunahm. Während sich die Seegefechte des 17. Jahrhunderts zumeist auf die Gewässer um den Englischen Kanal konzentrierten, lagen sie im 18. Jahrhundert oft gleichzeitig in westeuropäischen Gewässern, dem Mittelmeer, mittelamerikanischen, indischen und asiatischen Gewässern, was die Stärke der einzelnen dort operierenden Flotten erheblich reduzierte. Zudem gab es neben einer überschaubaren Zahl größerer Seeschlachten eine Unzahl kleinerer Seeschlachten, in denen sich nur wenige Schiffe gegenüberstanden. Dies geschah vor allem während des Spanischen Erbfolgekrieges 1701-1714, des Nordischen Krieges 1700-1721 und des Österreichischen Erbfolgekrieges 1740-17481555. Außerdem verschwanden im letzten Quartal des 17. Jahrhunderts nahezu alle bewaffneten Handelsschiffe aus den Kriegsflotten. Anstatt eine Flotte aus allem, was Kanonen tragen konnte, zusammenzustellen, ging man nun dazu über, geschlossene Geschwader aus Linienschiffen einzusetzen. Kleinere Einheiten wie Fregatten wurden nur in geringer Anzahl für Späh- und Geleitaufgaben eingesetzt. Auch die Größe der Kriegsschiffe nahm immer weiter zu. Zweidecker wie die schwedische Wasa oder die brandenburgische Friedrich III., die zu ihrer Zeit noch zu den größten Schiffseinheiten zählten, waren im 18. Jahrhundert nur noch Schiffe 3. oder 4. Ranges1556. Dies hatte zur Folge, dass trotz abnehmender Anzahl der Schiffe die Anzahl der Tonnage deutlich zunahm. Für den Bau der Schiffe war ein erheblicher Produktions- und Beschaffungsaufwand erforderlich, wobei auffällig wird, dass die größten Flotten ausgerechnet von den Ländern mit den 1553

Wollschläger: Die Military Revolution, S. 34. Wollschläger: Die Military Revolution, S. 39. 1555 Wollschläger: Die Military Revolution, S. 40. 1556 Davies: Pepys´s Navy, S. 49. 1554

339

niedrigsten Holzbeständen unterhalten wurden, nämlich von England und den Niederlanden. Dort führte vor allem der Materialbedarf der Flotten zu einem enormen Anstieg des Handels. Das betraf sowohl den Handel mit anderen Ländern als auch den Handel mit den eigenen Kolonien 1557. Dies bezog sich vor allem auf den Effekt, dass die einmal aufgestellten Kriegsflotten durch ihren Eigenbedarf an Ressourcen selbst das Seehandelsvolumen und den Wert der Kolonien stark erweiterten. Deshalb kann auch der binnenwirtschaftliche Aspekt kaum überschätzt werden. Allein die großen Werften der Seemächte gehörten zu den größten beständigen Arbeitgebern und diese wiederum waren auf entsprechende Zulieferer angewiesen1558. Nicht nur die Schiffe, sondern auch die Bereitstellung ihrer Artillerie gehörte zu den großen Herausforderungen der Seemächte. Schließlich entschied letztlich die Kampfkraft der Schiffe über den Status als See- und Großmacht. Dies wird am Beispiel Spaniens deutlich. Bereits zum Zeitpunkt der Armada-Schlacht war Spanien nicht in der Lage, seinen Bedarf an Schiffsgeschützen aus eigener Kraft zu decken, so dass es seine Geschütze überall dort einkaufen musste, wo sie angeboten wurden und damit der englischen Schiffsartillerie hoffnungslos unterlegen war

1559

. Auch während des 17.

Jahrhunderts versäumte Spanien den Aufbau einer effektiveren Geschützproduktion. Zwischen 1650 und 1700 besaß Spanien nicht einmal eigene Pulvermühlen und produzierte zu dieser Zeit ganze 36 eigene Geschütze, während England und Schweden mindestens je 200 eigene Geschütze herstellten1560. Dies hatte zur Folge, dass Spanien spätestens nach der schweren Niederlage im Seekrieg gegen Holland 1639 seine Verluste nicht mehr ausgleichen konnte und zunächst hinter England und Holland, später auch hinter Frankreich zurückfiel. Der Niedergang Spaniens ermöglichte dann auch den Aufstieg Englands. In der elisabethanischen Ära entwickelten englische Gießereien ein zum bisherigen Bronzegeschütz konkurrenzfähiges Eisengeschütz, womit die Massenproduktion für die königliche Flotte vereinfacht wurde1561. Die Ausweitung der Geschützproduktion wiederum führte zu temporären Engpässen bei der Produktion von Holzkohle, weshalb um 1650 Schweden eine Zeit lang der größte Geschützproduzent war und erhebliche Mengen an Geschützen in die Niederlande, dem Hauptgegner Englands zur See, exportierte1562. Die Engpässe in der Versorgung mit Holzkohle belebten einerseits den Handel mit dieser Ware und förderte andererseits auch den Heimischen Steinkohlenbergbau. Und dieser wiederum bildete eine ganz erhebliche Triebfeder der Entwicklung der Dampfmaschine ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert, womit die Geschütz- und sonstige Produktion für den Flottenbedarf zu den Grundlagen der industriellen Revolution in England gehörte1563. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts änderten sich auch die Anforderungen an die 1557

Mahan: Influence of Seapower, S. 26f. Potter, Elmar B./Nimitz, Chester W.: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 1974, S. 30ff; Howard: Segel-Kriegsschiffe, S. 177. 1559 Padfield, Peter: Waffen auf See, Bielefeld 1973, S. 48. 1560 Padfield: Waffen auf See, S. 96. 1561 Howard: Segel-Kriegsschiffe, S. 73ff; Padfield, Waffen auf See, S. 5f. 1562 Padfield: Waffen auf See, S. 53. 1563 Wollschläger: Die Military Revolution, S. 42. 1558

340

Besatzungen, insbesondere an die Offiziere. Bedienung, Führung und Instandhaltung des Schiffes bedingten immer mehr Fachkräfte und -kenntnisse. Ab 1650 bildete sich in den Flotten ein stehendes Seeoffizierskorps heraus1564. Für die Bedienung der immer anspruchsvoller werdenden Schiffe bildeten sich Chargen zur Leitung des Dienstes in allen Bereichen und wurden zu festen Einrichtungen. Der Dienst sowohl in der Mannschaft als auch im Offizierskorps wurde fortan zum Lebenslauf. Mit der Ausbildung von Offizierskorps (Kapitän, Leutnants) und Deckoffizierskops (Steuermann, Bootsmann, Zimmermann etc.) begann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Ausformung des stehenden Marineoffizierskorps deutlich früher als bei den meisten stehenden Landheeren Europas. Ebenfalls im 17. Jahrhundert wurden weitreichende Auswirkungen der wachsenden stehenden Flotten auf die Bevölkerung und das Lebens- und Sozialsystem der Seemächte spürbar, die sich vor allem durch die Rekrutierung der Mannschaften ergaben. Die Anwerbung von genügend Personal für den Flottendienst bereitete oft erhebliche Schwierigkeiten. Verursacht wurden diese Probleme einerseits durch die Unpopularität des Dienstes und andererseits infolge des ohnehin schon oft durch Kriegsverluste und Krankheiten herrschenden Mangel an wehrfähigen Männern. Die Mannschaften wurden i. a. angeworben. In den Niederlanden geschah dies durchweg, in England griff man bei Mangel zum Mittel der gewaltsamen Rekrutierung, dem Pressen von Seeleuten1565. In Frankreich wurde das Pressen von Seeleuten bis zur Zeit Colberts angewandt. Colbert führte zusätzlich zur Anwerbung noch eine Art gesetzlicher Dienstpflicht der seemännischen Bevölkerung ein. Als jedoch nach Colberts Tod auch die damit festgelegten Vorteile wegfielen, griff man auch in Frankreich wieder zur Methode des Pressens. Die immer komplexer und personalintensiver werdende Schiffsführung führte auch dazu, dass die bisherige Zweiteilung zwischen Seeleuten und Seesoldaten abgeschafft wurde. Während auf englischen Schiffen stets eine Kompanie Landsoldaten eingeschifft war, geschah dies auf niederländischen Kriegsschiffen nur im Bedarfsfall. Diese Landsoldaten wurden nur von Unteroffizieren geführt und bewährten sich in den Niederlanden nicht, da sie erst unmittelbar vor dem Auslaufen an Bord geschickt wurden und so in völlig ungewohnten Verhältnissen leben und arbeiten mussten. Deshalb verschwanden die Seesoldaten in der Regel ganz von den Schiffen, ihre Kampfaufgaben wurden fortan auch von den Seeleuten wahrgenommen. Lediglich in England bildeten sich ab 1664 mehrere Seesoldaten-Regimenter mit eigenen Offizieren, die als Kern der Entermannschaften und Landungskorps an Bord der Schiffe kommandiert wurden und nur bei Bedarf auch seemännische Aufgaben übernahmen1566. Auf diese Weise konnten sich in den Seemächten, die zugleich auch Landstreitkräfte aufbauten, jeweils zwei Offizierskorps mit zwei unterschiedlichen Militärkarrieren und entsprechend starken Konsequenzen für die Rekrutierung der Mannschaften herausbilden. In kriegswissenschaftlicher Hinsicht ermöglichten einerseits Verbesserungen der Segeltechnik 1564

Davies: Pepys´s Navy, S. 88ff. Davies: Pepys´s Navy, S. 112f. 1566 Rittmeyer, Rudolf: Seekriege und Seekriegswesen in ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung, 2 Bände, Berlin 1907, hier: Band 1, S. 182f. 1565

341

und konstruktive Innovationen neue Kampftaktiken, andererseits forderten die sich verändernden Formen der Seegefechte und strategische Überlegungen Änderungen bzw. Verbesserungen im Schiffbau und in der Schiffsführung 1567 . Das beste Beispiel für die Entwicklung der Marinewissenschaft ist Frankreich. Dort arbeiteten Wissenschaftler und Werften besonders gründlich an der Konstruktion der Schiffe, der Verbindung von Konstruktion von taktisch-strategischen Überlegungen und der Erstellung von Ausbildungsvorlagen für Offiziersanwärter. Hier diente die wissenschaftliche Entwicklung vor allem dazu, durch die Bereitstellung besserer Schiffe geostrategische und kriegsökonomische Nachteile, vor allem England gegenüber, auszugleichen. In qualitativer Hinsicht gelang es Frankreich dadurch, die in Schiffbau und Nautik bisher führenden Niederlande zu überrunden und zumindest zeitweise sogar England gegenüber die Führung zu übernehmen, zumindest was den wissenschaftlichen Bereich des Schiffbaus betraf1568. Die Vorbildwirkung der französischen wissenschaftlichen Arbeiten fand demnach auch Eingang in die von französischen Begriffen geprägten internationale Marinesprache. Allerdings reichte der wissenschaftliche Vorsprung Frankreichs nicht aus, den großen Vorsprung Englands in Bezug auf die Gesamtzahl der Kriegsschiffe, die ökonomische Fähigkeit zum Unterhalt der Flotte, dem Neubau und Ersatz von Schiffen, die Materialversorgung und nicht zuletzt der politischen Kontinuität in der Flottenpolitik auszugleichen1569.

1567

Potter/Nimitz: Seemacht, S. 1102Ff; Rittmeyer: Seekriege und Seekriegswesen, S. XVIIIff. Rittmeyer: Seekriege und Seekriegswesen, S. 167. 1569 Wollschläger: Die Military Revolution, S. 43. 1568

342

7. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im Kontext des absolutistischen Mächtesystems in Europa

7.1. Das Problem der Vorherrschaft im Ostseeraum: das Dominium Maris Baltici

Der Begriff des Dominium Maris Baltici war ein politisches Schlagwort im 17. Jahrhundert, das einen labilen Gleichgewichtszustand zwischen den im Ostseeraum konkurrierenden Seemächten definierte. Obwohl dieser Begriff oft diskutiert wurde, ist nicht geklärt, aus welcher Epoche er stammt. Fakt ist, dass Dänemark schon im Mittelalter Zölle im Öresund erhoben hat. Wahrscheinlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelte sich das Dominium Maris Baltici zu einer Frage des Hoheitsrecht über die Ostsee und stellte so eine treibende Kraft in der historischen Entwicklung im Nordosten Europas dar. Älter als der lateinische Begriff, der dem polnischen König Sigismund August zugeschrieben wird, ist der Kampf über die den gesamten Ostseeraum umspannende Herrschaft 1570 . Diesem lag in erster Linie das Streben nach dem Abschöpfen der natürlichen Reichtümer der Anrainerstaaten zugrunde. Das Dominium Maris Baltici definierte jedoch nicht die Herrschaft Dänemarks über die Ostsee oder die Ostseeherrschaft überhaupt. Nach Ausbruch des siebenjährigen Nordischen Krieges, der von 1563 bis 1570 dauerte, verhängte Schweden eine Blockade über die Russen in Narwa. Für den Widerstand gegen Schweden rüstete die Hansestadt Lübeck vier Kriegsschiffe aus, darunter das für die damalige Zeit ungewöhnlich große Kriegsschiff Adler von Lübeck, das mit 68 Kanonen bestückt war1571. In diesem Konflikt ging es erstmals um das Recht, wessen Handelsschiffe die Ostsee befahren durften und um die militärische Nutzung des Meeres. Nach Beendigung des Krieges kam man auf dem Reichstag zu Speyer zu der Überzeugung, dass staatlich organisierte Seestreitkräfte in der Nordsee aufgebaut werden sollten. Im darauf folgenden Jahr ließ Kaiser Maximilian II. die Möglichkeit prüfen, zur Verteidigung der Küsten an Nord- und Ostsee eine Flotte von zwanzig Schiffen aufzubauen. Diesem Vorschlag folgten jedoch keine Taten, aber Dänemark und Schweden waren beide bestrebt, das Aufkommen irgendwelcher anderen staatlich organisierten Seestreitkräfte bereits im Keim zu ersticken, obwohl sich beide gegenseitig misstrauten und regelmäßig bekämpften. Aufgrund des tatsächlich ausbleibenden Interesses andere Mächte, in dieser Frage zu intervenieren, konnten sich Dänemark und Schweden in den Jahren zwischen 1570 und 1640 das Dominium Maris Baltici teilen. Durch dieses Gleichgewicht wurde ein Zustand geschaffen, in dem sich zwei Mächte diese Vorherrschaft teilten und damit andere Seemächte daran hinderten, dieses Gleichgewicht zu stören

1570 1571

Meier, Martin: Vorpommern nördlich der Peene unter unter dänischer Verwaltung, 1715-1721, München 2008, S. 15. Rahn, Werner: Deutsche Marinen im Wandel. Vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument internationaler Sicherheit, München 2005, S. 28f.

343

und gleichzeitig die Ostsee für den friedlichen Handelsverkehr offen zu halten1572. Besonders die Niederländer machten von dieser Möglichkeit für den Ausbau ihres Frachtverkehrs mit den Ostseehäfen Gebrauch1573. In dieser Zeit vollzogen sich in den deutschen Territorien mehrere die Schifffahrt betreffende Entwicklungen. 1601 unternahm man in Preußen den ersten Schritt zum Bau mehrerer Hilfskriegsschiffe, die zur Verteidigung des Pillauer Tiefs im Falle eines schwedischen Angriffs dienen sollten. Lübeck blieb zunächst das führende Seehandelszentrum, obwohl sich der Niedergang der Stadt bereits abzeichnete. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges setzte den Bestrebungen Lübecks, wieder zur alten Größe aufzusteigen, ein endgültiges Ende. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Dominium Maris Baltici zwischen Dänemark und Schweden weiterhin geteilt. Während jedoch der Begriff den Eindruck einer Kontrolle der Küsten verleiht, verhält es sich genau gegenteilig: das Dominium Maris Baltici setzte eine Kontrolle der Küsten voraus, ebenso war militärische Macht vonnöten, um es zu handhaben 1574 . Dieses Hoheitsrecht hatte zur Folge, dass Dänemark Zölle auf alle Schiffe erheben konnte, die den Öresund durchquerten, dass alle Länder außerhalb des Ostseeraums die Erlaubnis beantragen sollten, Kriegsschiffe in die Ostsee zu schicken und dass der König von Dänemark gegen Bezahlung alle kriegswichtigen Güter aus allen den Sund passierenden Schiffen entnehmen konnte. Der dänische König konnte diese Hoheitsrechte entsprechend handhaben, da er sowohl den Öresund als auch die übrigen Zugänge zur Ostsee, den Kleinen und den Großen Belt, kontrollierte. Gleichzeitig besaß Dänemark mit den Gebieten Schonen, Halland und Bleckinge sowie den Ostseeinseln Gotland, Ösel und Bornholm große Küstenabschnitte in der Ostsee. Im Gegensatz zum Kampf um die Vorherrschaft über andere Meere spielten für das Ringen um das Dominium Maris Baltici maritime Kräfte eine eher untergeordnete Rolle. Das bedeutet, dass nur derjenige das Dominium Maris Baltici erringen und kontrollieren konnte, wer über entsprechende Basen verfügte. Obwohl Dänemark und Schweden über starke Seestreitkräfte verfügten, waren beide in erster Linie als Landmächte hervorgetreten. Hier zählte das Prinzip der Gegenküste, was im Prinzip bedeutete, dass demjenigen die See gehörte, der ihre angrenzenden Landflächen zu beherrschen vermochte. Durch die Tatsache, dass die Ostsee ein Mare Clausum, ein kleines geschlossenes Binnenmeer ist, kann die Bedeutung der Küsten nicht hoch genug eingeschätzt werden1575. Im 17. Jahrhundert war Dänemark die führende Macht in Skandinavien und die Schweden fühlten sich von Dänemark umklammert. Während des Dreißigjährigen Krieges kam es zu einer Machtverschiebung zugunsten von Schweden, so dass nun Dänemark von Schweden bedrängt 1572

Rahn: Deutsche Marinen, S. 29. Davies, David William: A primer of Dutch seventeenth Overseas Trade, Den Haag 1961, S. 8ff. 1574 Jespersen, Leon: Dänisch-Schwedische Rivalität und das Scheitern der nordischen Zusammenarbeit, in: Wernicke, Horst/Hacker, Hans-Joachim: Der Westfälische Frieden von 1648. Wende in der Geschichte des Ostseeraums, Hamburg 2001, S. 47-63, hier: S. 49. 1575 Meier: Vorpommern, S. 16. 1573

344

wurde. Nach einer Reihe von Schlachten besiegte die kaiserlichen Streitkräfte unter der Führung von Albrecht von Wallenstein die Protestanten und besetzte im Jahr 1627 das Gebiet nördlich der Elbe einschließlich des größten Teils von Jütland. Zur Belohnung ernannte der Kaiser Wallenstein zum Herzog von Mecklenburg und verlieh ihm zusätzlich den Titel eines „Generals des ozeanischen und baltischen Meeres“ und eines „Generalkapitäns“ der Habsburger Schlachtflotte, die in diesem Raum aufgebaut werden sollte. Auf dem Hansetag, der im darauf folgenden Jahr einberufen worden war, schlug der Abgesandte des Kaiser vor, dass Lübeck einer privilegierten deutsch-spanischen Gesellschaft unter kaiserlichem Schutz beitreten sollte, um sich gemeinsam für die Sicherheit des Seehandels und die Förderung des Handelsverkehrs zwischen den deutschen Städten und und den spanischen Niederlanden und Spanien einzusetzen. Lübeck und elf weitere Hansestädte gingen auf diesen Vorschlag nicht ein, da sie eine Zunahme der kaiserlichen Macht und ein Zusammengehen mit den katholischen Mächten gegen die Protestanten fürchteten 1576 . Trotz des fehlgeschlagenen Plans,

der Hanse maritime Schlüsselrolle in der Habsburger Strategie zur Vernichtung der

Niederlande und anderer Protestanten in Nordeuropa zu übertragen, begann Wallenstein, eine eigene Kriegsflotte aufzubauen. Unter Einsatz der von Polen erworbenen und sechs in Wismar gemieteten Schiffen griff er zunächst Stralsund an und belagerte die Stadt in der Hoffnung, ihren Hafen zu einem festen Marinestützpunkt für die Habsburger machen zu können 1577 . Der schwedische König Gustav II. Adolf hatte, da die Absichten des Kaisers beim von Anfang an Argwohn erregt hatten, sich bereits im Vorfeld heimlich die Erlaubnis des Riksdags ausstellen lassen, jede von ihm als angemessen betrachtete Maßnahme gegen das Vorgehen der Habsburger ergreifen zu dürfen. Nachdem er ein Bündnis mit Dänemark eingegangen war, kamen den Verteidigern von Stralsund vereinte schwedisch-dänische Truppen zu Hilfe. Kurz darauf wurde der schwedische Truppenführer de facto Gouverneur von Stralsund, wodurch Schweden seinen ersten festen Brückenkopf im Reich erhielt. Bevor Gustav II. Adolf im Juli 1630 mit dem gesamten schwedischen Heer auf dem Seeweg in Peenemünde eintraf, hatte er begonnen, klar umrissene Pläne für die Verwirklichung eines schwedischen Dominium Maris Baltici zu schmieden, um die Sicherheit des schwedischen Machtbereichs zu festigen. Während dieser Zeit war die schwedische Marine auf Seeherrschaft und Machtprojektion ausgerichtet. In Ausübung dieser Funktionen behinderte die schwedische Flotte die unter polnischer, russischer und der Habsburger Kontrolle stehenden Häfen in der Ostsee. Deren Schiffe wurden durch Beschuss und amphibische Landeoperationen daran gehindert, ihre Liegeplätze zu verlassen, während die Schweden ungehindert eigene Truppen und Material über die

1576 1577

Rahn: Deutsche Marinen, S. 30f. Meyer, Günther: Die Wallensteinsche Flotte in der Ostsee 1627-1632 (Teil 1), in: Schiff und Zeit 36, Herford 1992, S. 38-45, hier: S. 40.

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Ostsee beförderten. Mit der Landung und Stationierung von schwedischen Truppen in Pommern änderte sich schließlich auch die sicherheitspolitische Lage Dänemarks entscheidend. Drei Jahre vor dem Westfälischen Frieden, beim Frieden von Brömsebro und den Friedensschlüssen von Roskilde und Kopenhagen musste Dänemark große Gebiete an Schweden antreten

1578

. Durch den

Westfälischen Frieden gingen Gebiete in Pommern und Bremen-Verden an Schweden und fixierte auch die veränderten Machtverhältnisse zwischen den beiden nordischen Staaten. In Dänemark herrschte nun die ständige Gefahr, aus Richtung Süden angegriffen zu werden. Diese Gefahr wurde zur Realität, als die Schweden in den 50´er Jahren in Jütland einrückten und über den zugefrorenen Belt marschierten. Dänemark musste darauf die Gebiete Schonen, Halland und Blekinge an Schweden abtreten, was zur Folge hatte, dass Dänemark nicht mehr zu beiden Seiten des Öresunds herrschte. In den zwei darauf folgenden Kriegen gelang es Dänemark nicht, diese Gebiete zurück zu gewinnen. Der Westfälische Frieden ist einer von mehreren Friedensschlüssen, der Dänemarks Macht zugunsten von Schweden reduzierte. Christian IV. starb jedoch im Jahr 1648, ohne den Ausgang der Westfälischen Friedensverhandlungen zu erleben. Sein Sohn Friedrich III. bestieg den Thron und bekam im Jahr 1660 absolute Macht. Nach 1648 begann er, die dänische Südgrenze zu sichern, indem er die Festung Fredericia erbauen ließ und zusätzlich die dänischen Streitkräfte nach schwedischem Vorbild reorganisierte. Diese Maßnahmen, die eigentlich als Abschreckung gegen einen schwedischen Angriff gedacht waren, verfehlten jedoch ihren Zweck, als im August 1658 Karl X. Gustav Dänemark angriff, um es dem schwedischen Reich einzuverleiben. Im Vertrag von Königsberg von 1656 versuchte Karl X. von Anfang an, die Bildung von brandenburgischen Seestreitkräften zu verhindern. Obwohl der Lehnsvertrag über Preußen die Pflicht beinhaltete, vier Kriegsschiffe in der Ostsee zu unterhalten, ließ Karl X. festlegen, dass dies nicht ohne die Zustimmung des schwedischen Königs geschehen durfte und befreite den Kurfürsten ausdrücklich von dieser Pflicht. In der Folgezeit versuchte die brandenburgische Diplomatie mehrfach, diesen Beschluss wieder aufheben zu lasen. Immerhin wurde erreicht, dass dieses Thema in den Verhandlungen von Laibau nicht aufgegriffen wurde. Damit war dem Kurfürsten der Unterhalt von Kriegsschiffen zwar immer noch nicht erlaubt, aber auch nicht ausdrücklich verboten. Der Umschwung kam erst im folgenden Jahr, als Karl X. den Kurfürsten darum bitten musste, einige mit Geschützen bewaffnete Schiffe in Pillau zu stationieren, um diesen wichtigen Hafen vor Übergriffen aus Danzig zu schützen. Nach dem Frieden von Oliva kehrte Schweden zu seiner ursprünglichen Politik zurück und versuchte, den Kurfürsten von der Ostsee fernzuhalten. Karl X. behauptete, dass Polen zu keiner Zeit Anspruch auf das Dominium Maris Baltici gehabt hatte und dass es deshalb dem Kurfürsten folgerichtig auch nicht zustand. Friedrich Wilhelm argumentierte

1578

Jespersen: Dänisch-Schwedische Rivalität, S. 55f.

346

dagegen, indem er darauf hinwies, dass er durch das Lehen über volle Souveränität in Preußen verfügte, verbunden mit dem Recht, dort Truppen zu stationieren, Festungen zu errichten und eben auch Kriegsschiffe zu unterhalten. Wer lange Zeit keinen Krieg geführt hatte, verlor deswegen nicht das Recht, eigene Truppen zu unterhalten. Der brandenburgische Gesandte in Schweden, Graf von Krockow, warf Schweden wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber den maritimen Plänen des Kurfürsten sogar vor, diese als Grund für einen Vertragsbruch zu nutzen. Als er die schwedischen Kommissare mit dem Einwand konfrontierte, dass der Kurfürst sich unter diesen Umständen einen anderen Bündnispartner suchen würde, lenkten diese ein und betrachteten das Thema als erledigt1579. Das Streben des Kurfürsten nach einer eigenen Flotte wurde unübersehbar, als er die im Krieg gegen Schweden 1675-1679 in Dienst gestellten Schiffe nach dem Friedensschluss nicht, wie es die anderen Vertragspartner erwarteten, abdankte, sondern für seine Exekution gegen Spanien einsetzte. Schweden fühlte sich durch die Präsenz der brandenburgischen Flagge in der Ostsee bedroht und suchten deshalb Unterstützung in Dänemark. Karl XI. äußerte gegenüber Christian IV. die Befürchtung, dass durch die brandenburgischen Rüstungen zur See den nordischen Kronen ein praejudicium entstehen könnte. Außer der dänischen und schwedischen Krone hätte bisher niemand sonst das Dominium Maris Baltici innegehabt und deshalb durfte es auch niemand sonst beanspruchen. Die Dänen reagierten mit einer Warnung an den Kurfürsten. Sie waren bereit, die sechs Fregatten, die der Kurfürst bisher durch den Sund geschickt hatte, zu tolerieren, drohten allerdings mit Gegenmaßnahmen, sollte der Kurfürst damit beginnen, Kriegsschiffe von 50 bis 60 Stücken zu bauen. Der brandenburgische Gesandte Friedrich von Brandt, dem diese Warnung für den Kurfürsten überreicht worden war, erinnerte die Dänen daran, dass sie den Kurfürsten während des Krieges wiederholt darum gebeten hatten, zehn bis zwölf Kriegsschiffe in der Ostsee zu halten, damit sie nicht immer bei in den Niederlanden um Assistenz bitten mussten 1580. Friedrich Wilhelm antwortete auf diese Warnung, dass er nicht beabsichtigte, große Kriegsschiffe zu bauen, sondern mit den vorhandenen Schiffen lediglich das zu erreichen versuchte, was ihm rechtmäßig zustand1581. Um weiteres Ungemach und die Gefahr zu vermeiden, dass die brandenburgischen Schiffe von den Schweden abgefangen und gekapert werden konnten, wies Friedrich Wilhelm seinen Gesandten in Kopenhagen an, den König um freie Passage der Schiffe durch den Sund zu bitten. Weil die Spanier inzwischen von den Plänen des Kurfürsten erfahren hatten, stellten sie ihrerseits an den dänischen König die Forderung, die brandenburgischen Schiffe aufzuhalten. Christian IV. empfahl deshalb, dass die Schiffe entweder den Großen Belt passieren oder bei Nacht ohne Aufenthalt durch den Sund fahren sollten. Auf diese Weise konnten die Dänen dann bei den Spaniern behaupten, dass die

1579

UA IX, S. 795f: von Krockow an den Kurfürst, Stockholm den 9. und 25. November 1664. UA XIX, S. 560: von Brandt an den Kurfürst, Kopenhagen den 14./24. September 1680. 1581 UA XIX; S. 560f: Der Kurfürst an von Brandt, Köln den 25. September/5. Oktober 1680. 1580

347

Brandenburger ihnen unbemerkt entkommen waren

1582

. Die Schweden betrachteten das

brandenburgische Unternehmen gegen Spanien weiterhin mit Argwohn und drängten in Kopenhagen weiterhin auf Sanktionen gegen Brandenburg, da sie nicht länger mit ansehen wollten, wie in der Person Friedrich Wilhelms ihnen ein dritter Konkurrent um das Dominium Maris Baltici entstand. In Stockholm hegte man ganz offensichtlich die Befürchtung, dass Brandenburgs Flottenrüstung und das daraus resultierende „tägliche Anwachsen“ der kurfürstlichen Seemacht eine ernsthafte Gefahr für die Vormachtstellung Schwedens im Ostseeraum darstellte

1583

. Sie

bekräftigten noch einmal, dass nur Dänemark und Schweden darauf Anspruch erheben durften1584. In Dänemark stand man den maritimen Plänen Friedrich Wilhelms zu Beginn der 1680´er Jahre noch positiv gegenüber. Dies lag vor allem daran, dass Spanien auch der dänischen Krone Subsidiengelder schuldig geblieben war, weshalb man in Kopenhagen der Seeexekution des Kurfürsten zumindest indirekte Unterstützung zukommen ließ. Diese Entwicklung sollte sich in den folgenden Jahren jedoch grundlegend wandeln. Bereits im Jahr 1681 hatten sowohl Dänemark als auch Schweden begonnen, zur See gegen Brandenburg mobil zu machen. Dänemark beabsichtigte sogar, sich sowohl der Stadt Emden als auch der Mündungen von Elbe, Ems und Weser zu bemächtigen

1585

. 1686 beschuldigte

der dänische Gesandte

in Wesel während der

Koalitionsverhandlungen mit Frankreich und dem Reich den Kurfürsten aufgrund der Tatsache, dass die brandenburgische Kriegsflotte immer noch existierte, des Wortbruchs gegen Dänemark. Im Gegenzug beschwerte sich Paul von Fuchs über die Handelseifersucht der Dänen und beschuldigte sie der Proposition eines Bundes der nordischen Kronen gegen Frankreich 1586 . Zu dieser Zeit wurden die brandenburgischen Kriegsschiffe bereits überwiegend im Handelsverkehr eingesetzt. Die Opposition Dänemarks begründete sich in den folgenden Jahren vor allem auf den Ereignissen auf St. Thomas, wo der dänische Gouverneur Lorentz einen persönlichen Feldzug gegen die BAC führte. Auch in Europa selbst trat die dänische Krone wiederholt gegen die brandenburgische Seemachtspolitik auf. Kurz nach dem Regierungsantritt Kurfürst Friedrichs III. ließ dieser Schiffe kapern, die unter der Flagge Hamburgs französische Konterbande transportierten. Diese waren allerdings mit dänischen Seepässen ausgestattet, weshalb man in Kopenhagen auf die sofortige Rückgabe der gekaperten Schiffe drängte, was schließlich auch geschah. In Kopenhagen hegte man die Hoffnung, dass dass die brandenburgische Flotte, die inzwischen als lästige Konkurrenz betrachtet wurde, mit dem Tod Friedrich Wilhelms ebenfalls eingehen würde. Sie trauten seinem Nachfolger Friedrich III. nicht zu, dass dieser sich ebenso ambitioniert für die Schifffahrt und den 1582

UA XIX, S. 561: von Brandt an den Kurfürst, Kopenhagen den 2./12. Oktober 1680. UA XXII, S. 423: von Hoverbeck an den Kurfürst, Kopenhagen den 11./21. Juni 1681. 1584 UA XIX, S. 571: von Brand an den Kurfürst, Kopenhagen den 4./14. Juli 1681. 1585 UA III, S. 604: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 16. Mai 1681. 1586 UA XX, S. 1133: Rébenac an Ludwig XIV., Wesel den 18. Juli 1686. 1583

348

Überseehandel einsetzen würde wie sein Vater. Als die Dänen sich in dieser Erwartung jedoch getäuscht sahen, nutzten sie die erste sich bietende Gelegenheit, gegen den lästigen Nebenbuhler vorzugehen1587. Auch die Niederlande sahen in der brandenburgischen Flottenpräsenz im Ostseeraum eine Gefahr. Der Grund dafür lag vor allem darin, dass niederländische Kaufleute nahezu den gesamten Handel in der Ostsee kontrollierten. 1615 kamen etwa 67 Prozent aller Schiffe, die den Sund passierten, aus den Niederlanden, im Jahr 1650 hatten 986 von 1.035 Schiffen, die in die Ostsee einliefen, einen niederländischen Seepass 1588. Der Ostseehandel war für die Niederlande weitaus bedeutender und umfangreicher als der Handel mit Asien. Niederländische Reeder belieferten die Märkte der Ostsee-Anrainerstaaten mit Wein, Hering, Gewürzen und Textilien im Tausch gegen Getreide. Der niederländische Handel konzentrierte sich dabei auf die Häfen von Danzig, Königsberg und Riga. Bereits um 1600 wurde in diesen Häfen etwa 80 Prozent des niederländischen Handels abgewickelt, der Rest verteilte sich auf die Häfen von Reval, Libau, Pernau und andere 1589 . In den Jahren von 1646 bis 1655 passierten im Durchschnitt 735 niederländische Schiffe 2.204 mal jährlich den Sund 1590 . Dabei wickelten die niederländischen Reeder nicht nur den Transport von Getreide und Hol aus dem Baltikum in die Niederlande ab, sondern transportierten auch baltische Waren nach England, Schottland, Frankreich und Spanien. Die dänische Flotte war allein nicht stark genug, um sich erfolgreich gegen die Schweden behaupten zu können, sie benötigten die Unterstützung durch die Niederlande. Die Niederlande wiederum waren an einem Machtgleichgewicht im Ostseeraum interessiert, um ihre Absatzmärkte zu schützen. Deshalb gewährten die Niederlande den Dänen entsprechenden Schutz, zumindest so lange, bis das Machtgleichgewicht zwischen Dänemark und Schweden wiederhergestellt war. Danach zogen sich die Niederlande entweder zurück oder verharrten zumindest in Passivität. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise war ein relativ fragiles Kräfteverhältnis, welches jederzeit kippen konnte. Der Aufbau einer großen brandenburgischen Seestreitkraft hätte dieses Gleichgewicht ernsthaft gefährdet, mit der Folge, dass Dänemark unabhängiger vom Beistand der Niederlande gemacht worden wäre. Zumindest im Krieg gegen Schweden von 1675 bis1679 hatte Dänemark die Vorteile einer brandenburgischen Kriegsflotte in der Ostsee klar erkannt und der dänische Großkanzler hatte Schweden gegenüber geäußert, dass der König von Dänemark es gern sehen würde, dass der Kurfürst zehn bis zwölf Schiffe in der Ostsee haben sollte, damit nicht immer die

1587

Jordan: Brandenburgisch-Preußische Kriegs-Marine, S. 92ff. Davies: Dutch Overseas Trade, S. 9. 1589 Davies: Dutch Overseas Trade, S. 11. 1590 Vogel, Walther: Zur Größe der europäischen Handelsflotten im 15., 16. und 17. Jahrhundert. Ein Historisch statistischer Versuch, in: Forschungen und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Festschrift für Dietrich Schäfer zum 17. Geburtstag, Jena 1915, S. 268-333, hier: S. 310f. 1588

349

Niederlande um Assistenz gebeten werden mussten1591. Solange Pommern in schwedischem Besitz war, musste Brandenburg ihnen ebenso feindlich gesinnt sein wie die Dänen, weshalb bei Ausbruch eines Krieges entsprechende Bündnisse zu erwarten waren. Die Niederlande müssen sich dessen bewusst gewesen sein und setzten den Bemühungen Friedrich Wilhelms bereits sehr früh Widerstand entgegen. Als der Kurfürst im Jahr 1660 in den Niederlanden um die Beschaffung einiger Kriegsschiffe bemühte, gab man seinem Gesandten Weiman unmissverständlich zu verstehen, dass man es nicht gerne sehen würde, wenn der Kurfürst eine Rüstung zur See anstrengen würde1592. Im Jahr 1683 tauchte in den Niederlanden das Gerücht auf, dass Dänemark und Brandenburg gemeinsam gegen Schweden vorzugehen wollten. Darauf planten die Niederlande, eigene Kriegsschiffe in die Ostsee zu schicken, um ihre Interessen dort zu wahren. Das wollte Friedrich Wilhelm jedoch vermeiden und wies seinen Gesandten von Diest an, dies zu verhindern1593. Von Diest versuchte darauf die Bürgermeister von Amsterdam davon zu überzeugen, dass der Kurfürst keine kriegerischen Absichten hegte und stellte klar, dass die aufgrund dieser Gerüchte eine niederländische Flottenrüstung ungerechtfertigt war. Die Bürgermeister antworteten darauf, dass die Flottenrüstung eine reine Vorsichtsmaßnahme war, weil dies derzeit alle Staaten tun würden und sie bisher keine Resolution gegeben hatten, die Schiffe in die Ostsee zu schicken 1594. Der Prinz von Oranien entgegnete, dass die derzeit 700 bis 800 niederländische Schiffe in der Ostsee geschützt werden mussten und deshalb die Präsenz von Kriegsschiffen in der Ostsee für notwendig erachtete1595. Kurz darauf meldete der niederländische Gesandte Amerongen nach Den Haag, dass Ludwig XIV. vierzehn bis fünfzehn Kriegsschiffe in die Ostsee geschickt hatte, wo sie sich mit den dänischen und brandenburgischen Flotten zusammenschließen sollten 1596 . Der Hintergrund war offenbar, dadurch Schwedisch-Pommern in brandenburgischen Besitz zu bringen und den Kurfürsten dadurch an der Seite Frankreichs zu halten1597. Dort reagierte man auf diese Nachricht relativ gelassen. Ratspensionär Fagel antwortete dem niederländischen Gesandten, dass Frankreich keineswegs beabsichtigte, die dänischen Flottenverbände zu verstärken. Und wenn doch, dann würden die Niederlande ebenfalls Schiffe in die Ostsee schicken 1598. An Friedrich Wilhelm ging erging eine entsprechende Warnung, dass das Auftauchen einer französischen Kriegsflotte in der Ostsee entsprechende Feindseligkeiten der Niederlande nach sich ziehen würde. Der Kurfürst hatte

1591

UA XIX, S. 560: von Brandt an den Kurfürst, Kopenhagen den 14./24. September 1680. UA VII, S. 310: Weiman an den Kurfürst, Den Haag den 16. März 1660. 1593 UA XXI, S. 56: Instruktion für von Diest, Potsdam den 25. April/5. Mai 1683. 1594 UA XXI, S. 58: von Diest an den Kurfürst, Den Haag den 5. Juni 1683. 1595 UA XXI, S. 59: von Diest an den Kurfürst, Den Haag den 29. Mai/8. Juni 1683. 1596 UA III, S. 719ff: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 22. Juni 1683. 1597 UA III, S. 725: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 26. Juni 1683. 1598 UA III, S. 725: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 29. Juni 1683. 1592

350

darauf erklärt, auf die Pläne Frankreichs nicht einzugehen 1599. Dennoch vermeldeten sowohl die dänischen als auch französischen Gesandten die Ankunft der französischen Schiffe in der Ostsee. Inzwischen war die Frage um die Verlegung der französischen Kriegsschiffe in den Ostseeraum mit der Frage der ausstehenden Subsidien an Brandenburg verknüpft worden. Man bot dem Kurfürsten eine Summe von 500.000 Reichstaler, falls er auf die Hilfe Frankreichs verzichten würde. Dies lehnte Fuchs im Namen des Kurfürsten ab, da der Kurfürst sich nicht mit dieser Summe begnügen wollte und versicherte noch einmal, dass der Kurfürst sich nicht näher mit Dänemark und Frankreich einlassen wollte, solange noch Hoffnung auf eine Einigung mit dem Kaiser, Spanien und den Niederlanden bestand 1600 . Ungeachtet dessen schickten die Niederlande im November 1683 selbst Kriegsschiffe in die Ostsee mit dem Auftrag, schwedische Truppen von Göteborg nach Bremen und Flandern zu transportieren. Dieser Truppentransport konnte aufgrund des einsetzenden Winters nicht mehr ausgeführt werden und die niederländische Flotte erlitt bei ihrer Rückkehr während der Passage durch den Sund durch Stürme große Verluste1601.

7.2 Die Reaktionen der europäischen Mächte auf das kurfürstliche Kaperunternehmen gegen Spanien 1680-1682

Das Kaperwesen war im 17. Jahrhundert unter den europäischen Mächten ein weit verbreitetes Mittel, Satisfaktion geltend zu machen. Allerdings war dieses Mittel nur dann gerechtfertigt, wenn ein gerechter Kriegsgrund vorlag. Zu den gerechten Kriegsgründen zählten nach Hugo Grotius die Verteidigung, den Ausgleich für widerrechtlich angeeigneten Besitz, die Bestrafung sowie die Erzwingung einer schuldigen Leistung und die Entschädigung von Kriegskosten 1602. Damit wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass die meisten Kriege sich nur durch Beutenahme finanzieren konnten. Zu den möglichen Beuteobjekten zählte Grotius sowohl materielle und bewegliche Objekte als auch immaterielle und unbewegliche Dinge wie Rechte, Prärogative und Souveränitätsmerkmale. Bei der Ergreifung beweglicher Objekte sollte deren Wert jedoch auf den zuvor erlittenen Schaden begrenzt werden. Wird ein Krieg von einer souveränen Obrigkeit geführt, handelt es sich um einen „bellum publicum“. Ist dies nicht der Fall, liegt wie bei einer Fehde ein “bellum privatum“ vor. Vor diesem Hintergrund entwarf Grotius 1604/1605 für die VOC ein Rechtsgutachten, worin die Kaperung der portugiesischen Karacke Santa Catarina legitimiert werden sollte. Dazu verteidigte er die Wegnahme des Schiffes zunächst als gerechte Maßnahme eines privaten Krieges. Auf die Grausamkeit der portugiesischen Händler gegenüber den 1599

UA III, S. 726: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 29. Juni 1683. UA III, S. 738: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 10. Juli 1683. 1601 UA III, S. 763: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 2. November 1683, mit Anm. 1. 1602 Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 82f. 1600

351

niederländischen Händlern hinweisend argumentierte Grotius, dass die Niederländer das Recht gehabt hätten, die Aggressoren in Abwesenheit einer rechtlichen Autorität auf dem Meer zu bestrafen, so wie es bereits Julius Caesar gegenüber Piraten im Mittelmeer getan hatte. Als Privatmann hätte der niederländische Kapitän van Heemskerck, der die Santa Catarina gekapert hatte, das Recht gehabt, die Verletzung des natürlichen Rechts auf freie Seefahrt und freien Handel durch die Portugiesen zu ahnden und ihnen als Entschädigung für die Vergehen mit Gewalt Güter wegzunehmen. Zusätzlich argumentierte Grotius mit dem Verweis auf die obrigkeitliche Autorisierung von Kapervollmachten, mit der van Heemskerck durch den Prinzen von Oranien ausgestattet war1603. Damit hatte van Heemskerck als offiziell bevollmächtigter einer souveränen und unabhängigen, bzw. nach Unabhängigkeit strebenden Macht gehandelt. Als solcher sei er verpflichtet gewesen, nach den Gesetzen und Verordnungen der Niederlande im Krieg gegen Philipp III. vorzugehen. Gemäß dieser Rechtfertigung habe van Heemskerck nur die Vorschriften zur Kaperei- und Seekriegsführung der Generalstaaten vollstreckt und somit einen gerechten öffentlichem Krieg geführt. Um erlittenes Unrecht auszugleichen, sollte sich ein Prinz oder König bei der Ausstellung entsprechender Kaperlizenzen auf das „ius gentum“ berufen, welches ihm in solchen Fällen erlaubte, Vollmachten zur Führung eines öffentlichen Krieges auch

auf

Privatpersonen zu übertragen. Indem Kapitäne der VOC von der niederländischen Regierung solche Vollmachten erhielten, konnte die Kompanie in Indien und Asien de facto als öffentliche Macht auftreten und der niederländische Staat eine private Gesellschaft als verlängerten Arm ihrer politischen Interessen nutzen. Die zweifache Legitimation durch Grotius machte van Heemskerck zu einem Doppelagenten privater und zugleich öffentlicher Kriegsführung, womit diese Doppelstellung der VOC-Kapitäne zum Kernelement niederländischer Ostindienpolitik wurde1604. Bei Kaperbriefen handelte es sich nicht wie bei Marke- und Repressalienbriefen um die obrigkeitliche Bevollmächtigung zur Vollstreckung privater Rechtsforderungen, sondern um die Übertragung kriegsrechtlicher Vollmachten vom politischen Souverän auf Privatpersonen. Im Unterschied zum Repressalienbrief verpflichtete der Kaperbrief eine Privatperson allgemein zur Schädigung eines Gegners, in der Regel ohne Beschränkung der Höhe der Beute. Während es bei der der Erteilung eines Repressalienbriefes irrelevant war, ob zwischen den betroffenen Nationen Krieg oder Frieden herrschte, wurden Kaperbriefe meistens im Kriegsfall erteilt. Nach Grotius zählten Kaperfahrer zu denjenigen, die eine obrigkeitliche Ermächtigung bekamen, ohne Sold zu erhalten und ihren Kampfeinsatz auf eigene Kosten finanzierten. An Stelle des Soldes lebten sie allein von dem, was sie erbeuteten 1605 . Deshalb waren die politischen Souveräne auch nicht

1603

Kempe: Fluch derWeltmeere, S. 85. Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 86. 1605 Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 87. 1604

352

verpflichtet, Verantwortung für das Vorgehen ihrer Kaperfahrer zu übernehmen. Wenn ein Kaperfahrer Schiffe befreundeter Nationen überfiel oder generell offene Seeräuberei betrieb, sollten die jeweiligen Regierungen zu nichts weiter verpflichtet werden als den Übeltäter zu verhaften und die Rechtsverfolgung gegen sein Vermögen zu gestatten. Da die begangenen Missetaten nicht vorhersehbar gewesen waren, sollte für die Obrigkeit keine Verpflichtung bestehen, Entschädigung zu leisten. Darüber hinaus gestand Grotius zu, dass Privatpersonen in einem gerechten öffentlichen Krieg auch ohne Kapervollmacht befugt waren, den Gegner zu schädigen und ihm Güter wegzunehmen, solange es dem öffentlichen Kriegsgrund dienlich war 1606 . Dieses Modell schuf schließlich die Rechtsgrundlage für die niederländische Kaperpolitik in Asien im 17. Jahrhundert. Und genau dieses Modell nahm nun Kurfürst Friedrich Wilhelm für sich in Anspruch, die ausstehenden Subsidiengelder von Spanien einzutreiben. In Madrid schlug die Meldung über den Übergriff brandenburgischer Schiffe auf ein spanisches Schiff ein wie eine Bombe. Die Nachricht über Kaperung der Carolus Secundus erreichte den spanischen Gesandten Fuen Major in Den Haag am 20. September 1680. Zwei Tage später überreichte er den Generalstaaten eine Denkschrift, welche die Forderung

nach

unverzüglichen Gegenmaßnahmen gegen Brandenburg gemäß der niederländisch-spanischen Allianz beinhaltete1607. Nach Ansicht der spanischen Krone war der Übergriff auf ein spanisches Kriegsschiff mit dem Angriff auf eine feindliche Festung gleichzusetzen. Fuen Major versprach den Generalstaaten auch die Unterstützung durch England, da Spanien ebenfalls mit der englischen Krone ein Bündnis eingegangen war. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, legte der spanische Gesandte dar, dass sich der brandenburgische Kaperkrieg nicht zuletzt auch gegen die Niederlande richtete. Zu dieser Zeit stand die Ablösung des bisherigen Gouverneurs der Spanischen Niederlande, Villa Hermosa, durch dessen Nachfolger, den Herzog von Parma bevor, der sich bereits auf dem Weg nach Brüssel befand. Die Carolus Secundus lag deshalb im Hafen von Ostende, um Villa Hermosa und dessen Tross zusammen mit weiteren fünf spanischen Kriegsschiffen sicher nach Madrid zurück geleiten. Dies war dem Kurfürsten durchaus bekannt und die Gefangennahme des Herzogs von Parma und seinem Gefolge war offenbar Teil des kurfürstlichen Plans und Fuen Major fürchtete, dass dies den Untergang der Spanischen Niederlande herbeiführen müsse, dem kurz darauf der Fall der Generalstaaten zur Folge haben musste1608. Es ergingen deshalb mehrere Depeschen nach England, Frankreich und Spanien, um den Herzog vom Parma noch rechtzeitig vor dieser Gefahr zu warnen. Der Kurfürst hingegen rechtfertigte sein Vorgehen in einem Brief an den spanischen König, dass er mit der Kaperung des spanischen Schiffes lediglich das getan hätte, was 1606

Kempe: Fluch der Weltmeere, S. 88f. UA XXI, S. 25f: Romswinckel an den Kurfürst, Den Haag den 24. September 1680. 1608 Partenheimer, Anneli: Die Schifffahrts- und Kolonialpolitik des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, unveröffentlichtes Manuskript, Mainz 1976, S. 115f. 1607

353

jedem Privatmann zustand, nämlich die Besitztümer seines Schuldners zu ergreifen, bis seine Forderungen befriedigt

seien. Friedrich Wilhelm versicherte, dass

keine kriegerischen

Feindseligkeiten geplant waren, solange Spanien diese nicht eröffnen würde1609. Dieses Schreiben erreichte den spanischen König jedoch nie. Friedrich Wilhelm übersandte es seinem Gesandten Romswinckel in Den Haag mit dem Auftrag, es auf sicherem Weg nach Madrid zu senden 1610 . Dieser übergab darauf das Schreiben dem kaiserlichen Gesandten in den Generalstaaten Kramprich, der es aber, anstatt nach Madrid wieder nach Berlin zurückschickte. Von dieser „Panne“ zeigte sich der Kurfürst sehr unangenehm berührt und Lamberg sah sich zu der Erklärung genötigt, dass die kaiserliche Diplomatie durch die Rücksendung eine feindliche Antwort vom spanischen Hof vermeiden wollte1611. Im Escorial-Palast selbst herrschten seit der Wegnahme der Carolus Secundus Frustration und Ratlosigkeit vor. Zwar boten die Generalstaaten umgehend an, in dem Fall zu vermitteln, die Annahme dazu machte man sich in Madrid jedoch vorerst nicht entschließen. Die erlittene Schmach konnte dadurch nicht getilgt werden, zudem musste man in diesem Fall wegen der Subsidien bestimmte Versprechungen machen, um zu verhindern, dass ähnliche Forderungen anderer Gläubiger nach sich ziehen würde1612. Deshalb schoben die Spanier die Schuld an der verfahrenen Situation auf den scheidenden Statthalter der Spanischen Niederlande und warf Villa Hermosa zudem vor, dass er nicht sofort Truppen in Kleve hatte einmarschieren lassen1613. Dieser soll darauf geantwortet haben, dass er zu einem Einmarsch in Kleve nicht in der Lage gewesen und zudem damit beschäftigt war, die Spanischen Niederlande gegen den Kurfürsten zu verteidigen 1614 . Währenddessen bemühte sich die spanische Diplomatie weiter, die Niederlande zu einem Eingreifen gegen Brandenburg zu veranlassen. Im Mai 1681 protestierte Fuen Major in Den Haag gegen das Vorgehen der von Kapitän Lacher geführten Schiffe und forderte die Generalstaaten auf, entsprechende Befehle zu erlassen, um dem seeräuberischen Treiben ein Ende zu setzen1615. Da die erhoffte Unterstützung seitens der Niederlande jedoch ausblieb, entschloss man sich in Madrid nun, den Kaiser um Vermittlung zu bitten1616. Der Kaiser zeigte sich an einer Vermittlung interessiert, wollte zuvor jedoch sichergehen, dass die brandenburgischen Forderungen nicht zu hoch gegriffen waren1617. Im folgenden Jahr stellte Burgomanero, der spanische Gesandte in Wien, die Forderung, 1609

Salpius, F.: Paul von Fuchs, ein brandenburgisch-preußischer Staatsmann vor 200 Jahren, Leipzig 1877, S. 186ff. UA XXI, S. 27: Kurfürst an Romswinckel, Köln den 26. September 1680. 1611 UA XIV, S. 979ff: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 27. Dezember 1680. 1612 UA III, S. 691: Heemskerck an den Griffier, Madrid dem 31. Oktober 1680. 1613 UA III, S. 698: Resolution der Generalstaaten, den 18. November 1680. 1614 Stenzel, Gustaf Adolf Harald: Geschichte des preußischen Staats, 5 Bände, Hamburg 1829-1854, hier: Band 2, S. 409. 1615 UA XXI, S. 32: Romswinckel an den Kurfürst, Den Haag den 24. Dezember 1680; Partenheimer: Schifffahrts - und Kolonialpolitik, S. 118. 1616 UA III, S. 606f: Bruijninex an die Generalstaaten, Neustadt bei Wien den 27. Juli 1681. 1617 UA XIV, S. 1001: Der Kaiser an Lamberg, Neustadt den 16. Juli 1681. 1610

354

dass Brandenburg der anti-französischen Allianz beitreten müsse, da man nicht daran interessiert war, die Gegenseite durch Geldzahlungen zu stärken1618. Da sich Friedrich Wilhelm noch in einem festen Bündnis mit Ludwig XIV. befand, ließ sich diese Forderung nicht erreichen. Deshalb erklärte sich man in Madrid schließlich bereit, gegen die Rückgabe der Carolus Secundus ohne Ladung eine gewisse Summe Geld zu zahlen und eine große Lieferung von Salz zu leisten 1619. Insgesamt kam dies einer „Abschlagszahlung“ von 500.000 Reichstalern gleich 1620 . Dies wurde von Friedrich Wilhelm schließlich abgelehnt1621. Während der Bündnisverhandlungen mit Frankreich, die bereits kurz nach dem Friedensschluss von St. Germain en Laye aufgenommen worden waren, forderte Friedrich Wilhelm durch seinen Gesandten Franz von Meinders u. a. Hilfe für ein Vorgehen gegen Spanien wegen der ausstehenden Subsidiengelder1622. Um Ludwig XIV. für diesen Plan zu gewinnen, bot der Kurfürst an, eigene Schiffe in der Ostsee zu unterhalten, die auch in Diensten Frankreichs eingesetzt werden sollten. Im Gegenzug forderte er dazu von Frankreich, die Erlaubnis, jederzeit französische Häfen anlaufen zu dürfen1623. Im Mai 1680 berichtete der französische Gesandte Rébenac in Berlin, dass der König beabsichtigte, einige Fregatten in See stechen zu lassen, um spanische Handelsschiffe zu kapern. Der Kurfürst fürchtete jedoch als mögliche Vergeltungsmaßnahme der spanischen Krone den Einmarsch spanischer Truppen in Kleve und bat Ludwig XIV. um entsprechenden Schutz1624. Der König versicherte darauf dem Kurfürsten seinen Beisand und erklärte dazu, dass er mit Freunden an allen Unternehmungen mitzuwirken gedachte, welche den Befriedigungen der kurfürstlichen Ansprüche dienlich wären1625. So erteilte er den kurfürstlichen Schiffen zunächst die Erlaubnis, bei Bedarf französische Häfen anzulaufen1626. Bei den französischen Überseebesitzungen reagierte der König jedoch zögerlich, da er befürchtete, dass die Exekution auch dazu dienen könnte, sich Handelsvorteile in der Karibik zu verschaffen

1627

. Bei Erteilung der entsprechenden

Genehmigung sei außerdem davon auszugehen, dass andere Freunde und Bundesgenossen Frankreichs ebenfalls um solche Vergünstigungen nachsuchen würden 1628. Erst nachdem Friedrich Wilhelm mehrfach versichert hatte, dass es sich nicht um ein präjudizierliches Handelsunternehmen, sondern ausschließlich um eine Exekution handelte, erteilte Ludwig XIV. auch die entsprechende 1618

UA III, S. 646: Bruijninex an Amerongen, Wien den 15. März 1682. UA III, S. 651ff: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 9. Februar 1683; S. 661ff: Amerongen an den Ratspensionär, Berlin den 2. März 1683 1620 UA III, S. 672ff: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 13. März 1683. 1621 UA XIV, S. 1058ff: Votum vom 22. April 1683. 1622 UA XIX, S. 345: Meinders an den Kurfürsten, Paris den 28./18. Juli 1679. 1623 UA XIX, S. 350ff: Der Kurfürst an Meinders, Potsdam, den 29./8. August 1679. 1624 UA XIX, S. 390: Der Kurfürst an Spanheim, Köln den 15./25. Mai 1680; UA XX, S. 448: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 22. Mai 1680. 1625 UA XX, S. 449f: Ludwig XIV. an Rébenac, Fontainbleau den 11. Juli 1680. 1626 UA XX, S. 474: Ludwig XIV. an Rébenac, Sedan den 20. August 1680; Boissonade: Relations Èconomiques, S. 455. 1627 UA XIX, S. 394: Spanheim an den Kurfürst, Paris den 27./6. September 1680. 1628 UA XIX, S. 395: Spamheim an den Kurfürst, Paris den 3./13. September 1680. 1619

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Erlaubnis für die französischen Häfen in Westindien1629. Auf Anfrage erklärte Rébenac in Berlin, dass der König auch dann eine Garantie für Kleve übernehmen würde, falls sich der Kaiser, England, die Niederlande oder sonst jemand in die Angelegenheit einmischen sollte. In diesem Fall sollten entsprechende Vereinbarungen in der geplanten Defensiv-Allianz zwischen dem Kurfürsten und Frankreich festgelegt werden 1630 . Bisher war Frankreich dem Wunsch des Kurfürsten nach einem engeren Bündnis nur zögerlich entgegengekommen, da man am französischen Hof noch in Verhandlungen mit Schweden stand 1631 . Als die Brandenburger mit der Kaperung der Carolus Secundus schließlich die Exekution gegen Spanien eingeleitet hatten, was Brandenburg auch von der bisherigen Position zum Kaiser entfernen musste, war der König von der Treue des Kurfürsten zu Frankreich überzeugt. Aufgrund der Tatsache, dass Brandenburg der Hilfe Frankreichs offenbar nötiger hatte als umgekehrt, war Ludwig XIV. nun bereit, ein entsprechendes Bündnis einzugehen1632. Der König hatte offenbar erkannt, dass sich ihm hier die treffliche Gelegenheit bot, einen starken Verbündeten im Heiligen Römischen Reich zu gewinnen, der trotz der von Frankreich betriebenen Reunionspolitik durch persönliche Interessen eng an Frankreich gebunden werden konnte1633. Die Nachricht über das Entgegenkommen Frankreichs konnte den Kurfürsten zu keinem besseren Zeitpunkt erreichen. Der Geheime Rat war über die Ereignisse bei Ostende im Vorfeld nicht informiert worden und hatte in dessen erster Aufregung den Kurfürsten durch die Vorstellung möglicher spanischer und kaiserlicher Gegenmaßnahmen in Sorge versetzt. So fühlte sich der Kurfürst folgerichtig durch die kurz darauf eintreffenden niederländischen und englischen Forderungen bedroht1634. Die Versicherung des Königs, den Kurfürsten nicht im Stich zu lassen, stärkten Friedrich Wilhelm jedoch den Rücken. Dadurch wuchs der Einfluss des französischen Gesandten Rébenac am kurfürstlichen Hof derart, dass es diesem gelang, die Wirkung des Besuchs des Prinzen von Oranien, der eigens in dieser Angelegenheit nach Berlin gereist war, zunichte zu machen. Dem Prinzen war es durch entsprechendes persönliches Auftreten gelungen, den Kurfürsten dazu zu bringen, einer Vermittlung durch die Generalstaaten und England in Madrid zuzustimmen und bei deren Beginn die brandenburgischen Schiffe zurück zu rufen. Rébenac reagierte darauf mit Entrüstung, da er einerseits nicht über die Forderung des Prinzen im Vorfeld informiert wurde und argumentierte andererseits, dass der Kurfürst sich so leicht in die Fänge berechtigter Ansprüche begeben würde. Dazu machte er die Befürchtung geltend, dass Friedrich 1629

UA XX, S. 551f: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 15. Mai 1681, Boissonade: Relations Économiques S. 456. UA XX, S. 482ff: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 14. September 1680; UA XIX, S. 395ff: Jena und Meinders an den Kurfürst, Berlin den 4./14. September 1680. 1631 UA XIX, S. 400f: Der Kurfürst an Jena und Meinders, Potsdam den 3./13. Oktober 1680. 1632 UA XX, S. 494: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 3. Oktober 1680. 1633 Boissonade: Relations Eéconomiques, S. 289f. 1634 UA XX, S. 494f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 9. Oktober 1680. 1630

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Wilhelm bei Annahme diese zweifelhafte Mediation einer soliden französischen Protektion vorzog. Er bewegte deshalb die den Kurfürsten und den Geheimen Rat zu dem Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben und zur Zurücknahme der bereits gemachten Erklärung 1635 . Bisher hatte Frankreich den Kurfürsten zu einem Vorgehen gegen dessen Feinde noch zusätzlich motiviert, aber Ludwig XIV. geriet bald in Verlegenheit, da die Kriegslust des Kurfürsten immer mehr zunahm und sich

bald

darauf

zu

verselbstständigen

drohte

1636

.

Die

Furcht

vor

spanischen

Vergeltungsmaßnahmen in Kleve wich mehr und mehr der Ansicht, daraus einen willkommenen Anlass zur Besetzung von Geldern ableiten zu können. Daraus entstand schließlich der Plan, durch die Verlegung von acht brandenburgischen Regimentern, insgesamt 10.000 Mann, an die Grenze zwischen Geldern und Kleve einen Einmarsch der Spanier zu provozieren 1637 . Ludwig XIV. fürchtete nun, dass dass die Niederlande auf eine derartige Truppenbewegung mit dem Beitritt zur Defensivallianz

reagieren würden, die am 20. Juni 1680 zwischen England und Spanien

geschlossen worden war, was er unter allen Umständen zu vermeiden wünschte. Rébenac erhielt dahingehend den Auftrag, den Kurfürsten von dessen Plan, Truppen aus Preußen in die brandenburgischen Westprovinzen zu verlegen, abzubringen. Falls Spanien doch in Kleve einfallen sollte, erklärte sich Ludwig XIV. dazu bereit, Friedrich Wilhelm militärische Hilfe zu leisten. Es mussten jedoch alles unternommen werden, um eine Union zwischen England und den Niederlanden zu verhindern1638. Tatsächlich erklärte sich der Kurfürst dazu bereit, den Marsch der Truppen vorerst aufzuschieben. Der König empfahl Friedrich Wilhelm stattdessen, sich zur See an den Spaniern schadlos zuhalten 1639 . Da jedoch die Unterstützung Frankreichs bei der Exekution gegen Spanien offensichtlich der Hauptgrund für das eifrige Streben des Kurfürsten nach einer engeren Allianz mit Frankreich war, musste alles vermieden werden, was den Kurfürst zu einer Abkehr von den französischen Interessen veranlassen konnte1640. Deshalb begann der französische Diplomat, eine Doppelstrategie zu verfolgen. Zum einen förderte er die Exekution Friedrich Wilhelms gegen Spanien zur See, damit Brandenburg weiterhin auf die Unterstützung Frankreichs angewiesen blieb, zum anderen versuchte er ein feindliches Vorgehen zu Lande zu verhindern, damit sich keine neue anti-französische Liga bilden oder gar Frankreich in einen neuen Krieg hineingezogen wurde. Es gelang Rébenac immer wieder, den Kurfürst zum Aufschub der militärischen Maßnahmen gegen Geldern zu bringen, selbst als sich die Anzeichen dafür mehrten, dass Spanien tatsächlich Truppen nach Geldern marschieren lassen wollte1641. 1635

UA XX, S. 498ff: Rébenac an Ludwig XIV, UA XIX, S. 402f: Jena und Meinders an den Kurfürst, Berlin den 6.16. November 1680. 1637 UA XX, S. 507f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 6. November 1680. 1638 UA XX, S. 511: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 21. November 1680. 1639 UA XX, S. 520: Ludwig XIV. an Rébenac, St. Germain den 19. Dezember 1680. 1640 UA XX, S. 516f: Ludwig XIV. an Rébenac, St. Germain den 4. Dezember 1680. 1641 UA XX, S. 524: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 15. Januar 1681; S. 525: derselbe an denselben, Berlin den 22. 1636

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Die Devensiv-Allianz, die am 11. Januar 1681 zwischen Frankreich und Brandenburg abgeschlossen worden war, sicherte den brandenburgischen Schiffen die Zuflucht und freie Einfahrt in die französischen Häfen. Dies beinhaltete auch den Beistand Frankreichs für den Fall, dass Spanien oder irgendjemand sonst die Repressalien als Bruch ansehen und entsprechend aggressiv gegen Brandenburg vorgehen würde1642. Angesichts der oben beschriebenen Doppelstrategie darf es jedoch als unwahrscheinlich gelten, dass Frankreich dieser Bündnisverpflichtung im Bedarfsfall tatsächlich nachgekommen wäre. Vorerst jedoch funktionierte der Plan Ludwigs XIV. Friedrich Wilhelm befand sich nun mit Frankreich in einer Interessengemeinschaft, welcher der Kaiser nichts gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Dennoch kam der Kurfürst keinesfalls immer den Wünschen seines französischen Bündnispartners nach, wie im Fall der Mobilmachung gegen Geldern 1643 . Rébenac musste immer wieder beschwichtigend auf den Kurfürsten einwirken, wenn dieser seine Truppen in Marsch setzen wollte, bis er schließlich seine Pläne betreffs Geldern endgültig aufgab. Als es auf Betreiben des auf kaiserlicher Linie stehenden Fürsten von Anhalt zu einer Einigung zwischen dem Kurfürsten und Spanien kommen sollte, wurde Rébenac von Ludwig XIV. angewiesen, diese Bemühungen zu sabotieren 1644 . Zwar führte die „Reunion“ Straßburgs zu vorübergehenden Spannungen zwischen dem Kurfürsten und dem französischen Gesandten, die neue Allianz vom 22. Januar 1682 gestaltete das Verhältnis zwischen Brandenburg und Frankreich noch enger. Erneut beinhaltete das auf zehn Jahre geschlossene Abkommen französische Hilfeleistung bei der Verfolgung der brandenburgischen Ansprüche gegen Spanien1645. Als Rébenac im August 1682 nach Paris meldete, dass die Verhandlungen wegen einem Ausgleich zwischen Brandenburg und und Spanien von Anhalt und Lamberg, dem österreichischen Gesandten in Berlin wieder aufgenommen worden waren, reagierte Ludwig XIV. darüber verärgert, obwohl Rébenach glaubte, die Verhandlungen jederzeit zum Scheitern bringen zu können1646. Der König fürchtete, dass Friedrich Wilhelm, falls es zum Krieg kommen sollte, an die Seite des Kaisers treten würde. Dies hatte zur Folge, das dass sich das Abkommen zwischen dem Kurfürsten, Ludwig XIV. und dem Reich verzögerte. Rébenac sollte in Berlin darlegen, dass der Kurfürst vom Kaiser nichts erwarten durfte, da dessen Kräfte in Ungarn gebunden waren und die spanische Silberflotte nicht mal genug Edelmetall nach Europa zurück brachte, um die Kosten für die Schiffsausrüstungen zu decken1647. Trotz aller Vorstellungen, Gegenvorstellungen und der Tatsache, dass die Verhandlungen nur Januar 1681. Moerner: Staatsverträge, S. 418ff Nr. 243. 1643 UA XX, S. 542: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 22. März 1681. 1644 UA XX, S. 581: Ludwig XIV. an Rébenac, Fontainbleau den 18. September 1681. 1645 Moerner: Staatsverträge, S. 426ff Nr. 247 1646 UA XX, S. 663: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 20. August 1682. 1647 UA XX, S. 672: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 7. Oktober 1682. 1642

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stockend voran kamen, nahmen sie durch die Vermittlung des Kaisers langsam konkrete Formen an. Diese sahen dahingehend aus, dass der Kurfürst von Spanien 300.000 Reichstaler in bar, weitere 200.000 Reichstaler in Form von Salz, von den Niederlanden weitere 200.000 Reichstaler erhält und die Carolus Secundus in kurfürstlichem Besitz verbleibt. Im Gegenzug sollte sich der Kurfürst von Frankreich abwenden und an die Seite des Kaisers treten und im Kriegsfall seine Truppen zu den Gegnern Frankreichs stellen1648. Damit war das Ende des Bündnisses zwischen Brandenburg und Frankreich jedoch noch nicht gekommen. Die bereits gezahlten französischen Subsidien und die Hoffnung Friedrich Wilhelms auf eine mögliche Eroberung Vorpommerns mit französischer Hilfe bildeten weiterhin ein festes Band zwischen beiden Alliierten. Zudem war Ludwig XIV. offenbar bereit, auf Anraten Rébenacs dem Kurfürsten mit einem Bestechungsgeld von 500.000 Livres an seiner Seite zu halten1649. Erst als Friedrich Wilhelm nach Abschluss des Regensburger Stillstandes erkannte, dass Ludwig XIV. ihn die ganze Zeit über hingehalten hatte, löste er sich wieder von dem französischen Einfluss1650. Ludwig XIV. hingegen hatte offenbar noch nach Erlass des Potsdamer Edikts einen Versuch unternommen, den Kurfürst zu einer erneuten Aufnahme der Kaperfahrten gegen Spanien zu bewegen und ihn auf diese Weise von der Rückkehr zu einer Allianz mit dem Kaiser abzuhalten. Dieses Anerbieten wurde jedoch in Berlin konsequent abgelehnt1651. Die mit Spanien verbündeten Staaten wollten in diesen Konflikt nicht militärisch eingreifen. Lediglich England ließ einige Kriegsschiffe auslaufen, um dem Herzog vom Parma zu Hilfe zu eilen1652 . Der seit Anfang 1680 in Berlin residierende englische Gesandte Sir Robert Southwell nahm auf Wunsch der Niederlande und auf Geheiß des englischen Königs an den Vermittlungsversuchen teil. Jedoch wurden aus London außer der Reklamation der Ladung der Carolus Secundus, die angeblich Eigentum englischer Untertanen war, keine weiteren Schritte unternommen1653. Friedrich Wilhelm versicherte, dass er keineswegs beabsichtige, den Frieden und den Handelsverkehr zu stören, und dass er dem Befehlshaber seiner Flotte befohlen habe, keine englischen Schiffe zu belästigen und die etwa in spanischen Schiffen gefundenen, Engländern gehörenden Waren wieder zurückzugeben. Southwell übernahm es, seinem König davon Bericht zu erstatten und teilte schon nach wenigen Tagen dem Kurfürsten den darauf erhaltenen Bescheid mit. der König sei über die Wegnahme des spanischen Schiffes sehr bekümmert gewesen, da er gefürchtet habe, dass dadurch die Ruhe gestört wurde. Er erbot sich zur Vermittlung zwischen dem Kurfürsten und dem König von Spanien an, denn an spanischen Schiffen und deren Ladung hätten englische Untertanen bedeutenden Anteil und überhaupt seien diese an dem spanischen Handel 1648

UA XX, S. 705: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 1. Februar 1683. UA XX, S. 771: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 1. Februar 1683. 1650 Oestreich, Gerhard: Friedrich Wilhelm I., Göttingen 1977, S. 79; Prutz II, S. 246ff. 1651 UA XIV, S. 1194ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 6. November 1685. 1652 UA XXI, S. 26: Romswinckel an den Kurfürst, Den Haag den 25./5. Oktober 1680; Stenzel II, S. 410. 1653 UA XXI, S. 336 1649

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lebhaft beteiligt. Er erwarte, dass denselben kein Unrecht und kein Schaden zugefügt werden. Es wurden noch mehrere Depeschen ausgetauscht, worin der Kurfürst sowohl in England als auch in den Niederlanden darum bat, bei Bedarf ihre Häfen anzulaufen1654. Nachdem Southwell sich davon überzeugt hatte, dass es auch dem Prinzen von Oranien bei dem Besuch, den er Ende Oktober dem Kurfürsten in Berlin machte, nicht gelungen war, denselben zu einer Minderung seiner Politik zu bestimmen, kehrte er Anfang November nach England zurück und wurde durch Lord Bertu ersetzt1655. Somit blieb die Beteiligung Englands an einer Lösung des Konflikts eher gering. Das Verhältnis Friedrich Wilhelms zu den Niederlanden, das ohnehin seit dem Friedensschluss von Nimwegen gespannt war, da der Kurfürst durch den Separatfrieden der Niederlande mit Frankreich endgültig auf Pommern verzichten musste und auch die Niederlande mit der Zahlung von Subsidien im Rückstand waren, verschlechterte sich weiter. Außerdem ergab sich neues Konfliktpotential mit den Niederlanden bzw. der WIC durch die nun beginnenden Aktivitäten Brandenburgs im Westafrikahandel. Deshalb reagierte man dort auf die Wegnahme der Carolus Secundus mit Aufregung, großem Misstrauen und der Ausrüstung von Kriegsschiffen, da man glaubte, die eigenen Handelsflotten vor dem Zugriff des Kurfürsten schützen zu müssen1656. In den folgenden Monaten blieb das brandenburgische Kaperunternehmen gegen Spanien ein beständiges Gesprächsthema zwischen dem niederländischen Gesandten in Berlin, dem Kurfürsten und dem Geheimen Rat. Einen neuen Krieg wollte man in Den Haag jedoch möglichst vermeiden, deshalb bemühten sich die Niederländer von Beginn an, beide Parteien zur Annahme einer Vermittlung zu bewegen 1657. Auf die Vorwürfe der Niederländer antwortete der Kurfürst, dass die Generalstaaten ihre ausstehenden Subsidien von Spanien auf die gleiche Arte eingetrieben hätten, indem sie das spanische Maastricht besetzt hätten1658. Zunächst verliefen die Vermittlungsversuche ergebnislos und der Kurfürst war nur dann zu einer Annahme der Vermittlung durch England und die Generalstaaten bereit, wenn diese ihm helfend zur Seite stehen würden, falls Spanien eine gebührende Satisfation verweigerte 1659 . Spanien hingegen machte die Rückgabe der Carolus Secundus samt ihrer Ladung zur Bedingung für die Annahme der Vermittlung 1660 . Auch der französische Einfluss in Berlin machte immer wieder das Zustandekommen einer erfolgreichen Vermittlung zunichte. Der Prinz von Oranien warnte vor einem brandenburgischen Einmarsch in

1654

UA XXI, S. 27: Kurfürst an Romswinckel, Köln den 26./6. Oktober 1680; UA III, S. 588: Amerongen an den Griffier, Berlin den 9. Oktober 1680. 1655 UA III, S. 591ff: Amerongen an den Griffier, Berlin den 3. November 1680; UA XXI, S. 29f: Romswinckel an den Kurfürst, Den Haag den 9./19. November 1680. 1656 UA III, S. 588f: Resolution der Generalstaaten vom 18. Oktober 1680. 1657 UA III, S. 585f: Resolution der Generalstaaten vom 24. September 1680. 1658 UA III, S. 586ff: Amerongen an den Griffier, Berlin den 6. Oktober 1680; Phillipson III, S. 224. 1659 UA III, S. 590: Erklärung des Kurfürsten über den Streit mit Spanien, Potsdam den 13./23. Oktober 1680; UA XXI, S. 28f: Antwort des Kurfürsten auf das Anbringen des Prinzen von Oranien, Potsdam den 13./23. Oktober 1680. 1660 UA XXI, S. 29f: Romswinckel an den Kurfürst, Den Haag den 9./19. November 1680.

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Geldern, da in diesem Falle waren die Niederlande dazu gezwungen, den Spaniern zu Hilfe zu kommen1661. Das Verhältnis zwischen Brandenburg und den Niederlanden wurde noch gespannter, als die Generalstaaten Plakate erließen, durch welche die alle in fremden Diensten stehenden niederländischen Seeleute zurückgerufen wurden 1662 . Dies bedeutete für die brandenburgische Marine einen schweren Schlag, da sie überwiegend mit niederländischem Personal operierte. Der Kurfürst fürchtete, dass die Vollstreckung dieser Plakate seine maritimen Ambitionen weit zurückwerfen würde und drohte damit, seine eigenen in niederländischen Diensten stehenden Untertanen nach Hause zu rufen, falls diese Plakate nicht binnen vierzehn Tagen widerrufen wurden 1663 . Die Niederlande beharrten auf der Gültigkeit der Plakate. Immerhin erreichte der Kurfürst, dass die Schiffsausrüstungen gegen ihn eingestellt wurden. Ratspensionär Fagel argumentierte sogar, dass die Plakate lediglich zum Schutz des Kurfürsten erlassen wurden, um auf diese Weise das Verlangen Spaniens, militärisch gegen Brandenburg vorzugehen, abzulenken. Die Niederlande hätten keine echten Bedenken, dass ihre Untertanen in brandenburgischen Seediensten stehen würden, aber diese sollten nicht für ihn gegen die niederländischen Verbündeten kapern1664. Im Folgenden beschränkten sich die Niederlande auf Vorstellungen, das brandenburgische Vorgehen beschwöre einen Krieg herauf, auf die Forderung nach Restitution der Carolus Secundus und auf die Herausgabe der Ladung, die angeblich niederländisches Eigentum war1665. Besonders die letztere Behauptung erfüllte den Kurfürsten mit Befremden. Trotzdem verschob er den bereits anberaumten Verkauf der Ladung auf gemeinsamen niederländischen und österreichischen Wunsch hin bis Mitte April 16811666. Nachdem der Kurfürst bis zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Beweise für das Vorhandensein derartiger Ansprüche erhalten und die Engländer und Franzosen ihre Ansprüche zurückgezogen hatten, ließ er die Ladung der Carolus Secundus verkaufen1667. Auch wollte er die Repressalien gegen Spanien zur See fortsetzen und sich zu einer Beendigung derselben erst bereit erklären, nachdem die spanische Krone die Mediation angenommen hatte. Die Übergabe der Carolus Secundus an Dritte wurde von ihm konsequent verweigert1668. Darauf versuchte man in Den Haag, sich mit dem Kaiser in dieser Sache zu einigen bzw. ihn zur Annahme der Vermittlung zu bewegen. In Wien war man jedoch von der Furcht beseelt, dass ein zu schroffes Verhalten dem Kurfürsten gegenüber Brandenburg noch tiefer in die Allianz mit Frankreich treiben würde 1669 . 1661

UA XXI, S. 36f: Diest an den Kurfürsten, Leiden den 8. April 1681. UA III, S. 589f: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 20. Oktober 1680. 1663 UA III, S. S. 591ff: Amerongen an den Griffier, Berlin den 3. November 1680 1664 UA III, S. 593ff: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 9. November 1680. 1665 UA III, S. 601: Amerongen an den Griffier, Berlin den 23. Februar 1681. 1666 UA III, S. 601: Amerongen an den Griffier, Berlin den 2. März 1681; UA XIV, S. 989: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 28. Februar 1681. 1667 UA XIV, S. 992f: Lamberg an den Kaisere, Berlin den 18. April 1681. 1668 UA XXI, S. 38f: Instruktion für Diest, Lüde den 12. Juli 1681; UA III, S. 607: Amerongen an den Griffier, Berlin den 10. August 1681; UA XIV, S. 1058ff: Votum vom 22. April 1681. 1669 UA XIV, S. 961f: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 30. September 1680, S. 963f: derselbe an denselben, Berlin den 1662

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Zwar zeigte sich der Kaiser von dem Vorgehen des Kurfürsten unangenehm berührt, lehnte eine führende Rolle jedoch vorerst ab, um die ohnehin schon große Unzufriedenheit Friedrich Wilhelms nicht noch zusätzlich auf sich zu lenken1670. Er beschränkte sich deshalb darauf, gute Dienste zur Verfügung zu stellen1671. Inzwischen wurde die Angelegenheit auch mit den Forderungen verknüpft, welche der Kurfürst betreffs Schlesien an den Kaiser erhob. In Berlin ließ man durchblicken, dass man dort zu einer Beilegung der Differenzen mit Spanien bereit war, falls Österreich dem Kurfürsten in der Streitfrage um Jägerndorf entgegenkommen würde 1672 . Die Motivation des Kaisers, sich in diese Angelegenheit einzumischen, war jedoch gering. Er hielt es für angeraten, dass in erster Linie die Generalstaaten den Kurfürsten von seinen Plänen abringen und die erlassenen Plakate aufrecht erhalten sollten1673. Inzwischen drängte man sowohl in Madrid als auch in Wien darauf, dass Spanien die Mediation Englands und der Niederlande annehmen sollte. Auch die Teilnahme des Kaisers an den Vermittlungen wurde als sehr förderlich erachtet 1674 . Erst nachdem der spanische König selbst auf Drängen der Generalstaaten um die Vermittlung gebeten hatte, war der Kaiser zur Übernahme der Vermittlung bereit Zusätzlich war man man auf kaiserlicher Seite bestrebt, den Kurfürsten zu beeinflussen, indem man versuchte, die Kurfürstin dazu zu bringen, entsprechend auf ihren Mann einzuwirken. Dazu versprach man ihr ein großzügiges Geldgeschenk1675. Es wurde sogar die Idee erörtert, dass die Kurfürstin die Carolus Secundus dem spanischen König als Geschenk übergeben und dafür eine angemessene Geldprämie erhalten sollte 1676 . Im Mai 1682 stellte der Kurfürst die Seeexekution gegen Spanien schließlich ein. Danach verhandelte er um einen Ausgleich, der entweder in Geld oder in Form von Ländereien abgegolten werden sollten. Friedrich Wilhelm ließ durchblicken, dass er bereit war, auf alle weiteren Forderungen zu verzichten, wenn der König von Spanien ihm die Insel Trinidad überlassen würde. Auf kaiserlicher Seite wurde dieser Vorschlag begeistert aufgenommen, da man endlich eine Möglichkeit sah, den Kurfürsten wieder auf die Seite des Reichs und weg vom französischen König zu ziehen 1677. Zudem befürchtete man in Wien, dass durch diese Affäre die freie Wahl des Kaisers durch die Kurfürsten gefährdet werden und dass im

6. Oktober 1681 UA XIV, S. 966f: Der Kaiser an Lamberg, Linz den 13. Oktober 1680. 1671 UA XIV, S. 991f: Der Kaiser an Lamberg, Linz den 2. April 1681. 1672 UA XIV, S. 969: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 30. Oktober 1680, S. 979ff: derselbe an denselben, Berlin den 27. Dezember 1680. 1673 UA XIV, S. 969: Der Kaiser an Lamberg, Linz den 17. Dezember 1680. 1674 UA III, S. 606f: Bruijninex an die Generalstaaten, Neustadt den 27. Juli 1681, S. 646: derselbe an Amerongen, Wien den 2. April 1682. 1675 UA XIV, S. 1001f: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 11. August 1681; S. 1063ff: derselbe an denselben, Berlin den 13. Juni 1683. 1676 UA III, S. 657f: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 11. Februar 1683. 1677 UA XIV, S. 1021: Lamberg an den Kaiser, Wien den 6. April 1682. 1670

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schlimmsten Fall die Kaiserkrone an Ludwig XIV. fallen könnte1678. Bezüglich Jägerndorf hatte der Kaiser, obgleich die Forderung des Kurfürsten gänzlich unberechtigt war, sich wiederholt zur Zahlung einer größeren Geldsumme bereit erklärt. Da Lamberg bisher keine günstige Gelegenheit gefunden hatte, die Sache vorzubringen, war in der Angelegenheit längere Zeit nichts geschehen. Lamberg sollte herausfinden, ob der Kurfürst sich mit einer Summe von 180.000 Reichstaler zufrieden geben würde und der Kurfürstin zu verstehen geben, dass der Kaiser bereit war, ihr bis zu 20.000 Reichstaler zu zahlen, wenn sie im Gegenzug Friedrich Wilhelm dazu bringen könnte, für diese Summe seinen vermeintlichen Ansprüchen auf Jägerndorf zu entsagen 1679. Inzwischen hatte auch der Fürst von Anhalt, allerdings ohne die Mitwirkung durch Lamberg, ein Projekt zur Beilegung der Differenzen des Kurfürsten mit Spanien entworfen. Demnach sollte der spanische König insgesamt 500.000 Reichstaler zahlen, davon sollten 100.000 sofort und der Rest in Raten zu späteren Zeitpunkten an den Kurfürsten fließen. Friedrich Wilhelm verlangte mindestens 800.000 Reichstaler, davon 200.000 Reichstaler sofort, den Rest in spätestens vier Jahren und die Einbehaltung der Carolus Secundus1680. Auch im Geheimen Rat sah man die Gefahr der Schwächung des Kaisers, falls es Spanien mit seinen Zahlungsangeboten nicht ernst meinen würde 1681 . Zudem stand das Reich durch den Einfall der Türken vor einer doppelten Bedrohung, und in Wien war man deswegen erheblich daran interessiert, dass der Kurfürst gerade jetzt keine für das Reich ungünstige Allianz mit Frankreich einging. Deshalb waren nach der Meinung des Fürsten von Anhalt und dem Kurprinzen die beste Lösung, dass der Kaiser einen Vorschuss von 300.000 Reichstaler auf die spanische Subsidienforderung geben würde 1682 . Lamberg war zudem davon überzeugt, dass sich nach Beendigung des Konflikts mit Spanien die Frage um Jägerndorf besser eine Lösung gefunden werden konnte. Tatsächlich kamen alle Verhandlungen und Vermittlungsversuche über die spanischen Subsidien nie zu einem Anschluss. Bis zum Jahr 1685 war für diese Frage keine Lösung gefunden worden1683. Nach der Ansicht des Baron Fridag von Gödens, Nachfolger Lambergs als kaiserlicher Gesandter am kurfürstlichen Hof, sollte der spanische König dem Kurfürsten baldmöglichst eine größere Summe Geld offerieren, damit der Kurfürst mit diesen Geldern im Rahmen einer Allianz mit dem Reich eine Flotte von zwölf bis achtzehn Kriegsschiffen ausrüsten sollte1684. Kurz zuvor hatte Frankreich offenbar versucht, sich diese Situation zunutze zu machen und dem Kurfürsten ebenfalls für die Ausrüstung von Kaperschiffen gegen Spanien 350.000 1678

UA III, S: 646: Bruijninex an Amerongen, Wien den 2. April 1682. UA XIV, S. 1031ff: Instruktion für Lamberg, Wien den 23. April 1683. 1680 UA XIV, S. 1042f: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 12. August 1682. 1681 UA XIV, S. 1047ff: Votum vom 4. September 1682. 1682 UA XIV, S. 1049ff: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 18. Dezember 1682. 1683 UA XIV, S. 1176ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 16. Juli 1685. 1684 UA XIV, S. 1178f: Fridag an den Kaiser, Potsdam den 3. August 1685. 1679

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Reichstaler geboten1685. Da man in Wien nicht mehr auf die militärische Hilfe des Kurfürsten gegen die Türken verzichten konnte, erwogen einige Deputierte im Umfeld des Kaisers sogar, die spanische Schuld auf den Kaiser zu übertragen, um dem Kurfürsten zu signalisieren, dass diese Schuld nicht verloren war und ihn so als Bündnispartner halten zu können1686. Keine dieser Ideen ist jemals verwirklicht worden. Im April 1681 berichtete der französische Gesandte Rébenac Ludwig XIV., dass sich die Ratifikation des Vertrags zwischen Brandenburg und Hannover verzögern würde, weil Hannover nicht zur Hilfeleistung verpflichtet werden wollte, falls Spanien Gegenmaßnahmen ergreifen sollte 1687 . In Berlin ging man davon aus, dass Hannover im Einverständnis mit den Generalstaaten und dem Kaiser handelte. Auch die ein Jahr später abgeschlossene Defensiv-Allianz mit Dänemark verpflichtete zwar König Christian V. und Kurfürst Friedrich Wilhelm bei der Erlangung der beiden Staaten noch ausstehenden spanischen und niederländischen Subsidien zu gegenseitiger Assistenz. Der dänische König beschränkte sich jedoch bei den aus der See-Exekution gegen Spanien herrührenden Differenzen ausdrücklich auf "bona officia"1688.

7.3. Die Niederlande und der brandenburgische Westafrikahandel

Grundsätzlich versuchten die Niederlande, jedes Aufkommen von Konkurrenz im Seehandel bereits im Keim zu ersticken. Kurfürst Friedrich Wilhelm musste bereits 1660 feststellen, dass man in Den Haag der Bildung einer brandenburgischen Flotte äußerst misstrauisch gegenüberstand. Allerdings hinderte sie dies nicht im geringsten daran, das Gegenteil zu behaupten, wenn es ihnen dienlich erschien. Während des Krieges versuchten die Schweden im Jahr 1676, den Kurfürsten gegen günstige Bedingungen zur Neutralität zu bewegen, was allerdings nicht im Sinne der Generalstaaten war1689. Während in Den Haag die Entrüstung über die Kaperfahrten Raules groß war, schließlich fügte Raule mit seiner an den Kurfürsten vermieteten Flotte auch dem niederländischen Schiffsverkehr in Nord- und Ostsee empfindlichen Schaden zu, versicherte man auf dem diplomatischen Parkett, dass die Schiffsausrüstungen des Kurfürsten gerne gesehen wurden und boten entsprechende Hilfe an1690. Um den Kurfürsten in der Allianz gegen Schweden zu halten, versuchten die Niederlande, ihn mit der Unterstützung seines Lieblingsplans einer eigenen Flotte in der Ostsee, zu unterstützen und boten ihm sogar Schiffe zum Kauf an, welche um ein Drittel billiger sein sollten1691. Ganz offensichtlich handelte es sich hier um ein rein zweckgebundenes Angebot, 1685

UA XIV, S. 1194ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 6. November 1685. UA XIV, S. 1207ff: Relatio Conferentiae vom 22. November 1685. 1687 UA XX, S. 549: Rébenac an Ludwig XIV, Berlin den 19. April 1681. 1688 Moerner: Staatsverträge, S. 428 Nr. 248. 1689 Philippson II, S. 373. 1690 UA III, S. 479: Instruktion für Jakob van der Tocht, Den Haag den 5. Juni 1676. 1691 UA XVIII, S. 146ff: Der Kurfürst an Blaspeil und Romswinckel, Köln den 8./18. Juni 1676. 1686

364

dass die Niederlande kaum ernst gemeint haben dürften. Sie dachten gar nicht daran, dem Kurfürsten in der Frage der von Raule aufgebrachten Prisen entgegen zu kommen 1692 . In den nachfolgenden Kriegsjahren kühlte sich das Verhältnis zwischen Brandenburg und den Niederlanden merklich ab und wich nach dem Frieden von Nimwegen einer ausgesprochen gespannten Atmosphäre. Als im September 1680 die ersten Schiffe unter brandenburgischer Flagge, jedoch von Raule ausgerüstet, nach Guinea fuhren, hatte der Kurfürst durch Raule die Expedition bei den Direktoren der WIC dies vor Auslaufen der Schiffe gemeldet. Bereits hier bestand die WIC auf ihr Monopol auf den Handel in Westafrika1693. Sie betrachteten den brandenburgischen Versuch, den Handel mit Westafrika aufzunehmen als klaren Rechtsbruch und versuchten, ihn zusammen mit englischer Hilfe wieder davon abzubringen 1694 . Die WIC betrachtete aufgrund der Tatsache, dass die brandenburgischen Schiffe überwiegend mit niederländischen Seeleuten und niederländischem Kapital ausgerüstet waren, als ein verkapptes

niederländisches Unternehmen, in dem

niederländische Kaufleute, die nicht den niederländischen Kompanien angehörten, den Handel der WIC schädigen wollten 1695 . Selbst die Tatsache, dass der Kurfürst den Kapitänen ausdrücklich verboten hatte, niederländische Schiffe anzugreifen bzw. nichts zu unternehmen, was dem niederländischen Handel in Westafrika irgendwie schaden könnte, konnte daran etwas ändern1696. Dieser Vorwurf war keineswegs neu. Schon 1647 befürchtete der kurz zuvor in brandenburgische Dienste getretene niederländische Admiral Gijsels van Lier bei der Aufnahme eines brandenburgischen Ostindienhandels Schwierigkeiten mit den Niederlanden, weshalb er sich dafür einsetzte, das geplante Projekt so lange geheim zu halten, bis die Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück zum Abschluss gekommen waren1697. Die WIC sah ihr Monopol in Gefahr und reagierte auf die Anwesenheit der brandenburgischen Schiffe dann auch entsprechend. Kurz nachdem der erste Vertrag zwischen den drei Häuptlingen unterzeichnet war, brachte die WIC das Schiff Wappen von Brandenburg auf und beschlagnahmte sowohl das Schiff als auch die Ladung aufgrund der niederländischen Herkunft des Kapitäns. Weitere von Raule und seinen niederländischen Geschäftspartnern ausgerüstete Schiffe wie die Fortuna und die Kurprinz wurden sogar noch vor ihrem Auslaufen von den Niederlanden beschlagnahmt oder belästigt. Der brandenburgische Gesandte Friedrich Wilhelm von Diest berichtete Ende Oktober 1681, dass in einer mit den Deputierten der Generalstaaten abgehaltenen Konferenz diese ihm vorgestellt hätten, dass das vor Rotterdam liegende Schiff Leute rekrutieren würde, die früher in Diensten der WIC 1692

UA III, S. 483f: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Feldlager den 3. Juli 1676. UA III, S. 585: Die Direktoren der WIC an die Generalstaaten, Amsterdam, September 1680. 1694 UA III, S. 586: Resolution der Staaten von Holland und Westfriesland, den 26. September 1680. 1695 Dantzig: Nederlandse aandeel, S. 52; Menkman: WIC, S. 158; Paesie: Lorrendrayen op Africa, S. 43. 1696 UA III, S. 602: Amerongen an den Griffier, Berlin den 5. März 1681. 1697 GSTA Rep. 11 Nr. 5237, Blatt 1-5. 1693

365

gestanden und sich verpflichtet hätten, in keines anderen Herrn Dienst nach solchen Küsten zu fahren, an sich zu ziehen. Deshalb hätte die WIC Grund, darüber zu klagen und das Recht, entsprechend dagegen vorzugehen. Wegen des anderen Schiffes wollten sie, wenn die Angaben in den Attesten richtig wären, dem Kurfürsten Satisfaktion leisten. Wegen der weiten Entfernung aber könnte das erst nach einiger Zeit geschehen. Er habe aber erklärt, er habe Befehl, positive Resolution zu verlangen und mehrfach versichert, dass die Kurprinz ein Schiff des Kurfürsten sei 1698 . Ähnlich erging es dem Kaufmann Gillis Royaert aus Vlissingen. Er ließ die Fregatte Fortuna auszurüsten, mit Waren beladen und deren Kapitän Laurenz Soetelincx mit einem kurfürstlichen Seepass versehen, der ihm von Raule ausgehändigt worden war. Die WIC wusste, dass dieses Schiff nach der Küste von Guinea beordert war und verlangte, dass Royaert ihr eine Kaution stellte und versichern sollte, dass die Fortuna nicht nach Guinea fahren und dort Handel treiben werde. Als Royaert sich weigerte, ließ die WIC die Fregatte beschlagnhamen, worauf Royaert sich aufs heftigste bei der WIC über die Beeinträchtigung des Kurfürsten beschwerte 1699. In Afrika versuchten die lokalen niederländischen Autoritäten in den Jahren 1682/1683, Otto Friedrich von der Gröben daran zu hindern, eine brandenburgische Niederlassung in Westafrika zu gründen. In Accada, gelang es den Niederländern, Gröben zuvorzukommen, der Protest des niederländischen Kaufmanns in Axim gegen die brandenburgische Besetzung des Berges Mamfort am Kap der Drei Spitzen blieb jedoch erfolglos. Der wenige Tage später durch einen feindlichen Negerstamm durchgeführte erfolglose Angriff auf die Brandenburger ging wahrscheinlich auf die Initiative der WIC zurück. Auf dem politischen Parkett übernahmen die Generalstaaten die Argumentation der WIC. Neben den bereits erlassenen Plakaten, die den niederländischen Untertanen den Dienst auf fremden Schiffen verboten, die als Kaperfahrer unterwegs waren, erneuerten sie weitere Verbote, die allen Untertanen, die nicht den Kompanien angehörten, jede Fahrt aus einem niederländischem Hafen nach Afrika sowie die Annahme fremder Dienste, um dort Schifffahrt und Handel zu treiben. Zwar billigten sie fremden Potentaten das Recht zu, aus ihren eigenen Häfen mit eigenen Schiffen, die mit eigenen Untertanen bemannt waren, die nicht unter dem Schutz der Generalstaaten oder der niederländischen Kompanien standen, Schiffe auszuschicken. Diese Verbote waren keineswegs neu. Bereits 1624 hatten die Generalstaaten das erste derartige Plakat erlassen, um der WIC im Kampf gegen Spanien den Rücken zu stärken. Ihrer Meinung nach sollte fremden Mächten nicht erlaubt sein, was den eigenen Untertanen verboten war. Das Verbot des Handels und der Schifffahrt in Afrika bezog sich praktisch auf die gesamte Guineaküste, mit Ausnahme der bereits existierenden

1698 1699

UA XXI, S. 44f: Diest an den Kurfürst, Den Haag den 8./18. Oktober 1681. UA III, S. 622ff: Die Generalstaaten an den Kurfürst, Den Haag den 7. November 1681.

366

spanischen, portugiesischen, englischen und französischen Besitzungen 1700 . Die Niederländer gingen davon aus, dass die westafrikanischen Küsten bzw. deren Märkte bereits vollständig unter den europäischen Mächten aufgeteilt und somit kein Platz mehr für einen neuen Mitbewerber war. Sogar das Gesuch, kurfürstliche Schiffe im Notfall aufzunehmen und Hilfe zu leisten, wurde für sämtliche niederländischen Häfen in Westafrika verweigert

1701

. Sie wiesen den Kurfürsten

mehrmals darauf hin, dass sie niederländischen Untertanen, die nicht in der WIC organisiert waren, den Handel in diesen Bereichen auch dann nicht gestatten würden, wenn sie unter kurfürstlicher Flagge fahren würden und baten den Kurfürsten darum, derartige Unternehmungen aufzugeben, um Streitigkeiten zu vermeiden. Friedrich Wilhelm erklärte sich bereit, keine weiteren Schiffe mehr in niederländischen Häfen ausrüsten zu lassen und versicherte, den Handel der WIC nicht stören zu wollen. Deren ausschließliche Recht, in Westafrika Handel zu treiben, wollte Friedrich Wilhelm jedoch nicht akzeptieren 1702 . Den Ansprüchen der Niederlande auf ausschließlichen Handel in Westafrika setzte er die von Hugo Grotius entwickelten Thesen über die Freiheit von Schifffahrt und Handel entgegen1703. Alle europäische Nationen, sogar der Herzog von Kurland und die Stadt Hamburg engagierten sich im Seehandel, was die WIC bis dahin nicht hatte verhindern können. Deshalb erwartete der Kurfürst von den Generalstaaten, dass sie deshalb auch ihm den Handel entsprechend zugestehen sollten, wenigstens dort, wo die anderen europäischen Mächte keine Handelsstützpunkte unterhielten und mit den Einheimischen keine entsprechenden Verträge abgeschlossen hatten 1704 . Gegen die Beschlagnahme der Wappen von Brandenburg erhob er mehrfach Protest. Zudem hatte sich herausgestellt, dass die Beschlagnahme des Schiffes durch die WIC rechtswidrig in neutralen Gewässern stattgefunden hatte, was von mehreren Augenzeugen bestätigt wurde. Wegen der Rückgabe stellte der Kurfürst der WIC schließlich ein Ultinatum: sollte die WIC nicht binnen vier Wochen Satisfaktion geben, würde er sie sich selbst nehmen 1705. Die Generalstaaten antworteten mit einer entsprechenden Gegendrohung. Gegen Ende des Jahres 1682 ließ der Kurfürst die Fregatte Fuchs zu einem Kaperunternehmen gegen die Niederlande ausrüsten. Allerdings erlitt die Fuchs kurz nach ihrem Auslaufen Schiffbruch in der Ostsee. Zusammen mit der ebenfalls ungeklärten Frage der niederländischen Subsidien und der brandenburgischen Repressalien gegen Spanien führte der Konflikt zu endlosen Diskussionen die vor allem auf der Seite des Kurfürsten teilweise mit viel Temperament geführt wurden und folgerichtig keine

1700

UA III, S. 596ff: Resolution der Generalstaaten vom 16. November 1680, S. 600: Resolution vom 13. Dezember 1680. 1701 UA III, S. 634ff: Der Ratspensionär an Amerongen, Den Haag den 2. Dezember 1681UA XXI, S. 30: Memorial für Amerongen, undatiert. 1702 UA III, S. 599f: Amerongen an den Griffier, Berlin den 1. Dezember 1680. 1703 UA III, S. 529ff: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Potsdam den 12. November 1681. 1704 UA XXI, S. 30ff: Resolution des Kurfürsten, Potsdam den 30, November 1680. 1705 UA III, S. 643f: Amerongen an den Griffier, Berlin den 18. Januar 1682.

367

wesentlichen Verbesserungen im Verhältnis zwischen den beiden Staaten nach sich zogen1706. Auch in der Frage wegen der ostfriesischen Angelegenheiten kam es zwischen dem Kurfürsten und den Niederlanden zu Unstimmigkeiten, da Friedrich Wilhelm darin eine Einmischung der Niederlande in Reichsangelegenheiten sah1707. Die Generalstaaten behaupteten, die seit dem Jahr 1620 von ihnen garantierten Verträge zwischen den ostfriesischen Ständen und dem Fürst von Ostfriesland durch das weitere Aushandeln eines Kompromisses aufrecht erhalten zu müssen1708. Friedrich Wilhelm reagierte mir der Drohung, Truppen nach Ostfriesland zu entsenden, falls die Generalstaaten versuchen würden, auf die Fürstin oder die Stände Einfluss zu nehmen 1709. Er sicherte jedoch zu, die entsprechenden Verträge mit den ostfriesischen Ständen unangetastet zu lassen 1710 . Als die Generalstaaten darum ersuchten, dass der Kurfürst seine Truppen aus Ostfriesland abziehen sollte, entgegnete er, dass dies nur mit dem Einverständnis des Westfälischen Kreises tun konnte1711. Der Weg zu einer Verständigung zwischen dem Kurfürsten und den Niederlanden wurde erst frei, als Friedrich Wilhelm begann, sich aus dem französischen Bündnis zu lösen. Im Mai 1685 reiste der Geheime Rat Paul von Fuchs zu neuen Verhandlungen in die Niederlande1712. Die von ihm am 23. August abgeschlossene Allianz beinhaltete auch einen Ausgleich über die bisherigen Streitfragen. Demnach zahlten die Generalstaaten anstelle der seit dem letzten Krieg ausstehen Subsidiengelder 400.000 Reichstaler und zusätzlich 40.000 Reichstaler als Entschädigung für die Wappen von Brandenburg. Der Ausgleich beinhaltete auch, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen der WIC und der BAC in einem Reglement beigelegt werden, welches in Den Haag von Abgeordneten beider Kompanien ausgearbeitet werden sollte

1713

. Damit erkannten die

Generalstaaten den brandenburgischen Überseehandel im Prinzip an, was der Kurfürst bereits im Jahr 1681 von ihnen eingefordert hatte1714. Es zeigte sich jedoch, dass die Generalstaaten über die WIC nur begrenzt Macht hatten. Die Direktoren der WIC waren keineswegs bereit, auf die Gebote ihrer Regierung Rücksicht zu nehmen, die nicht mit ihren eigenen Interessen übereinstimmten. Sie arbeiteten weiterhin eifrig daran, die brandenburgische Konkurrenz zu schädigen, wo es nur ging1715. Obwohl Raule 1686 persönlich nach Den Haag reiste, um dort zusammen mit dem brandenburgischen Gesandten von Diest die Verhandlungen über den Ausgleich zu führen, machten

1706

UA III, S. 639: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 13. Dezember 1681. UA III, S . 908: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Potsdam den 17. August 1681. 1708 UA III, S. 609: Die Generalstaaten an den Kurfürst, Den Haag den 3. Oktober 1681; UA XXI, dieselben an denselben, Den Haag den 3. Oktober 1681. 1709 UA XXI, S. 46: Der Kurfürst an v. Diest, Potsdam den 28./8. November 1681. 1710 UA III, S. 625: Memorial an die Generalstaaten, Den Haag den 18. November 1681. 1711 UA III, S. 697: Amerongen an den Griffier, Potsdam den 4. Mai 1683. 1712 UA XXI, S. 84ff: Instruktion für Paul von Fuchs, Lehnin den 8. Mai 1685. 1713 Moerner: Staatsverträge, S. 469ff Nr. 280; UA XXI, S. 98f: Fuchs an den Kurfürst, Den Haag den 31./10. August 1685. 1714 UA III, S. 629ff: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Potsdam den 12. November 1681. 1715 , S. 85; Stuhr: See- und Kolonialmacht, S. 60. 1707

368

diese keine nennenswerten Fortschritte1716. Die Bewindhaber der WIC beriefen sich konsequent auf die in den Jahren zuvor erlassenen Plakate1717. Obwohl selbst der Prinz von Oranien sich mehrfach für einen für die BAC günstigen Abschluss bei den Bewindhabern der WIC einsetzte, wurden die Verhandlungen weiterhin verzögert. Ende März 1687 reiste zuerst Raule und kurze Zeit darauf auch von Diest wieder ab, ohne die Verhandlungen zu einem Abschluss gebracht zu haben 1718. Raule berichtete am 10. April 1687 dem Kurfürsten, dass die WIC eine Einigung bewusst verschleppt hatte und deswegen das Recht Brandenburgs an den afrikanischen Besitzungen grundsätzlich in Frage stellte1719. Die WIC hoffte, auf diese Weise den Forderungen der BAC auf Entschädigung zu entgehen. Ratspensionär Fagel hatte dem Kurfürsten jedoch zugesagt, die Angelegenheit zu einem guten Ende zu bringen. Auf Wunsch des Prinzen von Oranien bestellte der Kurfürst Jan Pedy zum neuen brandenburgischen Unterhändler in den Niederlanden und erklärte sich bereit, mit dem neuen niederländischen Gesandten Hop in Berlin weiter zu verhandeln. Der Kurfürst bat den Prinzen, diesen zu einer baldigen Einigung zu verhelfen1720. Die Aussicht darauf wurde jedoch keineswegs größer, da die Generalstaaten bereits im Juni 1687 erneut in einer Resolution die Rechtmäßigkeit der brandenburgischen Besitzungen in Westafrika anzweifelten. Zudem verfolgte die WIC in Westafrika, noch während die Verhandlungen andauerten, eine Politik, die sich an dem Grundsatz „no peace beyond the line“ orientierte. Im Jahr 1685 vertrieb sie zwei portugiesische Schiffe, die auf der Reede von Großfriedrichsburg lagen, um dort Handel zu treiben. 1687 beschlagnahmte die WIC in der Nähe von Takoradi die Wasserhund und plünderte das Schiff komplett aus. Der niederländische Kommissar Johann Ham bemühte sich in Berlin nach Kräften, die niederländischen Übergriffe zu rechtfertigen, hatte dabei aber keinen Erfolg. Friedrich Wilhelm verlangte für den erlittenen Schaden sofortige Genugtuung, worauf die Niederlande ihm aus „besonderer Freundschaft“ eine Entschädigung versprachen1721. Im Herbst des selben Jahres holte die WIC dann zum großen Schlag gegen ihren brandenburgischen Konkurrenten aus und überfiel deren Besitzungen in Westafrika, wobei Accada und Takoradi besetzt werden konnten. Da die Niederlande den Kurfürsten in ihrer Opposition gegen den englischen König Jakob II. als Bündnispartner benötigten, sah man sich in Den Haag daher umgehend genötigt, dem Kurfürsten Satisfaktion zu versprechen. Die WIC wurde angewiesen, sich in Verteidigungsbereitschaft gegen eventuelle brandenburgische Übergriffe zu versetzen, zugleich sollte sie aber auch die Übergriffe auf

1716

UA XXI, S. 118: von Diest an den Kurfürst, Kleve den 5. November 1686: S. 118f: derselbe an denselben, Den Haag den 12./22. November 1686. 1717 UA XXI, S. 122: von Diest an den Kurfürst, Den Haag den 8./18. Februar 1687. 1718 UA XXI, S. 123: von Diest an den Kurfürst, Den Haag den 11./21. März 1687 mit Anm. 3. 1719 Boxer, Charles: The Dutch Seaborne Empire, London 19675Schück II, S. 299 Nr. 118. 1720 Schück I, S. 212ff. 1721 Schück I, S. 213, UA III, S. 779.

369

brandenburgische Kaufleute an ihren tatsächlich okkupierten Plätzen unterlassen 1722 . Im Januar 1688 beschlagnahmte die WIC die brandenburgische Fregatte Berlin, das sie angeblich in Seeland ausgerüstet worden war und brachte sie nach Elmina. Der Schaden belief sich angeblich auf 122.775 Gulden1723. Im Sommer 1688 stellten die Direktoren der WIC in Den Haag neue Forderungen, die eine Legalisierung der bisher rechtswidrig durchgeführten Beschlagnahme der brandenburgischen Schiffe und die endgültige Annexion der Stützpunkte Accada und Takoradi zum Ziel hatten1724. Der zweite Streitpunkt waren die Dörfer Accada und Takoradi. In dem Kommissionsbericht, der Ende 1687 von den Generalstaaten in Auftrag gegeben worden war, um ein Reglement zwischen der BAC und der WIC auszuarbeiten, wurden die brandenburgischen Besitzungen in Westafrika von den Generalstaaten offenbar stillschweigend anerkannt, womit die Direktoren der WIC unzufrieden waren. Sie verlangten, dass sich die Generalstaaten bei den Verhandlungen mit Kurfürst Friedrich III. für die Eingabe der beiden Stützpunkte entsprechend einsetzen sollten1725. Sie erreichten ihr Ziel allerdings nur zum Teil. Accada musste an die BAC zurückgegeben werden. Sicher geschah dies, um den neuen Kurfürsten im Bündnis gegen England zu halten. Der folgende jahrelange Krieg gegen Frankreich band Brandenburg und die Niederlande so eng aneinander, dass sich einerseits die WIC gegenüber ihrem brandenburgischen Konkurrenten ruhig verhielt, andererseits ein definitives Zugeständnis wegen der Wünsche des Kurfürsten in Bezug auf Westafrika der WIC politisch nicht mehr notwendig erschien. Der Kompromiss vom 1. März 1690 und dem daraus resultierenden Schiedsgerichtsspruch vom Februar 1694 brachten dem Kurfürsten nur teilweise Erfolg.1726. Noch im Jahr 1700 war eine endgültige Regelung bei der Erneuerung des Bündnisses zwischen Brandenburg und den Niederlanden noch immer nicht zustande gekommen, obwohl genau das Bestandteil des Vertrags war1727. Nach dem Frieden von Utrecht schwenkte die WIC erneut auf eine härtere Linie gegenüber der BAAC ein. Sie weigerte sich, die nun unter preußischer Flagge segelnden und in den Niederlanden ausgerüsteten Schiffe als reguläre Handelsfahrer anzusehen und behandelte sie als Monopolbrecher. Nicht zuletzt dadurch wurde König Friedrich Wilhelm I. dazu ermutigt, die Reste der BAAC zu verkaufen. Obwohl die Niederlande grundsätzlich bemüht waren, aufkommende Konkurrenz bereits im Keim zu ersticken, waren sie durchaus bereit, von dieser Vorgehensweise abzurücken, wenn konkrete übergeordnete Interessen, in diesem Fall der Kampf gegen die französische Hegemonie, dies erforderlich machte. Es konnte in dieser Situation jedoch 1722

UA III, S. 800: Resolution der Generalstaaten vom 27. Dezember 1687. Schück I, S. 218. 1724 The Making of the Modern World, Gale Document Nr. U3601481863. 1725 Redlich, Fritz: Ein vergessenes Dokument zur deutschen Kolonial- und Handelsgeschichte, in: VSWG 46, Stuttgart 1959, S. 262-263. 1726 GStA Rep. 34 Nr. 6030: Extract myt het Register der resolution van de hoog moogenden Heren Staten Generaal der Vereenigde Nederlanden, den 20. September 1690. 1727 Moerner: Staatsverträge, S. 668ff Nr. 439. 1723

370

vorkommen, dass die betroffene Handelskompanie, die um der höheren Politik willen zurückstehen sollte, ihre eigenen Wege ging und auf die politischen Vorgaben ihrer Regierung keine Rücksicht nahm. Mitunter versuchte die WIC sogar, die Regenten in Den Haag durch gewaltsames Vorgehen in den Kolonien vor vollendete Tatsachen zu stellen.

7.4. Frankreich und der brandenburgische Westafrikahandel

Wie bereits gezeigt, hatte Ludwig XIV. Kurfürst Friedrich Wilhelm für dessen Exekution gegen Spanien seine volle Unterstützung zugesagt. Der Zweck dieser Unterstützung war, Brandenburg aus seiner politischen Verbindung zum Reich herauszulösen und an die Seite Frankreichs zu binden. Ludwig XIV. erhoffte sich durch einen Schulterschluss mit dem brandenburgischen Kurfürsten, bei der nächsten Kaiserwahl im Reich durch dessen Unterstützung, entweder selbst oder einer seiner Nachkommen bzw. einer ihm gelegenen Person in Besitz des Kaiserthrons zu kommen. Dafür versprach Ludwig XIV. dem Kurfürsten kurz nach dem Frieden von St. Germain für diesen Fall neben der Garantie seiner Besitzstände auch Subsidien in Höhe von jährlich 100.000 Livres auf 10 Jahre, die der Kurfürst für den Unterhalt seines verhältnismäßig großen Heeres dringend benötigte1728. Frankreichs Reunionspolitik verschaffte Ludwig XIV. eine zunehmende Gegnerschaft in Europa und eine zunehmende latente Kriegsgefahr, welche einen günstigen Nährboden für derartige Bündnisverträge darstellte. Obwohl Friedrich

Wilhelm mit der französischen

Reunionspolitik nicht einverstanden war, nahm er das Vorgehen Ludwigs XIV. in Kauf, um seine eigenen Pläne verfolgen zu können. Er sicherte Ludwig XIV. seine Hilfe zu, indem er ausdrücklich darauf verzichtete, Recht oder Unrecht des Verbündeten bei dessen Hilfegesuch zu untersuchen, was nichts anderes bedeutete, die Reunion Frankreichs notfalls auch militärisch zu unterstützen. Dafür versprach ihm der König nun 100.000 Reichstaler jährlich für die nächsten zehn Jahre. Das Haus Braunschweig hatte kurz zuvor ein ähnliches Bündnis mit Frankreich geschlossen, dies war jedoch nur von kurzer Dauer. Friedrich Wilhelm hegte offensichtlich die Hoffnung, in einem Dreibund mit Frankreich und Dänemark endlich Schweden aus Pommern zu vertreiben1729. Genau das wollte Ludwig XIV. jedoch vermeiden. Er brauchte den Kurfürsten zur Durchführung seiner Reunionspolitik und köderte ihn mit der Aussicht auf den Erwerb von Schwedisch-Pommern. Aber sobald es ernst wurde, zog er sich wieder zurück und vermied es tunlichst, verbindliche Zusagen zu machen. Der französische Gesandte Rébenac verstand es meisterhaft, dem Kurfürsten Hoffnungen vorzuspiegeln und ihn bei gutem Willen zu halten, ohne dass Frankreich irgendwelche Zugeständnisse machen musste. Dazu gehörte auch, die Entrüstung des Kurfürsten wegen der 1728 1729

Hintze, Otto: Die Hohenzollern und ihr Werk. 500 Jahre vaterländische Geschichte, Berlin 1915, S. 239f. Hinze: Hohenzollern, S. 240.

371

Wegnahme der Wappen von Brandenburg durch die WIC1730. Allerdings scheute Rébenac sich nicht, den Wünschen des Kurfürsten nach Hilfe für seine Seefahrtspläne zurückhaltend zu begegnen, wenn er dadurch etwas zu erreichen hoffte, das im Sinne Frankreichs war. So hatte Ludwig XIV. Rébenac mitgeteilt, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte, dass französische Seeoffiziere, die ihre Heimat aus religiösen Gründen verlassen hatten, in brandenburgischen Diensten standen, da der König die Meinung seines Gesandten teilte, nach der sich diese im Grunde immer noch französisch gesinnten Auswanderer irgendwann als nützlich erweisen konnten1731. Gegen Ende des Jahres 1681 teilte der Kurfürst Ludwig XIV. mit, dass er Repressalien gegen die Niederlande in der Ostsee, da die Generalstaaten die Kenntnis von der Wegnahme der Wappen von Brandenburg leugneten. Friedrich Wilhelm ließ den König fragen, ob dieser, falls die Niederlande in dieser Angelegenheit in Ruptur treten sollten, den Bündnisfall für gegeben betrachten würde. Diese Anfrage beinhaltete auch das Angebot, interessierten französischen Untertanen brandenburgische Kaperbriefe auszustellen1732. Ludwig XIV. erteilte darauf zwar eine positive Antwort, jedoch meldete Rébenac wenige Tage später, dass er es für angebracht hielt, dem Kurfürsten in dieser Angelegenheit vorerst die kalte Schulter zu zeigen, um ihn gegenüber der königlichen Wünsche und Vorschläge betreffs Kurpfalz und dem kurz bevorstehenden Abschluss der neuen Defensivallianz gefügig zu machen1733. Derartige Beistandsbekundungen waren ein einfaches und billiges Mittel, einen Alliierten an sich zu binden. Dies geschah vor allem dann, wenn absehbar war, dass ein entstehender Konflikt viel Aufsehen erregte, aber keinen echten Krieg nach sich ziehen würde. Frankreich verweigerte seine Hilfeleistung immer dann, wenn die Pläne Friedrich Wilhelms tatsächlich den Frieden in Europa zu gefährden drohten. Dies geschah sowohl in der Absicht, Truppen nach Geldern zu verlegen, um sich einem eventuellen Angriff gegen spanische Truppen zur Wehr zu setzen wie auch in der Absicht, Schwedisch-Pommern anzugreifen1734. Deutlich distanzierter verhielt man sich am französischen Hof gegenüber den Forderungen des Kurfürsten, die geeignet erschienen, den eigenen Handel zu beeinträchtigen. Auf den von Friedrich Wilhelm bereits 1679 angestrebten Handelsvertrag ging man am französischen Hof gar nicht ein. Den kurfürstlichen Untertanen wurde auch nicht gestattet, auf Martinique, Guadeloupe oder den anderen französischen Inseln in der Karibik Handel zu treiben1735. Die Order des Königs, welche dem Gouverneur der französischen Antillen die Aufnahme der gegen Spanien ausgesandten brandenburgischen Schiffe in den dortigen Häfen befahl, betonte ausdrücklich, dass dadurch die bereits seit langer Zeit geltenden Bestimmungen, die den Handel mit nicht-französischer Ware verboten, in keiner Weise berührt 1730

Buch II, S. 216. UA XX, S. 552: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 17. Mai 1681 mit Anm. 1. 1732 UA XX, S. 607ff: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 9. Dezember 1681. 1733 UA XX, S. 614: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 17. Januar 1682. 1734 Boissonade: Relations Economiques, S. 274; UA XIX, S. 347f: Meinders an den Kurfürst, Paris den 1. August 1679. 1735 UA XX, S. 665f: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 3. September 1682. 1731

372

werden sollten1736. Die im den Jahren 1681 und 1682 abgeschlossenen Allianzen beinhalteten nur Bestimmungen, die sehr allgemein gehalten waren, weshalb Friedrich Wilhelm seine Wünsche durch seinen Gesandten Spanheim am französischen Hof immer wieder vorbringen ließ. Immerhin erhielt der Kurfürst die Zusage, dass die brandenburgischen Schiffe in französischen Häfen den niederländischen Schiffen gleichgestellt waren1737. Der Kurfürst intensivierte nach dem Abschluss der Handelsverträge mit den ostfriesischen Ständen und der Stadt Emden seine Bemühungen sogar noch, da er sich verpflichtet hatte, für die ostfriesischen Schiffe, die unter brandenburgischer Flagge fuhren, bei Ludwig XIV. die gleichen Privilegien zu erwirken, wie sie bereits für die eigenen Untertanen galten 1738 . Auf Anraten Spanheims bemühte sich der Kurfürst nun, entsprechende Artikel in den neuen Vertrag mit Frankreich einzubringen. So verlangte der Kurfürst für die ostfriesischen Untertanen die gleichen Privilegien, wie sie bereits seinen eigenen Untertanen gewährt wurden sowie weitere Privilegien für die BAC. Rébenac riet dem König zur Annahme dieser Forderungen im Austausch gegen brandenburgische Zugeständnisse, die zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht spezifiziert worden waren1739. Ludwig XIV. wies seinen Gesandten allerdings an, dem Kurfürsten lediglich mitzuteilen, dass die Schiffe, die tatsächlich dem Kurfürsten gehörten, in den französischen Häfen nicht schlechter behandelt werden sollten als die niederländischen Schiffe. Zugleich ordnete er unmissverständlich an, keinerlei Versprechen zu machen und jegliche verbindliche Zusage zu vermeiden1740. Rébenac sollte sich, wie man in Versailles auch Spanheim gegenüber verfuhr, darauf berufen, dass die gewünschten Handelsangelegenheiten von allen Seiten betrachtet werden mussten, bevor eine Entscheidung getroffen werden konnte und dass der König über die Wünsche des Kurfürsten erst entsprechende Gutachten von Kaufleuten in den wichtigsten französischen Hafenstädten einholen wollte. Auf diese Weise ließ sich eine entsprechende Zusage so lange verschieben, bis das Bündnis abgeschlossen war. Währenddessen wurde Spanheim mit weiteren Verhandlungen über Vergünstigungen für die brandenburgische Schifffahrt betraut 1741. Es gelang ihm, für drei ostfriesische Schiffe die Erlaubnis zu erwirken, französische Häfen anzulaufen1742. Zugleich sah sich Rébenac jedoch genötigt, in Berlin gegen die seiner Meinung nach allzu freigiebige Ausstellung von französischen Seepässen einzuschreiten. Er argumentierte gegenüber den verantwortlichen Räten, dass der König nur bereit war, dem Kurfürsten zu Ehren die Schiffe bevorzugt zu behandeln, welche diesem persönlich gehörten und dass dieses Zugeständnis

1736

Boissonade: Relations Economiques, S. 456. UA XX, S. 828: Ludwig XIV. an Rébenac, 2. Dezember 1683. 1738 UA XIX, S. 495f: Der Kurfürst an Spanheim, Köln den 8./18. Januar 1684 mit Anm. 3. 1739 UA XX, S. 840f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 11. Januar 1684. 1740 UA XX, S. 841: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 13. Januar 1684. 1741 UA XX, S. 847: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 1. Februar 1684. 1742 UA XIX, S. 499f: Spanheim an den Kurfürst, Paris den 1. Februar 1684; UA XX, S. 852: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 17. Februar 1684. 1737

373

keineswegs auf andere Schiffe, von denen der Kurfürst nichts wisse, ausgeweitet werden konnte1743. Rébenac unterstützte auch den Wunsch des Kurfürsten, mit der Erlaubnis des französischen Königs eine brandenburgische Niederlassung auf der französischen Insel St. Vincent zu gründen. Dies tat er allerdings nicht, um dem Kurfürsten einen Gefallen zu tun. Rébenac sah in der Unterstützung der Handelspläne Friedrich Wilhelms eine gute Gelegenheit, sich den Kurfürsten auf eine Art und Weise zu Dank zu verpflichten, die für Frankreich kaum nachteilige Folgen haben konnte. Rébenac ging davon aus, dass spätestens nach dem Tod Friedrich Wilhelms dessen Handelskompanie zusammenbrechen würde, da er zum einen nicht damit rechnete, dass der Kurprinz die Bemühungen seines Vaters fortsetzen würde und zum anderen die Teilhaber der BAC sich überwiegend aus Höflingen zusammensetzte, die sich auf diese Weise bei ihrem Herrn einschmeicheln wollten und dass der Fond der Kompanie so gering war, dass sie bereits durch einen kleinen Sturm oder einen einzigen Piratenüberfall ruiniert werden konnte1744. Auch wären alleine die Schwierigkeiten ausreichend, die England diesem Plan entgegensetzen würde, um den Kurfürsten von seinen kolonialen Ambitionen wieder abzubringen. Ludwig XIV. erteilte dazu jedoch nicht die Genehmigung1745. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Mächten kam es in Westafrika zwischen Brandenburg und Frankreich zu keinen nennenswerten Reibereien, da Frankreich an der Goldküste keine Handelsstützpunkte besaß. Lediglich die im Jahr 1685 erworbene Insel Arguin lag im Einzugsbereich der französischen Senegal-Kompanie. Diese reagierte auf das Auftreten fremder Konkurrenz allerdings auf die gleiche Weise wie die WIC. Als im Jahr 1685 die brandenburgische Fregatte Morian im Gambiagebiet Handel treiben wollte, wurde sie von einem französischen Schiff aufgebracht und beschlagnahmt. Als der Kurfürst davon erfuhr, erklärte Rébenac, dass man den Schaden dem Kapitän des betreffenden französischen Schiffes zur Last legen würde, falls man ihm in Frankreich habhaft werden konnte. Falls es sich jedoch um einen Überfall durch einen französischen Piraten handelte, so würde man in Frankreich mit dem verantwortlichen Piraten wie mit jedem anderen Piraten verfahren 1746 . Die Nachricht über die Wegnahme der Morian traf in Berlin zu der Zeit ein, als der Kurfürst gerade mit Frankreich wegen der pfälzischen Erbfolge und der kurz zuvor abgeschlossenen Allianz mit den Niederlanden in Meinungsverschiedenheiten lag. Rébenac bezeichnete den Zwischenfall vor der Gambiaküste als „kleinen Unfall“1747. Friedrich Wilhelm sah in der Wegnahme der Morian jedoch ein klares Zeichen dafür, dass Ludwig XIV. auf einen Bruch mit Brandenburg zusteuerte1748. Bisher ging man in Berlin und im Berwindhaberkollegium davon aus, dass nur die Engländer dort einen Handelsstützpunkt am 1743

UA XX, S. 853: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 19. Februar 1684. UA XX, S. 858f: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 29. Februar 1684. 1745 Gierats: Benjamin Raule, S. 280. 1746 UA XXI, S. 257: Der Kurfürst an Spanheim, Potsdam den 4./14. Juli 1685. 1747 UA XX, S. 1013: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 17. Juli 1685. 1748 UA XIV, S. 1181ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 31, August 1685. 1744

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Gambia besaßen und dass der Handel gegen Abgabe gewisser Gebühren frei sei. Tatsächlich hatte hatte der dortige englische Gouverneur, der seinen Sitz in der Festung St. James hatte, die Morian wieder freigegeben, nachdem Kapitän Lambrecht de Hond die vom Kurfürsten ausgestellte Kommission vorgezeigt hatte. Friedrich Wilhelm bat darauf durch seinen zu dieser Zeit noch in London weilenden Gesandten Besser um Schutz für die Schiffe der BAC, falls diese aus der Not heraus englische Häfen anlaufen mussten. König Jakob III. antwortete darauf, dass er dies bereits im Vorfeld des kurfürstlichen Gesuchs angeordnet hätte und stellte zugleich fest, dass Kurfürst Friedrich Wilhelm der erste deutsche Fürst sei, der sich unter eigener Flagge auf den internationalen Meeren präsentierte, wozu er ihm viel Glück wünschte1749. Die Compagnie du Senegal hingegen ignorierte die kurfürstliche Kommission und beschlagnahmte die Morian in der Nähe von Goree. Das Schiff wurde komplett entladen und anschließend nach Brest geschickt, dort wurde es vom ansässigen Seegerichtshof konfisziert, was der königliche Rat kurz darauf bestätigte und obwohl der Kurfürst durch Spanheim mehrfach vorstellen ließ, dass die Wegnahme des Schiffes den bisher geschlossenen Verträgen zuwider lief 1750. Als Spanheim in Versailles die Rückgabe der Morian forderte, ließ der König eine Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der Wegnahme des Schiffes durchführen1751. Obwohl die Untersuchung schließlich zu dem Ergebnis kam, dass die Morian rechtmäßig beschlagnahmt worden war, entschloss sich Ludwig XIV., das Schiff als besonderen Beweis seiner Freundschaft zum Kurfürsten samt Ladung wieder zurückzugeben 1752. Damit kam Ludwig XIV. zwar dem Vertrag von 1682 nach, in Frankreich wurde dieser jedoch derart ausgelegt, dass dass unter den dort betroffenen Häfen nur die königlichen und nicht diejenigen der französischen Kompanien gemeint waren 1753 . Dem Kurfürsten genügte die Rückgabe der Morian jedoch nicht, da seiner Ansicht nach der erlittene Schaden keinesfalls gedeckt war. Raule bezifferte den Verlust auf 26.000 Reichstaler und den entgangenen Gewinn aus dem Verkauf der Ladung auf weitere 15.000 Reichstaler1754. Über den Fall begannen politische Verhandlungen, die sich etwa ein Jahr hinziehen sollten. Die BAC forderte hartnäckig Entschädigung

und Ludwig

XIV.

begann

langsam

an

der

Treue seines

brandenburgischen Alliierten wegen des Vertragsabschlusses mit den Niederlanden zu zweifeln1755. Trotzdem verfügte der König im September 1685 die Rückgabe der Morian, da er offenbar fürchtete, den Kurfürsten noch mehr zu verärgern 1756 . Rébenac klagte mehrfach, dass am kurfürstlichen Hof die anti-französische Partei die Affäre dazu benutzen würde, den Kurfürsten von 1749

Schück I, S. 199 mit Anm. 199. Schück I, S. 200. 1751 UA XX, S. 1015: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 9. August 1685. 1752 UA XX, S. 1017: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 16. August 1685. 1753 Schück II, S. 122f Nr. 61. 1754 Schück II, S. 299ff Nr. 118. 1755 UA XX, S. 1019ff: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 21, August 1685. 1756 UA XX, S. 1026: Ludwig XIV. an Rébenac, Chambord den 13. September 1685. 1750

375

Frankreich abzurücken und angeblich waren sogar zwei weitere brandenburgische Schiffe von den Franzosen beschlagnahmt worden

1757

. So wuchs das Misstrauen des Königs gegenüber

Brandenburg weiter, dennoch bot er dem Kurfürsten eine Entschädigung über 20.000 Livres für das Schiff an1758. Diese Summe hielt der Kurfürst jedoch für zu niedrig. Raule hatte bereits vorher den Kurfürsten gebeten, die BAC wegen der Morian und dafür die Forderung an die Compagnie du Senegal bzw. an Frankreich an sich zu nehmen. Als er jedoch von dem Angebot des Königs erfuhr, riet er dem Kurfürsten zur Annahme mit der Begründung, dass ein Kaufmann Geld und keine Prätentionen benötigt 1759. Damit plante Raule, die bereits in eine finanzielle Schieflage geratene BAC zu sanieren. Tatsächlich ließ sich Friedrich Wilhelm dazu überreden, das Angebot des Königs anzunehmen1760. Die Auszahlung des Geldes erfolgte jedoch erst im Januar 1687 und nicht ohne dass man Spanheim dabei noch Schwierigkeiten bereitete1761. Der sollte im Namen des Kurfürsten versichern, dass die Morian von den Franzosen zu Recht beschlagnahmt worden war und dass die BAC nicht befugt war, am Gambia Handel zu treiben, was dieser natürlich verneinte. Zur gleichen Zeit ging die Morian wieder in den Besitz der BAC über, allerdings befand sie sich in einem derart schlechten Zustand, dass sie nicht erneut ausgerüstet wurde1762. Obwohl nach dem Erlass des Potsdamer Edikts der Bruch zwischen Brandenburg und Frankreich unübersehbar geworden war, versuchte man in Versailles noch immer, das Einschwenken Friedrich Wilhelms in die anti-französische Front zu verhindern. Dazu entrichtete man sogar die seit einiger Zeit rückständigen Subsidien. Inzwischen war auch der Vertrag des Kurfürsten mit dem Kaiser abgeschlossen worden und die Ereignisse trieben mit dem Tod des pfälzischen Kurfürsten auf einen neuen Krieg zu1763. Den Ausbruch des Pfälzischen Erbfolgekrieges sollte Friedrich Wilhelm jedoch nicht mehr erleben. Während sein Nachfolger Friedrich III. gegen Frankreich kämpfte, taten französische Kaperfahrer alles, um den brandenburgischen Seehandel zu ruinieren. Auf den großen europäischen Friedenskongressen spielten die kolonialen Fragen eine bedeutende Rolle. Frankreich erhob auf dem Friedenskongress von Rijswijk Einspruch gegen einen Zusatzartikel, welcher den Einschluss des Kurfürsten mit allen seinen Ländern, Besitzungen, Untertanen und Rechten in den Frieden beinhaltete, weil die Compagnie du Senegal die Insel Arguin für sich beanspruchte. Sie begründete den Anspruch auf Arguin damit, dass sie ungeachtet der Zerstörung der Festung regelmäßig Handel dorthin getrieben hatte. In Berlin reagierte man auf dieses Argument, dass die Insel von den Franzosen mehrere Jahre zuvor vollständig aufgegeben 1757

UA XX, S. 1035ff: Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 6. Oktober 1685; Rébenac an Ludwig XIV., Berlin den 10. November 1685. 1758 UA XX, S. 1107: Ludwig XIV. an Rébenac, Versailles den 25. April 1686. 1759 Schück I, S. 201. 1760 UA XX, S. 1144: Rébenac an Ludwig XIV., Den Haag den 20. August 1686. 1761 UA XXI, S. 301f: Spanheim an den Kurfürst, Paris den 17./27. Dezember 1686. 1762 Schück I, S. 201. 1763 Philippson III, S. 386ff.

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worden war. Der Streit blieb schließlich bis auf den Austausch gelegentlicher Noten und Denkschriften ohne Folgen, jedoch wurde auch keine endgültige diplomatische Regelung vereinbart1764.

7.5. Die Reaktionen in England Da Kurfürst Friedrich Wilhelm sich durchaus darüber im klaren war, dass seine maritimen Pläne auf entsprechende Konkurrenz stoßen würden, versuchte er auch in England, sich diplomatisch abzusichern. Zu Anfang des Jahres 1661 schickte der Kurfürst die Geheimen Räte Daniel Weiman und Johann Moritz von Nassau-Siegen nach London, um über eine Allianz zwischen Brandenburg und England zu verhandeln1765. Die Verhandlungen beinhalteten auch das Gesuch des Kurfürsten nach freiem Handel und Schiffe nach eigenem Ermessen entweder zu kaufen oder zu mieten. Tatsächlich kam es am 20. Juli 1661 zu einem Defensiv-Bündnis, welches auch einen Handels- und Schifffahrtsvertrag beinhaltete, worin geregelt wurde, dass England dem Kurfürsten Unterstützung zur See, falls dieser in Pommern, Preußen oder der Mark angegriffen würde, freien Handel zwischen Brandenburg und England sowie gegenseitigen freien Zugang zu den jeweiligen Häfen zusicherte1766. Diese Defensiv-Allianz sollte auf zehn Jahre Gültigkeit besitzen. In den folgenden Jahren kam es allerdings, vor allem während des zweiten Englisch-Niederländischen Krieges, häufig zu Arretierungen und Belästigungen brandenburgischer und preußischer Schiffe in englischen Seehäfen. Im Januar 1665 liefen zwei brandenburgische Schiffe, die Herzogtum Cleve und die Grafschaft Mark, als sie auf dem Weg von Norwegen nach Cadiz waren, aufgrund eines aufkommenden Sturms den Hafen von Falmouth an, wo sie vom dortigen Gouverneur arretiert wurden, da er dachte, dass es sich um niederländische Schiffe handelte. Der brandenburgische Gesandte Christoph von Brandt versuchte umgehend, die beiden Schiffe wieder frei zu bekommen, zunächst jedoch ohne Erfolg 1767 . Bei den Verantwortlichen erregte vor allem die Tatsache Misstrauen, dass die beiden Schiffe in den Niederlanden ausgerüstet worden waren und mit niederländischen Besatzungen fuhren. Zudem wurde von Brandt gegenüber geäußert, dass in England nichts darüber bekannt war, dass der Kurfürst Kriegsschiffe bauen und als Handelsfahrer ausfahren ließ, weshalb davon auszugehen war, dass es sich um niederländische Schiffe handelte. Von Brandt empfahl aufgrund des großen Misstrauens sogar, dass die Schiffe nach ihrer Befreiung in England ihre Ladung verkaufen und umgehend nach Pillau zurückkehren sollten 1768. Von Brandt 1764

Schück I, S. 348. UA IX, S. 492ff: Instruktion für Weiman und Johann Moritz von Nassau-Siegen, 1. Februar 1661. 1766 Moerner: Staatsverträge, S. 254ff Nr. 135. 1767 UA XII, S. 423f: von Brandt an den Kurfürst, London den 23.Januar/2. Februar 1665. 1768 UA XII, S. 624f: Von Brandt an den Kurfürst, London den 30. Januar/2. Februar 1665. 1765

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konnte zwar erreichen, dass es innerhalb von zwei Wochen zu einer Anhörung der beiden brandenburgischen Kapitäne kommen sollte, ihm wurde jedoch auch mitgeteilt, dass er im Falle einer Forderung nach Schadenersatz ebenso wie die dänischen und französischen Gesandten nichts zu erwarten hätte1769. Friedrich Wilhelm war darüber keineswegs erfreut und drohte damit, falls die Schiffe nicht bald wieder frei kommen würden, er mit englischen Schiffen im preußischen Häfen ebenso verfahren würde1770. Tatsächlich hatte von Brandt Erfolg, die beiden Schiffe wurden wenige Tage später wieder freigegeben. Die beiden Schiffe waren jedoch weiterhin vom Pech verfolgt 1771. Nachdem von Brandt ihre Freilassung erwirkt hatte, segelten sie Anfang April nach Cadiz, verkauften dort ihre Holzladung, segelten weiter nach Alicante, Übernahmen dort eine Ladung Salz und kehrten wieder nach Cadiz zurück. Dort übernahmen sie zusätzlich im Auftrag einiger flämischer Kaufleute Cochenille, Indigo und Tabak, um sie nach Ostende zu bringen. Beide Schiffe wurden auf dem Weg dorthin Ende Juni erneut vor der englischen Küste von fünf englischen Kriegsschiffen gekapert und nach Plymouth gebracht. Die Waren wurden in Beschlag genommen und die Besatzungen nach Salisbury geschickt. Die Kapitäne versuchten, da von Brandt nicht mehr in England tätig war, mit Hilfe des dänischen Gesandten Simon de Petkum die Freigabe der Schiffe mitsamt ihrer Ladung zu erwirken. Diese wurden trotz ihre Bemühungen Anfang September von einem Prisengericht zu guten Prisen erklärt, da sie im Verband mit niederländischen Schiffen gefahren waren und die Ladung niederländischen Untertanen gehörte. Auf Veranlassung Petkums sollten die Schiffe mit der Salzladung wieder freigegeben werden, da die Salzladung nachweislich dem Kurfürsten gehörte, die restliche Ladung blieb jedoch als Konterbande weiter in Beschlag. Dieser Plan kam nicht zur Ausführung. Stattdessen erging im Oktober ein neues königliches Edikt, nach welchem das Salz in Plymouth meistbietend versteigert werden sollte. Auch diese Anordnung kam nicht zur Ausführung, allerdings wurden die restlichen Waren Anfang Dezember an zwei Prisenverwalter übergeben. Inzwischen hatte der Kurfürst zu Repressalien gegriffen und in Pillau zwei englische Schiffe beschlagnahmen lassen 1772 . Bock, einer der beiden Kapitäne und der kurfürstliche Agent Wulffen wollten sich, da sie offenbar am englischen Hof in der Sache nichts auszurichten vermochten, heimlich nach Berlin fliehen und dem Kurfürsten Bericht erstatten. Dieser Plan wurde jedoch hinfällig, als Ende Dezember die königliche Order eintraf, die Schiffe doch freizugeben, wozu die Beschlagnahme der beiden englischen Schiffe in Pillau wahrscheinlich maßgeblich beigetragen haben dürfte. Sie segelten Anfang Februar 1666 nach Ostende, mussten aber aufgrund schlechten Wetters in Seeland einlaufen, wo sie auf Befehl des kurfürstlichen Faktors liegen blieben. Der entstandene Schaden wurde auf 237.030 Gulden taxiert, ohne die in England 1769

UA XII, S. 625f: Von Brandt an den Kurfürst, London den 3./13. Februar 1665. UA XII, S. 626: Der Kurfürst an von Brandt, Köln den 15./25. Februar 1665. 1771 UA XII, S. 627f: Von Brandt an den Kurfürst, London den 17./27. Februar 1665 mit Anm. 1. 1772 UA XI, S. 675ff: Proposition des englischen Gesandten Sir Walter Vane, Kleve den 12. Dezember 1665. 1770

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entnommenen spanischen und flämischen Waren1773. Während des Brandenburg-Schwedischen Krieges von 1675 bis 1679 wurde Schweden im Verborgenen von England unterstützt. Dementsprechend erregten die Kaperfahrten Raules in London erhebliches Missfallen. Als zwei von Raules Flotte aufgebrachten schwedische Prisen sich wegen schlechten Wetters den Hafen von Dover anlaufen mussten, wurden sie dort von den Engländern beschlagnahmt. Außerdem reklamierten die Engländer eines der nach Zeeland verschleppten Schiffe als Eigentum eines englischen Kaufmanns aus Bristol. Gegenüber dem damaligen brandenburgischen Gesandten am englischen Hof, Otto von Schwerin, ließ man durchblicken, dass der Kurfürst besser daran tun würde, auf eine eigene Kriegsflotte zu verzichten. Friedrich Wilhelm antwortete darauf, dass er keinesfalls gewillt war, seine Flotte abzugeben, sondern im Gegenteil sogar beabsichtigte, sie zu vergrößern. Er wies auch darauf hin, dass ein eventuelles Eingreifen Englands zugunsten der Schweden einen klaren Bruch der vereinbarten Neutralität darstellen würde, was ihn zu entsprechenden Gegenmaßnahmen zwingen würde 1774 . Friedrich Wilhelm ließ kurz darauf in den Niederlanden einige Kriegsschiffe ausrüsten, welche in der Ostsee Jagd auf schwedische Schiffe machen sollten. Die Dänen fürchteten, dass dies England auf den Plan rufen würde und baten den Kurfürsten, sich nicht an englischen und niederländischen Schiffen zu vergreifen, da sie fürchteten, dass England eine Kriegsflotte in die Ostsee entsenden würde, falls Raule weiterhin nach Belieben englische und niederländische Schiffe auf Konterbande untersuchen lassen würde. Friedrich Wilhelm kam dieser Bitte nach1775. Allerdings hielt Raule sich nicht immer an diese Anordnung. Im Jahr 1678 brachte er ein mit Konterbande beladenes und unter englischer Flagge fahrendes Schiff in der Ostsee auf und brachte es nach Kolberg, wo sich das brandenburgische Seegericht befand1776. Als in England das Gerücht die Runde machte, dass Raule plante, Kriegsschiffe in die Davisstraße zu schicken, reagierte man am englischen Hof äußerst beunruhigt. Der englische Admiral Prinz Rupert von der Pfalz erhob sofort dagegen Einspruch und forderte den Kurfürsten auf, dies zu unterlassen, da er brandenburgische Übergriffe auf die Hudson Bay Company befürchtete1777. Auch gegenüber den Plänen Friedrich Wilhelms, mit Hilfe englischer Schleichhändler eine Ostindien-Handelsgesellschaft zu gründen, verhielt man sich in England vornehm ablehnend. Selbst als Wilhelm III. von Oranien im Jahr 1689 mit brandenburgischer Hilfe den englischen Thron erobern konnte, war man in England offensichtlich nicht bereit, dies entsprechend zu honorieren und Friedrich III. in den Belangen des Überseehandels zu unterstützen. Allerdings ist nichts darüber bekannt, ob Friedrich III. in England entsprechende Forderungen 1773

UA XII, S. 628. Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 4f; Schück I, S. 80f. 1775 UA XVIII, S. 257: Christoph und Friedrich von Brandt an den Kurfürst, Kopenhagen den 15./25. April 1676. 1776 Buch II, S. 53. 1777 Schück I, S. 155f; Peter: Kurbrandenburgische Marine, S. 29 1774

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gestellt hat1778. Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges konnten die Engländer ein brandenburgisches Handelsschiff erbeuten, das vorher in die Hände französischer Kaperfahrer gefallen war, andererseits hielten sie selbst mehrere brandenburgische Schiffe in ihren Häfen fest, da sie die Kapitäne verdächtigten, französische Konterbande zu führen und heimlich mit den Franzosen Handel in Westafrika und in der Karibik zu treiben. Denn trotz der gegenteiligen Koalition in Europa funktionierte die Zusammenarbeit in der Karibik zwischen Brandenburg und Frankreich relativ gut. Die BAAC unterhielt einen beachtlichen Handel mit der französischen Besitzung Petit Goave und zwar in heimlichen Einverständnis mit dem französischen Gouverneur Ducasse, der eigentlich das Recht hatte, die brandenburgischen Schiffe als feindliche Kräfte zu betrachten und entsprechend zu behandeln1779. Im Jahr 1697 diente ein brandenburgischer Kapitän sogar als Bote zwischen Petit Goave und der französischen Kriegsflotte vor Neu-Granada. Dieser warnte die Franzosen vor dem Eintreffen eines englischen Geschwaders, das die Verfolgung aufgenommen hatte. Die französische Flotte konnte dadurch nach Brest entkommen. Als der englische Admiral Neville davon erfuhr, reagierte er darauf äußerst wütend und lastete dies dem dänischen Gouverneur Lorentz auf St. Thomas an1780. Erst durch den Frieden von Rijswijk konnte die feindliche Haltung der englischen Nachbarinsel wieder gemildert werden. Dabei war bereits in dem Nebenartikel zum Transportkontrakt vom 27. Januar 1692 allen Teilhabern der BAAC freigestellt worden, trotz des in Europa wütenden Krieges in Übersee mit den Interessenten der französischen Kompanien Handel zu treiben1781. Offensichtlich handelte es sich hierbei um die gespiegelte Anwendung des Begriffs „no peace beyond the line“1782. Auf dem Friedenskongress von Rijswijk verhielt sich Wilhelm III. von Oranien den brandenburgischen Seehandelsinteressen offenbar gleichgültig gegenüber, da er die kurfürstlichen Proteste gegenüber den französischen Ansprüchen auf Arguin nicht unterstützte. Auch den Bemühungen der BAAC, eine eigene Insel in der Karibik zu erwerben, setzte England wiederholt Widerstand entgegen, weil man keine Konkurrenz für die eigenen Niederlassungen wünschte1783. Zuerst versuchte Friedrich III., vom kurländischen Herzog Friedrich Kasimir Tobago zu erwerben, allerdings erhob England ebenfalls Ansprüche auf die Insel. Das Gesuch des Kurfürsten, die Insel St. Eustachius zu besetzen, wurde ebenfalls abgelehnt, da sich bereits eine englische Garnison von zwölf Mann auf der Insel befand. Zuletzt versuchte Friedrich III., die Insel Tertolen zu erwerben. Dazu wäre Wilhelm III. zwar bereit gewesen, die Erlaubnis dazu konnte er aber ohne die Zustimmung des Conceil de Commerce nicht erteilen. Dieses lehnte die Herausgabe 1778

Partenheimer: Schifffahrts- und Kolonialpolitik, S. 136. Westergaard: Danish West Indies, S. 110ff. 1780 Westergaard: Danish West Indies, S. 112. 1781 Schück II, S. 393f Nr. 135b. 1782 Rein: Überseeische Ausdehnung, S. 43ff. 1783 Siehe Kapitel 6.3.2. 1779

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von Tertolen dann auch entschieden ab mit der Begründung, dass die Herausgabe der Insel nicht im Interesse des Königs und der Nation lag1784. In Westafrika gingen im Jahr 1711 die Engländer gemeinsam mit den Niederländern gegen die preußischen Handelsstützpunkte vor, indem sie einen lokalen Krieg mit den einheimischen Verbündeten dazu nutzten, ihre eigenen Differenzen auszutragen. Die preußischen Gesandten in Den Haag und London erhielten darauf die Anweisung, bei den jeweiligen Regierungen Protest einzulegen. Während die Generalstaaten erklärten, dass sie zu den Vorfällen erst Stellung beziehen wollten, sobald genauere Nachrichten darüber eingetroffen waren, ging man in England auf Konfrontationskurs. Als der preußische Gesandte Bonet Schadenersatz forderte, entgegnete Staatssekretär Viscount Bolingbrote, dass im Gegenteil die BAAC zum Schadenersatz verpflichtet war. Zu einer Überprüfung des Sachverhalte war er gar nicht bereit sondern erklärte kurzerhand, dass die Königin den Kommandanten in Guinea keine Einstellung der Feindseligkeiten befehlen würde. Als Bonet fragte, ob die Königin Seine Majestät zu bekriegen wünschte, antwortete Bolingbrote, dass dies nicht der Wunsch der Königin war, aber dass man sehr wohl daran interessiert war, die Meuterer auszurotten 1785 . Bonet berichtete darauf nach Berlin, dass die Handelseifersucht der Engländer sie jegliches Recht aus den Augen hatten verlieren lassen und dass, so die Vermutung Bonets, die Quelle dessen ein mit Spanien abgeschlossener Sklavenliefervertrag war, der England für die hohen Kriegskosten entschädigen sollte 1786 . Friedrich I. befahl Bonet darauf noch kurz vor seinem Tod, sich für seine afrikanischen Verbündeten einzusetzen und dafür zu sorgen, dass England das verursachte Unrecht eingestehen sollte1787. Wie nah Bonet mit seiner Mutmaßung der Wahrheit gekommen war, dürfte ihm selbst wohl nicht klar gewesen sein. Tatsächlich ging im März 1713 der Asiento de Negros für 30 Jahre an England. Das besondere daran war, dass das Vertragswerk des Asientos in diesem Fall von den Engländern entworfen worden war und erstmalig den Charakter eines Staatsvertrags besaß. Dieser Asiento galt in England als vorteilhafter als der im Jahr 1703 mit den Franzosen geschlossene Vertrag1788. Eine Verletzung der Rechte der Vertragsnehmer, in diesem Fall der englischen South Sea Copmany, kam in Zukunft dem Bruch eines zwischenstaatlichen Vertrags gleich, dessen Erfüllung von zwei Monarchen durch ihre Unterschrift garantiert wurde. In dem Vertrag wurde festgelegt, dass gegen die Anleihe von 200.000 Pesos Escudos auf 20 Jahre an den spanischen König die Asientisten das Recht erhielten, in alle Häfen in der Karibik, in denen spanische Zollbeamte stationiert waren und nach Buenos Aires Sklaven zu liefern. Zu diesem Zweck wurde den Engländern die Einrichtung eigener Faktoreien in 1784

Danckelmann, Eberhard: Die Friedenspolitik Wilhelms III. von England und Friedrich III. von Brandenburg in den Jahren 1694-1697, in: FBPG 31, München/Leipzig 1918, S. 1-68, hier: S. 61f. 1785 Schück I, S. 285f. 1786 Schück I, S. 286. 1787 Schück II, S. 544f Nr. 175. 1788 Francis, David: The First Peninsula War 1702-1713, London 1975, S. 387.

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allen zu beliefernden Häfen gestattet, wo vier bis sechs Engländer zur Abwicklung der Geschäfte siedeln durften. Zukünftige Gewinne wurden zwischen den Vertragsnehmern und den beiden Königen geteilt und zwar so, dass sich die beiden Monarchen eine Hälfte des Gewinns teilten, also mit mit jeweils 25 Prozent daran beteiligt waren1789. Nach dem Abschluss des Asiento hatte England an der Fortsetzung des Krieges kein Interesse mehr. Bereits einen Tag später konnte ein vorläufiger Friedensvertrag geschlossen werden, der am 13. Juli 1713 in seiner endgültigen Fassung ratifiziert wurde. Die Freiheit der Schifffahrt wurde in der Form wie vor dem Ausbruch des Krieges wieder hergestellt, allerdings sollten die Franzosen aus dem Handel mit Amerika ausgeschlossen werden. Dem spanischen König wurde verboten, amerikanische Gebiete an Frankreich abzutreten, dafür verpflichtete sich der englische König, sämtliche nach dem Tod Karls II. annektierten Gebiete an Spanien zurückzugeben. Gibraltar und Menorca fielen an England, Sizilien an den Herzog von Savoyen. Neben einer Meistbegünstigungsklausel für englische Kaufleute wurden alle älteren Handelsverträge zwischen Spanien und England erneuert und in einem Zusatzabkommen alle älteren bzw. seit 1667 geschlossenen Ergänzungsbestimmungen erneuert oder bestätigt. Damit kontrollierte England sowohl die Sklavenmärkte in der Neuen Welt als auch die mediterranen Handelsrouten in die Levante 1790 . Da England bzw. die South Sea Company jedoch nicht über genügen Kapazität verfügte, den Asiento zu erfüllen, eröffneten sich genügend Chancen für ausgedehnten Schmuggelhandel. Es gelang ihr in keinem Jahr ihres Bestehens, die vereinbarte Anzahl an Sklaven zu liefern und der Sklavenhandel wurde zunehmend von privaten Unternehmern und Schleichhändlern abgewickelt, weshalb die South Sea Company den Asiento bereits vor Ablauf der vereinbarten 30 Jahre wieder an Spanien zurückgab.

7.6. Reaktionen im Inneren

Das Interesse am Überseehandel im Allgemeinen und am Sklavenhandel im speziellen war in der Bevölkerung sowohl von Brandenburg als auch von Preußen sehr gering. Dieses kaum vorhandene Interesse spiegelt sich bereits in der Tatsache, dass sowohl das Kapital als auch die Investoren der BAC und ihrer Nachfolgegesellschaft primär aus den Niederlanden stammten und aus Brandenburg selbst nur der Kurfürst, der Kurprinz und einige Höflinge, die eigentlich nichts anderes im Sinn hatten, als dem Kurfürsten zu willen zu sein, in den Überseehandel investiert hatten. Am kurfürstlichen Hof in Berlin gab es sogar eine Anti-Marine-Partei, deren Anhänger ihre Oppositionsmotive aus ihrem Neid auf die überragende Stellung von Benjamin Raule als Marine1789 1790

Weindl: Wer kleidet die Welt, S. 244f. Francis: First Peninsular War, S. 400.

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Direktor bezogen und im wesentlichen mit zwei Hauptargumenten gegen die maritimen und handelspolitischen Ambitionen Friedrich Wilhelm zu Felde zogen. Zum einen waren ihrer Meinung nach die Kosten für die Marine sowie der Aufbau und Unterhalt von Handelsstützpunkten in Übersee zu hoch, zum anderen trug ihrer Meinung nach ein derartiges Engagement stets den Keim eines Konflikts mit den Niederlanden in sich. In diesem Sinne erstellte der Geheime Rat dann auch mehrere Gutachten, in denen er mehr oder weniger offen durchblicken ließ, dass es besser war, von derartigen Unternehmungen Abstand zu nehmen. Nach Ansicht einiger Räte, namentlich Grumbkow und Meinders, sollte der Kurfürst nur im Kriegsfall Schiffe anmieten. Bereits im Jahr 1660 hatte de Roxas festgestellt, dass die Meinungen der kurfürstlichen Räte über das geplante Ostindienprojekt geteilt waren. Einige befürchteten Verwicklungen mit den Generalstaaten, andere dagegen ein machtpolitisches Übergewicht des Kaisers über die reformierten Fürsten 1791 . Der von ihnen angefeindete Raule hingegen beklagte sich über den seiner Meinung nach mangelnden Sachverstand des Geheimen Rates in maritimen Angelegenheiten und über die fehlende Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen 1792 . Allerdings gab es auch aus den Reihen des Geheimen Rats zustimmende Äußerungen, die jedoch stets von einer gewissen Skepsis begleitet wurden. So befürwortete Otto von Schwerin im Jahr 1679 zwar die Einrichtung eines Marinekollegiums in Pillau, zum geplanten Überseehandel wollte jedoch keine Stellung beziehen, da er nach eigener Angabe zu wenig davon verstand 1793 . Auch Meinders gab im Jahr 1683 seine eher ablehnende Position zum Überseehandel auf und befürwortete die Gründung der BAC, allerdings betonte auch er die Notwendigkeit, Konflikte mit anderen Nationen tunlichst zu vermeiden1794. Zuständig für alle finanziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten der BAC war in Berlin der Geheime Rat Paul von Fuchs. Er hatte in Leiden und Franeker studiert und an der Universität Duisburg niederländisches Naturrecht gelehrt, bevor er in kurfürstliche Dienste trat 1795. Demnach war er mit den Lehren von Hugo Grotius vom Mare Liberum vertraut. Fuchs bemühte sich in besonderem Maß um das Wachstum der BAC, da er mit 2.000 Reichstalern selbst an der Kompanie beteiligt war1796. Dazu arbeitete er eng mit Raule zusammen. Als er Anfang November 1681 vom Kurfürsten die Order erhielt, mit Raule wegen des von der WIC beschlagnahmten Schiffs Wappen von Brandenburg zu beratschlagen, war das Ergebnis der Brief des Kurfürsten an die Generalstaaten, worin er neben der Rückgabe des Schiffes auch freien Handel und Schifffahrt nach Westafrika forderte1797. Dieser Brief wurde dort als ziemlich anmaßend empfunden 1798. Fuchs handelte auch 1791

Heyck: Kolonialpläne, S. 156. Schück II, S. 299ff Nr. 118. 1793 Schück II, S. 85ff Nr. 42a. 1794 Schück II, S. 185ff Nr. 75. 1795 Liesegang: Goldgewinnung, S. 65. 1796 Schück I, S. 161. 1797 UA III, S. 629ff: Der Kurfürst an die Generalstaaten, Potsdam den 12. November 1681. 1792

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mehrere Verträge aus, die wichtige handelspolitische Abmachungen enthielten. So war er maßgeblich an dem Beitritt von Kurköln zur BAC beteiligt1799. Auch an dem Allianzvertrag mit den Niederlanden und dem Interims-Vergleich zwischen Brandenburg und Dänemark wegen der Insel St. Thomas wirkte er entscheidend mit1800. Außer dem Geheimen Rat Meinders wusste nur er von dem geplanten Seeexekution gegen Spanien, wahrscheinlich hat er an der Planung sogar federführend mitgewirkt und auch das Schreiben ausgearbeitet, das der Kurfürst am 22. November 1680 an den spanischen König richtete. Die Tatsache, dass nicht alle Räte in den Plan eingeweiht worden waren, ist wahrscheinlich damit begründet, dass das Verhältnis der Räte untereinander stark geprägt war durch Rivalitäten im Kampf um die Gunst ihres eigenen, aber auch um die fremder Herrscher. Vor allem von den Vertretern ausländischer Mächte versprachen sie sich Anerkennung in Form von Geschenken oder anderer Zuwendungen. Es war deshalb durchaus an der Tagesordnung, dass ein Rat seinen Amtskollegen bei diesem oder jenem Gesandten kräftig anschwärzte, um die eigene Person in einem umso helleren Licht erscheinen zu lassen, wie es bspw. in einer Unterredung des kaiserlichen Gesandten Lamberg mit Anhalt wegen der Beteiligung von Fuchs an dem antispanischen Unternehmen geschehen war. Lamberg kritisierte dabei einige Räte, die sich ihre Unterstützung des Kurfürsten offenbar in klingender Münze auszahlen ließen1801. Einige Wochen später fühlte der Geheime Rat Jena sich übergangen, als Lamberg in Berlin wegen der Werbung brandenburgischer Truppen für das Reich verhandelte, weshalb Jena die Verhandlungen bewusst behinderte 1802 . Anfang Dezember 1687 berichtete der niederländische Gesandte Hop in einem Schreiben an den Prinzen von Oranien über eine Unterredung mit dem Geheimen Rat Fuchs, in dem dieser über Raules dominiernden Einfluss am kurfürstlichen Hof klagte. Fuchs informierte Hop über Raules geheimen Pläne und bat darum, den Kurfürsten davon abzubringen. Die Räte Meinders und Kornmesser diffamierte er bei dieser Gelegenheit als Raules Helfershelfer1803. Von brandenburgischen Unternehmern ist nur eine Stellungnahme über die Aufnahme des Überseehandels bekannt. Anfang 1679 wurden die als Berater im kurfürstlichen KommerzienKollegium tätigen und als Sachverständige in das Marine-Kollegium berufenen Unternehmer Stephani und Esich um ein Gutachten über die Zusammenlegung von Kommerzien- und MarineKollegium gebeten. Beide äußerten die Meinung, dass eine erfolgreiche Außen- und Seehandelspolitik nurauf

einem gut ausgebauten und florierenden Binnenhandel und

entsprechendem Manufakturwesen aufgebaut werden konnte. Solange beide danieder lagen, blieben die kurfürstlichen Lande von Einwohnern entblößt. Die vorhandene Bevölkerung verfügte ihrer 1798

UA III, S. 633: Amerongen an den Ratspensionär, Potsdam den 19. November 1681. Salpius: Paul von Fuchs, S. 51f; Schück II, S. 194ff Nr. 82. 1800 Salpius: Paul von Fuchs, S. 58f. 1801 UA XIV, S. 962ff: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 6. Oktober 1680. 1802 UA XIV, S. 974ff: Lamberg an den Kaiser, Berlin den 29. November 1680. 1803 UA III, S. 793ff: Hop an den Prinzen von Oranien, Berlin den 27./7. Oktober 1687. 1799

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Meinung nach nicht über genügend Kapital und hätten auch kein Bedürfnis für die Aufnahme des Seehandels. Weil die Förderung der inländischen Kommerzien und Manufakturen viel Zeit erforderte, sahen beide sich nicht imstande, entsprechende Prognosen darüber abzugeben, wann die Aufnahme eines bedeutenden Seehandels denkbar wäre1804. Um für die Position Brandenburgs auf politischer Ebene ein Höchstmaß an Gewinn herauszuholen, hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm bei den im Jahr 1683 geführten Verhandlungen, die durch die Vermittlung von Kaiser Leopold I. den offiziellen Zweck hatten, einen Ausgleich zwischen Brandenburg und Spanien herbeiführen sollten, deren eigentliches Ziel jedoch war, den Kurfürsten von Frankreich zu distanzieren, sehr hohe Ansprüche erhoben. Friedrich Wilhelm verlangte von Spanien nicht nur eine Entschädigung in Millionenhöhe sondern vom Kaiser auch die schlesischen Herzogtümer Brieg, Jägerndorf, Liegnitz und Wohlau sowie Hilfe bei dem Erwerb von vier Magdeburgischen Ämtern. Der Kaiser missbilligte vor allem das Verhalten der Generalstaaten in diesen Verhandlungen, da sie seiner Meinung nach den Kurfürsten in seinen Ansprüchen auf die schlesischen Herzogtümer bestärkten. Leopold I. argwöhnte, dass die Generalstaaten auf diese Weise versuchten würden, den Kurfürsten von seinen Forderungen an die Generalstaaten wegen der von der WIC konfiszierten Wappen von Brandenburg, den rückständigen Subsidien und der im letzten Krieg erlittenen Territorialverluste abzulenken 1805 . Tatsächlich hat das Verlangen des Kurfürsten nach Teilen von Schlesien, auf die er ein Anrecht zu haben glaubte, bei den Verhandlungen in den Jahren 1685 und 1686 zwischen Brandenburg und Österreich ein große Rolle gespielt, so dass die Verhandlungen mit der Abtretung des Kreises Schwiebus endeten 1806 . Allerdings wurde von der Seite des Kaisers aus mehrfach versucht, Friedrich Wilhelm von seinen schlesischen Forderungen wieder abzubringen. Um das zu erreichen, machte man sich in Wien die allseits bekannte Leidenschaft des Kurfürsten für maritime Angelegenheiten zunutze. Dazu gehörte, neben der Übertragung der Liechtensteinischen Schuldforderung und der Erteilung des „privilegii de non appellando“ über Pommern auch der Plan, Friedrich Wilhelm Titel und Amt eines Reichsadmirals zu verleihen, falls die anderen Reichsfürsten und Reichsstände sich dazu einverstanden erklären würden. Auch hier befürchteten einige kaiserliche Räte Verwicklungen mit den anderen europäischen Seemächten1807. Ungeachtet dessen wurde der österreichische Gesandte in Berlin angewiesen, dem Kurfürsten ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten1808. Diese Idee war jedoch nicht neu. Bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts existierte die Idee einer Reichsadmiralität. Das Motiv bestand zu dieser Zeit jedoch darin, dem niederländischen Handel in 1804

Schück II, S. 87f. Partenheimer: Schifffahrts- und Kolonialpolitik, S. 138. 1806 Philippson III, S. 411. 1807 UA XIV, S. 1211ff: Votum vom 23. November 1685. 1808 UA XIV, S. 1217ff: Der Kaiser an Fridag, Wien den 26. November 1685. 1805

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Nord- und Ostsee eine schlagkräftige Konkurrenz entgegenzusetzen1809. Damit hatte man in Wien einen alten Plan wieder aufgegriffen, denn bereits im Jahr 1658 hatte Gijsels van Lier in einer angeblich von ihm verfassten Denkschrift mit dem Titel „Consilium maritinum“ vorgeschlagen, einzelne Admiralitäts-Behörden nach niederländischem Vorbild zu gründen, deren Leitung Kurfürst Friedrich Wilhelm als Reichsadmiral übernehmen sollte1810. Ergänzend dazu sollte sich der Kurfürst um den Erwerb von Glückstadt bemühen, weil zu dieser Zeit die Niederlande von König Friedrich III. von Dänemark Glückstadt die Verpfändung als Entschädigung für die von ihm im Krieg gegen Schweden geleistete Flottenhilfe forderten. Glückstadt war von Dänemark als KonkurrenzHandelsstadt gegen Hamburg gegründet worden. Gijsels van Lier sah darin eine Gefahr für den Handel des Reiches und wollte dem entgegenwirken. Da Friedrich Wilhelm in einem Bündnis mit den Niederlanden stand, ging er auf diesen Vorschlag nicht weiter ein. Allerdings sprach der Kurfürst sich, obwohl er seinen Bündnispartner nicht unnötig brüskieren wollte, deutlich gegen die Besetzung von Glückstadt durch niederländische Truppen aus1811. Auch dieses mal war Friedrich Wilhelm nicht bereit, der Idee von einer Reichsadmiralität seine anderen Interessen zu opfern. Obwohl Friedrich Wilhelm die Vorschläge Fridags interessiert aufnahm, beharrte er auf seinen schlesischen Ansprüchen. Auch die Rücksichtnahme auf die Niederlande, mit denen er kurz zuvor wieder ein Bündnis ausgehandelt hatte, spielte dabei wieder eine Rolle1812. Die BAC hatte auch am kaiserlichen Hof ein sehr geringes Ansehen. Während man in den Niederlanden die Furcht hegte, dass der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens eine Bedrohung für den eigenen Handel darstellen würde und auf diese vermeintliche Bedrohung entsprechend heftig reagierte, war man in Wien von Anfang an davon überzeugt, dass die Handelsprojekte des Kurfürsten keinen Bestand haben, sondern in Rauch aufgehen würden1813. Der kaiserliche Gesandte Fridag war fest davon überzeugt, dass das Kolonialexperiment des Kurfürsten nicht mal die Hälfte der Unkosten einbringen würde und aus purer Novität und Idee als aus Realität bestand und dass es spätestens mit dem Regierungsantritt des Kurprinzen enden würde1814. Nach dem Ausbleiben der französischen Subsidien musste der Kurfürst neue Geldquellen für den Unterhalt seiner Flotte erschließen und schlug deshalb 1687 dem Kaiser eine Seeallianz zwischen Brandenburg und Österreich vor. Das Projekt sah vor, dem Kaiser gegen eine jährliche Summe von 40.000 bis 50.000 Reichstaler fünfzehn bis sechzehn Schiffe mit insgesamt 352 Kanonen, 1.550 Seeleuten und 310 Soldaten vermieten. Das Projekt umfasste, da alle großen Kriegsschiffe der BAC, die auch als Sklaventransporter eingesetzt wurden, nahezu den gesamten brandenburgischen Schiffsbestand. Die 1809

Hassert: Kolonien, S. 8 mit Anm. 1. Schmoller: Projekt, S. 143ff. 1811 Philippson I, S. 440; Boissonade: Relations Economiques, S. 233. 1812 UA XIV, S. 1231: Fridag an den Kaiser, Berlin den 6. Januar 1686. 1813 UA III, S. 646: Bruijninex an Amerongen, Wien den 7. Mai 1682. 1814 UA XIV, S. 1156f: Fridag an den Kaiser, Berlin den 23. April 1685. 1810

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Schiffe sollten im Kriegsfall entweder zum Angriff auf feindliche Flotten, als Truppentransporter oder als Kaperschiffe eingesetzt werden. Fridag befürwortete dieses Projekt. Er glaubte, dass zur Verwendung dieser Flotte für die Wartungs- und Bereitschaftshaltung in Friedenszeiten monatlich 4.000 oder wenigstens 3.500 Reichstaler aufgewendet werden mussten. Als Kriegszeit wären nur jene Monate zu betrachten, wo die Flotte wirklich im Meer und in Operationen begriffen wäre. Für die Gelder in Friedenszeiten sollten die 50.000 Reichstaler verwendet werden, auf die der Kurfürst seit langem Anspruch erhob, wodurch man sich die Flotte für fünfzehn Monate sichern würde. Eventuelle Gewinne oder Verluste sollten jeweils beim Kurfürsten verbleiben. Fridag war zudem davon überzeugt, dass sich ein Seebündnis zwischen Brandenburg und Österreich gegen Frankreich verwenden ließ und zur Schaffung eines maritimen Gegengewichts niemand geeigneter war als Friedrich Wilhelm. In Brandenburg waren alle nötigen Materialien, die für den Schiffbau benötigt wurden, so reichlich vorhanden, dass man dort Schiffe zu Preisabschlägen von bis zu 25 Prozent bauen lassen konnte. Fridag merkte auch an, dass der gerade begonnene brandenburgische Überseehandel derart gering war, dass der Verzicht darauf sich nicht weiter bemerkbar machen würde. Deshalb wäre es auch nicht nötig, dass der Kurfürst auf ausländische Kauffahrer und Handelsinteressen irgendwelche Rücksicht nehmen musste 1815 . Hier beging der österreichische Gesandte einen entscheidenden Denkfehler. Friedrich Wilhelm wäre niemals bereit gewesen, den Überseehandel aufzugeben für die kaiserliche Erlaubnis, einige Kriegsschiffe unterhalten zu dürfen. Das war aber auch nicht nötig, denn Kaiser Leopold I. ging allein schon aus Kostengründen nicht auf den Vorschlag ein, sondern ließ lediglich durch seinen Gesandten in Madrid die Meinung der spanischen Krone in dieser Frage einholen1816. Die österreichische Diplomatie hatte die Gelegenheit, sich in eigenem Interesse die maritimen Ambitionen Friedrich Wilhelms zunutze zu machen, nutzlos verstreichen lassen. Dies geschah ganz offensichtlich deshalb, weil man in Wien nicht bereit war, Friedrich Wilhelm durch weitere Geldzahlungen zu hofieren. Immerhin war die Abzahlung der Liechtensteinischen Schuldforderung für den Kaiser ein empfindlicher finanzieller Schlag. Ungeachtet dessen versuchte Fridag kurz darauf noch einmal, die „Sucht“ des Kurfürsten nach Seegeltung so einzusetzen, dass man kostenlos dabei etwas gewinnen konnte. Er ließ durch den niederländischen Gesandten Hop in Den Haag beim Prinzen von Oranien anfragen, ob der Prinz sich dazu bereit erklären wollte, der von den Generalstaaten neu auszurüstenden Flotte einige brandenburgische Schiffe hinzuzufügen. Es würde zwar im Grunde keine Bedeutung haben, da die Anzahl von 26 kurfürstlichen Schiffe sehr gering war. Aber in Anbetracht der Schwäche des Kurfürsten und seinem unbedingten Willen, auch zur See angesehen zu werden, könnte es dazu dienen, den Kurfürsten für die gemeinsamen 1815 1816

UA XIV, S. 1361ff: Fridag an den Kaiser, Berlin den 11. Juni 1687 mit Anm. 4. UA XIV, S. 1369ff: Der Kaiser an Fridag, Wien den 19. Juli 1687; Philippson III, S. 458f.

387

Interessen zu engagieren 1817. Eine Antwort seitens der Niederlande ist nicht überliefert. Allerdings zeugt auch dieser Vorschlag vom Unvermögen des kaiserlichen Gesandten, die Bestrebungen des Kurfürsten nach Seegeltung angemessen

einschätzen zu können. Die Integration

der

brandenburgischen Schiffe in die niederländische Flotte hätte weder dem von Friedrich Wilhelm gerade gegenüber den Generalstaaten so oft betonten und vehement eingeforderten Recht auf eine eigene Schifffahrt, noch wäre sie seiner Reputation entgegen gekommen.

1817

UA III, S. 800: Hop an den Prinzen von Oranien, Berlin den 21./31. Dezember 1687.

388

Zusammenfassung

Der transatlantische Sklavenhandel begann zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als in der Neuen Welt das System der Plantagenökonomie etabliert wurde, um Europa im großen Stil mit Zucker, Kaffee, Tabak, Kakao und anderen „Cash Crops“ zu versorgen. Dieses kapital- und arbeitskraftintensive System bedingte von Anfang an für ihr erfolgreiches Funktionieren Formen von unfreier Arbeit. Dafür wurden zuerst die Ureinwohner des amerikanischen Kontinents und des karibischen Raumes versklavt, was in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer schweren Dezimierung bzw. ganzen Auslöschung von vielen genuinen amerikanischen und karibischen Ethnien führte. Um den immer größer werdenden Mangel an Arbeitskräften auszugleichen, gingen die Europäer zunächst dazu über, freiwillige Vertragsarbeiter aus ihren eigenen Ländern und Sklaven aus Westafrika auf ihren Plantagen für die Feldarbeit heranzuziehen. Anfangs wurden nur vereinzelt afrikanische Sklaven in die Neue Welt gebracht, die Anzahl der verschleppten Sklaven wuchs jedoch kontinuierlich an, so dass der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts regelmäßig unzählige europäische Schiffe den Atlantik zwischen Europa, Westafrika und Amerika befuhren. Die Schiffe wurden in Europa mit breiten Sortimenten an Tauschwaren, vor allem heimische und asiatische Textilien sowie Manufakturwaren beladen, die dann in Westafrika gegen Sklaven eingetauscht wurden. Die Sklaven wurden nach Amerika und in die Karibik gebracht, wo sie wiederum gegen tropische Agrarprodukte eingetauscht wurden. Diese wurden anschließend nach Europa gebracht und mit großem Gewinn verkauft. Bei erfolgreicher Abwicklung war dieser Dreeckshandel derart gewinnbringend, dass alle europäischen Mächte davon profitieren wollten. Auf diese Weise etablierte sich das logistische System des transatlantischen Dreieckshandels. Um diesen Dreieckshandel möglichst effizient abzuwickeln, wurden in vielen europäischen Ländern Handelskompanien gegründet und mit umfangreichen Rechten und Privilegien ausgestattet. Diese beinhalteten das Exklusivrecht über den Handel und weitere umfangreiche Privilegien. Vor allem das Handelsmonopol versuchten die Kompanien bedingungslos durchzusetzen, sowohl im eigenen Land als auch gegen ausländische Konkurrenz. Gleichzeitig wurden die Kompanien dazu genutzt, die außenpolitischen Interessen der jeweiligen Länder zu vertreten, was sich vor allem in ihrem Recht äußerte, nach eigenem Ermessen Krieg führen und Frieden schließen zu dürfen. Auf diese Weise konnte ein Teil der Kriegskosten privatisiert werden. Zudem ließen sich die enormen Kosten, die der Sklavenhandel verursachte, besser schultern. Der Nachteil war, dass die meisten Handelskompanien geschlossene Gesellschaften waren, d. h. nach ihrer Gründung war der Zugang weiterer Investoren verwehrt. In den Niederlanden und in England wurden zwar Anteilscheine ausgegeben, die frei handelbar waren und damit eine frühe Form der Aktie darstellten, aber diese Anteilseigner standen außerhalb des Monopols und durften sich selbst nicht am Handel beteiligen. 389

In Frankreich hatten die Kompanien eher den Charakter einer Behörde, was sich u. a. daran äußerte, dass zeitweise für jede Kolonie eine eigene Kompanie gegründet wurde, deren Hauptaufgabe es war, die jeweilige Kolonie zu verwalten. Dies war bei der brandenburgischen Afrika-Kompanie anders. Jeder, der dazu bereit war, durfte investieren, unabhängig von Stand, Ansehen oder Religionszugehörigkeit der Person. Trotzdem hatte die brandenburgische Kompanie während der ganzen Zeit ihres Bestehens mit einem Mangel an Investoren zu kämpfen, da im eigenen Land eine kapitalkräftige Kaufmannschaft fehlte. Der Grund dafür ist in den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges zu suchen, durch die das Wirtschaftsgefüge Brandenburg-Preußens derart geschwächt wurde, dass sowohl die Landwirtschaft als auch das Manufakturwesen am Boden lagen und erst mühsam wieder aufgebaut werden mussten. Während des gesamten 17. Jahrhunderts hatten die Niederlande für viele europäische Staaten eine Vorreiterrolle eingenommen, in politischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Durch die Tatsache, dass die Niederlande weitgehend von den Auswirkungen der Kriege des 17. Jahrhunderts verschont geblieben waren, konnten sie sowohl in Europa als auch in Übersee ein regelrechtes Handelsimperium aufbauen, womit sie zur damals reichsten Wirtschaftsmacht in Europa aufstiegen. Dieser wirtschaftliche Erfolg der Niederlande brachte Friedrich Wilhelm dazu, im Rahmen einer merkantilistisch geprägten Politik begleitend mit dem Aufbau des Manufakturwesens im eigenen Land auch den Handel zu fördern. Allerdings überschätzte er den Anteil des Fernhandels Wirtschaftsleben der Niederlande. Der größte Anteil der niederländischen Handelsbilanz wurde nicht in Übersee, sondern im Ostseeraum erwirtschaftet. Der dadurch entstandene Wohlstand führte dazu, dass Kostbarkeiten aus entfernten Ländern, die in den Niederlanden alltäglich waren, aber in am Überseehandel nicht beteiligten Ländern als rare Kostbarkeiten galten, stärker ins Auge fielen. Ein Beispiel dafür ist chinesisches Porzellan, dessen Verkauf eine der wichtigsten Einnahmequellen der VOC bildete. Während es in vielen europäischen Höfen als besondere Kostbarkeit gesammelt wurde, nutzten es die Niederländer bereits früh im täglichen Gebrauch. Des weiteren dürften auch vor allem von den Engländern lancierte Übertreibungen über die Seehandelsmacht der ihnen

verhassten Niederländer zu den

zeitgenössischen phantastischen Vorstellungen beigetragen haben. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde durch nationalisierende Gesetze wie bspw. der englischen Navigationsakte versucht,

den dominierenden

Einfluss

der

Niederlande

zurückzudrängen.

Die

nach

niederländischem Vorbild errichteten Handelskompanien waren allesamt nicht in der Lage, den rapide steigenden Bedarf an Sklaven aus Westafrika zu decken. So entstand, besonders im nordöstlichen Teil der Antillen in der Karibik, eine Situation der Unterversorgung. Dies begünstigte die Entstehung eines die Monopole der Kompanien unterlaufenden Schiffsverkehrs auf der Dreiecksroute 390

auf

nationaler

wie

internationaler

Ebene.

Aufgrund

der

permanenten

Unterversorgung der Kolonien waren die Monopole der Kompanien faktisch nicht durchsetzbar. Finanziert wurde dieser illegale Schiffsverkehr mit privatem Kapital, vor allem aus den Niederlanden. Dort war die hiesige Kaufmannschaft so kapitalkräftig, dass sie das Monopol der WIC entweder im eigenen Land oder unter dem Schutz fremder Herrscher unterliefen. Der auf diese Weise durchgeführte Sklavenhandel war dafür sehr gewinnbringend. Diese Situation war die Ausgangslage für den Einstieg Brandenburg-Preußens in den transatlantischen Sklavenhandel. Initiator war der aus Zeeland stammende Kaufmann und Reeder Benjamin Raule, der 1675 in kurfürstliche Dienste getreten war. Raule tat sich zuerst als Vermieter von Schiffen hervor, mit denen der Kurfürst im Ostseeraum und später auch im Atlantik unter eigener Flagge Kaperxpeditionen durchführen ließ. Raule hatte von Anfang an beabsichtigt, sich gemeinsam mit anderen niederländischen unter brandenburgischer Flagge zu beteiligen. Der Kurfürst unterstützte Raule dabei nach Kräften, er verlieh ihm diverse Titel und machte ihn zum Generaldirektor der eigens dafür gegründeten Brandenburgisch-Africanischen-Compagnie. Im Gegenzug beschaffte Raule durch seine Kontakte und seine Fähigkeit, andere für seine Vorhaben zu begeistern, immer wieder das benötigte Kapital. Von Anfang an waren der Kurfürst, Raule und seine niederländischen Geschäftspartner die Hauptanteilseigner der BAC, dementsprechend setzte sich auch das Bewindhaberkollegium der BAC zusammen. Die BAC bekam eine Organisationsform, die sich am Vorbild der WIC orientierte. Zwischen 1682 und 1700 waren es die BAC und ihre Nachfolgerin, die 1692 aus der Reorganisation der BAC hervorgegangene BAAC diejenigen Gesellschaften, die den brandenburgischen Sklavenhandel abwickelten. An der Tatsache, dass beide Kompanien mit niederländischem Kapital und niederländischem Personal arbeiteten, änderte sich nichts. Und diese Tatsache trug bereits den Keim des

Zerfalls in sich, denn im

Bewindhaberkollegium prallten zwei wirtschaftliche Ideologien aufeinander. Während Kurfürst Friedrich Wilhelm und Raule ein nachhaltiges Wachstum der Kompanie mit kontinuierlichen Gewinnen anstrebten, die zur Stärkung der binnenwirtschaftlichen Strukturen dienen sollten, ging es Raules Gegenspieler Joshua van Belle und seinen Parteigängern einzig um möglichst rasche Gewinne aus einzelnen Sklavenexpeditionen. Letztere nutzen jede sich bietende Gelegenheit, um in die eigene Tasche zu wirtschaften. Aufgrund der Tatsache, dass der Kreis der Investoren sehr überschaubar war, ist das Scheitern der Kompanie sowohl in der ausufernden Korruption innerhalb der Kompanie als auch in den äußeren Einflüssen zu suchen. Kurfürst Friedrich Wilhelm konnte zu seinen Lebzeiten noch entsprechend auf das Bewindhaberkollegium einwirken, unter der Regentschaft seines Nachfolgers Friedrich III. brach der Konflikt offen aus und das Bewindhaberkollegium zerfleischte sich in einem heftigen Machtkampf, was schließlich dazu führte, dass die geschäftlichen Tätigkeiten der Kompanie an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert fast völlig zum Erliegen kamen. 391

Weiteren Anteil am wirtschaftlichen Scheitern des brandenburgischen Sklavenhandels hatten die lange dauernden Kriege in Europa, namentlich der Pfälzische Erbfolgekrieg sowie der Spanische Erbfolgekrieg. In beiden Kriegen gingen viele brandenburgische Schiffe, vor allem an den westafrikanischen Küsten, durch niederländische und französische Kaper verloren. Obwohl auch alle anderen europäischen Westindien-Kompanien davon betroffen waren, wogen die brandenburgischen Schiffsverluste aufgrund der geringen Größe des Schiffsbestandes besonders schwer. Zeitweise gingen mehr Schiffe verloren, als man sie durch Kauf oder Neubau hätte ersetzen können. Dabei ging die WIC besonders rigoros gegen ihre brandenburgische Konkurrentin vor. Sie fürchtete um ihr Handelsmonopol und sah in der brandenburgischen Kompanie keinen souveränen Vertreter des Kurfürsten, sondern einen mit niederländischem Kapital und niederländischem Personal ausgestatteten Monopolbrecher, dem es mit allen Mitteln das Handwerk zu legen galt. Im Gegenzug waren Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Nachfolger stets um die diplomatische Anerkennung der brandenburgischen Kompanie bemüht. Dies gelang ihnen jedoch nur insoweit, wie

es

den

Niederländern

gerade

opportun

erschien.

In

den

handelspolitischen

Auseinandersetzungen des ausgehenden 17. Jahrhunderts hatten europäische Bündnisverträge in Übersee nur begrenzt Gültigkeit, ein Verstoß gegen derartige Absprachen hatte nicht automatisch auch entsprechende Konsequenzen in Europa zur Folge. Dies hatten sowohl Friedrich Wilhelm als auch seine Nachfolger nicht realisiert, weshalb sie versuchten, alle aufkommenden Probleme auf diplomatischer Ebene zu lösen. Andererseits hatten sie auch keine andere Wahl, denn die wenigen brandenburgischen Kriegsschiffe fuhren als Sklaventransporter auf der Dreiecksroute und das stehende brandenburgische Heer hatte im ausgehenden 17. Jahrhundert noch nicht die Größe erreicht, die notwendig gewesen wäre, um die kurfürstlichen, später königlichen Interessen militärisch durchzusetzen. Andererseits trugen genau diese Bemühungen dazu bei, dass sich Brandenburg-Preußen innerhalb von drei Herrschergenerationen vom Status der Auxiliarmacht lösen und zu einem gleichberechtigten Staat unter den europäischen Mächten aufsteigen konnte. Kurfürst Friedrich Wilhelm etablierte dazu den privilegierten Überseehandel und nutzte ihn zugleich als außenpolitisches Instrument. Sein

Nachfolger Friedrich III. ergänzte diese

Bemühungen um die Königswürde und König Friedrich Wilhelm I. schuf eine der größten kontinentalen Armeen, welche die anderen europäischen Mächte eher zum Bündnispartner als zum Gegner haben wollten, allerdings auf Kosten des Überseehandels, den er wegen mangelnder Profitabilität aufgab und seine maritimen Interessen durch seine Bündnispartner vertreten ließ. Zur Abwicklung des Sklavenhandels wurden in Westafrika mehrere Stützpunkte errichtet. Das Hauptkontor und administrative Zentrum war die Anfang 1683 gegründete Festung Großfriedrichsburg an der Goldküste. 1685 kam die an der Senegalküste gelegene Insel Arguin hinzu. Arguin hatte für den Sklavenhandel nur eine untergeordnete Bedeutung, hier stand der 392

Handel mit Gummi Arabicum im Vordergrund. Der überwiegend Anteil der Sklaven wurde in Whydah erworben. Die Brandenburger kauften ihre Sklaven genau wie die anderen europäischen Sklavenhändler von afrikanischen Zwischenhändlern ein. Die Sklaven selbst waren entweder Kriegsgefangene aus innerafrikanischen Konflikten oder wurden von den afrikanischen Händlern aus eigens dafür aus den innerafrikanischen Gebieten herbeigeschafft. Die brandenburgischen Sklaventransporter wurden überwiegend in Emden ausgerüstet. Die für den Tauschhandel benötigten Waren wurden in den Niederlanden, wie bspw. Kaurimuscheln oder, wie im Fall der benötigten und in Westafrika sehr begehrten Textilien, im Münsterland oder in Schlesien eingekauft. Metall- und Manufakturwaren wurden im Bergischen Land und im süddeutschen Raum beschafft. Um den Handel im eigenen Land zu fördern und um die Beschaffungskosten für schlesisches Leinen niedrig zu halten, hatte Friedrich Wilhelm eigens dafür mit dem Bau des nach ihm benannten Friedrich-Wilhelm Kanals eine wichtige Verkehrslücke zwischen Schlesien und dem norddeutschen Raum schließen lassen. In Organisation und Abwicklung des Sklavenhandels waren die Brandenburger ihren europäischen Konkurrenten zumindest ebenbürtig. Bessere Bedingungen und eine im Durchschnitt kürzere Dauer der Mittelpassage und ein besseres Kosten-NutzenVerhältnis sorgten dafür, dass die Menschenverluste auf den brandenburgischen Schiffen deutlich geringer ausfiel als auf anderen Schiffen. Die Hauptverkaufsbasis für brandenburgische Sklaven in der Karibik war die von den Dänen kolonisierte Insel St. Thomas in der Gruppe der Jungferninseln. Seit 1685 bestand zwischen der BAC und den Dänen ein Nutzungsvertrag, der die Einrichtung eines brandenburgischen Kontors gestattete. Von Anfang an kam es zwischen der BAC und den Dänen auf St. Thomas zu Spannungen, da die Brandenburger zwischen 1685 und 1696 den Handel zwischen Europa, Westafrika und St. Thomas vollständig kontrollierten. Die Hauptsorge der Dänen war, dass die Brandenburger danach trachteten, die Insel komplett in ihren Besitz zu bringen und versuchten deshalb permanent, den brandenburgischen Handel zu schädigen. Ursachen für die Spannungen waren zum einen eine unterschiedliche Interpretation des Vertrags. Dänemark erwartete von den Brandenburgern Hilfe bei der Kolonisierung und Urbarmachung der Insel, während die BAC lediglich an einem Handelsstützpunkt im karibischen Teil der Dreiecksroute interessiert war, um dort ungestört Handel treiben zu können. Zum anderen sorgte der wirtschaftliche Erfolg der Brandenburger dafür, das sich der dänische Gouverneur Johann Lorentz zum größten Neider der Brandenburger entwickelte und sie sabotierte, wo immer es ging. Die Präsenz Brandenburg-Preußens in der Karibik beschränkte sich nicht nur auf die Insel St. Thomas. Die Gegner in den europäischen Kriegen, namentlich Spanien und Frankreich, sollten sollten auch durch Seekrieg bzw. durch Kaperung ihrer Schiffe in der Karibik geschädigt werden. Als Folge der Probleme mit den Dänen auf St. Thomas versuchten die Brandenburger mehrfach, eine eigene Insel in der Karibik zu erwerben. Zeitweilig wurden die 393

Krabbeninsel und St. Peter von den Brandenburgern besetzt. Diese Versuche schlugen allesamt fehl, da Brandenburg-Preußen einerseits nicht über genügend Personal verfügte, um die Inseln zu befestigen und zu halten und die anderen europäischen Nationen andererseits keinen neuen Konkurrenten duldeten, der den Absatz der in den eigenen Kolonien erzeugten tropischen Produkte auf den europäischen Märkten gefährden konnte. Um die Sklaven zu verkaufen, hatten die Brandenburger drei mögliche Absatzsituationen. Erstens wurde auf der Basis von Lieferverträgen Sklaven in die spanischen Kolonien Mittelamerikas geliefert. Auf diese Weise führten die Brandenburger den Asiento de Negros von den Coymans-Brüdern weiter. Dazu nutzen sie die geschäftlichen Verbindungen von ehemaligen Bediensteten der Coymans´schen Firma, indem sie bspw. die Pedy-Brüder in ihre Dienste nahmen. Zweitens verstanden die Brandenburger die Unterversorgung und den Bedarf der Sklaven auf den englischen und französischen Inseln im nördlichen Teil der Karibik für ihre Geschäfte zu nutzen. Drittens versorgten die Brandenburger die Pflanzer auf St. Thomas mit Sklaven. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war dies der einzige Absatzmarkt, der den Brandenburgern geblieben war. Durch die Umsiedlung der französischen Siedler von St. Croix nach St. Domingue und der Aufhebung des Monopols der englischen Royal African Company wurde den Brandenburgern die Absatzmärkte auf den Leeward-Inseln und den französischen Antillen versperrt. Zudem änderte sich nach 1700 auch die Organisation des nunmehr preußischen Sklavenhandels. Fortan wurden die Sklaven nicht mehr auf Schiffen der Kompanie in die Karibik gebracht sondern von niederländischen Privatreedern, die unter preußischer Flagge mit preußischen Seepässen gegen eine Gewinnbeteiligung an den König auf der Dreiecksroute fahren. Einige unter ihnen waren sogar Anteilseigner der BAAC, die sich fortan nicht mehr um ihr eigenes Oktroi scherten und ihre Gewinne nun in entsprechender Eigeninitiative suchten. Ab 1715 kam der preußische Sklavenhandel ganz zum Erliegen, nachdem die preußische Flagge ihre Reputation auf dem Atlantik vollends eingebüßt hatte. Ab 1717 führte der preußische König Friedrich Wilhelm I. Verhandlungen mit den Niederlanden über den Verkauf der afrikanischen Besitzungen. Der zügige Verkauf an die Niederländer entsprach ganz dem Selbstverständnis des "Soldatenkönigs", der für derartige Unternehmungen, die augenscheinlich kein Geld einbrachten, nichts übrig hatte. Das Kontor auf St. Thomas wurde einfach seinem Schicksal überlassen und dessen Inventar durch die Dänen beschlagnahmt und zugunsten der dänischen Westindien-Kompanie versteigert. Obwohl der brandenburgische Sklavenhandel durchaus gewinnbringend war, vorausgesetzt die Sklavenschiffe absolvierten erfolgreich die Dreiecksroute, war er aus der Sicht der Kurfürsten betrachtet doch ein Verlustgeschäft, da die niederländischen Anteilseigner, vor allem diejenigen um Joshua van Belle, die Rückfrachten nicht in Emden sondern in den Niederlanden verkauften und große Teile der daraus resultierenden Gewinne der BAAC unterschlugen. Der im Bewindhaberkollegium ausgebrochene Machtkampf 394

behinderte ab 1695 die Ausrüstungen weiterer Schiffe nachhaltig. Die Brandenburger erzielten nur dann Gewinne, wenn eins der auf der Dreiecksroute fahrenden Schiffe tatsächlich Emden erreichte und die Abrechnungen über Erlös und Gewinn von kurfürstlichen Beamten getätigt wurden. Machtkämpfe innerhalb der Kompanie, Korruption, Intrigen und die Umgehung des eigenen Oktrois sorgten schließlich dafür, dass der brandenburg-preußische Sklavenhandel relativ abrupt endete. Zusätzlich hatte der Asubruch des Spanischen Erbfolgekrieges endgültig verdeutlicht, dass die Auseinandersetzungen um den Asiento de Negros nun zwischen England und Frankreich ausgetragen wurden. Im Vergleich mit den anderen europäischen Überseehandelskompanien erscheint die brandenburgische Kompanie nicht erfolgloser als die meisten ihrer Konkurrentinnen. Die englische Kompanie musste nach ihrer Gründung 1660 zwei mal reorganisiert oder neu gegründet werden, bevor kurz vor Ende des 17. Jahrhunderts der Überseehandel für alle englischen Untertanen freigegeben wurde. Die Dänen schafften es bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts überhaupt nicht, ihre karibischen Plantagen aus eigener Kraft mit Sklaven zu versorgen und waren dabei sogar von den Brandenburgern abhängig. Gleiches gilt für die französischen Kompanien, auch sie schafften es nicht, den Bedarf der französischen Antillen an Arbeitskräften aus eigener Kraft zu decken. Selbst die WIC, die eigentlich nie über einen Mangel an Kapital verfügte, hatte 1674 einen glatten Bankrott hingelegt und musste neu gegründet werden. Zeitgenössische Merkantilisten warfen die Frage auf, ob Gewinne aus koloniale Produktion ohne den Besitz eigener Kolonien überhaupt möglich gewesen wäre. Für Brandenburg-Preußen kann dies ausgeschlossen werden, da sowohl der fehlende Kaufmannsstand als auch die fehlende Infrastruktur für Vertrieb und Verarbeitung der überseeischen Produkte einen entsprechenden Erfolg verhinderte. Zwar wollte Friedrich Wilhelm am Handel teilnehmen, hatte aber selbst keine Verwendung für die eingehandelten Produkte. Dies ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass die eingeführten Rohwaren wie bspw. Tabak hoch besteuert wurden, um die einheimische Produktion zu schützen. Zumindest im amerikanischen Raum ließen sich mit Handel allein keine Überschüsse erwirtschaften. Amerika musste kolonisiert und die Kolonien in Abhängigkeit zum Mutterland gehalten werden. Diese Aufgabe konnte BrandenburgPreußen aufgrund seiner Bevölkerungsstrukturen nicht übernehmen. Anders sah es in Westafrika aus. Auf den brandenburgischen Stützpunkten Arguin und Großfriedrichsburg wurden fortwährend Versuche unternommen, den Handel mit dem Landesinneren stärker zu entwickeln. Insbesondere auf Arguin hatte sich ein ausgesprochen lebhafter Handel mit Gummi Arabicum und Elfenbein entwickelt und die Brandenburger hatten im Gummihandel zeitweise sogar das Monopol. Selbst von König Friedrich Wilhelm I., der als ausgesprochen kühler Rechner galt, wurde der Handel auf Arguin vor dem Verkauf der afrikanischen Besitzungen noch als lohnend und dessen Verlust als ausgesprochen inopportun angesehen. Allerdings gelang es europäischen Kaufleuten nicht, den 395

afrikanischen Kontinents während des 17. Jahrhunderts zu durchdringen und blieben abhängig vom Entgegenkommen ihrer afrikanischen Handelspartner. Das galt auch für den Sklavenhandel. Allein durch den Handel mit Arbeitssklaven von Afrika nach Amerika konnten die Kompanien kaum größere Überschüsse erwirtschaften, trotz der Gewinne von weit über 100 Prozent bei einzelnen Fahrten. Dafür war die Konkurrenz der Europäer untereinander zu groß und ihre Einfluss auf die afrikanischen Lieferanten zu gering. Der Gewinn ließ sich erst durch den Aufbau von Plantagenkolonien in der Neuen Welt erwirtschaften, deren Produktion gemäß den merkantilistischen Wirtschaftsvorstellungen ins Mutterland floss. Der brandenburgische Handel in Afrika unterschied sich kaum von dem der anderen Nationen, jedoch waren die Brandenburger aufgrund ihrer militärischen Schwäche in besonderem Maße von dem Schutz ihrer afrikanischen Verbündeten angewiesen. Allerdings wurden europäische Konflikte nur bedingt in Afrika ausgetragen, weshalb es auch kleineren Ländern wie Brandenburg und Kurland gelang, dort Handel zu treiben. Anders sah dies in der Karibik aus. Die Kolonisierung der Antillen geschah in einer Zeit dauerhafter Kriege um die Vorherrschaft in Europa und in Amerika, sie waren ein erweiterter Schauplatz im Kampf um Einflusszonen. Gleichzeitig bildeten sie den Zugang zum Spanischen Amerika mit seinen Schätzen. Der Sklavenhandel dort bzw. der Besitz des Asiento de Negros war die Eintrittskarte zu dieser Schatzkammer. In der Karibik hatten die Niederländer im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts kein wirtschaftliches Übergewicht mehr. Den Kampf um die Vorherrschaft in der Karibik trugen nun Engländer und Franzosen unter sich aus. Die Brandenburger trieben ihren Handel in der Karibik in dieser Zeit des Umbruchs. Mit dem niederländischen Handelsagenten van Belle nutzten sie niederländische Handelsverbindungen zu Spanisch Amerika im Zusammenhang mit dem Asiento. Im Gegenzug nutzte van Belle die Brandenburger für seine eigenen Geschäfte. Er gehörte auch zu den wenigen, die tatsächlich am brandenburgischen Sklavenhandel verdienten. Die kurfürstlichen, später königlichen Lande zogen keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Sklavenhandel. Der transatlantische Handel war als wirtschaftliches System im ausgehenden 17. Jahrhundert bereits festgelegt. Für Brandenburg-Preußen als neuen Konkurrenten um Marktanteile war bereits kein Platz mehr. Gleichzeitig erfolgte eine europäische Auseinandersetzung um die politische wie wirtschaftliche Vorherrschaft im transatlantischen Raum. Diese Auseinandersetzung war gleichbedeutend mit der Behauptung wirtschaftlicher und politischer Macht überhaupt. Brandenburg-Preußen stieg erst in Überseehandel ein, als es fast schon zu spät war. Zuvor gemachte Versuche scheiterten an der internationalen Lage und den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Die Auseinandersetzungen der Seemächte bargen jedoch immer noch die Möglichkeit einer erfolgreichen Teilnahme auch für die kleineren Mächte. Obwohl die Brandenburger die instabilen Machtverhältnisse in der Karibik zeitweise geschickt für ihren Sklavenhandel zu nutzen verstanden, gelang es ihnen aufgrund ihrer militärischen Schwäche nicht, dort dauerhaft Fuß zu 396

fassen. Die Errichtung einer eigenen Plantagenkolonie, die kontinuierlich Kolonialwaren ins Mutterland hätte liefern können, wurde erst gar nicht versucht, weder mit fremden Siedlern noch mit eigenen Landsleuten. Letzteres hätte aufgrund der Bevölkerungsstruktur Brandenburg-Preußens auch gar nicht funktioniert, im Gegenteil. Kurfürst Friedrich Wilhelm musste sogar Kolonialismus im eigenen Land betreiben, um seine Ländereien wieder voranzubringen. Auch konnten importierte Kolonialwaren in Brandenburg-Preußen weder verarbeitet noch vermarktet werden und durch Handel allein ließen sich keine dauerhaften Überschüsse erwirtschaften. Durch diese Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Zusammenhänge waren die brandenburg-preußischen Überseeunternehmungen zum Scheitern verurteilt. Obwohl der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens nur über einen relativ kurzen Zeitraum von ca. 35 Jahren betrieben wurde, hat er doch Spuren hinterlassen, die bis in die heutige Zeit sichtbar sind. Im Berliner Ortsteil Kreuzberg erinnerte bis Ende 2009 das "Gröbenufer" an den Gründer der Festung Großfriedrichsburg, Otto Friedrich von der Gröben. Anfang 2010 wurde es in "May-Ayim-Ufer" umbenannt. In Lenzen an der Elbe ist Brandenburgs erster "Admiral", Aernould Gijsels van Lier, Namenspatron der örtlichen Grundschule. Auf St. Thomas trägt eine kleine Bucht im nordwestlichen Teil der Insel den Namen "Bordeaux-Bay", deren Namensgebung wahrscheinlich mit dem letzten Faktor der BAAC, Bordeaux, zusammenhängt. Dazu haben sich einige von den Dänen errichtete Gebäude wie bspw. die Festung in Charlotte Amalie bis heute erhalten. Die Festung Arguin wurde von den Franzosen geschleift. Die Insel selbst gehört zu der seit 1960 unabhängigen Islamischen Republik Mauretanien und ist Teil der großen Arguin-Sandbank. Diese wurde 1976 von der mauretanischen Regierung zum "Parc National du Banc d'Arguin" ausgewiesen, der wiederum 1989 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Die an der Guineaküste im heutigen Ghana gelegene Festung Großfriedrichsburg ist bis heute größtenteils erhalten geblieben und wird sowohl als Herberge als auch als Museum genutzt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden dort zwei eiserne Kanonen geborgen, nach Deutschland zurückgebracht und der Stadt Emden geschenkt. Sie stehen heute, mit neuen hölzernen Lafetten versehen, im Hafen von Emden am Falderndelft. 1979 wurde Großfriedrichsburg zusammen mit Elmina, Cape Coast Castle und einigen anderen europäischen Sklavenfestungen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und wird damit auch kommenden Generationen als Mahnmal für die größte Zwangsmigration in der Geschichte der Menschheit dienen.

397

Anhang I Handelsfahrten und Sklaventransporte unter kurbrandenburgischer und preußischer Flagge 1680-1718 Jahr

1680

1681

1682

1683

Schiffsname

Herkunft

1686

1687

1688

Kapitän

Anzahl Anzahl Verlust gekaufter verkaufter % Sklaven Sklaven

Verbleib

Morian

Seeland

Westafrika

Blonck, Philip Pieterson

1681 nach Pillau zurückgekehrt.

Wappen von Brandenburg

Seeland

Westafrika

Bartelsen. Joris

1681 vor Elmina durch die WIC gekapert, 1686 zurückgegeben.

Fortuna

Seeland

Westafrika

Brandenburgischer Dragoner

Seeland

Westafrika

Morian

Seeland

Westafrika

Blonck, Philip Pieterson

Kurprinz von Brandenburg

Hamburg

Westafrika, Berbice

Voss, Matthias

Goldener Löwe

Vor der Abreise in Vlissingen von der WIC beschlagnahmt, kurz darauf freigegeben

334

254

23,9

Erste unter brandenburgischer Flagge durchgeführte Sklavenexpedition.

Westafrika

Wasserhund 1685

Ziel

Westafrika

Morian

Emden

Westafrika

Vor Gorée durch französisches Schiff gekapert, Ladung konfisziert, 1686 zurückgegeben, danach nicht mehr in Fahrt gesetzt.

Charlotte Sophie

Emden

Großfriedrichsburg

Rückkehr nach Emden ohne Handelswaren.

Waserhund

Emden

Großfriedrichsburg

Vor Elmina durch die WIC beschlagnahmt, Ladung konfisziert, Besatzung verhaftet, leer nach GFB zurückgeschickt.

Goldener Löwe

Emden

Arguin, Großfriedrichsburg

Marschall Derfflinger

Danzig

Westafrika, St. Thomas

Falke

Königsberg

St. Thomas

Ab 1686 Zubringerschiff in St. Thomas. 1696 bei St. Pierre von Franzosen gekapert.

Wasserhund

Kolberg

Großfriedrichsburg

Im Oktober 1688 im Sturm auf der Ems gesunken.

Kiebitz

Berlin/Emden

Großfriedrichsburg

Auf der Rückfahrt in Yarmouth beschlagnahmt.

Goldener Löwe

Kolberg

Großfriedrichsburg

1681 als Dorothea erbaut.

Vogel Greif

Pillau

Großfriedrichsburg

Friede

Berlin

Westafrika, St. Thomas

de Visser, Louis

400

320

20

1692 in Sieben Provinzen umbenannt

Prinz Ludwig

Emden

Westafrika, St. Thomas

Cornelis, Jesper

100

80

20

1688 als „in Ausrüstung“ gelistet, danach vermutlich verloren gegangen.

Wappen von Glückstadt

Kopenhagen

Westafrika, St. Thomas

Cort, Gert.

100

80

20

Braunfisch

Emden

Großfriedrichsburg

Hoffnung

Königsberg

Westafrika

Friedrich Wilhelm

Emden

Westafrika, St. Eustatius

Dorothea

Emden

Westafrika, St. Thomas

Seemöwe

Emden

Westafrika, St. Eustatius, Curacao

Litauer Bauer

Emden

Westafrika

Makarele

Havelberg

Westafrika

Marschall Derfflinger

Pillau

Westafrika, St. Thomas

Ca(l)t. Jan

250

200

20

1681 in Danzig als Wolkensäule gekauft., 1685 umbenannt.

1681 als Litauer Bauer erbaut.

1688 vermutlich von Afrikanern zerstört.

de Visser, Louis/ Boone, Laurents

375

300

20

105

80

20

234

195

16,6

1678/79 als Friedrich Wilhelm erbaut, 1681 in Wappen von Brandenburg umbenannt, 1682 in Dorothea umbenannt. Ab 1688 als Zubringerschiff in Westindien, 1695 verlorengegangen. 1681 in Pillau als Rummelpott erbaut, nach 1688 Verbleib unbekannt. Verbleib nach 1688 unbekannt.

363

291

19,8

Salamander

Arguin

1681 als spanische Prise von C. Reers vor Jamaika erbeutet und sofort in Salamander umbenannt. 1690 in Emden verkauft.

1689

Stadt Emden

Westafrika

Ehemals niederländisches Schiff, 1686 durch die BAC gekapert, 1689 vor den Shetland-Inseln von Franzosen gekapert.

1690

Kurprinzessin

Emden

Westafrika, St. Thomas

Morian

Königsberg

Großfriedrichsburg

Zubringerschiff für GFB, 1690 oder 1691 verloren gegangen.

Fliegender Drache

Pillau

Großfriedrichsburg

Salamander

Pillau

Westafrika, St. Thomas, St. Eustatius

Wiltschütz, Thomas

261

209

19,9

1680 als Vogel Greif erbaut, 1682 in Rummelpott und 1690 Fliegender Drache umbenannt. 1690 auf dem Weg nach GFB verschollen 1683 in Pillau als Fuchs erbaut, Ende 1690 in Salamander umbenannt.

Kurprinz

Berlin

Westafrika, St. Thomas

Le Sage, Jean

339

299

11,8

1691

398

Lambrecht de Hond, Jakob

596

477

19,9

1691 mitsamt der Rückfracht von Gouverneur Lorentz in St. Thomas beschlagnahmt, später wieder freigegeben

1692

Friedrich Wilhelm

Emden

Westafrika, St. Thomas

373

299

19,8

Sieben Provinzen

Emden

Westafrika, St. Thomas, St. Eustatius

568

455

19,8

Marschall Derfflinger

Emden

Westafrika, St. Thomas

642

500

22,1

Kurprinzessin

Emden

Westafrika, St. Thomas

373

299

19,8

Kurprinz

Berlin

Westafrika, St. Thomas

Thomas ?

624

500

22,1

Afrikaner

Havelberg ?

Westafrika, St. Thomas

Chaloupin ?

624

500

22,1

Löwe

Pillau

Großfriedrichsburg

Kastell Friedrichsburg

Havelberg

Westafrika, St. Thomas

St. Peter

1693

Arguin, Großfriedrichsburg, St. Thomas

Salamander

Pillau

Großfriedrichsburg

Kurprinz

Berlin

Arguin St. Thomas

Nordischer Löwe

Havelberg

Westafrika, St. Thomas

Salamander

Vlissingen

Westafrika

Michielsen, Jan

Arche Noah

Rotterdam

Arguin, Westafrika

Schott, Adrian

Le Sage, Jean

738

661

10,4

1693 auf der Rückreise vor der spanischen Küste von Franzosen gekapert und verbrannt. 1693 bei Santa Clara am Gabunfluß von Franzosen gekapert, Rückfracht im Wert von 30.000 Reichstaler beschlagnahmt.

Thomas ?

687

550

19,9

1693 auf der Rückfahrt nach Europa von Engländern beschlagnahmt, Anfang 1694 verkauft.

687

550

19,9

1693 auf der Rückfahrt von Engländern beschlagnahmt. Wurde im Herbst 1693 für eine Versorgungsfahrt gechartert. Handel mit BAC- Pass. Vermutlich gechartert.

St. Jakob

Westafrika, Westindien

208

167

19,7

Bracke

Westafrika, St. Peter

368

309

16

1693 nach St. Thomas, 1694 oder 1695 in St. Thomas verkauft.

Westafrika, Westindien

562

450

19,9

Nicht identisch mit dem Pillauer Bau. 1692 Verbreiterung des Rumpfes und Kürzung der Takelage in Emden.

418

335

19,8

Wurde 1693 aus Westindien zurück erwartet, sonst nicht erwähnt. Vermutlich gechartert.

734

588

19,9

Auf der Rückreise befehlswidrig Holland anstatt Emden angelaufen Sollte bereits 1692 nach Übersee fahren, wurde von Engländern beschlagnahmt und Mitte 1693 wieder freigegeben.

Havelberg

Westafrika, Westindien

Adriaanese, Lieve

Sieben Provinzen

Berlin

Westafrika, St. Thomas

Afrikaner

Havelberg?

Westafrika, St. Thomas

Brandt, Heinrich

747

598

19,9

Westafrika, St. Thomas

De Witte, Jean

250

200

20

250

200

20

19,9

Charlotte Louise

Havelberg

Westafrika, St. Thomas

Heindrich, Erasmus

St. Michael

Zeeland

Westafrika

Sanders, Jan

1689 durch Fregatte Fuchs gekapertes ehemals französisches Schiff Arcone.

Handel mit BAC- Pass.

Charlotte Sophie

Westafrika, St. Thomas

562

450

Bracke

Westafrika, St. Thomas

152

122

St. Jakob

Als Zubringerschiff in der Karibik genutzt. 1694 oder 1695 auf St. Thomas verkauft.

Voskuhl, Franz

225

180

20

Friedrich III.

Westafrika, St. Thomas

Reers, Cornelius, Sebrantsen, Claas, Ypes, Wouter

729

705

3,3

Kurprinzessin

Westafrika, St. Thomas

Weyman, Reynier

484

452

6,6

Sieben Provinzen

Westafrika, St. Thomas, St. Eustatius

648

520

19,7

Nordischer Löwe

Westafrika

Goldener Löwe

Westafrika, St. Thomas

Tod von Reers und Sebrantsen während der Mittelpassage, Rückfahrt von St. Thomas unter Kommando von Ypes.

In Westafrika von englischem Seeräuber gekapert. 1695 auf St. Thomas abgewrackt.

Vier Brüder

Vlissingen

Westafrika, St. Thomas

De Witte, Witte

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Vliegende Arent

Vlissingen

Westafrika, St. Thomas

De Molinar, Henrick

Sklavenhandel mit BAC- Pass. 1695 vor St. Thomas durch Franzosen gekapert.

St. Jakob Hoffnung

399

1694 verschollen, wahrscheinlich von Kapitän Hendrick entführt. Wahrscheinlich 1695 in Westindien verloren gegangen.

Pillau

Zwei Brüder

1696

Hendrick

Arguin, Westindien

Soetendahl

1695

Auf der Rückreise von Engländern beschlagnahmt, Mitte 1693 freigegeben. Ex Litauer Bauer, ex Vogel Greif. 1692 an der Goldküste verschollen.

Friedrich Wilhelm zu Pferde

Fliegender Drache

1694

Melter, Abraham

1682/84 als Friede erbaut.

Königsberg

Westafrika

Angeblich vor Westafrika Selbstverbrennung nach Verfolgung durch französische Kaperer.

Westafrika, Westindien

Ab 1691 Zubringerschiff in Westindien, 1695 vor Curacao durch WIC- Schiff gekapert.

Friedrich III.

Westafrika, St. Thomas

Labrecht de Hond, Jakob

807

630

21,9

Sieben Provinzen

Westafrika, St. Thomas

Adriansen, Willem

613

491

19,9

1697

1698

1699

Kurprinzessin

Westafrika, St. Thomas

St. Jalob

Westafrika ,St. Thomas

615

480

22

373

299

19,8

St. Peter

Rotterdam

Arguin

1696 auf der Rückreise von Franzosen (?) gekapert.

Goede Enigheid

Generalstaate n

Arguin

Handel mit BAC- Pass.

Liebe

Königsberg

Westafrika

1697 von Arguin kommend gesunken.

Fliegender Drache

Havelberg

Westafrika

1697 auf der Rückreise bei Fairhill von Franzosen gekapert.

Olijftack

Middelburg

Westafrika, St. Thomas

Vogel Phoenix

Vlissingen

Westafrika

Meijster, Pieter

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Vriendschap

Vlissingen

Westafrika

Speeck, Matthijs

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Anna

Zeeland

Westafrika, St. Thomas

De Bruijne, Jakob

454

364

19,8

Friedrich III.

Westafrika, St. Thomas

Ypes, Wouter

733

624

14,8

Kurprinzessin

Westafrika, St. Thomas

576

461

19,9

Charlotte Louise

Westafrika

Kurprinzessin

Westafrika, S. Thomas

494

400

19

Sieben Provinzen

Westafrika, St. Thomas

Friedrich III.

Westafrika, St. Thomas

Sophie Louise

Arguin, Westafrika

Charlotte Sophie

Bogaart, Matthijs

1700

Sophie Louise

1701

Held Josua

1702

Ypes, Wouter

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

1698 vor Guinea von englischem Schiff gekapert. Van Beek, Pieter

Auf der Rückreise von St. Thomas bei Irland gesunken. 773

619

19,9

414

350

20,3

Letzte Fahrt auf der Dreiecksroute.

1701 auf See leckgeschlagen, Auf Martinique auf Strand gesetzt und aufgegeben. 526

421

19,9 19,8

Anfang 1702 auf der Rückreise bei Plymouth gestrandet.

Stadt Berlin

Zeeland

192

154

König von Preußen

Zeeland

265

212

20

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Kronprinz von Preußen

Zeeland

211

169

19,9

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

258

207

19,7

Lief 1703 unter dem Namen Kastell Spandau in Emden ein, wurde 1704 in Fortuna umbenannt.

1703

Kastell Spandau

1704

Gerechtigkeit

Vlissingen

Arguin, Westafrika

1705

Fortuna

Emden

Arguin, Westafrika

Herstel van Zeeland

Middelburg

Arguin, Großfriedrichsburg

Bokhoorn, Jan

Handel mit BAC- Pass. Transportiert Christian Düring nach Arguin.

Kleine Amazone

Middelburg

Westafrika, Großfriedrichsburg

Van de Maan, Cornelis

Handel mit BAC- Pass. Transportiert Johann Muntz nach Großfriedrichsburg.

Freundlichkeit

Emden

Arguin

Freiheit

Zeeland

Westafrika

Vlissinger Galleij

Vlissingen

Westafrika

1706

1707

Freundlichkeit Prinz Eugen

Jansen, Leendert

Transportiert Personal von Arguin nach Emden. Am 25.12.1705 von Franzosen gekapert.

1706 als L´Amitie als Ersatz für die 1705 gekaperte Fortuna für die BAAC angekauft. Am 23.12.1706 durch zwei französische Schiffe gekapert, am darauffo lgenden Tag von niederländischer Fregatte befreit. Handel mit BAC- Pass Handel mit BAC- Pass

Plancke, Thomas

Westafrika Middelburg

Westafrika, St. Thomas

Wegen Mastbruch 30.12.1707 Plymouth angelaufen und repariert. Vos, Jacob Lente

462

420

9,1

1708

Freundlicheit

Westafrika

1709

Prinz Eugen

Westafrika, St. Thomas

Vos, Jakob Lente

391

313

19,9

51

39

23,5

Zwei Brüder

Am 16.04.1708 von Franzosen gekapert.

Westafrika, St. Thomas

Thebeu, Pieter

Maria

Middelburg

Westafrika

Udemans, Cosardus

Handel mit BAC- Pass, von WIC- Schiff gekapert.

Gerechtigkeit

Vlissingen

Westafrika

Jansen, Gabriel

Handel mit BAC- Pass.

Westafrika

Donker, Pieter

Handel mit BAC- Pass

Prinz Eugen

1713

Eendracht

Middelburg

Westafrika

Plancke, Thomas

Handel mit BAC- Pass. Transportiert Nikolas Dubois nach Grosfriedrichsburg.

König von Preußen

Rotterdam

Westafrika

Barrevoets, Cornelis

Handel mit BAC- Pass. Transportiert Jan de Both nach Arguin.

Postilion Galleij

Watson, Wouter

1714

König von Preußen

Westafrika, St. Thomas

Wijnen, Jan

1715

Kronprinz von Preußen

Arguin

Müller, Erasmus

400

Sklavenhandel mit BAC- Pass.

Handel mit BAC- Pass. 265

212

20

Handel mit BAC- Pass. Handel mit BAC- Pass.

1716

1717

1718

König von Preußen

Arguin, Westafrika

Wijnen, Jan

Handel mit BAC- Pass.

König von Preußen

Arguin

Wijnen, Jan

Handel mit BAC- Pass.

Kronprinz von Preußen

Arguin

Müller, Erasmus

Handel mit BAC- Pass.

König von Preußen

Arguin

Wijnen, Jan

Handel mit BAC- Pass. Wijnen löst de Both als Kommandant auf Arguin ab.

Kronnprinz von Preußen

Arguin

Müller, Erasmus

Westafrika

Smit, Jakob

Rotterdam Galleij

Rotterdam

Handel mit BAC- Pass

Anzahl aller durchgeführten Handelsfahrten: 124 Anzahl aller eingekauften Sklaven: 23.583 Anzahl aller verkauften Sklaven: 19.240 Durchschnittliche Verlustrate: 18,4 %

Quellen: GStA Rep. 65 Nr. 1-176; StAE Reg. I Nr. 279a-c, Protokolle XIII.1-5; TSTD1; TSTD2; Brübach: Brandenburg-Preußen; Jones: Brandenburg Sources; Kellenbenz: Brandenburger; Oettinger: Flagge; Paesie: Lorrendrayen; Partenheimer: Kolonialpolitik; Petsch: Seefahrt; Schück I, Schück II; Szmynski: Brandenburg-Preußen; Westergaard: Danish West Indies.

401

Anhang II. Übersicht über die von der BAC/BAAC aus Westindien transportierten Rückfrachten

Brauner Zucker

1686/87 Falke

1692 3 Schiffe

1693 7 Prov.

1693 Fr. Wilh.

1695 Vl. Arend

1699 Fr. III.

64.581

335.907

306.283

61.160

16.810

179.098

8.610

Weißer Zucker Baumwoll e

7.250

25.478

24.487

3.954

23.007

Kakao

1.430

3.325

1.020

126.137

44.226

Tabak

1.024 1.175

Indigo Melasse Schildpatt Zimt Pockholz Holz

8.004 303

250

2.628

1699 Kurinz.

1702 Held Jos.

5.157

175.397

1.525

19.903

14.435

16.211

5.760

768

7.629

5.417 103

69 St.

30.201 12.104

55 21 St.

1699 7 Prov.

78 St.

400 19 ¾ St.

20 566 St. 220 t

Häute

76.985 4.000 175 St.

128.192

9.620 997

24.011

134.316 124.425

1.527

43.829

3.949

6.154

Salpeter Roucou

128.500

1.196 St.

1.175 St.

Stücke von Acht Alle Angaben in Pfund, wenn nicht anders angegeben.

1.839 St. 1.000 St.

11.094 St.

Anmerkung: Melasse wurde in den überlieferten Ladelisten oft als „Konfitüren“ bezeichnet. Die Friedrich III. hatte 1699 zusätzlich noch kleinere Mengen Gold und Elfenbein geladen. Im gleichen Jahr hatte die Sieben Provinzen zusätzlich 2.149 Pf. Elefantenzähne sowie 79 Ballen ostindisches Leinen und die Sophie Louise 10.223 Pf. Elfenbein an Bord. Von den genannten Rückfrachten gingen die der Friedrich Wilhelm, Vliegender Arendt, Sieben Provinzen und Held Josua verloren. Quelle: Weindl; Kurbrandenburger.

402

Abkürzungsverzeichnis

BAC: Brandenburgisch-Africanische Compagnie BAAC: Brandenburgisch-Africanisch-Americanische Compagnie BEH: Brandenburgische Entwicklungspolitische Hefte BJ: Brandenburgische Jahrbücher Cal.-Col.: Calendar of State Papers, Colonial Series CDB: Codex Diplomaticus Brandenburgensis DAZ: Deutsche Apotheker-Zeitschrift DVIGK: Det Vestindisk-Guineiske Kompagni EIC: East India Company EJB: Emder Jahrbücher EHJ: Economisch-Historisch Jaarboek FBPG: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte GStA: Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem HA: Hauptabteilung HRR: Heiliges Römisches Reich deutscher Nation HZ: Historische Zeitschrift JAH: Journal of African History JGSWGL: Jahrbuch für Gesellschafts- Staats- und Wirtschaftsgeschichte Lateinamaerikas RAC: Royal African Company StaE: Stadtarchiv Emden TE: Theatrum Europaeum TSTD1: Transatlantic Slavetrade Database (CD-ROM) TSTD2: Transatlantic Slavetrade Database (online) UA: Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm VOC: Vereenigte Oostindische Compagnie WIC: Westindische Compagnie ZKKK: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialgeschichte und Kolonialrecht

403

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Ungedruckte Quellen a.) Geheimes Staatsarchiv Berlin Dahlem Stiftung Preußischer Kulturbesitz

I. HA, Rep. 11: Auswärtige Beziehungen Nr. 5235 – 5253: Indien (1634 - 1800)

I. HA, Rep. 34: Kleve, Mark, Ravensberg: Beziehungen zu den Niederlanden Nr. 6030: Korrespondenzen über den Vergleich zwischen der BAC und der WIC (1690) Nr. 6825: Acta betreffend die in Holland erbaute Jacht (1705) Nr. 6830: Acta betreffend die in Holland erbaute Jacht (1707)

I. HA Rep. 65: Marine- und Afrikanische Kompaniesachen Nr. 1-176 (1675-1721)

VIII. HA Rep. 92: Sammlung Friedrich Jorberg Nr. 1-59

b.) Stadtarchiv Emden

1. Reg. Nr. 224b: Brandenburger in Emden und Ostfriesland, 1683-1699 Nr. 225: Brandenburgische „Africanische Compagnie“ zu Emden, 1683-1691 Nr. 279: Africanische und Americanische Compagnie sowie Preußische Mariniers in Emden, (1681-1698) Nr. 279a: Africanische und Americanische Compagnie sowie Preußische Mariniers in Emden, (1681-1698) Nr. 279b: Africanische und Americanische Compagnie sowie Preußische Miliz in Emden, (1700-1744) Nr. 279c: Africanische und Americanische Compagnie in Emden (1688-1700) Nr. 280: Untersuchung gegen Sievert Horst, Direktor der Faktorei der Africanischen Compagnie auf der Insel St. Thomas (1714-1718) Nr. 981e: Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Brandenburg und der Stadt Emden (1683) Nr. 982e: Ordnung für die brandenburgische Marine-Kompanie über Integration ihrer Soldaten in das Emder Wachsystem und über Kontrollbefugnisse des Emder Kriegsrates (Oktober 1685) 1. Reg. Protokolle XIII, Nr. 1-5: Sitzungsprotokolle der Africanischen Compagnie (1691-1695)

404

II. Gedruckte Quellen Abelinus, Johann Philipp (Hrsg.): Theatrum Europaeum, 21 Bände, Frankfurt am Main 1646-1738. Barbot, Jean: Barbot on Guinea. The writings of Jean Barbot on West Africa 1678-1712, 2 Bände, London 1992. Becher, Johann Joachim: Politischer Discurs, von den eigentlichen Ursachen des Auff- und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken …, Frankfurt am Main 1688. Bosman, Willem: A New and Accurate Description of the Coast of Guinea, Devided into the Gold, the Slave and the Ivory Coasts, London 1705. von Buch, Dietrich Siegismund: Tagebuch Dietrich Siegismunds´von Buch aus den Jahren 1674 bis 1683, 2 Bände, Jena und Leipzig 1865. Calendar of State Papers, Colonial Series: America and West Indies: Band 08: 1677-1680, hg. v. J. W. Fortescue, London 1896 Band 11: 1681-1685, hg. v. J. W. Fortescue, London 1898 Band 12: 1685-1688, hg. v. J. W. Fortescue, London 1899 Band 13: 1689-1692, hg. v. J. W. Fortescue, London 1901 Band 14: 1693-1696, hg. v. J. W. Fortescue, London 1903 Band 15: 15. May 1696-31. Oktober 1697, hg. v. J. W. Fortescue, London 1904 Band 16: 27. October 1697-31. December 1698, hg. v. J. W. Fortescue, London 1905 Band 17: 1699, hg. v. J. W. Fortescue, London 1908 Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten. Berlin 1838–1869 Defoe, Daniel: A General History of the Pyrates, from their first rise and settlements in the Islands of Providence to the present time, London 1724. Donnan, Elizabeth: Documents Illustrative of the History of the Slave Trade, 4 Bände, London 1930-1935. Großer Generalstab: Brandenburg-Preußen auf der Westküste von Afrika 1681-1721, verfasst vom Großen Generalstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte, Berlin 1885, unveränderter Neudruck Wolfenbüttel 2007. Gröben, Otto Friedrich: Orientalische Reisebeschreibung des Adelichen Pilgers Otto Friedrich von der Gröben, nebst der brandenburgischen Schiffahrt nach Guinea, und der Verrichtung zu Morea, unter ihrem Titel, Marienwerder 1694. Gröben, Otto Friedrich: Des edlen Bergone und seiner tugendhafften Areteen denckwürdigen Lebens- und Liebesgeschichte: Zum Nutz und Vergnügen edler Gemüther, welche daraus die Sitten und Gebräuche vieler Völcker und der ausführlichen Beschreibung Italien, der Heiligen und anderer Länder ersehen können, Danzig 1700. Jones, Adam: Brandenburg Sources to West African History, Stuttgart 1985. Labat, Jean-Baptiste: Nouvelle Relation de l`Afrique Occidental, 5 Bände, Paris 1728. Labat, Jean-Baptise: Nouveau voyage aux îles de l'Amérique, 6 Bände, Paris 1722. von Moerner, Theodor: Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601-1700. Nach den Originalen des Königlichen Geheimen Staatsarchivs, Berlin 1865. Oettinger, Paul: Unter kurbrandenburgischer Flagge. Deutsche Kolonialerfahrungen vor zweihundert Jahren, nach dem Tagebuch des Chirugen Johann Peter Oettinger, Berlin, 1886. von Pufendorf, Samuel: De rebus gestis Friderici Wilhelmi Magni, Electoris Brandenburgici Commentariorum Libri Novendecim, posthum 1695, Berlin und Leipzig 1733.

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H.

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The Transatlantic

Slavetrade

1562-1867

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Determinanten

der

Vita Persönliche Daten

Geburtsdatum:

01.05.1972

Geburtsort:

Düsseldorf

Schulbildung 1978 – 1982

Theodor-Heuss-Grundschule in Düsseldorf-Wersten

1982 – 1991

Geschwister-Scholl-Gymnasium in Düsseldorf-Oberbilk

1991

Abschluss des Gymnasiums mit der Allgemeinen Hochschulreife

Studium 1993 – 1996

Studium der Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-WilhelmUniversität Bonn

1996 – 1998

Studium der Geographie an der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn

1998 – 2005

Studium der Geschichtswissenschaften an der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf mit dem Abschluß Magister Artium

2005 - 2011

Promotion zum Dr. phil. an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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