Die Fortführung und Sanierung insolventer Klein

February 4, 2018 | Author: Anonymous | Category: Unternehmen, Unternehmensführung
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5th International Conference on Management, Enterprise and Benchmarking June 1-2, 2007 › Budapest, Hungary

Die Fortführung und Sanierung insolventer Klein- und Mittelbetriebe Josef Mugler Wirtschaftsuniversität Wien Institut für Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe Augasse 2-6 1090 Wien Österreich Telefon: +43-(0)1-313 36-45 92 Telefax: +43-(0)1-313 36-715 E-mail: [email protected]

Markus Imgrund Horváth & Partners Management Consultants Biberstraße 15 1010 Wien Österreich Telefon: +43-(0)1-512 75 08-0 Telefax: +43-(0)1-512 75 08-99 E-mail: [email protected] Keywords: KMU, Krise, Insolvenz, Sanierung, Turnaround-Management, Konfigurationsansatz

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Einleitung

Unternehmenskrisen und -insolvenzen sind aufgrund des marktwirtschaftlichen Prinzips permanente Erscheinungen des Wirtschaftslebens. Die Zunahme der Insolvenzzahlen innerhalb der letzten Jahre ist auf den Zusammenbruch vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), insbesondere Kleinstbetriebe, zurückzuführen. Die Insolvenz eines Unternehmens bedeutet jedoch nicht zwangsläufig den wirtschaftlichen Exitus, sondern es existieren unter bestimmten Voraussetzungen ‚Wege aus der Insolvenz’. Die erfolgreiche Fortführung eines in die Insolvenz geratenen Unternehmens hängt von Faktoren ab, die an die agierenden Personen gebunden sind: Dem Unternehmer kommt dabei vor der Insolvenz entscheidende Bedeutung zu, denn in dieser Phase kann er selbst noch viele Faktoren

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einer erfolgreichen Unternehmensfortführung beeinflussen. Der Insolvenzverwalter gilt ab dem Insolvenzzeitpunkt als Schlüssel für die Schicksalsfrage des Unternehmens und steuert den Erfolg der Fortführung. In einer am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführten Studie (Imgrund 2007) wurden die Erfolgsfaktoren der Fortführung und Sanierung insolventer kleiner und mittelständischer Unternehmen untersucht.

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Untersuchungsdesign

Für die Konzeption der vorliegenden Studie wurde ein ganzheitlicher Ansatz, die Konfigurationstheorie (Miller 1987), gewählt. Die für Klein- und Mittelbetriebe adaptierte Version dieses Ansatzes (Mugler 1998) diente als Bezugsrahmen für die Herleitung jener Variablen, die für die vorliegende Fragestellung als relevant erschienen. Der Konfigurationsansatz ist grundsätzlich für die Konzeption von Untersuchungen in jeder Lebenszyklusphase eines Betriebs geeignet, so auch für Betriebe in Krisenphasen (Mugler 1999). Die zu untersuchenden Variablen konnten daher auch für die vorliegende Problemstellung aus den Bereichen ‚Unternehmer’, ‚Managementinstrumente’, ‚Ressourcen’, und ‚Umwelt’ bezogen werden. Die durch den Konfigurationsansatz geleitete empirische Studie wurde mit einem triangulativen Ansatz durchgeführt und umfasste eine quantitative Fragebogenerhebung unter den in Deutschland tätigen Insolvenzverwaltern sowie qualitative Experteninterviews mit Unternehmensberatern, Insolvenzverwaltern und mit von einer Insolvenz betroffenen Führungskräften und Unternehmern. Mit beiden Erhebungsmethoden wurden Daten zur Ausgangssituation, zu verschiedenen Sanierungsakteuren (inkl. Maßnahmen) sowie zur Unternehmenssituation bei Beendigung der Insolvenz erhoben. Die Untersuchungseinheit stellten kleine und mittelständische Unternehmen dar, die folgende Kriterien erfüllen: Untersuchungseinheit KMU ¾ ¾ ¾ ¾ ¾

Mindestens 20, maximal 250 Mitarbeiter Insolvenzzeitpunkt nach 1. Januar 1999 Unternehmen zum Insolvenzzeitpunkt älter als drei Jahre Kein staatliches Unternehmen oder Konzerntochter Mindestens ein Gesellschafter in der Geschäftsführung Tabelle 1 Eingrenzungskriterien für die empirische Erhebung

Alle berücksichtigten Insolvenzfälle wurden nach dem Insolvenzantrag zunächst vom Insolvenzverwalter fortgeführt, wobei das Ziel der Fortführung in einer

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Rechtsträgersanierung bzw. der Durchführung einer übertragenden Sanierung bestand. Um Erfolgsfaktoren der Fortführung und Sanierung zu ermitteln, wurde eine Kontrollgruppe berücksichtigt, welche solche Insolvenzfälle beinhaltete, bei denen die Fortführung und Sanierung abgebrochen und das Unternehmen in Folge liquidiert wurde. Im Rahmen der quantitativen Erhebung wurde der Fragebogen an 1.132 Insolvenzverwalter versendet, wovon 212 zurückgesendet wurden. Dies entspricht einer Responserate von 18,7%. 65 Insolvenzverwalter gaben an, dass sie bisher noch keinen Insolvenzfall betreut haben, der in die Untersuchungsgruppe fällt. In die Auswertung konnten somit 145 Fragebögen (12,8%) aufgenommen werden. Von diesen 145 Fällen beschrieben 92 eine erfolgreiche Fortführung und Sanierung (63,4%) und 53 eine nicht erfolgreiche (36,6%). Im Rahmen der qualitativen Erhebung wurden insgesamt 15 Experteninterviews in Form problemzentrierter Interviews durchgeführt. Es wurde dabei eine breite geographische Streuung innerhalb des Bundesgebietes berücksichtigt. Die Interviews wurden, bis auf wenige Ausnahmen, aufgezeichnet und durch eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet.

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Empirische Ergebnisse

Die folgenden empirischen Ergebnisse geben einen Überblick über das Unternehmen zum Insolvenzzeitpunkt anhand ausgewählter Variablen aus den genannten Bereichen: ‚Unternehmer’, Managementinstrumente’, ‚Ressourcen’ und ‚Umwelt’. Weiterhin werden die Rolle des Insolvenzverwalters im Fortführungsund Sanierungsprozess aufgezeigt und Erfolgsfaktoren einer Fortführung und Sanierung genannt, welche anhand statistischer Analysen und im Rahmen der Interviewauswertung ermittelt wurden.

3.1

Das Unternehmen zum Insolvenzzeitpunkt

In der Regel liegt zum Insolvenzzeitpunkt folgende Situation vor: Der Unternehmer hat bis zur Insolvenzanmeldung gekämpft, um die Insolvenz abzuwehren, wodurch er physisch und psychisch an seine Grenzen gekommen ist. In den seltensten Fällen ist er auf die Insolvenz vorbereitet und meist hat er den Insolvenzantrag sehr spät gestellt. Der Stellenwert seiner Selbstständigkeit ist hoch ausgeprägt. Das Bedürfnis nach Betriebserhaltung sowie sein Branchenwissen sind sehr hoch, sein betriebswirtschaftliches Fachwissen und seine Sanierungserfahrung hingegen gering. Ebenso niedrige Ausprägungen zeigen die im Unternehmen implementierten Managementinstrumente. Die geringste Ausprägung verzeichnen dabei Control-

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lingsysteme im Sinne von Planung, Berichtswesen und Steuerung. Eine Begründung hierfür ist in dem geringen betriebswirtschaftlichen Fachwissen des Unternehmers zu suchen, was oftmals dazu führt, dass überhaupt keine oder keine adäquaten Managementinstrumente implementiert werden. Ein rechtzeitiges Erkennen der Krise wird dadurch erschwert. Dies ist, neben der emotionalen Bindung des Unternehmers, einer der Hauptgründe, warum der Insolvenzantrag sehr spät gestellt wird. Bei nicht erfolgreichen Fortführungen und Sanierungen ist auffällig, dass sowohl das Methoden-Know-how als auch die Dokumentation der Geschäftsprozesse im Unternehmen geringer ausgeprägt sind als bei erfolgreichen Sanierungsfällen. Unternehmensressourcen sind zum Insolvenzzeitpunkt in unterschiedlicher Intensität existent, wobei finanzielle Ressourcen im geringsten Ausmaß vorhanden sind. Es existiert eine sehr niedrige Eigenkapitalquote und die Unternehmen haben praktisch keinen Kapitalmarktzugang, was einen hohen Bedarf für finanzielle Ressourcen aufzeigt. Hingegen sind personelle Ressourcen in den insolventen Unternehmen quantitativ ausreichend vorhanden, da die meisten Mitarbeiter zum Insolvenzzeitpunkt noch im Unternehmen sind und eine hohe Motivation aufweisen. Organisationelle Ressourcen in Form von Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation und Funktionsfähigkeit der Organisationsstruktur sind in mittlerem Ausmaße existent. Bei der Unternehmensumwelt zeigen sich besonders bei jenen Variablen hohe Ausprägungen, welche mit dem persönlichen Umfeld des Unternehmers assoziiert sind (Familie und konkrete Marktpartner). Es existiert eine enge Verbindung zwischen dem Unternehmen und der Privat-/Familiensphäre des Unternehmers, hohe Motivation bzw. hoher Rückhalt für den Unternehmer durch seine Familie sowie hohe Loyalität mitarbeitender Familienmitglieder. In besonderem Maße hat der Unternehmer eine individuelle Kunden-/Lieferantenbeziehung. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Ausprägungen der erhobenen Variablen anhand ihrer Mittelwerte. Wie sich ein Unternehmen zum Insolvenzzeitpunkt darstellt, ist insbesondere von den vorinsolvenzlichen Ereignissen und den Insolvenzgründen abhängig. Die dargestellte Insolvenzsituation kann jedoch in den meisten Fällen als typisch bezeichnet werden. Bei einer frühzeitigen Insolvenzanmeldung existieren zudem mehr Ressourcen als bei Unternehmen, welche bis zum letztmöglichen Zeitpunkt einen intensiven Insolvenzabwehrkampf geführt haben. Für die Unternehmenssituation zum Insolvenzzeitpunkt, welche für die Fortführungsentscheidung des Insolvenzverwalters von großer Bedeutung ist, ist in hohem Maße der Unternehmer verantwortlich. Dieser triff bis zum Insolvenzzeitpunkt alle Entscheidungen weitgehend selbstständig.

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Unternehmer Stellenwert seiner Selbstständigkeit

Bedürfnis nach Betriebserhaltung

Sanierungserfahrung

Branchenwissen (Produkte & Märkte)

Betriebswirtschaftliches Fachwissen

Managementinstrumente Dokumentierte Geschäftsprozesse

Methoden-Know-how

Controllingsystem (Planung, Berichtswesen, Steuerung)

erfolgreiche Sanierung

nicht erfolgreiche Sanierung

Legende: 1=sehr gering, 2=gering, 3=hoch, 4=sehr hoch Abbildung 1: Ausprägung ausgewählter Variablen der Konfigurationsvariable ‚Unternehmer’ bzw. ‚Managementinstrumente’

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1

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Ressourcen Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation

Funktionsfähigkeit der O rganisationsstruktur

Eigenkapitalquote

Kapitalmarktzugang

Um welt Verbindung Unternehmens- und Privat/Familiensphäre der geschäftsf. Person

Motivation/Rückhalt durch die Familie der geschäftsf. Person

Loyalität mitarbeitender Familienmitglieder

Individuelle Kunden-/ Lieferantenbeziehung

erfolgreiche Sanierung

nicht erfolgreiche Sanierung

Legende: 1=sehr gering, 2=gering, 3=hoch, 4=sehr hoch Abbildung 2: Ausprägung ausgewählter Variablen der Konfigurationsvariable ‚Ressourcen’ bzw. ‚Umwelt’

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3.2

Der Insolvenzverwalter im Sanierungsprozesses

Ab dem Insolvenzzeitpunkt ist der Insolvenzverwalter der Hauptakteur des Fortführungs- und Sanierungsprozesses und trifft zunächst auch die Fortführungsentscheidung.1 Er ist in die Erstellung eines Fortführungs- und Sanierungskonzeptes in hohem Maße involviert. In seinem Verantwortungsbereich liegt die Entscheidung, wie und mit wem die Fortführung und Sanierung gestaltet wird, d.h., ob der Unternehmer mit involviert bleibt, welche Unternehmensmitarbeiter einbezogen werden, ob und welche externen Akteure beauftragt werden, welche Maßnahmen getroffen werden und wie und wo nach Käufern/Investoren für das insolvente Unternehmen gesucht wird. Insbesondere bei der Käufer-/Investorensuche ist keine erkennbare Systematik auszumachen und der Sucherfolg scheint zufallsabhängig. Das Ziel von Insolvenzverwaltern besteht in der Regel darin, nach dem vorläufigen Verfahren das Unternehmen mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu verkaufen. Mit der Herkunft des Investors ist die Frage verknüpft, wie sich die Zukunft des insolventen Unternehmens gestaltet, d.h., ob es vollständig integriert wird oder eine ‚Stand-Alone-Lösung’ angestrebt wird. Nur ein geringer Teil der Insolvenzverwalter führt unter Inkaufnahme eines persönlichen Risikos das Unternehmen im eröffneten Verfahren fort. Im Ablauf des Insolvenzverfahrens stellt es sich teilweise als problematisch dar, dass eine Überwachung der Tätigkeiten der Insolvenzverwalter nur reduziert stattfindet. Die Gerichte haben einen zu geringen Einblick in die tatsächlichen Vorgänge des Verfahrens, und die Gläubigerversammlung tritt erst spät zusammen. Zudem machen die Gläubigerversammlungen äußerst selten von der Möglichkeit Gebrauch, einen Insolvenzverwalter auszutauschen. Das vom Insolvenzverwalter erstellte Fortführungs- und Sanierungskonzept hat seinen Fokus vorwiegend auf einer Kostenreduzierung. Die meisten Maßnahmen werden in den Bereichen ‚Management/ Unternehmensführung’, ‚Unternehmensorganisation’ und ‚Personalwirtschaft’ durchgeführt. Dabei ist die Intensität der beiden erstgenannten Maßnahmen signifikant unterschiedlich zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Fortführungen und Sanierungen. Tabelle 2 zeigt die Intensität aller Maßnahmengruppen bei erfolgreichen und nicht erfolgreichen Sanierungen anhand der errechneten Mittelwerte sowie den T-Wert und die Signifikanz.

1

Gesetzlich sind die Gläubiger die Entscheidungsträger über den Weitergang des Verfahrens. Da jedoch die Gläubigerversammlung in der Regel erst im eröffneten Verfahren zusammenkommt, der Insolvenzverwalter aber bereits im vorläufigen Verfahren entscheiden muss, ob fortgeführt wird oder nicht, fällt ihm die praktische Entscheidung zu.

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Maßnahmenbereiche Finanzwirtschaft Management/Unternehmens führung Unternehmensorganisation Personalwirtschaft Materialwirtschaft Produktion Absatz, Marketing & Vertrieb Forschung & Entwicklung

Mittelwert bei erfolgreichen Sanierungen

Mittelwert bei nicht erfolgreichen Sanierungen

T

1,96 2,53

1,65 1,87

-1,397 -3,316

Signifik anz (2seitig) 0,165 0,001

2,37 2,23 1,70 1,48 1,87 0,58

1,81 1,92 1,75 1,46 1,83 0,37

-2,789 -1,475 0,269 -0,77 -0,201 -1,521

0,006 0,142 0,789 0,938 0,841 0,130

Bewertungsskala von 0 bis 4: 0=keine Maßnahmen, 1=sehr wenige, 2=wenige, 3=viele, 4=sehr viele

Tabelle 2 Mittelwerte und signifikante Unterschiede in den Maßnahmengruppen

Der Unternehmer ist für den Insolvenzverwalter zunächst die erste Ansprechperson im Unternehmen. In den Fällen, in welchen das vorinsolvenzliche Unternehmerverhalten überhaupt nicht oder nur gering zu beanstanden ist, wird dieser in die Konzepterstellung und -umsetzung involviert. Ob der Unternehmer in der weiteren Fortführungs- und Sanierungsphase auch dauerhaft involviert bleibt, hängt neben seinem vorinsolvenzlichen Verhalten auch von seiner physischen und psychischen Konstitution und der Sanierungsform ab. Bei einer rechtzeitigen Insolvenzanmeldung wird die Vertrauenswürdigkeit und die Akzeptanz des Unternehmers bei anderen Akteuren erhöht und damit die Wahrscheinlichkeit seiner weiteren Involvierung. Bei einer Rechtsträgersanierung ist der Unternehmer in höherem Ausmaße involviert als bei einer übertragenden Sanierung.

3.3

Statistische Erfolgsfaktoren einer Fortführung und Sanierung

Die Erfolgsfaktoren einer Fortführung und Sanierung werden zunächst auf statistischem Wege errechnet, wozu in einem ersten Schritt die signifikanten Unterschiede zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Fortführungs- und Sanierungsfällen mit T-Tests und Chiquadrat-Tests identifiziert werden. Insgesamt weisen folgende 15 Variablen einen signifikanten Unterschied auf, welche in die Bereiche ‚Ausgangssituation’ und ‚Sanierungsparameter’ mit entsprechenden Subvariablen differenziert werden2:

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Die vollständige Übersicht aller untersuchten und einbezogenen Variablen ist der ausführlichen Studie zu entnehmen. Vgl. Imgrund (2007).

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Bereich

Subvariable ¾ Unternehmer

Ausgangssituation

¾ Managementinstrumente ¾ Ressourcen

Variable ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾

¾ Umwelt ¾ Finanzierungsbeitrag Sanierungs -parameter ¾ Maßnahmenbereiche

¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾

Bedürfnis nach Betriebserhaltung Dynamisch-schöpferische Aktivität Vertrauenswürdigkeit Dokumentierte Geschäftsprozesse Methoden-Know-how Controllingsystem Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation Funktionsfähigkeit der Organisationsstruktur Einbezug von externen Beratern Unternehmen selbst Neue Privatinvestoren Banken Andere Unternehmen Management/Unternehmensführung Unternehmensorganisation

Reg.

Sig.

-2,224 -2,705 -2,009 -2,660 -2,427 -2,451 -3,621

0,028 0,008 0,046 0,009 0,016 0,015 0,000

-2,830

0,005

-2,428 -2,445 -6,353 -2,643 -3,958 -3,316 -2,789

0,016 0,016 0,000 0,009 0,000 0,001 0,006

Tabelle 3 Signifikante Unterschiede zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Sanierungen

Mit diesen Variablen wurde eine logistische Regression durchgeführt, welche sechs Variablen identifiziert, die einen signifikanten Einfluss auf den Fortführungs- und Sanierungserfolg insolventer Unternehmen haben:3 Variable Ausgangssituation Vertrauenswürdigkeit des Unternehmers Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation Sanierungsparameter Finanzierungsbeitrag neue Privatinvestoren Finanzierungsbeitrag Banken Finanzierungsbeitrag andere Unternehmen Maßnahmen im Bereich Management/Unternehmensführung Konstante: -8.864

Reg.

Sig.

0,942 1,303

0,017 0,005

0,825 0,547 0,519 0,826

0,000 0,010 0,043 0,003

Tabelle 4 Variablen der Regressionsgleichung inkl. Konstante

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Bei der Bewertung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die Fortführungsentscheidung bereits getroffen wurde. Eine Betrachtung dieser Entscheidung fand im Rahmen dieser Studie nicht statt.

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Aus Tabelle 4 lässt sich mit den Regressionskoeffizienten sowie der Konstante eine Regressionsgleichung erstellen4, mit welcher die Überlebenswahrscheinlichkeit eines insolventen Unternehmens errechnet werden kann. Grundlage der Berechnung ist die Gleichung p=1/(1+e-z), wobei sich die berechnete Wahrscheinlichkeit p im vorliegenden Fall auf eine erfolgreiche Fortführung bezieht. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Variablen, welche im Zusammenhang mit finanziellen Beiträgen stehen, von besonderer Bedeutung für den Erfolg einer Fortführung und Sanierung sind. Insbesondere ist die Variable ‚Finanzieller Beitrag von Privatinvestoren’ von hoher Bedeutung (Reg. 0,825, Sig. 0,000). Aus dem Bereich der Sanierungsmaßnahmen haben Maßnahmen im Bereich Management/Unternehmensführung einen hoch signifikanten Einfluss auf den Sanierungserfolg. Weiterhin hat die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmers einen signifikanten Einfluss auf den Sanierungserfolg, wobei die Vertrauenswürdigkeit maßgeblich durch das vorinsolvenzliche Verhalten des Unternehmers beeinflusst wird. Eine weitere Variable, welche einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit hat, ist die Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation. Dass es dieser Anpassungsfähigkeit bedarf, kann insbesondere damit begründet werden, dass durch die Insolvenz Strukturveränderungen stattfinden, welche ausgeglichen werden müssen. Dies wird auch durch die verstärkten Maßnahmen im Bereich des Managements/der Unternehmensführung, der Unternehmensorganisation und der Personalwirtschaft deutlich (vgl. Tabelle 2). Diese statistischen Zusammenhänge zeigen gleichzeitig, dass die Ausgangssituation des Unternehmens für den Fortführungs- und Sanierungserfolg nahezu unbedeutend ist, sobald die Entscheidung für eine Fortführung und Sanierung gefallen ist. Der Fortführungs- und Sanierungserfolg hängt vornehmlich davon ab, ob finanzielle Ressourcen von Investoren oder Käufern beschafft werden können.

3.4

Erfolgsfaktor Akteure

Neben einer rein statistischen Betrachtung bedarf es auch der Berücksichtigung qualitativer Zusammenhänge, worunter vorwiegend auf die Akteure einer Fortführung und Sanierung zu subsumieren sind. Es ist festzustellen, dass für den Sanierungserfolg die Akteure Unternehmer, Insolvenzverwalter, Mitarbeiter und Käufer/Investoren eine besondere Bedeutung haben.

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Z = -8,864 + 0,942 * Vertrauenswürdigkeit des Unternehmers + 1,303 * Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation + 0,825 * Finanzierungsbeitrag neue Privatinvestoren + 0,547 * Finanzierungsbeitrag Banken + 0,519 * Finanzierungsbeitrag andere Unternehmen + 0,826 *Maßnahmen im Bereich Management/Unternehmensführung

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Für die Situation eines Unternehmens zum Insolvenzzeitpunkt ist der Unternehmer verantwortlich, da er alle vorinsolvenzlichen Aktivitäten steuert. D.h., er ist auch für den Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung verantwortlich, was bei rechtzeitigem Handeln einen langwierigen Insolvenzanwehrkampf vermeiden kann. Sein Verhalten und der Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung haben eine Auswirkung auf seine wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit und stehen in Zusammenhang mit der Funktions- und Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation. Einem Unternehmer, welcher rechtzeitig Insolvenz anmeldet und dessen Verhalten nicht oder nur geringfügig beanstandet wird, wird eine größere Vertrauenswürdigkeit zugesprochen und die Gefahr des Ausgewechselt-Werdens durch den Insolvenzverwalter wird reduziert. Das vorinsolvenzliche unternehmerische Verhalten beeinflusst auch die notwendigen Voraussetzungen einer Fortführung. Damit ein Unternehmen überhaupt fortgeführt wird, bedarf es insbesondere dessen Funktionsfähigkeit zum Insolvenzzeitpunkt. Die Frage der Funktionsfähigkeit ist ihrerseits mit der Existenz von (Schlüssel-)Personen und einer Kundenbasis verknüpft. Da die Insolvenz einen hohen Zeitdruck erzeugt, lassen sich funktionierende Unternehmensstrukturen und ein neuer Kundenstamm nur schwer implementieren. Weiterhin bedarf es der Existenz eines leistungswirtschaftlichen, marktfähigen Unternehmenskerns, welcher entweder gesund oder sanierbar und potenziell veräußerbar ist. Diesbezüglich muss auch ein Bedarf für die Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens gegeben sein. Als weitere Voraussetzung ist die Inanspruchnahme von Insolvenzausfallgeld zu nennen. Kann dieses nicht in Anspruch genommen werden, so wird die Fortführung wesentlich erschwert und in den meisten Fällen sogar unmöglich. Dem Insolvenzverwalter fällt ab dem Insolvenzzeitpunkt eine herausragende Rolle und Bedeutung zu. Er kann als die Schicksalsfrage des insolventen Unternehmens bezeichnet werden! Ein Insolvenzverwalter, welcher ein Fortführungsverständnis zum Zwecke des Unternehmenserhaltes hat und unternehmerisch, volkswirtschaftlich und sozial denkt, gilt daher als besonderer Erfolgsfaktor einer Insolvenzsanierung. Ein solches Denken resultiert zunächst in der Fortführung des Unternehmens und in der Identifikation des leistungswirtschaftlich marktfähigen Unternehmenskerns. Es resultiert aber auch in adäquaten Maßnahmen zur Suche nach Investoren und adäquaten Maßnahmen im Bereich des Managements/der Unternehmensführung. D.h., der Insolvenzverwalter ist die Person, welche für die Variablen der Sanierungsparamenter verantwortlich ist, welche einen signifikanten Einfluss auf den Fortführungs- und Sanierungserfolg haben.5

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Vgl. Tabelle 4.

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Als die wichtigste Aktivität des Insolvenzverwalters zur Erhaltung eines insolventen Unternehmens ist die Durchführung eines professionell gemanagten und zeitnahen Verkaufs- bzw. Investitionsprozesses anzusehen. Dies inkludiert sowohl die systematische Suche nach Käufern und Investoren als auch die frühzeitige Elimination von so genannten ‚Dealbreakern’. Im Idealfall hat der Insolvenzverwalter ein umfassendes Netzwerk, auf welches er bei der Käufer-/Investorensuche zurückgreifen kann. Neben dem Insolvenzverwalter haben die Mitarbeiter des insolventen Unternehmens eine besondere Bedeutung, da sie maßgeblich die Leistungs-, Funktions- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens beeinflussen. Für eine Fortführung und Sanierung sind Schlüsselpersonen und Leistungsträger notwendig, welche Sanierungsmaßnahmen operativ umsetzen, da der Insolvenzverwalter in der Regel keine operativen Tätigkeiten übernimmt. Diese Personen müssen deshalb in den unterschiedlichen Hierarchieebenen des Unternehmens identifiziert und mit entsprechenden Sanierungsaufgaben betraut werden. Im Idealfall haben sie eine Motivationswirkung auf andere Mitarbeiter. Problematisch für die Mitarbeiter und ihre Motivation stellen sich die häufig unvermeidbaren Personaleinschnitte dar. Mitarbeiter stehen dadurch stets in einem Spannungsfeld zwischen ihrer Loyalität zum Unternehmen und ihrer persönlichen Existenzsicherung. Abbruchgründe Kein Käufer für Unternehmen/Unternehmensteile zu finden Unternehmen erwirtschaftet dauerhaft Verluste Benötigtes Kapital konnte nicht beschafft werden Problematik des § 613a BGB6 Veränderte Markt- und Wettbewerbslage Schlüsselpersonen haben das Unternehmen verlassen Aussonderungsberechtigte Gläubiger machen Fortführung unmöglich Keine Einigung mit/unter Gesellschaftern möglich Keine Einigung mit/unter Gläubigern möglich Staatliche Institutionen behindern Fortführung/Verkauf N=50, Mehrfachnennungen möglich

in % 64% 60% 44% 42% 28% 18% 10% 8% 8% 6%

Tabelle 5 Abbruchgründe einer Fortführung und Sanierung

Die Fortführung insolventer Unternehmen resultiert in den meisten Fällen im Verkauf des Unternehmens, um so eine übertragende Sanierung durchzuführen.

6

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§ 613a BGB regelt den Übergang der Beschäftigungsverhältnisse auf den Erwerber: „Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.“ BGB (2006), § 613a.

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Die Existenz eines Käufers/Investors bzw. die Existenz einer Finanzierung sind daher von elementarer Bedeutung. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in den Abbruchgründen der nicht erfolgreichen Fortführungen und Sanierungen wider, welche in Tabelle 5 gelistet sind.

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Schlussfolgerungen und Ausblick

Die durchgeführte Untersuchung des Fortführungs- und Sanierungsprozesses insolventer KMU zeigt, dass, sofern einmal die Fortführungsentscheidung getroffen wurde, der Sanierungserfolg nahezu ausschließlich von den externen Faktoren ‚Insolvenzverwalter’ sowie ‚Käufer/Investor/Finanzierung’ abhängig ist. Lediglich die Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation und die Existenz von Schlüsselpersonen mit hoher Mitarbeitermotivation können als wichtige unternehmensinterne Erfolgskriterien identifiziert werden. Der KMUUnternehmer, welcher vorinsolvenzlich eine herausragende Bedeutung hat, verliert diese in aller Regel mit der Insolvenzanmeldung. Sein Beitrag zu einer erfolgreichen Insolvenzsanierung kann daher nur darin bestehen, sich vorinsolvenzlich der Krisensituation adäquat zu verhalten, um so die Voraussetzungen für eine Fortführung zu schaffen. Auch zukünftig ist nicht mit einer wesentlichen Reduzierung der Anzahl der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen. Insolvenzen werden als Ausdruck des marktwirtschaftlichen Systems bestehen bleiben und Unternehmen werden weiterhin dem Selektionsmechanismus der Wirtschaft unterliegen. Dabei wird eine große Anzahl von Insolvenzunternehmen nicht fortgeführt und saniert werden können und der Unternehmenslebenszyklus wird im Zuge der Insolvenz mit der Zerschlagung und Liquidation enden. Für einen bestimmten Teil besteht jedoch die Möglichkeit, Wege aus der Insolvenz zu finden und ihren Lebenszyklus im Rahmen einer Rechtsträgersanierung zu verlängern bzw. im Rahmen einer übertragenden Sanierung einen neuen zu beginnen. Ein stattfindender Generationenwechsel bei Richtern und Insolvenzverwaltern sowie eine zunehmende Auffassung, dass Insolvenzverwaltung neben dem Gläubigerschutz auch einen ‚Unternehmensschutz’ beinhalten soll, führen zu einer intensiveren Prüfung der Erhaltungschancen insolventer Unternehmen. Die Suche nach dem leistungswirtschaftlich marktfähigen Unternehmenskern ist dabei eine Hauptaufgabe des Insolvenzverwalters, welcher hierfür notwendigerweise betriebswirtschaftliches Know-how benötigt. Es bedarf unternehmerisch, volkswirtschaftlich und sozial denkender Insolvenzverwalter, um den Fortführungs- und Sanierungserfolg zu realisieren. Ob Gesetzgebung, Wissenschaft und Praxis Ansätze und Anreizwirkungen finden, welche auf der emotionalen Ebene des Unternehmers greifen, so dass dieser eine

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frühzeitige Insolvenzanmeldung vornimmt, bleibt abzuwarten. Mit den vereinzelten Hilfsangeboten von staatlichen Institutionen sind bereits erste Schritte unternommen worden, die Stigmatisierung durch die Krise und Insolvenz zu reduzieren. Eine in der Gesellschaft verankerte ‚Kultur des redlichen Scheiterns’, welche auf der Annahme basiert, dass aus bisherigen Fehlern gelernt werden kann und Personen eine zweite Chance gegeben werden soll, wäre einer solchen Anreizwirkung sicherlich zuträglich. Literaturverzeichnis

22

[1]

Imgrund, M. (2007) Wege aus der Insolvenz. Eine Analyse der Fortführung und Sanierung insolventer Klein- und Mittelbetriebe unter besonderer Berücksichtigung des Konfigurationsansatzes, Frankfurt am Main, Berlin et al

[2]

Miller, D. (1987) The Genesis of Configuration. Academy of Management Review 12: 686-701

[3]

Mugler, J. (1998) Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe, 3. Aufl., Band 1, Wien –New York

[4]

Mugler, J. (1999) Besonderheiten des Krisenmanagements in Klein- und Mittelbetrieben. In: Thommen, J.-P., Belak, J., Kajzer, S. (Hrsg.) Krisenmanagement. Gubno, S. 189-200

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