Dramenanalyse: Brecht, Beckett, Sartre

January 15, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Drama
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Dramenanalyse: Brecht, Beckett, Sartre - drei „Kränkungen“ des abendländischen Subjekts: Marx, Nietzsche, Freud - Marx: das Subjekt ist von den gesellschaftlichen Bedingungen abhängig - Nietzsche: nicht die Ratio beherrscht den Menschen, sondern die Energie und Kraft („Wille zur Macht“) - Freud: „Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“ (die Bedeutung des Unbewussten) - Konsequenzen für das moderne Drama: der Charakter als ein einheitliches Subjekt wird in Frage gestellt (Beispiel: Antigone – Tragik vermittelt durch einen klar definierten Charakter) - Brecht: Das moralische Verhalten des Menschen beeinflusst das Geschehen nicht („Der gute Mensch von Sezuan“); der Versuch des Einzelnen, seinen individuellen Vorteil durchzusetzen, ist zum Scheitern verurteilt; das Handeln des Menschen ist gesellschaftlich vermittelt - Beckett: Die Handlungen der Menschen sind unbestimmt im Blick auf die Frage, ob den Absichten des Handelnden eine konkrete Tat entspricht; der mögliche Sinn des Handelns erscheint fraglich; Bedeutung der Körperlichkeit; Tragisches geht in Komisches über; gesellschaftliche Beeinflussung des Handelns fraglich - Sartre: Es gibt keine Regel und keine Morallehre, die das Handeln des Menschen bestimmt; der Mensch hat keinen festgelegten Charakter; was der Mensch ist, entscheidet sich in dem konkreten Lebensentwurf, der in der Krise entsteht; das Theater zeigt den dramatischen Moment der individuellen Entscheidung

Peter Weiss: Marat/Sade

Momente des Theaters der Grausamkeit: - die Kranken artikulieren ihre triebhaften Energien, Wünsche und Obsessionen; - „die Gefängnisse des Innern“ (Sade) sollen gesprengt werden; - wirkungsästhetische Perspektive: Die Zuschauer identifizieren sich mit dem Geschehen und überwinden ihre moralischen Gebote (das Unbewusste überwindet das Über-Ich); - Sade ist der Arrangeur der emotionalen und körperlichen Befreiung, die aber von den staatlichen Instanzen unterbunden wird; - Auch Marat zeigt sich von seiner Körperlichkeit geprägt (Hautjucken); die politische Revolution als Verdrängung der triebhaften Wünsche?

Momente des epischen Theaters: - die Positionen Marats und Sades werden einander gegenüber gestellt, ohne dass eine definitive Bewertung vorgenommen wird („in den Dialogen Antithesen auszuproben“); - gegenüber dem Modell Brechts eine größere Offenheit, weil ein echter Widerspruch gestaltet wird - starke Stellung Sades als Regisseur des Stücks im Stück (Marat als Figur)

Peter Weiss: Marat/Sade (2)

Einflüsse des Nihilismus: „Jeder Tod ertrinkt in der grausamen Gleichgültigkeit der Natur“ (35)

Einflüsse der ästhetischen Avantgarde (in der Figur des Sade): - „ich hasse die Natur/ will sie überwinden“ - Gewalt als Fest: „ich ersinne die ungeheuerlichsten Torturen“ (45) - „mein Leben ist die Imagination“ (48) - „daß dies eine Welt von Leibern ist“ (123)

Einflüsse des Existentialismus: - „Gegen das Schweigen der Natur stelle ich eine Tätigkeit“ - „In der großen Gleichgültigkeit erfinde ich einen Sinn“ - „Anstatt reglos zuzusehn/ greife ich ein/ und ernenne gewisse Dinge für falsch/ und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern“ (alles Marat 38f.) - „Es kommt darauf an alles mit neuen Augen zu sehn“ (Verbindung Marat/Sade, Politik/Avantgarde) Aktualität des Stücks 1963 - nach 1945: restaurative gesellschaftliche Verhältnisse, „Spießertum“ - Weiss als Migrant: Rückgriff auf die Traditionen der Avantgarde (Surrealismus) - Notwendigkeit einer politischen Veränderung, gleichzeitig Frage nach den Grenzen der Politik (aus der Perspektive der Figur de Sade, vgl. Büchner: „Dantons Tod“)

Müller: Philoktet Einflüsse: das antike Theater, das epische Theater, das Theater der Avantgarde Einflüsse des antiken Theaters und der Mythologie: - Sophokles/Euripides: psychologische Differenzierung der Figuren (Neoptolemos), Auflösung des Konflikts durch den ‚deus ex machina’ Herakles, letztlich Unterordnung des Einzelnen unter das Kollektiv; - „Dialektik der Aufklärung“ (Horkheimer/Adorno): Odysseus ist der erste Bürger, der seine Triebe diszipliniert und ganz dem instrumentellen Denken verpflichtet ist (Zweck-Mittel-Relation). Einflüsse des epischen Theaters - „Die Maßnahme“ (Brecht): Der junge Genosse muss getötet werden, weil er der Partei geschadet hat; ihm wird sogar das Einverständnis mit dem eigenen Tod abverlangt; Überwindung des bürgerlichen Individualismus, Annäherung an den stalinistischen Kollektivismus; - „Der Jasager und der Neinsager“ (Brecht): Das Kollektiv ist wichtiger als der einzelne; es sind aber Situationen denkbar, in denen das Opfer des Einzelnen als sinnlos erscheint. Einflüsse des „Theaters der Grausamkeit“ „Artaud, die Sprache der Qual – Artaud ist der Ernstfall. Unter der Sonne der Folter, die alle Kontinente dieses Planeten gleichzeitig bescheint, blühen seine Texte. Auf den Trümmern Europas gelesen, werden sie klassisch sein.“

Personenkonstellation - Philoktet: der Einzelne auf seine Körperlichkeit reduziert; - Neoptolemos: der Intellektuelle, der ein Gewissen hat, es besser weiß und dennoch der Macht unterworfen bleibt (der Kollaborateur); - Odysseus, der Stratege und Taktiker der Macht.

Formale und wirkungsästhetische Aspekte - die Sprache des Stücks: komplex. „altmodisch“ (metrischen Vorschriften entsprechend); - Verfremdung: durch die Mühe, die das verstehen bereitet; durch den Widerspruch, dass das kreatürliche Leiden diskursiv dargestellt wird; - Widerspruch zwischen Form und Inhalt: der klassizistisch erscheinenden Sprache entspricht keine inhaltliche Harmonie. Inhaltliche Aspekte - der Zweckrationalismus, der die Figur des Odysseus kennzeichnet, bestimmt den Kapitalismus ebenso wie den real existierenden Sozialismus; - der Widerstand der Kunst beharrt auf der irreduziblen Erfahrung des Einzelnen; - Theatralität: das Pathos des Schmerzes

Zitate Müllers: - „Widerstand der Körper gegen die Notzucht durch den Sachzwang der Ideen“ - „Der erste Schritt zur Aufhebung des Individuums in diesem Kollektiv ist seine Zerreißung, Tod oder Kaiserschnitt die Alternative des NEUEN MENSCHEN. Das Theater simuliert den Schnitt, Lusthaus und Schreckenskammer der Verwandlung.“ - „Der Fuß bezeichnet das Loch im Netz, die Lücke im System, den immer neu bedrohten und neu zu erobernden Freiraum zwischen Tier und Maschine, in dem die Utopie einer menschlichen Gemeinschaft aufscheint.“

Ionesco: Die Nashörner - „absurdes Theater“? - Formale Perspektiven: drei Akte, Wechsel der Schauplätze, Simultanszenen - Vergleich mit Beckett?? - Nashörner als Allegorie: Aufgabe von Moral und Humanität, Genießen des Lebens , der Herde - Opportunismus, Aufgabe der Vernunft - Prozess der Mehrheitsbildung und Machtergreifung - Gefährdung der verschiedenen Menschentypen (Hans, der Logiker, Wisser, Daisy) - Behringer: ein Mensch

gewöhnlicher, scheinbar willensschwacher

- Hans: der von Prinzipien beherrschte Mensch - Der Logiker: Wissenschaftlichkeit als praktisch irrelevante Größe (gegen einen abstrakten Rationalismus) - Wisser: der „Progressive“, vom Ressentiment Beherrschte - Daisy: die Gute, die sich letztlich der Mehrheit beugt - Möglichkeiten des Widerstands

Leitfragen zur Dramenanalyse 1) Erläutern Sie die Begriffe „Drama“, „Katharsis“, „Charakter“, „Ständeklausel“! 2) Was versteht man unter offener und geschlossener Form des Dramas? 3) Erläutern Sie die Begriffe „Tragödie“ und „Komödie“! 4) Aristoteles und Lessing zur Katharsis 5) Bürgerliches „Woyzeck“

Trauerspiel und

soziales Drama:

Büchners

6) Der Naturalismus und das Drama der Moderne 7) Die Themen „Triebe“, „Geschlechter“, „Natur“ in Strindbergs „Fräulein Julie“ und im Naturalismus 8) Die Dramaturgie und die Bühne im Naturalismus 9) Freiheit und Determination im klassischen Drama und im Naturalismus 10) Einfühlung, Verfremdung Brechts episches Theater 11)

und

Verfremdungseffekte:

Marx, Nietzsche und Freud und das moderne Drama

12) Das traditionelle Modell des Charakters und das Theater Brechts, Becketts, Sartres 13)

Aporien des Handelns und Körperlichkeit bei Beckett

14)

Tragisches und Komisches in Becketts „Warten auf Godot“

Leitfragen zur Dramenanalyse (2)

15) Der Charakter, die Freiheit, die Wahl und die Anderen im Theater Sartres 16) Der Körper und die Triebe in der Theaterkonzeption Artauds 17) Die politische Revolution und die „Gefängnisse des Innern“: die Opposition Marat/Sade in Peter Weiss’ Drama 18) Philoktet, Odysseus und Neoptolemos: der Körper, der Stratege und der Mitläufer in Müllers „Philoktet“ 19)

Ionescos „Nashörner“ als Parabelstück

20)

Das Absurde und das Groteske in Ionescos „Nashörnern“

21)

Aspekte des postdramatischen Theaters

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