fest/spiel/haus/ st/poelten/ beijing dance theater/ yuanyuan wang 27

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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FEST/SPIEL/HAUS/ ST/POELTEN/ BEIJING DANCE THEATER/ YUANYUAN WANG 27 FEB 2016 www.festspielhaus.at

„Meine Vision ist es, Gefühle und Sichtweisen über die Welt und die Gesellschaft tänzerisch zu verarbeiten. Daher reihen sich meine Produktionen wie eine Art Tagebuch aneinander. Sie erzählen vom Leben und sollen seinen Sinn herausfinden helfen.“ Yuanyuan Wang

Programm / Beijing Dance Theater 3

Beijing Dance Theater . Yuanyuan Wang

Samstag 27. Februar 2016, 19.30 Uhr Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal Österreich-Premiere Dauer: ca. 2 Std. (inkl. zwei Pausen) Künstlerinnengespräch mit Yuanyuan Wang und Brigitte Fürle 18.30 Uhr, Kleiner Saal

Künstlerische Leiterin Festspielhaus St. Pölten: Brigitte Fürle

Xiaochuan Zhang

Programm und Besetzung / Beijing Dance Theater 5

Beijing Dance Theater . Yuanyuan Wang

Le Poison Yuanyuan Wang Choreografie Radian Musik Meng Li Licht Jing Gao Probendirektor Weng-Ian Kan, Chenliang Zhu, Jing Gao SolistInnen Qiang Zhang, Linshu Feng, Jing Sun, Cai Li, Yubin Zhou, Xiaochuan Gu, Tianyi Luan, Ziqian Qin, Xin Sun, Yinan Wang, Yuanbo Zhang Tanz „Le Poison” ist als Auftragswerk im Rahmen der Festspielhaus-Residenz entstanden.

Pause

Farewell, Shadows Yuanyuan Wang Choreografie Jiang Han Bühne, Licht und Effekte Biosphere und Kangding Ray Musik Jing Gao Probendirektor Yinan Wang, Tianyi Luan SolistInnen Linshu Feng, Jing Sun, Cai Li, Yubin Zhou, Weng-Ian Kan, Chenliang Zhu, Yuanbo Zhang Tanz „Farewell, Shadows” ist ursprünglich als Teil der Trilogie „Wild Grass” entstanden.

6 Beijing Dance Theater / Programm und Besetzung

Pause

The Nightingale and the Rose Yuanyuan Wang Choreografie „L'Arlesienne” von Georges Bizet (Aufnahme der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan) Musik Meng Li Licht Jing Gao Probendirektor Qiang Zhang Nachtigall Linshu Feng Tochter des Professors Yuanbo Zhang Student Jing Gao, Jing Sun, Cai Li, Yubin Zhou, Weng-Ian Kan, Xiaochuan Gu, Tianyi Luan, Ziqian Qin, Xin Sun, Yinan Wang, Chenliang Zhu Tanz

Chen Zhenkai Tourmanager Jiang Han Produzent Lei Tao Technik Shuangzi Liu Inspizient

Ming Xie

8 Beijing Dance Theater / Einführung

Poison, Poems and Pioneers von Julia Dorninger

Als eine der Vorreiterinnen modernen Tanzes in China, ist Yuanyuan Wang seit der Gründung ihres Beijing Dance Theater 2008 stets im Begriff, gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen und in ihren Stücken sozialpolitisch relevante Themen aufzugreifen. Thematisierte sie in „Changes“ die Beziehung zwischen Mensch und Natur, so stellte Yuanyuan Wang in ihrem Ballett „Haze“ (2009) die Industrialisierung und deren Auswirkungen auf das Klima, die Umwelt und die Menschheit an den Pranger. Als die Mutter zweier Kinder 2011 den chinesischen Roman „Der goldene Lotus“ aus dem 17. Jahrhundert in Ballett übersetzte, führten ausschweifende Debatten in den nationalen Medien schließlich dazu, dass das Stück in China nicht zur Aufführung kam. Außerhalb des Landes feierte Wangs Bearbeitung des Romans, der neben sexuell konnotierten Inhalten auch noch die innerstaatliche Korruption aufgriff, einen großen Erfolg. Wenngleich die Aufführung ihrer Arbeit in China untersagt wurde, ist die Künstlerin darauf bedacht, nicht in einen staatlichen Konflikt zu geraten, auch wenn sie als freie Künstlerin nicht auf staatliche Förderungen bauen kann. Worauf Yuanyuan Wang in ihren Arbeiten aber fast immer baut, sind literarische Vorlagen großer Schriftsteller und Poeten aus China und dem Westen. So auch in ihrem neu zusammengestellten Programm mit dem die Künstlerin und ihr Ensemble, wohlgemerkt die erste zeitgenössische Ballettcompagnie Chinas, ihren ersten Auftritt auf österreichischem Boden feiert. Eröffnet wird der Tanzabend im Festspielhaus mit der Uraufführung von „Le Poison“, einem zwanzigminütigen Stück, das Yuanyuan Wang mit ihren TänzerInnen im Zuge der einwöchigen Residenz am Festspielhaus noch einmal feingeschliffen hat, und musikalisch von einem Soundtrack des österreichischen Elektroakustik-Trios Radian unterlegen ließ. Ihre Inspiration für ihre

Einführung / Beijing Dance Theater 9

brandneue Kreation zog Yuanyuan Wang aus Charles Baudelaires gleichnamigen Gedicht von 1857. Der Wein verwandelt oft die schmutzigsten Spelunken In Schlösser voller Märchenpracht, Und Säulenhallen er vor uns erstehen macht Aus rotem Dunst und goldnen Funken, Wie eine Sonne, die versinkt in Nebelnacht. Das Opium weitet aus, was ohne Grenz' und Schranken, Es dehnt die Unermesslichkeit, Es höhlt der Wollust Rausch, vertieft das Meer der Zeit, Und mit Genüssen, schwarzen, kranken Macht es die Seele übervoll und weit. Nichts aber gleicht dem Gift aus deinen grünen Augen, Den tiefen Seen, drin gramerfüllt, Verzerrt und zitternd malt sich meiner Seele Bild, Aus denen durstige Träume saugen Die tiefe Bitternis, die Qualen weckt und stillt. Nichts aber gleicht dem Gift, dem Gift von deinem Munde, Das in mir wühlt und mich verzehrt, Die Reue tötet und schamlos Vergessen lehrt, Den Wahnsinn träufelt in die Wunde Und mit dem irren Geist taumelnd zur Hölle fährt. Charles Baudelaire, 1857

Rong Sun in „Farewell, Shadows”

Einführung / Beijing Dance Theater 11

Zwischen modernem Tanz und chinesischer Tradition, zwischen energischer Körpersprache und poetischer Anmut, zwischen Spannung und Harmonie, ja zwischen heute und morgen, – (vermeintliche) Gegensatzpaare markieren den Stil des Beijing Dance Theater. Mit ihrer Ästhetik der Liaison zwischen Ost und West, zwischen Etikette und Moderne, verfolgt Yuanyuan Wang stets ein Ziel: „Ich modernisiere traditionelle Inhalte und bringe sie mit einer zeitgenössischen Mentalität zusammen, damit meine Stücke für die moderne Gesellschaft relevant sind.“ In „Farewell, Shadows“, der zweiten Choreografie des Abends, greift die Künstlerin einmal mehr dieses Dualitätsprinzip auf und siedelt ihre TänzerInnen in einer poetischen Welt zwischen Licht und Schatten an. Ich bin nur ein Schatten, bestimmt zu gehen und in Dunkelheit zu versinken. Aber Dunkelheit wird mich schlucken, gerade so, wie das Licht mich auflösen wird. Doch ich verharre zwischen Licht und Dunkelheit; weiß nicht, ob der Abend oder der Morgen dämmert. Lasst mich meine aschgraue Hand heben und einen Trinkspruch simulieren; ich werde reisen, weit, weit weg und unbemerkt von allen. Lu Xun, 1927

12 Beijing Dance Theater / Einführung

Bezugnehmend auf die essayartige Gedichtsammlung „Wild Grass“ des chinesischen Schriftstellers Lu Xun (1881–1936), der der konfuzianischen Tradition des „Reichs der Mitte“ stets skeptisch gegenüber stand, entwickelte Wang eine gleichnamige Trilogie, die im selben Maße wie das Original die Selbstreflexion und Selbstbestimmung in der Vordergrund rückt. „Wir alle sind schließlich ‚wildes Gras’. Wir suchen nach unserem eigenen Weg zu leben und zu überleben, egal wo. Jeder Grashalm hat seine eigene Energie und Würde“, bringt die Choreografin den Gedanken des Vorreiters der modernen chinesischen Literatur auf den Punkt und legt damit offen, welche Energien in einem Menschen freigesetzt werden können, wenn er seinen Weg selbst bestimmt. Junge Menschen von heute empfänden denselben Frust, dieselbe Wut und dieselbe innere Zerissenheit, die auch Lu Xun fühlte, als er beschloss, seinen Beruf als Arzt aufzugeben und sich voll und ganz dem Schreiben zu widmen, denn er spürte, die spirituellen Probleme seiner Zeitgenossen waren schwerwiegender als ihre physischen Leiden. Stets machte sich Lu Xun für ein selbstbestimmteres Leben und eine reflektiertere Sicht auf die Welt stark – ein Aspekt, den Yuanyuan Wang auch tänzerisch verarbeiten wollte. In „Farewell, Shadows“, das 2013 als Mittelstück der Trilogie „Wild Grass“ entstanden ist, tragen zarte Individuen zu wuchtigem Drum’n’Base unter tief hängenden Scheinwerfern den Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Masse aus. Tänzerinnen sind in ihren Bewegungen fremdbestimmt und werden von ihren männlichen Kollegen traktiert. Dieser Machtkampf geht so lange, bis sie sich nach und nach aus ihren Zwänge befreien, um den Tanz und damit auch sich persönlich immer mehr selbst zu bestimmen.

Einführung / Beijing Dance Theater 13

Im Kampf für ein selbstbestimmtes Leben befand sich Zeit seines Lebens auch der irische Schriftsteller Oscar Wilde, dessen Kunstmärchen „Die Nachtigall und die Rose“ das Ensemble zum Abschluss des Abends aufgreift. Das Märchen erzählt von einem jungen Studenten, der verzweifelt, denn nirgendwo findet er eine rote Rose, um seine Angebetete um den ersehnten Tanz zu bitten. Von seinen tiefen Gefühlen berührt, opfert sich die Nachtigall in einem dornigen Liebesakt mit einer farblosen Rose und gibt ihr Herzblut für das begehrte Rot. Und so presste sich die Nachtigall stärker gegen den Dorn, der Dorn berührte ihr Herz und ein heftiger Schmerz durchzuckte sie. Bitter, bitter war der Schmerz und immer wilder wurde ihr Gesang, als sie von der Liebe sang, die durch den Tod vervollkommnet wird, von der Liebe, die nicht einmal im Grab stirbt.

Als der junge Mann am nächsten Tag seiner Angebeteten die Rose überbringen möchte, weist diese ihn zurück. Ein anderer Verehrer hatte ihr bereits Schmuck versprochen. „Die Liebe siegt über alles“ – in einer Welt, in der Standesdenken und kalte Selbstsucht vorherrschen, büßt dieser Ausspruch seinen Wahrheitsgehalt ein und lässt aus der tiefsten Glückseligkeit eines menschlichen Lebewesens seine größte Enttäuschung werden. Yuanyuan Wangs tänzerische Adaption von Oscar Wildes „The Nightingale and the Rose“ wurde erst vor wenigen Monaten in Beijing uraufgeführt und soll einen Beitrag leisten, die Liebe als für eine Gesellschaft überlebenswichtige Instanz in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Beijing Dance Theater

16 Beijing Dance Theater / Interview

„Des Tanzes wahre Seele ist die Freiheit” Yuanyuan Wang im Gespräch

Sie haben Stücke für das Chinesische Nationalballett kreiert, waren Teil der künstlerischen Leitung der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Beijing 2008 und haben mit einer Reihe an Filmproduzenten zusammengearbeitet. Zusätzlich haben sie – ebenfalls im Jahr 2008 und ohne Hilfe der chinesischen Regierung – Ihre eigene Compagnie gegründet. Sie gelten als eine der wenigen weiblichen Choreografinnen, die über die Grenzen Chinas hinaus bekannt ist. Wie ist all das möglich? Ich würde sagen … durch Glück? Oder war es Schicksal? Sicher aber auch aufgrund meiner vielen Freunde wie Franziska (Anm.: Franziska Grevesmühl-v. Marcard), die mich den ganzen Weg über unterstützt haben. Ich habe das Gefühl, dass es immer jemanden gab, der mich dazu gepusht hat, diesen Weg zu gehen. Zum Beispiel bei den Olympischen Spielen – damals kannte ich den Chefdirektor Zhang Yimou schon sehr lange und spontan fragte er mich, ob ich seinem Team beitreten wolle. Während meiner Zeit bei den Olympischen Spielen kamen Menschen der Kunstabteilung der Regierung auf mich zu und schlugen mir vor, meine eigene Compagnie zu gründen. So kam es dazu. Ich denke auch, dass es von Vorteil war, dass ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde. Hätte ich geahnt, wie schwierig es werden würde, meine eigene Tanzcompagnie am Leben zu erhalten, hätte ich diesen Schritt womöglich nie gewagt. Als eine der ersten modernen chinesischen Ballettcompagnien steht das Beijing Dance Theatre für einen Mix aus Ballett, zeitgenössischem Tanz und traditionellen chinesischen Elementen. Würden Sie den Stil ihrer Compagnie genauso beschreiben?

Interview / Beijing Dance Theater 17

Meine ersten tänzerischen Eindrücke wurden mir durch traditionelle chinesische Tänze vermittelt, erst später arbeitete ich mit klassischen Ballettcompagnien zusammen. Während meiner Zeit in den USA ließ mich mein Tutor meine Grenzen austesten und auch „outside the box“ denken. Die Technik unserer Compagnie beruht auf der des klassischen Balletts. Trotzdem versuche ich das Ensemble dazu zu bewegen, wie moderne TänzerInnen zu denken, ihrem eigenen Stil Raum zu geben und ihre Gedanken zu befreien. Sie sollen ihre Augen öffnen und herausfinden, was in der Welt des Tanzes alles möglich ist. In meinen Arbeiten tauchen die TänzerInnen auch immer ein Stück weit in die Philosophie ein: In „Wild Grass“ zum Beispiel mussten sie sich damit auseinandersetzen, wie man in einem extremen Umfeld überleben kann und wie man vor seinem eigenen Schatten flüchtet. Ich möchte das Beijing Dance Theatre mit folgendem Satz beschreiben: Des Tanzes wahre Seele ist die Freiheit. Das ist meine Auffassung von Tanz und kann somit als Leitsatz für meine Compagnie gesehen werden. Ich glaube daran, dass ein freies Herz immer auch Freiheit für den Körper bringt. Tanz ist nicht einfach nur Tanz, nicht nur eine simple Bewegung. Er muss von Herzen kommen. Für Ihre Choreografien lassen Sie sich gerne von Gedichten, Romanen und Geschichten namhafter Autoren inspirieren. In St. Pölten zeigen Sie drei Stücke, die auf Arbeiten von Charles Baudelaire, Oscar Wilde und Lu Xun, einer Leitfigur der modernen chinesischen Literatur, basieren. Warum sind Sie interessiert daran, Tanz mit Poesie zu verbinden und wie „übersetzen” Sie die Werke dieser teilweise kontroversen Autoren in Tanz?

18 Beijing Dance Theater / Interview

Aus meiner Sicht ist Tanz an sich eine Art abstrakte Körpersprache. Auf dem langen Weg der modernen Choreografie besteht der Anfang darin, Möglichkeiten des Ausdrucks für die Körpersprache zu finden. Die einzige Limitation dabei besteht in der Bewegungsfreiheit und dem Einsatz des eigenen Körpers, zum Beispiel der Schwerpunktverlagerung des Körpers. Allerdings fand ich im Laufe der Jahre heraus, dass ich mich nicht mehr nur auf Körperbewegungen allein konzentrieren wollte – ich wollte mehr. Was diese zeitlosen Gedichte, die Literatur und Musik ausmacht, ist die Tatsache, dass sie das Herz berühren. Ich sehe es als meine Aufgabe, diese beiden Dinge zu verbinden und durch uneingeschränkte Körpersprache tiefste Emotionen hervorzurufen. Ich möchte mitten ins Herz treffen, man soll den Schmerz fühlen können. Um auf die kontroversen Werke zurück zu kommen … Ich denke gespaltene Meinungen gibt es überall. Öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und Diskussionen auszulösen ist ein Zeichen für den Schmerz und Konflikt, den diese Werke erzeugen. Choreografien zu kreieren ist meine Art der Diskussion. Es bewegt mein Herz und weckt die Leidenschaft, tiefer zu gehen. Das Beijing Dance Theatre feiert im Festspielhaus St. Pölten seinen ersten Gastauftritt in Österreich. Wie denken Sie über die Rolle des zeitgenössischen Tanzes in Österreich und Europa und wie würden Sie im Gegensatz dazu seine Rolle im heutigen China beschreiben? Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel über die Rolle des modernen Tanzes in Österreich, aber in Europa ist er definitiv der führende Trend. In

Interview / Beijing Dance Theater 19

China nimmt er eine ganz andere Rolle ein, da traditionelle Tänze, Volkstänze und das klassische Ballett immer noch einen sehr hohen Stellenwert haben. Den meisten staatlich geführten chinesischen Tanzcompagnien dienen traditionelle Tänze als Grundlage ihrer Choreografien. Obwohl der zeitgenössische Tanz nicht eine der Hauptströmungen in China ist, entwickelt er sich in der jüngeren Generation sehr gut. So findet man zeitgenössischen Tanz im heutigen China vor allem in kleineren Studios und Privatcompagnien. In einer Stadt gibt es zum Beispiel mehrere moderne TänzerInnen, ChoreografInnen und ForscherInnen und in manch anderen Städten gibt es keine Einzigen! Aber psychologisch gesehen denke ich, dass es einen spirituellen Tutor benötigt, der die Entwicklung der Gesellschaft lenkt. Mir geht es nicht nur darum, wie sich Körper bewegen, es geht vielmehr um die Philosophie, die Freiheit und die Grundeinstellung, die dahinter steckt. Genau diese Dinge machen doch den Charme des zeitgenössischen Tanzes aus, nicht wahr? Vor allem in China fehlt es an der Entwicklung dieser Tanzrichtung. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich der zeitgenössische Stil in noch mehr Städten kultiviert. Als Artist in Residence im Festspielhaus St. Pölten verbringen Sie mehr Zeit am Haus, als KünstlerInnen es üblicherweise tun. Wie wichtig ist es Ihnen, Raum und Zeit für den Kreationsprozess zu haben? Ich bin dem Festspielhaus sehr dankbar für die Möglichkeit, dass ich hier soviel Zeit und Raum für meine Arbeit in Anspruch nehmen darf. Nicht einmal in China genieße ich vor der Uraufführung einer neuen Produktion diesen Luxus, weil uns als nichtstaatliche und gemeinnützige Compagnie nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung

20 Beijing Dance Theater / Interview

stehen, eine Theaterinstitution für eine so lange Zeit zu mieten. Dabei ist so wichtig, auch der Postproduktion einer Arbeit genügend Zeit zu geben. Wenn man zum ersten Mal den Tanz mit der Musik, dem Bühnenbild und dem Licht kombiniert, kann das die anfängliche Vorstellung eines Stückes noch einmal in Frage stellen. Schließlich lässt sich eine Arbeit erst als Ganzes wahrnehmen, wenn alle Künste, die dabei kombiniert werden, zu ein und derselben Zeit hervortreten: Kostüme, Make-up, Requisiten etc. Vor einer Premiere – unter der Voraussetzung, dass man genügend Zeit hat, die Arbeit an einem Theater zu kreieren – hat man noch die Chance, Teile des Stückes zu bearbeiten. So schätze ich die Zeit und den Raum hier im Festspielhaus für meine neue Choreografie wirklich sehr und kann es kaum erwarten, die Uraufführung von „Le Poison“ mit eigenen Augen zu sehen. Für den Soundtrack Ihrer neuen Kreation „Le Poison“ haben Sie sich für Musik der österreichischen Band Radian entschieden. Warum fiel Ihre Wahl genau auf diese Band und wie passt sie zu ihrem Stück, das auf Charles Baudelaire’s Gedicht basiert? Ich weiß nicht viel über experimentelle Musik aus Österreich, aber als ich diese Musik gehört habe, wusste ich sofort, dass der Kontrast zwischen Radian und Baudelaire einfach passt. Und genau so war es. Ich verwende zum ersten Mal Musik von Radian. Leider hatte ich bisher lediglich die Möglichkeit, eine Aufnahme der Band zu hören, gerne würde ich sie eines Tages auch live erleben – am besten gemeinsam mit unserer Compagnie auf der Bühne.

Die Fragen stellte Julia Dorninger.

Biografien

22 Beijing Dance Theater / Biografien

Yuanyuan Wang Als eine der führenden Choreografinnen Chinas hat Yuanyuan Wang die Entwicklung des modernen Tanzes in ihrem Heimatland federführend mitgestaltet. Geboren und aufgewachsen in Beijing, studierte sie Choreografie an der Beijing Dance Academy, an der sie später als Lehrerin und Tutorin arbeitete. Gleichzeitig gewann sie als Tänzerin und Choreografin hohe Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben in Shanghai, Paris, Seoul und Moskau. Von 2000 bis 2002 absolvierte sie ihren Master of Fine Arts (MFA) am California Institute of Arts (Cal Arts) School of Dance in Los Angeles. Im Jahre 1998 wurde sie Hauschoreografin des Chinesischen Nationalballetts. Im folgenden Jahr wurde ihr Werk „Butterfly Lover” in der Halle des Volkes für den 40. Jahrestag des Balletts uraufgeführt, sowie eine chinesische Version des „Nussknackers”. Im Jahr 2003 wurde sie als Gastchoreografin des New York City Ballets eingeladen. In den folgenden Jahren choreografierte sie Werke für chinesische Regisseure, darunter eine Ballettversion von „Raise the Red Lantern” für den Regisseur Zhang Yunou und die Tanzsequenzen für Tan Dun's Musik in „The Banquet” (eine chinesische Adaption von Hamlet) für den Regisseur Feng Xiaogang. Auch hatte sie die Ehre, sowohl für die Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik China im Jahr 1997 als auch für die Olympische Eröffnungsfeier in Beijing 2008 zu choreografieren. Ihre Arbeiten wurden rund um den Globus in den Vereinigten Staaten, Russland, Japan, Frankreich, Bulgarien, Dänemark, Singapur und Australien gezeigt. Als erste Choreografin in der chinesischen Geschichte erhielt sie viermal die höchste Auszeichnung für ihre Arbeiten bei internationalen Wettbewerben. Im Jahr 2008 gründete sie das Beijing Dance Theater in Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner Jiang Han und dem Bühnendesigner Shaoyuan Tan. Als Artist in Residence ist die Choreografin mit ihrem dreiteiligen Abend in der Saison 2015/2016 erstmals im Festspielhaus zu Gast.

Biografien / Beijing Dance Theater 23

Beijing Dance Theater Mit der Gründung des Beijing Dance Theatre im Jahre 2008, entstand einerseits das erste zeitgenössische Ballettensemble in China und andererseits eine neue Konstellation von Tanzorganisation. Denn diese Compagnie vereinigt drei Tanzveteranen: Yuanyuan Wang (Choreografin und Künstlerische Leiterin), Jiang Han (Lichtdesigner) und Shaoyuan Tan (Bühnendesigner). Die Compagnie umfasst 14 bis 16 klassisch ausgebildete TänzerInnen. Das Beijing Dance Theatre ist die erste Compagnie, die klassisches Ballett mit Modern Dance verschmelzen lässt. Das große Repertoire der Compagnie basiert auf klassischem Ballett, das um traditionelle Elementen der chinesischen Kultur ergänzt und in Verbindung mit modernem Tanz gesetzt wird.

Ensemble in „The Nightingale and the Rose”

Pressestimmen / Beijing Dance Theater 25

„So ästhetisch wie beklemmend“

Carmel Morgan, Critical Dance, Oktober 2014, (Wild Grass) „Wild Grass” proved to be visually striking, due in large part to the beautiful and often astounding stage and lighting design by producer and visual artist Han Jiang. The choreography by Wang Yuanyuan and the costumes by Zhong Jiani also added to the visual appeal. Sarah Osterman Myers, Chicago Stage Standard, Oktober 2014, (Farewell, Shadows) Beijing Dance Theater gusted into the Harris Theater for Music and Dance on Tuesday night with their masterfully fluid movement and vivid interpretation of Chinese poet and literary figure Lu Xun’s writing.

Hans Karweik, Wolfsburger Nachrichten, Mai 2014, (Farewell, Shadows) So schafft die unabhängige Choreografin Wang Yuanyuan mit dem Beijing Dance Theater so ästhetische wie beklemmende Bilder, in denen die Tänzer sich wie in Träumen verlierende Menschen auf einer tristen, traurigen Blätterwelt bewegen.

Cecily Huang, Creative Asia,November 2013, (Farewell, Shadows) The conjunction and transition of power between two dancers was smooth and sensual. The female dancers’ feet tapped the floor in a style reminiscent of the ballet move frappé, seamlessly matching the beats of the music.

26 Festspielhaus St. Pölten / Kalendarium

Vorschau: März/April 2016 März 2016 sa 05 19.30 Uhr Großer Saal

Pasadena Roof Orchestra Musik/Swing/Big Band

mo 07 19.30 Uhr Tonkünstler-Orchester Mozart/Brahms Großer Saal Musik/Klassik do 17 19.30 Uhr Kammermusik Academia Allegro Vivo Kleiner Saal Musik/Klassik sa 19 19.30 Uhr Bühne

Garish Musik/Indie

mo 21 19.30 Uhr Tonkünstler-Orchester Beethoven Großer Saal Musik/Klassik

April 2016 fr 01 19.30 Uhr Großer Saal

A Symphonic Evening with Dee Dee Bridgewater Musik/Vokaljazz

sa 02 19.30 Uhr Volkskultur Österreich „Wenn i auf d'Alma geh'!” Großer Saal Musik/Volksmusik fr 08 16.00 Uhr werk 89 Katja und Kotja Kleiner Saal Theater/Musik sa 09 19.30 Uhr Ballett am Rhein „7” Großer Saal Tanz/Zeitgenössisches Ballett do 14 19.30 Uhr Kammermusik Peter Simonischek . Brigitte Karner Kleiner Saal Musik/Klassik/Lesung sa 16 19.30 Uhr Hildegard Lernt Fliegen Großer Saal Musik/Überjazz so 17 16.00 Uhr Wenn der Alltag klingt Kleiner Saal Musik/Spiel fr 18 19.30 Uhr Tonkünstler-Orchester Rheinische Symphonie Großer Saal Musik/Klassik sa 30 19.30 Uhr Sidi Larbi Cherkaoui . Saburo Teshigawara Spirit Großer Saal Tanz

REFUGEES WELCOME

Flucht ist kein Verbrechen. Hunderttausende Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten suchen Schutz in Europa. Sie sind auf unsere gemeinschaftliche Unterstützung angewiesen. Niemand flieht grundlos aus seiner Heimat. Wir lehnen daher jegliche Anfeindung Schutzbedürftiger entschieden ab und stehen für eine offene Gesellschaft ein, die auf Toleranz, Solidarität und Freiheit gründet. Es ist unsere Pflicht, unseren Mitmenschen in Not zu helfen. Jedem Einzelnen.

Die Betriebe der Niederösterreichischen Kulturwirtschaft: Amphitheater Bad DeutschAltenburg, Archäologisches Museum Carnuntum, Artothek, Bühne Baden, Die Bühne im Hof, Donaufestival, Egon Schiele Museum, Factory, Festival Glatt&Verkehrt, Festspielhaus St. Pölten, Forum Frohner, Freilichtmuseum Carnuntum, Grafenegg Sommerkonzerte, Festival, Advent, Karikaturmuseum Krems, Kino im Kesselhaus, Klangraum Krems Minoritenkirche, Kulturfabrik Hainburg, Kunsthalle Krems, Kunstraum Niederösterreich, Landesmuseum Niederösterreich, Landestheater Niederösterreich, MAMUZ Museum Mistelbach, MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, Museum Gugging, Niederösterreichische Landesausstellung, nitsch museum, Osterfestival Imago Dei, Renaissanceschloss Schallaburg, Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Wachau Kultur Melk, Zeit Kunst Niederösterreich.

Ballett am Rhein: „7”

Tipp / Festspielhaus St. Pölten 29

Preisgekrönt, poetisch und voller Schönheit

BALLETT AM RHEIN/ MARTIN SCHLÄPFER: „7”

SIDI LARBI CHERKAOUI/SABURO TESHIGAWARA: SPIRIT

Das Magazin tanz kürte das Ballett am Rhein 2015 zum dritten Mal in Folge zur „Kompanie des Jahres“. Im Festspielhaus kommt das Ensemble ebenfalls zum dritten Mal mit dem Tonkünstler-Orchester zusammen. Für sein Ballett auf Mahlers 7. Sinfonie folgt Martin Schläpfer seiner seit vielen Jahren immer weiter entwickelten Dramaturgie einer collagenhaften Verknüpfung verschiedener Bilder: Gegensätze gehen organisch ineinander über und lassen so auf der Bühne eine ganz eigene Energie entstehen. Ein einzigartiges Hör- und Seherlebnis ist garantiert!

Zwei Weltstars des Tanzes präsentieren einen poetischen Abend voller Emotionen und atemberaubender Schönheit! In Choreografien von Sidi Larbi Cherkaoui und Saburo Teshigawara zeigt sich die GöteborgsOperans Danskompani mal in eleganter Abendkleidung, mal fast völlig entblößt, mal in einer expressiven Performance, mal fokussiert auf feingliedrige Bewegungen – zwei ergreifende Tanzstücke, die sich intensiv mit der Verbindung zwischen Körper und Seele und der menschlichen Spiritualität auseinandersetzen.

Samstag 09. April 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal Karten EUR 49, 44, 39, 29, 14 Österreich-Premiere

Samstag 30. April 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal Karten EUR 42, 36, 31, 25, 12 Österreich-Premiere

Einführung 18.30 Uhr, Kleiner Saal

Einführung 18.30 Uhr, Kleiner Saal

„Das STANDARD E-Paper kann man nicht einfach wegwischen. Aber deshalb abonniere ich es ja.“ Die Zeitung für Leserinnen und Leser der Standard verbessert Ihre Lebensqualität Waidegg – Das Handformat macht mit der Aktion „Jetzt 3 Wochen gratis testen“ derzeit von sich reden. Max Manus, Österreichs führender Hersteller von Handtellern in Originalgröße, bezichtigt den STANDARD, seine Kompakt-Ausgabe im Handformat in Anlehnung an seine linke Hand gestaltet zu haben. Eine Klage wird in zweiter Instanz in Erwägung gezogen, in erster Instanz ist sie bereits abhandengekommen. Derzeit geht man in belesenen Kreisen davon aus, dass das Handformat an sich wohl schon fast so alt ist, wie die Hand selbst – oder doch so alt wie das beliebte Gesellschaftsspiel „Schere, Stein, Papier“, in dem jedes Handformat ein anderes schlägt. „Wenn eine Zeitung schon im Handformat erscheint, warum dann bitte ohne Finger?“, soll eine anonyme deutsche Politikerin zu der STANDARD – Die Zeitung in

gewohnter Form. Das große Lesevergnügen mit einer Vielfalt an Beilagen. Weltoffen, kritisch, unabhängig. Von Montag bis Samstag.

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dem Thema gesagt haben, viel eher jedoch stammt die Aussage von dem Rapper HaHaND$, dem Drechsler handfester Sprüche. Aus heimischen Politikerkreisen war zuletzt wenig zu vernehmen, nicht zum Thema Handformat, sondern ganz allgemein. Ein neuerliches Gutachten der Argru HAND (Heutige Angehende Neue Denker) will nun einen Zusammenhang zwischen dem Lesen des Handformats in kritischen Kreisen und der Handlichkeit unbeugsamen Journalismus im Allgemeinen herstellen, was wohl insofern als gegeben zu erachten ist, als die Neuen Denker überdurchschnittlich häufig auch Abonnenten einer gewissen Qualitätszeitung – Name der Redaktion bekannt – sind. Nimm das, Max Manus! Als Nachtrag mag an dieser Stelle noch angeführt werden, dass sich das Handformat entgegen der Vermutung der Argru HAND nicht im Inhalt unterscheidet, sondern lediglich im Umfang. Das bedeutet, dass keine Kürzung der einzel-

Die Zeitung für Leser

IMPULSTANZ

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Vienna International Dance Festival 14 July— 14 August 2016 www.impulstanz.com +43.1.523 55 58

PERFORMANCES WORKSHOPS ImPulsTanz & Festspielhaus St. Pölten present: 2016 Alain Platel/les ballets C de la B 2017 Cie. Marie Chouinard With the support of the Culture Programme of the European Union

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April 29 - May 7 2016 Ticket und Infos: +43 (0) 2732/90 80 33 oder www.donaufestival.at

IMPRESSUM Herausgeber, Verleger und Medieninhaber Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH, Kultur­be­zirk 2, 3100 St. Pölten, T +43(0)2742/90 80 80, F +43(0)2742/90 80 81, www.festspielhaus.at. Für den Inhalt verantwortlich Thomas Gludovatz, Johannes Sterkl. Künstlerische Leiterin Brigitte Fürle. Redaktion Julia Dorninger. Fotos Jiang Han (S. 4, 7, 10, 22), Chen Lei (S. 14/15, 24), Gert Weigelt (S. 28). Umschlagbild Jiang Han. Produktion Walla Druck Wien. Termin-, Programm- und Besetzungsänderungen ­vorbehalten. Fotografieren, Ton- und Videoaufzeichnungen nicht gestattet. Preis des Programmheftes: Euro 2,70

Karten & Info: +43(0)2742/90 80 80 600 [email protected] www.festspielhaus.at

© Hertha Hurnaus

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Karten & Information +43(0)2742/90 80 80 600 [email protected] www.festspielhaus.at

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