Gefragt, statt gejagt

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Sozialwissenschaften
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„Heute gejagt, morgen gefragt!“ Von René Künzli, Präsident der Projektgruppe Top60 Thurgau Bis 2020 werden annähernd 300‘000 heute noch aktive Mitarbeitende altershalber aus dem Arbeitsprozess ausscheiden und der Wirtschaft fehlen. Die Babyboomer verlassen allmählich die Arbeitsstätten, und die nachrückenden Generationen werden die entstehenden Lücken nicht schliessen können. Diese Entwicklung war vorhersehbar, doch weder die Politik noch die Wirtschaft haben erkennbare und nachhaltige Zukunftslösungen. Der Generationenwandel stellt uns in verschiedenen Bereichen vor grosse Herausforderungen. Die „Alterslast“ Die politischen Programme reduzieren den Generationenwandel noch immer auf die AHV und allenfalls noch auf die steigenden Sozial- und Gesundheitskosten. Die werden insbesondere mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft begründet. Dass vieles systembedingt ist und unter anderem mit unseren Lebensarbeitszeiten und der unflexiblen Pensionierungsform zusammenhängt, weiss man zwar, doch wegweisende neue Modelle fehlen. So ist zum Beispiel die zweite Säule heute so ausgelegt, dass etwa fünfzehn Jahre vor der Pensionierung am meisten gespart wird. Das heisst, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen dann die höchsten Sozialbeiträge in die Kasse. Das gibt falsche Anreize hin zu Frühpensionierungen und hat zusätzlich den Effekt, dass Mitarbeitende ab 50 Jahren praktisch keine Anstellung mehr finden. Aus dieser Sicht wäre es sinnvoller, wenn als Prämien der zweiten Säule über die gesamte Lebensarbeitszeit der gleiche Lohnanteil in die Kassen einbezahlt würde. Ältere Menschen haben Potential Es wird oft vergessen, dem Aufwand den gesellschaftlichen Nutzen  gegenüber zu stellen, der von älteren Menschen im Rahmen von Vereins- und Freiwilligenarbeit, Nachbarschaftshilfen, Enkelkinderbetreuung und vielem mehr, gestiftet wird. In einer vor Jahren durchgeführten Nationalfondsstudie über die Frage, ob der Generationenvertrag in Gefahr gerate, zeigte sich, dass die älteren Generationen alleine an Transferleistungen zu Gunsten der nachfol-

 

genden Generationen jährlich ca. 2.5 Mia. Franken erbringen. Bei allen politischen Parteien fehlt leider eine umfassende Strategie, die aufzeigt, wie die Zukunft generationenverträglich gestaltet werden kann. Alter und Wirtschaft Der Mega-Markt der Zukunft sind die älteren noch stark wachsenden Generationen. Die Wirtschaft sieht die Markt-Chance der älteren, meist zahlungskräftigen Kundschaft. Mit der Kundenansprache haben sie jedoch noch ihre grosse Mühe. Es handelt sich um die erfahrenste Kundengruppe, die mit flotten Werbesprüchen allein nicht zu gewinnen ist. Sie hat über die Jahre ein feines Gespür für echt und unecht entwickelt. Diese Kunden wollen überzeugt werden, suchen einfache, kundenfreundliche Produkte und Dienstleistungen und nehmen sich für den Entscheid auch etwas mehr Zeit. Im Gegensatz zur Wirtschaft hat die Wissenschaft den Nutzen erkannt, dass Produkteentwicklungen zielführender, günstiger und erfolgreicher verlaufen, wenn ältere Menschen als Tester in den Prozess einbezogen werden und laufend Feedback geben können. Abgesehen vom Nutzen, den die erfahrenen Kunden dem Unternehmen stiften könnten, ist es auch eine Wertschätzung gegenüber dieser Zielgruppe: „Wir hören auf euch“! Ältere Mitarbeitende - nicht gefragt! Das Potential älterer Mitarbeitender für die Wirtschaft wird noch sträflich geringgeschätzt. Die Wirtschaft leistet sich noch heute ohne Not und zum Teil auch gegen den Willen der Betroffenen Frühpensionierungen und begründet diesen Schritt mit Effizienzsteigerung. Diese Einschätzung missachtet wissenschaftliche Erhebungen, die zu anderen Ergebnissen kommen. Jüngere Mitarbeitende mögen zwar in vielen Dingen etwas schneller sein, doch die Älteren kompensieren das durch ihre Erfahrungen, sie kennen den direkteren Weg oder die Abkürzungen. Ältere Mitarbeitende sind für den Betrieb sehr wertvoll. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen kann man nicht so einfach kompensieren, wenn sie den Betrieb verlassen. Ideal sind gut funktionierende gemischte Teams, in denen junge und ältere Mitarbeitende zusammenarbeiten, gegenseitig voneinander profitieren und dadurch dem Unternehmen grössere Wertschöpfung erbringen.

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