Has only brought me pain - Phil.-Hist. Fakultät

January 15, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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AUS DEM ENGLISCHEN INS DEUTSCHE

Dieter Götz Universität Augsburg 2005

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VORWORT Dieses Buch ist eine Art Bericht über Erfahrungen, die ich, als Lehrender, mit Übersetzungskursen gemacht habe, über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren. Der Lehr- und Lerneffekt solcher Kurse kann relativ schwach ausfallen: zehn oder fünfzehn Texte werden übersetzt, aber eine Steigerung der Übersetzungsfähigkeit lässt sich manchmal kaum feststellen (abgesehen vielleicht von einigen punktuellen wortbezogenen Problemen). Meine Erfahrungen gehen dahin, dass es schon möglich sein könnte, in einem solchen Kurs die „Arbeitshaltung“ der Lernenden zu ändern: wie man das Verständnis der zu übersetzenden Texte verbessert, wie man die Ressourcen der eigenen Sprache nutzen kann, mit welchen Störfaktoren man rechnen muss, welche Hilfsmittel und Kontrollmechanismen man einsetzen muss. Im Wesentlichen enthält das Buch daher Hinweise zu den vier eben genannten Bereichen. Frau Dr. B. Mittmann, Herrn Dr. Henry K. Ostberg und Herrn Dr. Martin Schnell sei herzlich für kritische und anregende Lektüre eines Vorgänger-Manuskripts gedankt. Dieter Götz

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INHALTSÜBERSICHT

0. EINFÜHRUNG 1. NAMEN 1.1. Personennamen, geographische Namen und Ähnliches 1.2. Institutionen, Organisationen, Akronyme 1.3. Titel, Amtsbezeichnungen und Ränge 1.4. Tier- und Pflanzenbezeichnungen

2. WORDS - WÖRTER 2.1. Englische und deutsche Wortinhalte

3. DER KOMMUNIKATIVE WERT VON WÖRTERN 3.1. „Markierte“ Wörter, lexikographische labels 3.2. Assoziationen 3.2.1. Wörter und Sachen 3.2.2. Wörter und Wörter 4. SO WÖRTLICH WIE MÖGLICH... 5. VORSTELLEN UND SCHREIBEN 6. DAS ÜBERSETZEN VON IDIOMS 6.1. Idioms – Einführung 6.2. Der pragmatische Zweck von Idioms 6.3. Sprichwörter 6.4. Zitate 7. GRAMMATIK 7.0. Einführung 7.1. Mengen 7.2. Verknüpfungen 7.3. Tempus, Aspekt, Modalität 7.3.1. Aspekte/Zeit/Tempus 7.3.2. Aspekte/Zeit/Modalität 7.3.3. Aspekte und Lexik

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8. LAUTES LESEN UND ÜBERSETZEN 8.1. Partikeln und Ähnliches 8.2. Toneinheiten 8.3. Rhythmus 9. VON TEXTEN 9.1. Texte und Organisation 9.2. Übersetzung als Metatext 9.3.Textsorten 9.4. Varieties of English 9.5. Mikroanalyse 9.6. Zur Qualität von Texten 9.7. Zur Qualität von Übersetzungen 9.8. Gute Übersetzungen 9.9. Exkurs: When forty winters shall besiege thy brow 10. “DIESE SEITE ÜBERSETZEN“ 11. PARALLELKORPORA 12. ÜBERSETZUNG UND FREMDSPRACHENERWERB/FREMDSPRACHENUNTERRICHT 13. FILMSYNCHRONISATION 13.1. Quantitative und Qualitative Lippensynchronizität 13.2. Ansprüche an die Übersetzer 13.3. Besondere Umstände 14. ZWEISPRACHIGE LEXIKOGRAPHIE HEUTE: GO! 15. HILFSMITTEL FÜR DIE ÜBERSETZUNG 16. LITERATUR ZU „ÜBERSETZUNG“

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0. EINFÜHRUNG Das Beschreiben von Übersetzungen und das Lehren des Übersetzens sind relativ komplizierte Aufgaben. Wer übersetzen will, so lautet die selbstverständliche Forderung, soll die betreffenden Sprachen „beherrschen“, in unserem Falle also das Englische und das Deutsche. Es gibt aber nur sehr, sehr wenige Deutsche, die das Englische so beherrschen wie ein „gebildeter Muttersprachler“ und die ein optimales oder maximales Verständnis von Texten erreichen – und das ist das Mindeste an Voraussetzung, um zu übersetzen. Man muss sogar einräumen, dass auch das Können der Muttersprache keine einfache Sache ist: ob es Muttersprachler gibt, die alle Textsorten beherrschen, also genau so ein Stück Roman verfassen können wie einen Wirtschaftsbericht oder einen politischen Kommentar – das sei dahingestellt. Es ist aber auch genau das, was wir von Übersetzern erwarten. In der Praxis hat man daher, beim Lehren und beim Lernen des Übersetzens, zu einem Teil mit Defiziten in der Beherrschung der betreffenden Sprachen zu kämpfen. Wenn man weiß, dass look something over ‚sich gründlich umsehen’ bedeutet, und place ‚jede Art von Örtlichkeit’, dann ist das Übersetzen von I looked the place over

mit “Ich sah mich gründlich um” keine besondere Leistung. Es wäre allerdings eine Leistung, wenn man, ohne solche Kenntnisse, genügend Misstrauen gegenüber sich selbst besäße und durch Nachschlagen zu einer korrekten Lösung gelänge. Es ist auch eine Leistung, beim Übersetzen die Herrschaft über die Muttersprache zu behalten. Kaum jemand hätte Helmut Kohl als den „Anführer der CDU“ bezeichnet, in ernsthafter muttersprachlicher Argumentation, aber ein Viertel von schriftlichen Klausurarbeiten hat eben diese Lösung für Helmut Kohl, leader of the CDU, „den Vorsitzenden“. Die eigentliche übersetzerische Leistung besteht in einem solchen Verständnis des Ausgangstextes, das der Intention des Autors oder der Autorin so nahe wie möglich kommt, und der Re-Formulierung dieses Verständnisses in der Zielsprache. Wenn etwa geschrieben ist... he said in a gloomy manner to him, dann steht hier etwas anderes als... he said gloomily to him. Diesen Unterschied zu erkennen (hierzu vgl. Kap. 8.2.) und zu versprachlichen, ist die Leistung. Das Publikum des Ausgangstextes ist von dem des Zieltextes verschieden. Übersetzungen verlangen daher nicht selten Adaptationen oder Manipulationen. Eine Mengenangabe wie 2 ounces of flour – in einem Kochbuch – kann man nicht mit „2 Unzen Mehl“ wiedergeben, auch nicht mit „56,7g Mehl“, am ehesten mit „gut 50g Mehl“ oder „drei gehäufte EL Mehl“. Beim Lernen/Lehren des Übersetzens hat man daher mit einer Reihe von Faktoren zu tun: Defiziten in der Fremdsprache, Defiziten in der Muttersprache, psychischen Störfaktoren, Interpretationsproblem und Problemen kulturellen Transfers.

6 In den folgenden Kapiteln werden jeweils Fragen, die zu den gerade genannten Bereichen gehören, thematisiert: es wird einiges an Grammatik geben, einiges zum „Umschreiben“ ins Deutsche, einiges zum Textverständnis, zu Hilfsmitteln usw. Den Ausführungen liegen ca. 30 verschiedene Texte zu Grunde, die in Fragmentform immer wieder erscheinen. Diese Texte sind in Übersetzungskursen „erprobt“ worden. Vielleicht mag es anfangs etwas befremdlich und gewöhnungsbedürftig erscheinen, wenn von Text zu Text gesprungen wird. Als Alternative hätte man einzelne Texte jeweils im Ganzen behandeln können. Diese Alternative wurde aber verworfen, da sie kaum die Möglichkeit bietet, sich den Übersetzungsproblemen systematisch zu nähern. Folgende typographische Konventionen werden verwendet: Englische Sätze, die besprochen und/oder übersetzt werden, stehen in kleinerer Type und werden vom übrigen Text abgesetzt. Übersetzungen ins Deutsche oder Übersetzungsvorschläge stehen zwischen doppelten Anführungszeichen „...“. Bedeutungsangaben werden zwischen einfache Anführungszeichen ‚...’gestellt. Wenn von deutschen oder englischen Wörtern die Rede ist, werden sie kursiv gedruckt.

1. NAMEN 1.1. Personennamen, geographische Namen und Ähnliches Dem folgenden kleinen Textausschnitt gehen Überlegungen voran, dass ein Schachcomputer eigentlich Rückschlüsse darauf erlauben müsste, wie künstliche Intelligenz beschaffen sei. You would have thought that such speculation would have ended in 1997 with the defeat of Garry Kasparov, the world’s top-ranked chess-player, by Deep Blue, a computer built by researchers at IBM. Mr Kasparov made much of the notion that he was defending humanity’s honour …

Mit einem Namen bezieht man sich auf ein einzelnes Individuum, welches eben so heißt. Garry Kasparov ist Russe, die Schreibung seines Namens ist aus dem Russischen

7 „transliteriert“, also Buchstabe für Buchstabe wiedergegeben. Für diese Transliteration gelten hinsichtlich des Englischen andere Regeln als hinsichtlich des Deutschen. Um denselben Bezug wie Garry Kasparov zu leisten, muss in einer deutschen Übersetzung, für einen deutschen Leser, Gari Kasparow stehen, denn „unter diesem Namen“ ist er deutschen Lesern bekannt, vgl. etwa weiter Romanov, Khrushchev, Turgenyev, Tchaikovsky, Chernobyl, Goncharev im Englischen und Romanow, Chruschtschow, Turgenjew, Tschaikowsky Tschernobyl, Gontscharow im Deutschen. Da Kasparow noch lebt, erhält er, in der britischen und amerikanischen Presse, den “bürgerlichen Ehrentitel”, nämlich Mr, eine Gepflogenheit, der die deutsche Presse nicht folgt, so dass Mr Kasparov zu Beginn des zweiten Satzes als „Kasparow“ (nicht: Herr Kasparov) zu übersetzen ist. Dies natürlich unter der Prämisse, dass eine Übersetzung die ursprüngliche Textsorte beibehalten soll. Ein pedantisches Detail ist noch zu registrieren. Als Vornamen verwendet die englischsprachige Presse Garry, die deutsche Gari, Gary, Garry. Welcher davon in Anbetracht Kasparows ursprünglichen Namens Garik in Frage kommt, soll die Kasparow-Forschung klären. Namen aus solchen Sprachen, die die lateinische Schrift verwenden, werden üblicherweise im Englischen nicht verändert (von Kleinigkeiten wie der Misshandlung der Umlaute oder des ß, deutsche Namen betreffend, abgesehen). Aber etwa bei Transliterationen aus dem Arabischen, Chinesischen, Japanischen oder bei alten Sprachen finden sich Unterschiede, die man berücksichtigen muss oder doch zumindest recherchieren muss, damit der Leser der Übersetzung die korrekten Bezüge herstellen kann: engl. Nefertiti – deutsch Nofretete; Muhammad – Mohammed; Cairo – Kairo; Aswan – Assuan; Tokyo – Tokio; Lao Dze – Lao Tse, Hong Kong - Hongkong (für das Chinesische gibt es im Deutschen konkurrierende Transliterationen); Janissaries – Janitscharen; Constantinople – Konstantinopel; the Ottoman Turks – die Osmanen; the Moguls – die Moguln; Ulysses – Odysseus, Muscovite – Moskauer; Raja – Radschah; Punjab - Pandschab. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, Enzyklopädien und Atlanten zu konsultieren, oder das Internet zu nutzen. Langfristig zahlt sich auch die Lektüre englischsprachiger Presse aus.. Dass geographische und Personennamen nicht in allen Sprachen gleich sein müssen, ist hinreichend bekannt: Napoli – Naples – Neapel; Milano – Milan – Mailand. Von dieser Art gibt es einige, die nicht ganz so offensichtlich sind, etwa engl. Ratisbon (Regensburg), engl. Belarus (Weissrussland), engl. Terra del Fuego (Feuerland), engl. Vosges (Vogesen), engl. Rhineland-Palatinate (Rheinland-Pfalz) , engl. Tully (Cicero). Nun gibt es Namen, die (fast) jeder kennt, und solche, die nur einem bestimmten Leserkreis vertraut sind. The Pacific is inconstant and uncertain, like the soul of man. Sometimes it is grey like the English Channel off Beachy Head, with a heavy swell …

Mit dem Bezug von Ärmelkanal ist sicher kaum jemand überfordert, anders ist es mit Beachy Head. Bei Beachy Head handelt es sich um einen Kreidefelsen an der Südküste Englands, im Osten des Kanals. Beim Übersetzen des Textes könnte man Beachy Head weglassen (der Ärmelkanal wird schon überall gleich aussehen) oder belassen (soll doch der Leser nachschauen) oder belassen und erklären, oder ersetzen (etwa mit bei Dover). Man muss jedoch als Übersetzer/in wissen, dass man sich der Kritik von Redaktionen, Lektoren, Lesern zu stellen und deren vage Erwartungen von der Qualität einer Übersetzung zu erfüllen hat, wenn man auf Dauer Erfolg haben will. Die beste Lösung ist wohl die des Ersetzens durch bei Dover: Sie liefert erstens einen gleichen Bezug, nämlich auf den östlichen Teil des Ärmelkanals, zweitens unterschlägt sie nichts und drittens stellt sie dem Leser keine Rätsel, wie das Original ja auch nicht. (Allerdings müssen wir hoffen, dass die Assoziation von Beachy Head zu ‚Felsen, von dem sich schon viele Selbstmörder ins Meer gestürzt haben’ nicht von Belang ist.)

8 Die verbleibende Möglichkeit – ein erklärender Zusatz – hat ihre eigene Problematik. Namen werden oft mit Zusätzen verbunden, vielleicht in der Annahme, dass der Name allein für die Herstellung des Bezuges nicht ausreicht: vgl. … Garry Kasparov, the world’s top-ranked chess-player Deep Blue, a computer built by researchers at IBM Carl Hagenbeck, a Hamburg animal dealer Sir Stamford Raffles, the founder of Singapore Hans Eichel, the new-old finance minister

Das sind spezifizierende Appositionen, deren Inhalt man als erläuternd oder bereichernd zur Kenntnis nimmt. Wäre IBM nicht eine weltbekannte Firma, wäre der Computer produziert worden von einer Firma, sagen wir, PT&T, dann würden wir auch hier einen Zusatz erwarten, wie z.B. PT&T, a Boston-based think-tank. Gelegentlich sind die Zusätze wichtiger als der Name selbst: ... a biologist from the New York Zoological Society, Sir William Beebe …

Erläuternde Appositionen sind an die Leser des Originals gerichtet, also an Englischsprachige, oft speziell an Briten, Amerikaner, Australier usw. Diese Leserschaft wird, bei einer Übersetzung ins Deutsche, ausgewechselt in eine deutschsprachige. Bei einer Übersetzung des folgenden Beispiels könnte man diesen Wechsel berücksichtigen. ... at the court of Maria Theresa, Empress of Austria-Hungary.

Diese Herrscherin ist bei uns, im deutschsprachigen Raum, eher bekannt als „Kaiserin Maria Theresia“ denn als „Maria Theresia, Kaiserin von Österreich-Ungarn“ (beachte, in diesem sehr speziellen Fall Theresa – Theresia). Falls Herrschernamen einen Zahlenzusatz haben, wie engl. Henry VIII, George III, ist nach den römischen Ziffern im Deutschen ein Punkt zu setzen („Georg III.“: hier handelt es sich um etwas anderes als z.B. bei Rambo 3). Der Leserwechsel muss Konsequenzen haben für die Übersetzung von Rhineland-Palatinate, one of Germany’s sixteen federal states

Diese für die meisten Englischsprachigen sinnvolle Zusatzinformation wird für den deutschen Leser zu einer geschwätzigen Überinformation. Damit verliert der Text an Wert, erhält pragmatische Mängel, die das Original nicht aufweist. Die Apposition ist also wegzulassen. In ähnlicher Weise würde ein Zusatz bei Beachy Head, etwa „ vor Beachy Head, dem großen Kreidefelsen in der Nähe Dovers“ in seiner geographischen Präzisheit konfligieren mit dem poetischen Charakter des Textes. Der übersetzerische Umgang mit Zusätzen ist durch die Einschätzung der Leserschaft durch den Übersetzer bestimmt. So wird man the flood in Grand Forks, N.D.

sicher erweitern zu “Grand Forks im Bundesstaat North Dakota“, the Everglades

wiedergeben als „die Sümpfe der Everglades“, the Florida Keys als “die Inselgruppe der

Florida Keys“ und natürlich auch auf bekannte Übersetzungen

zurückgreifen, also the Gulf of Mexico Florida Bay

mit “Golf von Mexiko”, “Bucht von Florida” übersetzen. Die Abkürzungen für die Bundesstaaten in den USA sind festgelegt, ebenso die für die Grafschaften in Großbritannien, etwa Flints für Flintshire. Namen werden, wie bekannt, mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Mithin ist the Old Grey Donkey, Eeyore

9 ein Name, freilich komplex, “der Alte Graue Esel, I-Ah“. (Dieser Esel ist Teil der Menagerie von Winnie-the-Pooh ; dort treten unter anderem auf Owl, Rabbit, Tigger, Kanga: Eule, Kaninchen, Tigger, Känga.) Es ist gängige übersetzerische Praxis, die ursprüngliche Textsorte in etwa beizubehalten, also etwa ein Kinderbuch als Kinderbuch, ein Kochrezept als Kochrezept, allgemein einen erzählenden Text als einen ebensolchen sprachlich zu gestalten. “Yes, of course, if it’s fine tomorrow”, said Mrs Ramsay… Such were the extremes of emotion that Mr Ramsay excited in his children’s breasts … Miss Adrienne Fromsett

Hier, in diesen erzählenden Texten, wird man Titel plus Namen beibehalten (wenngleich mit Punkt im Falle von Mrs., Mr.), nach den derzeitigen Konventionen. Früher, vor 1900, wurde hier eher mit Frau, Herr übersetzt. Den Titel Ms, der die Frage nach dem Ehestand bewusst offen lässt, muss man wohl übernehmen: denn Mr Jones, Mrs Smith and Ms Kennedy als „Mr. Jones, Mrs. Smith und Frau Kennedy“ ist fragwürdig. Adelstitel haben ihre eigene Problematik. I may briefly remark that the present Lord Marshmoreton is a widower of some forty-eight years: that he has two children – a son, Percy Wilbraham Marsh, Lord Belpher, who is on the brink of his twenty-first birthday …

Der Chef des Hauses, der Earl of Marshmoreton, hat den zusätzlichen Titel Lord Marshmoreton, die Familie heißt Marsh, der Erbe trägt ebenfalls einen Titel, Lord Belpher. Namen haben natürlich auch soziologische Implikationen. Nicht in jeder Familie sind Namen wie Percy, Wilbraham, und weiter Patricia, Maud, Caroline, Reginald üblich, sie sind upperclass. Aber hier stoßen Übersetzungen und Zusätze auf enge Grenzen, wie auch bei „sprechenden Namen“ der Originalsprache. Man kann Keggs the butler

trotz des offensichtlichen keg-„Fass“ nicht mit Fassl übersetzen oder Mrs Lovejoy mit Frau Liebesfreude, da dies mit der übrigen englischsprachigen Szenerie konfligiert. Jedoch: da Dances with Wolves selbst eine Übersetzung ist, aus einer indianischen Sprache, kann man hier mit Der mit dem Wolf tanzt wiedergeben. In Texten, die nicht explizit einen englischsprachigen Raum beschreiben, wie in Der Herr der Ringe ist es sogar ratsam, Namen zu übersetzen oder an das Deutsche anzugleichen: Baggin’s End – Beutelsend; Ithilia – Ithilien, Frogmorestead - Froschmoorstetten. Die Rechtfertigung für diese Übersetzung liegt darin, dass The Lord of the Rings irgendwo auf der Erde zu mythischen Zeiten spielt und nur zufälligerweise in englischer Sprache geschrieben ist. Das oben genannte Marshmoreton kann aber nicht mit „Sumpfmoorstetten“ übersetzt werden. Behutsam auf den Leser eingehen, die Textsorte beachten, pedantisch nachschlagen – das sind die allgemeinen Regeln, die man geben kann. Dabei kann man Fehler machen. Diese können darin begründet sein, dass man von einer der Sprachen oder beiden Sprachen schlicht zu wenig weiß, oder von den betreffenden Kulturen (“die ottomanischen Türken“), oder überhaupt zu wenig von der Welt weiß: man stelle sich vor, man solle ein Schach-Handbuch übersetzen, ohne selbst Schach spielen zu können. Der beste Rat ist, gegenüber dem Umfang des eigenen Wissens ein starkes Misstrauen zu haben und sich im Zweifelsfall zu vergewissern. Im folgenden Beispiel haben wir es mit Straßennamen und –systemen, hier in Los Angeles, zu tun. The Treloar Building was, and is, on Olive Street, near Sixth, on the west side . Erfahrene Übersetzer wollen gerne wissen, worauf sich ein Stück Sprache genau bezieht, nicht nur, was es irgendwie bedeutet. Die Adresse www.lacity.org enthält einen Stadtplan von Los Angeles. Die nummerierten streets verlaufen annähernd von Süden nach Norden und werden von anderen Straßen in Richtung von Osten nach Westen gequert. So quert die Olive

10 Street einige dieser Süd-Nord-Straßen. Im östlichen Teil der Stadt erhalten diese Querstraßen (in den USA) den Zusatz East, im westlichen Teil (links der 6th Street) den Zusatz West. Das Treloar Building liegt also am Beginn der Olive Street (West) auf der Höhe der Kreuzung mit der 6th Street. Wissen muss man das nicht, aber recherchieren kann man es, bevor man „in der West Side“ übersetzt und the west side zum Stadtteil erhebt (wie H. Karasek in seiner Übersetzung von Raymond Chandler, The Lady in the Lake). Namen haben ihre eigene Pragmatik. Nach Auskunft einiger englischen Grammatiken werden sie zur Anrede nur dann verwendet, wenn aufgrund der Situation ein you nicht ausreicht oder wenn mit der Anrede ein besonderer Effekt erzielt werden soll. What is the nature of your business, Mr Marlowe? Personal. I see. Does Mr Kingsley know you, Mr Marlowe?

Mit dem Mr Marlowe soll wohl eine Distanz ausgedrückt werden, daher wird man es auch im Deutschen zweimal setzen. Man wird immer wieder auf Probleme stoßen, die eine neue Lösung erfordern, manchmal auch auf solche, die kaum eine zufriedenstellende Lösung erlauben. Ein Buch über englische Kathedralen beginnt mit dem Satz The cathedrals of England have always been one of my special loves.

England, im Englischen, bezieht sich auf die britische Hauptinsel, ohne Schottland und Wales. Es ist nicht einfach, diesen Bezug in den obigen Satz einzubauen, ohne dass Schwerfälligkeit und Überinformation entsteht. Vielleicht kann man es hier mit „England“ belassen und darauf vertrauen, dass ein entsprechend interessierter Leser schon weiß, was in diesem Kontext gemeint ist. 1.2. Institutionen, Organisationen, Akronyme Wegen des großen Z ist the Philadelphia Zoo

ein Name. Übersetzt man „der Zoo in Philadelphia“, verschleiert man den Namen, wählt mant „der Philadelphia Zoo“, erhält man einen etwas ungelenken Anglizismus. Die Wiedergabe solcher institutioneller Namen ist also nicht immer unproblematisch: the New York Zoological Society

heißt eben so, und nicht „New Yorker Zoologische Gesellschaft“. Wenn man aus dem Englischen übersetzt, kann man gelegentlich auf entsprechendes Sprachwissen vertrauen und solche Namen unübersetzt lassen, gelegentlich wird aber auch ratsam sein, informierende Zusätze zu geben. the AA

könnte werden zu „der Automobilclub AA“ oder „der AA, einer der großen Automobilclubs“. the RSPCC

könnte werden zu „der britische Kinderschutzbund“ (nicht: Britische), möglicherweise ginge die Langform The Royal Society for Preventing Cruelty to Children am Leser vorbei. In diesen beiden Fällen wurde also mit funktionellen Äquivalenten gearbeitet. My father got the dog drunk on cherry brandy at the party last night. If the RSPCA hear about it he could get done.

“… Wenn der Tierschutzverein das erfährt, dann ist er vielleicht dran.“

11 Für internationale Organisationen haben sich oft standardisierte Übersetzungen durchgesetzt, vgl. WHO

und „Weltgesundheitsorganisation“, EFTA

und „Europäische Freihandelszone“, UNHCR

und „Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen“. Akronyme verlangen manchmal besondere Überlegungen, vor allem dann, wenn in den jeweiligen Sprachen jeweils andere Akronyme verwendet werden. CFCs

sind chlorofluorocarbonates, also „FCKWs“, TB

ist „Tbc“ (Tuberkulose).

1.3. Ränge, Titel, Amtsbezeichnungen 1.4. Die meisten Ränge usw. implizieren auch Hierarchien. Militärische Rangbezeichnungen werden manchmal verwendet, um das Besondere an strukturalistischen Analyseprozeduren zu erläutern: Der „Wert“ oder die Stellung z.B. eines Oberst ergibt sich aus den Rängen, die über und unter dem Rang des Oberst sind. Daraus leitet sich zwingend ab, dass ein (britischer) Colonel nur dann einem (deutschen) Oberst entspricht, wenn beide die gleiche Kette von Untergebenen und Vorgesetzten haben. Das ist aber schlicht nicht der Fall. Aus diesem Grund ist es eine prinzipielle Option, Titel, Ränge usw. in ihrer ausgangssprachlichen Form zu belassen. „I see. Does Mr Kingsley know you, Mr Marlowe? “ “I don’t think so. He may have heard of my name. You might say I’m from Lieutenant M’Gee.”

Die einzelnen Ränge und Werte lassen sich in der Regel mühelos im Internet ermitteln, oder auch in Wörterbüchern. Das kann von Bedeutung sein, wenn man als Übersetzer selbst Zweifel in Bezug auf die Hierarchie oder Funktion hat. Sollte sich jemand beschweren Why did you send us a constable?, dann ist er verärgert, weil er „nur“ mit einem constable zu tun hat, nicht mit einem Höherrangigen. Dennoch: einige Übersetzungen haben sich eingebürgert, wie etwa „Präsident, Minister, Chefinspektor, Feldmarschall, General, Major, Geschwaderkommodore“. In anderen Fällen aber scheinen die Übersetzungen so spezifisch deutsch zu klingen, dass sie nicht verwendet werden, etwa „Polizeiwachtmeister, Gefreiter, Feldwebel“. In wieder anderen Fällen haben sich Übersetzungen eingebürgert, die falsche Äquivalente suggerieren, so etwa Faculty Dean als „Dekan“ oder chancellor als „(Universitäts)Kanzler“ – die aber dennoch toleriert werden. (Nicht aber im Falle von vicar, dies ist als „Pfarrer“ wiederzugeben.) Die hier anzustrebenden pragmatischen Lösungen bewegen sich in einem Bereich, der durch zwei Forderungen bestimmt ist: es dürfen keine spezifisch deutschen Assoziationen bewirkt werden; es muss einigermaßen klar werden, welche hierarchische Position und gegebenenfalls welche Funktion vorliegt. Würde man oben von „Leutnant M’Gee“ sprechen, dächte der Leser wohl eher an Militär als an Polizei. In einem Artikel über Staudämme wird man daher aus Egypt’s senior undersecretary for water resources

den “ägyptischen Staatssekretär für Wasserwirtschaft” machen, es sei denn natürlich, die Übersetzung erfordere Genauigkeit in diesem Detail.

12 Wenn Titel selbst Gegenstand des Textes sind, wenn also über das Englische oder über England gesprochen wird, wird es problematischer. We called them masters in those days, not teachers.

Die Schüler bezeichneten ihre Lehrer nicht mit dem heute üblichen Wort, sondern mit dem Wort „master“. Eine für deutsche Leser nicht sehr erhellende Information, auch im Text nicht weiter relevant, daher als Lösung: weglassen. Oder, auf verständnisvolle Leser spekulierend: „Damals nannten wir sie „masters“, nicht einfach Lehrer.“ Einer dieser Lehrer ist Captain Hardcastle. Er lässt sich auch noch nach dem Krieg (1918) als Captain anreden, not a very exalted rank, wie es im Text heißt. „Hauptmann“ klingt vielleicht zu deutsch. Wenn man es bei „Captain“ belässt und not a very exalted rank wiedergibt mit „ein Rang noch unterhalb des Majors“ oder „gerade ein Rang höher als ein Oberleutnant“ kommt man ohne Verlust davon.

1.4. Tier- und Pflanzenbezeichnungen Es gibt eine große Zahl von Tieren und Pflanzen, die im englischsprachigen und deutschsprachigen Raum gleichermaßen bekannt sind (Pferde, Kaninchen), auch solche, die in anderen Gebieten bekannt sind (Elefanten, Schimpansen), ihre Übersetzung ist in der Regel die Angelegenheit eines zweisprachigen Wörterbuches. Im Frühjahr ist in England an vielen Stellen von lichten Wäldern der Boden mit bluebells übersät. Größere einsprachige Wörterbücher verweisen hier auf hyacinthoides non-scripta, über deutsche botanische Bestimmungsbücher (oder über das Internet) gelangt man zu „Hasenglöckchen“. Dieser Bestimmungs- oder Identifikationsprozess ist, was man auf jeden Fall zunächst zu leisten hat. Einsprachige Wörterbücher tun sich bei der Erläuterung von Tierund Pflanzennamen notorisch schwer. Mit Termini wie serrated ‚gezackt’ oder plantigrade ‚Sohlengänger’ können sie nicht arbeiten. Und, würden sie es tun, wer weiß schon, dass eine ca. 30cm hohe Staude mit grau-grünen lanzenförmigen Blättern und dunkelblauen Blüten ein „Salbei“ ist. Für sage „Salbei“ hat das LDOCE nur die völlig nichtssagende Erklärung a plant with grey-green leaves which are used in cooking to add a special taste to food: sage and onion stuffing. Nur größere Wörterbücher führen zu salvia officinalis, von hier ist es nur ein kurzer Weg zu „Salbei“. Zurück zu den Hasenglöckchen. Diese sind bei uns, im Gegensatz zu den bluebells, kaum bekannt. In solchen Fällen sind ad-hoc-Übersetzungen meist sachlich falsch (wie etwa „blaue Glockenblümchen“, denn um kleine Glockenblumen handelt es sich nicht), am besten wohl „blaue Hasenglöckchen“. Die lateinisch/griechische Bezeichnung ist hier unangemessen genau, vielleicht kann man bluebells, im Vertrauen auf den Leser, unübersetzt lassen. Einige Pflanzennamen sind regional beschränkt, so ist engl. garden cosmos eher „Kosmee“ statt des selteneren „Schmuckkörbchen“. Für „schnelles Reagieren“ verwendet P.G.Wodehouse den Vergleich with the smooth swiftness of a jack-rabbit surprised while lunching

Lt. SOED handelt es sich hier um einen relativ großen hare, in Nordamerika (kein rabbit), mit langen Ohren und Beinen, bekannt für seine Schnelligkeit, Genus Lepus. Nun kommt es aber hier nicht auf die zoologische Klassifikation an, sondern auf die Schnelligkeit, und das ist wohl erhalten, wenn man hier mit „Hase“ oder „Feldhase“ übersetzt. Den eventuellen Verlust muss man mit der pragmatischen Unangemessenheit einer detaillierten Beschreibung abwägen. In Argentinien finden sich engl. capybaras, das hydrochoerus hydrochaeris oder „Wasserschwein“. Zoologisch gesehen, handelt es sich hier nicht um ein Schwein, und es kann, in Bezug auf dieses uns unbekannte Tier, ein Zusatz angebracht sein, „das größte der Nagetiere“ o.Ä.

13 Eine Bezeichnung wie fritillaria bringt wahrscheinlich die meisten zum Nachschlagen („Schachbrettblume“, bei uns nicht sonderlich bekannt), andere sind versteckter und laden, mit ungünstigen Erfolgsaussichten, zum Raten ein: a Norway maple

ist ein Blutahorn, a cherry plum

keine moderne Kreuzung, sondern eine Blutpflaume, und big cats sind Großkatzen. Elaboriertere Bezeichnungen wie cut-leaved crane’s bill „schlitzblättriger Storchenschnabel“ können, außer in botanischen Kontexten, schon etwas Pedantisches an sich haben. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn von Rosen die Rede ist, hier ist mit einer sehr differenzierten Terminologie im Englischen zu rechnen. Wenn ein kleiner Junge an verschiedene Objekte eines Ortes denkt, Schubkarren, Rasenmäher, an das Rascheln der Pappeln dort und an rooks cawing,

dann handelt es sich um Exemplare von Corvus frugilegus „Saatkrähe“. Ist dieses Wort in diesem Zusammenhang nicht zu präzis, und wenn ja, sollen wir dann „krächzende Krähen“ übersetzen? Freilich, sollte ein Ornithologe in England einen arctic warbler gesichtet haben, dann ist das ein Wanderlaubsänger, bei uns so selten wie in England, und als Rarität auch genau zu bezeichnen. Zum Abschluss noch ein Blick in die Folterkammer des Übersetzens. „It’s a funny thing,“ he said. “Jenny’s got a friend, a Frenchwoman, comes from Alsace. But you can’t call her an Alsatian. That word always means a dog.” “You couldn’t call anyone a Dalmatian either”, said Wexford. Burden laughed. “Americans call Alsatians German Shepherds.”

An Alsatian ist ein Deutscher Schäferhund. Leider kann man diese Zeilen nicht unübersetzt lassen, denn aus ihnen leitet sich später die Lösung des Kriminalfalles ab.

2. WORDS – WÖRTER 2.1. Englische und deutsche Wortinhalte Wenn man, in der Beschreibung des ersten Treffens zweier Personen, liest I grinned at her

14 wird man nicht lange suchen und wird mit “Ich grinste sie an” übersetzen, dies, ”weil grin eben „grinsen“ heißt“. Diese umgangssprachliche Formulierung (x heißt y) beschreibt die Tatsache, dass wir beim Lernen ein muttersprachliches an ein fremdsprachliches Wort gleichsam anhängen, die beiden als Gleichung betrachten und dementsprechend übersetzen. Weitere solche Gleichungen sind z.B. gaze – starren, choose – wählen, date – Datum, ask – fragen, bitten, wild – wild, field – Feld, und wahrscheinlich hunderte oder tausende anderer. Mit diesen Gleichungen werden aber nicht die Wortinhalte beschrieben, es werden, aus lexikographischen oder anderen Gründen, zwei oder mehr Wörter in eine ÜbersetzungsWahrscheinlichkeits-Beziehung gebracht. Zugegeben, gegen viele dieser Gleichungen kann man im Prinzip nichts einwenden, also nichts gegen central heating – Zentralheizung, ash-tray – Aschenbecher, daisy – Gänseblümchen, tiger –Tiger usw. Einige dieser Gleichungen sind jedoch ungenau. Der Grund dafür liegt in der lexikographischen Praxis, Übersetzungswahrscheinlichkeiten möglichst nicht in Form von mehreren Wörtern zu geben, sondern in Form eines einzigen Wortes, wie grin:grinsen. Dies leider auch dann, wenn sich daraus Unkorrektheiten ergeben. In einsprachigen Wörterbüchern wird grin umschrieben mit to make a wide smile (LDOCE) oder to smile widely, esp with the mouth open (OALD) oder smile broadly (COBUILD). In der CD zum OALD sieht man unter grin eine junge Frau, die sozusagen stumm lacht, weit oder breit lächelt, so, dass die Zähne deutlich sichtbar sind. Dazu kommt, dass grinsen im Deutschen häufig Kollokationen (und daher Assoziationen) hat wie ‚unverschämt’, ‚frech’, ‚anzüglich’, was im Englischen nicht der Fall ist. „Ich grinste sie an“ ist also eindeutig ein Fehlgriff. Nun kann man nach anderen sinnverwandten Wörtern suchen oder, sollte man keines finden, mit einer Umschreibung übersetzen, z.B. „Ich lächelte sie freundlich an“, vielleicht „Ich schenkte ihr ein breites Lächeln“, denn: zuvörderst muss man beim Übersetzen die Sache treffen, und nicht Wörter. Wo immer man in zweisprachigen Wörterbüchern nachschlägt, findet man die Gleichung gaze – starren. If you gaze at someone or something, you look steadily at them for a long time, for example because you find them attractive or interesting, or because you are thinking of something else (COBUILD). Wer vor dem Spiegel steht, gazing at himself/herself ist gedankenverloren oder findet sich recht ansehbar, aber er/sie starrt sich nicht an. Wer im Sessel sitzt, gazing reflectively at the fire, starrt nicht ins Feuer, und stargazers sind u.a. Hobbyastronomen. Mithin bleibt als Übersetzung nur die Anlehnung an die Bedeutungsparaphrase: So Eeyore stood there, gazing sadly at the ground…

“… und schaute lange und traurig auf den Boden.“ Als punktuelle Übersetzungsstrategie ist die Bedeutungsparaphrase nicht zu unterschätzen. Die Ansicht, jedes deutsche Wort müsse eine Wort-Entsprechung im Englischen haben (und umgekehrt), ist zwar weit verbreitet, aber auch falsch. Wenn man disciplinarian in zweisprachigen Wörterbüchern nachschlägt, erhält man Angaben wie ‚Lehrmeister, Zuchtmeister’, das OALD beschreibt disciplinarian so: ‚a person who believes in or maintains strict discipline’. Aus den Beispielen (a good/strict/poor disciplinarian) kann man entnehmen, dass dieses Wort nicht notwendigerweise negativen Beigeschmack hat. Ein weiteres Beispiel (He’s no disciplinarian ‚er kann keine Ordnung halten’) zeigt, dass die Bedeutung von der Verwendung von discipline abhängig ist. „Lehrmeister“ oder „Zuchtmeister“ können daher nur in einigen wenigen Kontexten als Übersetzung dienen. Am besten wird man bei der Übersetzung daher mit einer Paraphrase fahren: „jemand/ein Mann/eine Frau, der/die großen Wert auf Disziplin legt“, und das kann man kontextuell modifizieren als „... auf Disziplin und Gehorsam“ oder „... Disziplin und Ordnung“, je nachdem.

15 Weil die zweisprachige Lexikographie Bedeutungen nicht umschreiben will, ist sie manchmal gezwungen, zu einem englischen Wort mehrere deutsche Bedeutungen zu geben. So finden sich zum Adjektiv quaint Gleichungen wie „1. malerisch 2. drollig 3. gemütlich“. Im Englischen findet man etwas quaint, wenn es attractive ist, insbesondere dann, wenn es ungewöhnlich oder schon alt ist. Daher ist a quaint fishing village malerisch, a quaint dialect drollig, a quaint pub gemütlich. Aus Sicht des Englischen handelt es sich nicht um drei verschiedene quaint, sondern um ein einziges quaint. (Eine solche Beobachtung wirft die Frage auf, unter welchen Umständen Polysemie, also mehrfache Bedeutung, zu konstatieren ist.) Englische Wörterbücher vermerken unter nut: some nuts can be eaten. Und tatsächlich: Eicheln und Kastanien gehören zu den nuts. Fields sind nicht Felder, sondern offenes bäuerlich genutztes Land, einschließlich der Weideflächen. Eine wilderness ist keine Wildnis, sondern eine größere Fläche, die von Menschen unbewohnt und nicht bearbeitet ist. Now and then a few gulls suggest that land is not far off, a forgotten island in a wilderness of waters

Eine Wasserfläche ist im Deutschen keine Wildnis, auch die üblichen Assoziationen wie üppig bewachsen, nicht gepflegt ergeben wenig Sinn, daher eher „Einsamkeit, Verlorenheit, Verlassenheit“. … Hier kann die Gleichsetzung von corner - Ecke dazu führen, dass man den Esel falsch platziert. Keinesfalls steht er am Rande des Waldes (hier im Original als Name verwendet). A corner ist hier ein Ort that is far away or difficult to get to, der Esel steht also mitten im Wald oder weit im Wald. (Die Präposition in müsste den Anfangsverdacht erregen, dass hier nicht von „an der Ecke“ die Rede ist.) Ein Typ dieser Gleichungen ist von besonderer Problematik. The Old Grey Donkey, Eeyore, stood by himself in a thistly corner of the Forest

In the year 1500, the date chosen by numerous scholars to mark the divide between modern and premodern times …

Eine Fehlübersetzung, allerdings sehr gängig, wäre “... das Datum, das viele Gelehrte gewählt haben...“. Die muttersprachlichen Kenntnisse müssten eigentlich verhindern, dass Datum verwendet wird, 1500 ist schließlich kein Datum. (Wohl aber ist date: a specific time that can be named, for example a particular day or a particular year (COBUILD): aus Tausenden solcher Details baut sich eine solide Fremdsprachenkenntnis auf.) In diesem Fall wird „Datum“ gewählt, weil die Gleichung date - Datum das zunächst so suggeriert aufgrund der schriftlichen Ähnlichkeit der beiden Wörter. Je länger man nun, beim tatsächlichen Übersetzen, mit diesem Satz zubringt, je öfter man das englische Original liest, umso stärker scheint sich diese Gleichung einzugraben, um so weniger befremdlich erscheint diese Verwendung von „Datum“. Wir müssen davon ausgehen, dass während des Übersetzungsprozesses unsere muttersprachliche Fähigkeit punktuell eingeschränkt wird, dass wir zu dem so entstehenden Deutsch keinen kritischen Abstand einnehmen können und in unserer eigenen Sprachmächtigkeit durch kurzzeitige Interferenzen beeinträchtigt werden. Wenn man dies nicht für plausibel hält, empfiehlt sich ein Selbstversuch: eine angefertigte Übersetzung nach zwei Wochen selbst korrigieren, ohne Bezug auf das Original, dann springen einem solche Performanzschwächen ins Auge. (Wie man ihnen entgegensteuert, wird in Kap. 4 ausgeführt.) Auch gängige Rechtschreibfehler, wie Doctor, Kariere, behaupted, die sich immer wieder in Klausuren finden, haben hier ihren Ursprung, desgleichen Übersetzungen wie football stadium – „Fußballstadium“, Nobel Prize- winner – „Nobelpreisgewinner“. In der Presse liest man gelegentlich Übersetzungen vom Typ mechanical failure – „mechanischer Fehler“: letzteres ist die stressbedingte und falsche Übersetzung von „technischer Defekt, technisches Versagen“, angefertigt in den Nachrichtenagenturen. Man muss leider damit rechnen, dass

16 man, als ungeübter Übersetzer, oft weit unter den eigenen Fähigkeiten in der Muttersprache formuliert. Der oben erwähnte Satz enthält auch die Wörter choose (- wählen) und scholars (- Gelehrte). sowie die Phrase modern times ( - moderne Zeiten). Genauer besehen ist die Bedeutung von choose something ‚aus mehreren Dingen eines auswählen’, ‚sich für eines von mehreren Dingen entscheiden’. Scholars sind nicht notwendigerweise (alte) Gelehrte, sondern in einer akademischen Disziplin sehr kenntnisreiche Menschen, modern times schließlich ist ein terminus technicus des Faches Geschichte, die „Neuzeit“. Dem obigen Satz liegt also offensichtlich das Faktum zu Grunde, dass eine große Zahl von Historikern sich dafür ausgesprochen, entschieden hat, mit dem Jahr 1500 den Beginn der Neuzeit anzusetzen, die Neuzeit mit 1500 beginnen zu lassen. Demzufolge kann man verlustlos übersetzen mit „Im Jahre 1500 – dem Jahr, mit dem zahlreiche Historiker den Beginn der Neuzeit ansetzen...“; es ist alles gesagt, was zu sagen ist. Es wird nun ersichtlich, dass es sich bei dem Problem „angehängte Gleichung“ nicht um ein vereinzeltes Problem handelt, das vereinzeltes grin oder gaze betrifft, sondern um eine gängige Erscheinung: im obigen Satz: date, scholar, choose, modern times. Wenn ein Artikel über Italien die Überschrift hat What a lovely odd place!

wird das place von vielen als “Platz” oder “Ort” wiedergegeben, obwohl Italien noch weniger ein Platz ist als 1500 ein Datum. Man kann das nur über die Insistenz von place-Platz erklären und natürlich zusätzlich damit, dass die Verwendungsbestimmungen von place nicht bekannt sind: Italy/Madrid/this hotel is the place to go; the world’s a beautiful place; place kann also allgemeiner verwendet werden als Platz, Ort, Stelle im Deutschen. In einigen Fällen hat sich eine falsche oder nachlässige Übersetzung eingebürgert und den Sprachgebrauch verändert: to control wird habituell als „kontrollieren“ übersetzt, von hier ausgehend wird kontrollieren auch als ‚beherrschen’ im Deutschen verwendet, als Anglizismus. Nachdem der schon bekannte Mr. Marlowe das Treloar Building betreten hat, wendet er sich in einem Empfangsraum zu der Sekretärin oder Empfangsdame: I asked to see Mr Derace Kingsley.

Studentische Übersetzungen bringen hierfür, in der Regel zu je einem Drittel, die Lösung mit „fragen“ oder „bitten“ oder „verlangen“. Wenn man nachfragt „Warum verlangen?“ wird argumentiert, dieser Marlowe sei wohl etwas raubeinig und unkonventionell. Bitten wird damit begründet, dass Marlowe schließlich etwas will und daher erst mal freundlich ist, und fragen damit, dass ask eben fragen heißt. Natürlich soll der Charakter eines Menschen auch aus seiner Sprache ersichtlich werden, aber zunächst handelt es sich um ein Problem der Grammatik von ask. Nach COBUILD hat ask verschiedene Bedeutungen, je nachdem wie es konstruiert wird: in der Konstruktion ask someone something ‚eine Frage stellen’, in der Konstruktion ask someone somewhere ‚jemanden irgendwohin einladen’, in der Konstruktion ask someone to do something ‚verlangen, dass jemand etwas tut’, als ask to do something ‚sagen, dass man etwas tun will’, mit dem Beispiel I asked to see the Director. Treffer! Die korrekte Übersetzung ergibt sich nicht aus Marlowes Naturell, sondern aus der englischen Grammatik und der Bedeutungsangabe in einem vernünftigen einsprachigen Wörterbuch. „Ich sagte, dass ich Mr Derace Kingley sprechen wolle“. Was, wenn man schon spekulieren will, ziemlich genau dem entspricht, was er vielleicht wirklich gesagt hat, nämlich I wanna see Mr Derace Kingsley. Daraus kann man verallgemeinern, dass man ask „als solchem“ überhaupt keine Bedeutung zuschreiben kann, sondern nur den Formen von ask in jeweils einer bestimmten Konstruktion. Ask ist lediglich eine Art Adresse in einem Wörterbuch.

17 Mr. Marlowe muss anschließend ein wenig warten und berichtet: I looked the place over. Er sieht sich also um. (Das place ist damit schon übersetzt.) Tut er das gründlich oder flüchtig? Vielleicht gründlich, schließlich ist er Detektiv, vielleicht flüchtig, weil er nichts Interessantes findet. Er tut es gründlich, weil look something over ‚gründlich ansehen’ ist und look over something ‚flüchtig ansehen’ ist, weil eben die Bedeutung durch die Konstruktion determiniert ist. Im Folgenden sei das Anhängen von ‚erzählen’ an tell behandelt. Zu diesem Zweck sei jeweils ein Beispielsatz aus Lernerwörterbüchern gegeben, der eine bestimmte Konstruktion und / oder Kollokation realisiert, nach dem Doppelpunkt eine kurze englische Paraphrase für das jeweilige tell. a) I called Andie to tell her how spectacular the stuff looked: give information b) Will you tell me a story? : communicate a story, a personal experience (to someone), using speech c) She told me on the telephone to help clean the house: order, instruct, or advise someone to do something d) ‘Come on’ she told herself: encourage or persuade yourself to do something e) You can tell he is joking: judge correctly what is happening or what is true f) How do you tell one from another? : able to recognize the difference g) Many of the children knew who they are but are not telling: reveal a secret h) The facts tell us that this is not true: reveal information through ways other than speech i) The strains of office are beginning to tell on the prime minister: have a serious effect Dazu kommt, dass die einzelnen Konstruktionen selbst wieder mehrere Übersetzungen haben können, etwa ‚sagen, informieren, mitteilen’ für oben a) – aber tell the truth ist natürlich nicht „die Wahrheit mitteilen, über die Wahrheit informieren“. Weiterhin gibt es noch einige Partikelverben und eine Reihe von Verwendungen, die die Wörterbücher als idiomatisch bezeichnen, wie etwa all told, I can tell you, I tell you what, you never can tell, I told you so. Diese semantische Differenzierung nach Konstruktionen und/oder Kollokationen ist bei allen häufigen bis sehr häufigen Verben anzutreffen (z.B. run, meet, miss, leave, move). In den heute erhältlichen Lernerwörterbüchern ist sie jedoch relativ gut erfasst (anders als in den englischen muttersprachlichen Wörterbüchern) – und es gibt keine Entschuldigung dafür, wenn man We’ve already met mit „Wir haben uns bereits getroffen“ übersetzt. Für den muttersprachenähnlichen Erwerb des Englischen ergibt sich hier ein weites Feld: die Übersetzungsprobleme im Zusammenhang mit hochfrequenten Wörtern legen sehr nahe, dass, auch nach mehreren Jahren Englischuntgerricht, eine erneute Beschäftigung mit dem „Grundwortschatz“ unabdingbar ist. Auf den Spracherwerb sei hier deshalb verwiesen, weil diese „Übersetzungsprobleme“ weniger mit den Prozessen der Übersetzung zu tun haben als mit dem hierfür zur Verfügung stehenden individuellen Wissen. Dieses ist natürlich stets erweiterbar, über Wörterbücher und andere Informationsquellen. In Bezug auf das Englische sind wir in der glücklichen Lage, dass die Lernerwörterbücher (OALD, LDOCE, COBUILD, CIDE, Auflagen ab 1995) von beeindruckender Qualität sind, dass sie auch einander ergänzen (was wiederum bedeutet, dass man notfalls mehr als eines dieser Wörterbücher konsultieren muss). Aber auch diese Lernerwörterbücher haben ihre Grenzen, teils, weil natürlich nicht alle Wörter/Phrasen verzeichnet sind, teils, weil die Erklärungen nicht in jedem Falle „hundertprozentige“ Gewissheit bieten. Es empfiehlt sich dann, in einsprachigen Wörterbüchern nachzuschlagen, die für englische Muttersprachler konzipiert sind, etwa im Concise Oxford Dictionary oder im Shorter Oxford English Dictionary (beide auch auf CD). Sollte auch diese Quelle versagen, bleibt die Abfrage im Internet.

18 Die Übersetzung von Eyes left!

- einer Artikelüberschrift - als „Blick nach links“ ist sicher schon ganz passabel. Was aber, wenn eyes left, als Befehl beim Militär, auch sein könnte, „die Augen links“? Das wird man höchstens zufällig wissen. Der Suchbefehl eyes left ergibt bei Google (usarmyabout.com) die Lösung, dass es sich hier zumindest auch um den Befehl handeln kann; damit kann niemand an der Übersetzung „die Augen links“ rütteln. COBUILD erklärt squashed als „ If someone or something is squashed, they are pressed or crushed with such force that they become injured or lose their shape”. Nun gut, aber was genau ist dann squashed grass? Der Suchbefehl “squashed grass” findet diese Phrase in einigen Texten, zeigt diese an und ermöglicht den Zugang zu diesen Stellen und ihren Kontexten. Das squashed grass offenbart sich als ‚frisches, zertretenes Gras’ und vernichtet so Hypothesen wie ‚gepresstes Gras’. hot barley water

führt zu langem und erfolglosem Nachschlagen. Vielleicht ist es ein Zeichen von verminderter Spracherwerbsfähigkeit, wenn man sich angesichts hot barley water sagt: Was kümmert’s mich, möglicherweise trinken die tatsächlich „heißes Haferwasser“. Für fast alle Speisen und Getränke gibt das Internet die Rezepte, und hier geht es um ein Getränk aus Hafer, Zitrone, Honig, gegen Erkältungskrankheiten. (Im speziellen Kontext handelt es sich um eine Kindheitserinnerung; das Haus der Großmutter roch immer nach hot barley water. Ein selbstbewusster Übersetzter könnte hier auch mit „Apfelkuchen“ übersetzen, siehe hierzu Kap. 4). Für modern times

geben die Lernerwörterbücher keine ausreichenden Hinweise auf „Neuzeit“, der Befund im Internet ist aber eindeutig, vor allem wenn man nach „history + modern times“ sucht und die erweiterten Suchmöglichkeiten nutzt. easy listening

ist „a relaxing type of music popular especially with middle aged people“. Was das bedeutet, ist völlig klar, es steht ja da – aber worauf bezieht es sich? Welcher Ausschnitt der Welt ist gemeint? Das Internet gibt auch hier Auskunft, zumindest kann man anhand der Titel erfahren, um welche Art von Musik es sich handelt. In der linguistischen Semantik wird ausführlich über die „Bedeutung“ der Wörter gesprochen, weniger über die Beziehung, die die Wörter zu Entitäten der Welt herstellen. Und manchmal sind die Bedeutungsangaben in Wörterbüchern zu ungefähr, wenngleich nicht unrichtig. Eine (für Zwecke der Übersetzung verwertbare) Bedeutungsangabe von x muss eine Menge { } konstituieren, auf alle deren Elemente diese Angabe zutrifft (so dass man sie folglich alle als x bezeichnen kann). Kurz gesagt, man muss wissen, was es „konkret ist“. Aus der obigen Beschreibung von easy listening kann man noch nicht entnehmen, ob die Musik der Rolling Stones dazu gehört, ebenso wenig, wie man aus squashed und grass mit Sicherheit ableiten kann, wie squashed grass tatsächlich aussieht. Es ist daher in nicht wenigen Fällen erforderlich, sich zusätzlich enzyklopädisch zu orientieren. Unter Umständen könnte man easy listening übersetzen mit „die Art von Unterhaltungsmusik, wie sie Leute um die 50 mögen“. Das wäre dann in der Tat eine übersetzerische Entscheidung; um diese treffen und vertreten zu können, muss man selbst wissen, wovon die Rede ist. Im vorliegenden Fall müsste man aber gut überlegen, ob die Assoziationen, die sich beim deutschen Leser

19 einstellen, nicht vielleicht zu „schlagerähnlicher Volksmusik“, wegen des kulturellen Transfers, führen. Dann nämlich hätte man einen nicht-korrekten Welt-Bezug hergestellt. Der Unterschied zwischen Bedeutung und Beziehung auf Welt-Dinge ist für die Übersetzung von eminenter Wichtigkeit.

3. DER KOMMUNIKATIVE WERT VON WÖRTERN 3.1. „Markierte“ Wörter, lexikographische labels In einem Artikel über den deutschen Popsänger Guildo Horn sprach das britische Magazin The Economist, vor einigen Jahren, über the master’s propensity to shed bits of his odd garb during performance

Der Autor berichtet das Faktum, dass Guildo Horn sich während eines Auftritts manchmal teilweise auszieht, das ist also der Welt-Bezug der obigen Phrase. Formuliert wird das aber mit teilweise „besonderen“ Wörtern. Propensity bezeichne, so COBUILD, eine Art charakterbegründeter Neigung, a formal word, und garb eine spezielle Kleidung, used in written English. Es sind also Wörter, die auf bestimmte Texte oder bestimmte Situationen beschränkt sind, nicht „normale“ Wörter, wie etwa deutsch Kleidung. (Auch das shed ist keine übliche Formulierung.) Ohne diese Zusatzbestimmungen wären diese Wörter in ihrem Gebrauch nicht ausreichend beschrieben. I’ve got a propensity to drink my coffee black wäre ein Missgriff, wollte man I like black coffee in einer zwanglosen Situation ausdrücken. Es ist sinnvoll zu fordern, dass eine Übersetzung den gesamten kommunikativen Wert dieser Wörter wiedergeben müsse, so wie offensichtlich vom Autor intendiert, und nicht nur den korrekten Welt-Bezug herstellen: hinter der Wahl der obigen Formulierung und z.B. put off some of his clothes steht ja eine Absicht. Vielleicht ist dies mit „des Meisters Hang, sich während eines Auftritts Teilen seiner eigenartigen Gewandung zu entledigen“ gelungen (sicher nicht die einzige Lösung). Würde uns eine solche „Äquivalenz“ für keines dieser Wörter zur Verfügung stehen, würde man zumindest neutral zu formulieren versuchen, also auf keinen Fall das Wort „Klamotten“ verwenden, oder vielleicht auch preziösere Wörter dort einsetzen, wo der Autor solche nicht gebraucht, ersatzweise z.B. „des Barden Hang...“. Manchen Wörtern, auch manchen Konstruktionen, haften also besondere VerwendungsUmstände an. Aufgrund dessen kann man bei diesen Wörtern gewisse Rückschlüsse ziehen auf die Benutzer dieser Wörter oder auf die Situationen, in denen sie verwendet werden. Das ist innerhalb des Englischen etwa der Fall bei spezifisch britischen, US-amerikanischen (australischen usw.) Wörtern, natürlich auch bei Dialektwörtern innerhalb dieser Varietäten.

20 Andere Wörter werden vorwiegend oder nur von oder gegenüber Kindern verwendet, andere von Jugendlichen, andere von älteren Leuten. Wieder andere sind Teil eines fach- oder berufsspezifischen Wortschatzes, teilweise definierte Termini. Die Geschlechter verwenden gelegentlich besonderen Wortschatz, soziologisch beschreibbare Fakten können sich im Wortschatz widerspiegeln (z.B. die Schichtenzugehörigkeit). Die stete Entwicklung der Sprache führt dazu, dass einige Wörter modern sind, andere veraltet. In den verwendeten Wörtern kann sich auch die Einstellung des Sprechers zur Sache dokumentieren, vgl. etwa deutsch Mietkaserne – Apartmenthaus, Schwangerschaftsabbruch - Tötung ungeborenen Lebens, Suizid – Selbstmord. Solche Teile der Gesamt-Gebrauchsbeschreibung werden oft als „Zusatzbedeutung“ bezeichnet, und diese wiederum werden in den Wörterbüchern häufig mit sogenannten Markierungen oder labels versehen, etwa colloquial, written, formal, informal, vulgar, taboo, technical, archaic, old use, old-fashioned, humorous, offensive, pejorative, derogatory oder sie werden ad hoc beschrieben (z.B. mainly used when talking to children). Ein einheitliches Markierungssystem besteht nicht, es werden unterschiedlich definierte Markierungen verwendet. Nicht immer sind sich alle Wörterbücher darüber einig, welches Wort welche Markierung erhalten soll, wenn überhaupt eine. Nicht immer erhält man also eine verlässliche Auskunft. Gelegentlich werden auch neue Markierungen eingeführt, wie etwa offensive, das man als lexikographische Konsequenz der political correctness sehen kann und das für sexistisch/rassistisch diskriminierende Wörter verwendet wird. He had been delayed by the purchase of a bottle of wine and a corkscrew …

purchase ist formal für ‘Kauf, kaufen’, hat mithin in etwa den Gebrauchswert von ‚erstehen’, das delay ist in den Wörterbüchern nicht markiert. Hier ist nicht jemand zu spät dran, weil er eine Flasche Wein usw. gekauft hat – hier hat sich jemand verspätet/war jemand aufgehalten worden, weil er eine Flasche Wein usw. erstanden hatte. Wenn purchase gesagt wird und nicht buy, so ist dahinter eine Absicht zu vermuten, und diese Absicht gilt es nachzubilden wenn möglich. Ein Magazinartikel über allerlei ekelerregende Tiere beendet den ersten Absatz mit But perhaps the most revolting parasite of all is a little-studied creepy-crawly known as the pentastomid.

Creepy-crawly ist eine allgemeine Bezeichnung für unangenehme Insekten und andere kleine Tiere, nach COBUILD vor allem von und gegenüber Kindern verwendet. Ein solches Wort steht uns im Deutschen nicht zur Verfügung – was bedauerlich ist, da der Satz, wie auch der ganze Artikel, den Gegensatz zwischen Alltagssprache und Wissenschaftssprache ausbeutet. Ersatzweise vielleicht „Wesen“, „Vertreter“, „Exemplar“, „wurmiges Wesen“, „fieser Krabbler“. Für das besprochene Tier gibt es nur die Bezeichnung „Pentastomid(e).“ A pentastomid looks like a worm, but strictly speaking it is not one. It is an arthropod.

Im Deutschen handelt es sich hier um einen “Gliederfüßler” oder um einen „Arthropoden“ (eine solche zweifache Bezeichnung gibt es im Englischen nicht, wie oft in der Terminologie der Botanik/Zoologie). Die Tiere, 15 cm lang, leben zu Hunderten zusammen, covered in a thick gunk like a large plate of spaghetti and sauce

“Gunk(y)” gilt als informal und US, wegen des ersteren bietet sich „Glibber“ an: gelegentlich können wir also den kommunikativen Wert effektiv nachahmen. In ihrer Autobiographie sagt Agatha Christie von sich I am particularly interested in reading books by those who have been in contact with criminals, especially those who have tried to benefit them or to find ways of what one would have called in the old days “reforming” them – for which I imagine one uses far more grand terms nowadays.

21 Hier liegt die Komplikation vor, dass über Sprache gesprochen wird. Wenn wir im Deutschen nicht einen sehr ähnlichen sprachlichen Sachverhalt finden, wie er hier für das Englische konstatiert wird, müssen wir passen. Allerdings, wir können das reforming mit „Besserung“ übersetzen und der Ansicht sein, dass dem Leser schon moderne und „anspruchsvollere“ Bezeichnungen wie „Resozialisation“ oder „Wiedereingliederung“ als Hintergrundwissen zur Verfügung stehen. Auch im folgenden Beispiel wird Sprache kommentiert. Der Protagonist stellt sich vor, was er, unterwegs zum Rendezvous, zu seiner Freundin sagen wird. “Hey. Hi. Come quick and hear a neat record.” He had grown to affect with her an adolescent manner of speech, mixed of hip slang and calf-love monosyllables.

Hier ist die Rede von der Sprache, die Heranwachsende, Jugendliche verwenden (adolescent ist im Englischen nicht nur ein Terminus der Psychologie u.Ä., anders als deutsch „adoleszent“), einer Mischung aus „coolem“ Slang, aus Wörtern, wie sie jung Verliebte gebrauchen. Warum diese Wörter nur aus einer Silbe bestehen, ist dem deutschen Leser nicht erfindlich. Auf jeden Fall sind es „kurze Wörter“, das wäre eine weniger kryptische Lösung. Oder man belässt es bei dem vagen Hinweis „Wörter, wie sie jung Verliebte verwenden“. Diese Lösungen müssen aber dann natürlich mit dem übereinstimmen, was der Protagonist, in Übersetzung, sagt. Zu diesem Zweck kann man das „Hey. Hi“ belassen , bei neat an „cool“, „heiß“, „super“ denken, bei record an „Scheibe“ oder „Song“, sozusagen hippie-mäßig. Im Folgenden, a loss of biodiversity, the new eco-buzzword for the variety and wealth of plant and animal life,

wird das Wort biodiversity kommentiert. Ob es im Deutschen ein sich derzeit verbreitendes Wort „Biodiversität“ gibt, muss der Laie/Übersetzer erst verifizieren (ja!), bevor man mit „ein Verlust an Biodiversität, so das neue Öko-Wort/Öko-Modewort für Artenreichtum“ übersetzt. The first thing to say about Italy is that, however grubby its politics or flaky its economics, it is still, for most of its inhabitants and visitors, one of the most delightful countries in the world.

Die Wörter grubby und flaky sind wertend und informal, dies nachahmend wird man von „schmutziger“ oder „schmuddeliger“ Politik sprechen und von einer „wackeligen“ Wirtschaft – „instabile“ Wirtschaft wäre zwar vom Bezug her korrekt, aber wohl zu seriös, zu argumentativ und zu wenig wertend. In Italien, so der Autor später, gibt es etwas, das sich “social cohesion”, in the continental phrase

nennt. Die Anführungsstriche sind Hinweis darauf, dass es sich um einen etablierten Begriff oder um einen Terminus oder um eine Übersetzung aus dem Italilenischen handelt. Das Ganze sei eine continental phrase. Nun kennen wir, die wir auf dem Kontinent sind, keine „soziale Kohäsion“. Eine intuitive Gleichsetzung mit „soziales Netz“ muss nicht unbedingt korrekt sein. Höchstwahrscheinlich bedeutet in the continental phrase daher „in Italy“. Bei einer Internet-Abfrage nach social cohesion (besser noch nach coesione sociale) erfährt man, dass es sich um den „Zusammenhalt im Verbund der Familie“ handelt, ein vieldiskutiertes soziales Phänomen in Italien. Damit hat man den Sachverhalt getroffen, ersetzt noch in the continental phrase durch das tatsächliche coesione sociale und kann zufrieden sein. Der Informationswissenschaftler Shannon hatte 1950 vorgeschlagen, einen Schachcomputer zu bauen, um so zu ermitteln, woraus künstliche Intelligenz bestehe. Er meinte: The problem is sharply defined.

In der Wissenschaftssprache werden Probleme nicht “definiert”. A problem ist in dieser Sprache eine „(wichtige) Aufgabe(nstellung)“, und die muss klar abgegrenzt oder umrissen sein. Man kann nicht davon ausgehen, dass Wörter über alle Texte hinweg eine konstante Bedeutung haben.

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Company profits, though revised down, were also generally strong last year, while underlying profitability remained high compared with preceding years…

While wird normalerweise mit ‘während’ verbunden, und das ist auch die Bedeutung, die es in alltäglichen Texten hat. Je fachsprachlicher und je akademischer die Texte werden, umso eher ist mit „hingegen“ zu übersetzen. Im obigen Text, einem Bankbericht, sind über 30 solcher while enthalten, kein einziges whereas. Fachsprachen verfügen jeweils über eine große Zahl von termini technici, also definierten Wörtern. Deren Übersetzung ist relativ einfach: der englische Terminus ist durch den deutschen Terminus, falls vorhanden (!) zu ersetzen, letzterer ist im Allgemeinen in großen zweisprachigen Wörterbüchern, oder in spezialisierten zweisprachigen Wörterbüchern oder über das Internet zu finden. Auch Texte, die zweisprachig vorhanden sind, können hier Hilfe bieten, etwa im Falle von internationalen Bankberichten oder Gesetzestexten des internationalen Rechts, vgl. Kap. 12. Vertrauen in die eigenen Kenntnisse ist dabei gut, Kontrolle besser, und auch bei den Hilfsmitteln ist Kontrolle angebracht: im Gegensatz zu den Wörterbücher ist exempt from capital-gains tax

nicht “von der Kapitalertragssteuer befreit“, sondern „nicht der Spekulationssteuer unterliegend“. Das sind keine Feinheiten, aber Stolpersteine für diejenigen, die übersetzen, ohne die notwendigen Fachkenntnisse zu haben. Ein wichtiges Hilfsmittel für diesen Bereich ist die Adresse www.europa.es.int/eurodicautom, vgl. Kap. 14. In normalen, nicht-spezialisierten Texten werden öfters Anführungszeichen gesetzt. So werden etwa Wolken mit einer schmalen Basis, die sich nach oben erweitern und oben waagerecht enden, im Feuilleton einer Zeitung, als „anvil formations“

bezeichnet. Die Anführungsstriche könnten aber auch auf einen spontanen Vergleich deuten, also auf „ambossähnliche Wolken“. Sowohl die Internetsuche nach „anvil formation“ als auch die nach „Ambosswolke“ gibt klar Auskunft: bei beiden handelt es sich um meteorologische Termini. Es gibt Staudämme, bei denen das Gewicht des Wassers Erdbeben in der Region um den Staudamm verursachen kann. This effect, known as reservoir-triggered seismicity ……

Das known as weist auf einen Terminus technicus der Geologie, das wird auch durch das Internet bestätigt. Einen entsprechenden deutschen Terminus scheint es aber nicht zu geben, lt. Internet. Für den Fall, dass man keinen entsprechenden Fachmann findet, müsste man dann zur Not übersetzen „Diese Folgen – ein durch den Staudamm verursachtes Erdbeben...“. Auf keinen Fall kann man schreiben „... bekannt als...“ und dann mit der Not-Übersetzung weiterfahren, man würde ja fälschlicherweise diese Übersetzung zum Terminus erheben. Noch zwei Beispiele für die Behandlung von Zusatzbedeutungen. Im Folgenden ist wieder von dem Esel die Rede, der alleine mitten im Wald steht, in a thistly corner…

Das ist eine Stelle, an der Disteln wachsen. Ob man hier mit „distelig“ übersetzen kann? Die Lernerwörterbücher des Englischen verzeichnen dieses Wort nicht, erst das Concise Oxford Dictionary führt es auf. Daraus könnte man entnehmen, dass dieses Wort nur selten auftritt – und damit das ebenfalls seltene „distelig“ rechtfertigen, zusätzlich haben beide Wörter auch irgendwie mit kindersprachlicher Wortbildung zu tun. Der Esel ist am Nachdenken. Sometimes he thought sadly to himself “Why?” and sometimes he thought , “Wherefore?” and sometimes he thought “Inasmuch as which?” – and sometimes he didn’t quite know what he was thinking about.

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Er philosophiert über die Gründe, zunächst mit dem ganz normalen Fragewort why?, dann mit einem Fragewort, wherefore?, das ansonsten auf Rechtstexte beschränkt ist und das als veralteter Sprachgebrauch gilt. Die Frage inasmuch as which? enthält einen Teil, den man mit „insofern als“ gleichsetzen könnte, ist aber, zusammen dann mit dem which? der blanke Unsinn. Beim Nachbilden des jeweiligen Wertes können wir zunächst mit „Warum?“ wiedergeben, dann mit einem preziöseren „Weswegen?“ oder „Wessetwegen?“, oder Ähnlichem, und schließlich mit blankem Unsinn, etwa „Inwiefern als welches?“ Die Nachbildung beim Gebrauchswert hat ihre Grenzen. Manchmal ist es schwierig, diesen Wert überhaupt zu erkennen, manchmal unmöglich, ihn wiederzugeben. So sind ältere Texte häufig, aus unserer heutigen Sicht, mit veralteten oder veraltenden Wörtern bestückt, vgl. den Beginn von Goethes Wahlverwandtschaften: Eduard - so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter - Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen. Sein Geschäft war eben vollendet; er legte die Gerätschaften in das Futteral zusammen....

Ob die Besonderheit der Wortwahl, so wie wir sie heute empfinden, in der Absicht Goethes lag oder im Wandel des Wortwertes liegt, ist eine Frage, die nur Spezialisten beantworten können. Und welche deutsche Übersetzer werden genug über das Englische des angehenden 19. Jahrhunderts wissen, um Gebrauchswerte bei Jane Austen festzustellen, etwa bei It is a truth universally acknowledged that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife.

Liegt hier eine “normale“ Wortverwendung vor? Ist in possession of oder in want of vielleicht archaisch oder preziös? Wenn ja, im Englisch der Autorin (Anfang 19. Jahrhundert) oder im heutigen Englisch oder in beiden? Und wie soll man den kommunikativen Wert von Wörtern/Konstruktionen früherer Sprachstufen schnell ermitteln? (Zu diesem Satz siehe auch Kap. 7.3). Das Verb opine erscheint ebenfalls nicht in den Lernerwörterbüchern. Trotz des offensichtlichen Zusammenhangs mit opinion ‚Meinung’ kann man, den Seltensheitswert einkalkulierend, an eine andere Übersetzung denken als „meinen“. Not those things alone, opines Bazon Brock, a professor of aesthetics in Wuppertal

- vielleicht “gibt zu bedenken”, “verlautbart”, “gibt uns zu wissen” (noch dazu, wo wenige Zeilen weiter gesagt wird the professor bubbles „sprechbläst der Professor“). Der in 3.1. genannte regional markierte Wortschatz ist nicht abbildbar. Wenn Personen Yorkshire-Englisch in Großbritannien oder Yorkshire selbst sprechen, ist die Szenerie regional gegeben, und es kann einfach nicht sein, dass sie Plattdeutsch sprechen oder schwäbeln, auch im Falle einzelner Wörter nicht. Wenn Dialekt ein wichtiges Charakteristikum der (Roman- usw.)Personen ist, muss man Verluste einkalkulieren. Der oft begangene Ausweg, die Sprache solcher Figuren soziolektal zu markieren, etwa sone Sache mach ich nich sons krisse eins inne Fresse

impliziert in der Regel eine soziale Abstufung der Person und ist daher nur selten gerechtfertigt. Aus dem Nigger Jim in Mark Twains Huckleberry Finn haben fast alle Übersetzungen, durch Abbildung seines Black English über das Deutsche, einen Charakter gemacht, der die Grenze zum Schwachsinn überschritten hat, ohne dass dies der Intention des Autors gerecht würde.

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3.2. Assoziationen 3.2.1. Wörter und Sachen Wir wissen nicht nur über die Bedeutung der Wörter in der Muttersprache Bescheid, sondern auch über die Personen, Sachen, Verläufe, die mit einem Wort bezeichnet werden können. Von Autos etwa wissen wir, dass es sie seit mehr als 100 Jahren gibt, dass sie gefährlich sein können, dass sie Grundlage der Mobilität unserer Gesellschaft sind, dass die moderneren ein Anti-Blockier-System oder GPS haben usw. Diese Zusatz-Kenntnisse sind zwar nicht Teil der Bedeutung, bilden aber das interpretierende Hintergrundwissen, mit dem wir Texte verstehen und Sachverhalte aufnehmen. Der Übersetzer muss über dieses Wissen verfügen und gegebenenfalls einschätzen, ob auch der Leser der Übersetzung darüber verfügt. In seiner Autobiographie berichtet Roald Dahl von seiner Zeit im Schulinternat 1925 – 29 und beschreibt einen schikanierenden Lehrer. This man was slim and wiry and he played football. On the football field he wore white running shorts and white gymshoes and short white socks. His legs were as hard as ram’s legs and the skin around his calves was almost exactly the colour of mutton fat.

Im England der erwähnten Zeit verstand man unter football höchstwahrscheinlich „Rugby“. Die white running shorts waren knielang, die short white socks recht kurze Söckchen. Dass Schafböcke dünne Beine haben, wissen die meisten, bei der unansehnlichen Farbe des Hammelfetts (ein Grau/Weiß-Gelb) muss man vielleicht nachhelfen. Später dann: He had been a soldier in the army in the Great War.

„Er war Soldat in der Army im 1. Weltkrieg gewesen.“ In Virginia Woolfs To the Lighthouse (1927) ist von einem kleinen Jungen die Rede, der aus einem Katalog the picture of a refrigerator

ausschneidet. Hier bestimmt das Hintergrundwissen die korrekte Übersetzung: es handelt sich um einen Eisschrank (der mithilfe von tatsächlichem Eis kühlt und nicht elektrisch mit Wärmeentzug, wie ein Kühlschrank). Beim Treloar Building (in Los Angeles, 1942) hat sich ein Trupp Arbeiter eingefunden. The sidewalk in front of it had been built of black and white rubber blocks. They were taking them up now to give to the government.

Die Pflastersteine des Gehsteigs sind aus schwarzem und weißem Hartgummi. Man ist gerade dabei, das Pflaster aufzureißen, um die Steine „der Regierung zu geben“. Wahrscheinlich und dieser Zusatz ist nötig - „für Rüstungszwecke“, angesichts der Zeit (USA 1942, beachte aber auch die Konstruktion give to someone ‚übergeben, spenden’). Von einer der Empfangsdamen in diesem Haus heißt es She wore a steel-grey business suit

mithin, in der damaligen Zeit, ein Kostüm, nicht einen Hosenanzug. She initialled three letters rapidly.

Da sie Adrienne Fromsett heißt, schreibt sie AF auf die Briefe, damit wird ein Brief nicht unterschrieben, sondern abgezeichnet. Der Londoner Zoo wurde 1828 errichtet, zunächst nur für ein exklusives Publikum. Only in 1847 were working people allowed in, for a shilling. Besucher aus der Arbeiterklasse wurden also erst (!) 1847 eingelassen, und zwar für den horrenden Preis von einem Schilling.

25 Es lohnt sich schon, den intendierten Leser bei der Stange zu halten, wenn im Originaltext zum Verständnis solches Wissen vorausgesetzt wird, das zeit- oder kulturspezifisch ist (vgl. hierzu auch die Bemerkungen zu Namen in Kap.1). Who cared if the Bengal tiger was shot by every colonel in the Raj

The Raj ist die Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien, bis 1947. Diese Erklärung dürfte erforderlich sein, ihr Einbau in den Text aber nicht einfach. Wenn man, schon verkürzt, „britische Kolonialherrschaft in Indien“ an das Ende des Satzes stellt, ist die normale Erwartung, dass der folgende Satz sich zu dieser Zeit äußert (was in Original nicht der Fall ist). Man muss daher versuchen, einer solch langen Erklärung das Gewicht zu nehmen, sie also z.B. zwischen Kommas stellen: „Wen kümmerte es schon, wenn sich jeder Colonel, während der britischen Kolonialherrschaft in Indien, seinen eigenen Tiger schießen konnte?“

3.2.2. Wörter und Wörter Die Beschreibung eines castle beginnt mit den Worten Inasmuch as the scene of this story is that historic pile, Belpher Castle, in the county of Hampshire, it would be an agreeable task to open it with a leisurely description of the place.

Das pile erregt ein leichtes Lächeln, als Gebäudebeschreibung ist dieses Wort nicht üblich. Die Wörterbücher geben zwar ein pile als ‚stattliches Wohngebäude , markieren es aber als archaisch, formal, scherzhaft, oder pompous. Nun hat pile, wie man sagt, noch andere Bedeutungen:, unter anderem ‚Haufen’, Stapel’, in Konstruktionen wie an x pile, a pile of x. Wenn man sich näher informiert (unter www.wortschatz.uni-leipzig.de), kann man eine Liste der Kollokationen, also der rechten und linken Nachbarn des Wortes, ansehen und interpretieren. Demzufolge sind „signifikante Kollokationen für pile“ (für das ausgewertete Korpus): cash (58), compost (56), rubble (44), top (31), trash (22), bottom (19), debris (19), sitting (16), tailings (14), garbage (13), rubbish (12), fire (11), junk (11), onto (11), rocks (11), sand (11), Pounds (10), atop (10), big (10), bricks (10), dirt (10), stacked (10), wood (10), floor (9), foundation (9), sticks (9), desk (8), feet (8), garden (8), huge (8), leaves (8), papers (8), soil (8), them (8), through (8), unopened (8), worms (8), If (7), like (7), piles (7), rugs (7), BAe's (6), Kinematic (6), Windbreaks (6), anchovies (6), bags (6), books (6), front (6), gob (6), heaped (6), my (6), paper (6), processed-shale (6), tires (6), yard (6), your (6), Buttimer (5), Pile (5), blocks (5), bodies (5), cards (5), carpet (5), dog (5), dumped (5), find (5),grouted (5), high (5), large (5), laundry (5), metal (5), near (5), non-linearly (5), off (5), radon (5), sawdust (5), sleeve (5), small (5), snow (5), spoil (5)

Es hat den Anschein, als bewege sich pile nicht immer in edelster Nachbarschaft, in entsprechender Umgebung kann es auch ‚Kot’ bedeuten (a dog-pile) und piles sind Hämorrhoiden, umgangssprachlich. Kurz gesagt, wenn deutsch Haufen auch ‚stattliches Wohngebäude, Schloss’ bedeuten würde, hätten wir ein Äquivalent, das auch die möglichen Assoziationen herstellen könnte. Da das aber nicht der Fall ist (weil also gleichzeitig über das Schloss gesprochen und mit Fakten der englischen Sprache hantiert wird), müssen wir bei solchen Problemen passen. Zu beachten ist, dass dieser Typ von Assoziationen von den Wörtern selbst abhängt, ihren Bedeutungen oder ihrer Lautsubstanz, und nicht von den bezeichneten Personen, Dingen oder Zuständen. Allein in den ersten fünfzig Zeilen dieses Romans gibt es mehr als fünf Vorkommnisse dieser oder ähnlicher Art, das heißt fünf Übersetzungsverluste in Bezug auf „Humor“, und daher verwundert es kaum, wenn sich übersetzte humoristische Literatur manchmal etwas trocken liest. Signifikante rechte Nachbarn von cause sind (nach www.wortschatz.uni-leipzig.de): problems (438), cancer (305), severe (235), considerable (159), serious (145), exists (139), celebre (137), trouble (76), damage (73), confusion (70), any (64), slight (59), moderate (57), birth (46), harm (44), significant (43), them (37), lung (33), blindness (30), skin (30), acid (28), irreparable (28), delays (27), excessive (25), injury

26 (23), us (23), havoc (22), adverse (21), chaos (21), difficulties (21), headaches (21), death (19), permanent (19), concern (17), further (17), widespread (17), conflicts (16), illness (16), nausea (16), crashes (15), major (15), trichinosis (15), drowsiness (14), interference (14), respiratory (14), disease (13), errors (13), heart (13), him (12), inflation (12), tumors (12), undue (12), changes (11), eyestrain (11), listeriosis (11), botulism (10), extensive (10), leukemia (10), liver (10), loss (10), pain (10), resentment (10), unpredictable (10), brain (9), consternation (9), explosions (9), friction (9), great (9), substantial (9), bottlenecks (8), complications (8), convulsions (8), fatal (8), harmful (8), incompatibility (8), massive (8), panic (8), pursuant (8), turmoil (8), unnecessary (8)

Aus dieser Liste lässt sich ableiten, dass cause als ‘etwas Negatives verursachen’verwendet wird, dass mithin die Assoziation ‚schlecht’ sich sowohl auf das Objekt als auch auf das Verb cause einstellt. Das ist relevant, wenn das Objekt allein auch positive oder neutrale Assoziationen haben könnte, wie etwa change(s). Bei Serotonin-boosted drugs cause changes in some brain cells

ist also von negativen Effekten auszugehen und eine Äußerung wie This will certainly cause changes

wäre nicht mit “Wandel herbeiführen” zu übersetzen, da dies im Deutschen einen Wechsel zum Positiven assoziiert. (Woraus man ersieht, dass „Klimawandel“ ein Euphemismus ist.) Dieses Phänomen, nämlich dieselbe Assoziation über mehr als Wort hinweg, wird gelegentlich als semantische Prosodie bezeichnet. Diese Prosodie sollte die Bereitschaft zur Setzung von Synonymen etwas reduzieren. Wenn solche Prosodien im Original nicht vorliegen, dürfen sie auch in die Übersetzung nicht hineinkommen. Helmut Kohl, leader of the CDU

- hier ist “Führer” eine unglückliche Wahl (wegen Hitler), “Anführer“ oder „Kopf“ scheiden aus, da Anführer prosodisch negativ ist (Aufruhr, Bande), und das trifft auch auf Kopf zu. Gemeint ist natürlich „der Vorsitzende“, zum Finden dieses Wortes siehe Kap. 4. Beim Vergleich der Wörter Kopf und head kann man über die Kollokationen feststellen, dass unterschiedliche Assoziationen gegeben sein dürften. Kopf tendiert zu Kollokationen mit rund, oben, geistige Fähigkeit. Head hingegen mit Wörtern aus dem Bereich ‚vorne, Befehl’. 4. SO WÖRTLICH WIE MÖGLICH... Wenn man das bekannte „So wörtlich wie möglich, so frei wie nötig“ als didaktische Handlungsanweisung sieht, muss man Mängel konstatieren. Die Anweisung ist nicht nachvollziehbar, weil sie die Bedingungen, unter denen etwas möglich bzw. nötig ist, nicht ausreichend spezifiziert. Die Frage ist, ob dieser Anweisung eine linguistisch sinnvolle Aussage zu Grunde liegt. In Kap.2 wurde, anlässlich der verschiedenen Bedeutungen und Konstruktionen von z.B. ask und tell, die Ansicht vertreten, dass es sich bei ask usw. lediglich um eine lexikographische Adresse handele. Und niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass die Wörterbuchartikel zu ask und fragen jeweils dieselbe Information enthalten. Allerdings gibt es auch eine Reihe Gleichungen vom Typ engl. x = dt. y, die eine sehr hohe oder hundertprozentige Übersetzungswahrscheinlichkeit darstellen, so etwa I – ich, three – drei, a strawberry – eine Erdbeere, oxygen – Sauerstoff, mustard – Senf usw. Hier könnte man sagen, dass die Intension dieser sprachlichen Zeichen jeweils dieselbe ist, dass aber verschiedene Substanzen, also verschiedene Laut- oder Buchstabenfolgen, vorliegen, und wann immer im Englischen von z.B. strawberries die Rede ist, spricht man im Deutschen von Erdbeeren. Das ist natürlich trivial, aber immerhin: bei diesen Gleichungen stellt sich das Problem der freien Übersetzung nicht. Wenn three mit vier übersetzt wird, ergibt sich eine falsche Aussage, wenn an oak mit eine Linde übersetzt wird, wird anderes oder über anderes prädiziert.

27 Damit verschiebt sich die Fragestellung ein wenig. Es gilt festzustellen, bei welchen Gleichungen das Postulat der Wörtlichkeit überhaupt sinnvoll sein könnte, was darunter eigentlich zu verstehen sein könnte. Betrachten wir daher einige solcher Gleichungen. Eine Gleichung wie tray = Tablett zeigt eine hohe Übersetzungswahrscheinlichkeit. Eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit ist nicht gegeben, da tray auch ‚Backrost, Bratrost’ bedeuten kann. Aus dieser Tatsache könnte man für engl. tray eine Bedeutung konstruieren, die sowohl ‚Tablett’ als auch ‚Bratrost’ umschließt, aber keines der beiden deutschen Wörter kann sinnvoll als „wörtliche“ Bedeutung angesehen werden. Paper = Papier ist von vergleichsweise limitierter Wahrscheinlichkeit, wegen diverser Übersetzungsmöglichkeiten wie „Zeitung, (Prüfungs-)Aufgabe, Artikel, Tapete“ und „Dokumente“ (im Plural). Freilich, Papier und paper sind etymologisch verwandt, aber gemeinsame Ursprünge müssen ja nicht, wie dieses Beispiel auch zeigt, zur selben Entwicklung führen. Zwischen engl. ask und dt. heischen besteht auch eine etymologische Verwandtschaft, wie auch zwischen choose und küren, tell und (er)zählen, oder head und Haupt. Dennoch: bei der Übersetzung von I feel like I’ve been handed a prison sentence

wird “Ich fühle mich, als ob... „ als „wörtlich“ bezeichnet, dagegen „Ich komme mir vor...“ als „eher frei“. Feel hat Übersetzungsmöglichkeiten wie „fühlen, sich anfühlen, sich vorkommen, tasten, spüren, meinen“. Wenn ein Augenzeuge berichtet It felt like an earthquake erscheint dies tags darauf in der deutschen Presse als „Es fühlte sich wie ein Erdbeben an“. Dass nun ausgerechnet fühlen als wörtliches Pendant zu feel gesehen wird, hat folgenden Grund. Sprachgeschichtlich ist es durchaus konstruierbar, die heutigen verschiedenen Verwendungen als Entwicklungen zu sehen, die ihren Ausgangspunkt haben in ‚einen bestimmten (Tast-)Sinneseindruck haben’. Dies kann dann als „ursprüngliche Bedeutung“ bezeichnet werden. Von hier aus ist nur ein kleiner Schritt, die ursprüngliche Bedeutung zur „eigentlichen (wirklichen, wahren) Bedeutung“ zu erheben, mit der dann, im Zuge eines allgemeinen Verfalls, einiges von der Sprachgemeinschaft angestellt wird. Als Beispiel hierzu: die Olympischen Spiele werden im Deutschen auch als „Olympiade“ bezeichnet. Vor den Olympischen Spielen schreibt immer irgendeine Zeitung, das Wort Olympiade bezeichne aber (im Altgriechischen) den Zeitraum von vier Jahren zwischen den tatsächlichen Spielen, sei also inkorrekt, weil es eigentlich etwas anderes bedeute. Nach derselben „Logik“ ist auch feel dann mit „fühlen“ zu übersetzen. Solche und ähnlich motivierte Überlegungen finden sich vor allem dann, wenn Wörter erkennbar lateinischen oder griechischen Ursprungs betroffen sind: support hat als wörtliche Übersetzung „Unterstützung“ (wegen lat. sub + port-), vital ist „lebensnotwendig“ (wegen vita), erroneous ist „irrtümlich“ (wegen errare). Wenn die US-amerikanische Regierung verlautbaren lässt, die Beziehungen zu Deutschland seien of vital importance, dann ist nicht „wörtlich ‚lebensnotwendig’“ gemeint, sondern „von entscheidender Bedeutung“, vielleicht nur von wesentlicher Bedeutung. Das „vital = lebensnotwendig“ ist in einem deutschlateinischen Raum angesiedelt und nicht schon aus diesem Grund “getreu“. Besondere Zurückhaltung ist bei denjenigen englischen Wörtern angebracht, die zwar offensichtlich mit dem Lateinischen zusammenhängen, nicht aber aus Sicht des Englischen zerlegbar sind. Das Adjektiv excruciating kann man auf Grund der visuellen Form zu lat. ex-, crux, -are (Part.praet.) stellen, plus einem englischen Wortausgang -ing, aber natürlich nicht zu englischen Morphemen, daher ist das englische Wort auch nicht motiviert. Selbstverständlich kann man auch deutsche Bedeutungen nicht für das Englische postulieren: zu behaupten, ein building wäre ein ‚Gebäude’ ist Unsinn, da zu buildings auch kleine Hütten und Schuppen gehören, und die weitergehende Behauptung, im Englischen würde man einen Schuppen als Gebäude bezeichnen, ist noch unsinniger.

28 Wörter, die nicht zerlegbar sind, gelten als nicht-motiviert: Bei der Lautform [desk] ist nichts gegeben, was auf das entsprechende Möbelstück schließen ließe. Hingegen ist Schreibtisch oder desk top, wie man sagt, sekundär motiviert, wegen schreib-, -tisch, desk, top. Das bedeutet aber nicht, dass etwa birdcage und Vogelkäfig, und Tausende anderer, in einer Übersetzungsrelation stehen müssten – beide Wörter sind auch als unabhängig voneinander entstanden denkbar. Dennoch, bei einigen Wörtern ist eine solche „Lehnübersetzung“ beobachtbar, vgl. etwa Löwenzahn (zu mittellateinisch dens leonis), Wolkenkratzer (skyscraper), Lautsprecher (loudspeaker), Festplatte (hard disk). Allerdings: mit der Übersetzung Wolkenkratzer wird nicht eine Gleichung verwendet, sondern es wurde, in x =... erst das y hergestellt, sehr häufig für terminologische oder terminologieähnliche Zwecke. Insgesamt bringt das Konzept von “Wörtlichkeit“, bezogen auf Wortpaare, keinen Erkenntniszuwachs bei übersetzerischen Fragestellungen. Es gibt jedoch noch eine andere Art von Wörtlichkeit, die des „Wort-für-Wort“. So kann man Today is my birthday Wort für Wort übersetzen, also als Reihe von hohen Übersetzungswahrscheinlichkeiten, „Heute ist mein Geburtstag“. Solche längeren Ketten von hohen Wahrscheinlichkeiten reflektieren teils allgemeine Eigenschaften vieler Sprachen (z.B. die Frontierung von Fragewörtern), teils handelt es sich, historisch gesehen, um gemeinsames Erbe, um Kontakterscheinungen, oder um Zufälligkeiten. Wenn man allerdings Gallia est omnis divisa in partes tres

übersetzt als „Gallien ist alles geteilt in Teile drei“ , hält sich der Kommunikationserfolg sicher in Grenzen. Dass die Wörtlichkeit trotz aller Unergiebigkeit ein relativ langlebiges Konzept ist, wird aber sicher Gründe haben, Gründe, die vielleicht auch in der Tradition unserer Auffassung von Sprachge liegen. Man erinnere sich, dass Adam und Eva, noch unter göttlicher Aufsicht, den Tieren ihren „Namen“ gegeben haben, wahrscheinlich auch den Dingen ihrer Umgebung, dass Dinge „heißen“, dass Namen richtig oder falsch sind, dass die Vorstellung von eigentlicher oder wahrer Bedeutung durchaus virulent ist. Ein lebendiges folkloristisches Konzept ist auch die Gleichsetzung von Wort und bezeichneter Sache. Wenn man im Internet unter nasty word sucht, findet man zahllose „Belege“ für nasty words, z.B. divorce, euthanasia, spamming, damage, extortion, frugal, politics, conspiracy, und eigentlich müsste klar sein, dass hier nicht die Wörter nasty saind, sondern gegebenenfalls die damit bezeichneten Sachen, Eigenschaften, Sachverhalte. Zu sagen, divorce sei ein nasty word, impliziert eine außergewöhnlich verquere Sicht von Sprache. Reflexionen zur Übersetzung sind immer auch mit einer der größten Übersetzungsaufgaben verbunden, der Übersetzung der Bibel. Die Bibel gilt als Wort Gottes, das Erreichen der „Übersetzungstreue“ ist daher ein besonderes Problem, und das bei Wörtern, deren Inhalte sich nicht von selbst offenbaren, wie Gnade, Liebe, Vergebung, Sünde, selig. Die Leser der Bibel woll(t)en ja nicht wissen, was Gott so ungefähr gesagt habe, sondern was er wirklich gesagt hat. Eine Generallösung dieses Problems bestand darin, das Hebräische und Griechische, später auch das Lateinische, zu „heiligen“ Sprachen zu erklären, in der Hoffnung, dass sich Verzerrungen beim Transfer zwischen so beschaffenen Sprachen nicht einstellen könnten. Eine andere bestand darin, die Übersetzer als göttlich inspiriert zu sehen. So wurde von der Entstehung der Septuaginta (einer Übersetzung von Teilen des Alten Testaments vom Hebräischen ins Griechische, 3. Jh. v. Chr.) berichtet, verschiedene Übersetzerteams hätten pro Tag, unabhängig voneinander, die gleichen Abschnitte in genau der gleichen Weise übersetzt, quasi als translatorische Propheten. Eine Art gemilderter Inspirationstheorie finden wir auch im weltlichen Bereich, und zwar in der Ansicht, dass Dichtung nur von einem Dichter übersetzt werden könne, insofern als das für Dichtung erforderliche Genie zur Nachbildung wiederum ein Genie verlange. Die logisch

29 nötige Auseinandersetzung, ob es auch einen Genie-Abstand zwischen Dichter und Übersetzer geben könne oder dürfe, unterblieb freilich. Im Prinzip ist aber die Auffassung, Dichter (oder Künstler) würden über „nicht-normale“ schöpferische Kräfte verfügen, dem Konzept göttlicher Schöpferkraft verwandt. Doch auch in den Niederungen zwischensprachlicher Praxis finden sich Wörtlichkeitskonzepte. Die Koppelung von Wortpaaren für Zwecke des Spracherwerbs oder des Textverständnisses hat eine lange Tradition. In der Zeit des Althochdeutschen und Altenglischen finden wir „Glossare“ vom Typ lat. x = y, z.B. für das Althochdeutsche, stomachus – mago ungula - nagal umbilicus – nabulo stimulus – stechunga.

Es gibt auch Bibeltexte bzw. kirchliche Texte in Form von Interlinearversionen, die wörtliche, sogar morphemische Korrespondenzen haben; wahrscheinlich auch für Spracherwerb gedacht. Hier ein Satz aus der Weihnachtsgeschichte (in Lateinisch – Althochdeutsch): man sieht deutlich, dass auch die lateinischen Konstruktionen übernommen wurden, etwa erant ... vigilantes > uuarun uuachente, oder noctis > dera naht. Et pastores erant in regione eadem vigilantes, et custodientes vigilias noctis super gregem suam hirte uuarun in lantscafi dere selbun uuahhente – haltente uuahta dera naht chortar iro.

In der modernen Presse ist, in Zusammenhang mit Wörtlichkeit, ein Kuriosum zu finden. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung in Anführungszeichen, die offensichtlich eine Art Eigentlichkeit beansprucht und wiedergeben soll, was tatsächlich gesagt wurde: eine Mischung aus Zitat und Übersetzungswahrscheinlichkeit. Der Sprecher sagte, im Kampf gegen den Terrorismus sei es „von vitaler Wichtigkeit“, dass...

Hier wird ein Bezug auf die Wörter of vital importance versucht, genau so wie bei extravagant gekleidet auf extravagantly dressed oder bei Der frühe Vogel fängt den Wurm auf The early bird catches the worm.Wenn Deutsche von Italienern als „hypernationalistische Blonde“ bezeichnet werden, kann man mit Sicherheit auf das Original biondi ipernazionalisti schließen, und dies, obwohl hyper- und iper- verschieden sind und Hypernationalismus im Deutschen nicht das übliche Wort ist. Kelly bezeichnet Regierung Blair als „besessen“.

Im Englischen wurde obsessed verwendet, und die Anführungsstriche sollen signalisieren: es wurde tatsächlich ein Wort gebraucht, das dieselbe Bedeutung hat wie besessen.Was darauf hindeutet, dass es sich um eine Pseudowörtlichkeit handelt, die nur für besondere Zwecke verwendbar ist. In diesem Zusammenhang sei auch auf Kap.11 („Diese Seite übersetzen“) verwiesen, d.h., auf die Produktionen, die im Internet als Übersetzungen angeboten werden und Wörtlichkeit in grotesker Weise – aber in ungebrochener Vitalität – zeigen. In einigen wenigen Fällen kommt es gar nicht auf die Wörter der Ausgangssprache an, sondern um Wirkungsfunktionen. Christian Morgenstern lässt in einem Gedicht ein Wiesel inmiiten eines Bachgeriesel sitzen: das raffinier-te Tier tat’s um des Reimes willen). Ein englischer Übersetzer lässt das weasel auf einer Staffelei (easel) sitzen: Bachgeriesel hat ja keine Referenz, sondern wird nur aus Reimgründen verwendet – und easel reimt auch. Von dem wohlriechenden Mittel gegen Erkältung, dem hot barley water, war bereits die Rede. Man könnte hier überlegen, mit „Zitronentee“ oder „Apfelkuchen“ zu übersetzen. Es kommt ja nicht auf das hot barley water selbst an, sondern darauf, dass es in dem beschriebenen Haus immer nach etwas Gutem, Süßen roch. (Aber solche Funktionsüberlegungen muss man sich genau überlegen.) Der Streit zwischen Wörtlichkeit und Freiheit ist letztlich bereits von Cicero entschieden worden. In De Optimo Genere Oratorum übersetzt Cicero Beispiele griechisch-attischer

30 Rhetorik ins Lateinische, damit die Redekunst in Rom einen ähnlichen Stand wie in Griechenland erlangen könne: "Ich habe [diese Reden] nicht als Dolmetsch (interpres) übersetzt, sondern als Redner (sed ut orator)... mit denselben Inhalten und Formen, aber unter Verwendung von Sprache, wie sie unserer Gewohnheit entspricht. Dabei hielt ich es nicht für notwendig, Wort für Wort zu übersetzen, aber ich habe den allgemeinen Stil und die Wirkungskraft der Wörter insgesamt erhalten." Hier wird klar formuliert, dass eine Übersetzung ein Stück der Zielsprache sein soll, dass eine funktionell äquivalente Varietät einzusetzen ist, dass die kommunikative Wirkung des Originals herzustellen ist, also funktionelle oder dynamische Äquivalenz aufweist (um zwei modernere Termini zu verwenden). Bei Reden, die ja dazu dienen, andere zu überzeugen, erscheint es besonders plausibel, „den allgemeinen Stil und die Wirkungskraft der Wörter“ zu erhalten, aber nichts spricht dagegen, diese Forderung an alle übersetzten Texte zu stellen. Ciceros Formulierung („mit denselben Inhalten und Formen, aber unter Verwendung von Sprache, wie sie unserer Gewohnheit entspricht“) bildet den Hintergrund des folgenden Kapitels.

5. VORSTELLEN UND SCHREIBEN Übersetzung ist gelenkte Sprachproduktion: Die Anweisungen hierzu erfolgen durch den Originaltext und durch übersetzerische Taktiken und Strategien. In Kap. 2 wurde angedeutet, dass tatsächliche Übersetzungen häufig ein Miteinander von Ausgangswort des Originals und Zielwort der Übersetzung zeigen. Von einem der Tiere in Winnie-the-Pooh, nämlich von Eule, wird berichtet, vor ihrem Haus seien einige notices angebracht, in etwas merkwürdiger Rechtschreibung. Die Texte werden zitiert und dann heißt es These notices had been written by Christopher Robin, who was the only one in the forest who could spell… Die Konstruktion dieses Satzes ist sozusagen wie aus dem Lehrbuch. Das, was bereits bekannt ist, die notices, wird als Subjekt in die Anfangsposition gebracht. Die neue Information, noch dazu eine relativ lange Information, erhält die Endposition, insgesamt light subject vs. endweight. Nur die Passivkonstruktion erlaubt diese Abfolge, und daher steht in diesem Satz das Passiv. Mithin „Diese Zettel waren von Christopher Robin geschrieben worden....“ Nun kann man aber im Deutschen den gleichen Effekt erreichen, wenn man das direkte Objekt frontiert, also formuliert „Diese Zettel hatte Christopher Robin geschrieben....“ Es ist nicht schwer sich vorzustellen, dass bei Übersetzungsübungen alle Teilnehmer die Passivversion einsetzen. Im Prinzip ist natürlich gegen das Passiv hier nichts einzuwenden, aber diese Wahl zeigt, dass wir beim Übersetzen nicht nur von englischen Wörtern, sondern auch von englischen Konstruktionen und Satzfunktionen (wie Subjekt, Objekt, Adverbiale) beeinflusst werden. Her light hair was parted and fell in loose but not unstudied ways

“Ihr Haar war gescheitelt“ – nichts dagegen, aber warum fällt einem „Sie hatte einen Scheitel“ erst gar nicht ein? Dieser Ausdrucksbeeinflussung des englischen Textes kann man sich entziehen, wenn man sich nicht auf die einzelnen Wörter und Teile des englischen Satzes konzentriert, sondern sich den Sachverhalt vorstellt und von dieser Vorstellung aus zu formulieren sucht. In the year 1500, it was by no means obvious to the inhabitants of Europe that their continent was poised to dominate much of the rest of the earth.

Man kann sich hier eine Skizze machen: eine Fläche, die „Welt“, davon „Europa“ abtrennen, ein weiteres Stück abtrennen für Gebiete, die nicht von Europäern erobert wurden.

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Eine solche Skizze führt dazu, dass einem neben „viel vom Rest der Welt“ auch einfällt „einen Großteil der übrigen Welt“. Der Text geht weiter mit The knowledge which contemporaries possessed about the great civilisations of the Orient was fragmentary and all too often erroneous, based as it was upon travelers’ tales which had lost nothing in their retelling.

Das erwähnte Wissen war bruchstückhaft, unvollständig, oft auch schlicht falsch. Es ist vorstellbar warum: die Reisenden berichteten von ihren Erlebnissen, mit jedem Erzählen, mit jedem Weiter-Erzählen wurden die geschilderten Reichtümer größer, die Frauen schöner, die Kolibris kleiner und die Termiten größer: das sind die travelers’ tales which had lost nothing in their retelling – ob das mit „Reiseberichten, die durch erneutes Berichten nichts verloren“ deutlich wird, ist zu bezweifeln. Europa sei damals open to frequent landward invasion from the east ….

gewesen. Bedenkt man die historischen Fakten, so kann es sich doch nur um die Einfälle asiatischer Reitervölker handeln (z.B. Dschingis-Khan – Jenghiz Khan/Genghis Khan). Das wird hoffentlich daran hindern, hier von „häufigen landwärts gerichteten Invasionen aus dem Osten“ zu sprechen. The Old Grey Donkey, Eeyore, stood by himself in a thistly corner of the Forest, his front feet well apart, his head on one side …

Man stelle sich eine breite V-Stellung der Vorderbeine vor, den Kopf auf einer der Schultern liegend, dann ist es zu einer natürlichen Übersetzung wie „die Vorderbeine weit auseinander (gespreizt), den Kopf zur Seite geneigt“ nicht mehr weit. Das „natürlich“ soll hier heißen: die Vorstellung als Inhalt des Auszudrückenden nutzen und dabei „direkt“ ins Deutsche gehen. Dazu gehört, dass man den Originalsatz nicht immer wieder liest, sondern ihn verdrängt (Augen schließen, an die Decke schauen) und spontane Formulierungen ausprobiert. Her light hair was parted and fell in loose but not unstudied ways

32 In der Werbung sieht man manchmal Frauen, die ihre langen, lockeren Haare (in Zeitlupe) bewegen. Um eine solche wird es sich hier wohl handeln: “... und fiel, auf kunstvolle Weise, in lockeren und natürlichen Wellen.“ John Updike’s Roman Marry Me beginnt mit Along this overused coast of Connecticut, the beach was a relatively obscure one, reached by a narrow asphalt road kept in only fair repair and full of unexplained forks and windings and turnings-off.

Dieser Küstenabschnitt, Teil der Gesamtküste von Connecticut, ist zwar insgesamt überbeansprucht, aber es gibt dort einen Strand, der nur relativ wenigen bekannt ist. Dorthin führt eine kleine Teerstraße („an der nur das Nötigste getan wurde“) und solche Straßen, in den beginnenden Dünen, sind meist nicht weiter beschildert, haben Gabelungen, viele Kurven und Abzweigungen. Es wird doch möglich sein, dieses Bild einigermaßen zu verbalisieren. Ist man bei einer vorläufigen Version angelangt, empfiehlt es sich, auf den tatsächlichen Ausgangssatz zu rekurrieren, um gegebenenfalls die entwickelte Vorstellung zu überprüfen: diese Gegend enthält auch wandering paths, und das sind keine Wanderwege. Der Protagonist ist jetzt auf dem letzten Stück Straße. Her graphite-grey Saab sat in a far corner of the parking lot, by itself. He slithered his own car, an old Mercury convertible, close to it …

Noch einmal lesen und Augen zu: er kommt offensichtlich an einer Stelle des Parkplatzes an, die zwei gegenüber liegende Ecken hat, in einer davon duckt sich ihr Auto, allein. Er fährt mit seinem Auto, einem alten Mercury Kabriolett, hinüber, bremst, lenkt so, dass sein Auto schleudernd neben ihrem zum Halten kommt. „Er fuhr mit seinem Auto, einem alten Ford Kabriolett, hinüber, bremste und schleuderte neben ihrem zum Halt.“ Unmittelbar danach: Her Saab was empty; Sally was not in sight.

Hier gilt es zu vermeiden: “Sally war nicht in Sicht”. Wenn man sich vorstellt, dass jemand nicht da ist, kommt man ganz einfach zu „Sally war nicht da“, oder, sollte man Bedenken haben, „Sally war nirgends zu sehen“. Ein heranwachsender Junge notiert in sein Tagebuch My father has got the flu. I’m not surprised with the diet we get.

Gegenüber den ersten Vorstellungen, also dem, was man sich auf Anhieb vorstellt, kann man Kritik entwickeln. Nehmen wir für diesen Auszug als vorläufige Übersetzung an: „Mein Vater hat Grippe. Kein Wunder, bei der Diät, die wir essen.“ Warum soll man von Diät Grippe bekommen? Das diet nachgeschlagen ergibt ‚Ernährung; das, was man isst’. Mithin: „Mein Vater hat die Grippe. Kein Wunder bei der Ernährung/bei dem, was wir zu Essen kriegen.“ Es schadet nicht, wenn man die Vorstellung skizzenhaft in Worte kleidet. Once a lure for the morbid as well as the curious, zoos are transforming themselves into the planet’s modern arks.

So könnte die Skizze aussehen: „Früher: Zoos : etwas für ? Interesse, aber auch echtes. Heute: Verwandlung > Archen“. Es lohnt sich, die Skizze so allgemein wie noch möglich zu halten, um nicht von den Wörtern der Skizze selbst wieder beeinflusst zu werden. Durch Nachschlagen im Wörterbuch kann man vielleicht an der einen oder anderen Stelle in die richtige Richtung konkretisieren. Für lure: the power to attract, especially by seeming to promise pleasure, profit etc, which may not in fact exist (LDOCE). Dazu ein Beispielsatz aus COBUILD The excitement of hunting big game in Africa has been a lure to Europeans for more than 200 years .

33 Das scheint gut zu passen. Damit geht die Übersetzung wohl in die Richtung, dass etwas Attraktives, Faszinierendes, Verlockendes vorliegt. Zweisprachige Wörterbücher geben für lure z.B. „1. Köder“, „2. (fig) Verlockung, Reiz“. Dies suggeriert, dass lure irgendwie eigentlich ‚Köder’ bedeute, metaphorisch dann auch ‚Verlockung’. Sollten sich diese beiden Wörter festsetzen, gelangt man wahrscheinlich nie zu einer Lösung. Der obige Satz (Once...) ist der erste Satz des Artikels, damit vielleicht von besonderer Funktion: er kann (muss nicht) ein topic sentence sein, der den Inhalt des gesamten Artikels skizziert, umfasst. Im Artikel selbst ist einerseits von dem wissenschaftlichen Interesse an Tieren in der viktorianischen Zeit die Rede, auch von Tieren als bloße Ressource, als Trophäe, auch von verwahrlosten Gehegen und davon, dass im Zoo von Philadelphia ein Faultier mit Spazierstöcken und Regenschirmen in einer Woche zu Tode gestochert wurde, Anfang des letzten Jahrhunderts. Möglicherweise illustriert dies alles den Gegensatz morbid – curious. Wer diese Ausführungen für unangemessen detailliert und überflüssig enthält, möge bedenken: die Bedeutung, wie dem Wörterbuch entnommen, ist „nur“ ein Umriss. Freilich einer, in den die Bedeutung eines Wortes im Text hineinpassen muss, aber die textgebundene, aktuelle Bedeutung muss nicht exakt der Wörterbuchparaphrase entsprechen. Das morbid dürfte, angesichts des zerstocherten Faultieres, dem deutschen „morbid“ entsprechen, das curious einer Art intellektueller Neugier. „Früher war der Besuch von Zoos mit einem morbiden Interesse an Tieren verbunden, auch mit echtem wissenschaftlichen Interesse; heute werden Zoos so gestaltet, dass daraus Archen entstehen.“ Der Planet Erde versteht sich hier von selbst. Beachte, dass transforming themselves bedeuten muss, dass die Verwandlung von den Zoos selbst geleistet wird, sie verwandeln sich nicht einfach so (und -ing + modern > „heute“). Zweck der obigen Ausführungen war darzustellen: wie behält man, unter dem Einfluss eines englischen Textes, die muttersprachliche Fähigkeit, so zu formulieren, wie man das „normalerweise“ im Deutschen tun würde. Die vorgeschlagenen Methode ist mit den meisten linguistischen Theorien vereinbar. Das System einer Sprache stellt in vielen Fällen mehrere Möglichkeiten bereit, einen Sachverhalt zu formulieren, aber nur ein Teil dieser Möglichkeiten wird realisiert, nur ein Teil wird zur üblichen Formulierung (zur sogenannten Norm). In neueren Theorien, insbesondere solchen, die der Korpuslinguistik nahe stehen, wird die Tatsache, dass oft gerade so und eben nicht anders formuliert wird, als idiom principle bezeichnet,vgl. auch Kap. XX.

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6. Das ÜBERSETZEN VON IDIOMS: USE IT OR LOSE IT 6.1. Idioms - Einführung Unter idioms werden hier Fügungen verstanden, die aus zwei oder mehr Wörtern bestehen. He shot off his mouth kann man sagen, wenn jemand seine Meinung lauthals verkündet oder prahlt. Wenn man davon ausgeht, was die einzelnen Teile (shoot off, someone’s mouth) üblicherweise bedeuten, dann gelangt man zu einer unwahrscheinlichen Interpretation ‚sich den Mund abschießen’, auf keinen Fall zur intendierten Bedeutung. Sit on the fence ergäbe zwar ‘auf dem Zaun sitzen’, nicht aber das intendierte ‚abwarten’, und all mouth and trousers bleibt dunkel (‚viel redend, aber ohne etwas zu Stande zu bringen’). Wenn man ohne weitere textuelle Vorbereitung auf ein look what the cat’s dragged in stößt, drängt sich Nachschlagen auf. Idioms können von den Konstruktionen her Beschränkungen haben: He kicked the bucket *The bucket was kicked, dies muss aber nicht der Fall sein: They buried the hatchet – The hatchet was buried. Die einzelnen Bestandteile („Wörter“) können fixiert sein, doch sind Varianten durchaus anzutreffen: to foam at the mouth/to froth at the mouth‚ ‚sehr wütend sein’. Manche scheinen bevorzugt in bestimmte Kontexte eingebaut zu sein, mit bevorzugten weiteren Konstruktionen, wie etwa deutsch Ich glaub ich bin im falschen Film. Wie einzelne Wörter auch können sie markiert sein, also z.B. zur Jugendsprache gehören, veraltet sein, regional spezifisch sein, bevorzugt in bestimmten Textsorten auftreten (wie deutsch den Sack zumachen in Fußballreportagen). Von diesem Typ enthalten größere Idiom-Wörterbücher ca. 4000 – 5000 Einheiten (die sogenannten phrasal verbs wie give up nicht berücksichtigt). Je mehr von diesen Einheiten man zumindest passiv kennt, desto besser: man gerät dann in den Fällen nicht in Gefahr, in denen eine „wörtliche“ Übersetzung auch irgendwie einen Sinn ergibt. Vgl. Twelve-year-old Reggie Kackson stopped the show last night

“… war der Star des gestrigen Abends”. Es empfiehlt sich in der Regel nicht zu raten: Idioms enthalten oft Vergleiche oder Metaphern, die nicht unbedingt so ausgelegt werden müssten, wie es tatsächlich getan wird. I was prepared to be met with hostility as another nosy outsider, even to be sent off with a flea in my ear

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“… sogar darauf, verärgert hinausgeworfen zu werden.” Das Lernen von Idioms ist seit langem ein fester Bestandteil des Spracherwerbs. Die Auftretenshäufigkeit hält sich jedoch in engeren Grenzen, als man vermutet. Im COBUILD Dictionary of English Idioms werden vier verschiedene Frequenzangaben gemacht: Idioms, die einmal pro zwei Millionen Wörtern vorkommen (ca. 750), solche, die mehr als dreimal in zehn Millionen Wörtern vorkommen (ca. 750), solche die einmal bis dreimal in zehn Millionen vorkommen (ca. 1500) und schließlich ca. 1000, die noch seltener sind. Zum Verständnis: die Zahlen sind natürlich relativ zum zugrundeliegenden Korpus, der Bank of English (ca. 300 Millionen Wörter). Und: eine Seite eines normalen englischen Taschenbuchs enthält ungefähr 320 Wörter, eine Million Wörter geben damit ca. 3120 Seiten. Das heißt: auf solchen 3120 Seiten kommen nur relativ wenige Idioms, und das auch nur einmal, vor. Bei einigen – willkürlich ausgesuchten – Idioms streut die Zahl der Internetbelege lt. Google beträchtlich. von make ends meet (185.000) über up in arms (97.500), zu drop in the ocean (18.400), beat about the bush (4850), cock an ear (1060), a fine/nice kettle of fish (86). Vgl. hiermit das Vorkommen „normaler“ Syntagmen: read the paper (107.000), got a letter (61.500), lost my money (2730). Da wir zusätzlich keine genaue Kenntnis von der Textzusammensetzung im Internet haben, sind etwaige Schlüsse von der Häufigkeit auf Idiomatizität im Ganzen zu kompliziert oder nicht verlässlich. 6.2. Die Pragmatik der Idioms Die Kernfrage für die Übersetzung ist die Frage nach der Autor/Sprecher-Intention, wenn ein Idiom eingesetzt wird. Ein Blick auf Idiomlisten zeigt, dass eine Reihe von ihnen Besonderheiten in der verwendeten Lautsubstanz hat, vor allem Alliteration, auch Reime: behind the back, throw the baby out with the bathwater, break the back of something, bend over backwards, pack your bags, break the bank, your bark is worse than your bite, scrape the bottom of the barrel, with both barrels … Abgesehen von den ohnehin vorhandenen Metaphern und Vergleichen finden wir syntaktische Besonderheiten (to take pride of place), Wiederholungen (the blind leading the blind, boys will be boys), Parallelismen (you scratch my back and I scratch yours), Gegensätze (black and white). Mithin eine im weitesten Sinne „poetische“ Ausgestaltung der Botschaft. Wenn also be at daggers drawn als ‚einen heftigen Streit haben’ papaphrasiert wird, dann ergibt sich durch die Alliteration noch eine Zusatzwirkung. Diesen Zusatz dann den textuellen Gegebenheiten gemäß zu formulieren, das ist die Leistung. Man kann sich entscheiden für „streiten, dass die Fetzen fliegen“, „einen Mordskrach haben“, „heftigen Streit“. In The government now finds itself at daggers drawn with the same press it had gone to such great lengths to give freedom of expression to

bietet sich an “… befindet sich in heftigen Auseinandersetzungen mit …”, und natürlich nicht “Mordskrach”. In der deutschen Bearbeitung des COBUILD Dictionary of English Idioms (Englische Idioms von A-Z) findet sich eine Aufstellung von Lebensbereichen, für die Idioms in größerem Umfang zur Verfügung stehen. Diese Aufstellung kam folgendermaßen zustande. Aus dem elektronischen Manuskript des Wörterbuchs wurden, bis auf die jeweiligen Bedeutungsumschreibungen, alle Teile gelöscht. Von allen Beschreibungen wurde dann eine Wortfrequenzliste erstellt. Aus dieser Frequenzliste wiederum ist zu entnehmen, dass Idioms sich auf die folgenden Bereiche konzentrieren: 1. Benehmen/Verhalten: sich schlecht benehmen, ertappen/beschuldigen, Schuld eingestehen/bestrafen, sich gut benehmen/bessern, sich seltsam/verrückt/dumm benehmen 2. Ärger/Aufregung: sich ärgern, unnötige Aufregung, sich über jemanden ärgern, jemandem Schwierigkeiten machen

36 3. Nöte/Probleme: unangenehme Erfahrungen/schweres Leben, in Schwierigkeiten geraten, in Not sein, Schwierigkeiten durchstehen, vor schweren Aufgaben stehen, Aufgaben anpacken, mit Problemen nicht fertig werden 4. Arbeit und Erfolg: hart arbeiten, schlechtes Arbeiten/Scheitern, erfolgreich sein, Geld und leichtes Leben, wenig und hart verdientes Geld, mächtig und erfolgreich, in günstiger Position, Vorteile suchend. Das alles sind Bereiche, die meist nicht objektiv und nüchtern beschrieben werden, sondern mit Wertungen verbunden sind, da schwingt in der Regel Angst, Sorge, Zuversicht, Verzweiflung, Optimismus mit. Von den einzelnen Sprechakten her haben wir es daher oft mit Lob, Kritik, Rat zu tun, auf versteckte Weise, und das ist in der Regel der Grund, warum Idioms überhaupt eingesetzt werden. So beschreibt up the greasy pole

die Karriere nach oben. Man billigt damit zwar die harte Arbeit des anderen, ist aber skeptisch gegenüber den Methoden und dem entwickelten Ehrgeiz. Man könnte hier an „Karriereleiter“, „Ochsentour“ oder „sich nach oben diene(r)n“ denken, um die impliziten Wertungen zu erfassen. An old hand

ist eine Person mit viel Geschick und Erfahrung in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit. He is, after all, an old hand at this kind of project, having moved six times in ten years . “Er ist ja auch ein Fachmann für so etwas, schließlich ist er sechsmal in zehn Jahren umgezogen.“ cut and run

beschreibt, dass jemand einem Problem ausweicht, statt es zu lösen. Dabei schwingt aber mit: ich finde das nicht gut. He had an unfortunate tendency to cut and run when things didn’t go his way.

Hier, wie oft, wird der kritische Zusatz auch aus dem Kontext ersichtlich, durch das unfortunate. Damit sind wir bei „vor einem Problem davonlaufen, die Flinte ins Korn werfen, das Handtuch werfen, nicht seinen Mann stehen können“, oder Ähnlichem, je nach Text. lose your rag

ist ‚aus großem Ärger die Beherrschung verlieren’. Everyone said Wright did well simply because he didn’t lose his rags

“weil er die Nerven nicht verlor/die Nerven behielt”. The bloke pushed Melvin out of the way and he lost his rag and hit him

“und der rastete aus und schlug zu”. Es gibt eine Art europäischer Tradition bei manchen idiomatischen Wendungen, vor allem dank der klassischen lateinischen Schriftsteller und der Bibel: push at an open door, caught on the wrong foot, not look a gift horse in the mouth, teilweise mit nur geringen Unterschieden zum Deutschen, vgl. not lift a finger, eat like a bird (‚wie ein Spatz’), have eyes in the back (aber deutsch hinten keine Augen haben). Sicherheitshalber sollte man sie aber dennoch nachschlagen: the last straw ist nicht der letzte Strohhalm, und over the hill ist nicht über dem Berg; auch muss der Gesamtwert nicht unbedingt identisch sein, vgl. hide your light under the bushel und das eher literarische sein Licht unter den Scheffel stellen.

37 Wie auch bei einzelnen Wörtern gibt es auch bei Idioms das Phänomen, dass ein deutsches Idiom an einer englischen Universalübersetzung anhängt, so z.B. take it easy - es leicht nehmen. Die unten stehenden Beispiele zeigen aber: die Übersetzung '“etwas leicht nehmen“' ist völlig ungeeignet, um die Verwendung von take it easy zu beschreiben. (Sie ist damit auch völlig ungeeignet, die Verwendung des betreffenden Idioms zu lernen.) Das take it easy wird verwendet als ‘sich nicht aufregen, keine große Eile an den Tag legen, nicht zu viel Kraft verschwenden’, meist ist es Gegenstand eines Ratschlages. Take it easy, Bob. I'll explain everything.

„Nicht aufregen, Bob...“ The seven astronauts aboard the space shuttle Columbia are taking it easy today, following six full days of medical research.

“... lassen es heute ruhiger angehen, nach sechs Tagen medizinischer Forschung.“ There's about a five mile queue at present so take it easy on the roads today…

„...ein Stau von derzeit acht Kilometern, also Ruhe bewahren und langsam machen.“ She has been advised to take things easy but is not thought to have been confined to bed.

„Man hat ihr geraten, Anstrengungen zu vermeiden...“ Im amerikanischen Englisch kann man take it easy auch als zwangloses „Wiedersehn!“ verwenden. ‘Thanks. See you later.’ – ‘Take it easy. Don’t do anything I wouldn’t do.’

Ebenso stellt man fest, dass z.B. a hair's breadth manchmal mit Hilfe von "Haaresbreite" übersetzt werden kann. Das ist aber nur eine von mehreren Übersetzungsmöglichkeiten. Die Übersetzung muss sich daran halten, dass hier das Konzept 'etwas - meist etwas Negatives - wäre beinahe geschehen' vorliegt. The parliament came within a hair's breadth of forcing immediate political union between the two countries

„... hätte die beiden Länder beinahe gezwungen...“ The town suffered heavy shell-fire, coming within a hair's breadth of being destroyed altogether.

„Die Stadt lag unter heftigem Artilleriebeschuss und entging nur knapp der völligen Zerstörung.“ He literally missed death by a hair's breadth, surviving with a dozen stitches in his head.

„Er ging nur ganz knapp am Tod vorbei...“ He missed the two-minute barrier by a hair's breadth, finishing in 2.00.04 setting a new British record.

„Er verpasste die Zwei-Minuten-Grenze um Haaresbreite...“ Das Idiom (have) a cross to bear kann so beschrieben werden: ‚sich mit einer Verantwortung oder mit einer schwierigen Lage abfinden, ohne etwas dagegen tun zu können’. Diese Beschreibung erlaubt, dass man, in manchen Zusammenhängen, diese Wendung gebrauchen kann wie das deutsche ein Kreuz, das man tragen muss - aber eben nicht in allen. ‘My wife is much cleverer than me, it is a cross I have to bear,' he says at one point in the interview.

„... das ist ein Kreuz, das ich eben tragen muss...“ Healy believes broken fingers are crosses every keeper must bear and he is determined not to let the side down.

„... gebrochene Finger gehören nun einmal zum Leben eines Torwarts und er ist fest entschlossen, seine Mannschaft nicht im Stich zu lassen.“ Gebrochene Finger als „ein Kreuz, das

38 ein Torwort tragen muss“ zu bezeichnen, erscheint nicht optimal, und es ist nicht zwingend beweisbar, dass hier eine Art Wortspiel vorliegt. Möglicherweise ist im Englischen die Metapher verblasst, vgl. auch den Plural crosses. Konflikte der Bildlichkeit muss man in der Übersetzung jedoch nicht provozieren. Die meisten Übersetzungen werden so angefertigt, dass dem Leser nicht bewusst wird, er lese eine Übersetzung. In manchen Fällen kann man aus diesen versteckten Übersetzungen in das offensichtliche Übersetzen springen. Excellent fellow. Salt of the earth.

„Hervorragender Mann. Gehört zum Salz der Erde, wie man sagt“. Diese Möglichkeit kann im Wesentlichen nur in Berichten/Kommentaren eingesetzt werden, wenn also eine Autorenmeinung eingebracht wird - für einen Romancharakter wäre ein solcher Zusatz schon eigenartig (doch s.u. Sprichwörter). Wortspiele mit Idioms sind zahlreich. Die Wiedergebbarkeit ist vom Zufall abhängig. ... Hercule Poirot had to... catch a killer willing to stop at nothing to lead the great detective up the garden path and into the grave

“ der alles daran setzte, den großen Detektiv zuerst in die Irre und dann ins Grab zu führen“. Bei The moment the Interpol agent and his lovely assistants landed in Holland they were in Dutch

geht nichts (someone is in Dutch‚ jemand ist in Schwierigkeiten’, amerikanisches Englisch und etwas veraltet). Idiomatische Spielchen muss man jedoch nicht unbedingt nur durch eben solche wiedergeben. „Vanished into thin air?” “Vanished, anyway. But not into thin air, we think. Terra firma, more likely. We think they’ve gone to earth, and are holed up not that far away.”

“Verschwunden?” “Verschwunden schon. Aber nicht einfach in Rauch aufgelöst. Wir glauben, sie haben sich irgendwo versteckt, gar nicht so weit weg von hier.“ Das in der Hoffnung, den „Ton“ der kurzen Konversation so einigermaßen getroffen zu haben. Was die Idiomatik in der Zielsprache angeht (also im Deutschen), ist anzumerken, dass Idioms durchaus regional und sozial verschieden markiert sein können: man kann nicht davon ausgehen, dass z.B. „mit dem Klammerbeutel gepudert“, „ich glaub mich knutscht ein Elch“, „etwas in trockene Tücher bringen“ in jeder Region der Sprachgemeinschaft üblich sind. 6.3. Sprichwörter Sprichwörter werden als Sätze oder satzähnliche Gebilde realisiert. Sie bringen allgemeine Weisheiten, Erkenntnisse oder Erfahrungen zum Ausdruck, auch in Form von Ratschlägen. In einem weiten Sinne sind sie „didaktisch“. Der Anspruch der Allgemeingültigkeit hat, im Deutschen und Englischen, das Tempus Präsens zur Folge (Wer wagt, gewinnt), desgleichen häufig Wörter, die sich auf ‚alle’ beziehen (People who live in glass houses shouldn’t throw stones; Every cloud has a silvery lining). Der Charakter des Ratschlags spiegelt sich in Imperativen oder Modalverben (Never change a winning team; You can’t teach an old dog new tricks). Parallel dazu gehen Ausschmückungen in der Lautsubstanz (When the cat’s away, the mice will play; The other man’s grass is always greener; Use it or lose it) und ein Hang zur bildlichen Formulierung (Too many cooks spoil the broth). Sprichwörter sind also durchaus erkennbar, und einen eventuellen Anfangsverdacht kann man über Wörterbücher und Internet erhärten. Eine Verbindung zu Idioms ist insofern gegeben, als manche Sprichwörter in einen konkreten Kontext eingebettet werden können (Make hay while the sun

39 shines – He made hay while the sun shone). Manchmal werden auch Teile von Sprichwörtern idiomatisch eingesetzt (It’s the last straw that breaks the camel’s back > the last straw). Bedingt durch gemeinsame Traditionen haben europäische Sprachen eine Reihe von „gemeinsamen“ Sprichwörtern, zumindest solche, die einander sehr ähnlich sind (Strike the iron while it’s hot – Man muss das Eisen schmieden...; Too many cooks spoil the broth – Viele Köche verderben den Brei; One swallow doesn’t make a summer – Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer). Sprichwörter mit derselben didaktischen Aussage, aber jeweils anderer Bildlichkeit, gelten als sozusagen interlinguale Variationen, vgl. Fine feathers make fine birds – Kleider machen Leute, zumindest für einige Kontexte. Eine andere Bildlichkeit oder didaktische Aussage kann auch dazu führen, dass man nachahmend übersetzt und zufügt „wie das chinesische/arabische/usw. Sprichwort sagt“. In mancher erzählender Literatur haben auch mythische Völker (oder interstellare) ihre eigenen Sprichwörter, damit ihr eigenes Kulturkolorit. In Tolkiens The Lord of the Rings findet man z.B. Where will wants not, a way opens Oft evil will shall evil mar

Das erste kann man anpassend übersetzen, „Wo ein Wille, da ein Weg“ oder nachahmend „Der Wille macht den Weg“ , das zweite wohl nur nachahmend „ Oft schadet das Böse dem Bösen selbst“. Grenzen muss man akzeptieren. Im folgenden Beispiel wird A rolling stone gathers no moss umspielt, „Wer rastet, rostet“: He is a mossgatherer and I am a stone doomed to rolling. But my rolling days are ending…

Die Verwendung von Sprichwörtern ist gelegentlich von expliziten metasprachlichen Hinweisen begleitet: “die sprichwörtliche Weisheit“, „wie das Sprichwort sagt“ , „wie wir sagen“ usw. Mit diesen Hinweisen kann man sich mit dem Sprichwort identifizieren, auch Ironisierung oder Anzeigen einer Distanz ist möglich. Diese Hinweise ermöglichen auch, bei Übersetzungen entsprechenden Kommentare zuzufügen.

6.4. Zitate Zitate sind wörtlliche Übernahmen aus anderen Texten. I felt rotten today. It’s my mother’s fault for singing ‘My Way’ at two o’clock in the morning at the top of the stairs.

Hier wird der Titel eines Songs zitiert (oder der Name eines Lieds genannt). Man kann sich vorstellen, wie das I did it my way geklungen haben muss, und im Vertrauen auf solche Leser belässt es der Übersetzer besser bei My Way. „Meine Art“ wird ja keineswegs gesungen, und „Frank Sinatras My Way“ ist unangemessen detailfreudig.

40 Das folgende Beispiel ist etwas komplizierter. Jerry ist im Auto, auf dem Weg zu einem Rendezvous, und „Born to Lose“, as sung by Ray Charles, had come onto his car radio. Every dream Has only brought me pain …

Beim Titel wird man wie bei My Way verfahren müssen. Das anschließende Zitat – auf der ersten Seite des Romans – wird aber sicher nicht ohne Grund gesetzt. „Jeder Traum / hat mir bislang nur Leid/Schmerz gebracht“: wahrscheinlich bleibt die Beziehung nicht ohne Komplikationen. Auf den Leser und dessen Englischkenntnisse vertrauen oder in die offensichtliche Übersetzung springen? (Denn deutsche Zeilen sind hier eine offensichtliche Übersetzung, schließlich kommt das Lied im Radio auf Englisch.) There seems to be no doubt that there are those, like Richard III as Shakespeare shows him, who do indeed say: ”Evil be thou my good.” They have chosen Evil, I think, much as Milton’s Satan did…

Zitatenlexika und Internet lokalisieren das offensichtliche Zitat in John Miltons religiösem Epos Paradise Lost (16. Jh.). Von diesem Werk gibt es keine „weithin bekannte“ Übersetzung (also anders als bei Shakespeares Dramen) und es würde genügen, leicht archaisierend, wegen des thou, zu übersetzen, z.B. „Böses, sei mir das Gute.“ (Solche Menschen haben sich für das Böse „entschieden“, nicht „es gewählt“, vgl. Kap.2.) Anders natürlich bei Zitaten von Shakespeare und der Bibel. Eine größere Zahl von Shakespeare- und Bibelzitaten hat eine „kanonische“ Übersetzung im Deutschen, bei Shakespeare in der Form der Schlegel/Tieck-Übersetzungen, bei der Bibel in Form der Lutherschen Übersetzung. Quellen und Übersetzungen kann man über Zitatenlexika oder über das Internet finden. Zitate sind leider nicht immer gefälligerweise zwischen Anführungszeichen gesetzt oder mit einem Hinweis auf den Urheber/die Urheberin versehen, und, wie Sprichwörter, werden sie auch gelegentlich umspielt. Ein kurzer Artikel in The Economist handelt davon, dass seit der Steinzeit Pflanzen vom Kontinent auf den Britischen Inseln angesiedelt wurden und die heimische Pflanzenwelt bedrohen. Der letzte Satz ist Perhaps not far from Grantchester there will be a corner of an English field that is forever foreign. Das Stück von perhaps bis Grantchester ist rätselhaft, der Rest ist rhythmisch sehr gefällig. Wenn man dahinter etwas vermutet, lässt man die Suchmaschine eine erweiterte Suche machen, mit den wesentlichen Wörtern, z.B. corner +English + field. Das Ergebnis: entmutigende 750.000 Belege, was vermutlich an dem Wort English liegt. Neuer Versuch: corner + field + forever. Nun erscheinen u.a. zwei Belege, a corner of a foreign field that is forever Liverpool und a corner of a foreign field that is forever dangerous. Wir sind kurz davor: neue Suche corner + foreign + field + forever >… there is some corner of a foreign field that is forever English. Das ist der Schluss des Gedichts The Soldier von Rupert Brooke, einem viktorianischen Lyriker, der lange Zeit in Grantchester lebte. Damit haben wir offensichtlich das Territorium von Eingeweihten betreten, aber wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, die Intention des Autors dieses Artikels ist nur erklärbar, nicht übersetzbar. The coalition labours and brings forth not very much

erfordert ca. zehn Minuten Suche: The mountain has laboured and brought forth a mouse. Wenn man “Der Berg hat gekreißt...“ dahinter vermutet, geht es wesentlich schneller, „ und ein Mäuslein geboren“. Die Koalition hat also gekreißt, nicht „hart gearbeitet“, und nicht viel vorzuzeigen.

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7. GRAMMATIK 7.0. Einführung Für die Zwecke der folgenden Darstellung sei angenommen, dass die Laute und Lautfolgen des Englischen beschrieben seien, ferner der Bestand der Morpheme und ihrer Erscheinungsformen. Generell wird angenommen, dass Sprache mit einer Art Regelwerk beschrieben werden könne. Dabei gibt es Regeln, deren Domäne recht klein ist, wie etwa die Bildung des Plurals geese zu goose und andere, die einen erheblich größeren Anwendungsbereich haben, wie etwa die Bildung des Passivs oder die Verwendung des progressiven Aspekts, des Tempus Präsens usw. Im Folgenden werden einige dieser Regeln mit großen Domänen angesprochen. 7.1. Mengen Es wurde schon öfters darauf hingewiesen, dass man sich mit Wörtern auf Dinge der Welt bezieht. Wenn man von drei neuen Autos spricht, bezieht man sich auf eine quantifizierte Teilmenge der Menge ‚neue Autos’, dies selbst wieder eine Teilmenge von ‚Autos’. Die Quantifizierung und Vereinzelung wird im Allgemeinen über den Komplex der determiners bewältigt, Teilmengen über die premodifiers (hier: neu), die allgemeine Mengenangabe über den head der Nominalphrase (Auto); weitere Angaben erfolgen dann in der Postmodifikation, wie etwa aus Frankreich oder von denen derzeit viel die Rede ist. Zu den postmodifizierenden Konstruktionen gehören u.A. die Relativsätze. Energy-intensive [companies], which previously got a reduction in the “green” tax on fossil fuels and electricity, will now have to pay the full rate.

42 “Energieintensive Unternehmen, die vordem bei der Öko-Steuer Steuererleichterung auf fossile Brennstoffe und Elektrizität erhielten...“ Dieser Relativsatz, von which bis electricity schränkt die genannte Menge (der energieintensiven Unternehmen) nicht weiter ein, der Bezug bliebe auch ohne den Relativsatz der gleiche. Gleichwohl ist die Information für den argumentativen Zusammenhang wichtig und für das Verständnis des gesamten Sachverhaltes wichtig. Solche Relativsätze werden als non-defining bezeichnet, in deutscher Terminologie etwas unglücklich auch als „nicht notwendig“ , mit dem ebenso unglücklichen Zusatz „weglassbar“. Im Gegensatz dazu stehen die defining relative clauses, die „notwendigen“. The changes which they occasionally observe around them …

Hier bestimmt der Relativsatz die Art und damit die Menge der in Frage kommenden Veränderungen. Es handelt sich also nicht um “die Veränderungen (die sie natürlich auch gelegentlich in ihrer Umgebung wahrnehmen)“, sondern um „diejenigen Veränderungen, welche...“. Die beiden Typen werden im Englischen geschieden, der erste, non-defining, hat ein Komma vor dem Relativpronomen (als letzteres kann that nicht fungieren), der zweite, defining, hat kein Komma, als Relativpronomen ist auch that möglich. Die deutsche Konstruktion Substantiv + Komma + bestimmter Artikel (als Relativpronomen) ist jedoch mehrdeutig in Bezug auf defining – non-defining. Mit anderen Worten: jeder Relativsatz des Englischen kann zu Problemen führen, Probleme. die man beim Übersetzen nicht bemerkt, weil einem selbst der Sinn ja klar ist. Auch als Korrektor ist man geneigt, hier Probleme zu übersehen, weil man, vom Originaltext her, die Einzelheiten kennt. Wenn der Kontext nicht die erforderliche Eindeutigkeit herstellt, braucht man Zusätze wie „nur“, „solche...die“, „derjenige... der“, „von der Art“ usw. im Falle der defining relative clauses. Wäre der Beispielsatz Energy-intensive [companies], which previously got a reduction in the “green” tax on fossil fuels and electricity, will now have to pay the full rate

nicht so, sondern aus einer anderen Welt, Energy-intensive [companies] which previously got a reduction in the “green” tax on fossil fuels and electricity, will now have to pay the full rate.

dann müsste mit “solche” übersetzt, beachte vor allem, dass nun auch „Sollten solche energieintensive Unternehmen, die vordem..., dann...“ als Übersetzung möglich ist. D.h., dass auch über Bedingungen formuliert werden kann. The knowledge which contemporaries possessed about the great civilisations of the Orient was fragmentary and all too often erroneous, based as it was upon travelers’ tales which had lost nothing in their retelling.

Darin enthalten sind zwei defining relative clauses. Wissen hat man entweder oder man hat es nicht, dessen eingedenk und eine Betonung auf dem which annehmend, wird hier gesagt: “Das Wissen, das die Zeitgenossen überhaupt von den großen Kulturen des Ostens hatten“, und es sind „solche Reiseberichte“ oder „die Art von Reiseberichten, die...“. Die hier gemachten Übersetzungsvorschläge haben nichts mit „deutschem Stil“ oder gar gutem Stil zu tun, sie entsprechen schlicht, genauer besehen, dem, was der englische Ausgangstext qua englischer Grammatik vorgibt: der defining relative clause formuliert Teilmengen. Eine Werbung für Patek-Philippe-Uhren behauptet, es sei sehr einfach, den Grund für die Qualität einer Uhr aus diesem Hause festzustellen: It is made using skills and techniques that others have lost or forgotten. “Bei ihrer Herstellung werden solche handwerklichen Fertigkeiten und Verfahren eingesetzt, wie sie andere verloren oder vergessen haben.“

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All men are enemies and small boys are insects that will turn and bite you if you don’t get them first …

Nicht: “ … Insekten, die …”, sondern “… Insekten. Sie...“. Durch einige Umstände werden die Probleme um die zwei Relativsatz-Typen teils gemildert, teils verschärft. Wenn durch andere Wörter oder durch den Kontext der Bezug ohnehin klar ist, ist die Frage nach defining oder non-defining müßig. ... it was to be given to the Lighthouse keeper for his little boy, who was threatened with a tuberculous hip

Der Leuchtturmwärter hat einen kleinen Jungen, und von dem weiß man, dass er Knochentuberkulose in der Hüfte hat. (Die Frage, ob threatened with a disease bedeutet ‘mit dem Verdacht auf eine Krankheit’ oder ‚eine Krankheit habend’, wird vom Internet beantwortet.) those poor fellows who must be bored to death sitting all day with nothing to do

“… diese Armen, die …”. Der determiner those, kann ja nur stehen, wenn die Bezüge schon hergestellt sind bzw. vorausgesetzt werden können, im Unterschied zum Pronomen those, das häufig mit einem defining relative clause postmodifiziert wird. Ob das hier diskutierte Problem immer mit grammatischen Überlegungen gelöst werden kann, ist fraglich. Der Kontext muss vermitteln, ob Die zwei Beamten, die im Streifenwagen saßen

aufzufassen ist als Die zwei BeAMTen (die im Streifenwagen saßen)

oder als DIE zwei Beamten, die im Streifenwagen saßen. The bonds of family, which elsewhere in Europe are getting weaker, in Italy seem still pretty sturdy.

So, wie man durch “diejenige, solche” den defining relative clause verstärken kann, kann man auch den non-defining relative clause vereindeutigen. Dies geschieht durch Zusätze wie „ ja“, „wie bekannt“, „wie man weiß“, „nämlich“, je nach Kontext. The main spending cuts will fall on the federal Labour Office, which will see its government grant cut by €4billion a year.

“Im Wesentlichen werden die Kürzungen die Bundesanstalt für Arbeit betreffen, deren Zuschüsse werden nämlich...“. Eine Komplikation ergibt sich dadurch, dass Mehrdeutigkeiten auch bei Adjektivkonstruktionen und bei adverbialem relativem Satzanschluss auftreten können. She looked playful and eager, but not quite sure of herself, a new kitten in a house where they don’t care much about kittens.

“in einem Haus, in dem man sich nicht viel aus Kätzchen macht”. Der notwendige Relativsatz wird hier mit dem in dem abgebildet, also nicht „in einem Haus, wo man sich (ja bekanntlich) nichts aus Kätzchen macht“. Vgl. auch die notwendigen Relativsätze in (im Deutschen mit Präposition angeschlossen) mit den nicht-notwendigen (mit wo, als angeschlossen): This is one of the occasions when I regret not being able to drive

“bei denen ich es bedauere...“ That was the room where I did my homework

“in dem ich meine Hausaufgaben machte”. Hingegen This happened in 1987, when I was still a baby

“als ich noch ein Baby war”

44 She has just come back from a holiday in Crete, where Alex and I went last year

“wo Alex und ich letztes Jahr waren” In the south, where Ottoman galleys raided Italian ports “Im Süden, wo osmanische Galeeren italienische

Häfen plünderten“.

Diese Beziehungen zwischen Konjunktionen bzw. Präpositionalphrasen und Relativsätzen werden allerdings im Deutschen nur von sehr sorgfältigen Autoren beachtet. (Die sogenannten verkürzten Relativsätze werden in Kap. 8.2. besprochen.) 7.2. Verknüpfungen Im Folgenden ist von einem Schachautomaten aus dem 18. Jahrhundert die Rede. This machine, known as the Turk because of its exotic costume, could play chess, moving the pieces with a mechanical arm and defeating even the best players.

Im Englischen können Partizipialsätze wie moving the pieces with a mechanical arm die Satzfunktion eines Adverbials realisieren. Eine präzise Angabe über die Art des Adverbials (Zeit, Begründung, Zweck usw.) wird aber nicht gegeben. Es wird nur impliziert: zwischen dem Adverbialsatz und dem Rest besteht eine Beziehung (‚ist mit dabei’), eine genaue Angabe wird also für nicht nötig erachtet oder sie ist zu interpretieren. Man ist im Allgemeinen gut beraten, diese Vagheit beizubehalten und nicht zu vereindeutigen und es zumindest mit einer Art und-Anschluss zu versuchen: „und zog die Figuren mit einem künstlichen Arm“, bzw., des Restes eingedenk, „zog die Figuren mit einem künstlichen Arm und besiegte sogar die besten menschlichen Spieler“. Beachte, dass im englischen Satz zwei Adverbiale enthalten sind, zum einen moving... (‚indem’), zum andern defeating... (‚und so’). Jahrhunderte später erhoffte man sich von einem Schachcomputer: And such a machine could be pitted against a human opponent, giving a clear measure of the machine’s ability in this kind of reasoning.

Man könnte die Übersetzung des giving... einleiten mit „indem“, aber auch mit „um so“, mit „weil“ oder „um zu“. Was immer man aber wählt, man engt die prinzipielle Vagheit ein, eine Vagheit, die offensichtlich beabsichtigt ist, weil sonst ja because oder in order to usw. stehen würde. Migrants usually help host communities, bringing new skills, demographic infill, and fresh ideas. “Einwanderer

nützen in der Regel den Gastländern, sie bringen …/; sie bringen.../: sie bringen...“. Hier kann man den losen Anschluss über die Satzzeichen abbilden, bevorzugt über Doppelpunkt oder Strichpunkt. Eine weitere Möglichkeit wäre „... nützen den Gastländern mit neuen Fertigkeiten, durch Bevölkerungszuwachs und mit neuen Ideen“. Die übersetzerische Strategie ist klar: keine vereindeutigende Interpretation, die die verbleibenden Möglichkeiten vernichten würde.

7.3. Tempus, Aspekt, Modalität Innerhalb der Verbalphrase des Englischen werden einige grammatische Kategorien realisiert. Die Kategorie „Tempus“ (tense) erscheint als present tense oder als past tense. Tense ist also obligatorisch, dabei besteht die Wahl zwischen present und past. Die Kategorie progressive aspect eröffnet die Wahl zwischen simple und progressive, die Kategorie perfective aspect eröffnet die Wahl zwischen perfective und non-perfective, die Kategorie modality schließlich die zwischen modal und non-modal.

45 Die Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen betreffen teils die Existenz der Kategorien überhaupt, teils den Verwendungsgebrauch der eingesetzten Kategorien. 7.3.1. Aspekte/Zeit/Tempus Im Englischen muss, sozusagen, entschieden werden, ob the sun shines bzw. the sun is shining formuliert wird, oder the sun shone bzw. the sun was shining, oder the sun has/had shone bzw. the sun has/had been shining. Von den Sätzen abgesehen, deren Verb von vorneherein den progressiven Aspekt nicht haben kann, ist also beim Übersetzen zu ermitteln: warum wurde die progressive Form/die perfektive Form gesetzt oder nicht gesetzt und welche Folgen hat diese Setzung oder Nicht-Setzung für die jeweilige Übersetzung. [Around 1500] Europe was a hodgepodge of petty kingdoms and principalities, marcher lordships and citystates. Some more powerful monarchies were arising in the west, notably Spain, France, and England, but none was to be free of internal tensions …

Wenn ein berichtender oder erzählender Text als Tempus das past hat, dann ist die normale Konnexion zwischen einem Satz X und einem folgenden Satz ‚und dann’. Durch das past progressive wird diese Konnexion aufgehoben, d.h., die Entstehung der erwähnten Monarchien war bereits im Gange. Zusätzlich könnte man sich vorstellen, dass das were eine rise-fall-Intonation hat, also eine Abtönung signalisiert, die in etwa dem deutschen zwar entspricht. (Zur Abtönung vgl. Kap. 8.) Beim Übersetzen ins Deutsche ist zu entscheiden, ob es mit dem Verb (und dem Kontext) allein möglich ist, die Intention der progressiven Form oder der nicht-progressiven Form wiederzugeben. Nehmen wir an, ein Ehepaar und ein Dritter stehen vor dem Auto des Paares, bereit loszufahren. Wenn der Dritte nun fragt Who drives? , so ist das, nach den Regeln für das simple present, die Frage danach, wie die Fahrerrolle bei dem Paar normalerweise verteilt ist, also Wer fährt? , dies aber im Sinne von ‚Wer fährt bei Euch?’ Die Frage Who’s driving? zielt darauf, dass vor dem Einsteigen schließlich klar sein muss, wer denn fährt: ‚Und? Wer fährt?’ Who’ll be driving? könnte in dem Kontext stehen, dass der Dritte die Fahrtüchtigkeit von mindestens einem annimmt: ‚Und wer soll jetzt fahren?’ Zu beachten ist, dass in allen Fällen der jeweils vorhandene Kontext die Übersetzung Wer fährt? erlauben kann, dass aber ein nicht weiter spezifiziertes Who drives? eben ist ‚Wer fährt bei Euch?“. Damit ist klar, dass die Verbphrase im Englischen anderes an Bedeutung transportiert als die deutsche, dass es mit dem Verb in vielen Fällen im Deutschen einfach nicht getan ist. Once a lure for the morbid as well as the curious, zoos are transforming themselves into the planet’s modern arks.

Stünde hier transform, wäre impliziert, dass zum Wesen der Zoos gehört, dass sie sich wandeln. Das transforming hingegen impliziert, dass sie am Umwandeln sind, dabei sind, sich (selbst) zu wandeln. Die einfachste Empfehlung ist, von den Hauptfunktionen des simple present auszugehen – Habitualität/Normalität/Gesetzmäßigkeit, als unveränderbar gedachtes Programm – und zu fragen, ob die deutsche Übersetzung mit dem Verb allein eine dieser Funktionen suggeriert. Ist dies der Fall, dann ist diese Funktion auszuschließen, ist ein Zusatz erforderlich. Also zu fragen: genügt Wer fährt?, wenn die Vorlage (Who drives?) hat ‚wer + fährt + normalerweise’. Die progressive Form hat auch die Funktion, die Handlung als irgendwie ‚andauernd, gerade ablaufend, derzeit relevant’ kennzeichnet. Das ist eine relativ grobe Beschreibung, die oft nicht ganz korrekt ist, für die Übersetzung aber hilfreich sein kann: könnte be + x+ ing sein ‚am x-en’? Und wenn es dann ‚am x-en’ sein könnte und dies nicht aus der Situation klar hervorgehen würde, dann muss die englische ing-Form irgendwie ausgedrückt werden. The Treloar Building was, and is, on Olive Street, near Sixth, on the west side. The sidewalk in front of it had been built of black and white rubber blocks. They were taking them up now to give to the government, and a

46 hatless pale man with a face like a building superintendent was watching the work and looking as if it was breaking his heart. I went past him …

Das Aufreißen des Pflasters ist hier nicht ein Berichten eines von mehreren Vorgängen, sondern das Schildern eines Vorganges, den der vorbei gehende Autor sieht, beobachtet. Man ist am Aufreißen. Mithin:“ Ein Trupp Bauarbeiter war gerade dabei, das Pflaster aufzureißen...“. Wenn der Kontext soweit gediehen ist, versteht sich die Gleichzeitigkeit von was looking as if it was breaking his heart von selbst und bedarf keines Zusatzes mehr: “und sah aus, als bräche ihm es das Herz“. Ähnlich: Once a lure for the morbid as well as the curious, zoos are transforming themselves into the planet’s modern arks. Unlike Noah, they are not saving animals two-by-two ….

Wenn man hier abbildet, dass das transforming themselves als derzeit ablaufender Vorgang geschildert wird, dann genügt im folgenden Satz aber „retten“, da sich dieser Ablauf (mit Gleichzeitigkeit) von selbst, aus dem Kontext heraus versteht. (Und im Unterschied zum Englischen ist diese Gleichzeitigkeit nicht grammatikalisiert.) Beim Übersetzen aus dem Englischen ist man in der vorteilhaften Lage, zunächst nur rezipieren zu müssen (und nicht in der Fremdsprache produzieren zu müssen). Stößt man auf He’s always smoking, müsste man eigentlich zunächst eine Art Widerspruch zum üblichen Grammatikwissen konstatieren, dass nämlich ‚Gewohnheit’ eine Sache des simple present ist. Als Nicht-Muttersprachler müssen wir davon ausgehen, dass die Setzung des progressive dennoch irgendwie korrekt ist, möglicherweise eine Art Nuance bezeichnet. Hier könnte es sich um die Nuance ‚Missbilligung’ handeln, also „Er raucht andauernd“ oder, in der gesprochenen Sprache, „Er raucht aber auch andauernd“. Ausgangspunkt ist also eine gleichsam vermehrte Wachsamkeit, sollte eine progressive Form auftreten. Die Rahmenfunktion des past progressive wurde bereits oben erwähnt. His door closed on the pneumatic closer and made a sound like ‘phooey’. Miss Fromsett gave me a sweet smile and I gave it back to her in the form of an obscene leer. I ate another cigarette and more time staggered by. I was getting to be very fond of the Gillerlain Company.

Die ersten drei Sätze zeigen die ‘und dann’-Beziehung. Der letzte Satz ist aber nicht das Resultat der ersten drei, sondern geht quasi mit diesen: “So langsam fing ich an, die Gillerlain Company richtig zu mögen.“ Der perfektive Aspekt (I have gone, I had gone) bringt einige andere Probleme. Im Wesentlichen handelt es sich darum, dass ein Vorgang nicht auf die Zeit ‘Gegenwart’ beschränkt wird, sondern nach rückwärts, ‚in die Vergangenheit’ offen ist, beim present perfective. Daher kann I’ve lost money einem „Mein Geld ist weg“ entsprechen und She’s gone einem „Sie ist verschwunden“, oder I’ve forgotten his name mit „Ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern“. I’ve broken my leg könnte sein ‚Mein Bein ist gebrochen’, nicht aber natürlich „Ich breche mir das Bein“. Damit kann man die häufig gestellte Frage, wann man den das Perfekt des Englischen mit dem Präsens des Deutschen beantworten „dürfe“, in etwa beantworten: wenn das Präsens und das gewählte Verb/Adjektiv usw. einen Bezug zur Vergangenheit nicht ausschließen. Aus einem (fiktiven) Tagebuchtext: My father has got the flu.

“Mein Vater hat die Grippe.“ The dog has run off because my mother didn’t close the gate. I have broken the arm on the stereo.

„Der Hund ist verschwunden.... Ich habe den Arm am Plattenspieler kaputt gemacht.“ Wichtig ist, dass der Hund weg ist. Hingegen „kaputt gemacht“, denn ‚ich habe bewirkt, dass der Arm jetzt kaputt ist’.

47 In den meisten Grammatiken des Englischen liest man immer wieder, dass das present perfect etwas beschreibt, das aus der Vergangenheit heraus in die Gegenwart hinein wirkt. Bei den meisten Übersetzungsproblemen mit dieser Kategorie ist es aber vorteilhafter sich vorzustellen: es wird eine Art Gegenwart beschrieben, die in die Vergangenheit zurückreicht, für die Vergangenheit sozusagen offen ist. Und beachte: das Tempus des present perfect ist das present. The dog hasn’t come back yet. Der Hund ist immer noch nicht wieder da. Im Deutschen gibt es eine ähnliche Option, vgl. Hast du auch das Buch gelesen?/Kennst du es auch? Eine Frage des deutschen Sprachgebrauchs ist hier kurz zu streifen – die Setzung des Präteritums oder des Perfekts, wenn ‚Vergangenheit’ angezeigt werden soll. Im Deutschen gilt das Präteritum als Erzähltempus für formelle(re) Texte, das sog. Perfekt, hat, wenn damit erzählt oder berichtet wird, einen eher mündlichen Charakter oder/und assoziiert süddeutschen Sprachgebrauch (und regionale Sprachsignale sind in Übersetzungen zu vermeiden). Gelegentlich scheint es irrelevant zu sein, welche Kategorie verwendet wird, vgl. Sind Sie schon in Spanien gewesen?/Waren Sie schon... – aber vergleiche Have you read it? > Hast du’s gelesen?/Kennst du es?/*Lasest du es? Zum present perfect progressive. Das present perfect progressive braucht Zeitangaben, wie z.B. in It’s been raining all morning. Die Angabe des Zeitraumes ist so aufzufassen, dass die Sprechzeit noch innerhalb dieses Zeitraumes liegt (es ist also noch nicht afternoon), daher ist mit „Es hat den ganzen Morgen geregnet“ nur dann richtig übersetzt, wenn der Kontext klar erkennen lässt, dass dies noch am Morgen gesagt wird. Ginge dies nicht aus dem Kontext hervor, müsste man diese Intention des present perfect progressive explizit machen, etwa mit „Jetzt regnet es doch schon den ganzen Morgen“. Denn das deutsche „Es hat den ganzen Morgen geregnet“ könnte man ja auch am Abend sagen. Das Ausgreifen des perfektiven Aspektes in die Vergangenheit gilt auch dann, wenn bereits von der Vergangenheit ausgegangen wird, dann „weiter nach hinten“. It had been raining all morning ist also, umschrieben, in etwa ‘für diesen erwähnten Morgen war, noch am Morgen, zu sagen It has been raining all morning’. Das past perfect übernimmt dabei häufig die Funktion, die das deutsche Plusquamperfekt ausdrückt, nämlich die Vorzeitigkeit. He learned that the fence between the two properties had been removed.

“…dass der Zaun zwischen den beiden Grundstücken entfernt worden war.“ Ein was removed wäre allerdings auch möglich – es hat den Anschein, als müsse man im Englischen die Vorzeitigkeit nicht so stark mit dem past perfect koppeln wie im Deutschen die Vorzeitigkeit mit dem Plusquamperfekt. Wenn der Kontext nicht sonderlich aussagekräftig ist, ist zu bedenken, dass das past perfect auch past tense ist, also eindeutig in der Vergangenheit lokalisiert und damit ‚bis dahin’ signalisiert. The doctor had been working alone.

“Der Arzt hatte (zuvor immer/bis dahin) alleine gearbeitet.” Vor allem in der Kombination mit der progressiven Form wird signalisiert, dass der entsprechende Vorgang längere Zeit angedauert hat. Das geht bei He arrived back in Munich from Rome where he had been studying for three months

aus dem Kontext hervor. Aber auch ohne Kontext, wie in He arrived back in Munich from Rome where he had been meeting other OAS leaders

ist klar, dass es sich um längere Gespräche, ein ausführliches Treffen gehandelt hat. 7.3.2. Aspekte/Zeit/Modalität

48 7.3.2.1. Zukünftigkeit. Ob das, was “wir Menschen” so sagen, alles richtig und wahr ist und stimmt, ist eine philosophische Frage. Zumindest in Bezug auf Vergangenheit und Gegenwart gehen viele davon aus, dass man sich wahr und objektiv äußern könne. Was die zukünftige Ereignisse betrifft, sind auch weniger philosophisch Veranlagte geneigt zuzugeben, dass man sich über die Zukunft gewissermaßen unter Vorbehalt äußert, man weiß ja nie.... Im Englischen gibt es eine Reihe von Konstruktionen, mit denen man sich hinsichtlich der Gewissheit des Eintritts eines zukünftiges Ereignisses äußert. So etwa mit dem simple present, dem present progressive, will/shall plus Verb, will plus progressive, be going to plus Verb, verschiedene Modalverben plus Verb (und einige solcher, die zwar ‚Gegenwart’ bedeuten, die Zukünftigkeit aber implizieren (be to, about to, at the point of usw.). Diese Konstruktionen sind nicht frei austauschbar und tragen ihre eigene Bedeutung. So impliziert It’s going to go wrong – nach Meinung der meisten Grammatiken: die Anzeichen sind jetzt erkenntlich vorhanden, dass etwas schief geht, gleich, ziemlich bald, oder auch später. These are my New Year’ resolutions: 1. I will help the blind over the street. 2. I will hang my trousers up. 3. I will put the sleeves back on the records. [etc.]

“Das sind meine Vorsätze für das Neue Jahr: 1. Ich werde den Blinden über die Straße helfen 2. Ich werde meine Hosen auf den Bügel hängen...“. Das will plus Verb wird als diejenige Form der Zukünftigkeits-Äußerung angesehen, bei welcher sich der Sprecher am wenigsten festlegt, kompromittiert, also als die neutralst mögliche Art. Allerdings: nicht in Verbindung mit der 1. Person, hier kann dann eine kontextbedingte Volition gesehen werden, daher oben werden. ... my mother still hasn’t worn the green lurex apron I bought her for Christmas. She will get bathcubes next year.

“… Nächstes Jahr kriegt sie ein Badesalz.“ Ein „... wird sie... kriegen“ ist in diesem Zusammenhang kaum wahrscheinlich. Allerdings, die Konstruktion will plus Verb verführt sozusagen zu der Paraphrase mit werden; darauf ist besonders zu achten. Die Umschreibung mit werden wird im Deutschen u.A. benutzt, um eine Unsicherheit oder relative Unerwartetheit des Ereignisses anzuzeigen, seitens des Sprechers. Wenn in einem Artikelvorspann angekündigt wird Doctor Smith will tell you why

(und dessen Ausführungen unmittelbar folgen), dann ist das “Dr. Smith sagt Ihnen nun warum“, und nicht „wird Ihnen sagen“: das wird ist nur die unerwünscht interferierende Folge der Konstruktion mit will. Mrs. Ramsay stellt ihrem Jungen einen Ausflug in Aussicht. (Der if-Satz muss aus syntaktischen Gründen das einfache Präsens haben.) „Yes, of course, if it’s fine tomorrow“, said Mrs Ramsay. “But you’ll have to be up with the lark”, she added.

Die anschließende Schilderung der Gedanken ihres Sohnes wird unterbrochen: “But”, said his father, stopping in front of the drawing-room window, “it won’t be fine.”

Das ist eine neutrale Voraussage. Nach der Wirkung dieser Worte auf den Jungen erfahren wir von der Mutter „But it may be fine – I expect it will be fine.”

“Aber vielleicht wird es doch schön. Ich glaube, es wird schön.“ Ein „Morgen ist es schön“ könnte man im Deutschen nur sagen, wenn ganz Mitteleuropa von Hochdruckgebieten umgeben wäre (doch englisch *tomorrow it is fine). Im Folgenden ist von dem Inhalt einer Regierungserklärung die Rede. The main spending cuts will fall on the federal Labour Office

49 “Die größten Einschnitte werden die Bundesanstalt für Arbeit betreffen.” Tax benefits for homebuyers will be restricted to families with children.

“Steuerleichterungen für Hauskäufer werden auf Familien mit Kindern eingeschränkt“ – hier steht das deutsche Präsens, wohl wegen „ ?... werden... eingeschränkt werden“, die Absicht der Regierung könnte hier auch durch sollen formuliert werden. Better-off Germans will also be asked to pay higher pension contributions. These are levied as a proportion of wages.

ask to ist ‘verlangen, (ein)fordern’, besser verdienende Deutsche „müssen zahlen“, „werden zahlen müssen“ oder „sollen zahlen“. Der folgende Satz mit are levied bezieht sich aber nun nicht auf die Zukunft, sondern erklärt das derzeitig übliche Abgabensystem. „Letztere werden über die Gehälter errechnet“ ist nicht richtig, weil das Dargestellte als zukünftig aufgefasst werden könnte, aber bereits der Fall ist, mithin etwa „(Letztere sind nach dem derzeitigen System von der Höhe der Gehälter abhängig)“, durch die Klammern als Erklärung gekennzeichnet (und vielleicht ganz weglassbar; über wages und ‚Gehälter’ müsste man auch noch reden). Mr Schröder will have a tough struggle turning his plans into law.

“… wird sich schwer tun...“, und bei weitem nicht alle will-Übersetzungen verstehen sich von selbst. Kraft der zeitlichen Streckung kann das present progressive, in Verbindung mit entsprechenden Zeitangaben, zukünftige Ereignisse bezeichnen. Meist ist dabei von Handlungen die Rede, die ein Treffen implizieren und social activities beschreiben, etwa We’re having dinner tonight together oder We’re going to the movies this evening. Noch einmal, an einem fiktiven Beispiel, einige der Möglichkeiten, mit den „Schattierungen“ in Klammern: We have a rehearsal on Friday (‚so, wie es im Probenplan steht’) We are going to have a rehearsal on Friday (‘so wie es aussieht’, ‘ich will, dass’) We are having a rehearsal on Friday (‘wir treffen uns… [vielleicht ironisch]’) We’ll have a rehearsal on Friday (‚relativ neutrale Ankündigung’). 7.3.2.2. Modalverben. Die Modalverbkonstruktionen des Deutschen und Englischen ähneln einander. Dies dürfte der Grund für eine Reihe von Flüchtigkeitsfehlern sein (etwa may immer als „mag“, might als „möchte“, mangelnde Differenzierung von konnte/könnte usw.) Und: nicht jede Modalverbkonstruktion des Englischen muss mit einer des Deutschen wiedergegeben werden. There is a chance my parents could be alcoholics. Next year I could be in a children’s home.

“Gut möglich, dass meine Eltern Alkoholiker sind. Vielleicht bin ich nächstes Jahr in einem Heim für Jugendliche.“ Vor allem can wie in Can you see the bird over there? “Siehst du …” ist, aus deutscher Sicht, oft redundant. Adverbien wie vielleicht, wahrscheinlich, wohl, bestimmt, Konstruktionen mit Möglichkeit usw. mit es ist möglich, denkbar ist, es könnte sein erfüllen denselben Zweck wie die Modalverben und bieten sich zumindest als Alternativen an. Man denke in diesem Zusammenhang auch die deutschen Adjektivableitungen auf –bar oder –lich, die in vielen Fällen das englische may/can plus Verb + Objekt ersetzen (so man sich einmal von der Wörtlichkeit gelöst hat). I looked the place over. You can’t tell anything about an outfit like that. They might be making millions, and they might have the sheriff in the back room, with his chair tilted against the safe .

50 “Ich schaute mich gründlich um. Etwas Genaues weiß man nie bei einem solchen Laden. Denkbar vielleicht, dass sie Millionen machen, denkbar auch, dass der Sheriff im Hinterzimmer ist...“ Unter den entsprechenden Stichwörtern bieten die Lernerwörterbücher genügend Auskunft zu den Modalverben. Es ist schlichte Unkenntnis, sollte man bei den folgenden beiden Sätzen Probleme haben (ein Lehrbuchbeispiel): The road can be blocked The road may be blocked

Das can beschreibt eine theoretische Möglichkeit: wie jede Straße kann auch diese gesperrt werden, unpassierbar sein, das may eine faktische Möglichkeit, ‚es ist möglich, dass’. Modalverben können den Nucleus einer Toneinheit bilden und dann emphatisch eingesetzt werden. Ein betontes CAN könnte u.A. implizieren ‚selbstverständlich kann die Straße auch gesperrt werden’, ein betontes MAY dann ‚es ist aber durchaus möglich, dass...’.

7.3.3. Aspekte und Lexik Das Beispiel The dog has run off >”?Der Hund ist weggerannt/Der Hund ist verschwunden” zeigt, dass die Setzung von Aspektformen für die Übersetzung lexikalische Konsequenzen haben kann. Man kann hier auf die sogenannten Aktionsarten zurückgreifen. Darunter versteht man eine Art innerer Zeit, die mit der Handlung des jeweiligen Verbs verbunden ist. Ein Verb wie dauern oder leiden hat eine „durative“ Aktionsart, eines wie schütteln eine „iterative“ (mehrere Male dieselbe Einzelhandlung), eines wie knallen eine „punktuelle“, eines wie zurückkehren eine „telische“ (auf ein Ziel bezogen, end-punktuell, oft auch resultativ, also ein Ergebnis bezeichnend).Wenn wir davon ausgehen, dass die Aspekte irgendwie eine zeitliche Streckung der Verbhandlung bewirken, dann ist zu fragen, welchen Effekt die Kombination der einzelnen Aktionsarten mit den Aspekten hat. Würde gesagt I returned home, dann bin ich nach Hause zurückgekommen (und vielleicht schon wieder weg), I have returned home impliziert, dass ich zurückgekehrt bin und noch da bin, bei I am returning home/I was returning home bin/war ich „auf den Rückweg“, ‚am Zurückkehren’. Die zeitliche Streckung des zielbezogenen return bewirkt also, dass der Zeitraum vor Erreichen des Zieles mit einbezogen wird, und von daher muss z.B. mit Rückkehr übersetzt werden. Solange nicht gesagt ist He constructed/has constructed a new engine, ist der neue Motor noch nicht fertig und der Erfinder is/was constructing a new engine, ist/war also mit der Herstellung beschäftigt, d.h., das telische erfinden oder herstellen ist fehl am Platze für das past progressive und das present progressive. Jemand, von dem gesagt wird they are drowning, kann noch gerettet werden. Bei iterativen Verben ergeben sich keine wesentlichen Änderungen. Bei punktuellen Verben stellt sich mit der progressiven Form eine Wiederholung, also eine Iterativität ein: he was stabbing me ist „er stach auf mich ein“. Bei „ingressiven“ Verben, besonders bei be starting, be beginning, be getting, be becoming wird sozusagen der Anfang gedehnt, vgl. oben „so langsam fing ich an, die Gillerlain Company richtig zu mögen“. Manchmal kann man sich hier mit abgeleiteten Verben behelfen, vgl. blühen – erblühen, kalt/rot werden – erkalten, erröten.

51

8. LAUTES LESEN UND ÜBERSETZEN 8.1. Partikeln und Ähnliches It was only eight years earlier that Granada, the last Muslim region of Spain, had succumbed to the armies of Ferdinand and Isabella; but that signified the end of a regional campaign, not of the far larger struggle between Christendom and the forces of the Prophet.

Wenn man versucht, diesen Satz laut zu lesen, wird man wohl the end of a REgional campaign lesen, nicht of a regional camPAIGN, sozusagen ein verdeckter defining relative clause, geleitet wird man dabei von dem but und dem not of.... Man kann dies mit „regionaler Feldzug“ übersetzen, in der Hoffnung, dass dies als REgionaler Feldzug und nicht als regionaler FELDzug aufgefasst wird. Man kann diese Einengung auch lexikalisch fassen, indem man nur oder lediglich hinzufügt, oder mit regional/örtlich begrenzt arbeitet. Auf jeden Fall kann man die Ansicht vertreten, dass in dem betonten, hoch angesetzten REgional das ‚nur’ stecke. Dies würde bedeuten, dass intonatorische Abläufe des Englischen im Deutschen lexikalische Konsequenzen haben. Von einem Parasiten, der Schlangen heimsucht, heißt es Nor are pentastomids restricted to snakes. People can get them by eating underdone snake meat.

Pentastomiden befallen also nicht nur Schlangen. Nach dieser Information ist das can get them des darauffolgenden Satzes bekannte Information, das Neue ist, dass Menschen betroffen werden können. Das so irgendwie „markierte“ people wird hier ebenfalls betont und mit Verwendung eines hohen Ansatzes gesprochen, die Übersetzung ist damit „Auch Menschen können befallen werden“, eventuell „Befallen werden auch Menschen“, aber eben auch mit auch. In der speziellen Intonation von people steckt also das auch. Bei dem Schlangenfleisch kommt es darauf an, dass es underDONE (betont) ist, also „nicht ausreichend gegartes Schlangenfleisch“ ist oder „Schlangenfleisch, das nicht (ausreichend) GAR ist“; die Konstruktion ist vom selben Typ wie a regional campaign. Der Zoo der London Zoological Society wurde 1828 eröffnet, admitting MEMbers and their guests.

Dass Mitglieder und deren Gäste eingelassen wurden, ist eigentlich kaum mitteilenswert, wohl aber, dass es „nur“ die Mitglieder und deren Gäste (MEMbers) waren. Der Artikel über den Pentastomiden wird mit der Bemerkung eingeleitet, dass es eine Reihe von Ungeziefer gibt, das Ekel erregt, dass aber die ekligsten üblicherweise auch schleimig sind. Guinea worms (now, thankfully, almost extinct), for example, hatch beneath human skins… Botflies also lay their eggs beneath the skin.

Guinea worms und botflies sind Beispiele für solch schleimige Parasiten, vgl. das for example und das also. Wegen des for example und des also würde man guinea worms und botflies betonen und hoch ansetzen, und aus einer solchen Intonation geht das „zum Beispiel“ auch dann hervor, wenn for example oder also hier nicht stehen würde. Die bislang zitierten Beispiele haben die Eigenschaft, dass der zweite Satz oder der zweite Teil des Satzes im Prinzip nur Ergänzungen zum Bekannten bringt und das Neue dann von der Konstruktion her frontiert. Ein Autor schreibt von der Bevölkerung Italiens:

52 Its people are blessed with charm, humour and the ability to enjoy, and to let others enjoy, life. Few have so brilliant a sense of style and fashion …

Der zweite Satz hat ein betontes FEW am Anfang, das rechtfertigt die Übersetzung „nur wenige“. Ein ähnlicher Zusatz war Gegenstand eines langen Streits zwischen Protestanten und Katholiken. Luthers Übersetzung des (Bibel-)Satzes Arbitramur hominem esse beatum fidei absque operibus

zeigt die Annahme, dass auf fidei eine besondere Betonung liege: „Wir halten dafür, dass der Mensch gerecht werde allein durch den Glauben und nicht durch die Werke“. Der Vorwurf der Gegenseite lautete, Luther habe gleichsam ein sola (‚nur, allein’) zugefügt und auf diese Weise das Wort Gottes verfälscht. Wir wissen es hoffentlich besser. Nun zurück zu Prosaischerem. Das Pflaster vor einem Gebäude wird aufgerissen and a hatless man... was watching the work and looking as if it was breaking his heart.

“...als bräche ihm das Herz.” Beim lauten Lesen hat man den Eindruck, als sei das as if und das Folgende rhythmisch besonders gestaltet: as /if it was/breaking his/HEART : taRAMtataRAMtataRAM. So gelesen drängt sich als Pendant auf „als bräche ihm schier das Herz“. Zugegeben, eine Interpretation, aber nicht weithergeholt. Das nächste Beispiel ist überzeugender. Detective Marlowe will Mr. Kingsley sprechen. Die Empfangsdame blickt auf seine Visitenkarte und fragt: “Have you an appointment?“ „No appointment.“ „It is very difficult to see Mr Kingsley without an appointment.”

Die Lese-Art “It is very DIFFicult … - mit einem hohen Ansatz auf dem DIFF - ist hier ziemlich wahrscheinlich, und dieses DIFF- würde als Übersetzung haben „es ist aber sehr schwierig...“, würde also im Deutschen das Partikel aber hineinbringen. Zu den Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die sich damit für die Übersetzung ins Deutsche eröffnen, ist einiges zu bemerken. Man kann die möglichen Interpretationen sicher auch forcieren und übertreiben: Wenn man registriert, dass die Konstruktion Have you an appointment eine formelle und distanzierte Haltung ausdrückt, könnte es sein, dass Marlowe mit No appointment nicht einfach meint „Nein, keinen Termin“, sondern (mit anderer Intonation) „Nein, einen Termin nicht“ – man nähert sich dann einem Drehbuch mit detaillierten Regieanweisungen und Interpretationen. Andererseits sind Partikeln (und Ähnliches) ein so offensichtliches Kennzeichen der (gesprochenen) deutschen Sprache, dass sie auch berücksichtigt werden müssen. Der Esel I-A steht trübsinnig mitten im Wald, als Puh-der-Bär vorbeikommt. Puh fragt freundlich, wie es ihm gehe, der Esel antwortet, es gehe ihm irgendwie überhaupt nicht. „Dear, dear“, said Pooh. “I’m sorry about that. Let’s have a look at you.” So Eeyore stood there, gazing sadly at the ground and Winnie-the-Pooh walked all round him once. “Why, what’s happened to your tail?” he said in surprise. “What has happened to it? said Eeyore. “It isn’t there!” “Are you sure?” “Well, either a tail is there or it isn’t there. You can’t make a mistake about it, and yours isn’t there!”

“Ach du meine Güte”, sagte Puh. “Das tut mir aber leid. Lass dich mal anschauen.“ I-A stand da und schaute lange und traurig auf den Boden, und Puh ging einmal ganz um ihn herum. „Hey, was ist denn mit deinem Schwanz passiert?“ sagte er, ganz erstaunt.

53 „Was soll denn damit passiert sein?“ sagte I-A... Hier verhält es sich doch klar so, dass die zugefügten denn, mal, aber die Unterhaltung „natürlich“ machen. Mit diesen Partikeln werden (u.A.) die Sprechakte modifiziert, z.B. wird die Aussage verstärkt („Das tut mir aber leid“). Eeyores „Was soll denn damit passiert sein?“ impliziert, dass er sich „eigentlich“ gar nicht vorstellen kann, was mit seinem Schwanz passiert sein könnte usw. Mit dem ja in z.B. Er müsste es ja wissen kann eine Erwartung signalisiert werden. Das Problem beim interpretierenden lauten Lesen, das die Übersetzung steuern soll, ist freilich, dass die Intonationsverläufe und -besonderheiten des Englischen bei weitem nicht allen Übersetzenden bekannt sind, dass entsprechende Ratschläge also wenig fruchten können. Gelegentlich kann man jedoch Hinweise ausnützen: so enthält die erste Frage Eeyores oben ein kursiv gesetztes has, und Kursivität ist normalerweise als Signal für ‚Emphase’ aufzufassen. Puh bemerkt das Fehlen des Schwanzes in surprise, ein deutliches Signal für denn. Solche Signale kann man verwenden, doch beim vorschnellen Schließen von Charaktereigenschaften der Sprechenden auf Partikeln ist Vorsicht geboten. 8.2. Toneinheiten Beim spontanen Sprechen wie auch beim lauten Lesen wird das Gesprochene in Abschnitte aufgeteilt, in tone units, Intonationseinheiten. Nach allgemeiner Ansicht bestehen diese Einheiten aus verschiedenen Teilen. Die Einheit wird mit dem sogenannten Nucleus beendet, das ist eine betonte Silbe, innerhalb derer sich der wesentliche Tonverlauf abspielt. It was only eight years EARlier / …

Die leichte Hebung (zusammen mit sorgfältigerer Aussprache und oft auch erhöhter Lautsärke) auf dem EAR- macht den Nucleus aus. Einige unbetonte Silben können nachfolgen (hier: -lier). Dieser Nucleus kann, für unsere Zwecke, gleichgesetzt werden mit dem, was der Sprecher als den relativ wichtigsten Teil der Einheit ansieht. Der Nucleus kann prinzipiell alleine stehen, wie in NO!, hat aber in der Regel einen „Vorlauf“, das sind die betonungsfähigen Wörter davor, in unserem Falle only eight years. Dem Vorlauf selbst können einige Silben vorangehen, die aber nicht betonungsfähig sind, hier it was. Insgesamt also etwa /it was only eight years EARlier / …

Eine mögliche Lese-Art des ganzen Satzes, was die Setzung der Nuclei betrifft, wäre It was only eight years EARlier that GranAda, the last Muslim region of SPAIN, had succumbed to the armies of FERdinand and IsaBELla; but that signified the end of a REgional campaign, not of the far LARger struggle between Christendom and the forces of the PROphet.

Hier sind natürlich einige Variationen denkbar. Vor allem ist zu beachten: je langsamer man liest/spricht, desto mehr Toneinheiten können gesetzt werden, z.B. between CHRISTendom and the FORCes of the PROphet

Darauf kommt es hier aber nicht an (auch nicht auf theoretische Fragen, wie z.B. ob eine Toneinheit nicht auch zwei Nuclei haben darf). Worauf es hier ankommt ist das Folgende. Wenn eine Informationseinheit im Ausgangstext offensichtlich eine Toneinheit erhält, dann dürfte sie, vom Autor her, so wichtig sein, dass man sich auch in der Übersetzung um eine entsprechende Prominenz bemühen muss. Ob dies vorliegt, ist verhältnismäßig einfach festzustellen (und ist einfacher als das Interpretieren für die Partikeln). It is a truth universally acknowledged that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife.

54 Hier steht nicht, was syntaktisch auch möglich wäre, It is a universally acknowledged TRUTH, sondern It is a TRUTH universally acKNOWledged. Für die Übersetzung ist dies der Hinweis, dass es sich nicht um eine „allgemein anerkannte LEbensweisheit“ handelt, sondern um „eine LEbensweisheit, die allgemein ANerkannt ist/von jedermann ANerkannt wird“ (oder ähnlich). Auf die früher gemachte Bemerkung, dass es nicht schaden könne zu überlegen, warum gerade so und nicht anders formuliert wurde, sei verwiesen. Der Esel I-A hängt, mitten im Wald, seinen trübseligen Gedanken nach. Als auf einmal Puh vorbeikommt: Eeyore was very glad to be able to stop thinking for a little, in order to say „How do you do?“ in a gloomy manner to him.

Syntaktisch könnte das in a gloomy manner auch als Adverb gloomily realisiert werden. Der Zweck von in a gloomy manner ist, über diese Konstruktion, dem Inhalt ‚niedergeschlagen, traurig’ eine eigene Toneinheit zu geben und ihn so nicht, als kurzes Adverb, sozusagen untergehen zu lassen. Konstruktionen wie in an elegant manner, in a friendly way, with a loud voice sind betonte Alternativen zu entsprechenden, meist unbetonten oder nicht setzbaren Einzelwörtern. Im Deutschen gibt es Entsprechungen, wie auf elegante Art. Der kommunikative Zweck von in a gloomy manner wird aber auch erreicht, wenn man traurig oder ganz traurig o.Ä. zwischen Kommas absetzt: „um ihn, ganz niedergeschlagen, mit einem „Sehr erfreut“ zu grüßen“. Ein ähnliche Funktion haben die zahlreichen „Funktionsverbgefüge“ im Englischen, also Konstruktionen vom Typ have an X, take an X, do an X, give an X. Vgl. We had an efficient meeting - *We met efficiently; I had a nice swim - *I swam nicely; I took a cold shower – *I showered cold; I gave her a friendly smile - *I smiled at her friendly: “Unser Treffen war erfolgreich; Ich genoss das Schwimmen; Ich duschte kalt; Ich lächelte sie freundlich an.“ Im letzten Beispiel wird die Verbhandlung (give a smile) über ein Adjektiv modifiziert, der Gesamteffekt ist der von „Ich lächelte sie freundlich an“. In Zusammenhang mit den Toneinheiten ist auch auf die verkürzten Relativsätze näher einzugehen, also Konstruktionen vom Typ eastern empires possessing fabulous wealth Italians tend to own the houses they live in the animals they caged a crunchy material called chitin

Hier stehen keine Relativpronomina, in zwei Fällen nicht-finite Formen (possessing, called). Der Zweck dieser Konstruktionen lässt sich möglicherweise erschließen, wenn man bedenkt, dass prämodifizierende Strukturen (statt der hier vorliegenden postmodifizierenden) Beschränkungen unterworfen sind. Es gibt im Englischen keine *playing children, keine *lost purse oder *saved passengers, ganz zu schweigen von *the in the garden playing children „die im Garten spielenden Kinder“. …an assumption that they could easily regulate and unravel the behaviour of the animals they caged.

Man kann dies übersetzen mit „die Ansicht, sie könnten das Verhalten der Tiere, die sie in Käfigen hielten, ohne Schwierigkeiten lenken und erklären“. Man erhält dann aber „... der TIEre, die sie in KÄfigen hielten/die sie in Käfigen hIELten...“und legt auf das caged ein unangemessenes Gewicht. Mit einer Prämodifikation im Deutschen lässt sich das mildern: „gefangener TIEre“, auch „im Käfig gehaltener TIEre“. Die Information, die in they caged enthalten ist, ist zwar nicht unwichtig, aber sie ist auch nicht weiterführend (das they caged ist sozusagen linksdominiert von animals). In knowledge of eastern empires possessing fabulous wealth

55 sind die Reiche im Osten (oder die östlichen Reiche) aus dem Kontext bereits bekannt, der Nucleus liegt auf WEALTH. Wenn man den Relativsatz possessing fabulous wealth ausführlich übersetzt, erhält man „östliche REIche, die fabelhafte REIchtümer besaßen“. In den verkürzten Relativsätzen mit Partizipialformen sind die Verben oft semantisch so leer oder „bedeutungsarm“, dass, in der Übersetzung, sich Präpositionen anbieten, hier „östliche Reiche mit fabelhaften Reichtümern“. Von den eingesetzten Wörtern her hat diese Konstruktion eine Nominalphrase, dann ein beziehungsherstellendes Wort, dann wieder eine Nominalphrase, und kommt so Form und Zweck des Originals ziemlich nahe. In ähnlicher Weise könnte man a crunchy material called chitin

als „eine knusprig-knackige Substanz namens Chitin“ wiedergeben. Italians tend to own the houses they live in

Hoffentlich verwirft man zunächst “Italiener tendieren dazu, die Häuser, in denen sie wohnen, zu besitzen“. Die Konstruktion... they live in müsste prinzipiell „bewohnte Häuser“ oder gar „ihre Häuser“ ermöglichen (und tend bedeutet, dass viele etwas tun oder es oft tun, und own ist ‚als Eigentum haben’, nicht als Besitz). Ein wenig gewendet könnte die Lösung sein: „Viele Italiener sind Eigentümer der von ihnen bewohnten Häuser“ (o.Ä.). In Fachsprachen und in formeller Sprache finden sich häufig Relativsätze wie the subjects tested, the measures proposed, the actions carried out, für die die Prämodifikation im Deutschen fast inmer eine Alternative ist, auch bei längeren Konstruktionen: the powers conferred to it by this treaty - die ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse; the timetable set out therein – die darin vorgesehene Zeitfolge. Ein Teil der Postmodifikationen ist im Englischen, wie angedeutet, relativ leer und kann gelegentlich ohne Schaden auch weggelassen werden: research carried out in the US – die amerikanische Forschung oder, sollte es auf die United States ankommen, die Forschung in den Vereinigten Staaten. Es kommt vor, dass die Übersetzung ins Deutsche dazu zwingt, Toneinheiten zu kreieren, wo im englischen Original keine sind. (Das folgende Beispiel wurde schon erwähnt.) Who cared if the Bengal tiger was hunted by every colonel in the Raj?

In the Raj ist eine Postmodifikation zu colonel, und linksdominiert. Wenn man es wiedergibt mit „während der britischen Kolonialherrschaft“, vielleicht noch mit dem Zusatz „in Indien“, dann wächst sich in the Raj zu einer handfesten Phrase aus, die ihr eigenes Gewicht hat und das Informationszentrum des Satzes beeinträchtigt. Die vorgeschlagene Lösung war, es als Parenthese, zwischen Kommas, Klammern oder Gedankenstrichen zu verstecken. Dieser satzperspektivische Trick empfiehlt sich immer, wenn man Zusatzinformationen geben will oder muss (vgl. Kap. 2). 8.3. Rhythmus In 8.1. wurde auf die rhythmische Gestaltung von as if it was breaking his heart

aufmerksam gemacht, und auf die Konsequenz, die dies für die Übersetzung haben könnte. Solche Textstellen werden als Indiz dafür angesehen, dass das gesprochene Englisch zu einem sogenannten isochronen Rhythmus neige, will sagen: die Stücke if it was und breaking his und heart werden so ausgesprochen, dass sie jeweils ungefähr dieselbe Zeit beanspruchen, dass damit auch die Abstände zwischen if und break- und heart gleich lang sind. Sicher folgt nicht jeder englische Satz einer Isochronie, schon gar nicht einer strengen, aber manchmal kann man kaum umhin, eine solche Besonderheit zu registrieren. It is a truth universally acknowledged that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife.

56

Man kann den Schluss des Satzes so lesen: must BE in WANT of a WIFE, aber auch als MUST be in WANT of a WIFE (=IF it was BREAKing his HEART). Das wiederum kann man als Hinweis dafür nehmen, was dieser Satz eigentlich bedeuten soll. Wenn must betont ist, wäre zu interpretieren: eben deshalb, weil ein Mann ledig und vermögend ist, fehlt ihm nur noch eine Ehefrau. Dies würde zu der Pseudologik der Lebensweisheit gut passen und sich in die ironische Grundhaltung der Schriftstellerin (Jane Austen) fügen. Man kann einwenden, dies sei eine Interpretation und daher keine Grundlage für die Übersetzung. Dem wäre zu entgegnen: zu übersetzen, als stünde hier must BE, ist auch eine Interpretation (und eine weniger gute). Man muss immer interpretieren, denn das Verstehen eines Textes ist etwas anderes als das Umgießen eines Topfes in einen anderen.

9. VON TEXTEN 9.1. Texte und Organisation Eines der Beschreibungsmodelle für die Sprache hat folgendes Aussehen: sentence clause phrase word morpheme phoneme

Es ist so zu lesen: sentences bestehen aus mindestens einem clause, clauses aus mindestens einer phrase, phrases aus mindestens einem Wort, usw. Warum ergänzt man, wenn man Texte beschreibt, nicht einfach das Modell ganz oben um texts und sagt: texts bestehen aus mindestens einem sentence, sentences aus mindestens einem clause usw.? Der Grund dafür liegt darin, dass man von Texten sagt, sie seien „organisiert“ und nicht „strukturiert“. The Treloar Building was, and is, on Olive Street, near Sixth, on the west side. Dieser Satz (der Anfang eines Romans) dient als Ausgangspunkt für den folgenden Satz. Der Erwartungshorizont für diesen folgenden Satz ist aber sehr breit. Satz 2 könnte etwas zur Geschichte des Gebäudes, seinem Zweck, Äußeren enthalten, oder eine noch genauere Lagebeschreibung, oder irgendeine Reminiszenz des Autors, oder eine allgemeine Betrachtung über diese Art von Gebäude. Der tatsächliche Satz 2 The pavement in front of it had been built of black and white rubber blocks.

bringt, warum auch nicht, eine Einzelheit aus der Umgebung des Gebäudes (auf das mit dem Pronomen it wieder Bezug genommen wird).

57 Diese relative Offenheit in der Fortführung steht im Unterschied etwa zum Aufbau der Phrasen. Vor einem the können nur noch sog. predeterminers (wie in many of the boys) stehen, nach dem the dann postdeterminers plus/oder Prämodifkation (wie in the two old men), und nach der Postmodifikation (wie in the house at the corner) und einem eventuellen Relativsatz ist die Nominalphrase beendet. Die einzelnen Bestandteile haben ihren Platz und ihre Nachbarn: dies macht eine syntaktische Struktur aus. Wenn man „Struktur, strukturiert“ so versteht (und so ist es in der Linguistik üblich), kann man von Texten nicht als „strukturiert“ sprechen. Das Ordnungsprinzip von Texten ist die „Organisation“. So kann ein Satz 3 dieselbe Sache zum Gegenstand haben wie Satz 2, oder die Lösung des in Satz 2 enthaltenen Problems bringen, oder ein Beispiel zu Satz 2 bringen, oder eine vorgezogene Antwort (mit der Frage erst in Satz 4) geben, oder textintern gliedern wie z.B. mit Aber zunächst müssen wir ein terminologisches Problem lösen. Bei einem organisierten Text wissen wir, „was der Autor gerade macht“ - bei nicht organisierten Texten weiß man das nicht, fragt sich, „was dieser Satz hier soll“, fragt sich, ob das überhaupt ein Text und nicht nur eine Ansammlung von Sätzen ohne Zusammenhang ist.

9.2. Metatexte Hier sei eine kurze (und triviale) Überlegung zum Zweck des Übersetzens eingefügt. Der Zweck besteht darin, daß man einen Text A (der Ausgangssprache) in einen Text Z (der Zielsprache) verändert, um auf diese Weise solche Leser, die den Text A mangels Sprachkenntnissen nicht verstehen können, über eben diesen Text zu informieren. Mit "Informieren" ist das Folgende gemeint. Würden wir eine lateinische Urkunde übersetzen, mit der ein mittelalterlicher Ort zur Stadt erhoben wird bzw. wurde, dann wäre die Übersetzung natürlich keine Stadterhebungsurkunde - sie ist "nur" eine Information über die ursprüngliche Urkunde. Würden wir die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten übersetzen, dann wäre die Übersetzung nicht die Unabhängigkeitserklärung - die nämlich entstand 1776 als englischsprachiger Text sondern ein Text, der Deutschsprachige über diese Erklärung informiert. Genau besehen, ist der Text Z also ein Text "über" den Text A, ein Metatext. Der Text Z ersetzt den Text A nicht, sondern kommt hinzu. Aus dieser Überlegung - dass der Text Z eine Information über den Text A ist - folgt, dass dann übersetzt wird, wenn sich die Übersetzung lohnt. Die ursprüngliche Information wird als so wichtig erachtet, dass sie einem neuen Kreis von Lesern oder Hörern zugänglich gemacht werden soll. Dies bedeutet in den meisten Fällen auch, dass die neue Information als nützlich und/oder als verkaufbar angesehen wird: Die Übersetzung stand schon immer in einem Spannungsfeld zwischen "Mission" und Kommerz. Die meisten Übersetzungen sind von einer Art verdeckter Qualität: wenn wir einen übersetzten Roman oder einen übersetzten Fachartikel lesen, geben wir uns dem Eindruck hin, wir läsen den echten Roman oder den echten Artikel - nur eben auf Deutsch. Wir wissen zwar letzten Endes, dass dem nicht so ist, dass wir "nur" eine Information über den Text lesen verharren aber gerne in der Illusion, ein Original in der Hand zu haben. Übersetzungen werden auch meist so angefertigt, dass sie diese Illusion fördern. Wenn heute eine Kurzgeschichte oder Novelle übersetzt wird, geschieht dies nicht etwa in Form einer ausführlichen Zusammenfassung oder einer gekürzten Nacherzählung. (Zu Shakespeares Zeiten war es üblich, Übersetzungen mit ausführlichen Vorworten zu versehen, in denen der

58 Sinn, Zweck und die Art des Übersetzens ausgebreitet wurde, häufig wurden die Übersetzungen auch kommentiert oder mit Anmerkungen versehen.) Die Illusionsförderung, von der oben die Rede war, ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass beim Übersetzen die Textsorte, das genre, berücksichtigt wird. 9.3. Textsorten Solche genres kann man am besten als historisch gewachsene Konventionen beschreiben, mit denen, eine bestimmte Konstellation von Textfaktoren vorausgesetzt, Texte tatsächlich geschrieben werden. Naturwissenschaftliche Fachartikel können als eine solche Textsorte angesehen werden, auch Gesetzestexte, Kurzgeschichten, Kochrezepte, Nachrufe, Bankberichte, Leitartikel, Bastelanweisungen usw. Allerdings ist bei diesen Textsorten zu bedenken, dass es keinen Kanon von einzelnen Qualitäten gibt, die sämtlich vorhanden sein müssten, damit eine bestimmte Textsorte entsteht. Vielleicht bestehen „prototypische“ Vorstellungen davon, wie man z.B. eine Bastelanweisung „am besten“ schreibt. Mit dem prototypischen Modell könnte man auch erklären, dass die tatsächlichen Produkte erhebliche Unterschiede zeigen können, vgl. z.B. die verschiedenen Arten von Wetterberichten in den Tageszeitungen. Die Überlegungen zu Textsorten haben dazu geführt, dass man derzeit meint, beim Übersetzen sei die Funktion des Originaltextes in der Ausgangssprache auch in der Zielsprache (weitgehend) beizubehalten, also eine Konstanz der Textsorten herzustellen. Das leuchtet als sinnvolles Übersetzungsziel ein, entbehrt aber nicht einer gewissen Obskurität. Die Anweisung „Übersetze ein Kinderbuch so, dass es als Kinderbuch gelesen werden kann“ oder „Übersetze diesen Artikel aus The Economist so, dass er auch in Der Spiegel geschrieben werden könnte“ ist ja eine Pseudo-Anweisung: erstens ist nirgends genau festgelegt, wie ein Kinderbuch etc. sprachlich auszusehen hat und zweitens weiß man dies auch nicht im Detail. (Auch wenn es Dissertationen über das Deutsch des Spiegel gibt, heißt das noch nicht, dass der individuelle Übersetzer die entsprechenden Kenntnisse hat oder dass er nur übersetzen sollte, wenn er diese Kenntnisse hat). Vor einigen Jahren wurde der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen, repressiv gegen die Scientology-Organisation vorzugehen, und in einigen amerikanischen Zeitungen erschien ein open letter an den Bundeskanzler, in dem Intellektuelle und Künstler ihre Besorgnis ausdrückten, dass hier eine Verfolgung, ähnlich der der Juden im Dritten Reich, in ihren Anfängen zu beobachten sei. Man kann sich vorstellen, dass man im Kanzleramt Fachleute mit der Übersetzung beauftragt hatte, um „genau zu wissen, was darin steht“. Das Faktum „Offener Brief“ war dabei sicher nicht sehr hilfreich, da es nur die Art der Veröffentlichung betrifft und formelle Kleinigkeiten, wie Anrede und eine Liste von Unterzeichnenden. Wesentlich dagegen war es „wiederzugeben“, was etwa mit organized governmental discrimination, invidious discrimination, deplorable tactics, abhorrent, vilified, shameful pattern, unspeakable horrors gesagt wird, auf der Mikroebene der Wörter und Phrasen, und wie generell argumentiert wird. Wir haben also unsere Schwierigkeiten mit der Konstanz der Textsorten oder mit deren funktionalen Äquivalenz. Ein deutscher Beipackzettel (bei Medikamenten) ist etwas anderes, von der Intention her, als die britische product information bei Medikamenten. Amerikanische Gebrauchsinformationen zu Mikrowellenherden enthalten den Hinweis, dass man in diesen Geräten Kleintiere nicht trocknen darf, eine deutsche Gebrauchsinformation sieht dies oder ähnliche für uns abstruse Hinweise nicht vor. Ist es überhaupt sinnvoll, angesichts der vielfältigen Arten von Wetterberichten in der Zeitung, von einem prototypischen Wetterbericht zu sprechen? In welcher Beziehung stehen diese Wetterberichte zum landwirtschaftlichen Wetterbericht, zum See- oder Flugwetterbericht? Hat die Textsorte (?) „Essay“ überhaupt eine Entsprechung im Deutschen? Gibt es eine Textsorte

59 „wissenschaftlicher Aufsatz“ im Deutschen, oder einige Obersorten und Untersorten, und wie verhält es sich im Englischen? Die Aufforderung, beim Übersetzen „die Textsorten beizubehalten“ ist daher zu interpretieren: die textkonstituiven Merkmale eines Ausgangstextes müssen registriert werden und als Optionselemente (zunächst nicht als mehr) für den Zieltext verwendet werden.

9.4. Varieties of English 1999 erschien die Longman Grammar of Spoken and Written English, mit Douglas Biber als federführendem Autor. Erklärtes Ziel dieser Grammatik ist es, auf eine Grammatik des Englischen zu verzichten und statt dessen eine grammatische Beschreibung von Varietäten des Englischen zu geben. Die dort beschriebenen (vier) Varietäten sind spoken English, news, fiction, academic prose. Die Grammatik verfährt so, dass einzelne Bereiche, z.B. Relativkonstruktionen, ausgewählt werden. Die vier Subkorpora werden daraufhin auf Art und Frequenz der auftretenden Relativkonstruktionen untersucht und miteinander verglichen. Unter anderem wird festgestellt, dass das Relativpronomen that seine wesentliche Domäne in der gesprochenen Sprache hat, in der akademischen Prosa ist es wesentlich seltener vertreten (und in englischen Texten des Internationalen Rechts fast nicht-existent). Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass man die Varietäten als Akkumulationen von grammatischen, auch lexikalischen Phänomen ansehen kann, die sich qualitativ und quantitativ voneinander unterscheiden. Ein erstes Beispiel. Die englische Nominalphrase erlaubt Strukturen vom Typ Name, Nominalphrase (,), wie etwa John Riley, a parasitologist at the University of Dundee , ….

Die Nominalphrase 1 wird durch eine weitere appositive Nominalphrase 2 erweitert. Ausgehend von den Subkorpora finden sich solche Strukturen in news oder academic prose dreimal so oft wie in conversation oder fiction. In den news ist der erste head überwiegend ein Name (oder eine andere Bezeichnung für ein menschliches Wesen), in der academic prose häufig auch ein terminus technicus. Von dieser Art Phrase finden wir, in einem Magazinartikel über Schach, in den ersten dreißig Zeilen: Wolfgang von Kempelen, a Hungarian inventor Maria Theresa, Empress of Austria-Hungary Claude Shannon, a computer scientist Garry Kasparov, the world’s top-ranked chess player Deep Blue, a computer built by researchers at IBM

Eine umwerfende Erkenntnis ist das nicht, und die Praxis dieser Apposition ist uns auch vom Deutschen her vertraut. Aber: sie gibt uns erste Hinweise auf die in Frage kommende Varietät. Denn weder werden die Appositionen unterdrückt – in einer deutschen SchachFachzeitschrift käme man im Falle von Kasparow und Deep Blue, Maria Theresia auch ohne die Apposition aus – noch wird sie elaboriert, etwa wie in „... Wolfgang von Kempelen. Dieser von Kempelen war ein ungarischer Erfinder...“, sondern die Information wird, typischerweise, so verpackt wie eben oben. In diesem Text findet man noch einige ähnliche Strukturen (wie verkürzte Relativsätze). Bei den Tempora und den Aspekten finden sich alle Formen, auch ein ausdrücklicher Bezug zur Gegenwart ist gegeben (anders als bei fiction). Ein längeres Zitat wird verwendet. Es werden diverse Pronomina eingesetzt, anders als bei academic prose, und dass es sich nicht um gesprochene Sprache handelt, ist aufgrund zahlreicher Merkmale (z.B. nicht vorhandene verkürzte Formen wie can’t, won’t, mustn’t offensichtlich). Auch einem Nicht-Linguisten drängt sich der Eindruck auf, es könnte sich hier um eine Art Pressetext handeln. Ganz

60 abgesehen von dem optischen Eindruck des Textes (Überschrift, Teilüberschriften, Kolumnen, Absätze (und außerdem hat man das Original, die Zeitschrift, ja in der Hand.) Der Grundgedanke ist also: eine Varietät gibt sich zu erkennen durch das Vorkommen bestimmter linguistischer Merkmale, auch durch deren Häufigkeit, und auch durch das NichtVorkommen bestimmter linguistischer Merkmale. Ein weiteres Beipiel. Ein Tagebuchtext etwa könnte folgende Merkmale aufweisen. Er zeigt eine Dominanz des Pronomens I und des Possessivdeteminers my, Verwendung auch von anderen Pronomina, allerdings mit nur wenigen oder keinen Vorkommnissen von you/your, da man sich in einem Tagebuch normalerweise nicht an einen Leser wendet. Der Autor/die Autorin schreibt für sich selbst, setzt also die Kenntnisse der Situation und des Umfeldes weitgehend voraus, dies zeigt sich etwa an der Setzung des bestimmten Artikels, von deiktischen Wörtern, von nicht weiter erläuterten Namen (man wird also kaum Appositionen, wie oben, finden), setzt vielleicht auch Abkürzungen ein. Die dort verwendete geschriebene Sprache zeigt Ähnlichkeiten mit der gesprochenen Sprache: spontane Formulierungen, relativ kurze Sätze, vielleicht auch unvollständige, nicht redigierte Konstruktionen und Flüchtigkeitsfehler, Verwendung von orthographischen Kurzfomen wie don’t, insgesamt mit einem Wortschatz, der sich eher am familiären, umgangssprachlichen Gebrauch orientiert. In den Einträgen können Erzählungen, Berichte, Absichten, Wertungen wechseln. Die gedankliche Verbindung zwischen den einzelnen Sätzen ist oft implizit, ausreichend für einen Autor, der auch Leser ist. Als Gliederungsprinzip dienen Tage oder andere kurze Zeitabschnitte. Im Ganzen hat der Text also eine Nähe zu den Varietäten gesprochene Sprache und fiction, mit einigen Spezifika. Diese Charakterisierung schließt freilich nicht aus, dass es auch andere Formen des Tagebuchs geben kann: das Tagebuch eines Schriftstellers könnte von vorneherein für eine postume Veröffentlichung konzipiert werden und sich an den Varietäten fiction und academic prose orientieren; ein für wissenschaftliche oder politische Zwecke abgefasstes Tagebuch sähe wieder anders aus. Die Grob-Platzierung eines Textes in Bezug auf die Varietäten ist die Leistung, die übersetzungsstrategisch zu erbringen ist (sie ist untrennbar mit dem Gesamtverstehen des Textes verbunden). Angenommen, es sei (aus The Economist) zu übersetzen ... the small coalition partner whose support Mr Kohl needs to keep his majority in the Bundestag, the lower house of parliament

Wir kennen die Quelle, registrieren den Gebrauch von Mr, ferner den erklärenden Zusatz in der Apposition, die Verwendung eines nicht-englischen Wortes und die Verwendung politischer Termini und entschließen uns, „pressemäßig“ zu übersetzen. Die Orientierung am Weltwissen des deutschen Lesers verlangt die Streichung der Apposition, die erwähnte Person ist, wie in der deutschen Presse üblich, „Kohl“. Das coalition partner und das majority sind wohl politischer, terminologieähnlicher Wortschatz, „Koalitionspartner“, „Mehrheit“. Unser erster Übersetzungsversuch könnte also lauten: "... Koalitionspartner, dessen... Kohl...,... Mehrheit im Bundestag... ". Die noch vorhandenen Lücken erfordern Entscheidungen: small – der kleine, der kleinere; support – Unterstützung, Hilfe, Mitarbeit; needs – braucht, hat nötig, benötigt, ist angewiesen auf; keep: halten, behalten, erhalten. Man könnte sich für der kleinere entscheiden, weil dies die übliche Formulierung ist, für Unterstützung, weil der Kontext suggeriert, dass es sich ‚parlamentarische Unterstützung’ handelt, für benötigt, weil dies das schriftsprachliche und formellere Wort ist (?“dessen Hilfe Kohl nötig hat“), für behalten, weil dies die übliche Kollokation mit Mehrheit ist. Ob man das in order to mit um – zu wiedergibt oder mit wenn er... behalten will, ist wohl nur schwer begründbar, und wahrscheinlich ist es müßig, um seine Mehrheit oder die Mehrheit zu streiten. Insgesamt handelt es sich damit um die Beibehaltung des Bezuges, um die Einsatz

61 und Konsistenz vorhandener Terminologie, um Probleme des üblichen Sprachgebrauchs, um Probleme des varietätengerechten Sprachgebrauchs (und einige Unwägbarkeiten). In der folgenden Phrase ist von speziellen kanadischen Ölvorkommen die Rede, the Athabascan tar sands in Alberta,

“die Teersände von Athabasca in Alberta”. In einer Klausur wurde dies, in guter Absicht, übersetzt mit „die Teersände von Athabasca in Alberta, einer Provinz Kanadas“. Noch besser wäre gewesen „... in der Provinz Alberta“. Das sei hier im Zusammenhang mit Wolfgang von Kempelen, a Hungarian inventor diskutiert. Man vergleiche a) Wolfgang von Kempelen, ein ungarischer Erfinder b) Wolfgang von Kempelen, der ungarische Erfinder c) ein ungarischer Erfinder, Wolfgang von Kempelen d) der ungarische Erfinder, Wolfgang von Kempelen e) der ungarische Erfinder Wolfgang von Kempelen f) ein ungarischer Erfinder, namens Wolfgang von Kempelen g)... Wolfgang von Kempelen. Dies war ein ungarischer Erfinder...

Vielleicht ist die letzte Wiedergabe g) die einzige, die mit der Textsorte in Konflikt steht; sie könnte eher erzählend als kurz berichtend sein. Es mögen zwar Nuancen sein, die a) – f) unterscheiden, aber die Wahl der ersten Nominalphrase, die Annahmen in Bezug auf das Hintergrundwissen, die Wichtigkeit/Bekanntheit des Namens bewirken doch insgesamt, dass jede Konstruktion für je unterschiedliche Kontexte optimal ist. Überlegungen zum Hintergrundwissen und intonatorische Überlegungnen sind es, die „... in der Provinz Alberta“ besser erscheinen lassen als „.. in Alberta, einer Provinz Kanadas“. Oben war von einer „Grobplatzierung“ in Bezug auf die Varietäten die Rede. Wenn wir eine solche Platzierung als übersetzerische Anweisung verstehen wollen, müssen wir jedoch auch hier einige Abstriche machen und Warnungen einbauen. Bei den vier erwähntgen Varietäten der Longman Grammar of Spoken and Written English bleiben einige Fragen offen. Sind diese Varietäten gleichsam als Grundfarben zu betrachten, aus denen sich die anderen Varietäten, in verschiedenen Graden von Mischung, auch zusammensetzen? Oder sind es eben nur vier Varietäten, wenngleich für den Spracherwerb wichtige, neben die noch eine Reihe anderer zu stellen sind? Konkret: ist etwa eine feierliche Rede oder eine Anweisung aus diesen Varietäten sprachlich ableitbar, oder sind feierliche Reden und Anweisungen eigene Kategorien? Gesetzt, man hätte dieses Problem für das Englische gelöst, so wäre es dann für das Deutsche zu klären, und es wäre zu eruieren, wie und ob die jeweiligen Varietäten und Subvarietäten mieinander korrelieren. Zur Verdeutlichung: allgemein wird die Ansicht vertreten, das Amerikanische sei insgesamt stärker von der Varietät „spoken“ geprägt, informeller als das Britische Englisch, vielleicht auch als das Deutsche oder Französische. Wäre dies tatsächlich der Fall, so hätte man für spoken im Amerikanischen andere textkonstitutive Faktoren als für das Deutsche und müsste dies bei der Übersetzung berücksichtigen. Nach der Festnahmen Saddam Husseins kommentierte der amerikanische Präsident: Ladies and gentlemen, we got him. Es ist kaum vorstellbar, dass der deutsche Bundespräsident bei ähnlicher Gelegenheit sagen würde Jetzt ham wir ihn; man würde nicht diese Art von gesprochener Sprache verwenden. 9.5. Mikroanalyse 9.5.0. Öl aus Teersänden zu gewinnen ist nicht einfach. ... producers must overcome technical obstacles in three areas: complexity, cleanliness and cost. First, consider how hard it is to squeeze oil from rock.

62 Für das Stück First, consider (how) wurden, in einer Klausur, mehrere Übersetzungen erstellt, unter anderen: a) Als erstes muß beachtet werden b) Zuerst einmal muss man sich klar machen c) Man ziehe doch erst einmal in Betracht d) Erstmal muß man sich vorstellen e) Als erstes muss beachtet werden f) Als erstes sei berücksichtigt g) Zunächst muss man bedenken h) Zuerst muss man mal bedenken i) Als erstes muss man sich vorstellen k) Zuerstmal muss man bedenken l) Erstens, berücksichtigen sie [sic], wie

Umschreiben wir kurz die mutmaßliche Autorenintention. Ein textsteuerndes Adverb first, ein Imperativ consider, dann die Valenz how... zum Verb. Dieser Imperativ findet sich vor allem in argumentativen Passagen und leitet etwas ein, das als Denk-Material fungieren soll. Insgesamt werden die Ausführungen eine Reihe bilden, begonnen (first) wird mit complexity. Einen speziellen Leserbezug hinter dem Imperativ zu sehen, ist nicht zwingend, schon gar nicht in dieser Art von Texten. Mit Hilfe dieser mutmaßlichen Intention und der Varietät Presse können wir c) zurückweisen, wegen doch erst einmal, d) wegen erst mal, f) wegen berücksichtigt, h) wegen mal, k) wegen zuerstmal, l) wegen der Anrede. Am geeignetsten erscheint eine Kombination von zunächst oder zuerst und bedenken, etwa g). Man lässt sich die Kommandos für die Übersetzung geben, indem man den Wert der einzelnen Wörter, Phrasen, Sätze, auf der Grundlage der Varietäten und Textsorten ermittelt. 9.5.1. Die See im Stillen Ozean ist manchmal recht rau, mit Schaumkronen, und boisterous „ungestüm“. It is not so often that it is calm and blue. Then, indeed, the blue is arrogant. The sun shines fiercely from an unclouded sky. The trade wind gets into your blood and you are filled with an impatience for the unknown. The billows, magnificently rolling, stretch widely on all sides of you, and you forget your vanished youth, with its memories, cruel and sweet, in a restless, intolerable desire for life .

Die Konstruktion It is x that bringt das x in eine betonte Position. Welches der drei Wörter not, so, often den Nukleus erhält, ist offen, und wir belassen es dabei: „Es kommt nicht oft vor, dass“. Das Subjekt wird mit zwei Adjektiven, mit additiver Konjunktion verbunden: „(dass) er ruhig und blau ist“. Das then, indeed interpretieren wir als ‚dann verhält es sich wirklich folgendermaßen’, formuliert als „dann aber“. Der Farbe wird hier eine menschliche Eigenschaft zugeschrieben, arrogant ist eine Mischung aus Stolz und Distanz, Herablassung, ein wertendes Wort, vielleicht „arrogant“. Aber: auf welches Faktum der Welt könnte sich arrogantes Blau beziehen, was ist damit gemeint? Wie die folgenden Sätze zeigen, wird Einfluss, Macht auf den Betrachtenden ausgeübt. Das ist aber mit deutsch arrogant nicht so recht kompatibel: ein Fall zum Nachschlagen. Das SOED paraphrasiert ‚unduly appropriating authority or importance; aggressively conceived or presumptuous; haughty, overbearing’. Es ist also ein Blau, das sich Macht anmaßt und ausübt, „ein machtvolles, anmaßendes Blau“. Der folgende Satz beschreibt nicht die gerade scheinende Sonne, sondern hat die Konnexion ‚immer dann, wenn – auch’, so dass wir besser wiederholen: “dann scheint die Sonne“. Sie tut das mit als wild empfundener Kraft, sie „brennt“. Der Himmel ist nicht wolkenlos (cloudless, wie im Wetterbericht): “dann brennt die Sonne aus einem Himmel ohne Wolken“. Der als bekannt bzw. vorhanden voraussetzbare Passatwind (als Subjekt) „kommt“, für das semantisch ziemlich leere gets, „in dein Blut“: insgesamt legt die Stelle nahe, dass hier der Leser konkret angesprochen wird, dass also nicht „man“ gemeint ist. Das Passiv steht wohl mit Absicht ‚als Folge davon wirst du...“, die gängige Kollokation mit „Ungeduld“ ist im Deutschen „ergriffen“. Die Präposition nach „Ungeduld“ macht Schwierigkeiten: nach? auf? für? Das impatience for könne wir als ‚ungeduldiges Verlangen“ oder „verlangende

63 Ungeduld“ auffassen, und wenn es irgendwie geht, sollte das for the unknown am Ende bleiben (es handelt sich also nicht um eine wörtliche Wiedergabe, sondern um eine satzperspektivisch äquivalente): „Der Passatwind kommt in dein Blut, und du wirst erfüllt von einer verlangenden Ungeduld nach dem Unbekannten“ oder „und es erfüllt dich eine....“, mit einer ähnlichen Zeichenabfolge wie das Passiv. Die „Wogen“ (billows ist archaisch-poetisch) werden mit einer eigenen Toneinheit postmodifiziert, magnificently rolling. Du bist sozusagen in der Mitte und du vergisst deine vergangene Jugend mit ihren Erinnerungen (postmodifiziert, nicht cruel and sweet memories, sweet - süß?), indem du dir rastlos (?) und unerträglich (?) Leben wünschst. sweet memories ist eine gängige Kollokation, anders als „süße Erinnerungen“. Das restless ist polysem und zu interpretieren: ‚ohne Ruhe zu finden’ oder ‚nicht endend’ oder ‚stets in Bewegung’: „unaufhörlich“ ist zumindest plausibel. Als Versuch: „Die Wogen rollen von allen Seiten majestätisch auf dich zu, und du vergisst deine vergangene Jugend mit ihren Erinnerungen, den schlechten und den guten, in einem unaufhörlichen, unerträglichen Wunsch nach Leben.“ 9.5.2. Detective Marlowe steht vor dem Schreibtisch der Empfangsdame. I put my plain card, the one without the tommy gun in the corner, on her desk and asked to see Mr Derace Kingsley. She looked at the card and said:”Have you an appointment?” “No appointment.” “It is very difficult to see Mr Kingsley without an appointment.” That wasn’t anything I could argue about. “What is the nature of your business, Mr Marlowe?” “Personal.” “I see. Does Mr Kingsley know you, Mr Marlowe?” “I don’t think so. He may have heard of my name. You might say I’m from Lieutenant M’Gee.” “And does Mr Kingley know Lieutenant M’Gee?”

Einige Einzelheiten dieses Abschnitts sind in den vorangegangenen Kapiteln bereits behandelt worden. Sie betreffen die Bedeutung von ask to, ‚verlangen’, die Distanz, die in der Konstruktion Have you... impliziert ist, den Einsatz von Partikeln im Deutschen, den Einsatz der Namen und der Modalverben. Das personal ist natürlich ‚privat’. An zwei Stellen könnte man eine Interpretation wagen. Vielleicht ist das No appointment so intoniert, dass es ‚einen Termin zwar nicht, aber dennoch etwas Wichtiges’ ausdrückt. Wenn, in der letzten Zeile, das know hoch angesetzt wird und Lieutenant M’Gee relativ niedrig, dann könnte gemeint sein ‚diesen Lieutenant M’Gee’. Nicht übersehen: hear of ist nicht gleichbedeutend mit hear. „Ich legte ihr meine Karte, die einfache, ohne die Maschinenpistole in der Ecke, auf den Schreibtisch und sagte, dass ich Mr. Derace Kingsley sprechen wolle. Sie schaute auf die Karte und sagte: „Haben Sie einen Termin?“ „Einen Termin, nein.“ „Es ist aber sehr schwierig, Mr. Kingsley ohne einen Termin zu sprechen.“ Dagegen konnte ich schlecht etwas sagen. „In welcher Art von Angelegenheit sind Sie hier, Mr. Marlowe?“ „In einer privaten.“ „Ah, ja. Und kennt Mr. Kingsley Sie denn, Mr. Marlowe? „Ich glaube nicht. Allerdings hat er vielleicht schon einmal von mir gehört. Sie könnten ihm ja sagen, ich komme von Lieutenant M’Gee.“ „Und kennt Mr. Kingsley diesen Lieutenant M’Gee?““ 9.5.3. Über Italiener: They live longer (for an average of 78 years) than anyone else in the European Union, bar the Swedes. The bonds of family, which elsewhere in Europe are getting weaker, in Italy seem still pretty sturdy. There are fewer divorces and fewer single mothers than in most countries, and a larger proportion of children are reared in

64 wedlock. Italians tend to own the houses they live in, and to work together as a family to earn their living. The Catholic Church may play a controversial part in national life, but it still gives welcome moral guidance and solace to many. For sure, the country has its share of wretched people. But “social cohesion”, in the continental phrase, remains strong, and the national mood is quite chirpy, especially if things are going well in the football stadium.

Dieser Abschnitt folgt auf die Aussage, Italy’s 58m people... seem to be managing pretty well, begründet und illustriert sie, das pretty well wird also implizit fortgeführt mit ‚dies nämlich weil’. Für die Übersetzung: „so...“. Eine erste Skizze, leben länger (im Durchschnitt 78), als jeder andere... ausgenommen könnte uns Anlass zur Kritik am Autor sein: ist „sie leben länger im Durchschnitt als jeder andere“ eine logisch saubere Formulierung? Da von der „durchschnittlichen Lebenserwartung“ die Rede ist, könnte man diese Wörter auch gebrauchen. Ob „Familienbande“ etwas antiquiert ist, sei dahingestellt. Dass es weniger Scheidungen gibt als anderswo, ist wiederum eine Expansion, Illustration, diesmal zu bonds of family. Das reared in wedlock ist archaisch-formelhaft für ‚geordnete Verhältnisse’, also ‚in der Familie’. Zu tend siehe Kap. 8.3. Was die Kirche angeht, so ‚besteht Grund zur Annahme, dass sie a controVERSial part spielt’, nicht a controversial PART. Zu social cohesion siehe Kap. 3.1. „So ist die durchschnittliche Lebenserwartung (78 Jahre) höher als in jedem anderen Land der Europäischen Union, abgesehen von Schweden. Der Beziehungen innerhalb der Familie, im übrigen Europa bekanntlich am Schwächeln, sind in Italien noch recht fest. Die Zahl der Scheidungen ist geringer als anderswo, gleichfalls die Zahl alleinerziehender Mütter, und die Zahl der Kinder, die in geordneten Verhältnissen aufwachsen, ist größer. Viele Italiener sind auch Eigentümer der von ihnen bewohnten Häuser, und sie arbeiten als Familie zusammen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Zwar kann man der Ansicht sein, dass die Rolle, die die katholische Kirche im öffentlichen Leben spielt, nicht unumstritten ist, aber die Kirche gibt immer noch vielen Menschen willkommene moralische Hilfe und auch Trost. Natürlich hat das Land auch Menschen, die zu den Ärmsten der Armen zählen. Aber der Zusammenhalt in der Familie, die coesione sociale, ist weiterhin intakt, und allgemein herrscht eine recht aufgekratzte Stimmung, besonders, wenn es im Fußballstadion gerade gut läuft.“ 9.5.4. Über Zoos vor 150 Jahren: Predictably enough, it was the colonising British who laid down the pattern for modern zoos. Sir Stamford Raffles, the founder of Singapore, re-enacted the conquest of empire in the London Zoological Society he founded. It opened in 1828 in Regent’s Park, admitting members and their guests. Only in 1847 were working people allowed in, for a shilling. Zoos across Europe followed London. At first they were appendages of city parks, something to go with the bandstand and the boating lake. Often they amounted to no more than a forlorn stamp collection of animals – one of everything – living (or barely surviving) proof of man’s dominance over nature.

Das Satzadverbiale ist allgemein-kommentierend, ‚wie ja eigentlich für den Kenner der Materie zu erwarten war’, gefolgt von einem cleft sentence mit dem Nukleus auf COLonising, also diejenigen Briten, die kolonisiert haben: das deutsche kolonialisieren hat negative Assoziationen in der Form Kolonialisierung, vgl. www.wortschatz.uni-leipzig.de, das englische colonize nicht. Eine der bekanntesten Figuren der Kolonialzeit ist Raffles, bei uns unbekannt, daher sollte man vielleicht die Apposition the founder of Singapore an den Anfang setzen, wegen der textlichen Kohärenz: wenn wir den folgenden Satz beginnen mit „Der Gründer Singapurs, Sir Stamford Raffles“ schließen wir an das vorhergehende colonize an (nicht aber, wenn wir nmit „Sir Stamford Raffles? bweginnen). Dieser Raffles stellte die Eroberung des (Kolonial-)Reichs nach. Warum in der Zoological Society? Ein Fehler? Vielleicht in the zoo of the London …? Denn was (folgender Satz) 1828 eröffnet wurde, war ja nicht die Society, sondern der Zoo derselben. Im Nachgang zur Society haben wir den verkürzten Relativsatz he founded, eigentlich ein Fall für eine Prämodifikation im Deutschen, „die von ihm gegründete Zoological Society“, deren offizieller Name übrigens Zoological

65 Society of London ist. Dabei würde gegründet eine Wiederholung von Gründer sein, im selben Satz, was den englischen Autor offensichtlich nicht stört (founder – founded). Das Adverbiale admitting members … ergibt nur Sinn, wenn man es als admitting MEMbers... liest, also ‚nur Mitglieder’. Beachte im folgenden Satz die spezielle zeitliche Bedeutung von only, und die Tatsache, dass die Summe von 1 Shilling erklärungsbedürftig ist. Das across Europe im nächsten Satz ist kein Adverbiale, sondern als Postmodifikation Teil des Subjekts, also nicht Quer durch Europa.... Dass zu den Stadtparks im ausgehenden 19. Jahrhundert Musikpavillons und Bootsteiche gehörten, müsste man wissen. Das forlorn im letzten Satz ist ‚wahrscheinlich zum Untergang verurteilt’, der Vergleich mit der Briefmarkensammlung ist schon gewöhnungsbedürftig. Damit wären wir fürs Erste gerüstet. „Es überrascht kaum. dass es Briten waren, die, während der Kolonialzeit, die Grundlagen für heutige Zoos schufen. Der Gründer Singapurs, Sir Stamford Raffles, war auch der Gründer der Zoological Society von London und stellte in deren Zoo die Eroberung des britischen Kolonialreichs nach. Dieser Zoo wurde 1828 in Regent’s Park eröffnet, Zutritt nur für Mitglieder der Zoologischen Gesellschaft und deren Gäste. Erst im Jahre 1847 wurden Besucher aus der Arbeiterklasse eingelassen, für den horrenden Preis von einem Schilling. Zoos in ganz Europa folgten dem Beispiel Londons. Sie begannen als Anhängsel der damaligen Stadtparks, in Verbindung mit den Musikpavillons und den Bootsteichen. In vielen Fällen handelte es sich dabei um nicht mehr als eine armselige Ansammlung von Tieren, eines von jeder Spezies, wie in einem Briefmarkenalbum: der lebende (oder gerade noch überlebende) Beweis für die Herrschaft des Menschen über die Natur.“ Nun könnte man sagen: es ist kein Wunder, dass man zu einer halbwegs vertretbaren Übersetzung gelangt, wenn man sich solche Mühe gibt. In Kap. 4 wurde Cicero zitiert, wie er Rechenschaft ablegt über seine Übersetzung griechischer Reden ins Lateinische. „...Dabei hielt ich es nicht für notwendig, Wort für Wort zu übersetzen, aber ich habe den allgemeinen Stil und die Wirkungskraft der Wörter insgesamt erhalten." Er fährt fort, nun in der englischen Übersetzung: For I did not think I ought to count them out to the reader like coins, but to pay them by weight, as it were.

Bei den obigen Übersetzungsversuchen war die Absicht, die Wörter (und Konstruktionen) nicht einfach „hinzuzählen“, sondern sie vorzuwiegen oder abzuwägen.

9.6. Zur Qualität von Texten Wir nähern uns allmählich der Frage, was man unter einer „guten Übersetzung“ verstehen könnte. Da es sich bei Übersetzungen um Metatexte handelt, ist zunächst eine Antwort nötig auf die Frage „Was ist ein guter Text?“ Wir lesen und hören viel im Alltag. Wir geben auch durchaus Wertungen ab, wie „ein prima Vortrag“ , „ein miserabler Satzungsentwurf“, „ein netter Brief“, „ein dämlicher Kommentar“, „ein faszinierendes Buch“. Viele Texte lesen wir einfach so, etwa die Zeitung am Morgen, ein Magazin während der Bahnfahrt. Vielleicht könnte man sich darauf einigen zu sagen, ein guter Text sei (zunächst) ein solcher, an dem man beim Lesen keinen Anstoß nimmt. D. h., man stellt sich beim Lesen keine Fragen von der Art: “Wieso denn das? Was will der überhaupt? Was soll das denn heißen? Wie kommt der jetzt dazu? Was soll das hier? Wovon ist hier eigentlich die Rede?“ Eine Reihe von Texten ist ja für das schnelle Konsumieren gedacht, und bei diesen Texten wollen wir nicht innehalten und interpretieren müssen. So gesehen, sind fast alle Texte in den Tageszeitungen oder Magazinen „gute Texte“. Nun schreibt aber jeder Autor für ein von ihm anvisiertes Publikum und für bestimmte Zwecke. Ein Kinderbuch wird nicht dadurch zu einem schlechten Text, dass Physiker die Existenz von Zauberkräften anzweifeln. Ein medizinischer Fachaufsatz wird nicht dadurch schlecht, weil

66 99,7% der Bevölkerung nicht verstehen, wovon die Rede ist. Solange der intendierte Adressat die Texte annimmt, muss es uns wohl recht sein. Mit diesem „Annehmen“ hat es aber seine eigene Bewandtnis. Es suchen sich nicht nur die Autoren ihre Leser aus, indem sie für bestimmte Gruppen, bestimmte Zwecke schreiben, es suchen sich auch die Leser ihre Autoren aus. Man kann einen Text als Lese-Angebot sehen, das der Leser annimmt, vielleicht, weil er den Autor kennt, vielleicht, weil er in einem Teil seiner Zeitung immer alles liest, vielleicht, weil ihm die Ideologie des Autors zusagt. Vielleicht auch, weil er den Text anliest und in den wenigen Anfangszeilen Hoffnungen und Erwartungen entwickelt (die sich im Laufe der Lektüre voll bestätigen können oder nur teilweise oder gar nicht). Der Leser konstruiert so ein Autoren-Versprechen und überprüft, ob es eingehalten wird. Missverständnisse sind natürlich nicht ausgeschlossen, und es ist auch möglich, dass man nur aus Langeweile weiterliest und irgendwann dann doch „gefesselt“ wird. Mit diesen Überlegungen zur Auswahl des Lesers durch den Autor und zur Auswahl des Autors durch den Leser haben wir die Möglichkeit, einen bestimmten Typ von Qualitätszuschreibung auszuschalten oder zu isolieren: diejenigen Urteile nämlich, die darauf beruhen, dass der Leser die Ansichten des Autors grosso modo teilt (oder nicht teilt). Oben wurde von Texten zum Konsumieren gesprochen, von denen man sehr viele liest, ohne daran Anstoß zu nehmen. Häufig handelt es sich dabei um Pressetexte, und bei diesen Texten ist ein erstaunliches Phänomen festzustellen. Sie werden (meist) von einer einzigen Person für Hunderttausende von (zufriedenen) Lesern geschrieben. Das lässt vermuten, dass es sich bei den Verfassern doch um Personen mit sehr speziellen und entwickelten Fertigkeiten handelt, Fertigkeiten, die nicht bei jedem vorhanden sind. (Dies auch als Merkposten für die Beurteilung der Übersetzungsqualität, siehe unten.) Hier noch einmal der Abschnitt aus Kap 9.5. über Italien, mit dem vorangehenden Satz. (1) By the standards of the rich world, Italy’s 58m people, who make up the globe’s sixth-biggest economy (behind the United States, Japan, Germany, Britain and France) seem to be managing pretty well. (2) They live longer (for an average of 78 years) than anyone else in the European Union, bar the Swedes. (3) The bonds of family, which elsewhere in Europe are getting weaker, in Italy seem still pretty sturdy. (4) There are fewer divorces and fewer single mothers than in most countries, and a larger proportion of children are reared in wedlock.(5) Italians tend to own the houses they live in, and to work together as a family to earn their living. (6) The Catholic Church may play a controversial part in national life, but it still gives welcome moral guidance and solace to many. (7) For sure, the country has its share of wretched people. (8) But “social cohesion”, in the continental phrase, remains strong, and the national mood is quite chirpy, especially if things are going well in the football stadium. (9)Italy excels at many things.

(1) eröffnet mit einem Beurteilungskriterium, das im gleichen Satz auch gerechtfertigt wird, und zu der allgemeinen Aussage führt, dass die Italiener seem to be managing pretty well. Da mit (1) der Absatz beginnt, neigen wir dazu, dies als topic sentence zu betrachten. Eine mögliche Lesererwartung könnte sein: schon gut, aber warum genau? Beweise? Die Sätze (2) – (6) illustrieren diese Aussage, die dort erwähnten Beobachtungen gehören, bekanntermaßen, zum Thema „Lebensqualität“. Der Text schreitet dabei nicht in Zeit und Raum fort, sondern setzt einen Rahmen, der Stück für Stück aufgefüllt wird. (Auch z.B. bei einem Konjunkturbericht ist die Erwartung groß, dass nach einer einführenden Wertung die üblichen Posten, die eben dazugehören, nacheinander genannt werden; eine weitere Gliederung ist wegen des vorgegebenen Rahmens nicht nötig.) Satz (3) und (4) haben, über das Sachfeld Familie und die entsprechenden Wörter, engere Beziehungen zueinander. Wohnen und Arbeit (Satz 5) gehören zum Rahmen, wie wohl auch, in Italien, die Rolle der Kirche, mit dem may bringt der Autor eine persönliche Ansicht, vgl. auch oben seems. Man beachte, dass dieser Satz mit solace to many endet, ohne diese Phrase käme Satz (7) unvermittelt und stünde isoliert. Der negative Punkt in (7) wird durch das folgende but

67 relativiert. Wenn man insgesamt die Gewichtigkeit der genannten Punkte bedenkt, ist das Adverbiale (especially if...) als freundlich-ironische Schlussbemerkung auffassbar, ein kleiner Spaß am Ende. Der neue Absatz mit (9) lässt für die nächsten Zeilen eine ähnliche Gliederung erwarten, allerdings nun nicht mit Zuständen, die man als pretty well bezeichnen würde, sondern solchen, die hervorragend gut sind; so ist es denn auch. Man könnte von diesem Text sagen: irgendwie hat alles seinen Platz, ist von einer unauffälligen Plausibilität, so wie es da steht, sich selbst rechtfertigend. (Von dem logischen Problem in Satz (2), vgl. oben Kap. 9.5.3., abgesehen.) An jeder Stelle des Textes kann man nachvollziehen, weiß man, was der Autor gerade tut, ob er einleitet, zusammenfasst, begründet, spekuliert, illustriert, verweist, ironisiert, Probleme löst, verschiebt usw. Solche Plausibilität, Gerechtfertigt-heit und Nachvollziehbarkeit könnte man als Kriterien für einen guten Text heranziehen. Freilich und etwas einschränkend: Wie auch bei den conversational principles von Grice (be brief, be orderly usw.) ist es möglich, gegen diese Kriterien, genauer, gegen die darin implizierten Anforderungen, explizit zu verstoßen (flout), entsprechende Kooperation des Lesers vorausgesetzt. Die gerade genannte Kooperation des Lesers verlangt noch nach einer kurzen Anmerkung. Das Verhältnis von Autor und Leser, bestimmt durch gegenseitiges Aussuchen, kann als eine Art zweckbestimmter Partnerschaft angesehen werden. Der Autor kommt mit seiner Welt der des Lesers entgegen, der Leser ist prinzipiell aufnahmebereit und benevolent, nicht korrigierend. Wenn diese Benevolenz aufgegeben wird, aus welchem Grund auch immer, und eine kritische Leserhaltung überwiegt, steht der Autor auf verlorenem Posten. Er kann sich der Kritik des Lesers nicht erwehren. Die genannten Kriterien der Plausibilität usw. sind interaktional zu verstehen, sie ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Autor und Leser. 9.7. Zur Qualität von Übersetzungen Ein zu übersetzender Text ist in einem allgemeinen Sinne ein wichtiger Text. Übersetzungen werden in Auftrag gegeben oder gemacht, um damit Geld zu sparen oder zu verdienen. Sie können kriegswichtige Informationen enthalten oder Betriebsgeheimnisse, Grundlage einer Philosophie, Ideologie, Religion sein, als nötig erachtetes Wissen fördern, bildend, unterhaltend sein usw. Eine Übersetzung ist kein voraussetzungsloses Unterfangen, das Wiedergeben verlangt Prämissen, und die Prämissen haben Folgen. Prämissen haben es an sich, dass sie nicht falsch oder richtig sind, sie sind zweckdienlich und sinnvoll, in verschiedenen Graden. Ein erstes Beispiel. Bei manchen Texten ist zu entscheiden, ob sie als aktuell anzusehen sind oder nicht. In einem 1998 erschienen Artikel wird das Artensterben kommentiert. Today, damaged ecosystems and a shrinking wilderness mean that 2,000 vertebrate species … need help if they are to survive into the next century.

Für den Leser von 1998 bedeutete dies, dass mit dem Artenverlust in nur relativ wenigen Jahren zu rechnen war. Für den Leser einer Übersetzung, die hier übersetzen würde, „wenn sie bis in das nächste Jahrhundert hinein überleben sollen“, beträgt der Zeitraum weit über hundert Jahre. Linguistisch-pragmatisch gesehen, ist dies das Problem der Deixis, d. h., von Bezügen, die nur ermittelbar oder sinnvoll sind, wenn man den Ort und die Zeit des Verfassers kennt (z.B. gestern, morgen, links). Im selben Artikel ist von der Warnung eines Wissenschaftlers die Rede, earlier this century ausgesprochen, eine für 2002 usw. sinnleere Formulierung, ebenso wie etwa the great flood last spring. Es ist offensichtlich, dass man zwischen aktuellen und historischen Texten unterscheiden muss (was auch keine klare Sache ist) und von dieser Prämisse aus die Bezüge zu gestalten hat. Und dann kann man gegebenenfalls die Prämisse kritisieren, nicht so sehr aber die Übersetzung selbst.

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Manche Texte werden immer wieder übersetzt, vor allem literarische Texte aus früherer Zeit, so Shakespeares Dramen, Jane Austens Romane. Zwar werden die Originale älter und antiquierter, die Übersetzungen sollen nach unserer Meinung aber modern sein. Dies hat teilweise mit literarischen Forschungen und dem Verständnis von Texten zu tun, teilweise auch mit Fehlübersetzungen früherer Übersetzer und den verbesserten modernen Hilfsmitteln. Wesentlich erscheint aber das Verlangen, dass eine Übersetzung für eine bestimmte Zeit gemacht sein soll, aus unserer Zeit stammen soll: Dickens in einer Übersetzung von 1901 zu lesen ist „irgendwie“ keine attraktive Vorstellung. In den meisten dieser Übersetzungen, die sich an ein anglophiles literarisch interessiertes Publikum richten, ist eine Prämisse zu beobachten, die die zu verwendende Sprache betrifft: als Varietät wird eine Sprache eingesetzt, die sich an Schriftlichkeit und Erzählung orientiert, gehoben ist und leicht archaisierend – allesamt auf der Basis der Intuition und der überwiegend vortheoretischen Kenntnisse des Übersetzers. Man lässt eine Türe nicht aufmachen, sondern öffnen, man kommt nicht in ein Zimmer herein, man betritt es, man sagt nicht etwas, sondern entgegnet, verwendet Formen wie trüge zu tragen oder empfähle zu empfehlen, man unterlässt Modernismen wie spitze, klasse, geil. Der so entstehende Stil ist ein weites Feld für Untersuchungen. Auf die Unterschiede „zwischen den Kulturen“ wurde in den vorangehenden Kapiteln bereits öfters verwiesen; diese Unterschiede verschärfen das Problem der gemeinsamen Basis von Autor und Leser. Der Leser wird mit einer Welt konfrontiert, in der fast alle Systeme (politische, soziale, wirtschaftliche, pädagogische) völlig anders sind als die der Jetzt-Welt. Hier scheint die Prämisse zu sein: in die Übersetzung nichts einbauen, was belehrend sein könnte, Fußnoten des Übersetzers auf ein Minimum oder auf Null reduzieren, kein eigenes Kapitel etwa mit Anmerkungen zur zeitgenössischen Politik oder zu sozialen Problemen: die Illusion, ein leibhaftiges Buch aus dem 19. Jahrhundert zu lesen, soll durch nichts gestört werden. Man darf deswegen nicht den Übersetzer selbst tadeln, dieser ist in der Regel abhängiger Dienstleister und hat den Vorgaben des Verlages zu folgen. Ein britischer Autor (Th. Savory) hat einige dieser Prämissen gesammelt; einige davon sind durch eine bestimmte Zeit bedingt, die meisten bestehen aber seit langem nebeneinander. a) A translation must give the words of the original b) A translation must give the ideas of the original c) A translation should read like an original work d) A translation should read like a translation e) A translation should reflect the style of the original f) A translation should possess the style of the translator g) A translation should read as a contemporary of the original h) A translation should read as a contemporary of the translator

Hier soll nun nicht, ewig zirkelnd, die ganze Diskussion wiederholt werden. Es genügt darauf hinzuweisen, dass man die Konstellation „Autor – Ausgangstext – Übersetzer – Zieltext – Leser“ in verschiedener Weise konfigurieren kann und gewichten kann, dass verschiedene Intentionen entwickelt und begründet werden können. Das Produkt „Übersetzung“ wird von vielen Faktoren bestimmt, die entsprechenden Prämissen müssen sich der Erprobung und Beurteilung stellen. So könnte man unter der Prämisse „Homer für Fortgeschrittene“ eine Übersetzung der Ilias anfertigen, die den wesentlichen Zweck hat, einen Leser mit Kenntnissen des Altgriechischen das Original verstehen zu helfen, diese Übersetzung würde sich an Interlinearversionen orientieren und bis zur morphologischen Ebene reichen. Interlinearversionen, wie sie etwa für Texte aus Indianersprachen angefertigt wurden, sind überaus hilfreich, in kürzester Zeit in das morphologische und syntaktische Funktionieren dieser Sprachen einzuführen. Das mögen begrenzte Zwecke sein, aber keineswegs illegitime. Einige Romane, wie Coopers Lederstrumpf, Defoes Robinson Crusoe und Swifts Gullivers Reisen sind durch Streichungen und Änderungen zu Jugend- und Kinderbüchern geworden.

69 Auch hier ist es primär die Prämisse, die gegebenenfalls zu kritisieren wäre, nicht die Übersetzung. Als vernünftig für den Normalfall einer Übersetzung wird hier folgende Prämissenkonstellation angesehen: a) der Zieltext orientiert sich an dem gesamten Kommunikationswert der Wörter und Konstruktionen des Ausgangstextes b) der Zieltext orientiert sich an den Textsorten und Varietäten der beiden Sprachen c) der Zieltext orientiert sich an der Autorenintention des Ausgangstextes d) der Zieltext orientiert sich an den Qualitäten eines guten Textes (Plausibilität, Gerechtfertigt-heit und Nachvollziehbarkeit, unter der Voraussetzung der Leserkooperation) e) alle anderen denkbaren Übersetzungsstrategien bedürfen einer besonderen Begründung. 9.8. Gute Übersetzungen Gute Übersetzungen müssen ihre Qualitäten natürlich in der zielsprachlichen Form des Textes zeigen. Das wirft zumindest das Problem auf, ob die implizite Norm der Ausgangssprache sich so ohne weiteres auch in der Zielsprache finden bzw. realisieren lässt, oder ob sich vielleicht die Normen für gute Texte in den anhängigen Sprachen unterscheiden. So ist etwa die Meinung vertreten worden, dass britische argumentative Texte zu einer gewissen Linearität neigen, will sagen, sie sind übersichtlich gegliedert und to the point, an jeder Stelle. Entsprechende Texte anderer Nationalsprachen wiesen andere Charakteristika auf, etwa längere Exkurse (wie angeblich im Deutschen) oder Zirkularität, also Rückbewegungen zum selben Argument, und Wiederholungen. Als Austins sprachphilosophische Abhandlung How To Do Things With Words übersetzt wurde, erhielt sie den Titel Zur Theorie der Sprechakte. Man kann spekulieren, dass dem Übersetzer mit Reden und Tun oder Handeln durch Wörter oder gar Mit Wörtern etwas tun als Titel nicht ganz wohl war, dass er diese Lösungen nicht für akademisch genug hielt. Zu einem britischen Aufsatz bemerkte ein schwedischer Wissenschaftler, er sei in the rambling style of British scholars geschrieben, und es gibt in der Tat nicht wenige britische Abhandlungen, die uns Deutsche als sprachlich lässig, unterhaltend-anekdotisch erscheinen (von Vorträgen britischer Akademiker ganz abgesehen). Im Ganzen ist die Forschung derzeit noch nicht so weit, um nationalsprachliche Normen für Textsorten aufzustellen und miteinander funktional zu vergleichen. Allerdings: Übersetzungen mit entsprechenden Prämissen könnten mit diesem Problem fertig werden. Gesetzt, britische Autoren neigen tatsächlich zu einem subjektiven Plauderton, so könnte man overte Übersetzungen einsetzen (die diesen Ton belassen und die Texte nicht notwendigerweise akademisieren). In einigen der vorhergehenden Kapitel wurde gelegentlich auf die Intonation verwiesen, vor allem in Kap. 8. Once a lure for the morbid as well as the curious, zoos are transforming themselves into the planet’s modern arks. Unlike Noah, they are not saving animals two-by-two but rising to the challenge of….

Der zweite Satz beginnt mit einem Gegensatz, “anders als Noah“. Je nachdem, wie dieses unlike Noah gelesen wird, wäre es auch als „anders aber als Noah, anders jedoch als Noah, anders als Noah aber“ u.ä. übersetzbar, mit einer Betonung des Gegensatzes. Mit dem Zusaatz von aber oder jedoch würde man einen zusätzlichen Hinweis zum Aufbau, zur Organisation des Textes geben, also zu dem, „was der Autor gerade tut“. Bei dem Text oben Kap. 9.6. wurde vor Satz (2) ein „so“ gesetzt, um das Geben eines Beipiels oder einer Begründung anzuzeigen. Den Satz (3) könnte man einführen mit „Was den Zusammenhalt in der Familie betrifft“, in Satz (4) „nämlich“ einfügen, Satz (6) mit „zwar“ beginnen lassen, Satz (9) übersetzen als „Italien nimmt in vielen Bereichen sogar eine Spitzenstellung ein.“ Auf diese Weise würde man einige Kohärenzbeziehungen stärken, indem man sie durch kohäsive Verbindungen (im Sinne von Halliday/Hasan) unterstützt. Diese Technik der Organisationskennzeichnung ist ein Bestandteil u.a. von Lehrbüchern, bei

70 denen neues Wissen systematisch, also nachvollziehbar, vermittelt werden soll. Das ist deshalb besonders zu berücksichtigen, weil Übersetzungen ja per definitionem neue und wichtige Information liefern sollen, für ein anderes Publikum, das möglicherweise über anderes Hintergrundwissen als das ursprüngliche verfügt. Da sich der Übersetzer sehr intensiv mit dem Text befasst, vielleicht auch in der Sache recherchiert, ist ihm die textuelle Organisation klar – ob aber dem Leser auch, ist öfter die Frage. Es empfiehlt sich daher, Übersetzungen einer textuell-organisatorischen Gesamtrevision zu unterziehen, bevor man sie endgültig abschließt. Die Progression in Texten geschieht mit Sätzen, aus ihnen geht die Gesamtorganisation hervor. Es gibt verschiedene solcher Organisationsformen. Der obige Text in 9.6. wurde mit einem Rahmen verglichen, der allmählich aufgefüllt wird. Andere Texte könnte man mit Stadtplänen vergleichen, deren Entstehung man gleichsam von oben betrachtet: das Rathaus wird gesetzt, die Kirchen, die Markthalle, eine Schule usw., wie das eben so ist. Andere Texte könnte man mit einer Fahrt vergleichen, durch die Zeit und Räume, wie es nacheinander so geschieht, dass einer sein Leben lebt, Kindheit, Ausbildung, Jugend. Wieder andere ähneln Plänen, bei denen ein Vorhaben beschrieben und rechtfertigt wird, mit den erforderlichen Arbeitsabläufen, deren Reihung usw. bis zur Inbetriebnahme. Insgesamt handelt es sich dabei um so etwas wie Schemata gängiger Szenarios, also relativ abstrakte Konfigurationen. Angenommen nun, wir sähen von oben zu, wie sich der Stadtplan auffüllt. Wir wären nicht überrascht zu sehen, wenn sich an einer der Ausfallstraßen ein Gebiet fände mit Fabriken, und dort eine Großwäscherei. Eine solche Großwäscherei zwischen Rathaus und Kirche käme aber völlig unerwartet, keine gute Planung. Auf so etwas müsste man uns schon irgendwie vorbereiten: „Zwischen Rathaus und Jakobskirche findet der Besucher der Innenstadt ein Unikum. Seit 1862 steht hier eine Großwäscherei, die...“. Mit einer solchen Ankündigung eines Unikums wären wir zufrieden (vorausgesetzt, es kommt dann auch eines). Für den Textproduzenten bedeutet dies Folgendes. Nach jedem Satz ist die bisherige Strecke daraufhin zu überprüfen, ob sie für den geplanten nächsten Satz einen ausreichenden Erwartungshorizont bereit gestellt hat. Wenn das der Fall ist, steht sozusagen das Signal auf „weiter“. Ist dies aber nicht der Fall, so ergeben sich drei Möglichkeiten. Zum einen kann der bestehende Textteil so geändert werden, dass er die Erwartung für den geplanten Satz aufbaut. Zum andern kann der geplante Satz entsprechend mit dem Vorangehenden verbunden werden. Zum dritten kann die Forderung nach Erwartung absichtlich missachtet werden, etwa, um eine handfeste Überraschung auch textuell als Angriff oder Überrumpelung oder Überraschung zu gestalten, aus dem Nichts heraus. Ein Sprung zur Gewinnung von Öl aus Teersänden. ...producers must overcome technical obstacles in three areas: complexity, cleanliness and cost. First, consider how difficult it is to squeeze oil from rock. Only 8-16% of the material takes the form of bitumen, the desirable, energy-rich bit. The rest is clay, sand and other unwanted stuff. Also, a lot of the bitumen lies too far underground to be mined, and has therefore to be pushed to the surface by injecting steam into the ground through many costly wells. Engineers and miners have come up with two techniques that have greatly reduced the costs here.

Dieser Ausschnitt zeigt als Organisationsform „Problem und Lösung“. „Problem“ ist gekennzeichnet durch obstacles, complexity, cleanliness, cost, difficult, only 8-16%. Die Situation wird in ihrer Schwierigkeit dargestellt. Zwei mögliche Lösungen werden angekündigt (anschließend beschrieben und evaluiert). Ein so organisierter Text übersetzt sich, was die jeweilige Erwartung angeht, gleichsam von selbst, die Organisationsform sorgt dafür. 9.9.When forty winters shall besiege thy brow

71 Zum Abschluss dieses Kapitels seien einige Übersetzungsprobleme besprochen, die entstehen, wenn durch Textsortenkonventionen besonders strikte Anweisungen für das Übersetzen beachtet werden sollen. 1 When forty winters shall besiege thy brow, 2 And dig deep trenches in thy beauty's field, 3 Thy youth's proud livery, so gaz'd on now, 4 Will be a tatter'd weed, of small worth held: 5 Then being ask'd where all thy beauty lies, 6 Where all the treasure of thy lusty days, 7 To say, within thine own deep-sunken eyes, 8 Were an all-eating shame and thriftless praise. 9 How much more praise deserv'd thy beauty's use, 10 If thou couldst answer - "This fair child of mine 11 Shall sum my count, and make my old excuse", 12 Proving his beauty by succession thine! 13 This were to be new made when thou art old, 14 And see thy blood warm when thou feel'st it cold. (William Shakespeare, Sonnet 2)

Hier einige Ausführungen zu den ersten vier Zeilen. Ein vorläufiges Verständnis dieser Zeilen lässt sich mit dem Oxford English Dictionary erreichen, das u.a. angibt, welche Bedeutungen überhaupt in Frage kommen, zu welcher Zeit welche Bedeutungen in der englischen Sprachgeschichte belegt sind. Die erste Zeile beschreibt einen Belagerungszustand (to besiege), und nichts anderes, 'vierzig Winter belagern die Stirn' (brow 'Stirn', nicht: 'Braue'). Eingedenk des durchschnittlichen Lebensalters zur Zeit Shakespeares ist wohl vom sichtbaren Alter eines Menschen mit 40 die Rede (was heute nur schwer nachzuvollziehen ist), und strengenWintern mit wenig Schutz vor Kälte. Die trenches in Zeile 2 sind Gräben (mit dem Aushub zu Wall und Graben ausgebaut), die die Belagerer vor der zu erobernden Festung ziehen. Diese Gräben wurden parallel zur jeweiligen Festungsmauer angelegt, zunächst in relativ weitem Abstand. Diese wurden mit kurzen Stichgräben in Richtung der Festung erweitert, nach einigen Metern wurde wieder ein Parallelgraben angelegt, erneut erweitert durch Stichgräben usw. Auf diese Weise entstand ein spinnennetzartiges Grabensystem (das faltige Gesicht). Nach vierzig Jahren sind viele tiefe Gräben in das Feld, auf dem deine Schönheit bekämpft wird, gezogen, und so wird das attraktive Gewand der Jugendlichkeit, das dich jetzt umgibt und das so intensiv betrachtet wird, ein zerschlissenes Kleidungsstück sein, das dann nur noch geringen Wert hat. (Das Sonett lässt sich insgesamt so zusammenfassen: Wenn man alt und verbraucht ist, aber ein Kind hat, dann ist die Bilanz zwischen Alter und Jugend sozusagen ausgeglichen (Z. 11: sum my count)). Das Gedicht hat die Form eines Sonetts, speziell des Shakespeare sonnet, drei Quartette mit dem Reimschema abab, cdcd, efef, und einem abschließenden couplet gg, mit jeweils fünf Hebungen pro Zeile. Der Reim field - held war zu Shakespeares Zeit ein reiner Reim. Bei der Übersetzung des Sonetts ist es, wenn die Form behalten werden soll, erforderlich, die phonetische Substanz zu berücksichtigen. Begönne man mit "Wenn vierzig Winter deine Stirn belagern" oder "Belagern vierzig Winter deine Stirn", müsste die dritte Zeile auf "belagern" bzw. "Stirn" reimen. Solche "Reimtreffer" in der Zielsprache sind jedoch reine Zufälligkeit, wenngleich natürlich die Zufallsrate bei verwandten Sprachen etwas günstiger liegt, siehe Z. 13, 14 old - cold: alt kalt. Vgl. die Übersetzung von G. Wolff (1939) Das würde dich erneuern, wenn du alt, Und warm sähst du dein Blut, fühlst du's auch kalt.

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Im Folgenden seien einige der zahlreichen Übersetzungen kommentiert. Die forty winters der ersten Zeile sind in nahezu allen Übersetzungen durch "vierzig Winter" wiedergegeben; diese Formulierung ist sozusagen das Kennzeichen des Sonetts, und es impliziert eine gewisse Überwindung, davon abzuweichen. Zwei Übersetzungen aus dem 19. Jahrhundert arbeiten mit "ein halb Jahrhundert", so Simrock (1867): Umlagert deine Stirn ein halb Jahrhundert, Laufgräben ziehnd in deiner Schönheit Feld, Daß deiner Jugend Kleid, nun so bewundert, Ein abgeschabt Gewand, nicht mehr gefällt

Man kann vermuten, dass diese Veränderung nicht auf demographischen Überlegungen beruht, sondern eher durch das "bewundert" - für gaz'd on - bedingt ist. Man bedenke aber, für das Verständnis des Sonetts aus heutiger Sicht, dass man „40 Jahre“ nicht unbedingt mit „viele Falten im Gesicht“ assoziiert. Karl Lachmann übersetzte das erste Quartett (1820): Wann vierzig Winter deine Stirn besetzt, Laufgräben tief im Schönheitsplan geführt, Der Jugend stolze Tracht, ein Wunder jetzt, Wird kahles Kleid, das allen Werth verliert.

"Besetzt" ist wohl eine Notlösung, da ein sinnvoller Reim auf "belagert" nicht existiert. Lachmann hat aber das Bild klar erkannt, er spricht von "Laufgräben" und dem "Plan", hier in einer ausgestorbenen Bedeutung, nämlich "Schlachtfeld" verwendet. Die Übersetzung ist jedoch damit antiquiert, braucht selbst wieder Kommentare zum Verständnis - einer der Gründe, warum alte Originale immer wieder neu übersetzt werden. Schließlich dienen Übersetzungen dem zeitgenössischen Leser. Auch die folgende Übersetzung ist wegen der Wörter "wann", "Plan" und "Rock" veraltet (Gildemeister 1871): Wann vierzig Winter erst dein Haupt berennen Und in der Schönheit Plan Laufgräben ziehn, Wer wird dein Jugendstaatskleid dann noch kennen, Und den zerfetzten Rock, wer achtet ihn?

Hier bringen die "Laufgräben auf dem Feld der Schönheit" freilich einen neuen Gedanken und führen das Bild der ersten Zeile nicht weiter, denn Häupter sind nicht faltig. Das so gaz'd on now ist nicht erhalten. Wenn man, aus verschiedenen Gründen, glaubt, bestimmte Bilder, Vergleiche, Metaphern nicht nachahmen zu können, kann man versuchen, die Sache selbst darzustellen, so etwa Bodenstedt (1862): Einst wird, eh' du gelebt ein halb Jahrhundert, Die reine Stirne tiefe Falten schlagen

Insgesamt wird besiege, in 14 Übersetzungen, durch folgende Verben wiedergegeben: "belagern, umnachten, besetzen, umlagern, berennen, befehden, bedräun, dräun, umdräun, umdrängen": Aber nur das "belagern" oder „berennen“ ist imstande, sinnvoll zur zweiten Zeile zu führen, auf das Grabenfeld vor der Festung. Man kann sicher annehmen, dass ein Übersetzer einige der Nachdichtungen der Vorgänger kennt, auf diese Weise bilden sich gewissen Traditionen in Bezug auf einzelne Formulierungen. Die "Furchen" stammen wohl von Regis (1836): Wenn vierzig Winter einst Dein Haupt umnachten Und tief durchfurchen Deiner Schönheit Feld Dann ist Dein Jugendflor, wonach wir itzt so trachten,

73 Ein mürbes Kleid, das unbemerkt zerfällt.

"Wonach wir itzt so trachten" ist eine unnötige Fehlübersetzung. Bei manchen Übersetzungen ist nicht zu scheiden, ob sprachlich-sachliche Unkenntnis vorliegt, oder Reimzwang, oder beides (oder "dichterische Freiheit"). Wenn man brow durch "Brauen" wiedergibt, lässt sich in Z. 3 (gaz'd) mit "schauen" reimen. Das Wort Feld am Ende von Z. 2 ermöglicht für Z. 4 einen Schluss auf hält, fällt, zerfällt, gefällt. Die Lösung von Stefan George (1909): Belagern vierzig winter die braun, Ziehn gräben tief in deiner schönheit flur: Ist deiner jugend putz, heut ein gestaun, Dann eine wertlos rissige hülle nur.

Hier ist die Stirn zu Brau(e)n geworden (> Gestaun), die Belagerung ist erhalten, das Schlachtfeld aber einem eher agrarischen Ort gewichen: warum ziehen die Winter Gräben in der Flur? Vielleicht, um auf "nur" zu reimen. Wie kommt man von der Schönheit Flur zu „Putz“, der „rissig“ ist? Paul Celan (1964) gelangt zu Wenn vierzig Winter deine Stirn umdrängen, Der Schönheit Flur voll Furchen steht, verheert, . .

Die Kollokation "Flur voll Furchen" evoziert wohl eher "Ackerfurchen", aber immerhin wird mit "verheert" Militärisches zugesetzt. Von den vielfältigen Versuchen, so gaz'd on now können, vom kommunikativen Wert her, nur "dran so viel Augen hängen" und "bestaunt" überzeugen, nicht aber "jetzt schön zu schauen; wonach wir itzt so trachten; jetzt so bewundert; ein Wunder jetzt; nun so bewundert; das wir kennen; das jeden Beschauer bannt; (Gewänder,) die jetzt freuen" usw. Manche Passagen des Sonetts sind bei fast allen Übersetzungen in ihrer Bedeutung nicht erkannt worden, so etwa Z. 10/11 This fair child of mine/Shall sum my count - 'Mit meinem schönen Kind ist mein Konto wieder ausgeglichen'. Nur Flatter (1934) trifft die Metapher in ähnlicher Weise. ... Hier, seht her! Ihn stellt in Rechnung, er begleicht mein Alter.

Abschließend Therese Robinson (19xx) Wenn vierzig Winter deine Stirn beschweren Und Furchen ziehn durch deiner Schönheit Flur, Der Jugend Kleid, das wir jetzt scheu verehren, Ein wertlos Ding, ein schlechter Lumpen nur, Wirst du, gefragt nach dem was einst dir eigen, . .

Der Belagerungszustand ist hier aufgehoben. An dieser Übersetzung ist eine weitere Besonderheit ersichtlich. Das Original ist syntaktisch relativ einfach, setzt übliche Konstruktionen ein. Diese Übersetzung, wie viele der anderen auch, verwendet unübliche und intuitiv kompliziertere Strukturen. Die kurze Betrachtung der verschiedenen Übersetzungen hat - wieder einmal - gezeigt, dass das Bemühen um ein möglichst genaues sprachliches und sachliches Verständnis an vorderster Stelle stehen muss, dieses Verständnis erlaubt dann auch nachvollziehbare Kritik

74 an den verschiedenen Lösungen. Insbesondere für das literarische Übersetzen ist es daher hilfreich, wenn für die Ausgangstexte sachlich und philologisch kommentierte Texte vorliegen. (Was Shakespeare angeht, so sei auf die old-meaning editions seiner Dramen verwiesen, die ausführliche Kommentare enthalten und auch auf das damalige Weltbild eingehen.)

Nun zu dem oben erwähnten Problem der Textsortenkonstanz. Die notgedrungenen Folgen dieser Konstanz, insbesondere der Reimzwang, führen zu weitreichenden inhaltlichen Änderungen. Aufgrund zusätzlicher inhaltlicher Variationen entstehen Produkte, die man nur metaphorisch als Übersetzung bezeichnen kann: angeregt von Shakespeare – ja, aber nicht Shakespeare übersetzend. Die meiste Information dürfte man aus einer „hinführenden“ Übersetzung erhalten, die eine Parallel-Lektüre des Originals erleichtert und die wichtigsten Substanzangaben macht, also z.B. William Shakespeare, Sonnet 3, When forty winters “Shakespeare-Sonett, 14 Zeilen, drei Quartette (abab, cdcd, efef) und ein Couplet (gg), fünfhebiger Jambus, Reimwörter unterstrichen

1 Wenn vierzig Winter deine Stirn belagert haben 2 Und tiefe Gräben gezogen haben in dem Feld, von dem aus deine Schönheit angegriffen wird 3 Dann wird das attraktive Gewand deiner Jugendlichkeit, jetzt so gern und lang angeschaut 4 Ein zerschlissenes Kleidungsstück sein, von nur geringem Wert gehalten.

In einem Spiegel-Interview (42/2103) sagt Wolf Biermann:“Mein Englisch ist sehr schwach, geradezu lächerlich. Trotzdem habe ich auch schon Shakespeare-Sonette übersetzt. Denn jeder Laie ahnt doch: der Junge kann sich helfen lassen – von Leuten, die in beiden Sprachen zu Hause sind und ausreichend gebildet sind.. Ich sage es jetzt etwas überscharf: Es ist vollkommen egal, ob man die Sprache, aus der man übersetzt, versteht oder nicht. Ob ich übersetzen kann, hängt ausschließlich davon ab, ob ich in meiner eigenen Sprache ein Gedicht schreiben kann.“ Von dem deutschen Wört übersetzen muss es einige Bedeutungen geben, deren Kenntnis sich nur auf ganz wenige Individuen beschränkt.

10. „Diese Seite übersetzen“ Wenn man eine Suchmaschine im Internet auf ein Wort oder eine Wortfolge ansetzt, liefert sie in der Regel eine Anzahl von Treffern und bietet an, die entsprechende Seite auch zu übersetzen. Diese Übersetzungen sind noch ein Stück entfernt von guten Übersetzungen, die auftretenden Fehler und Probleme sind gut geeignet, Mängel und Perspektiven der automatischen Übersetzung kurz aufzuzeigen. Das Stichwort diabetes führt zu der Quelle National Diabetes Information Clearinghouse, mit ausführlichen und seriösen Informationen. Zunächst ein kurzer englischer Text (ein flüssiger, guter, allgemeinverständlicher Text), dann eine Version mit der Übersetzung.

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What is type 2 diabetes? Diabetes is a disease in which blood glucose levels are above normal. People with diabetes have problems converting food to energy. After a meal, food is broken down into sugar called glucose, which is carried by the blood to cells throughout the body. Cells use the hormone insulin, made in the pancreas, to help them process blood glucose into energy. People develop type 2 diabetes because the cells in the muscles, liver, and fat do not use insulin properly. Eventually the pancreas cannot make enough insulin for the body’s needs. As a result, the amount of glucose in the bloods increases while the cells are starved of energy. Over the years, high blood glucose damages nerves and blood vessels, leading to complications such as heart disease, stroke, blindness, kidney disease, nerve problems, gum infection, and amputation.

[...] Although people with diabetes can prevent or delay complications by keeping blood glucose levels close to normal, preventing or delaying the development of type 2 diabetes in the first place is even better. (1) What is type 2 diabetes? Was ist Diabetes der Art 2? (2) Diabetes is a disease in which blood glucose levels are above normal. Diabetes ist eine Krankheit, in der Blutglukoseniveaus über normal sind. (3) People with diabetes have problems converting food to energy. Leute mit Diabetes haben Probleme, Nahrung in Energie umzuwandeln. (4) After a meal, food is broken down into sugar called glucose, which is carried by the blood to cells throughout the body. Nach einer Mahlzeit ist Nahrung gebrochenes abwärts in einen Zucker, der Glukose genannt wird, die durch das Blut zu den Zellen während des Körpers getragen wird. (5)Cells use the hormone insulin, made in the pancreas, to help them process blood glucose into energy. Zellen benutzen das Hormoninsulin, gebildet im Pankreas, um ihnen Prozessblutglukose in Energie zu helfen. (6) People develop type 2 diabetes because the cells in the muscles, liver, and fat do not use insulin properly. Leute entwickeln Diabetes der Art 2, weil die Zellen in den Muskeln, in der Leber und im Fett nicht Insulin richtig benutzen. (7) Eventually the pancreas cannot make enough insulin for the body’s needs. Schließlich kann das Pankreas nicht genügend Insulin für die Notwendigkeiten des Körpers bilden. (8) As a result, the amount of glucose in the bloods increases while the cells are starved of energy. Infolgedessen erhöht sich die Menge der Glukose im Blut, während die Zellen von der Energie verhungert sind. (9) Over the years, high blood glucose damages nerves and blood vessels, leading to complications such as heart disease, stroke, blindness, kidney disease, nerve problems, gum infection, and amputation. Über den Jahren beschädigt hohe Blutglukose die Nerven und $blutgefässe und führt zu Komplikationen wie Herzkrankheit, Anschlag, Blindheit, Nierekrankrankheit, Nervenprobleme, Gummiinfektion und amputation. [...] (10) Although people with diabetes can prevent or delay complications by keeping blood glucose levels close to normal, preventing or delaying the development of type 2 diabetes in the first place is even better. Obgleich Leute mit Diabetes verhindern können oder Komplikationen, indem sie Blutglukose haben, ebnen nah an Normal verzögern, verhindernd oder delaying ist die Entwicklung von Diabetes der Art 2 ab erster Stelle sogar besser.

Die Maschine verfügt nicht über ein ausreichendes Vokabular im fachsprachlichen Bereich. Das ist aufgrund von Diabetes der Art 2, Blutglukoseniveaus, gebrochenes abwärts, Hormoninsulin, Pankreas, Nierekrankheit, Anschlag, Gummiinfektion ersichtlich (statt Typ-2-Diabetes, Blutzuckerspiegel, abgebaut, Hormon Insulin, Bauchspeicheldrüse, Nierenkrankheit, Schlaganfall, Gaumeninfektion). Sie erscheint nicht mit einem deutschen medizinischen Vokabular verknüpft zu sein, sondern „nur“ mit einem allgemeinsprachlichen. Sie ist jedoch mit der Freiheit ausgestattet, Komposita zu bilden (angesichts der Komplexität der Wortbildung jedoch eine fragwürdige Tugend, da nicht immer korrekte Bildungen entstehen). Durch vorherige Verknüpfung der englischen Komposita bzw. Phrasen mit den deutschen Äquivalenten ließe sich dieser Mangel relativ leicht beheben (noch dazu, wo es sich bei diesen Äquivalenten

76 meist um Termini handelt); ein grundsätzliches Übersetzungsproblem ist hier nicht zu konstatieren. Für Satz 2 disease in which ist die relevante Konstruktion/Kollokation bei der nicht verfügbar. In Satz 3 people with diabetes müsste die Kollokation with diabetes die Übersetzung „Leute“ ausschließen, es handelt sich um „Menschen“ oder „Patienten“. Die folgende Konstruktion, problems converting x to y wird erkannt, einschließlich der Präposition und der Morphologie des Infinitivs. In Satz 4 wird die Passivkonstruktion nicht erkannt (ist statt korrekt wird), das broken wird demzufolge als Adjektiv klassifiziert (und fälschlicherweise flektiert). Das abwärts in einen Zucker erkennt aber immerhin die Richtung und setzt ein korrektes einen; der Relativanschluss mit die (an Glukose) ist nicht optimal. Das englische Lexikon der Maschine kennt throughout offensichtlich nur in der temporalen Bedeutung, wie in throughout the year, reicht also auch für das Englische selbst nicht aus. Fachsprachlich wird die Glukose nicht zu den Zellen „getragen“. Das Komma nach meal wird korrekt eliminiert. Satz 5 begönne wohl besser mit „die Zellen“ (ein formidables Problem), hat aber insbesondere Schwierigkeiten mit dem Verbanschluss von help: die Valenz help + someone + infinitive (+ NP als Objekt zum Infinitiv) ist als Beschreibungsgrundlage nicht vorhanden, der Bezug von them auf cells geht verloren. Hier wäre eine Koppelung dieser Valenz von help erforderlich mit „jemandem dabei helfen, etwas zu tun“. Demgegenüber hat Satz 6 nur geringfügige Schwierigkeiten. Die Übersetzung für needs in Satz 7 orientiert sich wieder an der Allgemeinsprache. Satz 8 while ist, angesichts der Textsorte „während im Gegensatz“, die Valenz von be starved of wird nicht erkannt, „die Energie nicht aufnehmen kann“, sondern an intransitives starve angeschlossen, mit dem dann sinnlosen Zusatz „von der Energie“. Satz 9 zeigt, dass die Präposition über im deutschen Lexikonteil nicht ausreichend differenziert ist (Dativ statt Akkusativ). In Satz 10 wird zunächst eine Fehlanalyse von prevent or delay complications vorgenommen: prevent (auch verhindern) kann nicht ohne Objekt gebraucht werden, wieder eine Frage der Valenz. Das by keeping hat jedoch den richtigen Ansatz (indem...), findet sogar das zu ergänzende sie, anschließend jedoch kommt es zu einem totalen Kollaps, auch die Nominalformen der Verben prevent und delay werden nicht mehr registriert: unter diesen Umständen scheint sogar der Weg von delaying zu delay zu verzögern blockiert. Sehen wir uns einige der übersetzten Sätze noch einmal an. Nach einer Mahlzeit ist Nahrung gebrochenes abwärts in einen Zucker, der Glukose genannt wird, die durch das Blut zu den Zellen während des Körpers getragen wird....Zellen benutzen das Hormoninsulin, gebildet im Pankreas, um ihnen Prozessblutglukose in Energie zu helfen....Infolgedessen erhöht sich die Menge der Glukose im Blut, während die Zellen von der Energie verhungert sind. Obgleich Leute mit Diabetes verhindern können oder Komplikationen, indem sie Blutglukose haben, ebnen nah an Normal verzögern, verhindernd oder delaying ist die Entwicklung von Diabetes der Art 2 ab erster Stelle sogar besser. Texte mit solchen unverständlichen Sätzen kann man nicht als sinnvolle metatextuelle Information bezeichnen. Sie erfüllen nicht den Zweck einer Übersetzung. Angesichts der gravierenden Folgen, die solche Desinformation zu wichtigen Lebensbereichen (Krankheit) haben könnte, wäre es aber sicher besser, solche Übersetzungen würden nicht angeboten. Da es nicht die Absicht dieses Kapitels ist, Häme über die automatische Übersetzung auszugießen, sei bemerkt, dass viele Humanübersetzungen auch nicht besser sind, Vgl. Everyone knows that Saudi Arabia is the undisputed king in the castle of oil

mit – aus einer Klausur Jedermann weis das Saudiarabien der unbestrittene König in der Ölburg ist.

Die automatische Übersetzung trifft auf günstige Voraussetzungen bei spezialisierten Texten mit terminologischem Vokabular. Anders als in der Alltagssprache sind die Wort- bzw. Phrasenentsprechungen häufig „hundertprozentig“, also verlässlich. Es muss nicht entschieden werden, ob, etwa bei der Übersetzung vom Deutschen ins Englische, heißen mit call oder mean oder gar request zu übersetzen ist: in fachsprachlichen Texten ist die Synonymieproblematik

77 erheblich verringert. Erforderlich ist „lediglich“, dass für das Übersetzen der Fachbereich spezifiziert wird und die Übersetzungsprozesse auch über die spezifizierten Daten laufen. Zumindest ein Teil solcher Texte ist auch syntaktisch nicht originell. Viele Texte sind durch das Phänomen der Wiederholtheit gekennzeichnet, das heißt, dieselben Strukturen, dieselben Formulierungen treten immer wieder auf, als Versatzstücke, die immer wieder gebraucht werden können. Angenommen, wir würden 200 tägliche Wetterberichte einer Tageszeitung übersetzen, „per Hand“. Dann wäre die Übersetzung des ersten Wetterberichtes eine übersetzerisch komplett neue und originelle Aufgabe. Aber spätestens beim nächsten Tief würde man auf Wiederholungen stoßen und somit auf bereits Übersetztes zurückgreifen können, und nach einem Jahr hätte man einen praktisch erschöpfenden Fundus für das kommende. Die automatische Übersetzung kann also wesentlich gestützt werden, wenn sie eine Komponente enthält, die das Erkennen von bereits (richtig) Übersetztem und Rückgriff darauf erlaubt. Dieser Rückgriff auf Datenbanken ist gängige Prozedur (bei dem obigen Diabetes-Text aber nicht erkennbar). Die Zuordnung von Satzteilen zueinander, also die Feststellung der syntaktischen Funktion, ist eine komplexere Angelegenheit. Oben wurde gezeigt, dass die Maschine bei der Analyse von preventing or delaying complications

versagt hat: es wurde fälschlich (preventing) or (delaying complications) analysiert statt richtig (preventing or delaying) (complications) und demzufolge falsch übersetzt. Der Grund für diese Fehlanalyse kann nur darin liegen, dass das interne Lexikon der Maschine nicht angibt, dass prevent (unter anderem) nicht intransitiv gebraucht wird, dass also die Valenz des direkten Objektes ausgefüllt sein muss. Mit dieser Vorgabe muss die Maschine nach dem nächsten passenden Nomen für prevent suchen, nach complications, und dieses als Objekt zu beiden Verben deklarieren (oder nach prevent ein elliptisches complications konjizieren). Es ist dann, im internen zweisprachigen Lexikon der Maschine, nicht prevent mit verhindern zu koppeln, sondern prevent + NP mit verhindern + NP, dies etwa im Unterschied zu prevent + NP + from NP. Es verhält sich schlicht so, dass derzeit weder für das Deutsche noch für das Englische die Verbalkomplementation (also die Verbvalenzen) ausreichend beschrieben ist und dass zu wenig Grundlagen für deren Erkennen durch die Maschine vorhanden sind. Dank der korpuslinguistischen Forschungsmethoden, also der elektronischen Auswertung großer Textmengen ist auf längere Sicht der Optimismus gerechtfertigt, die Mehrwortkonstruktionen ausreichend erfassen zu können. Bisherige Ergebnisse zeigen aber (leider) auch, dass Valenzinformationen, die auf vorhandenen Beschreibungen beruhen, oft zu ungenau sind. So wurde oben gesagt, dass man verhindern mit Objekt gebrauchen müsse. In der tatsächlichen Sprache stößt man jedoch auch auf Äußerungen wie Sie sind nicht konstruktiv, sie verhindern nur! Mit anderen Worten, es müssen die Umstände auch dieser Konstruktion erfasst werden. Die Angabe verhindern + NP ist ebenfalls ergänzungsbedürftig: wenn man für diese NP einen Namen einsetzt, wie in Wir müssen Schröder verhindern ist gemeint ‚wir müssen verhindern, dass Schröder diese (irgendwie im Text angesprochene) Funktion übernehmen kann’. Solche detaillierten semantischen und syntaktischen Beschreibungen werden noch eine Zeitlang auf sich warten lassen. Das Ziel, alle Textsorten auf solche Weise, für die Zwecke automatischer Übersetzung, aufzubereiten, ist noch weit entfernt. Bei dem Satzteil verhindernd oder delaying ist die Entwicklung von Diabetes der Art 2 ab erster Stelle sogar besser

muss man zugeben, dass er formal (wenn man von dem delaying absieht) irgendwie im Deutschen schon möglich sein könnte. Da der Satzteil aber keinen Sinn ergibt, muss man folgern, dass der Computer nicht so recht „weiß“, was er hier geschrieben hat, „nicht versteht“, was er produziert. Würde er verstehen, dann müsste er das Geschriebene paraphrasieren können und über die Möglichkeit verfügen, Geschriebenes und Paraphrase miteinander zu vergleichen. Entsprechende Informationen für die Maschine, auch zur Weiterverarbeitung, bereitzustellen, ist Aufgabe der Forschung zur künstlichen Intelligenz. Zu dieser Intelligenz gehört als

78 Voraussetzung unter Anderem auch das sogenannte Weltwissen, ferner die Organisationsabläufe von Texten, alle anderen Mittel der Vertextung und statistisches Wissen über den Sprachgebrauch von Ausgangs- und Zielsprache. Das soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Festzuhalten ist aber, dass dies natürlich Voraussetzungen sind, die auch von Humanübersetzern zu erfüllen sind. Allerdings, Humanübersetzer, die in der Lage wären, aus dem Stand jeden beliebigen Text aus dem Englischen zu übersetzen, gibt es nicht, jeder hat seine Lücken in Bezug auf Vorwissen, Vertextungsprobleme und die Varietäten der anhängigen Sprachen. Es ist daher nicht realistisch, einen maschinellen Generaltranslator anzustreben.

11. PARALLELKORPORA Für Korrespondenzbeziehungen zwischen Texten können Parallelkorpora ein wichtiges Instrumentarium sein. In einem Parallelkorpus sind die Sätze (oder andere Teile) des Ausgangstextes denen des Zieltextes zugeordnet. Durch entsprechende Suchbefehle lassen sich, in einem elektronischen Manuskript, Textstellen der beiden Sprachen relativ leicht zuordnen und auswerten: so könnte man z.B. die Vorkommnisse des present perfect suchen und die Entsprechungen im Deutschen notieren. Solche Prozeduren wären eine Grundlage für eine Übersetztungsstilistik. Als Beispiel für einen solchen Paralleltext einige Passagen aus dem Vertrag von Maastricht (Englisch/Deutsch). For the purposes set out in Article 2, the activities of the Community shall include, as provided in this Treaty and in accordance with the timetable set out therein: Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfaßt nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge (a) the elimination, as between Member States, of customs duties and quantitative restrictions on the import and export of goods, and of all other measures having equivalent effect; a) die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten; (b) a common commercial policy; b) eine gemeinsame Handelspolitik; (c) an internal market characterized by the abolition, as between Member States, of obstacles to the free movement of goods, persons, services and capital; c) einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten gekennzeichnet ist; (d) measures concerning the entry and movement of persons in the internal market as provided for in Article l00c; d) Maßnahmen hinsichtlich der Einreise in den Binnenmarkt und des Personenverkehrs im Binnenmarkt gemäß Artikel 100 c; (e) a common policy in the sphere of agriculture and fisheries; e) eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Fischerei; (f) a common policy in the sphere of transport; f) eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs; (g) a system ensuring that competition in the internal market is not distorted; g) ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt; (h) the approximation of the laws of Member States to the extent required for the functioning of the common market; h) die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist; (i) a policy in the social sphere comprising a European Social Fund; i) eine Sozialpolitik mit einem Europäischen Sozialfonds;

79 (j) the strengthening of economic and social cohesion; j) die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts; (k) a policy in the sphere of the environment; k) eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt; (l) the strengthening of the competitiveness of Community industry; l) die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft; (m) the promotion of research and technological development; m) die Förderung der Forschung und technologischen Entwicklung; (n) encouragement for the establishment and development of trans-European networks; (n) die Förderung des Auf- und Ausbaus transeuropäischer Netze; (o) a contribution to the attainment of a high level of health protection; o) einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus

Vorauszuschicken ist, dass sich fachsprachliche Parallelkorpora besser zur Analyse eignen als z.B. literarische Texte: die Individualität des Stils, die "Freiheiten" des Übersetzers, die Fehlerrate des Übersetzers sind relativ gering. Internationale Verträge sind auch insofern eine Besonderheit, als die jeweiligen Fassungen (hier: Englisch und Deutsch) nicht als Übersetzungen voneinander gelten, sondern jeweils als Originale für die betreffenden Staaten angesehen werden. Es ist also de jure kein Ausgangstext vorhanden. Dennoch: bei diesen Texten haben sich Fachleute bemüht, soweit möglich das Gleiche zu formulieren, und insofern kann man eine Übersetzungsrelation ansetzen und die Texte entsprechend zu analysieren versuchen. Zunächst bietet es sich an, nach Äquivalenten zu suchen, die mit großer Wahrscheinlichkeit wieder verwendbar sind, z. B. a common commercial policy – eine gemeinsame Handelspolitik; the strengthening of the competitiveness of - die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der...; the promotion of research –die Förderung der Forschung; quantitative restrictions – mengenmäßige Beschränkungen usw. Solche Korrespondenzen sind natürlich speicherbar und für rechnergestützte Übersetzung abrufbar. Je höher der Grad der Normierung einer Varietät ist, umso stärker kann man auf diese Korrespondenzen zurückgreifen. Ein spezielles Kennzeichen dieser Textsorte ist auch, im Englischen, die Verwendung von Relativsätzen ohne Relativpronomen, wie for the purposes set out in Article 2, the timetable set out therein, a system ensuring that, measures having equivalent effect, measures concerning..., to the extent required for, a policy... comprising, an internal market characterized by usw. Für diese Konstruktion gibt es offensichtlich prinzipiell mehrere Übersetzungsmöglichkeiten, im Einzelfall aber nicht. Hier kann man versuchen, die Übersetzungen zu klassifizieren und so Taktiken darzustellen, wie im jeweiligen Fall übersetzt werden muss: für Fachsprachen (die weniger persönliche Freiheiten erlauben als andere Varietäten) ein nützliches Verfahren. Mit speziellen Programmen kann man die englische oder deutsche Fassung „taggen“, d.h., mit Wortartangaben versehen. Hier ein getaggter Satz, mit den Wortartangaben in Klammern. This Convention governs only the formation of the contract of sale and the rights and obligations of the seller and the buyer arising from such a contract.

Verkürzte Relativsatzsätze mit –ing lassen sich dann mit Suchbefehlen ermitteln, die nach einem Nomen und einer folgenden –ing-Form suchen, hier buyer arising, mit dem Antezendens obligation, ausgehend davon lässt sich eine Grammatik dieser Konstruktion schreiben oder eine Orientierung über die Übersetzungsmöglichkeiten geben.

80 Solche Paralleltexte können auch lexikographisch verwertet werden. Hier die Vorkommnisse von deutsch gehen und seinen Zusammensetzungen, aus einem Bankbericht der Internationalen Bank für Zusammenarbeit. x ging 5 ½% über y hinaus - x were 5 ½% higher than y x ging weiterhin über y hinaus - x continued to exceed y die Lohnstückkosten gingen weiter zurück - there was even a further decline in unit labour costs die Einfuhrpreise gingen um 0,5% zurück - import prices went down by 0.5% Der Preisindex ging um 1,3% über seinen Stand vom Vorjahr hinaus - the consumer price index was no more than 1.3% higher than its level in the previous year Die Defizite gingen um 1 ½ Mrd. DM auf 33 ½ Mrd. DM zurück -The deficits fell by DM 1 ½ billion to DM 33 1/2 billion Die Kapitalmarktzinsen gingen auf ein Allzeittief von 4 ¾% zurück - capital market rates fell to an all-time low of 4 3 /4% Die Sichteinlagen gingen zurück - Sight deposits declined der Umlauf von Hypothekenpfandbriefen ging um 0,1 Mrd. DM zurück - The outstanding amount of mortgage bonds declined by DM 0.1 billion. Auftragseingänge gingen nur geringfügig über das Niveau des ersten Quartals hinaus - Orders were only slighter higher than the level of the first quarter Bei den Herstellern von Investitionsgütern gingen etwas weniger Bestellungen ein als zuvor - Capital goods producers received somewhat fewer orders in April/May than before Die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes ging aber nicht über das Ergebnis des Quartals 1998 hinaus manufacturing output did not exceed the level of the first quarter of 1998 Die Vorjahrsrate ging auf 1,2% zurück - The year-on-year rate slowed to 1.2%. Die Erzeugerpreise gingen kaum mehr über das Vergleichsniveau von 1997 hinaus - domestic industrial producer prices were scarcely higher than the comparable level in 1997. Der Überschuß ging von 3.0 Mrd. DM auf 1,1 Mrd. DM zurück - surplus fell from DM 3.0 billion in March to DM 1.1 billion in April. Die Termineinlagen gingen im Mai zurück -Time deposits went down in May. Die Arbeitslosenquote ging von 11.8% auf 10.9% zurück - the unemployment rate declined from 11.8% to 10.9% Die wertmäßigen Importe gingen stärker zurück - The value of imports decreased more strongly Inlandsaufträge gingen um 4% über das entsprechende Vorjahresergebnis hinaus - Domestic orders exceeded the previous year's figure by 4% Die Zahl der Arbeitslosen ging um 320 000 zurück - The number of unemployed persons went down by 320.000 Von der Kreditvergabe der Banken gingen dagegen geringere Impulse auf x aus - lending by banks had a lesser impact on x

Solche korpusorientierten Wörterbücher erreichen einen hohen Grad von Verlässlichkeit.

12. ÜBERSETZEN UND FREMDSPRACHENERWERB/FREMDSPRACHENUNTERRICHT Stellen wir uns vor, wir hätten drei Jahre Englischunterricht hinter uns und sollten übersetzen "Was hättest du denn gerne zum Frühstück?". Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir kennen eines der englische Pendants und sagen oder schreiben, z.B. Now, what would you like for breakfast?

oder wir kennen solche Pendants nicht und konstruieren ad hoc irgendetwas zusammen, das mehr oder minder erfolgreich ist. Im ersten Falle lernen wir dabei nichts, weil wir bereits wissen. D.h., die Übersetzung hat nur den (legitimen) Zweck, unser Wissen zu überprüfen: die Übersetzung kann als Prüfungsform eingesetzt werden (und in diesem Falle kann uns das auch recht sein). Nützen wird uns diese Übersetzungsaufgabe insofern, als wir wieder einmal ein Stück Sprache produzieren.

81 Wenn wir aber das Pendant Now, what would you like for breakfast nicht kennen, dann nützt uns das "Übersetzen" auch nichts, denn es gibt keine Möglichkeit, einen englischen Satz zu lernen, indem man einen deutschen Satz vorgibt. Wir lernen höchstens dann etwas, wenn wir entsprechend korrigiert werden und dann das Korrigierte lernen. Somit ist eine Übersetzungsaufgabe dieser Art nichts weiter als Ausdruckszwang mit überprüfbarem Resultat. Sinn dieser Aufgabe ist nur, dass wir als Lerner mit einer Wissenslücke konfrontiert werden, dem Prüfenden eine Lücke offenbaren müssen. Dass dem so ist, hängt mit der generellen Idiomatizität von Sprache zusammen. Mit der Formulierung „generelle Idiomatizität“ ist jedoch nicht gemeint, dass man idiomatische Redensarten und Sprichwörter verwendet, vielmehr ist gemeint, dass in der üblichen Sprachverwendung bestimmte Standardformulierungen für Standardsachverhalte existieren, dass man etwas eben "so" und nicht oder nur selten anders formuliert. Das Deutsche stellt auch andere Möglichkeiten prinzipiell zur Verfügung, etwa „Woraus soll dein Frühstück bestehen?“ Aber die Norm-Äußerung unter den entsprechenden Umständen ist eben anders. „Norm-entsprechend“ und idiomatisch sind demnach Äußerungen wie Gehst du mit ins Kino? Ich habe Größe 52. Ich verstehe nicht, wie du das aushältst. Bei einer Gasexplosion in Stuttgart ist ein vierstöckiges Haus eingestürzt. Das muß ich mir noch überlegen. Jetzt eine Tasse Kaffee! Ich bin gleich soweit. Wieso soll ich immer alles alleine machen? Sollten wir nicht lieber hier schon übernachten?

Das sind keine anomalen Äußerungen, im Gegenteil - aber keine dieser Ausdrucksabsichten kann man auf Englisch formulieren, wenn man die englische Formulierung nicht bereits kennt. Wörterbücher und Grammatiken helfen in diesen Fällen nur dann, wenn sie zufälligerweise diese Formulierungen enthalten. Die "Regeln" des fremdsprachlichen Sprachgebrauchs sind definitiv nicht aus der Perspektive einer anderen Sprache ableitbar. Aus der Tatsache, dass man an utter fool mit 'ein ausgesprochener Narr' übersetzen kann, folgt nicht, dass man 'ausgesprochen glücklich' mit utterly happy übersetzen kann. Noch einmal: man kann das Übersetzen von Äußerungen nicht dadurch lernen, dass man so vor sich hin übersetzt. Natürlich kann man nicht bestreiten, dass Übersetzungsaufgaben sinnvoll sein können. Als Lehrender kann man verlangen, dass Sätze übersetzt werden wie Viele Bücher sind zu teuer. Diese Schuhe sind zu groß. Mein Zimmer ist zu klein.

Dies in der Absicht, bestimmte grammatische Phänomene einzuüben, also Teile von Fertigkeiten herzustellen und/oder den Grad der Kenntnisse zu überprüfen. Ein Übersetzungsunterricht ist dies natürlich nicht: bei dem oben implizierten Stand der Kenntnisse sind für das Übersetzen weder die erforderlichen fremdsprachlichen noch die erforderlichen muttersprachlichen Kenntnisse gegeben. Bei der Übersetzung aus der Fremdsprache in die Muttersprache sehen die didaktischen Überlegungen etwas anders aus. Diese Übersetzung wird oft als Test dafür eingesetzt, ob der Text "verstanden" wurde. Allerdings handelt es sich dabei um eine Testform, die man als nicht valide oder als kaum valide bezeichnen muss, d.h., sie testet nicht, was sie zu testen vorgibt. Das „Verständnis" des Textes ist in den vorangehenden Kapiteln ausführlich problematisiert worden, und demzufolge müssen bei der Korrektur Abstriche gemacht werden (fragt sich nur, welche). Zufällige Lücken in der Sachkenntnis können vorhanden sein - wie sind sie einzukalkulieren? Es gibt auch Texte, deren Verständnis, wie man sagt, an einem Wort hängt: Wenn ein Text z.B. von subscription 'Abonnement' handelt und subscription aber als 'Beitrag, Artikel'

82 interpretiert wird, dann sind falsche Folgeinterpretationen im gesamten Text wahrscheinlich. Ist dies dann ein einziger Fehler, mit lässlichen Folgefehlern, oder ist damit der gesamte Text "nicht verstanden"? Wenn man das Verständnis an der resultierenden Übersetzung misst, misst man es an einem deutschen Text - und dabei ist es kein Wunder, wenn Schüler mit schlechten Noten in Deutsch bei solchen Übungen ebenfalls schlecht abschneiden. Es muss ihnen nicht unbedingt am Verständnis mangeln, möglicherweise liegen grundsätzliche Probleme bei der Textproduktion vor. Damit mangelt es der englisch-deutschen Übersetzung, als Testform für das Verständnis von Texten, an Validität. Zum Üben bestimmter Fertigkeiten eignet sich die Übersetzung in die Muttersprache jedoch durchaus. Es gibt eine große Zahl von Äußerungen, die in einer bestimmten Form immer wieder vorkommen und deren Kontext einigermaßen erratbar ist, vgl. die oben genannten. Es spricht nichts dagegen, What about going to the movies oder I've got to think about it mit den deutschen Äquivalenten versehen zu lassen, um auf diese Weise ganze Sätze zu lernen und ganze Sachverhalte automatisiert zu bewältigen: die oben genannte generelle Idiomatizität von Sprache gehört zu den tragfähigen neueren Erkenntnissen über Sprache. Es wurde bereits angemerkt, dass eine Übersetzung eine Textproduktion ist, die von einem Ausgangstext gelenkt wird – den es allerdings zu verstehen gilt. Je nach den Vorkenntnissen mag einem bei diesem Verständnis einiges entgehen, jedoch, es muss einem nicht immer gleich alles entgehen. Gesetzt, man befinde sich in einer britischen Stadt, muss sich öfter erkundigen und erhält zum zweiten Mal die Antwort Sorry, I'm a stranger here myself, dann liegt es nahe anzunehmen, dass damit 'Tut mir leid, ich bin auch nicht von hier' ausgedrückt werden soll. Im Prinzip hat man damit nichts anderes getan, als adäquat (und still) übersetzt und so natürlich auch erkannt, dass Sorry, I'm a stranger here myself lernenswert ist, ferner, dass I’m not from here entweder nicht üblich oder nicht möglich ist. Um solche Äquivalente herzustellen, muss man kein begnadeter Übersetzer sein. 'Any calls?' he asked in a sharp bossy voice. Miss Fromsett said softly: 'A Mr. Marlowe to see you. From Lieutenant M'Gee. His business is personal.

Wenn man sich nur ein bisschen bemüht, kann man die Frage mit 'Hat wer angerufen?' gleichsetzen, also übersetzen, das in... a voice mit 'mit... Stimme' (oder mit zwei Adverben); die Antwort wird 'leise' gegeben (softly); 'ein Mr. Marlowe will Sie sprechen'; 'in einer privaten Angelegenheit'. Das Bemühen um Textverständnis und Übersetzung (mit ganzer oder teilweiser Verbalisierung) ist ein sicherer Weg, um Kenntnislücken festzustellen, und damit ist der erste Schritt zum Lernzuwachs bereits getan. Nicht zu vergessen: ein solches Textverständnis ist durch gewissenhafte Nachschlagearbeit partiell erreichbar, zur Gänze erreichbar in der Kommunikation mit Muttersprachlern der Fremdsprache. Für den Problemkreis „Übersetzen und Fremdsprachenunterricht“ ist es aufschlussreich, das Ausbildungsprogramm einer entsprechenden Institution anzusehen. Die Ausbildung zum Diplom-Übersetzer an der Universität Heidelberg (in Germersheim) ist folgendermaßen gegliedert. Das Studium umfasst 160 Semesterwochenstunden, also ca. 2320 Unterrichtsstunden, bei insgesamt acht Semestern. Im Einzelnen: ca. 10-15% Sprachwissenschaft und Übersetzungswissenschaft, ca. 15% Kompetenzerweiterung in der Fremdsprache, ca. 50% Übersetzen, ca. 12% Kulturwissenschaftliche Auslandsstudien, ca. 5% Studium eines Ergänzungsfaches (wie Recht, Betriebswirtschaft), und einige kleinere Bereiche. An diesem Programm lässt sich ablesen: a) das Übersetzen ist eine Fertigkeit, die intensiv und gesondert geübt werden muss, b) auch auf dieser Stufe ist ein Ausbau der fremdsprachlichen Kenntnisse unabdingbar, c) ein Übersetzer muss reflektieren, was er tut, d) Übersetzen erfordert auslandskundliches und fachliches Wissen.

83

13. FILMSYNCHRONISATION Die Synchronisation von fremdsprachigen Filmen (engl. dubbing) ist eine spezielle Übersetzungstätigkeit. Die wesentlichen Probleme ergeben sich aus der Tatsache, dass man die eine Sprache "sieht" und eine andere "hört", ferner aus den sehr hohen Ansprüchen an die Übersetzer über manche Strecke und schließlich aus den Umständen, die bei dieser Art von Übersetzung vorliegen. 13.1. Quantitative und qualitative Synchronizität Zunächst ist zu bemerken, dass die Zuschauer normalerweise durch die Handlung, durch Musik, durch das normale Verstehen abgelenkt sind und sich nicht auf die Synchronisation spezialisieren, daher nicht z.B. primär auf Lippenbewegungen achten. Dennoch: es bleibt nicht unbemerkt, wenn man bei Gesichtsaufnahmen die Lippen sich bewegen sieht und nichts hört bzw. keine Lippenbewegungen sieht und trotzdem hört. Mit anderen Worten: das Gesprochene muss so lang sein wie das Gesehene. Da deutsche Übersetzungen aus dem Englischen meist wesentlich länger sind als das Original selbst, muss fast immer nach einer möglichst kurzen Übersetzung getrachtet werden. Nun angenommen, man sähe ein Gesicht in Großaufnahme, bei dem der Sprecher (im Original) map sagt. Dann würde man beim Hören von dt. Karte mit Sicherheit eine Diskrepanz feststellen: so sieht es eben nicht aus, wenn man Karte spricht. Diese engere Lippensynchronizität (lip-synching) ist zum einem zu relativieren, zum anderen sorgfältig zu beachten. Zu relativieren ist sie aus folgenden Gründen. Bei weitem nicht alle der ca. 45 Phoneme des Deutschen bzw. Englischen haben klar verschiedene visuelle Eigenschaften. Den Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Lauten kann man nicht sehen. Laute, die hinter den Zähnen artikuliert werden, sind ebenfalls nicht unterscheidbar: Silben wie etwa ka, ga, da, ta, tscha, ra, na, sa, scha bieten den gleichen oder fast gleichen visuellen Eindruck. Für die Vokale gilt: Mit Ausnahme der Extremvokale /i/ und /u/ sind die Lippenstellungen vernachlässigbar, man sieht den Unterschied etwa zwischen /e/ und /a/ nicht. Probleme ergeben sich allerdings, wenn englische th-Laute deutlich ausgesprochen werden und wenn es sich um labiale Konsonanten handelt (/p, b, f, v, m/), vgl. map - Karte. Auch hier lässt sich zunächst relativieren: je weiter das Gesicht der Sprechenden entfernt scheint, umso schwerer sind Diskrepanzen erkennbar; handelt es sich um Großaufnahmen von Frauen mit geschminkten Lippen, dann sind die Probleme komplizierter als bei Großaufnahmen von Männern mit Bart. Die Schnelligkeit, mit der gesprochen wird, spielt ebenfalls eine Rolle. Bei schnell gesprochenen Texten werden um die 20 Phoneme pro Sekunde realisiert, gelegentlich auch mehr. Sollte daher das 14. Phonem im englischen Text ein /p/ sein und das 18. Phonem im Deutschen ein /m/, so wird diese Diskrepanz von Zehntelsekunden nicht bemerkt. Mithin genügt es, in der Übersetzung die Labialen in die Nachbarschaft zu setzen und Du fehlst mir kann als Wiedergabe von I miss you wohl durchgehen (nicht aber, aus semantischen Gründen, das unsägliche „Ich vermisse dich“). Bei map - Karte kann man vielleicht situationsgerecht substituieren. Einen Dialogteil wie I need a map. - A map? könnte man unter Umständen wiedergeben als "Eine Karte wäre besser“. - Wofür?": zwei /m/ und zwei /p/ stehen hier /b, v, f/ gegenüber. Im schlimmsten Falle muss man kapitulieren und die Diskrepanz in Kauf nehmen. Von der Übersetzungstheorie ist zu diesem Labialproblem anzumerken, dass die lippensynchrone Übersetzung also nicht nur den kommunikativen Wert des Originals beizubehalten hat, sondern auch die phonetische Substanz, bzw. Teile derselben. Es ist allerdings nicht zwingend so, dass eine Diskrepanz, wie die genannte, schwerwiegend ist.

84 Bei der Synchronisation britischer Shakespeare-Verfilmungen wird über weite Strecken der "klassische" Text der Übersetzung von Schlegel/Tieck verwendet: O that this too too solid flesh would melt

muss als „Oh schmölze doch dies allzu feste Fleisch“ erscheinen, Labiale hin oder her. Um diese Korrespondenz akzeptabel zu machen, ist eine "Nukleuskorrespondenz" erforderlich. Damit ist das Folgende gemeint. Ein Satz wie I'm going to France next week enthält einen intonatorischen Nukleus (vgl. Kap. 8.2), etwa I'm going to FRANCE next month. Nun ist es nicht so, dass dieses France lediglich etwas lauter als der Rest ausgesprochen würde. Die Artikulation ist insgesamt deutlicher und gespannter und, vor allem, sie wird durch Gestik/Mimik unterstützt: man macht bestimmte Kopf- oder Handbewegungen, zieht die Brauen hoch, weitet etwas die Augen usw. Würde man nun I'm going to FRANCE next month übersetzen mit Ich geh nächsten Monat nach FRANKreich, dann liegt der sichtbar betonte Teil, also das im Original betonte FRANCE, irgendwo auf einem hörbar unbetonten Teil von nächsten Monat, und dies ergibt einen Konflikt (der mit Ich geh nach FRANKreich nächsten Monat natürlich nicht auftritt). Für die obigen Shakespeare-Zeilen bedeutet dies: Sollte im Original flesh betont sein, müsste der Synchronsprecher die Satzbetonung auf allzu legen, läge sie auf too too, müsste doch dies gedehnt und betont werden. Die Nukleuskorrespondenz ist oberstes Gebot, um den Eindruck des (ziemlich) Gleichen zu erreichen. 13.2. Ansprüche an die Übersetzer Filme aus englischsprachigen Ländern sind nicht einfach "auf Englisch", sondern verwenden verschiedene Varietäten: amerikanisches, britisches, irisches, australisches Englisch, und spezieller, amerikanisches Englisch, wie von Jugendlichen verwendet, irisches Englisch, wie von Arbeitern in Dublin verwendet, Nordenglisch, wie von Bauern verwendet, je nachdem eben, wo der Film gerade spielt. Und je nachdem, wovon der Film handelt, tritt auch entsprechender Fachwortschatz oder Fachjargon auf. Manche Fehlübersetzungen sind daher schlicht die Folge von mangelnden Varietäten- und Sachkenntnissen. Who's that tart over there?

ist nicht "Wer ist die Torte da drüben" sondern "Wer ist die komische Tussi dort". The engine must be flooded

ist nicht "Die Maschine muss geflutet werden" sondern „Der Motor ist wohl abgesoffen". You're a pain in the arse

ist nicht "Sie sind eine Hämorrhoide im Hintern" sondern "Du gehst mir auf die Eier". Man muss als Übersetzer auch über das erforderliche Hintergrundwissen verfügen, also z.B. wissen, dass Random House ein Verlag in New York ist; demzufolge ist I've got to go to Random House nicht "Ich muss ins Random-Haus", sondern, an das deutsche Publikum angepasst, "Ich muss zu meinem Verleger". Hier werden insgesamt sprachliche und sachliche Anforderungen gestellt, die sehr weit über dem liegen, was allgemein vermutet wird. 13.3. Besondere Umstände Grundlage für die Synchronisationsübersetzung sind sog. continuities. Das sind Dialogzeilen wie A: Do you think you can walk? B: Yes, I suppose I can.

Diese Dialogzeilen sind kommentarlos und enthalten nur die schriftliche Form des tatsächlich Gesprochenen, also keine expliziten Hinweise auf Art und Ort des Geschehens, auf die Art und Weise des Gesprochenen ("brüsk", "tröstend" usw.). Mit anderen Worten: bei diesen continuities handelt es sich, zumindest teilweise, um Textfragmente.

85 An dieser Stelle ist es erforderlich, kurz den Prozess des Synchronisierens zu skizzieren. Die übersetzten continuities werden dem Dialogregisseur übergeben. Dieser überarbeitet sie gegebenenfalls, auf der Grundlage der Originalfasssung. Die Originalfassung wird in Abschnitte von einer Länge zwischen drei und fünf Sekunden zerlegt (in sogenannte takes), diese Abschnitte werden dann von den Synchronsprechern besprochen. Für den (Normal-)Fall, dass der Dialogregisseur die Fremdsprache nicht wesentlich besser beherrscht als der Übersetzer, muss sich der Regisseur auf die Übersetzung verlassen können, d.h., die Übersetzung muss getreu sein und abbilden, was "eigentlich" im Original steht. Nicht jeder Dialogregisseur spricht z.B. Schwedisch, ungeachtet dessen muss er jedoch irgendwie erfahren, was in Wirklichkeit gesagt wird. Diese Eigentlichkeit/Treue ist nicht ohne Tücken. Die zu übersetzende Vorlage ist häufig zu fragmentarisch. Wenn der Situationszusammenhang nicht genau bekannt ist, lässt sich ein Satz wie I've left my papers in the office

kaum übersetzen: leave 'vergessen, deponieren, zurücklassen', papers 'Zeitungen, Papiere, Akten, Dokumente', office 'Büro, Praxis, Kanzlei'. Man könnte sagen "Ich habe die Zeitungen im Büro gelassen" oder auch "Ich habe die Dokumente in der Kanzlei deponiert" (oder...). Da man sich unter diesen Umständen nicht sinnvoll entscheiden kann, greift man zu einer "wörtlichen Übersetzung" wie "Ich ließ die Papiere im Büro". Diese Wörtlichkeit ist aber nichts weiter als die Verwendung der jeweils üblichsten Äquivalente - wie sich ein Schüler mit drei Jahren Englischunterricht die Übersetzung vielleicht vorstellt, und von "getreu" kann hier nicht die Rede sein, vgl. Kap. 4. So wurde etwa His mum's passed away

mit "Seine Mami ist verschieden" übersetzt. Die Mutter anderer, erwachsener Menschen wird aber im Deutschen nicht als "Mama, Mami, Mutti" bezeichnet, auch dann nicht, wenn es so in den Wörterbüchern steht. Und pass away ist im amerikanischen Englisch die übliche Bezeichnung für 'sterben'. Historisch gesehen ist pass away natürlich ein Euphemismus in einem Tabubereich, aber de facto und synchron ist es eben das Wort für "sterben". Hinzu kommt, dass im Deutschen dieser sogenannte Euphemismus nicht üblich ist und ganz spezielle Kontexte erfordert. Eine derart nicht-äquivalente Übersetzung wie "Seine Mami ist verschieden" ist durch keine Wörtlichkeitsüberlegung und durch überhaupt nichts zu rechtfertigen. "Bist du sicher?" hört man auch nur aus synchronisiertem Munde, etwa wenn einem Gast ein zweites Glas angeboten wird, und dieser dankend abgelehnt - man fragt im Deutschen "Wirklich nicht?" oder "Bestimmt nicht?", und dass man dies im Englischen mit (Are you) sure? sagt, impliziert nicht, dass man "Bist du sicher?" formulieren kann. Diese Art von Treue entspricht der in Kap. 4 erwähnten Pseudowörtlichkeit: „hypernationalistische Blonde“ ist zwar keine vernünftige Übersetzung von biondi ipernazionalisti, erlaubt aber, bei einer gewissen Vorbildung, den Schluss auf die Formulierung des Originals. „Bist du sicher?“, im gerade erwähnten Kontext, ist auch keine Übersetzung, erlaubt aber für eine Pewrson mit rudimetären Englischkenntnissen die Rekonstruktion als Are you sure? Es wird wohl so sein, dass ein Teil dieser Formulierungen auf individuelle Schwächen der Übersetzer zurückgeht - bei der üblichen Bezahlung für diese Tätigkeit ist höchstes Arbeitstempo erforderlich, nicht immer ist die erforderliche fremdsprachliche Kompetenz gegeben. Ein Teil der Übersetzer scheint aber schlicht nicht den Mut zu haben, varietätenund situationsgerecht zu übersetzen. Wenn eine Person vom Pferd stürzt, fragt man sie, auf Deutsch, doch nicht „Bist du okay?“ (Are you o.k.?), sondern “Alles in Ordnung?”, „Bist du in Ordnung?“, „Hast du dir was getan?“ oder was auch immer. Der sogenannten Treue halber offeriert man verdeckt ein rekonstruierbares Original. Unter den Umständen der Synchronisation kann man Treue, wie vom Dialogregisseur erwünscht, durch kommentiertes Übersetzen erreichen. Die Wiedergabe von

86 I’ve left my papers at the office

müsste Optionen frei lassen: “Ich habe meine Papiere/Dokumente/Akten/Zeitungen im Büro/in der Kanzlei/in der Praxis liegen lassen/vergessen/deponiert“. A: Are you sure?

ist wiedergebbar durch „A fragt, ob B wirklich keinen zweiten Whisky will“ und B: The early bird catches the worm

durch “B sagt so viel wie ‚Wer zuerst kommt, mahlt zuerst’ oder ‚Morgenstund hat Gold im Mund’“. Die gängige Praxis, gekennzeichnet durch die ganz normalen übersetzerischen Fehler, durch das Vorliegen von defizienten Texten und durch laienhafte Vorstellungen von Treue, führen zu einem Deutsch, das man als spezifische Varietät „Synchrondeutsch“ in den meisten Fällen erkennen kann. Ein Spezifikum dieses Deutschen sei noch erwähnt: es ist in der Regel a-regional. Wenn das Original Unterschiede zwischen dem Amerikanischen und dem Britischen Englisch thematisiert, oder regionale Konflikte in Italien durch den Einsatz von verschiedenen Dialekten, dann muss der Übersetzer die Waffen strecken. Das Sizilianisiche ist durch das Bairische oder Schwäbische nicht ersetzbar. Allerdings: wenn die Fische in Walt Disney’s Captain Nemo verschiedene regionale Varietäten des Englischen sprechen, kann man sie in der Synchronisation verschiedene Varietäten des Deutschen sprechen lassen: schließlich ist das Englische ja nicht die Sprache der Fische.

14. ZWEISPRACHIGE LEXIKOGRAPHIE HEUTE: go! In diesem abschließenden Kapitel seien einige Aspekte der zweisprachigen Lexikographie behandelt. Einsprachige und zweisprachige Wörterbücher bieten für die meisten die wesentlichen Hilfsmittel für den Spracherwerb im Selbststudium. xx.1. go Zunächst sei hier der Eintrag go behandelt, aus Pons/Collins Wörterbuch für Schule und Studium Englisch – Deutsch; Stuttgart etc.: Ernst Klett Verlag, 3. Auflage 1998. Der Artikel wird unten abgedruckt, unter Beibehaltung der Typographie, die Wörterbuchspalten werden jedoch aufgelöst. Die Grobgliederung ist I vi 1. – 21. II aux vb (forming future tense) III vt 1. – 5. IV n, pl –es 1. – 5. V adj Die Verbalkonstruktionen mit Präposition/Adverb (go back usw.) werden in Pons/Collins im Anschluss an den Artikel gesondert behandelt. Nach den arabischen Zahlen folgt jeweils ein Block, der die Bedeutungsangaben enthält, endend mit einem Punkt. Anschließend wird weiteres zweisprachiges Material gegeben. Hier der Artikel. go [gə] (vb: pret went, ptp gone) I vi 1. (proceed, move) gehen; (vehicle, by vehicle) fahren; (plane) fliegen; (travel) reisen; (road) führen. to ~ to France/on holiday nach Frankreich fahren/in Urlaub gehen; I have to ~ to the doctor/London ich muß zum Arzt (gehen)/nach London; to ~ on a journey/course verreisen, eine Reise/einen Kurs machen; to ~ for a walk/swim spazierengehen/

87 schwimmen gehen; to ~ fishing/shopping/shooting angeln/einkaufen/auf die Jagd gehen; the dog/the doll ~es everywhere with her der Hund geht überall mit ihr mit/sie nimmt die Puppe überallhin mit; we can talk as we ~ wir können uns unterwegs unterhalten; where do we ~ from here (lit) wo gehen wir anschließend hin?; (fig) und was (wird) jetzt?; you're ~ing too fast for me (lit, fig) du bist mir zu schnell; to ~ looking for sb/sth nach jdm/etwas suchen; to ~ for a doctor/newspaper einen Arzt/eine Zeitung holen (gehen); to ~ to sb for sth (ask sb) jdn wegen etw fragen; (fetch from sb) bei jdm etw holen; there he ~es! da ist er ja!; who ~es there? (guard) wer da?; you ~ first geh du zuerst!; you ~ next du bist der nächste; there you ~ (giving sth) bitte; (I told you so) na bitte; there you ~ again! (inf) du fängst ja schon wieder an!; here we ~ again! (inf) jetzt geht das schon wieder los! (inf); to ~ to get sth, to ~ and get sth etw holen gehen; ~ and shut the door/tell him mach mal die Tür zu/sag's ihm; he's gone and lost his new watch (inf) er hat seine neue Uhr verloren; don't ~ telling him, don't ~ and tell him geh jetzt bitte nicht hin und erzähl ihm das (inf). 2. (attend) gehen. to ~ to church/evening class in die Kirche/in einen Abendkurs gehen, einen Abendkurs besuchen; to ~ to work zur Arbeit gehen; he's ~ing as a pirate er geht als Pirat; what shall I ~ in? was soll ich anziehen? 3. (depart) gehen; (vehicle, by vehicle also) (ab)fahren; (plane, by plane also) (ab)fliegen. has he gone yet? ist er schon weg?; I must ~ now ich muß jetzt gehen or weg; after I ~ or have gone or am gone (leave) wenn ich weg bin; (die) wenn ich (einmal) nicht mehr (da) bin; we must ~ or be ~ing or get ~ing (inf) wir müssen gehen or uns langsam auf den Weg machen (inf); time I was gone Zeit, daß ich gehe; be gone! (old) hinweg mit dir (old); ~! (Sport) los!; here ~es! jetzt geht's los! (inf). 4. (disappear, vanish) verschwinden; (pain, spot, mark also) weggehen; (be used up) aufgebraucht werden; (time) vergehen. it is or has gone (disappeared) es ist weg; (used up, eaten) es ist alle (inf); where has it gone? wo ist es hin or geblieben?; the trees have been gone for years die Bäume sind schon seit Jahren nicht mehr da; gone are the days when... die Zeiten sind vorbei, wo...; I don't know where the money ~es ich weiß nicht, wo all das Geld bleibt; all his money ~es on records er gibt sein ganzes Geld für Schallplatten aus; £50 a week ~es in or on rent £50 die Woche sind für die Miete (weg); the heat went out of the debate die Debatte verlor an Hitzigkeit; how is the time ~ing? wie steht's mit der Zeit?; it's just gone three es ist gerade drei vorbei, es ist kurz nach drei; two days ~ till... noch zwei Tage bis...; only two more patients to ~ nur noch zwei Patienten; two down and one to ~ zwei geschafft und noch eine(r,s) übrig; there ~es another one! und noch eine(r,s) weniger! 5. (be dismissed) gehen; (be got rid of) verschwinden; (be abolished) abgeschafft werden. that minister will have to ~ der Minister wird gehen müssen; that old settee will have to ~ das alte Sofa muß weg. 6. (be sold) the hats aren't ~ing very well die Hüte gehen nicht sehr gut (weg); to ~ for nothing umsonst sein; to be ~ing cheap billig sein; it went for £5 es ging für £5 weg; I won't let it ~ for less than that billiger gebe ich es nicht her; ~ing, ~ing, gone! zum ersten, zum zweiten, und zum dritten! 7. (have recourse to) gehen. to ~ to the country (Brit Parl) Wahlen ausrufen; to ~ to law/war vor Gericht gehen/Krieg führen (over wegen). 8. (prize, 1st place) gehen (to an +acc); (inheritance) zufallen (to sb jdm). 9. (extend) gehen. the garden ~es down to the river der Garten geht bis zum Fluß hinunter; the difference between them ~es deep der Unterschied zwischen ihnen geht tief; I'll ~ to £100 ich gehe bis £100. 10. (run, function) (watch) gehen; (car, machine also) laufen; (workers) arbeiten. to ~ slow (workers) im Bummelstreik sein; (watch) nachgehen; to get ~ing in Schwung or Fahrt kommen; to get sth ~ing, to make sth ~ etw in Gang bringen; party etw in Fahrt bringen; business etw auf Vordermann bringen; to get sb ~ing jdn in Fahrt bringen; to get ~ing on or with sth etw in Angriff nehmen; once you get ~ing on it wenn man erst mal damit angefangen hat; to keep ~ing (person) weitermachen; (machine, engine) weiterlaufen; (car) weiterfahren; (business) weiter laufen; keep ~ing! weiter!; this medicine/prospect kept her ~ing dieses Medikament/diese Aussicht hat sie durchhalten lassen; here’s £50/some work to keep you ~ing hier hast du erst mal £50/etwas Arbeit; to keep sb ~ing in food jdn mit Essen versorgen.

88 11. (happen, turn out) (project, things) gehen; (event, evening) verlaufen; (voting, election) ausgehen. how does the story/tune ~? wie war die Geschichte doch noch mal/wie geht die Melodie?; how does his theory ~? welche Theorie hat er?, was ist seine Theorie?; the story or rumour ~es that... es geht das Gerücht, daß...; the election/decision went in his favour/against him die Wahl/Entscheidung fiel zu seinen Gunsten/Ungunsten aus; how's it ~ing?, how ~es it? (inf) wie geht's (denn so)? (inf); how did it ~? wie war's?; how did the exam/your holiday ~? wie ging's in der Prüfung/wie war der Urlaub?; if everything ~es well wenn alles gutgeht; all went well for him until... alles ging gut, bis...; we'll see how things ~ (inf) wir werden sehen, wie es läuft (inf) or geht; you know the way tings ~ Sie wissen ja, wie das so ist or geht; the way things are ~ing I'll... so wie es aussieht, werde ich...; things have gone well/badly es ist gut/schlecht gelaufen; she has a lot ~ing for her sie ist gut dran. 12. (fail, break, wear out) (material, mechanism, bulb, zip) kaputtgehen; (through rust) (durch)rosten; (health, strength, eyesight) nachlassen; (brakes, steering) versagen; (button) abgehen. the jumper has gone at the elbows der Pullover ist an den Ärmeln durch (inf); his mind is ~ing er läßt geistig sehr nach; there ~es another bulb/button! schon wieder eine Birne kaputt/ein Knopf ab! 13. (be accepted: behaviour, dress) gehen (inf). anything ~es! alles ist erlaubt; what I say ~es! was ich sage, gilt or wird gemacht!; that ~es for me too (that applies to me) das gilt auch für mich; (I agree with that) das meine ich auch. 14. (be available) there are several houses/jobs ~ing es sind mehrere Häuser/Stellen zu haben; I'll have whatever is ~ing ich nehme, was es gibt; the best beer ~ing das beste Bier, das es gibt. 15. (be, become) werden. to ~ deaf/mad/grey taub/verrückt/grau werden; to ~ hungry hungern; I went cold mir wurde kalt; to ~ in rags in Lumpen gehen; to ~ to sleep/ruin einschlafen/zerfallen; to ~ Japanese/ethnic auf japanisch/auf Folklore machen (inf); to ~ Labour Labour wählen. 16. (to be contained, fit) gehen, passen; (belong, be placed) hingehören; (in drawer, cupboard) (hin)kommen. it won't ~ in the box es geht or paßt nicht in die Kiste; the books ~ in that cupboard die Bücher kommen or gehören in den Schrank dort; 4 into 12 ~es 3 4 geht in 12 dreimal; 4 into 3 won't ~ 3 durch 4 geht nicht. 17. (match) dazu passen. to ~ with sth zu etwas passen. 18. (contribute) the money ~es to help the poor das Geld soll den Armen helfen; the money will ~ towards a new car das ist Geld für ein neues Auto 19. (make a sound or movement) machen. to ~ bang/shh/tick-tock peng/pst/ticktack machen; ~ like that (with your left foot) mach so (mit deinem linken Fuß); there ~es the bell es klingelt. 20. (US) food to ~ Essen zum mitnehmen 21. he's not bad as boys ~ verglichen mit anderen Jungen ist er nicht übel. II aux vb (forming future tense) I'm/I was/I had been ~ing to do it ich werde/ich wollte es tun/ich habe es tun wollen; I wasn't ~ing to do it (anyway) ich hätte es sowieso nicht gemacht; it's ~ing to rain es wird wohl regnen; he knew that he wasn't ~ing to see her again er wußte, daß er sie nicht wiedersehen würde; there's ~ing to be trouble es wird Ärger geben. III vt 1. route, way gehen; (vehicle, by vehicle) fahren. 2. (Cards) £5 gehen bis, mithalten bis. 3. (inf) to ~ it (~ fast) ein tolles Tempo draufhaben (inf); (live hard) es toll treiben (inf); (work hard) sich hineinknien (inf); to ~ it alone sich selbständig machen. 4. my mind went a complete blank ich hatte ein Brett vor dem Kopf (inf). 5. (inf) I could ~ a beer ich könnte ein Bier vertragen. IV n, pl -es 1. (inf) (energy) Schwung m. to be full of ~ unternehmungslustig sein. 2. to be on the ~ auf Trab sein (inf); to keep sb on the ~ jdn auf Trab halten; he's got two women/books on the ~ er hat zwei Frauen gleichzeitig/er schreibt an zwei Büchern gleichzeitig; it's

89 all ~ es ist immer was los (inf). 3. (attempt) Versuch m. it's your ~ du bist dran (inf) or an der Reihe; you've had your ~ du warst schon dran (inf) or an der Reihe; miss one ~ einmal aussetzen; to have a ~ es versuchen, es probieren; have a ~! versuch's or probier's (inf) doch mal!; to have a ~ at sb (criticize) jdn runterputzen (inf); (fight) es mit jdn aufnehmen; to have a ~ at doing sth versuchen or probieren etwas zu tun; at the first/second ~ auf Anhieb (inf)/beim zweiten Mal or Versuch; at or in one ~ auf einen Schlag (inf); (drink) in einem Zug (inf); she asked for a ~ on his bike sie wollte mal sein Fahrrad ausprobieren; can I have a ~? darf ich mal? 4. (success) to make a ~ of sth in etw (dat) Erfolg haben; (it's) no ~ (inf) das ist nicht drin (inf), da ist nichts zu machen; it's all the ~ (inf) das ist der große Hit (inf). 5. from the word ~ von Anfang an. V adj (esp Space) you are ~ for takeoff/landing alles klar zum Start/zur Landung; all systems (are) ~ (es ist) alles klar.

Dazu folgender Kommentar: Die Bedeutungsangaben enthalten kursive englische Wörter in Klammern und deutsche Wörter. Die englischen Wörter sind teils kontextuelle Synonyme (move, proceed). Sie sind wohl so zu verstehen: wenn statt go auch move oder proceed, ohne viel Unterschied, stehen könnte, ist die Übersetzung gehen. Das setzt natürlich die Kenntnis dieser kontextuellen Synonyme voraus, was im Falle von move wahrscheinlich ist, im Falle von proceed schon weniger, im Falle von unten 2. (attend), 5. (dismiss), 7. (have recourse to) und diversen anderen jedoch nicht, abgesehen davon, dass die so verwendeten Verben, isoliert, polysem sind. Teils handelt es sich bei den englischen Wörtern um Kollokationsangaben: tritt go zusammen mit vehicle oder by vehicle auf, ist es fahren. Es muss sich um allgemeine Kollokationsangaben handeln, also bei vehicle um ‚jede Art von Fahrzeug’. Ob die Menge der vehicles der der Fahrzeuge entspricht? Was gehört zur Menge der roads – auch Wege, Pfade? Die Synonyme oder Kollokationen kann man als Elemente oder Reste eines „ungerichteten“ zweisprachigen Wörterbuchs sehen: hilfreich für den englischen Benutzer, aber nur wenig sinnvoll für den deutschen Benutzer, insgesamt eine Schwäche in der generellen Konzeption. Etwas verwirrend ist, dass Verwendungsangaben wie „informal“ drucktechnisch wie die Synonyme bzw. Kollokationen etc. in Klammern und kursiv gesetzt werden. Über die Funktion des folgenden umfangreichen Materials (noch unter 1.) gibt das Vorwort keine weitere Auskunft. Bei den Unterziffern I.4.- 6 hat dieser Teil klar Beispielfunktion, fast alle „Wendungen“ lassen sich dem jeweiligen Bedeutungsblock zuordnen. Das Material im Abschnitt nach 1. erscheint ungeordnet, zum Teil sehr konkret (the doll goes everywhere with her), zum Zeil auch als Formel (to go to sb for sth). Einige, wie I have to go to the doctor entsprechen keiner der Bedeutungen im vorangehenden Block, andere, wie you go first, wären an andere Stelle besser untergebracht. Der Abschnitt 1 ist der Ort, an dem man irgendwann explizit sagen müsste, dass sich dieses go mit Adverbialen verbindet, die eine Richtung angeben, wie z.B. to France, aber auch into the garden, up the hill, from x to y. Das Gliederungsprinzip ist eines nach Bedeutungen (nicht, was auch möglich ist, nach Konstruktionen), aber bei solcher Gliederung wäre dann erkennbar nach Konstruktionen zu differenzieren, hier etwa nach weiteren Angaben (for, Zweck), Konstruktionen (go and do something, go doing sth). In 14. wird nicht einmal auf eine so auffällige Struktur wie Nominalphrase + going aufmerksam gemacht, ebenso nicht, dass sich go mit Adverb der Art und Weise oder go mit Adjektiv klar mit bestimmten Bedeutungen verbindet. Unter den folgenden Ziffern ist immer wieder festzustellen, dass das Material nach dem Punkt nicht in den Abschnitt passt: was hat z.B. what shall I go in ‚was soll ich anziehen’ mit ‚attend’ zu tun? Dementsprechend schwer ist eine solche Verwendung, sollte man nach ihr

90 suchen müssen, zu finden. Einiges könnte man streichen oder in eine Spezialabteilung legen (Who goes there?, he’s not as bad as boys go), anderes zusammenfassen, z.B. 8. und 18. Zum: Abschnitt „II aux vb (forming future tense)“: be going to ist, nach der üblichen grammatischen Terminologie, natürlich kein Hilfsverb, und schon gar nicht wird damit ein Tempus Futur gebildet. Es handelt sich um eine Konstruktion, die eine bestimmte Art der Einschätzung einer Zukünftigkeit, nämlich die, dass die Anzeichen für ein zukünftiges Ereignis vorhanden sind. Das wird so aus den fünf Übersetzungsbeispielen nicht klar. Warum zweisprachige Wörterbücher hier nicht sagen, was Sache ist, bleibt ihr Geheimnis. Was dieser Typ von Wörterbüchern unter „grammatischen“ Wörtern wie the, this, must ausführt, ist völlig unzureichend. Den Gebrauch von go in III als „transitives Verb“ zu bezeichnen, ist terminologisch ebenfalls fragwürdig, schließlich handelt es sich nicht um direkte Objekte und eine Passivierbarkeit ist nicht gegeben. Insgesamt fehlt offensichtlich eine ordnende Hand, die die Auswahl bestimmt und die ferner solche Gliederung in den Eintrag bringt, dass die Konstruktionen, die man nachschlagen will, von denen man als Benutzer her kommt, auffindbar sind. Der Verzicht auf explizite Erklärungen ist unverständlich. Die Qualität der Information in einsprachigen Lernerwörterbüchern wird bei weitem nicht erreicht.

15. HILFSMITTEL FÜR DIE ÜBERSETZUNG 15.1 Einsprachige Wörterbücher Die vier großen einsprachigen Lernerwörterbücher Collins COBUILD English Dictionary for Advanced Learners (32001). Sinclair, John (Hrsg.). Glasgow: Harper Collins. Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English (62000). Hornby, A. S. (Hrsg.). Oxford: OUP. Longman Dictionary of Contemporary English (42002). London/München: Longman/Langenscheidt. Cambridge International Dictionary of English (1995). Procter, Paul (Hrsg.). Cambridge: CUP. sind grundlegende und unentbehrliche Hilfsmittel. In den Formulierungen knapper, weil für Muttersprachler konzipiert, dafür aber mehr Wortschatz enthaltend, ist das ist das. The Concise Oxford Dictionary (102001). Pearsall, Judy (Hrsg.). Oxford: Clarendon. Das umfangreichste Wörterbuch des Englischen, den Wortschatz und historische Worterläuterungen betreffend, ist das The Oxford English Dictionary (21989). Simpson, John A. (Hrsg.). 20 Bde. Oxford: Clarendon Press. eine reduzierte Version ist das The New Shorter Oxford English Dictionary on Historical Principles (52002). 2 Bde. Trumble, William R. (Hrsg.). Oxford: Clarendon Press. Speziell für das Amerikanische Englisch Random House Webster's Unabridged Dictionary (21999). Steinmetz, Sol (Hrsg.). New York: Random House. The American Heritage dictionary of the English language (42000). Pickett, Joseph P. (Hrsg.). Boston/Mass. [u.a.]: Houghton Mifflin. Webster's Third New International Dictionary of the English Language (1986). 2 Bde. + 3 supplements (1976/1983/1986). Springfield/Mass.: Merriam.

91 xx.2. Zweisprachige Wörterbücher 15.2. Elektronische Hilfsmittel 15.2.1. Suchmaschinen www.google.com Google sucht Texte u.A. auf Wörter und Wortgruppen ab, präsentiert die Ergebnisse und Verbindungen zu den Texten. Google ist geeignet für enzyklopädische Information, vor allem dann, wenn man in der Lage ist, die Qualität der Quelle einzuschätzen. Bei der Eingabe mehrerer Wörter empfiehlt sich die „erweiterte Suche“ (Zeitersparnis). Google vermittelt Anhaltspunkte, wenn man nach Zitaten, Titeln, Wortspielen, allen Arten von Wendungen sucht. Mit einiger Übung lassen die Angaben auch auf Häufigkeiten schließen, eine der Einstellungen gibt auch, bei neuen Wörtern, Auskunft über das erste Auftreten. Das Aufstellen kleinerer Konkordanzen ist möglich. Die Maschine (und ähnliche, wie Altavista, Yahoo, Lycos) kann vor allem dabei helfen, wenn man Schwierigkeiten mit den Sachverhalten hat oder wenn man, aufgrund mangelnder Kenntnisse, vor Mehrdeutigkeiten steht : hat jemand, der threatened with tuberculosis ist, Tuberkulose oder besteht nur der Verdacht auf Tuberkulose? Ein wichtiger Hinweis: www.google.de bietet auch Zugriff auf das deutschsprachige Net oder auf Seiten aus Deutschland. Vor allem bei fachsprachlichen Vokabeln ist es immer einen Versuch wert, das englische Wort einzugeben und in den deutschen Seiten suchen zu lassen: man sieht auf den ersten Blick, dass z.B. die vorgeschichtliche Kultur der bell beaker people die der „Glockenbecherleute“ ist. (und kann das gegebenenfalls auf den englischsprachigen Seiten überprüfen). www.webcorp.org.uk WebCorp verwendet das Internet als „Textsammlung“, also als Korpus, und ermöglicht linguistisch wesentlich raffiniertere Suchen als Google. Die Suchen können teilweise nach Texten, teilweise nach Sachgebieten spezifiziert werden, die Ergebnisse sind als Konkordanzen in verschiedenen Anordnungen abrufbar. Eine bemerkenswerte Alternative für alle diejenigen Benutzer, die keinen ungehinderten Zugang zu anderen großen Korpora wie Bank of English oder British National Corpus haben. 15.2.2. Enzyklopädien Die großen Enzyklopädien wie www.britannica.com oder www.encarta.com erlauben begrenzten Zugang zu Teilen ihres Materials. Die Daten der diversen Oxford Dictionaries sind online, aber kostenpflichtig, zugänglich, www.oxfordreference.com. 15.2.3. Wörterbücher Die großen einsprachigen Lerner-Wörterbücher des Englischen (Oxford Advanced Learner’s Dictionary, Longman Dictionary of Contemporary English, COBUILD Dictionary of the English Langauge, Cambridge International Dicitonary of English) haben inzwischen CDROM-Fassungen. Diese CDs bieten wesentlich mehr als diejenigen CDs, die als Dreingabe zusammen mit dem Wörterbuch verkauft werden. Das Oxford English Dictionary ist online verfügbar und wird laufend auf den neuesten Stand gebracht. Einige der amerikanischen Wörterbücher können online konsultiert werden, so das American Heritage Dictionary (www.bartleby.com/61) oder das Merriam Webster Dictionary (www.mw.com).

Das Wortschatz Lexikon (www.wortschatz.uni-leipzig.de) ist für Deutsch, Englisch, Französisch, Holländisch konzipiert. Das Suchwort wird zunächst durch Beispiele illustriert, anschließlich ist es möglich, die Kollokationen (allgemein, Links-, Rechts-) abzurufen. Damit kann die Häufigkeit einer gegebenen Kollokation eingeschätzt werden, die Art der gelisteten

92 Kollokationen erlaubt Aufschlüsse über Restriktionen und über Assoziationen des Suchwortes (z.B. negative Assoziation im Falle des Adjektivs utter), ist also hilfreich für semantische Prosodie. Die Listen werden durch Graphen veranschaulicht. europa.eu.int/eurodicautom ist eine Website der EU und deren Sprachendienst. Es handelt sich um eine mehrsprachige Terminologiebank für 11 EU-Sprachen (und Latein), diversifiziert in ca. 90 Bereiche von Agriculture bis Working Conditions and Ergonomics, basierend auf EU-Dokumenten (und andern Quellen). Eine Suche nach dt. Rückfluss ergibt unter Anderem Englisch reflux, backflow, feedback, je nach angegebenem Fachgebiet bzw. der angegebenen Quelle. Absolut unerlässlich für jede Art von „akademische Prosa“ und verlässlich. Ein Wunderwerk. Weitere Inforationen bei europa.eu.int/comm/translation. www.cogsci.princeton.edu/cgi-bin/webwn ist die Adresse von WordNet. WordNet ist einsprachig und bietet die verschiedenen Bedeutungen des gesuchten Wortes, erläutert durch Synonyme, mit Beispielen. Verschiedene Wortfeldbeziehungen können ermitteln werden. So kommt man von hat zu allen möglichen Kopfbedeckungen. Den einzelnen Bedeutungen können sentence frames (implizite Strukturangaben) zugeordnet werden. Die Gebrauchshäufigkeit wird ermittelt, z.B. common/uncommon. Für Gebrauchseinschätzung eines Wortes und die Weiterentwicklung des Wortschatzes recht hilfreich. www.yourdictionary.com ist einsprachig und zweisprachig. Der einsprachige Teil ist wortorientiert und lexikographisch veraltet: so werden zwar die acht Bedeutungen für ask angegeben, diese Bedeutungen werden aber nicht explizit mit bestimmten identifizierbaren Strukturen gekoppelt. Dasselbe gilt für den zweisprachigen Teil. www.dict.cc ist zweisprachig, Englisch und Deutsch, gibt in der Regel eine größere Zahl von Übersetzungen, bezieht sich jedoch nicht immer eindeutig auf die entsprechenden Konstruktionen. www.leo.org. Ein „voluminöses“ Wörterbuch für das Paar Englisch-Deutsch, das auch mit einer Reihe anderer Hilfsmittel verlinkt ist (z.B. Eurodicautom, s.u.). Stark in der Zahl der prinzipiellen Übersetzungsmöglichkeiten, auch im Bereich der Fachsprachen, Institutionen in Deutschland, Großbritannien usw. Bei häufigeren Wörtern im Angebot manchmal verwirrend wegen nicht ausreichender Bindung von Bedeutungen an Konstruktionen. Bei polysemen Verben und „grammatischen“ Wörtern wie go, must linguistisch leider völlig hilflos und willkürlich in der Auswahl der Beispiele bzw. Wendungen, schwach in der Idiomatik. Kein Ersatz für die einsprachigen Wörterbücher bei komplizierteren Fragen. Aber dennoch: eines der zweisprachigen Net-Wörterbücher, dessen Entwicklung zu verfolgt sich lohnen dürfte. Onelook.com ist eine Suchmaschine für eine große Anzahl von Wörterbüchern, die Zugang zu diesen herstellt. Mit entsprechenden Einstellungen kann man Optionen vornehmen und die Suche auf bestimmte Wörterbücher, auch zweisprachige, beschränken.

16. LITERATUR ZU „ÜBERSETZUNG“ Wie eingangs des Buches bemerkt, war ein wichtiges Anliegen, die Erfahrungen mit Übersetzungen und Übersetzungsunterricht zu sammeln und zu ordnen. Beim Sammeln und Ordnen ist es hilfreich, wenn man Bezüge herstellen kann, seien sie bestätigend, nur ähnlich oder auch widersprechend. Einige Grammatiken oder Teilgrammatiken des Englischen sind unten genannt, weil es niemanden gibt, der nicht auch dazulernen könnte (um so die Anforderung zu befolgen, der Übersetzer müsse „beide Sprachen können“).

93 In den letzten Jahrzehnten hat sich auch unsere Vorstellung, von dem, was Sprache sei, erheblich verändert. Die Pragmatik (vgl. Bublitz), die Textlinguistik (vgl. Halliday/Hasan, de Beaugrande/Dressler, Coulthard, Nord) und die umfangreichen Forschungen zur Korpuslinguistik haben zu neuen Interesse-Schwerpunkten geführt. Dabei ist insbesondere die Sensibilität auf dem Gebiet der „Stilistik“ und der Varietätenlinguistik gewachsen (Biber, Biber u.a.). Die spezielleren Übersetzungstheorien stellen einzelne Aspekte des Bereichs Übersetzung oft in prononcierter Weise dar (Überblick bei Gentzler und Stolze), etwa in Bezug auf die Metatextualität von Übersetzung, die Zweckbestimmtheit letzterer, die erforderlichen Manipulationen, den kulturellen Transfer. Für die modernen Theorien waren sicher die Anregungen von Nida („dynamic equivalence“) von wesentlicher Bedeutung.

Mona Baker: In Other Words. A Coursebook on Translation. London: Routledge 1992 Richard de Beaugrande/Dressler, W.: Introduction to Text Linguistics. London etc : XXX 1981 Donald Biber: Variation Across Speech and Writing. Cambridge: CUP 1988 Douglas Biber/Johannson,S./Leech,G./Conrad,S./Finegan,E.: Longman Grammar of Spoken and Written English. Harlow: Longman 1999 Wolfram Bublitz: Englische Pragmatik. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag (Grundlagen der Anglistik und Amerikanistik 21) Cicero: De Inventione / De Optimo Genere Oratorum / Topica. With an English Translation by H.M.Hubbell. London: William Heinemann 1960 (Loeb Classical Library). Siehe auch Störig Collins COBUILD English Grammar. London: Collins 1995 Jürgen Esser: English Linguistic Stylistics. Tübingen: Max Niemeyer 1993 Malcolm Coulthard: An Introduction to Discourse Analysis. Harlow: Longman 21994. Roslyn E. Catliff: Advanced Translation Practice German – English. München: Manz 1980 Judith Gacheiner: Übersetzen. Frankfurt: Eichborn Verlag 1995 Edwin Gentzler: Contemporary Translation Theories. Clevedon etc.: Multilingal Matters Ltd, 2nd revised edition (Topics in Translation 21) J. Gottwald: Übersetzung Englisch-Deutsch: Texte, Fehlerquellen, Übungen. München: Manz 1982 Christoph Gutknecht/Lutz J.R.: Translating by Factors. New York: State University of New York Press 1996 M.A.K. Halliday/Hasan, R.: Cohesion in English. London XXX 1976

94 Christa Hohenadl/Will, R.: Into German. Ein systematisches Übersetzungstraining Englisch – Deutsch. Ismaning: Max Hueber Verlag 1994 Hans G. Hönig/Kussmaul, P.: Strategie der Übersetzung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen: Gunter Narr 1982 Juliane House: A Model for Translation Quality Assessment. Tübingen: Gunter Narr 1977 Rodney Huddleston/Pullum, G.K.: The Cambridge Grammar of the English Language. Cambridge; CUP 2002 Hieronymus. Siehe Störig Werner Koller: Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Heidelberg etc: Quelle & Meyer, 4. Auflage (UTB 819) Hans P Krings: Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht. Eine empirische Untersuchung zur Struktur des Übersetzungsprozesses an fortgeschrittenen Französischlernern. Tübingen: Gunter Narr 1986 (TBL 291) Geoffrey Leech: Meaning and the English Verb. London: Longman 1987 Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen. Siehe Störig Eugene A. Nida: Towards a Science of Translation: With Special Reference to Principles and Procedures Involved in Bible Translation. Leiden: E.J. Brill 1964 Christiane Nord: Text Analysis in Translation. Amsterdam: Rodopi 1991 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, 94) Randolph Quirk/Greenbaum, S./Leech, G./Svartvik, J.: A Comprehensive Grammar of the English Language. London: Longman 1985 Katharina Reiß/Vermeer, Hans: Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie: Tübingen: Niemeyer, 2. Aufl. 1991 (Linguistische Arbeiten 147) Douglas Robinson: Becoming a Translator. London etc: Routledge, 2nd edition 2003 Theodore Savory: The Art of Translation. London: Cape 1968. Veronica Smith/Klein-Braley, Chr.: in other words … Arbeitsbuch Übersetzung. Ismaning: Max Hueber Verlag, 2. Aufl. 1989 Mary Snell-Hornby: Translation Studies. An Integrated Approach. Amsterdam: John Benjamins 1988 Mary Snell-Hornby: German-English Prose Translation. Ismaning: Max Hueber Verlag 1994 Radegundis Stolze: Übersetzungstheorien. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr , 2. Aufl. 1997 (Narr Studienbücher)

95 Hans Joachim Störig (Hrsg.): Das Problem des Übersetzens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1969 Hans Vermeer: A skopos theory of translation (Some arguments for and against). Heidelberg: Textkontext Verlag 1996

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