Hauptseminar-Handout Satzaufbau und Satzkomplexität

January 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 1

Sommersemester 2016 (LMU München)

Hauptseminar: Satzaufbau und Satzkomplexität I Worum geht es? Das Folgende ist eine programmatische Skizze, welche der Anregung dient. Sie müssen nichts genauso machen. Eigene Ideen, die sich in den Rahmen fügen, sind willkommen! 1

Zum Thema Satzkomplexität ein Beispiel: 1

Im magischen, mythischen West Point, wo es ihm an jenem Tag schien, als wäre in je-

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dem Quadratzentimeter der am Fahnenmast flatternden Fahne mehr von Amerika als in

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jeder anderen Fahne, die er je gesehen hatte, und wo die eisernen Gesichter der Kadetten

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für ihn erfüllt waren von einer überwältigenden heroischen Bedeutung, selbst hier, im pa-

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triotischen Mittelpunkt, im Mark des unzerbrechlichen Rückgrats seines Landes, wo die

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Phantasien eines Sechzehnjährigen deckungsgleich waren mit den offiziellen Phantasien,

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wo alles, was er sah, ihn mit einer ekstatischen Liebe nicht nur zu sich selbst, sondern zu

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allem, was er sah, beseelte, als wäre die ganze Natur eine Manifestation seines eigenen

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Lebens – als wären die Sonne, der Himmel, die Berge, der Fluß, die Bäume nichts ande-

10 res als ein millionenfach vergrößerter Coleman Brutus „Silky“ Silk –, selbst hier kannte 11 niemand sein Geheimnis, und so ging er in die erste Runde und boxte nicht wie Mac 12 Machrones ungeschlagener Konterboxer, sondern schlug mit aller Kraft zu. 2

Wo ist der Kern dieses Satzes? Als eigener Satz formuliert: Niemand kannte sein Geheimnis, abstrakter: niemand Geheimnis kenn- (oder ähnlich). Und wie wird vom Kern ausgehend weiter ausgebaut? Wie entsteht diese Satzperiode? Was wird an Inhalten (wir konzentrieren uns auf Semantisches, Pragmatisches wäre natürlich ebenfalls betrachtenswert) eingebracht? Dieses Hauptseminar nimmt sich vor:  erstens, den Satzaufbau im Groben formal-syntaktisch zu studieren und die formalen Verfahren der Erzeugung zunehmender Phrasen- bzw. Satzkomplexität bis hin zur Satzperiode nachzuvollziehen

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Aus: Roth, Philip (2004). Der menschliche Makel. 7. Aufl. Reinbek bei Hamburg, S. 119. Ohne sein wäre der Minimalsatz ungrammatisch, doch das Possessivpronomen sein ist bereits eine Ausbaustufe der Objekts-NP (Determination). In diesem Fall ist sein (oder ein anderes „Artikelwort“) gefordert, weil Geheimnis syntaktisch ein Substantiv ist, das im Singular ein „Artikelwort“ benötigt. Vergleichen Sie dagegen Niemand kannte Kuno (Eigenname, EN)/ Butter (Stoffname, SN). Geheimnis verhält sich syntaktisch wie ein Gattungsname (common noun, CN), vgl. Niemand kannte *Buch (CN)/das Buch/jenes Buch etc.

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 zweitens, parallel zu erstens zu fragen, welche semantischen Entsprechungen man zu den 3 formalen Operationen formulieren kann  drittens, ausgehend von zentralen Inhaltskategorien wie ‚Modalität‘ oder ‚Possession‘ zu fragen, an welchen Stellen des Satzaufbaus mit welchen Mitteln diese Inhalte integriert werden kann.  viertens können wir Skizzen der jeweiligen Inhaltsdifferenzierung entwerfen. So kann man Modalität in epistemisch (Er dürfte im Kino sein), deontisch (Er darf im Kino sein) und evtl. noch feiner (Er ist bedauerlicherweise/verbotenerweise im Kino) unterteilen (nicht zu fein bitte). Besonders wünschenswert wäre es, wenn wir zeigen könnten, dass sich bestimmte semantische Unterscheidungen in unterschiedlichem grammatischem Verhalten widerspiegeln. Es könnte sein, dass sich unterschiedliche Modalisierungsarten unterschiedlich realisieren lassen. Vielleicht kann ‚Sprecher bedauert den Inhalt der Proposition‘ zwar durch Satzadverbien/Modalwörter, aber nicht durch Modalverben ausgedrückt werden, während epistemische Modalität „durch alles Mögliche“ ausdrückbar ist? Vielleicht drücken wir inalienable Possession zwar durch Pias Arm, der Arm von Pia, der Pia ihr Arm (geht das?) oder Kuno hat der Pia den Arm eingegipst aus, alienable Possession jedoch nicht genauso: Der Motor des Autos/von dem Auto / ?dem Auto sein Motor (ist mir unklar, da ich diese Konstruktion nicht aktiv verwende) / *Er hat dem Auto den Motor repariert. Wir wollen versuchen, zu beschreiben, was parallel zur Erzeugung komplexer Sätze an 4 inhaltlichen Funktionen in den Satz eingebracht wird. Wo wir (noch) keine verwendbare Fachliteratur finden, müssen wir selbst uns heranarbeiten, wie wir das beschreiben wollen 5 bzw. können. Das folgende Zitat entwirft das erstrebenswerte Ziel: Es dürfte nicht genügen, von einfachen „semantischen Feldern“ (z. B. der Zeit = Temporalität/des Grundes = Kausalität oder der Art und Weise = Modalität) auszugehen und ihnen die entsprechenden formalen Ausdrucksmittel katalogartig zuzuordnen. Vielmehr bedarf es u. a. einer präzisen Strukturierung dieser Felder (mit jeweiligen Zentren und Peripherien, abhängig vom Grad der Grammatikalisierung der betreffenden Ausdrucksmittel).

aber wir werden es nicht gleich und nicht in jedem Teilbereich erreichen. Wenn wir syntaktische Prozesse bzw. Verfahren und semantische Funktionen parallelisieren können, ist das schon einmal gut. Detailskizzen sind natürlich ebenfalls erstrebenswert. Wenn Sie bei Ihrem Thema steckenbleiben und keinen klaren Weg sehen sollten, wenden Sie sich bitte an mich, dann versuchen wir, das zusammen voranzubringen!

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Beispiel: Die Attribution beim NP-Ausbau dient der ‚Spezifikation‘, ‚Präzisierung‘, ‚Teilmengenbildung‘ (Film > teurer Film), ‚Referenzfestlegung‘ bzw. ‚Begriffsbildung‘? Zudem kann eine zentrale Inhaltskategorien realisiert werden wie ‚Possession‘, vgl. Pias Hand, Fuß von Zidane. Es geht also nicht bzw. allenfalls peripher darum, was in der Lexik oder in der Wortbildung möglich ist, sondern es geht um syntaktische Möglichkeiten des Ausbaus bzw. der Abänderung! Zitat aus: Helbig, G. et al. (Hgg.) (2001): Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch. Erster Halbbd. Berlin; New York, Kap. Linguistischer Ansatz (Götze/Helbig), S.27.

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Ich zeige nun eine Skizze des Satzkerns des komplexen Satzes oben (aus Roth 2004) im Format einer Dependenzstruktur (angelehnt an Mel’cuk 2009): kannte subj

dir-obj

niemand

advb

Geheimnis

hier

det

restr

sein

selbst

und in einer X-Bar-Darstellung (ohne die Fokuspartikel): CP Cˈ AdvP IP C° NP



niemand

VP VP

I° Vˈ

kannte

NP

NP

AdvP

Hier

kannte

hier

niemand



sein Geheimnis

kenn

-t -e

In einer älteren Version der Konstituentenstrukturgrammatik sieht der Satz so aus: S VP AdvP

VK

NP

Adv Hier

VV kannte

Pron niemand

NP Pron sein

N Geheimnis

Die Keimzelle ist kenn(en). Kennen ist ein zweiwertiges Zustandsverb. Durch seine Valenz (SUBJ: NPnom (niemand)/freier W-RelSatz, AKKO: NPakk ((sein) Geheimnis)/freier W-RelS)) und der Vergabe der thematischen Rollen (welche? Zustandsträger und Thema?) bildet sich

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der Minimalsatz und durch den Ausbau der Objekt-NP entsteht sein Geheimnis (Determination, inhaltlich ‚Possession‘ + ‚definit‘, Possessum: Geheimnis, Possessor = C. B. Silk). Durch die Wahl der Flexionsform des Verbs kenn > kann-t-e erfolgt eine personale (quasi ‚weder Produzent noch Rezipient‘), temporale (Präteritum = temporale Verschiebung in die Vergangenheit bzw. ‚Ereignis-/Zustandszeit vor Sprechzeit‘) und eine modale (unmarkierter Indikativ, also ‚faktisch‘) Spezifikation. (Also nicht: Ich + hier + jetzt, sondern „Dritte“ + hier + damals oder so ähnlich.) Hier als lokale Adverbiale ordnet den Sachverhalt lokaldeiktisch-anaphorisch ein: ‚in West Point‘. Insgesamt kommt etwas heraus wie ‚dass Semantik der Grammatik >> Determination). Zum Beitragen der Artikel evtl. auch Leiss (2000).

2.3.2 Attribution und Semantik

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Lässt sich ein semantisches System der nicht-satzförmigen adnominalen Attribute (wie AdjA, GA, PA) skizzieren? Und wie teilt sich das auf? Feinsäuberlich separiert oder mit Überschneidungen? Was also leisten semantisch (Sie müssen nicht alle Typen behandeln; behandeln Sie das, was Sie interessiert!) - Genitivattribut (Possession? ...?) - Präpositionalattribut (wirklich „alles Mögliche“?) - Adjektivattribut (Eigenschaften, Zustände, Herkunft (Münchn-er), ...?) - enge Apposition (komplexe Namen und was noch?)? Vgl. etwa Pias Auto, Auto von Pia und ein Glas kühler Wein/(?)kühlen Weines/?von kühlem Wein/mit kühlem Wein. Was ist akzeptabel, welche Konstruktion transportiert welche Bedeutungsnuancen? IV. 3 Semantik: übergreifende Themen 3.1 Possession Unter dem Begriff Possession werden Spielarten von Zugehörigkeitsbeziehungen eingeordnet, in denen prototypischerweise die beiden Beteiligten (Possessor, Possessum) in einer Weise aufeinander bezogen werden, die man als „asymmetrische Kontrolle“ bezeichnen kann. Die Körperteil-von- oder die Besitz-Relation sind jeweils nur ein Aspekt von Possession (wie auch Zustände, etwa der Zorn des Khan). Im Deutschen haben wir z. B. dem Relator (DAT)

Nachbarn

sein

Possessor

(?)9

Auto Possessum das Auto

des

Nachbarn

(Relator: GEN)10 Possessor Zudem finden sich (referenzierende) Konstruktionen wie sein Auto, das Auto von meinem Nachbarn oder der Nachbar mit dem Auto, evtl. auch der Pertinenzdativ (der Arzt hat dem Kranken den Blinddarm (den Blinddarm des Kranken) operativ entfernt). Zudem gibt es Possession in prädikativen Konstruktionen: Das Auto (Poss’um) gehört dem Nachbarn (Poss’or). Possession wird in der Regel zweigeteilt in inalienable (unveräußerliche, strikt relationale) und alienable (veräußerliche, nicht strikt relationale). Inalienabilität liegt z. B. vor in Pias Vater oder Pias Hand, anders z. B. Pias Hund, Pias Hut. Unumstritten ist diese Zweiteilung

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10

So etwas wie die Spiegelung bzw. Verdoppelung des Possessors? Das Possessivpronomen wäre in sein Auto selbst Anzeiger des Possessors. Oder sein als Teil des komplexen Relators [[d-DAT X] Posspron Y] Die Konstruktion „attributiver Genitiv“ dient allerdings nicht nur dem Ausdruck possessiver Beziehungen! Vgl. eine Herde wilder Pferde, der Beginn des Unterrichts. Es sind auch kollektivierende (messende, …) Verhältnisse möglich.

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nicht. Interessant ist jedoch, dass es Sprachen gibt, die hier Markierungsunterschiede machen.11 Das Thema wird hier sprachtypologisch behandelt (erste Orientierung, auch zur Definition einer prototypischen possessiven Relation): http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index.html?http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/possession.php. Interessant könnten sein (ich habe nicht in jede der folgenden Arbeiten hineinsehen können, eventuell ist nicht alles passend): - Heine, Bernd 1997, Possession. Cognitive sources, forces and grammaticalization. Cambridge: Cambridge University Press. - König, Ekkehard & Haspelmath, Martin 1998, "Les constructions à possesseur externe dans les langues de l'Europe." Feuillet, Jack (ed.), Actance et valence dans les langues de l'Europe. Berlin & New York: Mouton de Gruyter (Empirical Approaches to Language Typology, EUROTYP, 20-2); 525-606. - Nourelhoda Elkady (2001): Ausdrucksweisen der Possessivität im Deutschen und im Arabischen. Diss. Univ. Siegen, online: http://d-nb.info/961113065/34. - Seiler, Hansjakob 1983, POSSESSION as an operational dimension of language. Tübingen: G. Narr (Language Universals Series, 2). - Velazquez Castillo, Maura (1996): The Grammar of Possession. Amsterdam; Philadelphia 3.2 Zeit Wir haben bereits bei der Bildung finiter Verbformen den Unterschied zwischen PRÄS und PRÄT (lach-t vs. lach-t(-)e, liegst vs. lagst) kennengelernt, der die Zeit hinsichtlich ‚deiktisches Zentrum (= jetzt) wird (nicht) verlassen‘ spezifiziert (oder ein unterschiedliches Verhältnis zwischen Aktzeit und Sprechzeit und ggf. Betrachtzeit bewirkt). Das ist weiter auszubauen, indem man Syntaktisches wie temporale Verbalkomplexe betrachtet, z. B. hat/hatte geschrieben oder wird geschrieben haben. Auch Beispiele wie In dem Augenblick fühlte er sich am linken Arm ergriffen und zugleich einen sehr heftigen Schmerz. Mignon hatte sich versteckt gehabt, hatte ihn angefasst und ihn in den Arm gebissen (Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre). Warum bauen wir unsere Möglichkeiten, Zeitliches auszudrücken, aus (Ultra(plusquam)perfekt!)? (Die Frage ist vielleicht zu spekulativ, eine erste Beschreibung dessen, „was geht“, wäre schon einmal gut.) Warum bauen wir Ausdrucksmöglichkeiten ab bzw. verwenden sie kaum (Futur II)? Literatur: Welke (2005), der frühere Darstellungen zu Tempus etc. bespricht, so dass man über die Bibliographie eventuell weiterkommen kann.

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Das Maltesische erlaubt reine Juxtaposition (ähnlich: „enge Apposition“) bei inalienabler Possession, bei Alienabilität setzt man eine Präposition dazwischen, im Deutschen nachgeahmt: Haar Pia, Vater Pia aber Schuhe/Hut von Pia. Entsprechende Hinweise entnehme ich: Stiebels, Barbara (2002): Typologie des Argumentlinkings, Berlin, 144 f.

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Das ist allerdings nicht der einzige Punkt, an dem ‚Zeit‘ eine Rolle spielt. Temporale Adverbiale (Ich sehe jetzt/gerade einen Adler, ich sehe morgen meine Tante - oder: Im Jahre 981 sieht Olaf der Kühne ein Seeungeheuer … ) und Konstruktionen wie das PROGRESSIV (ich bin am staubsaugen/Staubsaugen - wie schreiben wir das?) spielen ebenso eine Rolle. Dann gibt es auch Konstruktionen wie letztes Jahr am 23. Mai am späten Vormittag, als ich gerade beim Abspülen war, klingelte ... 3.3 Quantifikation Auf welchen Ebenen wird was quantifiziert? Vgl. jede Katze, alle Katzen, einige Katzen, etwas Tee, drei Katzen, dreimal miauen, manchmal miauen, dreimaliges Miauen; zehn Meter weit (werfen), die Hälfte des/von etw. etc. Quantifizieren auch Artikel (gelegentlich)? Komplexere Quantifikationen: fast alles, sehr viel, ungefähr zehn, weniger als fünf etc. ‚Zählen‘: drei Äpfel, drei Schafe (anders auch z. B. im Vietnamesischen ba con trau ‚drei Büffel‘, genauer: ba ‚3‘, con ist ein Klassifikator für ‚Lebewesen‘, trau ‚Büffel‘) ‚Messen‘: drei Kilo (‚Quantität‘) Äpfel (‚Stoff‘), drei Glas Bier, eine Maß Bier, zwei Humpen mit Bier/?*Bieres, drei Löffel Zucker ‚Kollektion‘: eine Gruppe Studenten, ein Schwarm Bienen, eine Herde Schafe Phasenquantifikation? Was liegt vor in: Das Licht ist noch/schon/noch nicht/nicht mehr an? Anfangen vielleicht mit Zifonun et al. (1997: D.4, 2.4.2) zur nominalen Quantifikation. Dann weiter nach verbaler Q. schauen (selten/manchmal/oft regnen etc.). – Die Beiträge aus „Apprehension“ (H. Seiler et al.) kommen aus der Sprachtypologie, aber man könnte mal hineinsehen, was man in der deutschen Syntax anwenden kann; einiges wird auch an deutschen Beispielen gezeigt, da s könnten wir direkt „ausbeuten“. Versuchen könnte man: - Katz, Elisabeth (1982): Zur Distribution von Kompositum und Nominalgruppe im Deutschen. In: Seiler & Lehmann (Hgg.) (1982), 112-129 [zu Meß-, Zähl- und Kollektivkonstruktionen] - Kuhn, W. (1982): Kollektiva und die Technik K o l l e k t i o n am Beispiel des Deutschen. In: Seiler & Lehmann (Hgg.) (1982), 84-111 - Seiler, H. (1986): Apprehension. Language, Object, and Order. Part III. Tübingen [da steht immer wieder zwischendrin etwas zu Quantifikation, Kollektion, ...]

- Seiler, Hansjakob & Christian Lehmann (Hgg.) (1982): Apprehension. Das sprachliche Erfassen von Gegenständen. Teil I. Tübingen 3.4 Aspektualität ASPEKTUALITÄT ist ein Oberbegriff dafür, wie sprachlich die zeitliche (Binnen-)Struktur von Ereignissen, Situationen etc. erfasst bzw. präsentiert wird. Kodiert das die Verbflexion (anderer Sprachen als Deutsch, etwa slawische Sprachen), dann spricht man von ASPEKT. Kodiert es die Derivation (im Deutschen eher Ansätze als System: blühen > er-blühen ‚inchoativ‘, verblühen ‚terminativ, egressiv‘), dann sagt man öfters AKTIONSART, wobei

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Aktionsart bisweilen auch das bezeichnet, was nicht durch Aspekt abgedeckt wird. Uns interessieren vor allem die syntaktischen Mittel, mit denen wir der Aspektualität Ausdruck 12 verleihen können. Das könnten das Progressiv (Pia war am Arbeiten/arbeiten ), aber auch gewisse Funktionsverbgefüge (in Bewegung kommen ‚inchoativ‘, in Bewegung bringen/setzen ‚kausativ‘) sein - und vielleicht auch noch etwas mehr? Ob bzw. wieviel zum Thema zusammenkommen kann, lässt sich für mich momentan schwer abschätzen. Interessant sind etwa die von Leiss (1992) beschriebenen und z. B. von Thiel (2008) aufgenommenen Betrachtungen zu (In-)Definitheit und (Im-)Perfektivität, zu Aspekt und Artikeln und zur Entwicklung des Progressivs, vgl. etwa Er hat Holz/das Holz gespalten oder Sie sind gerade am G/gewinnen. Vielleicht versuchen wir, die Möglichkeiten der Darbietung/Perspektivierung von Zuständen, Handlungen etc. zu erfassen. Das könnte beispielsweise sein: innenbetrachtend als im Verlauf befindlich ohne Fokussierung von Anfang und Ende (Holz hacken, im Wald laufen, am Holz hacken/holzhacken/laufen sein), außenbetrachtend als zielendes, abgeschlossenes Geschehen (das Holz hacken, in den Wald laufen), den Beginn/das Ende fokussierend ((?)unter Kontrolle kommen, außer Kontrolle geraten), ein Bewirken fokussierend (unter Kontrolle bringen)? 3.5 Konversen, Diathesen und Perspektivierung Es geht um syntaktische Möglichkeiten, die das Geschehen bzw. den Sachverhalt unterschiedlich perspektivieren und die Aktanten als in unterschiedlicher Weise involviert zu präsentieren. Das hat mit verbaler Valenz zu tun und den Möglichkeiten, ein lexikalisches Valenzgrundtableau syntaktisch abzuwandeln. Klassisch die Diathesen: Die Jury-Vorsitzende überreichte den Gewinnern den Sowieso-Preis  Den Gewinnern wurde der Sowieso-Preis überreicht, Die Gewinner bekamen den Sowieso-Preis überreicht. Aber u. a. auch Reflexivkonverse (Lachsäcke verkaufen sich gut) oder Kausativkonstruktion (Underwood ließ den Fahrer den Wagen in die Werkstatt bringen). Was für Konversen (z. B. gibt es und welche Funktionen lassen sich erkennen?

Vielleicht noch, sofern es auf syntaktischen Verfahren beruht und nicht auf Morphologie wie in sauschlecht, stockdumm oder auf lexikalischen Mitteln wie wahnsinnig/irre/furchtbar schlecht (allerdings können wir beim Thema Attribution vermerken, dass auch Graduierung ausgedrückt werden kann):

3.6 Graduierung, Steigerung, Wertung Ich weiß nicht, inwiefern sich das syntaktisch (!) lohnt und wieviel da zusammenkommt, wenn man mal herumstöbert. Spontan fällt mir auf: X ist nicht der schlechteste/dümmste ... ‚X ist ganz gut, recht intelligent ...‘ X ist nicht der schlechtesten/dümmsten einer (sofern das geläufig ist) 12

Ist hier Großschreibung (substant. Inf.) oder Kleinschreibung (verbale Form) angezeigt?

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X ist voll der Durchblicker/Dummbeutel ... Es fällt aber auch auf, dass das wohl (Phraseo-)Konstruktionen sind, d. h. keine rein regelbzw. baukastenmäßigen Erzeugungen. Inwieweit Folgendes geht, wäre noch zu ermitteln: Das ist mords der Aufwand. Und natürlich dann Attributionen wie furchtbar umständlich, schrecklich nett, fürchterlich regnen.

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V Bibliographie - Bredel, U. & Lohnstein, H. (2003): Die Verankerung von Sprecher und Hörer im verbalen Paradigma des Deutschen. In: Hoffmann, Ludger (Hg.), Funktionale Syntax. Berlin; New York, 122-154. - Freudenberg-Findeisen, Renate (1999): Feldergrammatik: Ergänzender Grammatikansatz in Theorie und Praxis. In: Freudenberg-Findeisen, R. (Hg.) (1999): Ausdrucksgrammatik versus Inhaltsgrammatik. München, 269-285. - Heidolph, K. E./Flämig, W./Motsch, W. (1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin. - Hoffmann, Ludger (Hg.) (2003): Funktionale Syntax. Berlin; New York - Hoffmann, Ludger (Hg.) (2007). Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin; New York - Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin - Leiss, Elisabeth (2000): Artikel und Aspekt. Berlin - Lohnstein, H. & Bredel, U. (2001): Zur Ableitung von Tempus und Modus in der deutschen Verbflexion. In: ZfS 20.2, 218-250. - Mel’cuk, Igor (2009). Dependency in Natural Language. In: Polguère, A./Mel’cuk, I. (Hgg.) (2009), Dependency in Linguistic Description. Amsterdam; Philadelphia, 1-110. - Nourelhoda, Elkady (2001): Ausdrucksweisen der Possessivität im Deutschen und im Arabischen. Diss. Univ. Siegen, online: http://d-nb.info/961113065/34 - Polenz, Peter von (2008): Deutsche Satzsemantik. Berlin; New York - Smirnova, Elena/Mortelmans, Tanja (2010): Funktionale Grammatik. Konzepte und Theorien. Berlin; New York - Thiel, Barbara (2008): Das deutsche Progressiv: neue Struktur in altem Kontext. In: Zs. f. Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13:2. Online: http://tujournals.ulb.tudarmstadt.de/index.php/zif/article/view/236/228, 21.02.16 - Truckenbrodt, Hubert & Kathrin Eichler (2010): Einführung in die moderne Sprachwissenschaft. Ms., ZAS Berlin und DFKI Saarbrücken, 2010 [Online: http://www.zas.gwz-berlin.de/fileadmin/mitarbeiter/truckenbrodt/Research_HT/morphosyntax.html, 6 Kapitel, letzter Aufruf 19.02.16] - Velazquez Castillo, Maura (1996): The Grammar of Possession. Amsterdam; Philadelphia - Welke, Klaus (2005): Tempus im Deutschen. Berlin - Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno et al. (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Berlin: de Gruyter. 3 Bde.  Ich habe die folgende Serie „Language Universals Series“ noch nicht durchgesehen, aber dort finden sich möglicherweise Beiträge zu unserem Thema. Im Internet (Gunter Narr Verlag, Tübingen):

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http://narr-starter.de/magento/index.php/catalogsearch/result/?cat=0&q=language+universals+series

und dann … Recherche (wir müssten die Bände in der IB oder UB haben). Falls da aber nichts Passendes aufzufinden ist: weglassen.

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