Hoffnung für ein Volk ohne Land

January 12, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Religionswissenschaft, Hinduismus
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Hoffnung für ein Volk ohne Land Sinti- und Roma-Gemeinden in Deutschland von Sofia Kwiek



Und dieses Evangelium vom Reich wird in der ganzen Welt gepredigt werden als Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.1 Spricht Jesus hier von allen Völkern, meint er auch das Volk der Sinti und Roma, dessen Evangelisierung in Deutschland erst in den 1960er-Jahren begann. Sicherlich waren vereinzelte Versuche der Missionierung durch die großen Kirchen angegangen worden, doch ohne größere Bewegungen auszulösen. Erst durch die Pfingstbewegung konnte Jesus in die Herzen der Sinti und Roma einziehen und ihnen durch die Verkündung der Frohen Botschaft das Himmelreich öffnen. Eine Vielzahl

von Gemeinden bildeten sich, die voller Leidenschaft den Herrn loben und autonom bestehen, auch in finanzieller Hinsicht. Neben der Verbreitung des Evangeliums leisten sie auch karitative Unterstützung und vertreten christliche Grundwerte. Was ich in diesem Artikel beschreibe, ist eher beispielhaft als grundsätzlicher Natur. Werden diesmal besonders die in Deutschland lebenden Kelderash2 betont (die erst um 1960 aus Polen eingewandert sind), so sollen in einem Folgeartikel auch andere Gruppen beleuchtet werden. Bei alledem geht es mir nicht um die Verherrlichung einzelner Menschen, sondern die Darstellung des Wirkens unseres Herrn. Die hier aufgeführten Personen sehen sich lediglich als Diener Gottes. Der Geist Gottes aber ist es, der durch viele auch hier ungenannte Brüder und Schwestern das Werk wachsen ließ.

Zur Autorin Sofia Kwiek ist aktive Christin und arbeitet als freie Journalistin in Offenburg. Sie studierte Soziologie, Politikwissenschaften und Literatur in Gießen.

Von Frankreich nach Mitteleuropa Bevor die Verkündung des Evangeliums in Deutschland bei den Sinti

und Roma begann, war in Frankreich die Missionierung schon recht weit fortgeschritten. Pastor Clement Le Cossec wurde in den 50er-Jahren vom Herrn berufen, mitten unter die Sinti und Roma zu gehen und ihnen die Frohe Botschaft zu verkünden. Er begann bei den Sinti und betete für einen schwerkranken Mann, der daraufhin geheilt wurde und sein Leben Jesus schenkte.3 Nach der Taufe von dessen Familie verbreitete sich die Botschaft von Jesus und der Heilung eines Sterbenden unter der Sinti- und Roma-Bevölkerung rasend schnell.4 Ende der 50er-Jahre bekehrten sich Mitglieder der französischen Kelderash und begannen nach ihrer Bekehrung und Taufe sofort das Wort zu predigen und Menschen zum Glauben zu füh-

Sinti und Roma – eine der größten Minderheiten Europas

Die Sprache „Romanes“

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etrachtet man die Debatten über Sinti und Roma in Deutschland, erhält man einen eher negativen Eindruck. In regelmäßigen Abständen tauchen Sinti und Roma in den Medien auf, doch skizzieren die Medienberichte meistens ein sehr einseitiges Bild, das dieser Bevölkerungsgruppe und ihrer Vielfältigkeit nicht gerecht wird. Das romantisierte Klischee vom „singenden und tanzenden Zigeuner“ wurde abgelöst von dem Klischee der „Sozialhilfe missbrauchenden Roma“ aus Osteuropa. Das liegt nicht immer in der Absicht der Berichterstatter, umso wichtiger ist es, genauer zu definieren, über welche Gruppe der Sinti und Roma gesprochen wird. In Europa leben etwa 11 Millionen Sinti und Roma und bilden damit eine der größten Minderheiten Europas. Sie sind in jeder Bevölkerungs- und Berufsgruppe vertreten. Genaue Zahlen zu erfassen ist sehr schwierig, denn die meisten Sinti und Roma besitzen die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie leben; und ethnische Zugehörigkeiten werden nicht erfasst beziehungsweise viele Sinti und Roma geben sie auch gar nicht an. In Deutschland leben nach Schätzungen von UNICEF etwa 70.000 Sinti und Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft und etwa 50.000 Flüchtlinge. Als Interessenvertretung wurde 1982 der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gegründet. Er setzte sich dafür ein, dass der Völkermord an Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten von der Bundesregierung anerkannt wurde. In der Folge erhielten überlebende Sinti und Roma ein Recht auf Entschädigung. Ferner leistete der Zentralrat einen erheblichen Beitrag zu der Abschaffung der Bezeichnung „Zigeuner“. Sie wurde ersetzt durch das Wortpaar „Sinti und Roma“. 1995 erwirkte der Zentralrat die gesetzliche Anerkennung der deutschen Sinti und Roma als nationale Minderheit mit eigener Minderheitensprache, dem Romanes.

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er Sprachkern des Romanes entspricht dem indogermanischen Sanskrit. Daher wissen wir auch, dass die Sinti und Roma ursprünglich aus dem nördlichen Indien stammen. Durch unterschiedliche Wanderungsbewegungen, die im ersten Jahrtausend begannen, veränderte sich freilich die Sprache der einzelnen Gruppen unterschiedlich. Manche Gruppen flohen vor den nach Indien einfallenden muslimischen Truppen. Andere wurden im Zuge verschiedener Kriegsfeldzüge als Sklaven verschleppt. So bewegten sich einzelne Sinti- und RomaGruppen durch verschiedene Länder und Regionen, bis sie etwa im 15. Jahrhundert in Deutschland ankamen. Je nach Länge des Aufenthalts in einer Region nahmen die Sinti und Roma Wörter oder sogar Redewendungen der Sprache des Gastlandes

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In früheren Jahren: Antonie Demestre mit kleinem Roma-Chor bei einer Zeltmission

ren. 1963 ließen sich in Paris 63 Menschen taufen und bildeten die erste Roma-Gemeinde, deren Pastor Loulou Demeter wurde. In brüderlicher Gemeinschaft arbeitete Le Cossec mit den neu gewonnenen Glaubensbrüdern zusammen, und das Evangelium verbreitete sich unter den Roma und Sinti wie ein Lauffeuer. Gemeinsam konnten sie schon Anfang der 60er-Jahre die Grenzen Frankreichs überschreiten und in ganz Europa ar-

beiten. Drei der ersten Bekehrten reisten sogar in die USA und verkündeten dort unter den Roma das Wort des Herrn und leiteten Gottesdienste, sodass die Missionierung der Roma auch in den USA begann. Missionierung in Deutschland In Deutschland war es der Bibelschüler Gerhard Heinzmann, der 1964 den Ruf unseres Herrn hörte, unter den Sinti und Roma in Deutschland

Anmerkungen 1 Matthäus 24,14; NeueLuther Bibel. 2 Eine Untergruppe der Roma, die sich vor Zeiten auf das Handwerk des Kupferschmiedens spezialisiert hatte. Auch: Kaldarash u.a. 3 http://cmeri.chez.com/sarliapeandagore.htm

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4 Über Le Cossec und die Heilung eines schwerkranke Sinto berichten nicht nur die Sinti und Roma, sondern auch Ethnologen, die über die „ZigeunerMission“ schreiben, vgl. Johannes Ries „Spenden Gaben“, in: Europäische Roma – Ethnographische und Ethnologische Beiträge; Reetta Toivanen und Michi Knecht, 2006.

Relikte heidnischer Elemente in ihrer Sprache auf. Das heutige Romanes ist ein Zusammenfluss vieler Sprachen und existiert in mehreren, teils sehr voneinander abweichenden Dialekten. Eine große Rolle spielt dabei der Beruf. Denn die Sinti- und Roma-Familien gingen immer einem Beruf nach, woraus sich zusammengehörige Sippen entwickelten. Die verschiedenen Dialekte sind daher bis in die heutige Zeit den ehemaligen Berufsfeldern zuzuordnen. Ein Kelderash aus Deutschland spricht zum Beispiel annähernd denselben Dialekt wie ein Kelderash aus den USA. Hingegen sprechen deutsche Lovara (ehemalige [Pferde]Händler) einen stark abweichenden Dialekt. Die Kommunikation mit deutschen Kelderash wäre schwierig, man würde sich zum Teil der deutschen Sprache bedienen.

Charisma 172 · 2. Quartal 2015

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ie Religionszugehörigkeit der Sinti und Roma hängt davon ab, in welchem Land sie leben und welches dort die Mehrheitsreligion ist. Denn die Konvertierung zum Glauben des Landes, in dem man lebte, war immer eine Überlebensfrage. Die ursprüngliche Religion der Sinti und Roma ist heute nicht mehr nachweisbar, es ist aber davon auszugehen, dass es sich um einen Glauben handelte, der im Hinduismus verankert war. Sitten und Bräuche aus dem ursprünglichen Glauben sind dabei nach der Konvertierung häufig in die neue Religion mit eingeflossen. In Deutschland zum Beispiel waren die meisten Sinti und Roma katholisch. Die Marienverehrung war ihnen dabei besonders wichtig. Riesige Marienstatuen aus Lourdes oder Tschenstochau zierten ihre Wohnungen und Wohnwagen. Der Glaube an Schutz und Heilung durch die „Mutter Gottes“ wurde exzessiv praktiziert, zum Beispiel mit Opfergaben von Blumen und Kerzen. Hier zeichnet sich eine Anlehnung an den Glauben an die indische Göttin Kali ab. Sie ist eine wichtige Göttin des Todes, die aber auch gleichzeitig eine Beschützerin und Mutter darstellt, weil sie gegen Dämonen und Ungerechtigkeit kämpft. Die Verehrung der Toten ist bei Sinti und Roma Bestandteil der kulturellen und religiösen Sitten. Doch geht es nicht nur um die Verehrung, sondern darum, dass die Seele der Verstorbenen Einfluss auf das Leben der Hinterbliebenen haben, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Durch Opfergaben, zum Beispiel von neuem Obst und Gemüse, konnte der Tote wohlwollend gestimmt werden. Ein Glaube, der auch im Hinduismus zu finden ist. Umgekehrt konnte die Beleidigung von verstorbenen Verwandten massive Streitigkeiten auslösen, die sich über Generationen hielten. Erst mit der Verbreitung der pfingstlichen Bewegung innerhalb der Sinti und Roma konnte das Fundament zu einem wahren Glauben an Jesus Christus gelegt werden. Zum Zentrum des Glaubens wurde die Bibel und das Wirken des Heiligen Geistes. Heidnische Elemente wurden aufgedeckt und bekämpft, an erster Stelle ist hier der Götzendienst zu nennen.

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