Jahrgangsstufe 7 - Gymnasium

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Geschichte, Weltgeschichte
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Geschichte - Grundwissen 7. Jahrgangsstufe Europa und das Reich im Mittelalter 800 Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom 1077 Höhepunkt des Investiturstreites: Bußleistung Heinrichs IV. vor dem Papst in Canossa 1453 Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen

2. So gliederte sich die mittelalterliche Gesellschaft Bis zur Französischen Revolution 1789 war Europas Gesellschaft in Stände mit verschiedenen Rechten und Pflichten unterteilt. Die strenge und verbindliche Rangordnung galt als gottgegeben. Die Mitglieder der einzelnen Stände suchten sich auch durch äußere Kennzeichen (Kleidung) voneinander sichtbar zu unterscheiden. Gegenüber dem Landesherrn beanspruchten die Vertreter der Stände ein Mitspracherecht. Ständeversammlungen und Landtage sind Vorläufer heutiger Volksvertretungen.

1. Sie herrschten im Heiligen Römischen Reich An der Spitze des Reiches stand der König. Die Wurzeln des Königtums liegen in der Vorstellung eines besonderen Königsheils bzw. einer göttlichen Abstammung (Gottesgnadentum). Im frühen Mittelalter wurde der König von einer adligen Führungsschicht gewählt, auch wenn die Wahl oft nur die Weitergabe des Titels an einen Erben bestätigte. Durch die Thronfolge eines Verwandten entstanden Dynastien. Könige herrschten im frühen Mittelalter zunächst über eine bestimmte Gruppe von Menschen (Personenverband) und erst später über ein Gebiet (! Territorialstaat). Ein König gewann durch die Kaiserkrönung zusätzliches Ansehen. Der Begriff Kaiser leitet sich ab vom Namen Caesar, der Bestandteil des Titels der Herrscher des Römischen Reiches seit Augustus war. Mit der Kaiserkrönung Karls des Großen 800 begründete sich das abendländische Kaisertum, das das weströmische Reich erneuerte und in Konkurrenz zum byzantinischen Kaisertum stand. Im (Heiligen Römischen) Reich konnte dort Kaiser werden, wer zum deutschen König gewählt worden war. Der Kaiser war der Repräsentant der christlichen Völkergemeinschaft, die er schützte. Das Recht, einen Kaiser zu krönen, blieb bis ins Spätmittelalter den Päpsten in Rom vorbehalten. Seit 1562 war Frankfurt Wahl- und Krönungsort.

Kaiser: Höchster weltlicher Herrschertitel. König: Inhaber der höchsten staatlichen Gewalt in einer Monarchie. Wichtige Königsfamilien im Reich: - Karolinger (8./9. Jh.): Karl der Große beherrschte große Teile Europas. Er war sehr gebildet, mühte sich um eine Wiederbelebung der Antike und einen Aufschwung der Künste. Seine Enkel teilten das Reich auf in Westfranken, Mittelreich und Ostfranken. Aus Westfranken entwickelte sich Frankreich, aus Ostfranken zunächst das Heilige Römische Reich, dann Deutschland. - Ottonen und Salier (10./11. Jh.): Otto I. der Große nahm sich Karl den Großen zum Vorbild und erneuerte 962 das Kaisertum. Mit seiner Kaiserkrönung wurde das Kaisertum auf das (Heilige Römische) Reich übertragen. - Staufer (12./13. Jh.): Bedeutend waren Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) und Friedrich II. (1215-1250). Barbarossa festigte das staufische Königtum im Reich, indem er Konflikte mit der Familie der Welfen und den oberitalienischen Städten austrug. Friedrich II. interessierte sich für Künste und Wissenschaften und versammelte Gelehrte und Dichter an seinem Hof.

a) Der erste Stand (der Lehrstand): die Geistlichen An der Spitze der Geistlichen (des Klerus) im Reich standen die Erzbischöfe und Bischöfe. Zum Klerus zählten auch die Priester sowie Mönche und Nonnen (! Grundwissen Jahrgangsstufe 6). Sie alle verbreiteten das Christentum und prägten damit die Entwicklung Europas. Der Stand der Kleriker lebte ehelos; das bedeutete auch, dass keiner von ihnen seinen Besitz und sein Amt vererben konnte. Kirche und Politik arbeiteten seit den Frankenkönigen eng zusammen. Die Könige bemühten sich später sogar noch stärker, die Kirche in den Dienst des Reiches zu stellen (Reichskirche). Sie setzten Männer ihres Vertrauens als Bischöfe und Äbte ein und übertrugen ihnen wichtige Ämter und große Besitzungen, sodass diese neben den geistlichen Aufgaben die weltlichen eines Fürsten erfüllten. Im Gegenzug waren die Bischöfe und Äbte zu Diensten und Heeresfolge im Reich verpflichtet. Die Reichskirche wurde auf diese Weise zur wichtigsten Stütze des Königtums und bildete ein Gegengewicht zu den Herzögen, die sich gegen die zentrale Reichsgewalt auflehnten. Im 11./12. Jh. trug der ! Investiturstreit zum Zerfall dieses Systems bei.

- Habsburger: Die Herzöge von Österreich stellten erstmals 1273 und seit 1438 fast ununterbrochen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 den „römischen“ (tatsächlich: deutschen) König bzw. Kaiser. Danach waren sie Kaiser von Österreich. Mächtigster Habsburger war Kaiser Karl V. (erste Hälfte 16. Jh.). Er herrschte über das Heilige Römische Reich, Deutschland und Italien eingeschlossen, sowie Spanien und die spanischen Kolonien in Amerika. Das oströmische Kaisertum erlosch bald nach 1453, der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Deren Eroberungen konnten erst 1683 vor Wien gestoppt werden. Das Reich hatte keine Hauptstadt; der König reiste zunächst von Pfalz zu Pfalz (Reisekönig), später regierte er von der wichtigsten Stadt seines Familienbesitzes aus. In den einzelnen Gebieten oder Städten herrschten Bischöfe und Adelige, deren Besitzrechte zersplittert und deren Besitzungen weit zerstreut waren. Seit dem 12. Jh. versuchte der Adel, Besitzungen und Herrschaftsrechte zusammenzufassen und ein geschlossenes Territorium aufzubauen. In diesem standen nun alle Einwohner allein unter der Gewalt des Landesherrn (z. B. ! Herzog, Graf), der seine Regierung durch eine einheitliche Verwaltungs- und Gerichtsorganisation wirksam verstärkte. Die Landesherren waren allerdings auf die Zustimmung der ! Stände angewiesen, um Kriege und Hofhaltung bezahlen zu können. Sie versammelten daher die Ständevertreter auf Landtagen und gaben ihnen Mitspracherechte, versuchten aber, diese Mitsprache so gering wie möglich zu halten. Die Bildung der Territorialstaaten führte zur Schwächung des Königtums und löste seit dem 15. Jh. allmählich den Personenverbandstaat ab.

Territorialstaat (Landesherrschaft) (lat. territorium: Gebiet): Bezeichnung für ein Herrschaftsgebiet (Territorium), über das ein Landesherr ohne Einmischung eines anderen Herrn regierte.

Mächtige Könige und Fürsten setzten immer wieder Freunde als Bischöfe oder Äbte ein (Investitur). Diesen großen Einfluss von Adeligen auf die Kirche wollten die Vertreter der Kirchenreform nicht länger dulden. Sie forderten Freiheit für die Kirche, kein Laie sollte das letzte Wort in Belangen der Kirche haben. Das war der Kern des so genannten Investiturstreites, der die religiösen und politischen Grundlagen des Mittelalters erschütterte und ein Machtkampf um die ! Reichskirche war. Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. setzten sich 1076 gegenseitig ab und bannten sich. Heinrich IV. leistete 1077 in Canossa Buße, um vom Bann gelöst zu werden. Ein Kompromiss konnte erst 1122 mit dem Wormser Konkordat erreicht werden. Der Papst sollte künftig Bischöfen und Äbten die geistlichen Würden verleihen, der König die weltlichen Herrschaftsrechte. Dies war der erste Schritt zur Trennung von geistlicher und weltlicher Macht, was eine Besonderheit Europas ist.

Ständewesen: Herkunft und Abstammung (Geburt) gliederten die mittelalterliche Gesellschaft in drei Stände, nämlich Klerus, Adel, Bauern (und später Bürger), sowie in Menschen außerhalb der Ständegesellschaft (sozial Verachtete: z. B. Henker, Spielleute, Dirnen) sowie Juden.

Reichskirche: Die Gesamtheit der hohen geistlichen Würdenträger im Reich (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen), die Regierungsgeschäfte wahrnahmen. Investiturstreit (von lat. investire: bekleiden): Streit von Papst und Kaiser im 11./12. Jh. darum, wer Bischöfe und Äbte einsetzen durfte. Hintergrund waren die Bemühungen um eine Kirchenreform, die den Einfluss weltlicher Herrscher auf die Kirche zurückdrängen wollte („Freiheit für die Kirche!“). Der Investiturstreit erreichte seinen Höhepunkt mit dem Bußgang Heinrichs IV. vor dem Papst in Canossa 1077.

b) Der zweite Stand (der Wehrstand): die Welt des Adels

c) Der dritte Stand (der Nährstand): das Leben als Bauer

Die Adligen genossen ein hohes Ansehen in der Gesellschaft, besaßen Steuer- und andere Freiheiten sowie Vorrechte auf die wichtigsten Ämter. Sie dienten dem König (! Lehenswesen) und verlangten ihrerseits von ihren Abhängigen Abgaben (! Grundherrschaft). Zum Adel zählte man durch Geburt (Geburtsadel) oder Dienst im Auftrag des Königs (Dienst- oder Amtsadel). Zum Hochadel gehörten die Herzöge und Grafen, zum niederen Adel die Ritter und Ministerialen (Dienstmannen).

Adel (althochdeutsch edili: die Edelsten): Bezeichnung für die Gruppe mächtiger Familien, die im Mittelalter durch ihre Abstammung und durch Grundbesitz besondere Rechte gegenüber der übrigen Bevölkerung beanspruchte.

Das Wort Herzog ist germanischen Ursprungs und bezeichnet den hohen Adeligen, der in der Schlacht vor dem „Heer zog“. Seit dem 7. Jh. schafften es die Heerführer, ihre führende Stellung innerhalb ihrer Stämme auch im Frieden beizubehalten und an ihre Nachfahren zu vererben. So wurden sie in ihrem Streben nach Macht häufig zu Rivalen des Königs, blieben ihm aber zur Heeresfolge verpflichtet. Seit Ende des 12. Jh. wurde aus dem Stammesherzog ein Territorialherzog (Landesherr).

Herzog: Bei den Germanen der oberste gewählte Heerführer eines Stammes.

Ein Graf hingegen wurde ursprünglich vom König zur Verwaltung eines kleineren Gebietes eingesetzt. Aus dem Hochadel, den Herzögen, wichtigsten Grafen und Bischöfen, entstammten die Kurfürsten. Das Wort Kur bedeutet „Wahl“. Sieben Fürsten bekamen durch die Goldene Bulle 1356 das alleinige Privileg, den König zu wählen. Mit „Bulle“ wurde im Mittelalter ein rundes Metallsiegel bezeichnet, seit dem 13. Jh. auch die gesiegelte Urkunde selbst. Die sieben Kurfürsten waren die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Im 17. Jh. kamen zwei weitere hinzu: der Herzog von Bayern und der Herzog von Braunschweig-Hannover.

Kurfürsten: Die Fürsten, die nach der ! Goldenen Bulle den König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches „küren“ (wählen) durften.

Seit dem 8. Jh. bildete sich ein eigener Kriegerstand aus Reiterkriegern heraus, der zum niederen Adel aufstieg: die Ritter. Neben Kenntnissen im Kampf entwickelten die Ritter auch Ideale wie Schutz der Schwachen, Treue zu Gott und König, Tapferkeit und faires Verhalten im Kampf. Auch das höfliche Benehmen Damen gegenüber gehörte zur Ritterpflicht. Die höfischen Umgangsformen schlugen sich u. a. in Ritterromanen und Minnesang (Liebesdichtung des Mittelalters) nieder. Die Ritter trainierten in Turnieren Kampfesweisen, ernteten dabei Ruhm, Geld und Ehre oder verschuldeten sich bei Niederlagen. Die Aufnahme in den Ritterstand fand nach Jahren der Lehre als Page und Knappe statt. Die Ritter errichteten sich Burgen als ihre Wohnsitze. Die Burgen waren auch Herrschaftszentren, Wirtschaftshöfe, Verwaltungssitze und Wehranlagen. Vor allem sollten die Burgen die Macht eines Ritters zeigen und sein Ansehen vermehren. Höhepunkt der ritterlichen Kultur stellte die Zeit der Staufer dar. Veränderungen in Kriegstechnik, Wirtschaft und Gesellschaft führten im 14. Jh. zum Bedeutungsverlust des Rittertums: Sie verarmten oder stellten sich in den Dienst der Landesherren.

Ritter (mittelhochdeutsch rîter: Reiter): Im Mittelalter zu Pferde und in voller Rüstung kämpfender Berufskrieger.

Die Kreuzritter folgten einem Aufruf des Papstes 1095, das Heilige Grab in Jerusalem dauerhaft von der Herrschaft der Muslime zu befreien. Der Name wird von dem Kreuz abgeleitet, mit dem sich die Teilnehmer kennzeichneten. In die sieben Kreuzzüge zogen neben Rittern auch andere Gläubige, da sie den Kreuzzug als bewaffnete Pilgerfahrt auffassten, für die sie Erlass ihrer Sünden und den Weg ins Paradies erwarteten. Ihr Ziel erreichten die Kreuzritter nicht, der Kontakt mit der islamischen Welt brachte aber neue Kenntnisse und Gedanken nach Europa. Der Begriff Kreuzzug umfasst auch die Kriege, zu denen die Kirche im Mittelalter gegen Heiden oder Ketzer aufrief. Während der Kreuzzüge entstanden auch die Ritterorden. Aus diesen entwickelten sich die heutigen sozialen Orden, z. B. Malteser und Johanniter.

Kreuzzüge: Kriegszüge abendländischer Kreuzritter zwischen 1096 und 1291 zur Befreiung des Heiligen Landes von der Herrschaft des Islams.

Goldene Bulle: bedeutendstes Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches, das die Stellung der ! Kurfürsten und die deutsche Königswahl regelte.

Über 80 Prozent der Menschen lebte auf dem Lande und von dem Lande. Reichtum wurde in Grundbesitz angelegt, denn so erhoffte man sich eine sichere Ernährung. Ernteausfälle durch Krieg oder schlechtes Wetter führten zu Hungersnöten und Krisen. Geschwächte Menschen starben auch schneller an Krankheiten, z. B. um 1350 an der großen europäischen Pestwelle, die ganze Landstriche auslöschte. Nach Tradition aus Zeiten der Völkerwanderung gehörte alles Land, alle Vorrechte und Ämter dem König. Er verlieh sie als Lehensherr an seine Gefolgsleute (Lehensleute/Vasallen). Unter einem Vasallen versteht man einen freien Mann, der sich freiwillig unter die Herrschaft eines anderen begab. Vasall und Lehensherr standen in einem Treueverhältnis, der Vasall leistete lebenslange Gefolgschaft und Waffendienst, der Lehensherr versprach Schutz. Die Vasallen des Königs (Kronvasallen) konnten ihrerseits Vasallen haben (Untervasallen). Mit der Zeit wurde es üblich, dass der Sohn eines Vasallen dessen Lehen erbte. Dadurch fühlte sich der Erbe als Herr des eigentlich geliehenen Landes (Landesherren) und erlangte eine starke Machtposition gegenüber dem König. Die Macht des Königs war auch dadurch geschwächt, dass die Untervasallen dem Kronvasallen und nicht dem König selbst verbunden waren.

Lehenswesen: besondere Form der Herrschaft, die das Zusammenleben der Menschen im Mittelalter regelte und die Grundlage der politisch-gesellschaftlichen Ordnung bildete.

Der König stattete nicht nur Vasallen mit Ländern und Rechten aus, sondern auch Klöster und Städte. Sie alle übergaben als Grundherren Land an Bauern zur Bewirtschaftung und gewährten Schutz. Ein Einzelner konnte das Land nicht bearbeiten, die Familie musste helfen. War ein Bauernkind alt genug, verfügte oft der Grundherr seine Heirat und übertrug ihm eine neue Hufe. So kam es zu der typisch europäischen Kleinfamilie aus Eltern und Kindern, während Großeltern oder Tanten/Onkel in anderen Haushalten lebten. Die Bauern waren als Hörige zu Abgaben und Frondiensten verpflichtet, sie waren auch in persönlicher Hinsicht vom Grundherrn abhängig. Der Grundherr hatte die niedere Gerichtsbarkeit, konnte also die Hörigen bei Vergehen verurteilen, außer wenn es sich um ein Verbrechen handelte, auf das die Todesstrafe stehen konnte. Die Grundherrschaft formte die Wirtschaft und Gesellschaft Europas über Jahrhunderte, in Deutschland bis 1800. Im Laufe des Mittelalters wuchs die Bevölkerung an, die Landesherren mühten sich um eine dichtere Besiedelung und Fruchtbarmachung des Landes (Landesausbau). Auch die von Slawen dünn besiedelten Gebiete östlich der Elbe und Saale wurden durch deutschsprachige Bauern erschlossen, meist sogar oft auf Bitten slawischer Fürsten. Diese Ostsiedlung vollzog sich weithin friedlich durch die Arbeit von Bauern und Handwerkern. Sie war allerdings auch mit Eroberungskriegen deutscher Fürsten und des Deutschen Ordens verknüpft.

Ostsiedlung: eine vom 12. bis zum 14. Jh. währende abendländische Siedlungsbewegung im ostmittel- und osteuropäischen Raum.

d) Der dritte Stand (der Stand von Handel und Gewerbe): das Leben als Bürger

Europa auf dem Weg in die Neuzeit

Die ersten Städte des Mittelalters haben sich in der Nachfolge römischer Kastelle, um bedeutende Klöster oder Bischofssitze herum, am Fuß von Burgen, an Land- oder Wasserstraßen oder an Lagerstätten für Bodenschätze (z. B. Salz oder Metall) entwickelt. Später gründeten weltliche und geistliche Herren weitere Städte. Um Einwohner zu gewinnen, gewährten sie in den Gründungsurkunden ihren ! Bürgern besondere Rechte und Freiheiten (Privilegien), z. B. einen Markt abzuhalten, Zölle zu kassieren, eine Währung einzuführen, sich mit einer Mauer zu schützen und sich selbst zu verwalten. Die Bürger zahlten im Gegenzug Steuern und Abgaben.

Stadt: eine größere Siedlung mit Stadtrecht, das das 1492 Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus Leben der Bürger untereinander sowie ihre Beziehun- 1517 Beginn der Reformation gen zum Stadtherrn regelte. Seine Grundlage bildeten 1618-48 Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede die vom Stadtherrn verliehenen Markt- und Befestigungsrechte. 1. Was ist neu in der Neuzeit?

Im 11. und 12. Jh. gründeten die deutschen Könige Städte auf eigenem Land. Diese errangen im Laufe der Zeit die Selbstverwaltung, denn der König überließ die Regelung der städtischen Angelegenheiten der bürgerlichen Oberschicht. Die Reichsstädte waren dafür dem König zu Abgaben und Diensten verpflichtet. Reichsstädte waren z. B. Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Frankfurt am Main und Hamburg. Ihre besondere Stellung verloren sie erst beim Untergang des Heiligen Römischen Reiches 1806.

Reichsstadt: Städte, die auf Königs- oder Reichsgut lagen und dem König bzw. Kaiser unmittelbar unterstanden (reichsunmittelbare Städte).

Die meisten Städte zählten damals nur um die 200 Menschen. Das Bürgerrecht beruhte im Mittelalter auf städtischem Grundbesitz und war erblich. Kein Bürgerrecht hatten Gesellen, Gesinde, Arme und Juden. Die Frauen genossen das Bürgerrecht der Männer, hatten jedoch keinen Sitz im Stadtrat, da sie keine politischen Rechte innehatten. Die Macht besaßen zunächst die reichen Kaufmannsfamilien, ab dem 14./15. Jh. z. T. auch die Zünfte der Handwerker, den Berufsverbänden der Gewerbe.

Bürger: Alle freien Einwohner einer Stadt, die das Bürgerrecht besaßen und damit am politischen und sozialen Leben der Stadt teilnehmen durften.

Der Name Ghetto stammt von einer Insel in Venedig, die 1516 von der Stadtverwaltung zum einzigen Wohnort der jüdischen Gemeinde bestimmt wurde. Judenviertel gab es bereits in der Spätantike. Im 12. Jh. wurde von der der Kirche die räumliche Trennung von Juden und Christen beschlossen. Sie wurde zunächst kaum befolgt. Das erste Ghetto im Heiligen Römischen Reich entstand 1462 in Frankfurt am Main, weitere gab es z. B. in Köln, Worms und Regensburg.

G(h)etto: Bezeichnung für ein von anderen Stadtteilen abgetrenntes Wohngebiet der Juden.

Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ist durch eine Vielfalt von Entwicklungen gekennzeichnet, die im Verlauf einiger Jahrzehnte (etwa 1450 bis 1500) die meisten Lebensbereiche und das Denken vor allem der gebildeten europäischen Menschen grundlegend veränderten: ! Renaissance, ! Humanismus, der Buchdruck und andere revolutionäre Erfindungen, die Entdeckung Amerikas und die Eroberung unbekannter Erdteile, Veränderungen in der Wirtschaft (Gewinnstreben), im Glauben (Reformation) sowie in der Kunst.

Neuzeit: In der europäischen Geschichte die Zeit ab etwa 1500, die das Mittelalter ablöst.

Im 15. Jh. wandten sich viele Menschen in den norditalienischen Städten der griechisch-römischen Vergangenheit zu. Dort suchten sie die Vorbilder für ihr Leben und trennten sich von der kirchlich-religiösen Bevormundung des Mittelalters, das ihnen als finster und barbarisch erschien. Der einzelne Mensch rückte in den Mittelpunkt des Interesses, er sollte seine Fähigkeiten entfalten und durch eigenständiges Denken und Beobachten die Natur erkennen. Maler, Bildhauer, Dichter, Philosophen, Wissenschaftler verbreiteten diese neuen Gedanken in Europa. Renaissance ist der Epochenbegriff für die Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur ! Neuzeit.

Renaissance (frz.: Wiedergeburt): Kunst- und Kulturepoche vom 14. bis zum 16. Jh., in der antike Kunst und Denkweise neu entdeckt wurden. Diese brachten eine Veränderung des Welt- und Menschenbildes mit sich.

Künstler und Gelehrte beschäftigten sich mit antiken Werken, suchten nach den unverfälschten Quellen der antiken Bildung, die nun für alle Bereiche des menschlichen Lebens als vorbildlich galt, und machten den Menschen zum Ausgangspunkt und Maß des Denkens und Handelns. Diese Bewegung wird Humanismus genannt.

Humanismus (lat. humanus: menschlich): Geisteshaltung, die ab dem 14. Jh. für eine umfassende Bildung des Menschen eintrat. Wissenschaft und Kunst der Antike waren für die Humanisten Ausgangspunkt ihrer Vorstellungen und Lehren.

1492 suchte Christoph Kolumbus im Auftrag der spanischen Krone eine Westweg nach Indien. Als er an Land ging, dachte er, er habe Indien erreicht, und nannte die Bevölkerung dort Indianer. Tatsächlich hatte er einen bis dahin unbekannten Kontinent entdeckt, der später die Bezeichnung Amerika bekam.

1492 Landung von Christoph Kolumbus in Amerika; das Zeitalter der Entdeckungen folgte.

2. Reformation und Dreißigjähriger Krieg Im Heiligen Römischen Reich machte vor allem Martin Luther (1483-1546) von sich reden. Er veröffentlichte 1517 seine 95 Thesen über den Ablass in Wittenberg, bestritt später die Führungsrolle des Papstes und klagte verschiedene Missstände in der Kirche an. Der Konflikt zwischen Luther und der katholischen Kirche führte zur Reformation (Auflösung der kirchlichen Einheit des Abendlandes). Luther machte die Bibel zur alleinigen Grundlage des Glaubens, übersetzte das Neue Testament vollständig ins Deutsche und verbreitete die Übersetzung im neuen Buchdruck. Luthers Auftreten und sein Freiheitsgedanke stießen bei der bäuerlichen Bevölkerung auf Zustimmung, denn die Abhängigkeit vom Grundherrn hatte große soziale Probleme geschaffen. 1524/25 kam es v. a. im Südwesten des Reichs zu Aufständen, die aber niedergeschlagen wurden. Im Trienter Konzil (1545-1563) formulierte die katholische Kirche eine Gegenposition, doch die Einheit der lateinischen Christenheit war verloren.

3. Frankreich und England setzten neue Maßstäbe Martin Luther: deutscher Reformator. Seine Lehre wollte die Bibel (das Wort Gottes) zur Grundlage des Glaubens und der Glaubenslehre machen (innere Kritik) und die sittlichen Schwächen der Kirche zu beseitigen (äußere Kritik). 1517 Beginn der Reformation (lat. reformatio: Wiederherstellung): ! Martin Luther veröffentlichte seine Thesen mit Kritik an Missständen in der Kirche. Das Bemühen um eine Glaubensreform führte schließlich zur Spaltung der Kirche in katholisches Glaubensbekenntnis und protestantische Richtungen.

Zudem trat das Reich Gebiete an Schweden und Frankreich ab, die Schweiz und die Niederlande schieden aus dem Reich aus.

Seit dem ! Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) führten die absolutistisch regierenden Herrscher stehende Heere ein. Innenpolitisch benutzten die Monarchen sie, um Aufstände niederzuschlagen und die Staatsgewalt zu zentralisieren. Damit wurden sie zu wichtigen innenund außenpolitischen Machtinstrumenten.

Absolutismus (lat. absolutus: losgelöst): Herrschaftsform im 17. und 18. Jh., in der die Fürsten ihre Stellung von Gott ableiteten („Gottesgnadentum“) und „losgelöst“ von den Gesetzen regierten.

Merkantilismus (lat. mercator: Kaufmann): Die staatlich gelenkte Wirtschaftsform des ! Absolutismus.

Eine bessere Verwaltung des Landes wollten die absolutistischen Herrscher durch die Ausbildung von Spezialisten erreichen. Zur Ausbildung dieser Beamten wurden höhere Schulen errichtet; dagegen bekam der Adel, der bisher diese Aufgabe wahrnahm, eine neue Rolle beim prunkvollen Leben am Hof des Königs.

In der Folgezeit wurde Europa durchzogen durch heftigen Streit zwischen Befürwortern Luthers, anderen Reformatoren und der Papstkirche. Jede Seite versuchte auch mit Gewalt die Oberhand zu gewinnen. Im Heiligen Römischen Reich gelang zunächst ohne Krieg ein Ausgleich 1555 zwischen protestantischen und katholischen Fürsten. Doch hingen auch die Fürsten unterschiedlichen Richtungen an und versuchten jeweils auf Kosten eines anderen an Macht zu gewinnen. Blutiger Höhepunkt des Machtkampfes war der Dreißigjährige Krieg (1618-1648): In ihm kämpften Reichsfürsten gegeneinander (z. B. die Wittelsbacher in Oberbayern gegen die in der Pfalz). Auch ausländische Mächte schalteten sich auf der katholischen Seite der Papst und Spanien ein, und auf evangelischer Böhmen, Dänemark, Schweden und das katholische Frankreich. Nach dreißig Jahren Kämpfen, Plünderungen, Vernichtungen, Krankheiten, Hungersnöten hatte das Reich ein Drittel seiner Bevölkerung verloren und war ausgeblutet, ohne dass es zu einer endgültigen Entscheidung gekommen wäre. Das Reich blieb konfessionell gespalten. In Münster verhandelte der Kaiser mit Frankreich und den katholischen Reichständen, in Osnabrück mit den Schweden und den protestantischen Reichsständen (Westfälischer Friede). Ergebnisse waren die Gleichberechtigung zwischen Katholiken, Lutheranern und Calvinisten, das Recht der Untertanen, ihr Bekenntnis frei zu wählen, das Recht der Landesfürsten, über Bündnisse weitgehend selbständig zu entscheiden, und die Beschränkung der Macht des Kaisers durch den Reichstag. Das Schwergewicht der Politik verlagerte sich so vom Reich auf die ! Territorialstaaten.

Die absolutistisch regierenden Fürsten fühlten sich nur Gott und ihrem Gewissen verantwortlich (Absolutismus). Der Monarch wollte oberster Gesetzgeber und oberster Richter sein und die uneingeschränkte und ungeteilte Herrschaftsgewalt (Souveränität) besitzen. Als Vorbild galt der französische König Ludwig XIV., der in seinem neuen Schloss in Versailles prunkvoll und ausschweifend luxuriös lebte. Zu Stützen seiner Macht entwickelte dieser das stehende Heer (Berufsarmee), die Beamtenschaft, den ! Merkantilismus und den Einfluss auf die Kirche seines Landes.

Dreißigjähriger Krieg (1618-1648): zunächst ein Krieg um Glaubensfragen, dann ein großer und langer europäischen Machtkampf: Einerseits wollten protestantische Fürsten ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Kaiser durchsetzen, zum anderen kämpften die Länder zunehmend um ihre Machtstellung in Europa.

Westfälischer Friede: Bezeichnung für die 1648 in Münster und Osnabrück abgeschlossenen Friedensverträge, die den ! Dreißigjährigen Krieg mit religiösen und politischen Kompromissen beendeten.

Um die vielen Mittel für das aufwändige Hofleben, die Beamten und die Berufssoldaten aufzubringen, musste durch intensiven Handel möglichst viel Geld ins Land kommen und möglichst wenig das Land verlassen. Die Regierung erhöhte daher die Ausfuhr von Fertigwaren und erschwerte durch hohe Zölle die Einfuhr ausländischer Produkte. Durch eigene Kolonien kam man an billige Rohstoffe. Die Regierung förderte Unternehmer und qualifizierte Arbeiter, die in den neuen Manufakturen Waren produzierten. Im Inland beseitigte der Staat Handels- und Gewerbeschranken. Diese Wirtschaftspolitik hieß Merkantilismus. In Frankreich blieb Colberts Bemühen, den Staat durch eine blühende Wirtschaft zu stärken, auf die Dauer erfolglos. Ludwig XIV. verbrauchte mehr Geld, als Colbert beschaffen konnte. Auch außenpolitisch wollte Ludwig XIV. seine Macht und dadurch seinen Ruhm vermehren. Er versuchte in zahlreichen Kriegen gegen seine Nachbarn die Vorherrschaft (Hegemonie) in Europa zu erlangen. Allerdings führte seine Außenpolitik zum Prinzip des Mächtegleichgewichts in Europa (Gleichgewichtspolitik). Die „balance of power“ strebt eine gleichmäßige Verteilung der Macht auf mehrere Festlandstaaten Europas an. Im Zuge dieser Politik wurde jeweils die schwächere Staatengruppe gegenüber den stärkeren Mächten unterstützt. England, dessen Interessen auf den Weltmeeren lag, übernahm dabei die Rolle eines Schiedsrichters.

In England entwickelte sich eine Alternative zum ! Absolutismus. Hier wurde die Herrschaft des Königs durch Rechtstexte von Verfassungsrang (Verfassung: Konstitution) eingeschränkt. Diese Verfassung legt eine Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung und Staatsführung fest. Der zunächst noch ziemlich starke Einfluss des Königs wurde im Laufe der Entwicklung zugunsten des Parlaments zurückgedrängt. So kann England heute als „parlamentarische Monarchie“ oder „konstitutionelle Monarchie“ bezeichnet werden. Das englische Parlament entwickelte sich aus den Beratungen am königlichen Hof. Unter König Johann „Ohneland“ erstarkte das Parlament. Im 14. Jh. teilte es sich in das Oberhaus mit Vertretern des Hochadels und die hohe Geistlichkeit (House of Lords) und in das Unterhaus mit gewählten Vertretern einzelner Grafschaften (House of Commons). In den Revolutionen des 17. Jh. besiegte das Parlament die Könige und vereitelte ihre Versuche, den ! Absolutismus in England einzuführen.

Hegemoniestreben: Streben nach Vormacht eines Staates gegenüber anderen Staaten, die sich auf Überlegenheit in Politik, Wirtschaft oder Militär stützt. Gleichgewichtspolitik (engl. balance of power): Außenpolitisches Ziel der europäischen Großmächte, vor allem Englands, seit dem ! Westfälischen Frieden, um das ! Hegemoniestreben eines Staates auf dem Kontinent zu verhindern.

Konstitutionelle Monarchie: Regierungsform, in der die absolute Macht des Königs durch eine Verfassung begrenzt wird. Parlament (frz. parler: reden): Versammlung der Stände Adel und Geistlichkeit und später auch Vertreter der Städte, die den König berieten. Später erhielten sie das Recht, bei der Regierung mitzubestimmen.

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