Jesus Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne

January 9, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Religionswissenschaft, Christologie
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Andacht zum Monatsspruch August

Jesus Christus spricht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben (Mt 10,16) In Deutschland kommen nur wenige Schlangenarten vor, die alle unter strengem Naturschutz stehen. Schlangen zu schädigen steht hierzulande unter Strafe. Bei Begegnungen mit den seltenen Tieren macht man möglichst einen großen Bogen, damit sie sich wieder verkriechen können. Zur Zeit Jesu war das noch anders. Schlangen wurden nicht als wertvolle Naturbewohner, sondern einfach nur als Bedrohung wahrgenommen. Wer eine Schlange sah, schlug sie tot, wenn er irgend konnte. Eine Schlange zu erschlagen, ist allerdings gar nicht so einfach, da die Tiere auf Gefahr blitzschnell reagieren und mit großer Beweglichkeit entwischen. Wegen dieser Eigenschaft galten sie seit Urzeiten als besonders kluge Tiere, ja als „listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte“ (1. Mose 3,1). Die Jünger benötigen für die gefährliche Aufgabe, zu der Jesus sie aussendet, die Wachsamkeit und Wendigkeit der Schlangen. Sie werden Menschen begegnen, die auf die Verkündigung des Reiches Gottes mit Gewalt reagieren werden, so wie man zum Schlag ausholt, wenn man eine Schlange sieht. Als moderner Stadtbewohner habe ich keine günstige Meinung von Tauben, aber auch hier lagen die Verhältnisse in der Welt der Bibel anders. Tauben waren das beliebteste Zuchtgeflügel. Im Gegensatz zu den Schlangen galten Tauben als besonders dumme und harmlose Tiere. Die Einfalt der Tauben ist laut dem „Physiologus“, einer frühchristlichen Schrift über die in der Bibel erwähnten Tiere, daran zu erkennen, dass man ihnen immer wieder die frischgelegten Eier wegnehmen kann und sie sich jedesmal ganz unverdrossen daran machen, ein neues Nest zu bauen und neue Eier zu legen. Weil Tauben so zärtlich gurren, galten sie als besonders sanft. Das verband man mit der Beobachtung, dass Tauben keine Gallenblase haben. In der Antike nahm man nämlich an, dass die übermäßige Beimischung von Gallenflüssigkeit im Körper zu Jähzorn führe. Die Charakterisierung, die Jesus bei den Tauben im Blick hat, lautet im griechischen Text „unvermischt“. Im Deutschen könnte man das Wort präzise als „lauter“ übersetzen. Wenn diese historisch-zoologischen Detailbeobachtungen in die richtige Richtung gehen, sagt Jesus also nicht etwa, seine Jünger dürfen hinterlistig wie die Schlangen und dumm wie die Tauben sein, sondern genau das Gegenteil. Die Verkündiger des Evangeliums müssen Geschicklichkeit und Geistesgegenwart an den Tag legen, sollen dabei aber keine faulen Kompromisse schließen, ihre Botschaft nicht kompromittieren. Was Jesus seinen Jüngern angesichts von unmittelbar drohender Gefahr und Verfolgung gesagt hat, als er sie wie die „Lämmer mitten und die Wölfe“ sandte (noch mehr Tiervergleiche!), soll auch von solchen Gemeinden der Jesusjünger gehört werden, die in Ruhe und Sicherheit leben dürfen. Im Vers, der dem Monatsspruch unmittelbar folgt, warnt Jesus: „Hütet euch vor den Menschen.“ Vor wem eigentlich? Vielleicht vor uns selbst, vor unserer eigenen Neigung zur Trägheit, wo Wachheit und Wendigkeit am Platz sind, und zum faulen Kompromiß, wo Eindeutigkeit gefragt ist. Prof. Dr. Martin Rothkegel, Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule Elstal

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