Jesus zwischen Juden, Christen und Muslimen. - RPI

January 12, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Religionswissenschaft, Islam
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JESUS ZWISCHEN JUDEN, CHRISTEN UND MUSLIMEN – „TRIALOGISCHE“ KONFLIKTE UND CHANCEN DES VERSTÄNDNISSES Mikel de Epalza (1938–2008) und seine Forschungsergebnisse zur Stellung Jesu vom 6. – 17. Jahrhundert im islamischen und christlichen Spanien 1.

Die französischen Ausgabe: Jésus otage. Juifs, Chrétiens et e e Musulmans en Espagne (VI – XVII siècle). Paris: Cerf 1987 (Jesus, die Geisel dreier Religionen)

2.

Die überarbeitete spanische Ausgabe: Jesús entre judíos, cristianos y musulmanes hispanos (siglos VI-XVII). Granada:Universidad de Granada 1999

3.

Die überarbeitete und erweitere deutsche Ausgabe: Jesus zwischen Juden, Christen und Muslimen. Interreligiöses Zusammenleben auf der Iberischen Halbinsel (6.-17. Jahrhundert). Herausgegeben im Auftrag der Interreligiösen Arbeitsstelle (INTR°A) von Reinhard Kirste. Übersetzung aus dem Spa nischen (Kastilischen): Jürgen Kuhlmann unter Mitarbeit von Ilke Ettemeyer. Redaktionelle Bearbeitung der Übersetzung von Pino Valero Cuadra (Universität Alicante). Frankfurt/M.: Lembeck 2002, 303 S.

I. Silvia Bartelheimer: Eine theologische Betrachtung: „Unser Jesus ist der echte!“

Jesus, eine Geisel dreier Religionen. Der Titel des Buches von Mikel de Epalza trifft im Grunde nur für zwei der drei traditionellen monotheistischen Religionen zu, in denen Jesus eine Rolle spielt. Einen „Anspruch“ auf Jesus erheben nur das Christentum und der Islam. Epalza selbst weist in seinem Buch mehrfach darauf hin, dass Jesus im Judentum überhaupt nicht erwähnt würde, hätten die Christen ihn nicht immer wieder ins Gespräch gebracht. 1. Die Bedeutung der Beziehung zwischen Juden, Christen und Muslimen für ihr Jesusbild An Veröffentlichungen zum Jesusbild der Juden und Muslime auf christlicher Seite bemängelt Epalza, dass das islamische und das jüdische Jesusbild meist isoliert betrachtet und nicht genügend mit den Jesusbildern der beiden anderen Religionen in Beziehung gesetzt werde. Es würden höchstens statistische Vergleiche erstellt, etwa in der Form: Wie oft wird Jesus im Koran erwähnt? Zudem beschränke man sich häufig darauf, Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den drei Religionen zu erarbeiten.

Das Interessante an Epalzas Buch ist nun, dass er die Verwandtschaft von Christentum, Judentum und Islam nicht auf den Bereich der Dogmatik beschränkt. Für ihn ist es von großer Bedeutung, dass Christen, Juden und Muslime mehrere Jahrhunderte lang geographisch und gesellschaftlich nah beieinander gelebt haben, im Nahen Osten und am Mittelmeer, in Europa und Asien. Hier ist Jesus mehr als nur ein religiöser Bezugspunkt im jeweiligen Glaubenssystem. Denn das aggressive Verhalten der Christen zwingt Juden und Muslime dazu, sich vom christlichen Jesusbild abzugrenzen. Epalza untersucht in seinem Buch den Einfluss der konkreten menschlichen Begegnung von Juden, Christen und Muslimen für ihr Jesusbild. Dabei unterscheidet er zwischen dem gesellschaftlichen Kontext und der Einstellung sowie dem Verhalten der Andersgläubigen. Als geographischen Rahmen für seine Untersuchung zum Jesusbild wählt Epalza die iberische Halbinsel im Mittelalter, vom Untergang Roms bis zur Eroberung Konstantinopels, und damit einen zeitlichen Rahmen von fast 1000 Jahren. Diese Region eignet sich seiner Meinung nach in 1

besonderer Weise für eine solche Untersuchung, da die Beziehungen zwischen Christen, Juden und Muslimen hier besonders ausgewogen und vielfältig waren, wenn man vom Nahen Osten absieht. Ziel des Buches ist es, die dogmatische und historische Entstehung bzw. Entwicklung der unterschiedlichen Gründe für die Ablehnung des christlichen Jesusbildes im Judentum und im Islam zu erklären. Epalza möchte die dynamischen Beziehungen aufdecken, die zwischen den drei Jesusbildern in einer Gesellschaft bestehen, wo sich Juden, Christen und Muslime auf Jesus beziehen, und dies jeweils in enger Beziehung mit den Anhängern der beiden anderen Religionen tun. Das Buch besteht aus drei Teilen: Nach Ausführungen über die historischen Bedingungen der drei spanischen Religionen (Teil 1) und die Quellen über Jesus (Teil 2) legt Epalza das christliche Jesusbild und seine Wirkung auf Juden und Muslime, sowie das jüdische und das islamische Jesusbild dar (Teil 3). Er geht somit vom komplexesten Jesusbild aus, dem der Christen. Denn hier steht Jesus im Zentrum des religiösen Lebens.

2. Die historischen Bedingungen von Judentum, Christentum und Islam im mittelalterlichen Spanien: wechselnde Machtverhältnisse Auf der iberischen Halbinsel gab es im Mittelalter ein durchlaufendes gesellschaftspolitisches Schema: Eine jeweils herrschende Kultur hat die politische Macht, während sich zwei Subkulturen bzw. Minderheiten fast ausschließlich auf ihre Religion und ihre Sprache gründen. Die Minderheiten nehmen im wesentlichen an der Kultur der Mehrheit teil. Epalza teilt den Zeitraum, der seiner Untersuchung zugrunde liegt, in drei Phasen: Unter der Herrschaft der Westgoten (6.-8.Jh.) wurde das Christentum zur Staatsreligion. Immer wieder wurden Juden zwangschristianisiert oder zum Exil gezwungen. Als die Muslime ab 711 die Halbinsel von Süden her eroberten, fanden sie keine jüdische Gemeinde mehr vor. Doch viele Juden lebten ihre Religion im geheimen und hießen die Muslime als ihre Retter willkommen. Die arabisch-islamische Eroberung spaltete zunächst das Land. Im Süden konnte sich eine von Judentum und Islam geprägte kulturelle Blüte entfalten. Im Norden und Westen der Halbinsel bildete sich ein kämpferischer, christlich-nationaler Widerstand, dessen Ziel die „Wiedereroberung“ (reconquista) und Neuchristianisierung des Landes war. Unter muslimischer Herrschaft (8.-17.Jh.) wurden die drei Jesusbilder fast nie miteinander konfrontiert. Erst die Politik der maghrebinischen Almoraviden und Almohaden im 12. und 13. Jahrhundert, die sich in sehr harter Weise gegen Christen und Juden wandten, veränderte die Situation erheblich. Ein großer Teil der spanischen Bevölkerung konvertierte damals zum Islam. Es handelte sich dabei weder um einen erzwungenen noch um einen persönlichen, sondern um einen juristischen Übertritt, dem nach und nach die Übernahme der religiösen Lehren und Praktiken des Islam folgten. Den Zeitraum der christlichen Herrschaft (8.-17.Jh.) unterteilt Epalza nach gesellschaftlichen Strukturen in vier Phasen ein: Zur Zeit der Entstehung christlicher Staaten (8.-11.Jh.) lebten nur sehr wenige Juden und Muslime in den christlichen Gebieten. Es sind keine größeren Konflikte dokumentiert. Durch die Politik im Geist der Kreuzzüge (11.-12.Jh.) kommen große muslimische Gemeinden in den eroberten Gebieten unter christliche Herrschaft. Viele Juden emigrieren in die christlichen Gebiete, um dem Druck der Almohaden zu entfliehen. In die Phase der politischen und religiösen Herrschaft (12.-15.Jh.) fällt der Bekehrungseifer vor allem der neuen Bettelorden. Es wird gegen Juden und Muslime polemisiert. Verfolgt werden aber vor allem Juden. Als letztes folgt die Phase der völligen Eliminierung von Juden und Muslimen. 1492 werden die letzten Juden aus Spanien vertrieben, 1609-14 die letzten Muslime.

3. Der Quellenbefund zum Jesusbild Epalza macht deutlich, wie sich die einzelnen Phasen der Konfrontation mit den Anhängern der anderen Religionen in den Quellen zu den Jesusbildern widerspiegeln. Die meisten Dokumente über das jüdische Jesusbild sind in der Phase entstanden, wo die Juden gezwungen wurden, christliche Predigten anzuhören und an öffentlichen Disputen zwischen Rabbinern und christlichen Theologen teilzunehmen, die oft jüdischer Herkunft waren. Die Juden wurden so zu präzisen Antworten gezwungen. Zum islamischen Jesusbild gibt es nur wenige Dokumente. Da die Muslime die romanischen Sprachen weniger gut verstanden, wurden sie nicht so stark in Auseinandersetzungen verwickelt. Die Christen ihrerseits greifen die jüdischen und muslimischen Jesusbilder auf, um sie zu verwerfen. Das Ergebnis dieser Polemik sind dann Zerrbilder. Die Grundlagen der drei Jesusbilder, räumt Epalza ein, findet man jedoch nicht auf der iberischen Halbinsel, sondern in den Heiligen Schriften der entsprechenden Religionen, in Kommentaren und Abhandlungen der religiösen Autoritäten über Jesus, also im Bereich der Dogmatik. 4. Das christliche Jesusbild und die Reaktion der Muslime und der Juden Sowohl im Judentum als auch im Islam wäre das Jesusbild völlig nebensächlich und bedeutungslos, wenn die Christen es bei ihren Kontakten mit Juden und Muslimen nicht immer in den Vordergrund 2

gestellt hätten. Durch den gesellschaftlichen Druck der Christen wurden die Juden weit mehr noch als die Muslime gezwungen, auf das christliche Jesusbild zu reagieren. Sie mussten ihre eigenen Traditionen im Blick auf die zentrale Person des Christentums studieren, ihre Glaubenslehren über Jesus schriftlich niederlegen und ihre Ablehnung des christlichen Jesusbildes rechtfertigen. 5. Das christliche Jesusbild, wie es Juden und Muslime wahrnehmen Epalza geht es nicht darum, was die Christen mit ihrer Glaubenslehre und ihrer religiösen Praxis zum Ausdruck bringen wollen. Ihn interessiert vielmehr, wie das christliche Jesusbild bei Juden und Muslimen ankommt. Einige Punkte seien hier genannt: 1. Jesus wird als Herr, Begründer konkreter christlicher Lebensformen, der Kirche und christlicher Gesellschaften gesehen. 2. Die „Göttlichkeit“ Jesu wird von Juden und Muslimen als Widerspruch zur Einheit und Transzendenz Gottes gesehen. 3. Die „Menschlichkeit“ Jesu, seine Existenz werden anerkannt, doch die christliche Deutung abgelehnt. 4. Juden und Muslime wenden sich gegen die geistige Anwesenheit Jesu bei Riten wie der Eucharistie und anderen Sakramenten. 5. Sie nehmen die Unterschiede in der göttlichen Offenbarung wahr. Im Christentum geschieht die göttliche Offenbarung in einem Menschen, dessen Bedeutung durch die Gesamtheit der biblischen Bücher erfahren werden kann, in der sie erklärt und bezeugt ist.

6. Das jüdische Jesusbild: Ablehnung und Verwerfung des christlichen Jesusbildes 6.1. Die Ablehnung des übernatürlichen Charakters Jesu Die jüdische Seite lehnt den übernatürlichen Charakter Jesu ab. Sie wendet sich gegen seine Göttlichkeit, deren Anerkennung einen Verstoß gegen das erste Gebot bedeuten würde. Das christliche Dogma von der Trinität und der Inkarnation Gottes in einem Menschen als der zweiten Person erscheint absurd und unannehmbar. In gleicher Weise verfährt sie mit der Übernatürlichkeit der Geburt, den Wundern und der Auferstehung Jesu. 6.2. Ablehnung einer christologischen Lektüre des Alten Testaments Juden lehnen eine christologische Lektüre des Alten Testaments strikt ab, da sie keinerlei Beziehung zwischen Jesus und dem Alten Testament sehen und zudem die Botschaft des Neuen Testamentes ablehnen. Selbst die historischen Informationen über Jesus werden nur dazu benutzt, gegen die Christen zu polemisieren. Es entstehen jüdische Kommentare zur Bibel und religiöse Orientierungshilfen, die Mishna und der Talmud, die jeglichen christlichen Einfluss und jegliche Anspielung auf Jesus immer rigoroser ausschließen. 6.3. Die Entdeckung des Talmud auf christlicher Seite - ein Wendepunkt in den jüdisch-christlichen Beziehungen Als Petrus Alfonsus, ein konvertierter Jude, den Christen 1106 die Bedeutung des Talmud vor Augen führt, bedeutet dies einen Wendepunkt in den jüdisch-christlichen Beziehungen. Die Christen glaubten bis dahin, dass das Judentum zur Zeit Jesu erstarrt war. Daher ignorierten sie zunächst jene Texte, die die Vitalität des Judentums nach Christus bezeugen. Sie nahmen nicht wahr, dass sich die jüdische Tradition stark weiterentwickelt und vielfältige und komplexe Verbindungen mit den religiösen Werten des Christentums hergestellt hatte. Da der Talmud die Botschaft Jesu verwirft oder ignoriert und dort schlecht von Jesus gesprochen wird, zumindest aber vom Christentum, sehen die Christen im Talmud das größte Hindernis für den Übertritt von Juden zum Christentum. Die talmudischen Texte waren oft von mündlichen volkstümlichen Erzählungen über Jesus begleitet, die weit verbreitet waren und eine gewisse Autorität besaßen. Die Christen begannen nun zwar, sich mit dem Talmud auseinanderzusetzen, doch ausschließlich für polemische Zwecke unter der Leitung von Juden, die zum Christentum übergetreten waren. 6.4. Jesus als Ursache für den Bruch mit dem Judentum Im Mittelalter macht die jüdische Theologie Jesus für den Bruch mit dem Judentum verantwortlich. In seiner Persönlichkeit, seiner Lehre und seinem Verhalten sehen sie die Ursache dafür, dass er sich zusammen mit seinen Jüngern vom Judentum getrennt hat. Daher trägt Jesus auch die Verantwortung für die Missetaten der späteren Christen. Der Islam dagegen stellt die Frage nach der Rolle, die die Jünger und Apostel dabei spielen. Doch heute gehen auch moderne christliche oder jüdische Theologen davon aus, dass Jesus ein frommer, reformistischer Jude war, der die universellen Werte des Judentums bewahrt hat und keineswegs verantwortlich ist für das, was seine Anhänger später in seinem Namen verkünden.

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6.5. Jesus ist nicht der Messias Entscheidend für die Ablehnung des christlichen Jesusbildes durch das Judentum ist die Tatsache, dass die Christen glauben, dass Jesus der Messias, der Retter der Welt ist. Die Messiasfrage wird den Christen vom Judentum aus gestellt. Denn die Christen müssen beweisen, dass Jesus sehr wohl in der messianischen Linie der Bibel und in der jüdischen Tradition steht. Der jüdische Heilsbegriff ist vor allem politisch. Der Messias ist ein Politiker, der das Ende des Exils des Volkes Israel und die vollkommene Wiederherstellung des Lebens in Zion bringt. Sein Kommen wird noch erwartet. Juden verwerfen die christliche Heilslehre, wonach Jesus als Gott in die Welt gekommen ist und die Passion und den Tod erduldet hat, um die ganze Menschheit von der Sünde freizukaufen. 7. Das islamische Jesusbild - begrenzte Übernahme des christlichen Jesusbildes Der Islam wollte ursprünglich Erbe bzw. Nachfolger von Judentum und Christentum sein. Er integriert Jesus in sein Glaubenssystem. Doch ist das christliche Jesusbild hier seltsam verkürzt. Das Jesusbild des Koran und der Muslime in Al-Andalus, dem islamischen Spanien, geht zwar auf das christliche Jesusbild zurück. Doch war der Einfluss in den Anfängen des Islam, im Koran und in der Lehre des Propheten stärker als bei den Muslimen in Spanien, die sich viel mehr am Koran orientieren als an der Glaubenslehre ihrer christlichen Zeitgenossen. Obwohl die Muslime durch die polemische Situation gezwungen werden, sich im Detail mit den christlichen Glaubenslehren zu beschäftigen, entwickeln sie eine eigene „Christologie“. Die Juden dagegen bestimmen ihren Standpunkt viel stärker direkt in Bezug zu den christlichen Lehren ihrer Zeit. Methodisch gesehen geht Epalza von der Art und Weise aus, wie die Menschen im Mittelalter ihren Glauben gelebt haben, um von da aus das jeweilige objektivierte Jesusbild zu verstehen. Er ordnet das Jesusbild in das komplexe islamische Glaubenssystem ein und bemüht sich dabei, zwei Arten von zumeist unbewussten Vereinfachungen zu vermeiden, die seiner Auffassung nach in Veröffentlichungen zum vorliegenden Thema häufig anzutreffen sind: Die Christen neigen dazu, die religionssoziologische Komplexität auszublenden, indem sie sich an die Schriften des Islam halten. Die Muslime ihrerseits reduzieren die Darstellung ihrer Glaubenslehren über Jesus allein auf die Korantexte. Epalza ist der Ansicht, dass diese Vereinfachungen des Jesusbildes dazu dienen, es für die Christen annehmbarer zu machen und so Brücken für den Dialog zu bauen und „Übertritte“ zwischen Christentum und Islam zu ermöglichen. Sie lassen jedoch die komplexe Realität des Problems Jesus außer Acht und die Tatsache, dass das islamische Jesusbild in der Gesamtheit der islamischen Glaubenslehren verwurzelt ist. Epalza ist darum bemüht, die Logik der Haltung der Muslime gegenüber Jesus deutlich zu machen. Ausgehend von den fundamentalen islamischen Glaubenslehren ordnet er das Jesusbild synthetisch in das islamische Denken ein und wendet sich dann Detailfragen zu. Er stellt die Texte vor, die für das islamische Jesusbild maßgebend sind und führt zuletzt einige Elemente näher aus, die für dieses Bild von Bedeutung sind. 7.1. Jesus - ein Prophet unter Propheten nach dem Modell Mohammeds Im Islam ist Jesus ist ein Prophet, ein Gesandter Gottes. Dies bedeutet für die Muslime, dass sie die Verwandtschaft mit den Christen anerkennen, die ihm nachfolgen. Während der biblische Prophet im Christentum die Zukunft des erwählten Volkes verkündet und im Judentum zur Treue gegenüber dem Bund des göttlichen Gesetzes ermahnt, wird Jesus im Islam in die Reihe der muslimischen Propheten eingeordnet. Dabei werden religiöse Gestalten der Bibel verkürzt übernommen, auf eine Ebene gestellt, vereinheitlicht und auf das Prophetentum Mohammeds reduziert. Der Islam leugnet die Göttlichkeit Jesu und lehnt die christliche Heilslehre ab, die aus dem Christus den einzigen Retter der Menschheit macht. Jesus ist ein Prophet unter anderen Propheten, wenn auch mit charakteristischen Zügen. Um das Jesusbild des Islam zu verstehen, ist es daher nach Epalza unabdingbar, sich mit dem prophetischen Modell Mohammeds zu befassen. Die grundlegende Struktur des muslimischen Prophetentums fasst Epalza in vier Elementen zusammen: 1. Gott 2. das offenbarte heilige Buch, das die Muslime leiten soll 3. der übermittelnde Prophet 4. das Volk oder die Gemeinde der geretteten Gläubigen

Für die Muslime ist die göttliche Botschaft Jesu der Islam. Doch ist die Mission Jesu im Gegensatz zu der Mohammeds gescheitert, da seine Anhänger, insbesondere der Apostel Paulus, seine prophetische Botschaft verändert haben. Mohammed ist der letzte und beste Prophet, in dessen Schatten seine Vorgänger bedeutungslos erscheinen. Dies macht die andern unnötig. Gegen die Juden wird 4

behauptet, dass Jesus sehr wohl ein Bote mit einem göttlichen Auftrag ist, auf den die Juden hätten hören sollen. Gegenüber Christen weisen muslimische Polemiker darauf hin, dass Jesus sich selbst nach den christlichen Evangelien als Prophet und nur als Prophet verstanden hat. Im Islam verkündet er die Ankunft Mohammeds. Alles, was man über Jesus wissen kann, findet sich im Koran und in der Lehre Mohammeds. Und dies genügt. Damit wird das christliche Zeugnis von Jesus wertlos. 7.2. Das positive Jesusbild in den islamischen „Prophetengeschichten“ Epalza führt dann weitere Elemente des Jesusbildes im Koran und anderen islamischen Texten aus und untersucht das Bild, das die Lektüre der Evangelien und anderer christlicher Texte vermittelt. Epalza weist darauf hin, dass die islamischen Texte zu Jesus unterschiedlich zu werten sind, im Blick auf den Grad an Autorität, den sie genießen, und die literarischen Gattung. Im Rahmen einer Gesamtlektüre des Koran haben die Verse über Jesus keinerlei besondere Bedeutung. Doch beinhaltet die Lehre des Propheten Mohammed zahlreiche Überlieferungen von Jesus. Zudem ist Jesus eine der beliebtesten Personen in den „Prophetengeschichten“, die christlichen Heiligenlegenden vergleichbar sind und der religiösen Erbauung dienen. Diese biographischen Elemente zur Person Jesu sind im Islam offiziell anerkannt und normativ und enthalten im Allgemeinen nur Positives über ihn. 7.3. Die Manipulation und Korruption der Botschaft Jesu durch seine Anhänger Die muslimischen Polemiker des mittelalterlichen Spanien halten den Christen dieses positive Jesusbild des Islam entgegen. Der Islam geht davon aus, dass Jesus mit dem aktuellen Christentum nichts zu tun hat. Das Evangelium Jesu wird im Islam als das heilige Buch Jesu verstanden, als Vorläufer des Koran, das in seiner ursprünglichen Fassung verloren gegangen ist. Die Tatsache, dass vier verschiedene Evangelien existieren, die nicht mit der Botschaft des Koran übereinstimmen und keinen Hinweis auf das Kommen Mohammeds enthalten, beweist in den Augen der Muslime, dass die Botschaft Jesu von seinen Anhängern verändert bzw. korrumpiert wurde. Jesus selbst trägt keinerlei Verantwortung für das, was die Kirche in seinem Namen tut. In der Veränderung der Botschaft sieht der Islam den großen Misserfolg Jesu im Gegensatz zu Mohammed. Epalza ist der Ansicht, dass die Muslime den Christen in Wahrheit weniger die Korruption der Botschaft Jesu vorwerfen als die Manipulation der Evangelientexte, die sie als Hinweise auf die Mission Mohammeds verstehen. 7.4. Das Barnabasevangelium - ein im 17. Jahrhundert von Muslimen verfasster Text Etwa im 17. Jahrhundert entstand das Barnabasevangelium, ein Evangelium im Stil des Neuen Testamentes, das dem islamischen Glauben angepasst ist. Jesu Göttlichkeit und seine Kreuzigung fehlen in diesem Text. Dafür enthält er eine deutliche Ankündigung eines Propheten nach Jesus, der die vollkommene Offenbarung übermittelt. Dieses Evangelium ist das Ergebnis von mehr als einem Jahrhundert, in dem die spanischen Muslime gezwungen waren, sich mit den christlichen Evangelien auseinanderzusetzen. Die neutestamentlichen Evangelien werden von den spanischen Muslimen nur zu polemischen Zwecken genutzt, um die Christen auf der Grundlage ihrer eigenen Texte zu verwerfen. Da sie glauben, dass die Bibel verfälscht ist, besteht kein Interesse daran, die jüdischchristlichen Texte zu lesen. 

Vgl. LUIS F. BERNABÉ PONS: El Evangelio de San Bernabé. Un evangelio islamico español. Alicante: Universidad de Alicante 1995, 260 S. – INTR°A-Biblioth ek: Spanien 04/96-4481, Beilage: Jan Slomp: Koran 04/98-6782) und ders.(Hg.): El texto morisco del Evangelio de San Bernabe. Granada: Universidad de Granada e Instituto de Cultura Juan Gil-Albert 1998, 313 S.

7.5. Maria und Jesus im Koran: eine untrennbare Einheit Es fällt auf, dass Jesus und seine Mutter Maria im Koran eine untrennbare Einheit bilden. Die Biographien von Maria und Jesus sind gleich lang, so dass sich fast die Frage stellt, wem von beiden mehr Bedeutung zukommt. Da der Islam keinen legalen Vater Jesu kennt, ist Jesu Familienname der Name seiner Mutter. Er ist der Sohn Marias und nicht der Sohn Gottes. Im Vergleich zu anderen religiösen Personen des Koran sind die Erzählungen über Jesus und Maria sehr lang. Gegenüber den Juden hält der Islam an der jungfräulichen Empfängnis Marias fest. Gegenüber den Christen betont er, dass Maria eine Frau ist und weder Gott noch die Mutter Gottes. Maria ist ein Vorbild für muslimische Frauen und wurde bei den spanischen Muslimen volkstümlich verehrt. 7.6. Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Lebensabschnitte Jesu im Islam und im Christentum Auffällig ist ebenso die unterschiedliche Bedeutung, die Christen und Muslime den verschiedenen Phasen des Lebens Jesu beimessen. Während Passion und Tod Jesu im Christentum das rettende Element darstellen, sind sie im Islam ohne Bedeutung. Die Lehre und das Leben Jesu sind im Christentum der Weg, den die Christen gehen müssen, um das Heil zu erlangen. Im Islam sind sie im 5

Vergleich zu Mohammeds Leben und Lehre ohne Profil. Für die Muslime ist das, was Jesus nach dem Evangelium lehrt, zutiefst antichristlich. Jesus wird so ein farbloser Vorläufer Mohammeds, der das Bild von Unterwerfung wiedergibt, das sich die Muslime von den Christen wünschen, Unterwerfung unter Gott, den Islam und die Muslime. Im Islam ist Jesus zwar das Wort Gottes, ein Wort allerdings, dem die Heilsbotschaft genommen wurde. Während die Kindheitsgeschichten im Christentum lediglich der Vorbereitung der Mission Jesu dienen, nimmt die Kindheit Jesu im Islam mehr Raum ein, denn sie zeigt seine Erwählung und seine Heiligkeit. 7.7. Das Kreuz - Inbegriff dessen, was der Islam am Christentum verwirft Nach dem Islam wurde Jesus weder getötet noch gekreuzigt. Ein anderer wurde an seiner Stelle gekreuzigt und Jesus wurde in den Himmel erhoben. Das Zeichen des Kreuzes ist der Inbegriff und das Symbol dessen, was die Muslime am Christentum verwerfen. Der Islam kann weder die christliche Sündenlehre noch die Lehre von der Erlösung der Menschen durch das Opferblut Jesu akzeptieren, der Mensch und Gott zugleich ist. Die Muslime verabscheuen das Bild von Jesus am Kreuz, das die beiden Extreme symbolisiert, die der Islam am Christentum ablehnt: die Erniedrigung Jesu durch die Art seines Todes und seine Erhöhung bis hin zur Göttlichkeit. 8. Der Traum von der Akzeptanz unterschiedlicher Jesusbilder Am Schluss seines Buches versucht Epalza die Ergebnisse seiner historischen Studien für heute auszuwerten. Einen grundlegenden Unterschied zwischen unserer Gesellschaft und der des Mittelalters sieht Epalza im Exklusivitätsanspruch der Religionen. Jede Religion glaubte sich im Blick auf Jesus im exklusiven Besitz der Wahrheit und verwarf die anderen Glaubenslehren in aggressiver Weise. Die religiöse Haltung der Christen, Muslime und Juden im spanischen Mittelalter war daher stark polemisch geprägt. Epalza stößt hier auf ein religiöses Milieu, wo sich die Beziehungen zwischen Christen, Muslimen und Juden nur schwer von der polemischen Aggressivität im Blick auf religiöse Fragen befreien können. Beim Lesen der Texte zu den drei Jesusbildern spürt Epalza ein Gefühl von Bitterkeit, das seiner Ansicht nach zwei Ursachen haben kann: Zum einen ist jeder Gläubige enttäuscht, dass andere sein Jesusbild nicht teilen und sogar durch Argumente infrage stellen, die er gerne gänzlich widerlegen würde. Und der moderne Ungläubige - in gewissem Maße sind wir das nach Epalza alle, wenn wir über die Glaubenslehren der anderen Religionen sprechen - fühlt sich auch dadurch verunsichert, dass Jesus in eine religiöse Welt integriert ist, die er nicht akzeptiert. Einen weiteren Grund für das intellektuelle und „religiöse“ Unbehagen findet Epalza beim Betrachten des polemischen Kontextes der religiösen Jesusbilder. Jeder Gläubige möchte „seinen Jesus“ behalten und sich in Frieden an ihm freuen. Die Polemik aber, die vor allem in der spanischen Geschichte zu finden ist, zwingt den Gläubigen zu einer kämpferischen Haltung, die sowohl vom intellektuellen als auch vom affektiven Standpunkt aus schmerzlich ist. Die Moderne hat nun mit der säkularen Demokratie Möglichkeiten der Koexistenz verschiedener Glaubenslehren sogar mit religiösem Unglauben gefunden. Obwohl Epalza einräumt, dass die äußerst aggressiven, polemischen Jesusbilder der Juden, Christen und Muslime auch heute noch innerhalb bestimmter religiöser Kreise der drei Religionen existieren, träumt er von einer Welt, in der jeder, ob Christ, Muslim, Jude, Gläubiger oder Ungläubiger, sein Bild von Jesus haben kann, ohne das Gefühl, es gegen andere Gläubige oder Ungläubige im gemeinsamen gesellschaftlichen Leben verteidigen zu müssen. Das setzt voraus, dass er nicht alle religiösen Erfahrungen der anderen mit ihnen teilen muß. Zum Schluss stellt Epalza die Frage, ob Gott es nicht vielleicht so gewollt hat, dass es nicht nur ein einziges Jesusbild gibt. Interessant an Epalzas Buch ist vor allem sein Ansatz, die Wechselwirkung zwischen der Dogmatik und der direkten menschlichen Begegnung im Blick auf das Jesusbild von Christentum, Judentum und Islam zu untersuchen. Das mittelalterliche Spanien eignet sich dafür in hervorragender Weise durch die Nähe und die wechselnden Machtverhältnisse der drei Religionen in dieser Zeit. Da der Islam schon im Koran eine eigenständige Christologie unabhängig vom Christentum vorstellt, ist die Beziehung zwischen dem muslimischen und christlichen Jesusbild besonders komplex. Epalzas Buch macht dabei deutlich, wie schwierig eine Verständigung zwischen Christen und Muslimen im Blick auf Jesus ist. Der säkularen Demokratie ist es zwar gelungen, Abstand von den Jesusbildern zu gewinnen, die unter religiöser Herrschaft der einen oder anderen Seite oft genug missbraucht wurden. Dennoch ist eine ehrliche christlich-islamische Begegnung auch heute schwierig, wenn man an die Islam-Feindbilder in den westlichen Demokratien oder an die islamische Ablehnung westlichen Säkularismus denkt. Zuerst erschienen in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.): Wertewandel und religiöse Umbrüche. Religionen im Gespräch, Bd. 4 (RIG 4). Balve: Zimmermann 1996, S. 607-618. Vgl. auch am aaO S. 6

619-620 das ebenfalls von Silvia Bartelheimer rezensierte Buch von Ron Barkaï, Hg.: Chrétiens, musulmans et juifs dans l’Espagne médiévale. De la convergence à l’expulsion. Paris: Cerf 1994, 334 S.

II. Jan Slomp: Eine religionswissenschaftliche Sicht An dieser (deutschen) Übersetzung aus dem Spanischen waren Jürgen Kuhlmann hauptsächlich, Ilke Ettemeyer unterstützend und Pino Valero Cuadra korrigierend beteiligt. Reinhard Kirste schrieb ein Vorwort (S.11-14) und ein Nachwort: Zur Forschungsarbeit von de Epalza. (S. 297-302). Míkel de Epalza ist seit 1977 Professor für islamisch-arabische Studien an der Universität Alicante. Er übersetzte zum ersten Mal den Koran ins Katalanische. Er gehört zu den grossen Spezialisten des spanischen Islams. Wie Kirste klar macht, wird das Studium der Periode der muslimischen Vorherrschaft in Spanien immer wichtiger auch im Zusammenhang mit christlich-islamischen Begegnungen im heutigen Europa. Deshalb wurden schon mehrfach Artikel zu dieser Thematik von der RIG-Redaktion veröffentlicht. Kirste gibt dazu einen Überblick. Hervorragend ist dabei auch in Deutschland die Wirkungsgeschichte des sogenannten Barnabasevangeliums, das wie de Epalza und sein Kollege Luis Bernabé Pons klarmachten, von Morisken (moriscos) hergestellt wurde. Moriskos waren zwangsgetaufte Muslime nach dem Fall von Granada 1492 bis zur endgültigen Verbannung 1614, die heimlich ihren alten Glauben praktizierten. In „Jesus zwischen Juden, Christen und Muslimen” mit dem Untertitel „Interreligiöses Zusammenleben auf der Iberischen Halbinsel (6.-17. Jahrhundert) handelt es sich um das Kernstück der ‘ziemlich kämpferischen religiösen’ (S. 262) Auseinandersetzung dieser Epoche. In der französischen Vorstudie zum gleichen Thema Jésus otage – Juifs, chrétiens et musulmans en Espagne. VI-XVII siècle. Paris: du Cerf 1987, 238 S. Jesus als Geisel, das französische Buch, das ich damals von Epalza als Geschenk bekam, hat der Verfasser ganz am Anfang des Buches den geschichtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Debatte statt gefunden hat, beschrieben. In der spanischen und der deutschen Ausgabe findet man diesen historischen Überblick im Anhang, ab Seite 221.

Es wird klar, dass die negative christliche Haltung den Juden gegenüber in der westgotischen Periode schon ihren Ursprung hatte. Die Juden erlebten eine Glanzzeit während des Omayyaden-Kalifats von Córdoba (S. 226). Interessant ist, dass die jüdischen Quellen einiger hispanischen Kontroversen eine von den lateinischen Quellen darüber stark abweichende Fassung bieten (S. 242). De Epalza glaubt zeigen zu können, dass vor allem islamische Elemente zusammen mit jüdischen das Entstehen der Christologie des Adoptianismus im 8. Jahrhundert begünstigt haben. Diese Tatsache scheint mir sehr wichtig zur Korrektur der christlichen Dogmengeschichte zu sein. Die deutsche Übersetzung fängt also nach einer sehr kurzen Einführung sofort mit einer thematischen, theologischen Beschreibung der Jesus-Bilder an: 1. Der Jesus der Christen gegenüber Muslimen und Juden. 2. Das jüdische Jesusbild. 3. Das islamische Jesusbild. Es gab wechselseitige Einflüsse zwischen Judentum und Islam angesichts des christlichen Jesusbildes (S. 107). Die Schriftsteller mussten damals vor allem mit Weisheit vorgehen, wenn sie zu einer Minderheit gehörten. Die Originalität des Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen in Spanien im Vergleich mit dem Nahen Osten liegt in der Tatsache, dass hier nach einer islamischen Epoche wieder eine christliche kam. Die Anhänger der drei Religionen lebten mehr als ein Jahrtausend zusammen. Der spanische Islam lag interessanterweise unter steten Angriffen von radikalen Bewegungen aus Afrika wie die der Almoraviden und Almohaden und der christlichen Eroberungen aus dem Norden. Dadurch gab es Muslime unter christlicher Herrschaft die Mudejares und die arabisierten Christen, die Mozaraber, und zwar im muslimischen Territorium. Über die Mozaraber hat Mikel de Epalza im Handbuch der Orientalistik einen wichtigen Beitrag geschrieben nd (Band 12, Hg. Jayyusi, S.K.: The Legacy of Muslim Spain, 2 ed. 1994, Volume I: „Mozarabs: An Emblematic Christian Minority in Islamic al-Andalus“, S. 149-170). In Kapitel 3 beschreibt de Epalza dies auch: Das Evangelium des heiligen Barnabas (17. Jh.) als ein Evangelium gemäß dem Islam und als Fälschung. Ich bin ganz einverstanden mit seiner Beschreibung der Tatsachen und der Debatte über dessen Unechtheit mit Muslimen (Anmerkungen S. 251-268). Wir haben über dieses Thema miteinander gesprochen und korrespondiert. Ich schätze die Forschungen von Mikel de Epalza zu diesem Thema sehr und habe viel von ihm gelernt. Aber meines Erachtens gehört die Erwähnung dieses Evangeliums kaum zur Geschichte der religiösen Auseinandersetzung dieser Periode, weil es damals noch nicht veröffentlicht wurde und erst im 18. Jahrhundert entdeckt und am Anfang des 20. Jahrhundert zum ersten Mal gedruckt wurde. Es wäre m.E. besser gewesen, die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses Evangeliums auch als Anhang aufzunehmen. 7

Wir versuchen in den Dialogen des 20. Und des 21. Jh. das Gemeinsame der Religionen zu betonen. In Spanien wurden in der beschriebenen Periode Unterschiede betont. Die Studie von Mikel de Epalza zeigt, wie die Gestalt Jesu in der spanischen Symbiose nicht zur Synthese geführt hat. Im Gegenteil lässt sich sagen: Das andere Verstehen Jesu hat wie ein Federmechanismus gewirkt und der Gesellschaft eine gewisse theologische Spannkraft verliehen. Die Diskussion über Jesus hat die je eigene Identität unterstützt und sogar Unruhe geschürt. Wer versichert uns, dass dieses Zeitalter des Dialogs ohne Polemik und Apologetik von uns im 21. Jahrhundert weiter gelebt werden kann? De Epalza zeigt, wie die politische und soziale Lage immer die Debatte entscheidend mitbestimmt hat. Mit vielen Beispielen wird klargemacht, wie die Streitgespräche damals in Spanien in eine Sackgasse geraten sind. Oftmals wird die interreligiöse und interkulturelle Symbiose in Spanien idealisiert. Der große Verdienst dieses Buches ist, dass ein großer Kenner dieser Epoche beschreibt, wie es tatsächlich gewesen ist.

III. Dorothea Eisele: Eine religionspädagogische Sicht Míkel de Epalza, Professor für islamisch-arabische Studien an der Universität in Alicante, nimmt die interessante und anspruchsvolle Aufgabe in Angriff, das Jesusbild der drei bedeutenden monotheistischen Religionen auf der Iberischen Halbinsel in der Zeit vom 6. bis zum 17. Jahrhundert zu beschreiben und zu vergleichen.

Die Intention des Buches ist es, verschiedene Sichtweisen der Jesusbilder miteinander in Beziehung zu setzen, um deren Verhältnis zueinander und deren Abhängigkeit untereinander besser verstehen zu können. De Epalza geht dabei auch von der versteckten Annahme aus, dass die beschriebenen Jesusbilder ebenso Paradigmen und Voraussetzungen für die heutigen Jesusbilder und deren Verständnis verkörpern. Demnach soll diese Abhandlung ebenso ein Beitrag zu einem besseren Verständnis der Jesusbilder heute liefern. De Epalza gliedert nach einer Einführung den Inhalt des Buches in drei Teile. Er beginnt mit der Beschreibung des christlichen Jesusbildes, danach folgt die des jüdischen Jesusbildes. Die Beschreibung des islamischen Jesusbildes beendet seine Ausführungen. Mögen auch die einzelnen Teile unterschiedlich gewichtet sein, so zeichnen sie sich durch einen klaren Gedankengang aus. Daran fügen sich drei Anhänge leider ohne Bezug und Zusammenhang zu den vorangegangen Ausführungen an. Der erste beschreibt die historische Entwicklung der drei abrahamitischen Religionen auf der Iberischen Halbinsel, der zweite stellt die Quellen über Jesus vor und der dritte schildert die Form und Bedeutung des hispanischen Adoptianismus im 8. Jahrhundert. De Epalzas Sprache und Stil ist leicht verständlich und ermöglicht es einem, ohne christlichtheologische, jüdische oder islam-wissenschaftliche Spezialkenntnisse das Werk zu verstehen. Die einzelnen Kapitel sind mit Zitaten angemessen unterlegt, stichhaltig formuliert und zeichnen sich durch viele interessante Details aus. Für den Leser ist das Kapitel über das islamische Jesusbild am ergiebigsten. So erfährt er viel, auch weniger Bekanntes, über die Person Jesus und die Familie Jesu aus der Sicht des Islam, z. B. über die Bedeutung und die Rolle der Mutter Jesu oder über den Stellenwert des Evangeliums bzw. der Evangelien. Besonders ansprechend ist die parteilose, unpathetische Darstellung, die sehr viel Interesse weckt. Daneben sind die zahlreichen klaren Vergleiche und Bezüge zu dem christlichen Jesusbild einerseits und dem jüdischen Jesusbild andrerseits hervorzuheben, bei denen unmissverständlich deutlich wird, dass im Islam Jesus als wahrer Prophet, aber eben nur als Prophet gewürdigt wird. Das jüdische Jesusbild fällt in seiner Beschreibung knapper aus, ohne dass wesentliche Aussagen zu vermissen sind. Leider beschränkt sich de Epalza bei seinem Vergleich eher auf Bezüge zum Christentum und damit auf die Ablehnung der Sohn-Gottes-Vorstellung. Wünschenswert wäre eine stärkere Bezugnahme zum und Abgrenzung vom islamischen Jesusbild gewesen. Am Komprimiertesten erscheint die Beschreibung des christlichen Jesusbildes und die Hervorhebung der Göttlichkeit Jesu, bei deren Beschreibung und Vergleich die beiden anderen Religionen zwar berücksichtigt werden, auf eine ausführlichere Darstellung aber verzichtet wird. Insbesondere fehlt de Epalzas Werk jedoch eine stärkere Einbettung der Jesusbilder in den historischen Kontext und eine Verknüpfung der religionswissenschaftlichen Erkenntnisse mit den historischen Begebenheiten. Dennoch liefert er mit seinem Werk einen wichtigen, lesenswerten Beitrag dazu, das Verständnis der verschiedenen Jesusbilder zu fördern und die Unterschiede besser zu verstehen. Die Kapitel II + III sind zuerst erschienen in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.): Wegmarken zur Transzendenz. Interreligiöse Aspekte des Pilgerns. Religionen im Gespräch, Bd. 8 (RIG 8). Balve: Zimmermann 2004, S. 490-493. Rezensionen/Rz-Epalza.doc / Überarbeitung, 04.11.06, bearbeitet 21.12.10 8

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