Jodtyrosin-Dejodasen von Leber und Skelett

January 14, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Endokrinologie
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Jodtyrosin-Dejodasen von Leber und Skelett-Muskulatur unter verschiedenen Bedingungen des Jod-Stoffwechsels Von

Harald Schäfer und Norbert Hartmann Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut der Universität Greifswald (Der Schriftleitung zugegangen am 9. Mai 1966)

In den vergangenen Jahren bestand sehr starkes Interesse an der Aufklärung der physiologischen Bedeutung dejodierender Enzyme1. Es wurden jedoch berechtigte Zweifel an der Realität der durch Flavin inononucleotid und Licht aktivierten Systeme in vivo angemeldet2. Diese Kriterien treffen für die in diesem Institut genauer untersuchte Jodtyrosin-Dejodase3' 4 nicht zu, was uns um so mehr veranlaßte, die Bedeutung dieser Dejodase unter verschiedenen Bedingungen des Jodstoffwechsels eingehender zu untersuchen. Wie bereits festgestellt, ist diese an charakteristischen Veränderungen im Stoffwechselgeschehen beteiligt5. Kürzlich veröffentlichte Befunde lassen auf den physiologischen Wirkungsort der in Leber und Muskulatur untersuchten Jodtyrosin-Dejodasen schließen (vgl. 1. c.1). An Hand der hier angeführten Befunde konnten mögliche Veränderungen der dejodierenden Aktivität als Folge des Aufarbeitungsprozesses ausgeschlossen werden. Weiterhin wurde die unterschiedliche Beeinflussung der Jodtyrosin-Dejodasen von Leber und Muskulatur unter der Wirkung von Thyroxin und MTU* in vivo und im Verlauf einer experimentellen Hyperthyreose untersucht. Material und Methodik Für die Versuche wurden 8 Monate alte zuchtreife Hauskaninchen verwendet; für jede Versuchsserie l Wurf. Bei nicht reinrassigen Würfen mußten die Tiere in ihren äußeren Merkmalen völlig übereinstimmen. Zwei Tiere eines Wurfes blieben jeweils als Kontrollen unbehandelt, die anderen erhielten entweder über die Dauer von 10 Tagen 0,25 mg pro kg Körpergewicht L-Thyroxin (La Röche) subkutan pro die oder 0,1 g pro kg Körpergewicht MTU (Philopharm) peroral pro die, in Versuchsserie III über 28 Tage und in Versuchsserie IV über 70 Tage. * Verwendete Abkürzung: MTU = Methylthiouracil. H. Schäfer, Ch. Voss, H.-J. Henschel u. N. Hartmann, diese Z. 341, 268 [1965]. 2 S. Lissitzky, X. Sympos. d. Dtsch. Ges. f. Endokrinologie, Wien 1963. 3 N. Hartmann, diese Z. 306, 107 [1956]; 316, 199 [1959]. 4 N. Hartmann, diese Z. 308, 157 [1957]. 5 N. Hartmann, Ch. Voss u. H. Schäfer, V. Internat. Biochemie-Kongr., Moskau 1961: Sekt. 5, 202. Korrelation zwischen Schilddrüsenaktivität und Dejodasewirkung der Gewebe. 1

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Weiterhin wurden im Spätherbst und Winter frettierte Wildkaninchen aus der Umgebung von Greifswald verwendet. Sie wurden gruppenweise aufgearbeitet; eine Gruppe einige Stdn. nach dem Fang, weitere l und 14 Tage nach dem Fang. Die Tiere blieben möglichst unbehelligt unter konstanten Stall- und Fütterungsbedingungen (Rüben, Heu- und Körnerfutter ad libitum, der Nahrung auf freier Wildbahn angepaßt). Allmorgendlich wurde bei allen Tieren das Gewicht kontrolliert. Die Aufarbeitung erfolgte bei 0° bis -f-3° im Kühlraum. Jeweils ein Tier wurde durch Nackenschlag betäubt, durch Stich ins Herz getötet und entblutet, sofort Leber und Muskulatur — erector trunci — exzidiert und in eiskalten M/15 Phosphatpuffer (Puffergemisch nach Sörensen), pH 8,0 geworfen, nach Abkühlen abgetupft, von Blut und Bindegewebe weitmöglichst befreit, gewogen, grob zerkleinert und unmittelbar darauf abgewogene Teüe der Leber l Min. und der Muskulatur P/2 Min. in eiskalter M/15 Phosphatpuffer-Lösung, pH 8,0, mit Hilfe eines Ultra-Turrax (Fa. Janke & Kunkel KG) unter Eiskühlung homogenisiert. Zur Glykogenbestimmung wurde bei der Exzision von zweiter Hand ein abgewogenes Stück Leber bzw. Muskulatur der Hauskaninchen sofort6 in kochende SOproz. KOH geworfen. Die Auf arbeitung erfolgte nach Walaas u. a. . Die Glykogenglucose wurde nach Frank und Kirberger 7 bestimmt. Die Anreicherung der Zellplasma-Dejodase von Leber und Muskulatur erfolgte in Anlehnung an die von H art mann (vgl. 1. c.4) verwendete Methode. Das Zellplasma-Eiweiß von Leber und Muskulatur wurde zwischen 40% und 55% (NH4)2S04-Sättig. ausgefällt. Diese Fraktion enthält die Hauptfermentaktivität der Zellplasma-Dejodase. Nähere Angaben über das Fraktionierungsverfahren vgl. 1. c.1. Fraktionen und Homogenate gelangten gleichzeitig 6—7 Stdn. (bzw. wie unter der Abbildung angegeben) nach Töten der Tiere zur Bebrütung in die Ansätze. Parallel liefen zur Kontrolle Versuche, in denen die Homogenate unmittelbar nach dem Homogenisieren in die Ansätze zur Bebrütung kamen. Zusammensetzung und Bebrütung der Ansätze vgl. 1.8 c.1. Das aus dem Dijodtyrosin freigesetzte Jodid wurde nach der von Hartmann angegebenen Methode potentiometrisch titriert. Alle Versuche wurden als Doppelversuche angesetzt. Für jedes Organ wurde der Organjodidgehalt und für jeden Versuch die Spontandejodierung des eingesetzten L-Dijodtyrosins im Verlaufe des Versuches ermittelt und in Rechnung gestellt. Die Spontandejodierung belief sich auf durchschnittlich 4% des fermentativ freigesetzten Jodids. Die Eiweißbestimmung erfolgte nach der Biuret-Methode von Bücher und Mitarbeitern9. Die exzidierten Schilddrüsen wurden sauber präpariert, in Formol fixiert, in Paraffin eingebettet und die Schnitte mit Hämatoxilin-Eosin gefärbt. Die Irrtumswahrscheinlichkeit p wurde nach dem -Test von Fischer und Student berechnet. Ergebnisse und Diskussion Zum Ausschluß störender Faktoren, welche von Einfluß auf die zu untersuchenden Veränderungen der dejodierenden Fermente sein konnten, wurden die mit der Dauer der Lagerung bzw. Aufarbeitung bei 0° bis +3° einhergehenden Veränderungen der dejodierenden Enzyme untersucht (s. Abbildung). 6 0. Walaas u. E. Walaas, J. biol. Chemistry 187, 769 [1950]. 7 H. Frank u. E. Kirberger, Biochem. Z. 320, 360 [1949/50]. 8 N. Hartmann, diese Z. 301, 60 [1955]. 9 G. Beisenherz, H. J. Boltze, Th. Bücher, R. Czok, K. H. Garbade, E. Meyer-Arendt u. G. Pfleiderer, Z. Naturforsch. 8b, 555 [1953]. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:12 PM

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Veränderungen der dejodierenden Aktivitäten in Leber- und Muskel-Homogenaten in Abhängigkeit von der Lagerungszeit bei 0 bis + 3°. Die Ansätze enthielten: Homogenat aus 0,3 g Leber (Frischgewicht) bzw. Homogenat aus 1,5 g Muskel (Frischgewicht) in jeweils 20 ml 0,2n Phosphatpuffer, pH 8; 35//Mol L-Dijodtyrosin in 5 ml 0,02N NaOH und 0,5 ml Toluol; zur Aktivierung in den entsprechenden Ansätzen 50mg Natriumpyruvat. Inkubation: ISStdn. bei 37°. und : Messung an 2 verschiedenen Tieren. Versuche mit (·) und ohne ( O ) Pyruvat im Ansatz.

Der Abfall der dejodierenden Aktivität von Leber und Muskulatur über 4 bis 5 Stdn. bis zu einem über Stunden gleichbleibenden Niveau wird in Leber-Homogenaten reproduzierbar unter der Wirkung von Pyruvat in vitro ausgeglichen; die Aktivität steigt sogar ein wenig mit der Zeit an (rechts oben in der Abbildung). In Muskel-Homogenaten folgt einem abrupten Aktivitätsanstieg durch Pyruvat in vitro ein ebenso steiler Abfall bis zu Werten, die sich über mehrere Stunden konstant halten. Alle diese Veränderungen, die vermutlich auf die Wirkung von Begleitsubstanzen zurückzuführen sind, bleiben ohne Einfluß

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auf Veränderungen der Dejodasen, welche diesen in vivo aufgeprägt sind. Dieselben Befunde wurden mit dem Überstand (10 Min. 12 000 X^) der Homogenate erhalten. In allen Versuchsserien zeigten die unmittelbar nach dem Homogenisieren zur Bebrütung gelangten Homogenate die gleichen charakteristischen Veränderungen wie die Homogenate, welche nach 6—7stdg. Stehenlassen bei 0° bis +3° in die Ansätze zur Bebrütung kamen. Ein nach 25stdg. Lagerung bei 0° bis +3° auftretender Aktivitätsanstieg ist nach unveröffentlichten Befunden möglicherweise auf nichtenzymatische Dejodierungsprozesse zurückzuführen. Auf eine Anreicherung der Zell-Eiweißfraktionen, welche längere Zeit in Anspruch nahm, mußte deshalb verzichtet werden. Zur Auslösung einer Hyperthyreose bei relativ jungen Hauskaninchen war ein Mehrfaches der Thyroxin-Dosis erforderlich, die in früheren Versuchen (vgl. 1. c.5) bei 3 Jahre alten Kaninchen für den gleichen Effekt benötigt wurde. Dabei war der Gewichtsverlust regelmäßig nachweisbar, histologisch das Bild einer Ruheschilddrüse; nicht sehr ausgeprägt war der Leber-Glykogenverlust nach 16stdg. Hungern. Das Muskel-Glykogen blieb unbeeinflußt (Tab. 1). In der älteren Literatur10 wird häufig über die bessere Verträglichkeit junger Individuen gegenüber Schilddrüsen-Hormonen berichtet. Von Bansi11 wurde kürzlich wieder darauf hingewiesen. Tab. 1. Leber- und Muskel-Glykogen nach 16stdg. Hungern und Thyroxin- bzw. MTU-Behandlung. n = Zahl der Versuchstiere. L-Thyroxin 10 Tage lang täglich 0,25 mg/kg Körpergewicht; MTU 28 Tage (Vers. III) bzw. 70 Tage (Vers. IV) lang 0,1 g/kg Körpergewicht. (Vgl. method. Teil.) Versuchsserie I II

III IV

Leber-Gly kogen[%] Thyroxin-beKontrolltiere handelte Tiere n=2 n =3

Muskel-Gty'kogen [%] Thyroxin-beKontrolltiere handelte Tiere n =2 n=3

4,2 ± 1,91 4,6 ± 1,20

1,4 ± 0,35 1,6 ± 0,41

0,62 ± 0,09 0,67 ± 0,23

0,65 ± 0,10 0,74 ± 0,07

Kontrolltiere n =2

MTU-behandelte Tiere n =3

Kontrolltiere n =2

MTU-behandelte Tiere n =3

5,9 ± 0,08 5,3 ± 2,60

5,6 ± 0,40 5,3 ± 0,17

0,61 ± 0,12 0,48 ± 0,12

0,58 ± 0,25 0,42 ± 0,04

Die bei frettierten Wildkaninchen durch das Schreckerlebnis ausgelöste thyreogene Alarmreaktion wird offenbar eingeleitet durch den plötzlichen Austritt der gespeicherten Schilddrüsen-Hormone mit 10

J. Abelin in A. Bethe, G. v. Bergmann, G. Embden u. A. Ellinger, Handb. d. normalen und patholog. Physiologie, Bd. XVI, I, S. 104—105, SpringerVerlag, Berlin 1930. 11 H. W. Bansi, X. Sympos. d. Dtsch. Ges. f. Endokrinologie, Wien 1963.

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nachfolgender gesteigerter Neusynthese1'12. Eine Beteiligung des Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems wurde von Kr ach t13 ausgeschlossen. Hier liegen die Ergebnisse einer Versuchsserie vor (Tab. 2, Versuchsserie V). Wie an anderer Stelle ausführlich erörtert (vgl. 1. c.1), fällt trotz individueller, alters-, geschlechts- und biotopbedingter Verschiedenheit des Tiermaterials eine relativ gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse in den Versuchen mit Wildkaninchen auf. Bei weitem nicht so einheitlich wird die Applikation der relativ hohen Thyroxin-Dosen von Hauskaninchen beantwortet. Tiere mit auch nur geringgradig abweichenden äußeren Merkmalen eines nicht reinrassigen Wurfes waren für diese Versuche nicht verwendbar. Exogen angebotenes Thyroxin tritt in seiner Wirkung als krankheitsauslösende Noxe hinter der unter pathophysiologischen Bedingungen durch Schreck ausgelösten Schilddrüsen-Überfunktion zurück. Unter dem Bild einer artifiziellen Hyperthyreose sind die Aktivitäten der jodtyrosin-dejodierenden Fermente der Skelettmuskulatur eindeutig erhöht, gleichermaßen die der angereicherten Dejodase. (Tab. 2, Versuchsserie I und II.) Zu einem eindrucksvollen Aktivitätsanstieg kommt es auch im Skelettmuskel-Homogenat des Wildkaninchens (Tab. 2, Versuchsserie V), allerdings erst einen Tag nach dem initialen Überangebot an Schilddrüsen-Hormon (l Tag nach dem Frettieren; vgl. 1. c.1). Demgegenüber ist die dejodierende Aktivität der angereicherten Dejodase der Muskulatur und der Leber zur Zeit des initialen Überangebots an Schilddrüsenhormon stark erhöht (Tab. 2, Versuchsserie V, 4—5 Stdn. nach dem Frettieren) und fällt in der Phase der Neusynthese ab (l Tag nach dem Frettieren). Thyroxin-Gaben beeinflussen die jodtyrosin-dejodierende Aktivität der Leber unterschiedlich. Ein deutlicher, signifikanter Aktivitätsabfall im Homogenat wie in der angereicherten Dejodase ist in Versuchsserie II (Tab. 2) nachweisbar. Demgegenüber zeigt die dejodierende Aktivität der Leber-Fraktion der Versuchsserie I (Tab. 2) einen signifikanten Anstieg; im Homogenat ist dieses nicht sicher nachzuweisen. Über eine erniedrigte jodtyrosin-dejodierende Aktivität von LeberSclmitten nach Thyroxin-Medikation wurde berichtet (vgl. 1. c.5). Im Gegensatz zu den erheblichen Veränderungen der jodtyrosindejodierenden Aktivität im Skelettmuskel-Homogenat der thyreotoxischen Wildkaninchen bleiben die Aktivitäten der Leber-Homogenate über den Verlauf der Erkrankung hin im Rahmen einer gewissen biologischen Streubreite auf einem Niveau. 12 W. E i c k h o f f , Schilddrüse und Basedow, G.-Thieme-Verlag, Stuttgart 1949; J. Kracht u. U. Kracht, Virchow's Arch, pathol. Anatom. Physiol. klin. Med. 321, 238 [1952]; I. Meissner, J. Kracht u. W. Diller, Naunyn-Schmiedebergs13Arch. exp. Pathol. Pharmakol. 216, 424 [1952]. J. Kracht, Acta endocrinol. [Copenhagen] 15, 355 [1954].

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Tab. 2. Aktivitäten der Dejodasen in Homogenaten und Zell-Eiweißfraktionen von der beobachteten Differenzen (p) im Vergleich zur jeweiligen Kontrolln = Zahl der T4-behandelte Tiere: Versuchsserie I und II10 Tage lang 0,25 mg/kg Körpergewicht IV) 70 Tage lang 0,1 g/kg Körpergewicht MTU. Versuchsserie V: 4—5 Stdn. Ansätze und Inkubation vgl. Legende zur Abbildung; die Ansätze für Leber- bzw. bzw. 2,1 g Muskel Leber-Homogenat Leberohne Pyruvat | mit Pyruvat ohne Pyruvat Versuchsserie I. Spezif. Aktivität Kontroll-Tiere 2,9 ± 0,4 81,3 ± 0,7 3,2 ±0 n=2 T4-behand. Tiere 113% ± 19% 93% ± 3,5% 122% ± 28% n =3 O 5) O 5) « 0,1) Versuchsserie I. Gesamtaktivität Kontroll-Tiere 222 ± 16 6265 ± 303 260 ±0 n=2 T4-behand. Tiere 134% ± 24% 150% ± 6,5% 109% ± 4,9% n =3 « 0,27) « 0,1) (
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