Kinderkardiologie - Medizinische Hochschule Hannover

January 14, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Kardiologie
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Kinderkardiologie

Skript zu den kinderkardiologischen Lehrveranstaltungen im Rahmen des Faches "Kinderheilkunde" an der MHH verfasst von

Harald Bertram und Armin Wessel - Abteilung Pädiatrische Kardiologie und Intensivmedizin – 2. überarbeitete Auflage April 2006

H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Skript zu den kinderkardiologischen Lehrveranstaltungen im Rahmen des Faches "Kinderheilkunde" an der MHH Autoren: Prof. Dr. med. Armin Wessel (Leiter der Abteilung III -Pädiatrische Kardiologie & Intensivmedizin-) OA Dr. med. Harald Bertram (Leiter des Herzkatheterlabors, Abteilung III -Pädiatrische Kardiologie & Intensivmedizin-)

Kinderklinik, Medizinische Hochschule Hannover Abteilung Pädiatrie III -Pädiatrische Kardiologie & IntensivmedizinCarl Neuberg Str. 1 D-30623 Hannover Tel.: (0511) 5326750 oder 5326751 Fax: (0511) 5329038 E-mail: [email protected]

Der Druck dieses Skripts wurde freundlicherweise durch die Firma SCHERING Deutschland GmbH, Berlin, ermöglicht.

Layout: PD Dr. med. Talât Mesud Yelbuz, Abt. für Pädiatrische Kardiologie & Intensivmedizin, MHH

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

EINFÜHRUNG UND PATHOPHYSIOLOGIE Definition: Angeborene Herzfehler (HF) sind angeborene Fehlbildungen des Herzens und der herznahen Arterien oder Venen.

Häufigkeit: Häufigkeit angeborener Fehlbildungen des Muskel- und Skelettsystems

241 auf 10 000 NG

2.4%

Internes Urogenitalsystem

151 auf 10 000 NG

1.5%

Kardiovaskuläres System

104 auf 10 000 NG

1.0%

Fazit: 8 - 10 Herzfehler auf 1000 Neugeborene (0.8-1% der NG)

Merksatz: Jedes 100. Kind hat einen Herzfehler!

Es werden also in Deutschland ca. 7000 – 8000 Kinder mit HF/Jahr geboren davon 77% 20 % 3%

später Katheterintervention oder Operation keine Katheterintervention/Operation nötig, inoperabel.

Besonderheit: die meisten Kinder können nach Katheterintervention oder Operation ein (fast) normales Leben führen! Aber: Ohne Intervention/Operation haben nur 10-20% der Betroffenen eine normale Lebenerwartung.

Ursachen: Prinzipiell: Noxe im 1. Trimenon der Schwangerschaft (14.-60. Tag)! Im Einzelnen 87%

multifaktorielle Ursachen

10%

genetische Defekte chromosomal:

Trisomie 21 Down Syndrom

monogenetisch: Marfan Syndrom: Deletion 15 q15: Fibrillin Gen

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H. Bertram und A. Wessel:

3%

Skript Kinderkardiologie

Umweltfaktoren Virusinfektionen während der Schwangerschaft Röteln 35- 50%: Persistierender Ductus Botalli , Pulmonalarterienstenosen , Aortensisthmusstenose. Medikamente: Thalidomidembryopathie 15 %: Fallot’sche Tetralogie Transposition der großen Arterien Trimethadonembryopathie 15-30%: Fallot’sche Tetralogie Transposition der großen Arterien Ventrikelseptumdefekt Gifte:

Alkoholembryofetopathie 25-55%: Fallot’sche Tetralogie Ventrikelseptumdefekt Vorhofseptumdefekt

Mütterliche Erkrankung: Diabetes mellitus 3-5%: Ventrikelseptumdefekt Transposition der großen Arterien Aortensisthmusstenose Phenylketonurie 25- 30%: Fallot’sche Tetralogie Ventrikelseptumdefekt Vorhofseptumdefekt

Wiederholungsrisiko: Unterschiedlich, je nach Herzfehler; z.B. 12% wenn Mutter Aortenstenose hat, aber nur 1% wenn Geschwister Ventrikelseptumdefekt hat. Genetische Beratung anbieten!

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Manifestation: Wichtig: je komplexer der Herzfehler desto früher die Manifestation Wichtige Definition: Kritische Herzfehler des Neugeborenen (12 – 30% aller HF) sind solche Herzfehler, die im ersten Lebensmonat symptomatisch werden und unbehandelt im 1. Lebensjahr zum Tode führen. Typische Manifestationszeiträume: 1. Lebenswoche: Transposition der großen Arterien, kritische Aorten- oder Pulmonalstenose 1.- 4. Lebenswoche: Kritische Aortenisthmusstenose oder Aortenstenose 4.- 6. Lebenswoche: Shuntvitien: Ventrikelseptumdefekt, atrioventrikulärer Septumdefekt, grosser persistierender Ductus arteriosus Botalli 2 - 3. Lebensjahr: viele andere Herzfehler

Einteilung, Systematik: Azynotische Herzfehler: Shuntvitien:

Vorhof-(Atrium)septumdefekt ASD, Ventrikelseptumdefekt (VSD), Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD) Offener (Persistierender) Ductus artriosus Botalli (PDA)

Stenosevitien: Pulmonalklappenstenose (PS) Aortenklappenstenose (AS), Aortensistmusstenose (ISTA) Zyanotische Herzfehler: Fallotsche Tetralogie (Tetralogy of Fallot, TOF) Transposition der großen Arterien (TGA)

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Systematik angeborener Herzfehler: KLINIK

Angeborene Herzfehler Azyanotisch

Stenosen

zyanotisch

Shuntvitien

AS PS ISTA

Lungenhyperperfusion

ASD VSD AVSD

Geräusch von Geburt an

Lungenminderperfusion

TGA

Geräusch nach Absinken des RV-Drucks

Fallot IV

Keine Stenosen im Lungenzufluß

Stenosen im Lungenzufluß

kein Geräusch

Geräusch Systolikum oder Systolisch-diastolisch

Diagnose: Klinik

Diagnose: Bildgebung: Echo, Angio

Systematik angeborener Herzfehler: Pathopyhsiologie

Angeborene Herzfehler Azyanotisch

Stenosen

zyanotisch

Shuntvitien

Lungenhyperperfusion

Lungenminderpefusion

Lungen- und Körperkreislauf mehr/weniger frei miteinander verbunden

Druckbelastung

Konzentrische Hypertrophie

Fibrose

Volumenbelastung

exzentrische Hypertrophie

Kreislaufinsuffizienz

hypoxischer Myokardschaden

Hypoxie

Herzkreislaufversagen

Druckentlastung

Volumenentlastung Sympathikusblockade

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Kreislauftrennung

H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

IM ANHANG - Vorlesung Herzinsuffizienz - Hämodynamik im Herzkatheterlabor (Normwerte für Kinder)

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

VORHOFSEPTUMDEFEKT (ASD; 7- 10% der Herzfehler) Definition: Substanzdefekt des Vorhofseptums mit resultierendem Links-Rechts-Shunt und - abhängig vom Shuntvolumen - resultierender Vergrößerung von rechtem Vorhof, rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie. Je nach Größe und Lage im Bereich des Vorhofseptums werden der Vorhofseptumdefekt vom Primumtyp (direkt oberhalb der AV-Klappenebene), der Vorhofseptumdefekt vom Sekundumtyp (zentral im Bereich der Fossa ovalis), der obere und untere (selten) Sinus venosus Defekt (an der Einmündung der Hohlvenen) sowie das persistierende Foramen ovale (PFO Defektgröße < 6 mm) unterschieden. Der Sinus venosus Defekt ist meist von einer partiellen Lungenvenenfehlmündung rechtsseitiger Lungenvenen begleitet.

Abb. 1 Einteilung der Vorhofseptumdefekte (RA/LA = rechter/linker Vorhof, TV = Trikuspidalklappe, MV = Mitralklappe, PV = Pulmonalvene, VCS/ VCI = obere/untere Hohlvene, RV/LV = rechter/linker Ventrikel)

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Hämodynamik: Der Links-rechts Shunt (LR-Shunt) ensteht durch die Druckdifferenz linker Vorhof - rechter Vorhof. Der rechte Ventrikel (RV) muss das Shuntvolumen diastolisch aufnehmen. Deshalb bestimmt die diastolische Dehnbarkeit des RV die Shuntgröße. Bei Geburt entspricht die RV- Dehnbarkeit der des LV, deshalb zunächst nur geringer LR-Shunt. Er steigt der zunehmender diastolischer Dehnbarkeit des RV im Kleinkindesalter an. Wichtig: ASD Æ RV Volumenbelastung!

Klinische Symptomatik: Im Kleinkindesalter symptomarm; systolisches Herzgeräusch durch eine relative Pulmonalstenose, seltener ein diastolisches Herzgeräusch durch eine relative Trikuspidalstenose (bei sehr großem links-rechts Shunt; Qp/Qs >2); außerdem deutlich und fixiert gespaltener zweiter Herzton. Herzinsuffizienzzeichen sind selten, häufiger belastungsabhängige Dyspnoe und vermehrte Infektanfälligkeit.

Diagnostik: Vollständige körperliche Untersuchung, EKG (Zeichen der Volumenbelastung des rechten Ventrikels), Röntgebild des Thorax (vermehrte Lungengefäßfüllung,

evtl.

Kardiomegalie).

Entscheidend

ist

die

Echokardiographie zum Defektnachweis, zur Beschreibung der funktionellen Auswirkungen sowie zum Ausschluss von Begleitfehlbildungen.

Therapie: Bei einem Verhältnis von Lungendurchfluss zu Körperdurchfluss von Qp/Qs>1,5 ist die Verschlussindikation gegebenen. Bevorzugt wird ein interventioneller (mit speziellen Verschlusssystemen im Herzkatheterlabor) oder operativer Verschluss im Kleinkindes- oder Vorschulalter.

Merksatz: Der Vorhofseptumdefekt (ASD) führt zur Volumenbelastung des rechten Ventrikels! Das Systolikum entsteht an der Pulmonalklappe durch eine relative Pulmonalstenose!

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

VENTRIKELSEPTUMDEFEKT (VSD; 25-30% der Herzfehler) Definition: Defekte des interventrikulären Septums unterschiedlicher Größe und Lokalisation (Schema), singulär oder multipel vorkommend, oft Bestandteil komplexer kardialer Fehlbildungen. Unterschieden werden perimembranöse, muskuläre, infundibuläre und Inlet-Defekte. Häufigster angeborener Herzfehler (1,3 – 4,7 pro 1.000 Lebendgeborene).

Abb. 2 Einteilung der Ventrikelseptumdefekte

Hämodynamik: Systolisch ist der Druck im linken Ventrikel höher als im rechten Ventrikel Æ sytolischer LR-Shunt über den VSD Æ vermehrte Lungendurchblutung. Das vermehrte Lungenzeitvolumen muss diastolisch vom linken Ventrikel wieder

aufgenommen

werden

und

vorwärts

gepumpt

werden

Æ

Volumenbelastung des linken Ventrikels (und linken Vorhofes)! Spontane Verkleinerungen des Defektes bis zum Verschluss sind besonders häufig im 1. Lebensjahr, aber auch später möglich. Bei großem Shuntvolumen besteht die Gefahr der Entwicklung einer fixierten pulmonalen Hypertension (Eisenmengerreaktion).

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Abb. 3 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei großem VSD.

Klinische Symptomatik: Systolisches Herzgeräusch (bei kleineren Defekten meist lautes Geräusch, bei großen druckausgleichenden Defekten oder nach Druckanstieg im rechten Ventrikel bzw. im Lungenkreislauf leises, evtl. auch kein Geräusch); gelegentlich präkordiales Schwirren. Bei großen Defekten progrediente Herzinsuffienz schon beim jungen Säugling.

Diagnostik: Vollständige klinische Untersuchung (Geräuschbefund, Herzinsuffizienzzeichen); EKG: Volumenbelastung des linken Ventrikels, bei sekundärer pulmonaler Hypertension pathologische Rechtshypertrophie; Röntgenthorax: vermehrte Lungengefäßfüllung, Kardiomegalie. Diagnostisch entscheidend ist die Echokardiographie zur Lokalisation der (evtl. multiplen) Defekte, zur Abschätzung des Druckgradienten zwischen den Herzkammern sowie zum Ausschluss bzw. Nachweis von Begleitfehlbildungen. Eine präoperative Herzkatheterisierung mit Angiokardiographie ist im Einzelfall nützlich, aber nicht obligat.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Therapie: Bei großem Shuntvolumen und resultierender Herzinsuffizienz erfolgt zunächst eine medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz (Betablocker, Diuretika, Digitalis-Glykoside. Kein ACE-Hemmer, keine O2-Vorlage!! Siehe Æ Herzinsuffizienz). Bei Therapieresistenz der Herzinsuffizienz operative Korrektur mit Verschluss des Ventrikelseptumdefektes in jedem Lebensalter. Ansonsten elektiver Verschluß des Defektes zwischen 6. und 12. Lebensmonat, sofern das Verhältnis von Lungendurchfluss zu Körperdurchfluss Qp/Qs > 1,5 und keine Spontanverschlusstendenz erkennbar ist. Die technische Weiterentwicklung der interventionellen Kardiologie erlaubt heute auch den katherinterventionellen Verschluss geeigneter Ventrikelseptumdefekte,

wobei

hierzu

individuell

wichtige

Voraussetzungen

hinsichtlich Größe des Defektes, Lage des Defektes und Gewicht des Kindes erfüllt sein müssen. Bei Ventrikelseptumdefekten, die Bestandteil komplexerer Herzfehlbildungen

sind,

richtet

sich

die

Operationsindikation

nach

dem

hämodynamischen Schweregrad der Begleitvitien. Nur noch in Ausnahmefällen wird als Palliativeingriff vor dem definitiven Verschluss des Ventrikelseptumdefektes ein Banding der Arteria pulmonalis durchgeführt (z.B. bei multiplen Defekte, Straddling einer AV-Klappe).

Merksatz: Der Ventrikelseptumdefekt (VSD) führt zu einer Volumenbelastung des linken Ventrikels! Das Systolikum entsteht am VSD! Bei großen Defekten häufig Lungenüberflutung und Herzinsuffizienz!

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Skript Kinderkardiologie

ATRIOVENTRIKULÄRER SEPTUMDEFEKT (AVSD; 2 – 4% der Herzfehler) Definition: Defektbildung unterschiedlichen Ausmaßes oder aber völliges Fehlen von Septumanteilen mit zusätzlichen Fehlbildungen der beiden bzw. der gemeinsamen AV-Klappe. Beim kompletten AVSD findet sich eine gemeinsame AV-Klappe, in aller Regel mit großem VSD-Anteil sowie großem ASDAnteil (ASD I bis hin zum vollständigen Fehlen des Vorhofseptums). Beim sogenannten „inkompletten“ AVSD finden sich zwei AV-Klappenöffnungen bei gemeinsamem AV-Klappenring sowie oft ein funktionell weitgehend intaktes Ventrikelseptum, so dass hämodynamisch ein großer ASD I resultiert, verbunden mit evtl. Undichtigkeiten der AV-Klappen. Der komplette AVSD ist in über 40 % assoziiert mit einer Trisomie 21 (Morbus Down).

Abb. 4 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei komplettem AVSD mit pulmonaler Hypertonie und geringer „Mitralinsuffizienz“..

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Hämodynamik: Funktionell kommt es, abhängig von den Widerstandsverhältnissen, zu einem großen Links-Rechts-Shunt mit Herzinsuffizienz und der möglichen Entwicklung einer pulmonalen Hypertension, begleitet von einer AVKlappeninsuffizienz variablen Ausmaßes. Je nach Ausprägung des Defektes dominiert die Hämodynamik des Vorhof- oder Ventrikelseptumdefektes. Beim kompletten AVSD können alle Herzhöhlen miteinander kommunizieren. In dieser Situation kommt es aufgrund des großen Shuntvolumens rasch zu einer globalen Herzinsuffizienz, potentiell mit körper- und lungenvenöser Rückstauung (durch AV-Klappeninsuffizienzen).

Klinik: Der Auskultationsbefund bei inkomplettem AVSD entspricht dem eines Vorhofseptumdefektes, sofern kein Shunt auf Ventrikelebene oder eine bedeutsame AV-Klappeninsuffizienz vorliegt. Beim kompletten AVSD entstehen systolische Herzgeräusche durch den Shunt auf Ventrikelebene und die AV-Klappeninsuffizienz. Bei großem, druckausgleichendem Ventrikelseptumdefekt kein VSD-Geräusch! Bei komplettem AVSD entwickeln sich im frühen Säuglingsalter Zeichen der kardialen Insuffizienz, die Ausnahme bilden Säuglinge, bei denen eine pulmonale Hypertension persistiert.

Diagnostik: Neben dem klinischen Untersuchungsbefund ist oft schon das EKG wegweisend: in über 90 % der Patienten findet sich ein überdrehter Linkstyp, zusätzlich Zeichen der biventrikulären Hypertrophie. Entscheidend ist die Echokardiographie zum Nachweis der strukturellen und funktionellen Anatomie bzw. zum Ausschluss von weiteren Herzfehlbildungen. In der Echokardiographie gelingt auch die Abschätzung der hämodynamischen Relevanz des Links-Rechts-Shunts bzw. der Druckverhältnisse im Lungenkreislauf.

Im Röntgenthorax

finden

sich

Zeichen

der

vermehrten

Lungendurchblutung sowie eine Kardiomegalie als Ausdruck der Herzinsuffizienz

bei

signifikantem

Links-Rechts-Shunt.

Eine

Herzkathe-

terisierung und Angiokardiographie ist bei eindeutigem echokardiographischen Befund vor einer Korrekturoperation nicht obligat, bei Hinweisen auf einen erhöhten Druck im Lungenkreislauf zur Abschätzung des perioperativen Risikos bzw. Vorgehens aber empfehlenswert.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Therapie: Abhängig vom Ausmaß des Links-Rechts-Shunts und der resultierenden Herzinsuffizienz bzw. von den Druckverhältnissen im Lungenkreislauf medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz (siehe VSD). Grundsätzlich ist eine operative Korrektur mit Verschluss der Defekte sowie evtl. Rekonstruktion im Bereich der AV-Klappen notwendig und bereits im frühen Säuglingsalter möglich. Beim imkompletten AVSD kann mit dem chirurgischen Defektverschluss bis ins Vorschulalter gewartet werden. Eine katheterinterventionelle therapeutische Alternative besteht nicht.

Merksatz: Ein überdrehter Linkstyp im EKG – mit oder ohne Herzgeräusch – weist stets auf einen atrioventrikulären Septumdefekt hin!

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

PERSISTIERENDER DUCTUS ARTERIOSUS (PDA; 9 – 14% der Herzfehler) Definition: Über Neonatalperiode hinaus persistierende Gefäßverbindung zwischen der Bifurkation der Arteria pulmonalis und der Aorta descendens distal der großen Arm- und Halsgefäße. Bezüglich ihrer Bedeutung für die Kreislaufsituation müssen unterschieden werden: A:

Isolierter persistierender Ductus Arteriosus ohne assozierte kardiale Fehlbildung

B:

Offener Ductus Arteriosus als Bestandteil komplexer kardialer Fehlbildungen, die beim Verschluss des Ductus Arteriosus zur Dekompensation führen (sogen. ductusabhängige Herzfehler).

C:

Persistierender Ductus Arteriosus des Frühgeborenen.

Hämodynamik beim isolierten Ductus arteriosus: Während aller Herzphasen ist der Blutdruck in der Aorta höher als in der Pulmonalarterie. Deshalb kommt es beim isolierten Ductus arteriosus systolisch und diastolisch zu einem kontinuierlichen LR-Shunt mit einem kontinuierlichen systolisch-diastolischem Herzgeräusch. Der LR-Shunt führt

• zu vermehrter Lungendurchblutung mit konsekutiver Volumenbelastung des linken Ventrikels (wie VSD) • zu einer Vergrößerung der Blutdruckamplitude in der Aorta Æ sehr kräftiger peripherer Puls (Pulsus celer et altus)

Klinik: Sehr variabel und abhängig von Alter und Größe des Patienten sowie von Durchmesser und Länge des Ductus Arteriosus. A: Variable klinische Präsentation vom völlig symptomfreien Patienten mit der Zufallsdiagnose eines persistierenden Ductus arteriosus in der Echokardiographie bis hin zum herzinsuffizienten Säugling evtl. mit pulmonaler Widerstandserhöhung. Anfangs zeigt sich meist ein systolisches, bei hämodynamisch relevantem Ductus arteriosus jedoch bald ein kontinuierliches systolisch diastolisches Geräusch am linken oberen Sternalrand. Bei großem Ductus entwickeln bis zu 15 % der Patienten im Säuglingsalter Herzinsuffizienzzeichen. Typisch sind sehr kräftig palpable periphere Pulse und große Blutdruckamplituden.

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H. Bertram und A. Wessel:

B:

Skript Kinderkardiologie

Bei den sogenannten ductusabhängigen Herzfehlern ist der offene Ductus

arteriosus

lebenswichtig

zur

Perfusion

entweder

des

Lungenkreislaufs oder des Systemkreislaufs. Die klinische Symptomatik hängt vom zugrunde liegenden Herzfehler ab, die Manifestation erfolgt in der Neonatalperiode. C: Der postnatal ausbleibende Spontanverschluss des Ductus arteriosus beim Frühgeborenen führt je nach Reifegrad des Kindes neben der Linksherz-belastung aufgrund des Shuntvolumens und der resultierenden Über-durchblutung des Lungenkreislaufs zu einer Beeinträchtigung der respiratorischen Situation bzw. einem zunehmendem Beatmungsbedarf.

Diagnostik: Neben dem klinischen Befund ist die Echokardiographie entscheidend zum Nachweis des Ductus arteriosus und zur Abschätzung seiner hämodynamischen Relevanz, bzw. zum Ausschluß bzw. Nachweis von kardiovaskulären Fehlbildungen. Im EKG spiegelt sich die hämodynamische Relevanz des Ductus Arteriosus wieder; beim isolierten Ductus Zeichen der Volumenbelastung des linken Ventrikels, bei gleichzeitig bestehender Widerstandserhöhung im Lungenkreislauf finden sich Zeichen einer begleitenden Rechtshypertrophie.

Therapie: A: Primäre Therapieoption ist der katherinterventionelle Verschluss, der bei einem Körpergewicht von 5-6 kg und einem Ductusdurchmesser von weniger als 6 mm meist möglich ist. Alternativ werden bei kleinem Ductus Spiralen, bei größerem verschiedene Okklusionssysteme zum interventionellen Verschluss angewendet. Therapeutische Alternative ist der chirurgische Verschluss des Ductus über eine posterolaterale Thorakotomie. B: Bei ductusabhängiger systemischer oder pulmonaler Zirkulation richten sich die therapeutischen Bemühungen auf das Offen-halten des Ductus arteriosus mit Prostaglandin-Infusion bis zum meist notwendigen chirurgischen Eingriff oder als therapeutische Alternative in geeigneten Fällen bis zur Stent-Implantation in den Ductus arteriosus zum dauerhaften Offenhalten.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

C: Beim symptomatischen offenen Ductus arteriosus des Frühgeborenen erfolgt ein medikamentöser Versuch mit Prostaglandin-SyntheseHemmern (Indometacin). Bei Erfolglosigkeit bzw. bei Kontraindikationen gegen die medikamentöse Therapie oder aber bei sehr großem Ductus erfolgt die chirurgische Ductusligatur bzw. –durchtrennung.

Merksatz: Kräftige Pulse und ein systolisch-diastolisches Herzgeräusch weisen auf einen persistierenden Ductus arteriosus hin!

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

PULMONALSTENOSEN (PS; valvuläre Pulmonalstenose 8 – 12% der Herzfehler)

Definition: Bei den rechtsventrikulären Ausflusstraktobstruktionen unterscheidet man die valvuläre, subvalvuläre (infundibuläre) sowie supravalvuläre Pulmonalstenose

sowie

periphere

Pulmonalarterienstenosen

im

Verlauf

des

pulmonalarteriellen Stromgebietes. Sie können isoliert sowie im Rahmen komplexer kardiovaskulärer Fehlbildungen sowie als auch Bestandteil syndromatischer Erkrankungen auftreten.

Hämodynamik: Die

Klappen

oder

Gefäßverengung

führt

zu

einem

erhöhten

Auswurfwiderstand für den rechten Ventrikel Æ Erhöhung des systolischen Ventrikeldrucks Æ Myokardhypertrophie mit Verdickung der Ventrikelwand und normaler Cavumgröße (konzentrische Hypertrophie). Während der systolischen Ventrikelkontraktion entstehen an der Stenose ein Druckgradient (Maß für den Schweregrad der Verengung) und hohe Blutströmungsgeschwindigkeiten, die das Systolikum verursachen.

Klinik: Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstraktes erzeugen bei sonst normaler Anatomie ein lautes, holosystolisches Geräusch mit Fortleitung in beide Thoraxhälften. Bei hochgradiger valvulärer Stenose findet sich auch oft ein tastbares Schwirren. Bei hochgradiger bzw. kritischer Pulmonalstenose im Säuglingsalter resultiert eine pulmonale Minderperfusion mit Zyanose aufgrund der Minderdurchblutung der Lunge und des rechts-links Shunts über das Foramen ovale (s. Schema). Bei älteren Kindern findet sich eine

Einschränkung

der

körperlichen

Belastbarkeit

abhängig

vom

Schweregrad der Obstruktion, selten eine Dyspnoe.

Diagnostik: Typischer Auskultationsbefund, vermehrte präkordiale Aktivität als Hinweis auf die erhöhte Druckbelastung des rechten Ventrikels. Im EKG Zeichen der rechtsventrikulären Druck-Hypertrophie (hohe R-Zacken rechts präkordial). Entscheidend für das therapeutische Procedere ist neben dem klinischen Befund die Echokardiographie zur Darstellung der Anatomie und zur Beurteilung der funktionellen Relevanz der Stenosierung durch Abschätzung

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

des Druckgradienten (mittels Doppler). Weiterhin sind evtl. kardiale Begleitfehlbildungen auszuschließen. Eine Kernspintomographie bzw. ein diagnostischer Herzkatheter sind insbesondere bei Hinweisen auf signifikante periphere Pulmonalstenosen empfehlenswert.

Abb. 5 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei kritischer Pulmonalstenose (vor und 15 Min. nach Beginn einer Infusionstherapie mit Prostaglandin E1).

Therapie: Die

valvuläre

Pulmonalstenose

wird

primär

mit

einer

katheter-

interventionellen Ballondilatation (Ballonvalvuloplastie) behandelt, die bei dominierender infundibulärer bzw. supravalvulärer Stenosierung häufig nur unzureichend wirksam ist. Alternativ kommt eine operative Intervention in Frage, die evtl. auch bei dysplastischer Klappenanlage notwendig sein kann (Valvulotomie). Pulmonalarterielle Bifurkationsstenosen können primär dilatiert oder operiert werden, bei unzureichendem Therapieerfolg ist eine Stent-Implantation indiziert.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Säuglinge mit kritischer Pulmonalstenose und stark verminderter pulmonaler Zirkulation über den rechten Ventrikel weisen einen sog. ductusabhängigen Herzfehler auf, so dass Bestandteil der Primärtherapie eine passagere Prostaglandin-Infusion oder auch eine Stent-Implantation in den Ductus arteriosus zum mittelfristigen Offenhalten dieser Gefäßverbindung sein kann (s. Schema).

Merksatz: Die Pulmonalstenose ist umso schwerer, je länger und lauter das Systolikum ist!

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

AORTENSTENOSEN (AS; valvuläre Aortenstenose 3 – 6% der Herzfehler)

Definition: Bei den linksventrikulären Ausflusstraktobstruktionen werden die valvulären, subvalvulären und supravalvulären Aortenstenosen unterschieden, die alle zu einer Druckerhöhung im linken Ventrikel führen. Bei der valvulären Aortenstenose finden sich häufig funktionell bzw. anatomisch bikuspide Aortenklappen.

Hämodynamik: Die

Klappen

oder

Gefäßverengung

führt

zu

einem

erhöhten

Auswurfwiderstand für den linken Ventrikel Æ Erhöhung des systolischen Ventrikeldrucks Æ Myokardhypertrophie mit Verdickung der Ventrikelwand und normaler Cavumgröße (konzentrische Hypertrophie). Während der systolischen Ventrikelkontraktion entstehen an der Stenose ein Druckgradient (Maß für den Schweregrad der Verengung) und hohe Blutströmungsgeschwindigkeiten, die das Systolikum verursachen.

Abb. 6 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei einem 4 Wochen alten Säugling mit kritischer Aortenstenose und persistierendem Ductus arteriosus.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Klinik: Typisches, jedoch nicht beweisendes systolisches Herzgeräusch mit Fortleitung in die Karotiden sowie ins Jugulum, bei hochgradiger Stenosierung meist systolisches Schwirren im Jugulum. Bei höhergradiger Stenosierung evtl. abgeschwächte periphere Pulse an allen Extremitäten. Bei kritischer Aortenstenose im Säuglingsalter Zeichen der Systemkreislaufinsuffizienz mit drohender kardialer Dekompensation (s. Schema). Da die Koronararterien aus einem Gebiet mit vermindertem Druck entspringen, ist bei schwerer Stenose die Gefahr einer Koronarinsuffizienz, insbesondere bei körperlicher Belastung, gegeben.

Diagnostik: Klinischer Untersuchungsbefund. Im EKG Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie, evtl. mit Repolarisationsstörungen in den linkspräkordialen Ableitungen (ST-Senkungen, negative T). Bei hochgradiger Stenosierung im Säuglingsalter biventrikuläre Hypertrophie als Folge der persistierenden pulmonalen Hypertension. Entscheidend ist die Echokardiographie zur exakten Darstellung der Anatomie mit Lokalisation der Obstruktion sowie zur Beurteilung der funktionellen Relevanz (Druckgradient? Myokardhypertrophie? Klappeninsuffizienz?). Darüber hinaus echokardiographischer Ausschluss von Begleitfehlbildungen. Eine diagnostische Herzkatheterisierung ist in aller Regel nicht notwendig.

Therapie: Bei valvulärer Aortenstenose erscheint die Ballondilatation im Herzkatheterlabor

als

primäre

Therapieoption,

alternativ

chirurgische

Valvulotomie. Bei hochgradiger Stenosierung bzw. kritischer Aortenstenose im Neugeborenenalter ist eine passagere Prostaglandin-Infusion (ductusabhängiger Herzfehler!) bis zur interventionellen bzw. chirurgischen Therapie notwendig. Reststenosen nach vorausgegangenen interventionellen bzw. chirurgischen Eingriffen können abhängig von der vorbestehenden Aortenklappeninsuffizienz erneut interventionell oder chirurgisch therapiert werden, wobei sämtliche Eingriffe an der Aortenklappe als Palliation anzusehen sind. Mittel- oder langfristig ist bei den meisten Patienten mit hämodynamisch relevanter Aortenstenose ein chirurgischer Klappenersatz notwendig.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

AORTENISTHMUSSTENOSE (ISTA; 5- 8 % der Herzfehler)

Definition: Über das physiologische Maß hinausgehende Einengung der Hauptschlagader am Übergang zwischen distalem Aortenbogen und thorakaler Aorta descendens. Man unterscheidet je nach Lagebeziehung zum Ductus arteriosus die präduktale von der postduktalen Aortenisthmusstenose. Die Aortenisthmusstenose kommt isoliert aber auch im Rahmen komplexer kardiovaskulärer Fehlbildungen vor. Sie ist häufig kombiniert mit einer bikuspiden Aortenklappe, einem persistierenden Ductus arteriosus sowie einem Ventrikelseptumdefekt.

Hämodynamik: Stromaufwärts der Aortenisthmusstenose steigt der Blutdruck an (hoher Blutdruck an den Armen), stromabwärts fällt er ab (niedriger Blutdruck an den Beinen). Es resultiert eine Druckbelastung des linken Ventrikels, die zur konzentrischen Hypertrophie führt.

Abb. 7 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei Aortenisthmusstenose.

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H. Bertram und A. Wessel:

Skript Kinderkardiologie

Klinik: Die Aortenisthmusstenose bewirkt eine Auswurfbehinderungen für den linken Ventrikel. Sie führt zu einer arteriellen Hypertension im Bereich der oberen Körperhälfte und zu einer Druckreduzierung bis hin zum Verlust des pulsatilen Flusses im Bereich der unteren Körperhälfte distal der Stenose. Das klinisch wichtigste Leitsymptom sind abgeschwächte bzw. fehlende Pulse an der unteren Extremität. Bei der isolierten Aortenisthmusstenose besteht ein unspezifisches systolisches Herzgeräusch, das besonders gut am Rücken zwischen den Schulterblättern hörbar ist. Abhängig vom Alter der Kinder sowie von evtl. kardialen Begleitfehlbildungen ergeben sich die weiteren klinischen Befunde.

Die kritische Aortenisthmusstenose des Neugeborenen führt in aller Regel zwischen dem 5. und 10. Lebenstag - meist nach Verschluss des persistierenden Ductus arteriosus - zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes im Rahmen der rasch progredienten kardialen Dekompensation. Häufige Fehldiagnosen bei diesen schwerkranken Kindern zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme sind Sepsis, Pneumonie, Hyperbilirubinämie bei Verdacht auf Stoffwechselerkrankung. Im EKG finden sich typischerweise Zeichen der Rechtsherzbelastung.

Ältere Kinder mit einer weniger schweren Stenosierung der Hauptschlagader fallen durch das unspezifische Systolikum, vor allem aber durch einen Bluthochdruck an der oberen Extremität bei verminderten Drucken an der unteren Extremität bzw. den diskrepanten Pulsstatus zwischen oberer und unterer Extremität auf. Bei diesen Kindern entwickelt sich eine progrediente linksventrikuläre Hypertrophie (EKG: Linkshypertrophie; Echo: Wandverdickung des linken Ventrikels).

Diagnostik: Entscheidend ist die klinische Diagnose und hier der abgeschwächte Femoralarterienpuls! Im EKG finden sich abhängig vom Manifestationsalter bei Säuglingen eine oft noch dominierende rechtsventrikuläre Hypertrophie, in späterem Lebensalter Zeichen der linksventrikulären Myokardhypertrophie. Entscheidende bildgebende Diagnostik ist die Echokardiographie zum Nachweis der funktionellen und strukturellen Anatomie des Aortenbogens bzw. evtl.

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kardialer Begleitfehlbildungen. Bei eindeutigen echokardiographischen Befunden ist keine weitere Bildgebung vor der operativen Korrektur notwendig. Eine Herzkatheteruntersuchung mit angiographischer Darstellung oder einer Kernspintomographie sind zur Diagnosestellung nur im Einzelfall notwendig, bei komplexen kardialen Anomalien oder aber bei nicht eindeutigen Befunden im Bereich des distalen Aortenbogens vor einer operativen Korrektur aber nützlich.

Therapie: Standardtherapie ist die operative Resektion des stenotischen Segments, möglichst mit End-zu-End-Anastomose. Alternative Operationsverfahren haben zunehmend an Bedeutung verloren. Eine katheterinterventionelle Ballondilatation der nativen Aortenisthmusstenose wird derzeit noch kontrovers diskutiert und kommt vor allem bei älteren Kindern als therapeutische Alternative in Frage. Gegebenenfalls kann auch eine StentImplantation in das verengte Aortensegment erfolgen. Im Säuglingsalter hat die primäre Ballondilatation der Aortenisthmusstenose oft nur kurzzeitigen palliativen Effekt, ist aber gegebenenfalls zur Rekompensation vorher kardial dekompensierter Kinder geeignet, die dann einem chirurgischen Eingriff zugeführt werden können. Eine Re- bzw. Restobstruktion im Bereich des distalen Aortenbogens nach chirurgischer

Korrektur

wird

primär

katherterinterventionell

mit

Ballondilatation bzw. Stent-Implantation behandelt.

Merksatz: Bei einer Puls- und Blutdruckdifferenz zwischen Armen und Beinen ist eine Aortenisthmustenose auszuschließen! Bei jedem erhöhten Blutdruckwert, der am Arm gemessen wurde, muss eine Aortenisthmusstenose ausgeschlossen werden!

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FALLOT’SCHE TETRALOGIE (TOF; Fallot IV; 10% der Herzfehler)

Definition: Häufigster zyanotischer Herzfehler mit hochgradiger rechtsventrikulärer Ausflusstraktobstruktion (valvuläre und subvalvuläre Pulmonalstenose), resultierender

rechtsventrikulärer

Hypertrophie,

großem

subaortalem

Ventrikelseptumdefekt und über dem Ventrikelseptum reitender, dilatierter Aorta.

Hämodynamik: Die Aorta reitet über dem Ventrikelseptumdefekt und ist so funktionell beiden Ventrikeln zugeordnet. Die Pulmonalstenose stellt einen Auswurfwiderstand für den rechten Ventrikel dar. Er kann aufgrund der Morphologie (reitende Aorta) das Blut direkt in die Aorta auswerfen. So kommt es zu einem Rechts-Links Shunt und wobei der systolische Druck im rechten Ventrikel dem systolischen Aortendruck entspricht. Infolge der Druckerhöhung hypertrophiert der rechte Ventrikel.

Abb. 8 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei Fallot‘scher Tetralogie mit infundibulärer und valvulärer Pulmonalstenose

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Klinik: Lautes Systolikum parasternal links bereits in der Neonatalperiode, verursacht durch die rechtsventrikuläre Ausflusstraktobstruktion, nicht durch den Ventrikelseptumdefekt. Das Ausmaß einer generalisierten Zyanose mit möglicher

Tachydyspnoe

ist

vom

Ausmaß

der

rechtsventrikulären

Ausflusstraktobstruktion bzw. vom Ausmaß der Minderdurchblutung der Lunge abhängig. Generell ist die Symptomatik in den ersten Lebensmonaten bzw. Lebensjahren zunehmend und beginnt meist im frühen Säuglingsalter. Eine ausgeprägte rechtsventrikuläre Ausflusstraktobstruktion kann zu sogen. hypoxämischen

Anfällen

(s.u.)

der

betroffenen

Säuglinge

führen

(kinderkardiologischer Notfall!).

Diagnostik: Die Echokardiographie sichert die Diagnose und stellt die Ausprägung der strukturellen Anomalie bzw. ihre funktionelle Relevanz dar. Der klinische Untersuchungsbefund (Dauer des Systolikums, Ausmaß der Zyanose, Ausmaß der Kreislaufinsuffizienz bei drohendem hypoxämischen Anfall) ist entscheidend zur Beurteilung des Schweregrads der kardialen Fehlbildung bzw. zur Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen. Hilfreich sind kontinuierliche Überwachung der Sauerstoffsättigung sowie Blutgasanalysen zur Beurteilung der Kreislaufsituation. Im EKG finden sich Zeichen der rechtsventrikulären Hypertrophie, das Röntgenbild des Thorax zeigt die typische Herzsilhouette („Golfschlägerherz“) und ermöglicht die Beurteilung der pulmonalen Gefäßzeichnung als Hinweis auf eine mögliche Hypoplasie des pulmonalarteriellen System, die die chirurgische Korrekturoperation erheblich erschwert. Eine präoperative Herzkatheterisierung zur Darstellung

des

pulmonalen

Gefäßbettes

bzw.

evtl.

begleitender

Koronaranomalien ist empfehlenswert, aber nicht in allen Fällen zwingend erforderlich.

Komplikation: Hypoxämischer Anfall - Notfall! Klinik: Blasses oder zyanotisches Kind ohne adäquate Reaktion. Typisch: leises oder kein Systolikum! Sofortmaßnahmen:

Unterbrechung

des

Anfalls

durch

physikalische

Maßnahmen (Hockstellung), starke Sedierung (z. B. Morphin), raschen

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Skript Kinderkardiologie

Azidoseausgleich, Volumenzufuhr. Eine prophylaktische Therapie besteht in der Gabe von Betarezeptorenblockern.

Therapie: Als Palliation bei dominanter valvulärer Pulmonalstenose kann eine katheterinterventionelle Ballonvalvuloplastie durchgeführt werden, um den Blutfluß in die Pulmonalarterie zu verbessern und deren Wachstum anzuregen. Die Standardtherapie ist die chirurgische Korrekturoperation mit Verschluß des

Ventrikelseptumdefektes,

Beseitigung

der

rechtsventrikulären

Ausflusstraktobstruktion (Myotomie/Myektomie/Patch-Erweiterung), bevorzugt im 2. Lebenshalbjahr (aber auch früher möglich). Bei hypoplastischen Pulmonalarterien kommt eine vorherige Palliativoperation (aorto-pulmonaler Shunt, Infundibulektomie) in Betracht. Häufig ist zur Beseitigung der rechtsventrikulären Ausflusstraktobstruktion eine teilweise oder vollständige Entfernung der hochgradig dysplastischen Pulmonalklappe notwendig. Dieses führt ebenso wie eine sogen. transanuläre Patch-Erweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstraktes zur Ausbildung einer oft progredienten Pulmonalinsuffizienz, die im späteren Lebensalter eine Nachoperation mit Implantation einer Klappenprothese erforderlich macht.

Merksatz: Die Fallotsche Tetralogie ist umso schwerer je kürzer und leiser das Systolikum ist! Im hypoxämischen Anfall kein oder nur kurzes, leises Systolikum!

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TRANSPOSITION DER GROSSEN ARTERIEN (TGA; 7% der Herzfehler)

Definition: Häufiger zyanotischer Herzfehler (25% der zyanotischen Herzfehler des Neugeborenen) mit Fehlursprung der Aorta aus dem anatomisch rechten Ventrikel sowie der Pulmonalarterie aus dem anatomisch linken Ventrikel (ventrikulo-arterielle Diskordanz). Zu den häufigsten Begleitfehlbildungen zählen der Ventrikelseptumdefekt, die linksventrikuläre Ausflussbahnobstruktion, die Aortenisthmusstenose sowie Koronaranomalien.

Hämodynamik: Parallelschaltung der Teilkreisläufe: Körperkreislauf: venöses Blut

Lungenkreislauf: arterielles Blut

rechter Vorhof Æ rechter Ventrikel

linker Vorhof Æ linker Ventrikel

zentrale Venen

Lungenvenen

Aorta

Pulmonalarterie

Ein Überleben ist nur möglich, wenn Kurzschlussverbindungen zwischen beiden Teilkreisläufen bestehen: Ductus arteriosus Botalli und/oder Foramen ovale!

Klinik: Ausgeprägte, generalisierte zentrale Zyanose beim Neugeborenen, nicht Sauerstoff-reversibel.

=> Kinderkardiologischer Notfall!

Diagnostik: Die einfache Transposition („simple“ TGA) führt häufig nicht zur Ausbildung eines Herzgeräusches, dieses ist abhängig von evtl. bestehenden Begleitfehlbildungen. Entscheidend ist echokardiographische Diagnose mit Nachweis der strukturellen Anomalie sowie evtl. Begleitfehlbildungen und Nachweis der funktionellen Bedeutung der zum Überleben notwendigen Verbindungen zwischen Körperkreislauf und Lungenkreislauf (Größe des Ductus arteriosus Botalli bzw. Größe eines Defektes im Vorhofseptum). Auf der Intensivstation kontinuierliche Überwachung der Sauerstoff-sättigung, präductale Blutgasanalyse zur Beurteilung des Sauerstoffgehalts des

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hirnperfundierenden Blutes. Eine Herzkatheterisierung mit Angiokardiographie ist bei einfacher Transposition der großen Arterien nicht obligat, bei komplexen Begleitfehlbildungen zur Komplettierung der Darstellung der Anatomie vor chirurgischer Korrektur aber anzuraten.

Abb. 9 Druck- und Sauerstoffsättigungswerte bei TGA vor und nach BallonAtrioseptostomie (BAS) nach Rashkind (Werte nach BAS in Klammern). Überleben nur möglich, wenn Kurzschlussverbindungen zwischen beiden Teilkreisläufen bestehen: Ductus arteriosus Botalli und/oder Foramen ovale!

Therapie: Bei Neugeborenen mit kritischer Hypoxämie erfolgt eine ProstaglandinInfusion

zum

Offenhalten

des

Ductus

arteriosus,

um

eine

Kurzschlussverbindung zwischen Körper- und Lungenkreislauf zu etablieren. Zur Vermeidung der kardialen Dekompensation ist ein ausreichend weites Foramen ovale notwendig. Dieses muss evtl. katheterinterventionell als Notfallmaßnahme im Herzkatheterlabor mittels Ballon-Atrioseptostomie geschaffen werden (Rashkind Prozedur). Beide Maßnahmen sind als

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Skript Kinderkardiologie

Palliativmaßnahmen bis zur Operation zu verstehen. Bei einfacher Transposition erfolgt die Korrekturoperation durch Umsetzen der großen Arterien („arterial switch“) innerhalb der ersten 10 Lebenstage bei komplexer Transposition müssen evtl. zunächst Palliativoperationen bzw. PalliativKatheterinterventionen durchgeführt werden. Alternativ kommt als palliative Korrektur eine Vorhofumkehr-Operation in Frage (Umleitung der Blutströme auf Vorhofebene).

Merksatz: Ein kräftiges zyanotisches Neugeborenes ohne Herzgeräusch hat eine Transposition (TGA) !

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Skript Kinderkardiologie

ANHANG -01 - Vorlesung Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz: Unfähigkeit des Herzens, Blut und damit Sauerstoff einem Maße, das den Bedürfnissen gerecht wird,

zu den Organen zu transportieren.

Infarkt

Links-rechts-Shunt (VSD)

Myokardschaden

Myokard intakt

Pumpfunktion Qp = Qs

Pumpfunktion normal Qp >> Qs

Zeitvolumen (Qs) vermindert

Chronische Herzinsuffizienz

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ANHANG -02 - Vorlesung Herzinsuffizienz

Fluss-Diagramm bei LR-Shunt 20

Fluss [l/min/m²]

18 16

(Qp+Qs)max = ~14 l/min/m²

Qp+Qs

14 12 10 8 6

Qp

4

Qs

2 0 0

1

2

3

4

5

6

7

Qp/Qs

Widerstand des Körperkreislaufs (Rs) R

=U/I

Rs = MAP / Qs Rs = 1/Qs * MAP MAP = Qs * Rs (Referenzwerte)

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ANHANG -03 - Vorlesung Herzinsuffizienz

Vasodilatoren bei LR-Shunt (Mw verschiedener Studien; MAP-Kurve für Sgl mit KG 5.4 kg)

150

MAP normal VSD ohne Medikaktion

Rs [WE]

125

mit ACE-Hemmer

Hypertonie

mit Hydralazin

100

mit NPN

Hypotonie

mit Phentolamin (Hund)

75

mit Isoproterenol (Hund)

50 Referenz: MAP=Qs*Rs=53.7 mmHg

25 0.0

0.5

1.0

1.5

Qs [l/min]

Renin vs arterieller Mitteldruck

Buchhorn R et al. Int J Cardiol 2001

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ANHANG -04 - Vorlesung Herzinsuffizienz

Renin vs Symptomatik

Buchhorn R et al. Int J Cardiol 2001

O2-Atmung Æ Steigerung der Lungendurchblutung = 0.21 FiO2 1.0 =

8

18 6

15 12

4 9 6

2

3 0

0 Widerstand

Lungen-Zeitvolumen

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Qp [l/min/m²]

Rp [WE*m²]; Qp [l/min/m²]

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ANHANG -05 - Vorlesung Herzinsuffizienz

Kinder mit LR-Shunt Vitien Herzinsuffizienz durch Imbalance Qp >> Qs: Qs erniedrigt Rs gesteigert (damit RR noch normal) neurohumorale Aktivierung gesteigert Æ Symptome Therapie: keine O2 – Gabe keine Vasodilatoren sondern: Betablocker, Digitalis, Diuretika

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ANHANG - Hämodynamik im Herzkatheterlabor (Normwerte für Kinder)

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