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January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Umweltwissenschaften, Klimawandel
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Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus am Fallbeispiel Kitzbühel

Stefanie Glatz 1. 2. 3. 4.

5. 6. 7.

Einleitung Klimawandel Zukunftstrends im Tourismus Strategien zur Sicherung des Wintertourismus 4.1 Begriffsbestimmung Strategie 4.2 Anpassungsstrategien 4.2.1 Sicherung des Schisports 4.2.2 Angebotsergänzungen 4.2.3 Vier-Jahreszeiten-Tourismus 4.3 Vermeidungsstrategien 4.4 Verdrängungsstrategie Zukunftsstrategien für den Wintertourismus in Kitzbühel Ausblick Literatur

Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus

1. Einleitung Der Wintertourismus zählt zu den Wirtschaftsbranchen, die sehr stark von Klima und Wetter abhängig sind (Vgl. Bürki, 2000, S. 2). Die Jahre 1994, 2000, 2002 und 2003 waren die wärmsten, die in den Alpen im letzten halben Jahrhundert verzeichnet wurden. Gemäß den Klimamodellen ist in den kommenden Jahrzehnten sowohl mit noch größeren Klimaänderungen zu rechnen, als auch mit einer Abnahme der Schneedecke in niedrigeren Lagen (Vgl. Agrawala, 2007, S. 3). Laut einer OECD Studie bedeuten die lauen Winter das Aus für 70 Prozent der alpinen Wintersportregionen. Unter veränderten klimatischen Bedingungen, welche für den Zeitraum 2030 bis 2050 erwartet werden, können nur noch Schigebiete, die höher als 1600 Meter über dem Meeresspiegel liegen als „schneesicher“ bezeichnet werden. Bei einem Temperaturanstieg von nur einem Grad wären in Österreich 46 der derzeit 199 schneesicheren Regionen betroffen (Vgl. OECD, 2006). Laut Umfragen ist Schneesicherheit einer der wichtigsten Beweggründe bei der Wahl eines Schigebietes und steht bei den Gästebedürfnissen in der Wintersaison an erster Stelle. Gäste gaben an, in höher gelegene, schneesichere Schigebiete zu wechseln, falls das Schifahren aufgrund des Schneemangels in tieferen Lagen nicht mehr möglich wäre (Vgl. König, 1998, S. 147; Bürki, 2000, S. 39). Andererseits könnten sich die Gäste auch anderen Urlaubsformen zuwenden, was zu einem Rückgang der Nachfrage und folglich der Auslastung und der Wertschöpfung führen würde. Klimawandel findet statt – das kann nicht mehr geleugnet werden. Obwohl es den Klimaforschern zurzeit jedoch noch nicht möglich ist, mit hundertprozentiger Sicherheit anzugeben, in welche Richtung sich das Klima entwickeln wird (Vgl. KrompKolb/Formayer, 2005, S. 7), müssen jetzt schon Strategien erörtert werden, die geeignet wären, den Winterurlaub auch ohne Schnee attraktiv zu erhalten.

2. Klimawandel Unter Klimawandel wird die Änderung des Klimas, ausgelöst durch menschliche oder natürliche Einflüsse, verstanden (Vgl. IPCC, 2001, S. 788; United Nations, 1992, Artikel 1, S. 3). In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass eine Klimaänderung weltweit stattfindet. Laut IPCC (2001, S. 2ff) ist die Temperatur im globalen Mittel um etwa 0,6 Grad Celsius gestiegen. Dieser Anstieg war der rascheste der letzten 1000 Jahre und die erreichten Temperaturen die höchsten in diesem Zeitraum. Auch die Temperaturen der Meeresoberfläche haben sich um etwa 0,3 Grad Celsius erwärmt. Zusätzlich zum Anstieg der Temperaturen wurden in den mittleren und hohen Breiten der Nordhemisphäre eine Zunahme der Niederschläge festgestellt und vermehrt Starkniederschläge verzeichnet. Außerdem hat sich die Häufigkeit von Extremereignissen stark erhöht. Durch den Anstieg der Temperaturen sind die Fläche des arktischen Meereises, sowie auch die 2

Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus Dicke des Eises im letzten Jahrhundert stetig zurückgegangen. Jedoch nicht nur der stetige Rückgang des Meereises, sondern auch der rasche Gletscherschwund zählt zu den deutlichen Hilferufen des Klimas. In den letzten Jahren sind starke Rückzugsbewegungen der Gletscher weltweit gemeldet worden. Während auf der einen Seite die Gletscher verschwinden, steigt auf der anderen Seite der Meeresspiegel deutlich an. Alleine im letzten Jahrhundert wurde ein Anstieg des Meeresspiegels von rund zehn Zentimetern beobachtet, der hauptsächlich durch die Erwärmung der Ozeane verursacht wurde (Vgl. Kromp-Kolb/Formayer, 2005, S. 12ff). Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintertourismus sind überwiegend negativ. Laut Vorhersagen des Travel Research International (Vgl. Mather/Viner/Todd, 2005, S. 67) werden die Wintertemperaturen in den Alpen steigen und sich die Schneegrenze bis zu 100 Meter pro Dekade nach oben verschieben. Die Winter werden durch mehr Regen in tieferen Lagen und durch mehr Schneefall in hohen Lagen gekennzeichnet sein. Die Zeiten, in denen Schnee fällt, werden kürzer und die Sommer wärmer und trockener. Konsequenzen sind unter anderem eine verkürzte Skisaison und ein größeres Lawinenrisiko.

3. Zukunftstrends im Tourismus Zukunftstrends sind wichtige Bestimmungsfaktoren der Nachfrage und dienen somit auch zur Orientierung bei der Festlegung neuer Strategien und Angebote. Neben dem Aktivurlaub gewinnen Sportveranstaltungen an Beliebtheit, was mit dem Trend zu Events korreliert. Massen von Menschen pilgern zu Veranstaltungen jeglicher Art (Konzerte, Sport- und Kulturveranstaltungen) (Vgl. Opaschowski, 2002b³, S. 241ff). Zusätzlich zu Events finden gut inszenierte Erlebniswelten Anklang bei den Touristen und innen, da sie die Bedürfnisse der Menschen nach Spaß und Unterhaltung befriedigen (Vgl. Steinecke, 2000, S. 18f). Aufgrund der alternden Gesellschaft, die sich jung fühlen und fit halten möchte, und dem erhöhten Bedürfnis der Jungen nach sportlicher Leistungsfähigkeit und Schönheit, erlebt auch der Gesundheitstourismus einen Aufschwung. Es geht nicht nur mehr um die Heilung von gesundheitlichen Problemen, sondern um deren Erhaltung und Prävention (Vgl. Smeral, 2003, S. 154). Auch Kultur und Bildung nehmen einen wichtigen Stellenwert in der heutigen Gesellschaft ein. Immer mehr Menschen besuchen Musicals, Konzerte, gehen in die Oper oder besichtigen Museen und Sehenswürdigkeiten in Städten (Vgl. Opaschowski, 2002b³, S. 256; ebenda, 2006², S. 309327). Zudem werden vermehrt Kongresse, Seminare und Tagungen besucht, um sich fortzubilden (Vgl. Smeral, 1994, S. 268f).

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4. Strategien zur Sicherung des Wintertourismus In den letzten Jahren wurden bereits hohe Investitionen in die Infrastruktur von Wintersportorten (z.B. Planai, Bad Kleinkirchheim) getätigt. Auf technische Maßnahmen wie Schneekanonen kann nicht mehr verzichtet werden. Auch die Erschließung höher gelegener Gebiete wird im Rahmen der Raumplanung diskutiert (z.B. im Kaunertal, im Wipptal, im Pitztal, in Serfaus, von St. Anton nach Kappl und im Paznaun). Zudem testen Gletscherschigebiete zum Teil schon Pistenplanien – das sind Planen aus Fleece oder Kunststoff - die die Gletscher im Sommer vor dem Abschmelzen schützen sollen (vgl. Kromp-Kolb/Formayer, 2005, S. 107f).

4.1 Begriffsbestimmung Strategie In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen des Begriffs „Strategie“ (siehe Moltke, o.A., S. 292, (zit. nach: Hinterhuber, 1990, S. 50); Hinterhuber, 1992, S. 160; Ansoff/Declerck/Hayes, 1976, S. 50). Diesem Beitrag liegt folgende Definition zugrunde: Strategien sind Maßnahmen zur Sicherung des langfristigen Erfolgs eines Unternehmens beziehungsweise einer Destination. Die Sicherung des Erfolgs bedingt jedoch, dass die Strategien den sich ändernden Verhältnissen (z.B. neue Kundenwünsche, veränderte Umwelt, Klimaänderung usw.) angepasst werden (eigene Definition in Anlehnung an Ansoff/Declerck/Hayes, 1976, S. 50).

Zur Sicherung des Wintertourismus werden in der Literatur drei verschiedene Strategien diskutiert: Anpassungs-, Vermeidungs- und Verdrängungsstrategien (Vgl. Abegg, 1996, S. 161-188; siehe Abbildung 1).

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Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus

STRATEGIEN ZUR SICHERUNG DES WINTERTOURISMUS

Anpassungsstrategien

Sicherung des Schisports

Angebotsergänzungen

Technische Maßnahmen

Alternativen für den Schifahrer

Vier-JahreszeitenTourismus Bessere saisonale Verteilung Jahreszeitl. unabhängige Tourismusformen

Kooperationen Subventionierung

Vermeidungsstrategien

Auf lokaler, regionaler Ebene

Auf überregionaler, politischer Ebene

Auf Betriebsebene

Verdrängungsstrategie Abbildung 1 - Strategien zur Sicherung des Wintertourismus Quelle: Eigene Darstellung, Daten entnommen aus Abegg, 1996, S. 161-188.

4.2 Anpassungsstrategien Anpassungsstrategien umfassen Maßnahmen zur Sicherung des Schisports, Angebotsergänzungen sowie die Ausrichtung auf einen Vier-Jahreszeiten-Tourismus.

4.2.1 Sicherung des Schisports Die Strategie zur Sicherung des Schisports bietet laut Abegg (1996, S. 161-176) Handlungsspielraum in den Bereichen „Technische Maßnahmen“, „Kooperationen“ und 5

Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus „Subventionierung durch die öffentliche Hand“. Zu den technischen Maßnahmen zählen wiederum künstliche Beschneiungsanlagen, bodenunabhängige Transportanlagen, Pistenplanien und Hochgebirgserschließungen. Künstliche Beschneiungsanlagen finden sich mittlerweile schon in sehr vielen Schigebieten. Voraussichtlich werden sie auch in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Einem uneingeschränkten Einsatz dieser Anlagen sind aber wirtschaftliche, ökologische und klimatische Grenzen gesetzt (siehe dazu König, 1998, S. 175ff; Lauterwasser/Roth, 1995, S. 38ff). Weiters ist die Einstellung der Touristen zu Kunstschnee zu beachten. Viele Schifahrer akzeptieren zwar punktuelle Beschneiung, großflächige Beschneiung mehrerer Pisten stößt jedoch auf Ablehnung. Beschneite Pisten in sonst schneefreien Schigebieten werden als unattraktiv bewertet, da kein richtiges „Wintergefühl“ vermittelt wird. Bodenunabhängige Transportanlagen, wie beispielsweise Sesselbahnen, werden vielerorts als Ersatz für Schilifte gebaut. Gründe dafür sind einerseits Kapazitätserhöhungen und andererseits Komfortverbesserungen. Außerdem sprechen die Sicherheitsüberlegungen, die Angebotsanpassungen und die Möglichkeit, Gäste in höher gelegene Gebiete zu bringen, wenn im Tal zu wenig Schnee vorhanden ist, für bodenunabhängige Anlagen. Pistenplanien werden zum Schutz des Gletschereises im Sommer angebracht. Diese Abdeckungen mögen kurzfristig und bei heißen Sommern erfolgreich sein, können aber den Verlust an Gletschermasse nicht aufhalten, wenn sich die Erwärmung fortsetzt (siehe auch Agrawala, 2007, S. 4). Zudem ist zu bedenken, dass durch den Eingriff die Vegetation und die Lebensraumstruktur vollkommen zerstört werden (Vgl. Hartmann, 2002, S. 1). Die Erschließung von hochgelegenen Gebieten (ohne Gletscherschigebiete) stellt eine weitere Möglichkeit zur Sicherung des Schisports dar. Für eine Hochgebirgserschließung sprechen die erhöhte Schneesicherheit, bessere Schneequalität sowie der Reiz der hochalpinen Landschaft. Den positiven Seiten stehen aber auch Nachteile gegenüber. Die Erschließung stellt zum einen einen hohen technischen und kostspieligen Aufwand dar. Zum anderen wird in ökologisch sehr sensible Räume vorgedrungen und die Permafrostvorkommen verlangen nach bautechnischen Vorkehrungen, die wiederum die Kosten für die Erschließung erhöhen. Außerdem herrscht erhöhte Lawinengefahr und die rauen Wetterbedingungen (Wind, Kälte) können das Schivergnügen mindern. Als weitere Maßnahme zur Sicherung des Schisports werden Kooperationen vorgeschlagen. Kooperationsstrategien zielen auf eine Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Unternehmen auf einem bestimmten Betätigungsfeld ab (Vgl. Bea/Haas, 20054, S. 177). Die Kooperation soll die Wettbewerbskraft der einzelnen Kooperationspartner stärken. Zudem sollen alle Beteiligten einen höheren strategischen Mehrwert in Form von neuen Fähigkeiten, größeren Kapitalressourcen und besserem Zugang zu Märkten und Technologien lukrieren können (Vgl. Schertler, 1995, S. 28f). Neben den technischen Maßnahmen und Kooperationen wird auch die Möglichkeit einer Subventionierung durch die öffentliche Hand betrachtet. Eine Unterstützung der Seilbahnbetriebe durch das Land oder den Staat könnte aufgrund verschlechterten Schneeverhältnisse vermehrt erforderlich werden. Deren finanzielles Engagement ist jedoch mit 6

Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus Problemen verbunden. Die Unterstützungsmaßnahmen führen zu Wettbewerbsverzerrungen und sind aus marktwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Zudem dienen solche Maßnahmen meist rein der Strukturerhaltung und sind somit nicht ausreichend. Strukturerneuernde beziehungsweise –bildende Maßnahmen wären erstrebenswert, da dadurch Schwächen in der Organisation des Schigebietes beseitigt werden können.

4.2.2 Angebotsergänzungen Weiters sind Angebotsergänzungen zu schaffen, die keinen Schnee voraussetzen, um die Abhängigkeit vom Schnee zu reduzieren. Abegg (1996, S. 176-182) unterscheidet zwischen „Alternativen bei temporärer Schneearmut“ und „Alternativen zum Schitourismus“. Die Angebote dieser Kategorien können sich in ihrer Gestaltung überschneiden, sprechen jedoch zwei unterschiedliche Kundensegmente an. „Alternativen bei temporärer Schneearmut“ richten sich an SchifahrerInnen. Für einen bestehenden Markt (SchifahrerInnen) soll ein neues Produkt gefunden werden (sog. Produktentwicklungsstrategie). „Alternativen zum Schitourismus“ fokussieren hingegen auf Nicht-SchifahrerInnen. Für einen neuen Markt soll ein neues Produkt geschaffen werden (sog. Diversifikationsstrategie) (Vgl. Ansoff , 1966, S. 132). Im Sinne der Produktentwicklungsstrategie müssen demnach Angebote geschaffen werden, die den Schifahrer trotz ungenügenden Schneeverhältnissen ein lohnendes Urlaubserlebnis garantieren. Beispiele für Letztere sind Wanderungen, Eissport, Schlittenfahrten, Fitness, Indoorsport, Kur- und Gesundheitszentren, Wellness, Erlebnisbäder, Beautybehandlungen, Theater, Museen, Musicals, Konzerte, Tanzkurse, Degustationen, Themen- und Spielabende, Modeschauen, der Besuch von Sehenswürdigkeiten, organisierte Dorfführungen mit Hütteneinkehr uvm. Zur Diskussion steht zudem auch die Errichtung von Indoor-Schihallen, die bereits sowohl im europäischen (z.B. Polen, Niederlande, England, Frankreich) als auch im außereuropäischen Raum (z.B. USA, Japan, Südafrika, Brasilien) erfolgreich betrieben werden (Vgl. Harrer, 1996, S. 212f). Schifahren ist das Hauptmotiv der Wintergäste, und es ist kaum möglich, ein neues Angebot zu entwickeln, dass diese in gleicher Weise anspricht wie das Schifahren. Mithilfe von Alternativen zum Schisport wird jedoch versucht, die Zielgruppe der NichtSchifahrerInnen anzusprechen. Diese Alternativen umfassen schneeabhängige und unabhängige Angebote. Beispiele für schneeunabhängige Angebote sind Kur- und Gesundheitsangebote, Kongresse und Seminare, Veranstaltungen und andere. Trotz einiger erfolgsversprechender Ansätze zur vermehrten Diversifikation des touristischen Winterangebots (z.B. St. Moritz) darf die Wirkungsfähigkeit schneeunabhängiger Angebote jedoch nicht überschätzt werden. Laut Umfragen liegt das Gästepotential, das man bei Schneemangel mit zusätzlichen Tourismusangeboten ansprechen könnte, bei höchstens 20 Prozent (Vgl. Hartmann, 1995, S. 164). Zudem kann eine winterliche Landschaft beispielsweise bei der Wahl eines Kongressortes sehr wohl eine relevante Rolle spielen. Weiters müssen die Angebote kunden- und bedürfnisorientiert sein und dürfen keine Allerweltsangebote sein. Es gilt also ein Nischenprodukt zu finden, dass ähnlich breitenwirksam und ertragsstark ist wie der Schisport selbst. 7

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4.2.3 Vier-Jahreszeiten-Tourismus Der Aufbau eines Vier-Jahreszeiten-Tourismus wird als weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Abhängigkeit von schneereichen Wintern diskutiert (Vgl. Abegg, 1996, S. 182-186). Ziel dieser Strategie ist, die Orte, die einseitig auf den Wintertourismus ausgerichtet und durch Schneemangel bedroht sind, saisonal breiter abzustützen. Durch die Konzentration auf jahreszeitlich unabhängige Tourismusformen (z.B. Kongress- und Seminartourismus oder Kulturtourismus) und Sommeraktivitäten (inkl. dem Miteinbezug der Zwischensaison) wird versucht, dieses Ziel zu erreichen.

4.3 Vermeidungsstrategien Vermeidungsstrategien dienen dazu, das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Klimaänderung zu reduzieren. Um dies zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen verringert werden. Auch der Tourismus, Mitverursacher des anthropogenen Treibhauseffektes, muss seinen Beitrag leisten. Maßnahmen können auf verschiedenen Ebenen getroffen werden (Vgl. Österreichische Akademie der Wissenschaften-KRL, 1993, 9.18). Auf der Ebene des einzelnen Tourismusbetriebes geht es in erster Linie um die Optimierung des Energieeinsatzes. Die Emissionen lassen sich durch eine konsequente Ausnutzung der Energiesparpotentiale (z.B. effizientere Energieumwandlung und –nutzung, Wärmedämmung etc.) und dem vermehrten Einsatz von Alternativenergien (z.B. Sonnenenergie) reduzieren. Auf lokaler und regionaler Ebene stehen vor allem die Maßnahmen im Bereich des Verkehrs im Vordergrund. Das tourismusbedingte Verkehrsaufkommen kann beispielsweise durch absolutes Autoverbot (z.B. autofreie Tage), temporäre Verkehrsbeschränkungen (z.B. Nachtfahrverbot), dem Einsatz von Verkehrsleitsystemen oder durch eine restriktive Parkplatzbewirtschaftung, verkleinert werden. Zudem soll der öffentliche Verkehr ausgebaut werden. Dieser muss leistungsfähig, flexibel und den Bedürfnissen der Gäste entsprechend angeboten werden. Die Tourismusbranche muss sich außerdem auf überregionaler Ebene politisches Gehör verschaffen. Der Einsatz einer langfristigen Umwelt- und Klimapolitik ist unumgehbar, wenn das Problem der Emissionen gelöst werden sollte.

4.4 Verdrängungsstrategie Als dritte Strategie wird die Verdrängungsstrategie diskutiert. Diese impliziert, dass die Thematik des Klimawandels verdrängt und/oder nicht ernst genommen wird.

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5. Zukunftsstrategien Kitzbühel

für

den

Wintertourismus

in

Basierend auf den wissenschaftlichen Grundlagen wurde für das Fallbeispiel Kitzbühel eine Fragebogen erstellt und eine schriftliche Befragung von 70 bewusst ausgewählten Experten aus sieben verschiedenen, für das Thema der Arbeit relevanten Bereichen durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragung lassen sich wie folgt zusammenfassen und interpretieren. Da der Schisport das Hauptmotiv für einen Winterurlaub ist, sollten die technischen Maßnahmen genutzt werden. Mithilfe von Beschneiungsanlagen kann für gute Pistenverhältnisse gesorgt werden. Jedoch sollte dabei auch die ökologische Perspektive bedacht werden, denn nicht alle Maßnahmen sind umweltverträglich und folglich auch nicht langfristig geeignet. Kitzbühel verfügt bereits über moderne bodenunabhängige Anlagen, welche auch im Sommer zum Transport von beispielsweise Wanderern betrieben werden können. Weiters wird Kitzbühel empfohlen, verstärkt auf Kooperationen mit den Städten Innsbruck und Salzburg zu setzen, da nicht nur im Falle von Schneemangel Ausflüge in diese Städte das Urlaubserlebnis bereichern können. Zudem sollte die Zusammenarbeit mit den anderen Schigebieten gepflegt und optimiert werden. Den Gästen soll es möglich sein, bequem, unkompliziert und rasch in die umliegenden Schigebiete zu gelangen. Nach dem Motto „Von der Piste in die Wärme“ kann das Badezentrum „Aquarena“ gut beworben werden. Mithilfe attraktiver Packages soll die Lust auf erholsame Stunden, nach einer sportlichen Betätigung, erhöht und folglich auch die Frequenz in diesem Bad verbessert werden, denn auch Tagesgäste lassen einen Schitag gerne erholsam ausklingen. In Kitzbühel wird bereits auf Beauty & Spa-Angebote gesetzt und wie sowohl die Ergebnisse der Befragung als auch die Literatur zeigen, ist die Ausrichtung auf den Gesundheitstourismus zukunftsträchtig. Die Angebote im Bereich Wellness und Beauty ändern sich jedoch in ihrer Gestaltung und hier liegen die Potentiale für Kitzbühel. Die Gesundheitsangebote müssen einzigartig und innovativ sein, denn klassische Wellness- und Beautybehandlungen werden heutzutage überall angeboten. Es gilt Anwendungen und Aktivitäten anzubieten, die weit über die klassischen hinausgehen. Die Konzepte bei Medical Wellness müssen ganzheitlich und medizinisch fundiert sein, was eine Verbindung von Better Ageing, Lebensstil-Management und Seelen-Massage erfordert. Weiters können Age-Fitness-Programme und Angebote, die Gesundheit, Genuss und Soft Sports verbinden, geschnürt werden. Zusätzlich sollten vermehrt regionale Kräuter und Heilmethoden eingesetzt werden. Asiatische Behandlungen können Urlauber schon überall in Anspruch nehmen, aber mit alpinen Kräutern wird man nicht allerorts verwöhnt. In Zukunft werden Events und Erlebnisse noch mehr an Bedeutung gewinnen. Kitzbühel ist bekannt für seine Veranstaltungen - alleine die Hahnenkammrennen ziehen Tausende von Besuchern an. Deshalb sollte die Destination weiterhin auf den Eventtourismus setzen. Durch Veranstaltungen können einerseits neue Gäste angezogen werden, anderer-

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Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus seits wird den Urlaubern, die bereits in der Region sind, ein besonderes, zusätzliches Erlebnis geboten. Neben den Sportveranstaltungen sind auch Platzkonzerte, Bauernmärkte und „Typisch Tirolerisch“-Abende wichtige Veranstaltungen, denn Regionalität und Brauchtum müssen gelebt werden. Trotzdem werden dadurch kaum zusätzlich Gäste in die Region gelockt werden. Zukunftsträchtig sind hingegen einzigartige Inszenierungen. In den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen sollte der „Berg“ gerückt werden. Destinationen können die Berge als ganzheitliche, aufregende Spielwiese inszenieren. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sind Auszeiten wichtig und die Berge können für diese Zielgruppe als Kraftplatz und „spirituelle Energie-Tankstelle“ beworben werden. Action und Erlebnisse sind jedoch ebenfalls stark im kommen. Mit „Fun-Tools“ wie dem „Mountain Glider“ oder der „Avalanche-Bubble“, einer inszenierten Lawine, in deren Inneren die Touristen zu Tal rasen, wird Einzigartiges geboten. Zudem liegen große Potentiale in den Synergien mit Marken wie zum Beispiel Swarovski. Ein KristallWanderweg wäre einmal etwas anderes als ein Märchenwanderweg, den man in fast jedem Dorf findet. Außerdem bietet die Kombination „Berg und Wasser“ gute Inszenierungsmöglichkeiten, da beide mit Mythen behaftet sind und aufregend bespielt werden können. Weiters ist die Eignung Kitzbühels für Kongresse, Seminare und Tagungen stark, da neben der sehr guten Infrastruktur den Besuchern andere vielfältige Möglichkeiten geboten werden. Es ist empfehlenswert, diese Strategie weiterhin zu verfolgen, da die Ausrichtung von Kongressen und Seminaren hilft, die Auslastung - vor allem in den Nebensaisonen - zu verbessern. Folglich erhöht sich auch die Wertschöpfung und die Forcierung eines Vier-Jahreszeiten-Tourismus kann dadurch ebenfalls vorangetrieben werden. Neben den bereits oben angeschnittenen Platzkonzerten, Bauernmärkten und „Tiroler Abenden“, sollen noch weitere Kultur- und Genussangebote organisiert werden. Kultur im eigentlichen Sinne (Theater, Konzerte) wird zwar kaum Erfolg haben, jedoch kann das „Erlebbarmachen“ von Brauchtum und Tradition sehr gut von Gästen angenommen werden. Bei der Schaffung der Angebote ist zu bedenken, dass der Mensch ein ambivalentes Wesen ist. Die Produkte müssen seine unterschiedlichen, oftmals gegensätzlichen Bedürfnisse befriedigen. Unternehmungen wie beispielsweise Saunagänge auf dem Berg oder Night-Canyoning bieten dem Gast ein tolles Erlebnis, welches von diesem nicht als alltäglich empfunden wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Inszenierung, Erlebnis, Einzigartigkeit und Innovation die Schlagwörter bei der Strategiebestimmung und der Schaffung von Angeboten sind.

6. Ausblick Der Strukturwandel und die Klimaänderung werden zu einem neuen Mosaik schitouristischer Gunst- und Ungunsträume führen. Gute Zukunftsaussichten haben die Winters10

Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus portorte, welche Gebiete in Höhenlagen ab 1600 Metern über dem Meeresspiegel erschließen. Die Nachfrage nach Schisport könnte jedoch aufgrund der klimatischen Veränderungen oder wegen anderer Freizeit- und Tourismusformen an Bedeutung verlieren. Zu bedenken ist außerdem, dass der Wintersport seinen Charakter als Volkssport zunehmend verliert. Ein Beispiel dafür ist das immer öfter auftretende Streichen von Schulschilagern. Die veränderten klimatischen Bedingungen können aber auch Vorteile für andere Destinationen bringen. Zu heiße Sommer machen zum Beispiel den Mittelmeerraum unattraktiv wodurch die Touristenströme nach Österreich zu den alpinen Seen oder in die Berge mit eher kühlen Temperaturen gelenkt werden könnten. Obwohl nicht eindeutig gesagt werden kann, ob es in den nächsten Jahren vermehrt schneelose Winter geben wird, sollte eine Auseinandersetzung mit den möglichen Zukunftsstrategien schon heute stattfinden. Die Verantwortlichen einer Destination sollten das bestehende Angebot kritisch evaluieren, ihre Zielgruppen festlegen und dementsprechende neue, zukunftsträchtige Strategien formulieren und umsetzen. Die rechtzeitige Implementierung neuer Angebote verkleinert das Risiko, bei weiteren „schlechten Wintern“ mit zu geringer Auslastung und Wertschöpfung konfrontiert zu werden.

Factbox Trotz aller Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Veränderung des Klimas, globaler und regionaler Unterschiede und deren Auswirkungen der Klimaänderungen ist unumstritten, dass der Klimawandel stattfindet. Alpine Destinationen sind gefordert, Maßnahmen zum Erhalt des Wintertourismus zu ergreifen und sich strategisch neu zu orientieren. Nur durch eine rechtzeitige Einführung zusätzlicher Angebote kann die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Die Strategiefestlegung und die Angebotsgestaltung müssen sich an den künftigen Präferenzen der Touristen orientieren. Den Anpassungsstrategien sowie dem Event-, dem Erlebnis-, dem Kongress-, dem Gesundheits- und dem Kulturtourismus wird das größte Erfolgsotential zugesprochen. Zudem werden hybride Angebote und das Thema „Wasser“ als vielversprechend erachtet.

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Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus

7. Literatur Abegg, B. (1996): Klimaänderung und Tourismus: Klimafolgenforschung am Beispiel des Wintertourismus in den Schweizer Alpen, Schlussbericht im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes „Klimaänderung und Naturkatastrophen“ NFP 31, Zürich, vdf Hochschulverlag. Agrawala, S. (2007): Klimawandel in den Alpen: Anpassung des Wintertourismus und des Naturgefahrenmanagements, Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ansoff, H. I. (1966): Management-Strategie, München, Verlag Moderne Industrie. Ansoff, H. I./Declerck, R. P./Hayes R. L. (1976): From Strategic Planning To Strategic Management, London/New York/Sydney/Toronto, John Wiley & Sons. Bea, F. X./Haas, J. (20054): Strategisches Management, Stuttgart, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH. Bürki, R. (2000): Klimaänderung und Anpassungsprozesse im Wintertourismus, St. Gallen, Publikation der Ostschweizerischen Geographischen Gesellschaft, Neue Folge, Heft 6. Harrer, B. (1996): Wirtschaftsgeographische Auswirkungen einer veränderten ökologischen Situation: Konsequenzen für den Wintertourismus in Deutschland, München, Schriftenreihe des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München, Band 47. Hartmann, J. (2002): Beurteilung von Pistenplanien: Eine Arbeitshilfe für Betreiber, Planer, Gemeinden, Naturschutzorganisationen und Amtsstellen, Amt für Natur und Umwelt, Chur. Hartmann, M. (1995): Blick in die Bündner Ferienwerkstatt. Bündner Beiträge zum Tourismusmanagement 2, Chur/Zürich. Hinterhuber, H. H. (19925): Strategische Unternehmensführung: I Strategisches Denken: Vision, Unternehmenspolitik, Strategie, Berlin/New York, Walter de Gruyter. IPCC (2001): Climate Change 2001: The Scientific Basis, Contribution of Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge, Cambridge University Press. Kromp-Kolb, H./Formayer, H. (2005): Schwarzbuch Klimawandel: Wie viel Zeit bleibt uns noch?, Salzburg, Ecowin-Verlag. Lauterwasser, E./Roth, R. (1995): Spurenwechsel zum umweltbewussten Skisport, in: Der Umwelt-Beirat des Deutschen Skiverbandes (Hrsg.): DSV-Umweltreihe, Band 5, Weilheim, Stöppel Verlag.

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Klimawandel – Zukunftsstrategien für den Wintertourismus Mather, S./Viner, D./Todd, G. (2005): Climate and Policy Changes: Their Implications for International Tourist Flows, in: Hall, M. C./Higham, J. (Hrsg.): Tourism, Recreation and Climate Change, Aspects of Tourism: 22, Clevedon/Buffalo/Toronto, Channel View Publications, S. 63-85. OECD (2006): Schneesichere Gebiete in den Alpen, OECD-Berechnungen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Skiregionen in den Alpen, Paris/Berlin. Opaschowski, H. W. (2002b³): Tourismus: Eine systematische Einführung, Analysen und Prognosen, Opladen, Leske + Budrich. Opaschoski, H. W. (2006²): Deutschland 2020: Wie wir morgen leben - Prognosen der Wissenschaft, Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften. Österreichische Akademie der Wissenschaften-KRL (1993): Bestandsaufnahme anthropogene Klimaänderungen: Mögliche Auswirkungen auf Österreich - Mögliche Maßnahmen in Österreich, Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Schertler, W. (1995): Management von Unternehmenskooperationen – Entwurf eines Bezugsrahmens, in: Schertler, W. (Hrsg.): Management von Unternehmenskooperationen: branchenspezifische Analysen; neueste Forschungsergebnisse, Wien, Wirtschaftsverlag Ueberreuter, S. 19-51. Smeral, E. (1994): Tourismus 2005: Entwicklungsaspekte und Szenarien für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, Wien, Wirtschaftsverlag Ueberreuter. Smeral, E. (2003): Die Zukunft des internationalen Tourismus: Entwicklungsperspektiven für das 21. Jahrhundert, Wien, Linde Verlag. Steinecke, A. (2000): Tourismus und neue Konsumkultur: Orientierungen – Schauplätze – Werthaltungen, in: Steinecke, A. (Hrsg.): Erlebnis- und Konsumwelten, München/Wien, Oldenbourg, S. 10-27. United Nations (1992): United Nations Framework Convention on Climate Change, o.A.

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