– Kulturradio wdr 3 – Skulpturenmuseum Glaskasten

February 2, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Musik
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– Kulturradio wdr 3 – Skulpturenmuseum Glaskasten Marl – Koelnmesse

Köln 2004 parallel zur art cologne und zu den ard Hörspieltagen 28.10. bis 11. 11. 2004 in den Rheinsälen der Koelnmesse und im Funkhaus des wdr

SoundART Köln 2004 Parallel zur ART Cologne und zu den ARD-Hörspieltagen sowie während der 5. Langen Nacht der Kölner Museen findet in der Zeit vom 28.10. bis 11.11.2004 die SoundART Köln als Gemeinschaftsprojekt des Kulturradios WDR 3, der Koelnmesse und des Skulpturenmuseums Glaskasten Marl mit finanzieller Unterstützung der Kunststiftung NRW und in Kooperation mit der Initiative Hören statt. Veranstaltungsorte sind der Große und der Kleine Rheinsaal der Koelnmesse sowie das WDR-Funkhaus in Köln. Die SoundART zeigt die Vielfalt der Akustischen Kunst in ihren Schnittflächen zur bildenden Kunst, zur elektronischen Musik, zur Radiokunst und zur Medienkunst. Im Großen Rheinsaal der Kölnmesse präsentieren sich die Preisträger des Deutschen Klangkunstpreises 2004. Im Kleinen Rheinsaal werden Raumklangproduktionen des Studios Akustische Kunst und des Studios Elektronische Musik des WDR zu erleben sein. An den Abenden des 29. und des 30. Oktober lädt WDR 3 zu Live-KlangPerformances in das WDR-Funkhaus ein. Vom 6. auf den 7.11. findet von 19.00 Uhr bis 3.00 Uhr die SoundART-Nacht innerhalb der 5. Langen Nacht der Kölner Museen statt. Öffnungszeiten: Bis zum 11. November 2004 täglich 12.00 bis 20.00 Uhr Zugang durch den Sondereingang Eingang Messeturm (Rheinufer).

Mit finanzieller Unterstützung der In Kooperation mit der

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RAUM-KLANG Klang im Raum - Die Legenden leben! Im Kleinen Rheinsaal der Koelnmesse werden Raumkompositionen aus den WDRStudios präsentiert Von dem berühmten Studio für Elektronische Musik des WDR, 1951 gegründet, gingen jahrzehntelang Impulse zur Entwicklung von elektronischer und elektroakustischer Musik in alle Welt aus - selbst die Popmusik wäre ohne das "Kölner Studio" um manchen Klangeffekt ärmer. Prominente Komponisten aus aller Welt haben hier gearbeitet. Eine Vorreiterrolle spielte das Studio bei der Mehrkanaligkeit, zunächst mit vier Lautsprechern - später mit bis zu zwölf. Durch diese Raumklang-Technik entfalten sich die Klänge im Raum und führen dort ein freies, ungebundenes Wesen. Das Programm repräsentiert die Vielfalt der Produktionen zwischen den minimalistischen Phasenverschiebungen John McGuires bis zu den überwältigenden Klangkaskaden von Iannis Xenakis. Auf der Welle WDR 3 hat das "SEM" einen Platz jeden Mittwoch in der Stunde vor Mitternacht.

Ebenfalls im WDR beheimatet ist das Studio Akustische Kunst. Seit 1968 operiert das "SAK" erfolgreich an den Schnittstellen von Hörspiel, Musik, Film, Literatur und bildender Kunst. Die traditionsreiche Radiosendung auf WDR 3 gilt als Impulsgeber und Motor für die Entgrenzung der auditiv erfahrbaren Kunstformen. Hier haben Komponisten wie John Cage und Mauricio Kagel die künstlerischen Möglichkeiten des Mediums Radio ausgelotet. In der Akustischen Kunst kann alles zum Material werden, was sich mit einem Mikrophon aufnehmen lässt: Das Spektrum der Produktionen reicht von Soundscape-Collagen, die von der Klangökologie R Murray Schafers inspiriert sind, über Lautpoesie bis zu Laptop-Performances und Turntable-Experimenten. Zahlreiche Auszeichnungen belegen den Stellenwert des "Studios" in der internationalen Audio-Art-Szene. Die Wandelkonzerte im kleinen Rheinsaal ermöglichen den Zuhörern, mit einem Querschnitt aus der Geschichte der beiden Studios in die Klangwelten mehrkanaliger Kompositionen einzutauchen. Ein seltenes Klangerlebnis mit historischen 8- bzw. 12-Kanalproduktionen und dem neueren 5.1-Surround-Standard.

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Studio Akustische Kunst Auf den Seiten 5 bis 24 finden Sie Einführungstexte zu den Werke der Akustischen Kunst, die im Kleinen Rheinsaal der Koelnmesse nach folgendem "Fahrplan" präsentiert werden: 28.10. 1.11. 5.11. und 9.11. jeweils ab 13 Uhr Studio Akustische Kunst ANTHONY MOORE *1948 Moving Sounds (2000) [48'] ANDREAS BICK *1964 Dripping (2001) [29'] PETER PANNKE *1946 Itinerarium Kircherianum (2000/2003) [50'56''] MICHAEL RIESSLER *1957 Berenice Tableau (2004) [49'36''] 29.10. 2.11. 6.11. und 10.11. jeweils ab 13 Uhr Studio Akustische Kunst ANTJE VOWINCKEL *1964 Die Zähler / The Counters (2004) [29'59'''] WERNER CEE *1953 Ton der Luft (2002) [41'50''] RILO CHMIELORZ *1954 A Cage of Mad Mariachis (2004) [30'08''] CAROLINE WILKINS *1953 Le Fisarmoniche (2002) [31'55''] LMS JÖRG LINDENMAIER *1968 ANTHONY MOORE *1948 PETER SIMON * 1969 Continuity Illusions (2003) [14'52''] C-SCHULZ *1968 Flicker (2003) [9'45'']

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30.10. 3.11. 7.11. und 11.11. jeweils ab 13 Uhr Studio Akustische Kunst CAROLINE WILKINS *1953 Mecanica Natura (2000) [30'43''] THOMAS GERWIN *1955 Feuer-Werk (2003) [48'11''] MATTHIAS KAUL * 1949 Electric Bath Hörstück von einem badenden Schlagzeuger (2002) [51'53''] KUHN/KURT/MOSS BrückenRadioMusik (2004) [50'21''] 31.10. 4.11. und 8.11. jeweils ab 13 Uhr Studio Akustische Kunst ALESSANDRO BOSETTI (1973) The Whistling Republic (2003) [25'] BERNHARD KÖNIG Tractatus von der hymmlischen unndt Teufflischen Organisten=kunst (2004) [44'16''] C-SCHULZ *1968 /PETER SIMON *1969 Swiete Drogi (2003) [50'25''] JOHN CAGE (1912-1992) Roaratorio (1979) [60'15'']

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Einführungstexte Alessandro Bosetti: The Whistling Republic Komposition/Realisation: Alessandro Bosetti Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2003 Länge: 25'00'' / 5.1 Nach seiner Studie über Sprechgeschwindigkeit und Gedächtnisleistungen "Die Schnellsten Wörter" widmet sich der italienische Komponist und Sopransaxophonist Alessandro Bosetti in diesem Projekt der aussterbenden Pfeif-Sprache "El Silbo", die bei den Schafhirten auf La Gomera noch gepflegt wird. Je nachdem, ob die Töne hoch oder tief, schrill, langgezogen, aufsteigend oder dumpf ausfallen, haben sie eine unterschiedliche Bedeutung. Hierin gleicht das Pfeifen durchaus dem Sprechen, bei dem der Zusammenhang zwischen Laut und Bedeutung ja ebenfalls willkürlich und doch zugleich durch eine Art Verabredung fixiert ist. Bosetti untersucht den Bedeu- tungswandel bei weiten Entfernungen der Pfeifer und fragt sich, wie komplexe Literatur in "El Silbo" klingen würde. Alessandro Bosetti, Sopransaxophonist, Improvisationskünstler und Komponist, wurde 1973 in Mailand geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Mit seinem Hintergrund als Jazzsaxophonist entwickelte er einen ganz eigenen Stil auf seinem Instrument, hin zu einer völlig andersartigen Ästhetik, oft an der Grenze zwischen akustischen und elektronischen Klängen.

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Bernhard König: Tractatus von der hymmlischen unndt Teufflischen Organisten=kunst Komposition/Realisation: Bernhard König Sprecherinnen und Sprecher: Kornelia Bittmann, Sigrid Bode, Davide Brizzi, Burkhart Demberg, Susanne Dobrusskin, Klaus der Geiger, Nina Hassler, Nele Hippe-Davis, Mauricio Kagel, Harald Muenz, Alexandra Naumann, Astrid Rempel, Horst Mendroch, Karl-Heinz Tafel, Bernold Rix, Timon Schleheck, Else Natalie Warns Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2004 Länge: ca. 44'16'' / 5.1 Thema und zugleich "Hauptdarstellerin" der Radiokomposition ist die Orgel mit ihren höchst widersprüchlichen weltanschaulichen Konnotationen. Die Textebene schöpft aus den unterschiedlichsten Quellen: mittelalterlichen Orgel-Legenden, Werbeprospekten für Stummfilmorgeln, Referaten eines Orgel-Fachkongresses der Hitler-Jugend, päpstlichen Erlassen zum Gebrauch der Orgel im Gottesdienst oder altarabischen Quellen über den Einsatz der Orgel als Kriegsinstrument. In der Zusammenschau dieser Texte wird die Orgel zu einer höchst schillernden Allegorie. Sie steht gleichermaßen für die gebändigte wie für die entfesselte Technik, für Zirkusspektakel und kirchliche Andacht, für die göttliche Ordnung der "Sphärenharmonie" und für dämonische Maßlosigkeit. Musik und Text verhalten sich in der Radiokomposition zueinander wie die verschiedenen Orgelwerke einer imaginären, überdimensionalen und raumgreifenden Orgel, in der die menschliche Stimme eines von vielen Orgelregistern ist. Als Sprecher wirken unter anderem Mauricio Kagel und Kölns bekanntester Straßenmusiker Klaus der Geiger mit. Die Musik wurde nicht nur an verschiedenen Kirchenorgeln eingespielt, sondern auch an der Wurlitzer-Kinoorgel des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt und in der Werkstatt eines Orgelbauers. Der Autor und Komponist Bernhard König legt mit diesem Hörspiel seine zweite Arbeit für das Studio Akustische Kunst vor. Im Jahr 2002 entstand Königs Radiokomposition " ... della lingua perfetta", bei der geistig behinderte und nichtbehinderte Sprecher aus neun europäischen Ländern mitwirkten. Bernhard König, geboren 1967,aufgewachsen bei Frankfurt, lebt als freiberuflicher Komponist im Rheinland. Kompositionsstudium bei Claus Kühnl und Mauricio Kagel. Realisierung zahlreicher eigener Projekte in Grenzbereichen von Musik, Theater, Film und Hörspiel.

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C-Schulz / Peter Simon: Swiete Drogi - Polnische Pilgerfahrten Komposition/Realisation: Peter Simon und C-Schulz Autoren: Peter Simon, Carsten Schulz Instrumentalist: Andreas Gogol, Gitarre Technische Realisation: Benedikt Bitzenhofer Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2000 Länge: 50'25'' / 5.1 Unser unbekanntes Nachbarland Polen, die Heimat Papst Johannes Paul II, gilt westeuropäischen Liberalen, die mit der Verehrung der Schwarzen Madonna oder düsteren Karwochenkulten nichts anfangen können, vor allem als Zentrum eines restaurativen Katholizismus. Doch auch wer den Massenprozessionen oder pauschal organisiertem, religiösem Bustourismus fern steht, kann sich nur schwer der Sogwirkung einzigarti ger Soundscapes entziehen, zum Beispiel, wenn ganze Landstriche mit archaischen Lautsprechersystemen zur Übertragung von Gottesdiensten überzogen werden oder Tausende von Pilgern leise Gebete murmeln. Peter Simon und C-Schulz sind in der Karwoche 2003 mit Ihrem Aufnahme-Equipment in das Herz des "polnischen Jerusalems" vorgedrungen und verdichten Ihre Aufzeichnungen von den Osterliturgien zu einer Pilgerfahrt in unerschlossene Klanglandschaften. C-Schulz, geboren 1968, lebt und arbeitet als Komponist, Autor und Filmemacher in Köln. Verschiedene Schallplatten und CD Veröffentlichungen u.a. für Sonig und Entenpfuhl. Peter Simon, geb. 1969 in Polen, Experimental Filmer, Klangkünstler, Videokünstler, studierte Elektrotechnik und Physik an der Ruhr Universität Bochum, sowie Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

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John Cage: Roaratorio. Ein Irischer Circus über Finnegans Wake

Komposition/Realisation: John Cage und John David Fullemann Technische Mitwirkung: IRCAM, Paris Redaktion: Klaus Schöning Stimme: John Cage Gesang: Joe Heaney Instrumentalisten: Paddy Glackin, Geige, Peadar und Mel Mercier, Bodrhan, Matt Malloy, Flöte, Seamus Ennis, Uillean Pipe Produktion: Studio Akustische Kunst WDR/SDR/KRO Hilversum 1979 Karl-Sczuka-Preis 1979 Dauer: 60'15'' / 8-Kanal Mit "Roaratorio. Ein irischer Circus über Finnegans Wake" realisierte John Cage eine Komposition, die als ein Schlüsselwerk der akustischen Kunst des vergangenen Jahrhunderts gilt. In Roaratorio führt John Cage seine Erfahrungen mit Musik und Poesie, Lautdichtung und Tonbandmontage sowie Eingebundenheit in den Zen-Buddhismus zu einer allumfassenden Kosmogonie aus menschlicher Stimme, Naturlaut, Umweltklang, Geräusch, Gesang und Musik. Die langjährige intensive Beschäftigung mit dem epochalen Roman Finnegans Wake von James Joyce führte 1979 in Zusammenarbeit mit dem Studio Akustische Kunst zur Realisierung des Roaratorio. Der lautpoetische Text des Werkes besteht aus Zitaten aus Finnegans Wake . Die Buchstabenfolge des Namens des irischen Dichters James Joyce bildet die Mittelachse dieses meditativen Lautpoems, das John Cage selbst rezitierte. Für die Komposition der Musik, einem komplexen Geräusch- und Klang-Ambiente, wurde ebenfalls der Joyce-Text zugrunde gelegt. Mit Hilfe des alt-chinesischen Orakelbuches I-Ging ließ Cage durch Zufallsoperationen 2293 Klänge der in Finnegans Wake erwähnten Örtlichkeiten und Geräusche bestimmen. Diese wurden von ihm zu einer polyphonen Collage komponiert. Ergänzt wurde diese Montage durch irische Balladen, Jigs und Instrumentalmusiken, die er in Irland aufgenommen hatte. John Cage versteht dieses Stück auch als eine Möglichkeit, Werke der Weltliteratur ins Akustische zu transponieren und damit in eine Sprache, die allen zugänglich ist. "Ich meine immer mehr, dass wir eine Sprache brauchen, die ohne Übersetzung auskommt." Merce Cunningham choreografierte für seine New Yorker Dance Company ein Ballett zu dieser Weltmusik-Komposition.

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Anthony Moore: Moving Sounds Komposition/Realisation: Anthony Moore Redaktion: Klaus Schöning Regie: Peter Simon Technische Realisation: Benedikt Bitzenhofer / Jeanette Wirtz-Fabian / Barbara Göbel Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2000 Dauer: 48'00'' / 5.1 "Das Studio wird als volumetrischer Raum begriffen, durch den tönende Objekte schwimmen. Das Ziel ist, den Raum mit rein mechanischen Mitteln auszuloten. Alle Regler auf dem Mischpult sollten auf der gleichen Verstärkungsstufe bleiben, während die 'pan pots' links und rechts voll eingestellt sein sollten. Klänge, die leise sind, sind weit entfernt; laut ist daher gleichbedeutend mit nah. Bewegungen nach links und rechts entsprechen der Wirklichkeit in einem Netz beweglicher Empfänger (Mikrofone) und mobiler Quellen. Eine Reihe von Experimenten wird von unterschiedlichen Bewegungsmustern abgeleitet, die mit Pendeln und anderen Geräten erzeugt werden. Die Ergebnisse dieser Experimente werden dann zu einem Stück über den Raum und sich verschiebende Klangperspektiven komponiert." (Anthony Moore)

Anthony Moore, Komponist und Medienkünstler. Zahlreiche Musikstücke, Songs, Klanginstallationen und Film-Musiken, die internationale Preise erhielten. 1972 Mitbegründer der Band Slapp Happy. Zusammen mit der Musikgruppe Pink Floyd Aufnahme von zwei Alben. Komponist der Fernseh-Oper Camera, ein Auftragswerk von Channel 4, die Elemente des Experimentalfilms und der Vokalmusik verbindet. Moore arbeitet mit digitalen Aufnahmeverfahren (Signal Processing und MIDI-Sequencing). Mehrere Schallplatten-Alben mit eigenen Werken sowie zahlreiche Publikationen. Seit 1996 zunächst Professor für Auditive Gestaltung in den Medien und Leiter des Music Departments an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), 2000-2004 Rektor der KHM Köln sowie Initiator und künstlerischer Leiter der Sound Events per->SON.

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Andreas Bick: dripping

Komposition/Realisation: Andreas Bick Redaktion: Klaus Schöning Technische Realisation: Thomas Seringer / Petra Kohn Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2000 Prix Ars Acustica 2000 Länge: 29'00'' / 5.1 Andreas Bick: "Dripping entführt den Zuhörer in imaginäre Räume, deren physikalische Strukturen durch die Komposition von klangauslösenden Tropfen erfahrbar werden. Die Tropfen können als Echolote eines Ortungssystems gedacht werden, mit dem sich der Zuhörer aus der Insektenperspektive einen Mikrokosmos leisester Geräusche erschließt. Die melodischen und rhythmischen Strukturen wurden mit eigens für dripping konstruierten Tropfvorrichtungen erzeugt, in denen mehrere Tropföffnungen durch symmetrisch angeordnete Schläuche mit einer Wasserzufuhr verbunden sind. Die Anordnung von Klangkörpern unterschiedlicher Tonhöhe unter den Tropföffnungen schließlich erzeugt melodische Strukturen - ein freilaufendes System selbst generierter musikalischer Muster entstand. Mehrere Tropfmuster wurden zu dichten Strukturen verwoben, die sich aus den konkreten Räumen und 'virtuellen' Klanglandschaften entwickeln."

Andreas Bick (*1964), seit 1995 freischaffender Komponist von Filmmusik und RadioProduktionen der Akustischen Kunst. 1992-1996 Tätigkeit als Musikpädagoge, Management von Musikprojekten. Seit 1988 Toningenieur und Musikproduzent in verschiedenen Studios. Aufnahmen diverser Musikrichtungen. Produktion von FernsehTrailern und Radio-Spots. Konzeption und Ausstattung von Tonstudios. 1983 bis 1986 Gitarrist in verschiedenen Rock-Bands.1987 bis 1988 Realisierung experimenteller Kompositionen und Klanglandschaften. Werke, Filmsoundtracks u.a.: Clock Paradox (1987), urbane Klanglandschaft und Komposition, Memento (1988), Morin K. (1989), Sperling und das Loch in der Wand (ZDF 1996), Kids von Berlin (ZDF 1997/1998), Pilotfilm und 10-teilige Serie, Tatort - Tötliches Labyrinth (ARD 1999), Tatort - Das Letzte Rodeo (ARD 2000), Tatort - Der Trippler (ARD 2000).

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Peter Pannke: Itinerarium Kircherianum

Komposition/Realisation Peter Pannke Aufnahme der Performancefassung im ArtKite Museum, Detmold, vom 17. Mai 2003 Mitwirkende: Roberto Laneri (Saxophon, Klarinette & Stimme) Klangregie: Andres Bosshard / Technische Realisation: Michael Peschko Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2000/2003. Länge: 50'56'' / 5.1 Als "Meister von hundert Künsten" wurde der barocke Universalgelehrte Athanasius Kircher ebenso bezeichnet wie als ein vom "highway der europäischen Geistesgeschichte abgeirrter outlaw des Denkens", als "sprachbegabtes Wunderkind" des Barock ebenso wie als "genialer Zeichentheoretiker". Neben und vor all diesem aber war er auch ein Ahnherr der Ars Acustica, die als eine Erweiterung der Ars Magna Ramon Lulls sein ganzes Denken und Schaffen bestimmte. Mit geradezu phänomenal anmutender Energie produzierte er nicht nur ganze Berge von Büchern, sondern stellte seine Entdeckungen auch im Museo Kircheriano aus. Aber auch das ganze Arsenal von Instrumenten und Ideen, das zur Entwicklung moderner akustischer Kommunikationstechniken, zu drahtloser Nachrichtenübertragung, zu Lautsprechern, Verstärkern und Samplern führte, hat Kircher zwar nicht erfunden, aber zumindest erahnt. Dass sich Athanasius Kirchers Geburtstag am 2. Mai 2002 zum 400. Male jährte, ist sicherlich nicht der alleinige Grund für die Wiederentdeckung und Neubewertung seines Schaffens. Kircher operierte in einer geradezu modern anmutenden Weise an der Schnittstelle von Wissenschaft, Religion und Kunst. Eingebettet in akustische Notizen der Recherche, die der Autor für diese Komposition machte, und in elektronische Bearbeitungen originaler Klänge, entstand ein Porträt des barocken Universalgelehrten.

Peter Pannke, geboren 1946, Musiker, Autor, Komponist, Musikethnologe, Gründungsmitglied des Freien Musikzentrums München und der Musikschule Vraja Kala Gurukula Vrindaban. Studierte Dhrupad-Gesang in Indien bei den Sängerfamilien der Dagars und Maliks. Er gilt als bedeutender Kenner insbesondere der indischen Musik und gründete 1983 das erste audiovisuelle Archiv für Dhrupad-Kompositionen. 1992 gehörte er zu den Organisatoren des Hear India-Festivals. Peter Pannke hat für das Studio Akustische Kunst die Kompositionen "Metropolis Benares", "Alles ein atmendes Buch", "Voicage", "Nada Kshetra" und "LopLop Records" realisiert.

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Michael Riessler: Berenice Tableau Komposition/Realisation: Michael Riessler Performance-Fassung: Mitschnitt vom 19. April 2004 aus dem Stadtgarten Köln Vokalist: Elise Caron Instrumentalisten: Jean-Pierre Drouet, Perkussion, Pierre Charial, Drehorgel Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2004 Länge: 49'36'' / 5.1 "Als ihr junger Ehemann Ptolemaios Euergetes in den Krieg ziehen musste, weihte die Berenike ihm eine Locke ihres Haupthaares... "; so beginnt die Legende der Königstochter von Kyrene, deren Locke sich in ein Sternbild verwandelt. Michael Riesslers fünfte Arbeit für das Studio Akustische Kunst bezieht sich weniger auf die antike Sage selbst als auf Ihr Echo in den experimentellen Texturen des französischen Autors und Nobelpreisträgers Claude Simon. Sein schmales Bändchen "Le chevelure de Berenice" mit seiner lebhaften ungebundenen Sprache steht Pate für die subtilen Klänge und fesselnden Improvisationen. Für die Performance hat der 45jährige Improvisator die Sängerin Elise Caron, den Perkussionisten Jean Pierre Drouet und den Drehorgelmeister Pierre Charial eingeladen.

Michael Riessler, geboren 1957, Komponist und einer der bekanntesten deutschen Jazz-Musiker (Klarinette und Saxophon), wirkte als Interpret auch in zahlreichen Kompositionen u.a. von Mauricio Kagel, John Cage, Vinko Globokar, Steve Reich, Dieter Schnebel und Helmut Lachenmann mit, ebenso arbeitete er zusammen u.a. mit verschiedenen Sinfonieorchestern (WDR, NDR), dem Ensemble Modern, dem Ensemble Köln, dem Orchestre National de Jazz, dem Clementi-Trio und dem Ensemble 13, für das er 1993 seine Komposition "Momentum Mobile" realisierte. 1992 wurde er mit dem Jazzpreis des SWF und dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. "Ji-Virus" wurde auf der Acustica International '96 des Studios Akustische Kunst von dem Komponisten als Live-Performance uraufgeführt. 1997 realisierte er das Hörstück "Chansons" (5. Acustica International) und im Jahr 1999 das Prix Italia Werk "Fever" (6. Acustica International).

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Antje Vowinckel: Die Zähler/The Counters Komposition/Realisation: Antje Vowinckel Technische Realisation: Daniel Velasco / Per Hartnack Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2004 Länge: 29'59'' / 5.1 Fast jeder zählt im Alltag: Stufen, Autos, Gurkenscheiben. Zwangszähler können jedoch nicht mehr damit aufhören. "Ein ewiger Singsang" bestimmt ihr Leben. Endlose rhythmische Zahlenketten, manchmal mehrere gleichzeitig, besetzen den Kopf und füllen ihn aus. Linearität weitet sich aus ins Räumliche. Die ursprünglich gezählten Dinge spielen keine Rolle mehr. "Diese Transformation möchte ich hörbar machen" beschreibt Antje Vowinckel ihr Projekt. "Die metrischen Rhythmen konkreter Geräusche sollen sich durch musikalische Abstraktion und räumliche Verteilung zu einer eigenen Klangwelt entwickeln".

Antje Vowinckel, 1964 in Hagen/ Westfalen geboren, studierte Germanistik und Musik in Bielefeld. Nach ihrer Promotion über "Collagen im Hörspiel - die Entwicklung einer radiophonen Kunst" und einem Volontariat beim SWF in Baden-Baden arbeitete sie eine Zeit lang als Hörspieldramaturgin beim SWR. Seit 2000 ist sie als freie Hörspielautorin und -regisseurin in Berlin tätig. Antje Vowinckel wurde mit dem "Prix Europa", dem "Plopp-Award" und mit dem "Hörspielpreis der Akademie der Künste" (zusammen mit Falk Richter) ausgezeichnet.

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Werner Cee: Ton der Luft

Komposition/Realisation: Werner Cee Stimmen: Chor "Klangfarben Gießen". Leitung: Axel Pfeiffer / Susanne Erker. Technische Realisation: Benedikt Bitzenhofer. Assistenz: Peter Simon Aufnahmeorte: Naturschutzgebiet in Leun an der Lahn; Hofgut Birklar, Lich Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2002 Länge: 41'50'' / 5.1 "Ton der Luft" ist eine Landschaftsmalerei mit Mitteln der akustischen Kunst. Schichtung, Akzentuierung, Kontrastierung, Mischung, Verwischen, Lasieren: Techniken, die üblicherweise in der Malerei angewendet werden, gestalten hier ein Hörstück. Jede noch so realistische Malerei ist stets Abstraktion, denn jedes Detail muss benannt und interpretiert, für jede Erscheinung ein Zeichen gefunden werden. Im Gegensatz zur dokumentarisch abbildenden Soundscape-Komposition wird bei "Ton der Luft" eine Klanglandschaft mit musikalischen Mitteln inszeniert. Ähnlich wie in der Übergangsphase zwischen Impressionismus und Expressionismus werden dem Abbild der Realität poetisch interpretierende Zeichen hinzugefügt, die Atmosphäre des Ortes, des Lichts, des Moments so herausgearbeitet, dass es zu Wechselwirkungen zwischen äußerer Erscheinung und Innerem kommt. Analog zur plein-air-Malerei entstanden alle Tonaufnahmen im Freien, unmittelbar in der Landschaft. Für ausgewählte Orte (einen verwilderten Steinbruchsee, den Innenhof eines alten Hofguts) wurde eine akustische Choreographie entwickelt. Akteure erzeugen eine Vielfalt von konkreten Klängen und Stimmgeräuschen, die sich mit der natürlichen akustischen Landschaft verweben, sie teils nur subtil einfärben, teils völlig übermalen, so dass es zu einem Wechselspiel von Soundscape und musique concrète kommt. Zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten, in verschiedenen Wetterstimmungen entstanden Aufnahmen in Surround-Technik, die ein genaues Abbild der Positionen und Klangbewegungen ermöglicht. Musikalisch gestaltet wurde das Hörstück ausschließlich auf Grundlage der reinen Mikrofonaufnahmen.

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Zwar erscheinen in der Komposition an elektroakustische Musik erinnernde Szenen, doch sind die Klänge sind lediglich geschnitten und montiert (und nicht technisch manipuliert) worden. Die verwendeten Texte stammen aus "Über das Geistige in der Kunst" von Vassily Kandinsky und einer Liste von Malpigmenten. Sie machen das Stück auf einer zusätzlichen Ebene zu einer akustischen Farbenlehre. Gewidmet dem Maler Wilhelm Hofmann.

Werner Cee, geboren 1953 in Friedberg/Hessen, ist Komponist und Klangkünstler. Studium der bildenden Kunst in der Städelschule Frankfurt am Main. Seit 1988: Medienkunst, Klanginstallation, elektroakustische Komposition; in neuerer Zeit vor allem akustische Kunstwerke, Hörstücke für den Rundfunk und Raumklanginszenierungen. Die Werke von Werner Cee wurden bei zahlreichen internationalen Festivals aufgeführt und prämiert.

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Rilo Chmielorz: A Cage of Mad Mariachis

Komposition/Realisation: Rilo Chmielorz Instrumentalisten: Franz Hautzinger, Trompete, Diego Espinosa, Perkussion, Seth Josel, Gitarren Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2003 Länge: 30'08'' / 5.1 Der WDR-Produktionspreis des 2002 erstmalig vom Skulpturenmuseum Glaskasten Marl und WDR 3 ausgeschriebenen Deutschen Klangkunstpreises ging an die Kölner Performance- und Klangkünstlerin Rilo Chmielorz. Aus Studioaufnahmen des Trompeters Franz Hautzinger, des Gitarristen Seth Josel und des Perkussionisten Diego Espinosa sowie Feldaufnahmen diverser Mariachi-Bands, die allabendlich auf der Plaza Garibaldi in Mexico City um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen, entstanden akustische Lasuren, die Rilo Chmielorz als Kratzgrund dienten. So entwickelte sich "eine (laut)malerische Transparenz, die ein scheinbar musikalisches Chaos seziert".

Rilo Chmielorz, 1954 geboren in Lünen, arbeitet nach Multimedia-Studien bei Daniel Spoerri als Bildende Künstlerin, Komponistin, Performerin und Therapeutin in Köln. Seit mehr als 10 Jahren beschäftigt sich Rilo Chmielorz mit gekratzten Tönen und Zeichen und deren musikalischer Verformung mit elektroakustischen Verfahren. Von 1988-1993 war sie Lehrbeauftragte an der Studiobühne der Universität Köln. Zahlreiche Workshops im In- und Ausland. Installationen und Performances bei den Donaueschinger Musiktagen.

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Caroline Wilkins: Le Fisarmoniche

Komposition/Realisation: Caroline Wilkins Technische Realisation: Daniel Velasco und Barbara Göbel Stimmen: Luciana Caglioti, Agnese Franceschini, Ian Halcrow, Jörg Hustiak Texte: John Berger Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2002 Länge: 31'55'' / 8-Kanal In ihrem Beitrag zum Prix Ars Acustica 2001 erkundet Caroline Wilkins das Innenleben des Akkordeons. Sie begibt sich auf Spurensuche in Instrumentenmanufakturen, erforscht die Tiefenpsychologie der Balggeräusche und entwirft ein sinnliche Kulturgeschichte des so genannten Schifferklaviers.

Caroline Wilkins, (*1953 in England), Studium am Royal College of Music, London. An der Staatshochschule für Musik in Sydney Gastdozentin für Klavierimprovisation und Komposition im Bereich Neues Musiktheater. 1987 Stipendiatin in der Kompositionsklasse von Mauricio Kagel an der Kölner Hochschule für Musik. Seitdem weitere Stipendien, u.a. an der Akademie Schloss Solitude, Künstlerhof Schreyahn, Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf und von der Stiftung Kulturfond Berlin. 1992 Erster Preis des FMF Kompositionswettbewerbs in Bern, 1993 und 1995 Finalistin der Carl Maria von Weber- und Barbara Johnston-Kompositionswettbewerbe in Dresden und Oxford. Seit 1989 zahlreiche Aufführungen und Sendungen ihrer Musik in Europa, Australien, der USA und Asien, bei internationalen Festivals sowie den IGNM-Weltmusiktagen. Ihre kompositorische Tätigkeit umfasst Solo- und Kammermusik sowie Neues Musiktheater und elektro-akustische Werke.

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LMS: Continuity Illusions

Komposition/Realisation: LMS Autoren: Jörg Lindenmaier Anthony Moore, Peter Simon Technische Realisation: Daniel Velasco-Schwarzenberger / Barbara Göbel Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2003 Länge: 14'52'' / 5.1 Continuity Illusions ist eine Komposition über Geschwindigkeit, Wahrnehmung und Raum/Zeit-Konzepte. Kurze Klangpartikel und -ausbrüche rotieren in wechselnden Geschwindigkeiten durch die Lautsprecher. Scheinbare Überlappungen entwickeln sich und setzen sich in einer Wellenbewegung durch das Klangfarbenspektrum fort in einem behutsam gesteuerten Experiment mit linearen Sequenzen und nachlassender Stille. Wie bei allen beschleunigten Bewegungen gibt es Phasen, in denen man Verlangsamung, Stillstand und Umkehrung wahrnimmt. Die Dynamik dieser Phasen bildet die Basis der musikalischen Komposition.

LMS - im Jahr 2002 entwickelte LMS ein 8-Kanalstück für das Video-Tanz-Projekt "Full Play", das an vier Aben- den in La Villette, Paris gezeigt wurde. Ein zweites Auftragswerk wurde im 2002 im Museum für Ange- wandte Kunst in Köln im Rahmen der Buckminster Fuller Ausstellung "My Private Sky" präsentiert. LMS sind Jörg Lindenmaier, Anthony Moore und Peter Simon.

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C-Schulz: Flicker

Komposition/Realisation: C-Schulz Instrumentalisten: C-Schulz, Akkordeon/E-Bass/elektronische Klänge, Jan Werner, Schlagzeug, Andi Thoma, E-Gitarre Technische Realisation: Brigitte Angerhausen / Barbara Göbel Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2003 Länge: 9'45'' / 5.1 Die 10minütige Raumklangstudie von C-Schulz basiert auf einer monophonen Akkordeon-Aufnahme, die ursprünglich als Soundtrack für einen Experimentalfilm verwendet wurde. Durch Klangmanipulationen und Umschichten dieser Aufnahme entsteht eine schwebende Metrik und eine kontinuierlich oszillierende Klangbewegung im Raum. Der Titel "Flicker" bezieht sich auf ein (Sub-) Genre des Experimentalfilms, die sogenannten Flickerfilme, die mit extrem kurzen Bildsequenzen arbeiten. Das dabei entstehende stroboskopartige Flackern wird in der rhythmischen Struktur der Akkordeonstöße aufgegriffen.

C-Schulz, geboren 1968, lebt und arbeitet als Komponist, Autor und Filmemacher in Köln. Verschiedene Schallplatten und CD Veröffentlichungen u.a. für Sonig und Entenpfuhl.

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Caroline Wilkins: Mecanica Natura

Komposition/Realisation: Caroline Wilkins. Flöte: Camilla Hoitenga Technische Realisation: Daniel Velasco / Barbara Göbel Produktion: Studio Akustische Kunst WDR/ABC Sydney 2000 Karl-Sczuka-Preis 2000. Länge: 30'43'' / 8-Kanal Caroline Wilkins: "Bei Theatri Machinarum, dem ersten Werk für das Studio Akustische Kunst, erforschte ich einen imaginären Raum von Maschinen und Klangobjekten ein Maschinentheater. Mecanica Natura ist eine Weiterführung des Themas, wobei es zu einem 'Dialog' zwischen Maschinen und Rhythmen und Konstellationen der Umweltgeräusche kommt. In den 'Mechanismen' der Natur finden sich Parallelen zu ihren künstlichen Gegenstücken. Auf Grund meines besonderen Interesses an Musikmaschinen erforschte ich die Arbeit von Percy Grainger's Free Music Machines' sowie seinen Einfluss auf zeitgenössische künstlerische Entwicklungen. Die komplexen Rhythmen, polyphonen Texturen und 'gleitenden Tonhöhen', die auf seinen Maschinen ermöglicht wurden, sind von den Klängen und Geräuschen der Umwelt inspiriert worden. Das Material für Mecanica Natura basiert auf Aufnahmen historischer und zeitgenössischer Musikmaschinen aus Australien, Deutschland und Ungarn, u.a. die Talking Machine des Künstlers Martin Riches. Darüber hinaus werden OriginaltonAufnahmen aus der natürlichen Umwelt Australiens und Europas verwendet, sowie meine Komposition für Flöte unter dem Titel ffffff, die sich direkt von Riches 'Fluteplaying Machine' und von Naturgeräuschen inspirieren ließ."

Caroline Wilkins, (*1953 in England), Studium am Royal College of Music, London. An der Staatshochschule für Musik in Sydney Gastdozentin für Klavierimprovisation und Komposition. 1987 Stipendiatin in der Kompositionsklasse von Mauricio Kagel an der Kölner Hochschule für Musik. Seitdem weitere Stipendien, u.a. an der Akademie Schloss Solitude, Künstlerhof Schreyahn, und von der Stiftung Kulturfond Berlin. 1992 Erster Preis des FMF Kompositionswettbewerbs in Bern, 1993 und 1995 Finalistin der Carl Maria von Weber- und Barbara Johnston-Kompositionswettbewerbe in Dresden und Oxford. Seit 1989 zahlreiche Aufführungen und Sendungen ihrer Musik in Europa, Australien, der USA und Asien, bei internationalen Festivals. Ihre kompositorische Tätigkeit umfasst Kammermusik, Neues Musiktheater und elektro-akustische Werke.

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Thomas Gerwin: Feuer-Werk

Komposition / Realisation: Thomas Gerwin Technische Realisation: Daniel Velasco / Werner Jäger Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2003 Länge: 48'11'' / 8-Kanal Der in Berlin lebende Soundartist Thomas Gerwin entwickelt in seiner neuesten Klangkomposition hypnotisch (alb-)traumhafte Feuervisionen. Reinigende, destruktive und energetische Flammen breiten sich in einer komplexen Montage von Spezialaufnahmen aus zu einem Klangflächenbrand. Flammen-Sounds werden extrem gedehnt, die darin gefundenen Klangstrukturen reliefartig herausgearbeitet, räumlich ausgebreitet, gefaltet und wieder aufgefaltet. Gerwin spürt den Rhythmen der Loderzungen nach, verfolgt die Entwicklungen feuriger Ereignisse von der Entstehung (z.B. durch Druck im Erdinneren) bis zu ihren Auswirkungen (z.B. einem Vulkanausbruch und der Ausbreitung der glühenden Lava). Thomas Gerwin, geboren 1955, ist traditionell ausgebildeter Komponist und Musikwissenschaftler. Er kam sehr früh zur elektroakustischen Musik, später beschäftigte er sich außerdem intensiv mit "Soundscape Composition". Als Ausdrucksmittel seiner medien- übergreifenden Arbeiten bezieht er immer wieder neue Medien, Theater, Tanz, Film und Skulptur mit ein. Zur Zeit arbeitet er im eigenen Studio verstärkt im Bereich Klang- und Videoinstallation und komponiert für Radio und Konzert.

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Matthias Kaul: Electric Bath Hörstück von einem badenden Schlagzeuger Komposition/Realisation: Matthias Kaul Texte: Henri Michaux, aus "Im Lande der Zauberei" Technische Realisation: Christoph Franke Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2002 Länge: 51'53'' / 5.1 Ob im Ganges oder in der Wanne, Baden ist mehr als Waschen, Baden ist ein Ritual. So interessierte Matthias Kaul - Klangkünstler und Badender aus Leidenschaft - an der Zeremonie auch mehr die klangliche als die reinigende Qualität des Bades. Auch das Unten ließ ihn nicht los. Je tiefer die Füße im Wasser steckten, desto größer sahen sie aus. Ob das mit den Klängen so ähnlich war? Im "Electric Bath" hat Kaul die klingende Unterwelt durch sogenannte Hydrophone (Unterwassermikrophone) hörbar gemacht. Der badende Schlagzeuger hat Klänge von Wasserinstrumenten aus aller Welt mit vokalen Ereignissen und Wassergeräuschen über und unter Wasser gehört - zu einer fast einstündigen Ohrenreinigung gemischt. Dabei greift er auf die literarische Vorlage "Im Lande der Zauberei" von Henri Michaux zurück: "Nicht selten kommt es vor, dass man auf einer Chaussee eine Woge erblickt, eine einzelne Woge, eine Woge abseits des Ozeans. Sie ist bar jeden Nutzens, stellt kein Spiel dar. Dies ist ein Fall von magischer Spontaneität."

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Kuhn / Kurt / Moss: BrückenRadioMusik von und mit Hans-Peter Kuhn, Stefan Kurt und David Moss Realisation: Peter Behrendsen Instrumentalisten: Stefan Kurt, Stefan Moss, Hans Peter Kuhn, Elektronik Sprecher: Stefan Kurt, David Moss Aufnahme vom 27.06.2004 aus der Deutzer Brücke/Funkhaus Köln Produktion: WDR Studio Akustische Kunst 2004 Länge: 50'21'' / 5.1 Im Innern der Deutzer Brücke, die die Kölner Altstadt mit der rechtsrheinischen "Schäl Sick" befindet sich ein der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglicher, langgestreckter, dreiteiliger Raum, der sogenannte Hohlkasten. Seit einem Jahrzehnt lockt der Kölner Musiker, Regisseur und Klangkünstler Peter Behrendsen für die "Brückenmusik" immer wieder prominente SoundArt-Projekte in diesen Raum. Unter anderem haben Alvin Lucier, Alvin Curran, Phil Niblock, hans w. koch und Roberto Paci Dalo hier bereits Arbeiten präsentiert. Zur zehnten Ausgabe der Brückenmusik gab es am 27. Juni 2004 einen Brückenschlag zwischen dem Kölner Funkhaus und dem Hohlkasten der Brücke: Hans-Peter Kuhn, Stefan Kurt und David Moss vernetzten die Raumatmosphären der Brücke und des WDR-Sendessaals. Hans Peter Kuhn wurde 1952 in Kiel geboren. Neben der umfangreichen Tätigkeit für Theater - insbesondere mit Robert Wilson - und Ballett, hat er seit Mitte der 70er Jahre etliche Klanginstallationen weltweit ausgestellt. Musik für Kino, Dokumentarfilme und Kunstvideos. Stefan Kurt, geboren am 1959 in Bern, besuchte das Konservatorium für Musik und Theater in Bern und hatte 1993 in einer "Tatort"-Folge seine erste Rolle vor der Kamera. Seine anschließende Hauptrolle in "Der Schattenmann" brachte Kurt sofort diverse Auszeichnungen, u.a. den renommierten Adolf-Grimme-Preis.

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David Moss, geboren 1949, stammt aus Long Island, lebte lange in Connecticut sowie in Marlboro, Vermont, und mischte seit den siebziger Jahren in den AvantgardeKüchen von New York, Paris und Berlin mit. Der Schlagzeuger und Percussionist, für den im Laufe der Jahre der Einsatz der Stimme immer wichtiger wurde, arbeitete von Anfang an an Solo- Konzepten wie auch an gemeinsamen Projekten mit anderen Musikern und an medialen Vernetzungen von Klang, Bewegung, Tanz, Video, Theater etc. Peter Behrendsen, geboren. 1943 in Wiener Neustadt (Österreich), Hörfunkregisseur und –autor, Performer und Komponist (elektronische, elektro-akustische sowie TextSound-Stücke); Teilnahme an vielen Konzerten und Festivals; Hörspielregie; Organisator und Realisator akustischer Kunst-Projekte, lebt in Köln.

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Studio für Elektronische Musik Auf den Seiten 29 bis 45 finden Sie Einführungstexte zu den Werken der Elektronischen Musik, die im Kleinen Rheinsaal der Koelnmesse nach folgendem "Fahrplan" präsentiert werden:

28.10. 1.11. 5.11. und 9.11. ab 16:15 Uhr Studio für Elektronische Musik KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Kontakte (1958-60) [ca. 35'] EUGENIUSZ RUDNIK *1933 Vox Humana (1967) [ca. 7'] WLODZIMIERZ KOTONSKI *1925 Klangspiele (1967) [ca. 10'] YORK HÖLLER *1944 Horizont (1972) [ca. 11'] PETER EÖTVÖS *1944 Elektrochronik (1974) [ca. 24'] JOHN McGUIRE *1942 Vanishing Points (1988) [ca. 26'] KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Gesang der Jünglinge (1955-56) [ca. 14'] MICHAEL VON BIEL *1937 Fassung (1964) [ca. 14'] PAULO C. CHAGAS *1953 Migration (1995 - 1996) [ca. 25'] GYÖRGY LIGETI *1923 Artikulation (1958) [ca. 4'] GOTTFRIED MICHAEL KÖNIG *1926 Terminus 1 (1962) [ca. 15'] HERBERT EIMERT (1897-1972) Epitaph für Aikichi Kuboyama (1960-62) [ca. 22'] IANNIS XENAKIS (1922-2001) La Legende d'Eer (1977) [ca. 46']

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29.10. 2.11. 6.11. und 10.11. ab 16:15 Uhr Studio für Elektronische Musik KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Kontakte (1958-60) [ca. 35'] EUGENIUSZ RUDNIK *1933 Vox Humana (1967) [ca. 7'] WLODZIMIERZ KOTONSKI *1925 Klangspiele (1967) [ca. 10'] YORK HÖLLER *1944 Horizont (1972) [ca. 11'] PETER EÖTVÖS *1944 Elektrochronik (1974) [ca. 24'] JOHN McGUIRE *1942 Vanishing Points (1988) [ca. 26'] KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Gesang der Jünglinge (1955-56) [ca. 14'] MICHAEL VON BIEL *1937 Fassung (1964) [ca. 14'] PAULO C. CHAGAS *1953 Migration (1995 - 1996) [ca. 25'] GYÖRGY LIGETI *1923 Artikulation (1958) [ca. 4'] GOTTFRIED MICHAEL KÖNIG *1926 Terminus 1 (1962) [ca. 15'] HERBERT EIMERT (1897-1972) Epitaph für Aikichi Kuboyama (1960-62) [ca. 22'] IANNIS XENAKIS (1922-2001) La Legende d'Eer (1977) [ca. 46']

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30.10. 3.11. 7.11. und 11.11. ab 16:15 Uhr Studio für Elektronische Musik KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Kontakte (1958-60) [ca. 35'] EUGENIUSZ RUDNIK *1933 Vox Humana (1967) [ca. 7'] WLODZIMIERZ KOTONSKI *1925 Klangspiele (1967) [ca. 10'] YORK HÖLLER *1944 Horizont (1972) [ca. 11'] PETER EÖTVÖS *1944 Elektrochronik (1974) [ca. 24'] JOHN McGUIRE *1942 Vanishing Points (1988) [ca. 26'] KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Gesang der Jünglinge (1955-56) [ca. 14'] MICHAEL VON BIEL *1937 Fassung (1964) [ca. 14'] PAULO C. CHAGAS *1953 Migration (1995 - 1996) [ca. 25'] GYÖRGY LIGETI *1923 Artikulation (1958) [ca. 4'] GOTTFRIED MICHAEL KÖNIG *1926 Terminus 1 (1962) [ca. 15'] HERBERT EIMERT (1897-1972) Epitaph für Aikichi Kuboyama (1960-62) [ca. 22'] IANNIS XENAKIS (1922-2001) La Legende d'Eer (1977) [ca. 46']

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31.10. 4.11. und 8.11. ab 16 Uhr Studio für Elektronische Musik KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Kontakte (1958-60) [ca. 35'] EUGENIUSZ RUDNIK *1933 Vox Humana (1967) [ca. 7'] WLODZIMIERZ KOTONSKI *1925 Klangspiele (1967) [ca. 10'] YORK HÖLLER *1944 Horizont (1972) [ca. 11'] PETER EÖTVÖS *1944 Elektrochronik (1974) [ca. 24'] JOHN McGUIRE *1942 Vanishing Points (1988) [ca. 26'] KARLHEINZ STOCKHAUSEN *1929 Gesang der Jünglinge (1955-56) [ca. 14'] MICHAEL VON BIEL *1937 Fassung (1964) [ca. 14'] PAULO C. CHAGAS *1953 Migration (1995 - 1996) [ca. 25'] GYÖRGY LIGETI *1923 Artikulation (1958) [ca. 4'] GOTTFRIED MICHAEL KÖNIG *1926 Terminus 1 (1962) [ca. 15'] HERBERT EIMERT (1897-1972) Epitaph für Aikichi Kuboyama (1960-62) [ca. 22'] IANNIS XENAKIS (1922-2001) La Legende d'Eer (1977) [ca. 46']

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Einführungstexte Karlheinz Stockhausen: Kontakte (1958-60)

Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Karlheinz Stockhausen, Gottfried Michael Koenig Uraufführung: Musik der Zeit Köln 11.6.1960 Karlheinz Stockhausen schreibt über seine Komposition "Kontakte": "Das Werk Kontakte existiert in zwei Versionen: Eine 4-spurige für elektronische Klänge […], und eine zweite Version für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug, bei der die elektronischen Klänge durch eine vierkanalige Lautsprecheranlage wiedergegeben werden, und gleichzeitig zwei Instrumentalisten Metall-, Fell-, Holzinstrumente und Klavier spielen. Die elektronischen Klänge wurden erzeugt mit Hilfe eines Impulsgenerators (dessen Impulsgeschwindigkeit kontinuierlich zwischen 16 und 1/16 Impulsen pro Sekunde und dessen Impulsdauern zwischen 1/10000 und 9/10 sec variiert werden können), ferner mit Hilfe eines abstimmbaren ,Anzeigeverstärkers' (als relativ enges Filter) mit kontinuierlich veränderbarer Bandbreite und entsprechend variierten Abklingdauern, und eines gerasterten Bandfilters. Für einige wenige Schallereignisse wurden Sinusgeneratoren und ein Rechteck-Generator verwendet. Die meisten Klänge, Klanggeräusche oder Geräusche entstanden durch vielfache Beschleunigung rhythmisierter Impulsfolgen. Bei bestimmten Klängen wurde eine Nachhallplatte mit kontinuierlich regulierbarer Nachhallzeit benutzt. Die Skala der elektronisch erzeugten ,Klangfarben' enthält bekannte Töne, Klänge und Geräusche und vermittelt zwischen ihnen (metallisch, fellähnlich, holzähnlich etc.); sie ermöglicht Klangtransformationen von jeder dieser Kategorien zu jeder anderen und Klangmutationen zu völlig neuen, bisher unbekannten Schallereignissen.

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Mit dem Titel sind sowohl Kontakte zwischen elektronischen und instrumentalen Klang- Gruppen, als auch Kontakte zwischen selbständigen, sehr charakteristischen Momenten und - bei vierkanaliger Lautsprecherwiedergabe - zwischen räumlichen Bewegungsformen gemeint. Fünf räumliche Bewegungsformen kontangieren in differenzierten Geschwindigkeiten und Richtungen auf immer neue Art (Rotation, Schleifenbewegung, Alternation, fixe Quellen getrennt - aus allen Verschiedenes -, fixe Quellen verbunden - aus allen dasselbe -, Raumpunkte vereinzelt). Die vollkommen gleichberechtigte Einbeziehung der räumlichen Bewegung in die Komposition war nur möglich mit Hilfe neuer Verfahren. Ohne die Unterstützung der technischen Abteilung des WDR wäre es mir unmöglich gewesen, diese Vorstellung zu verwirklichen."

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Eugeniusz Rudnik: Vox humana für Tonband (1967) Realisation: Eugeniusz Rudnik Uraufführung: Köln 28.04.1967 Eugeniusz Rudnik; geb. 1933, langjähriger Leiter des Elektronischen Studios des Warschauer Rundfunks, ist einer der Pioniere polnischer Radiokunst. Er arbeitete 1967/1968 als Toningenieur mit dem Komponisten Wlodzimierz Kotonski im Studio für Elektronische Musik des WDR zusammen.

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Wlodzimierz Kotonski: Klangspiele (Jeux sonores), Elektronische Komposition (1966-67) Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Eugeniusz Rudnik Uraufführung: Musik der Zeit Köln 28.04.1967 Wlodzimierz Kontonski, geb. 1925 in Warschau, studierte dort Komposition bei Piotr Rytel und Tadeusz Szeligowski. Forschungen über die Folklore der Karpaten und der Tatra. 1957 erster Besuch der Darmstädter Ferienkurse für neue Musik. Kotonski war wie Rudnik Mitarbeiter im Elektronischen Studio des polnischen Rundfunks. Kotonski schreibt zu seinem Werk: "Das Grundmaterial bildeten einmal Klänge aus dem Impulsgenerator, zum anderen Tonaufnahmen von konkreten Klängen, die auf Schlaginstrumenten und verschiedenen Materialien (Holz, Glas etc.) produziert und über Kontaktmikrophone verstärkt wurden. Es wird eine eigene abstrakte Klangwelt angestrebt, die keine Assoziationen an Instrumentales oder an Naturgeräusche bietet. Man unterscheidet sechs Klangkategorien: Kontinuierliche Klänge, grobkörnige Klangflächen, feinkörnige Klangflächen, ausgeprägte Tonstrukturen, Mikrostrukturen und Einzelklänge (mit Nachhall). Bei einer Aufführung erfährt das elektronische, vorgeordnete Klangmaterial eine "Interpretation" durch vier Musiker, die an Mischpulten nach den Anweisungen einer Partitur einsetzen und die acht Bandspuren aussteuern. Es ergeben sich so nachvollziehbare, weil von Musikern nachvollzogene Rhythmik, die Lebendigkeit der Spontaneität - die Partitur sieht auch improvisatorische Teile vor - und schließlich ein technischer Vorteil: Bei Pausen verschwindet der Rauschpegel, da die pausierende Bandspur jeweils abgeschaltet wird." Die im Rahmen der soundART zu hörende Version ist eine vorproduzierte Fassung ohne mitwirkende Musiker.

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York Höller: Horizont, Elektronische Komposition (1971-72) Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Volker Müller und Peter Eötvös Uraufführung: Musik der Zeit Köln 06.06.1972 York Höller, geb. 1944 in Leverkusen, studierte in Köln Komposition (bei Bernd Alois Zimmermann und Herbert Eimert), Orchesterleitung und Musik. Von 1990 - 1999 Künstlerischer Leiter des Studios für Elektronische Musik des WDR. Höller hat eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik Köln inne. York Höller über sein Werk: "Die Frage der 'Klangästhetik', der sich - da ihm schier unbegrenztes Klangpotential zur Verfügung steht - gerade der Komponist elektronischer Musik stellen muss, versuchte ich a priori durch einige negative Zielsetzungen zu lösen: So wollte ich einfache Sinusgemische, weißes Rauschen, regelmäßige Impulsfolgen, überhaupt allzu Regelmäßiges und gänzlich statische Klänge weitestgehend vermeiden, darüber hinaus möglichst keine klanglichen Klischees benutzen, die eindeutige und meiner Ansicht nach triviale Assoziationen, z.B. an Maschinen, Feuergeprassel, Detonationen, zoologische Gärten usw., hervorrufen würden..." Höller schildert Stadien der Komposition, die er im Untertitel "Elektronische Musik in Form eines Essays über logarithmische Gefühle" nennt: "...1. Stadium: ... gilt als Frage, wie man ein Glissando über 4 Oktaven macht, wenn der M 5 nach zweien der Atem ausgeht... 3. Stadium: ...erschöpft: Drei Tage lang suchte ich den Klang, den ich verlor, bevor ich ihn fand... 7. Stadium: Noch 16 Tage bis Ultimo! Schneiden, schneiden, schneller schneiden, Schleifen schichten, schnelle Schleifen sc hneiden und schichten, schneller!"

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Peter Eötvös: Elektrochronik, Elektronische Komposition (1974) Realisation: Mesias Maiguashca Uraufführung: nicht dokumentiert Peter Eötvös, geb. 1944 in Transsylvanien (Ungarn). Komponist und Dirigent. Studium in Budapest bei Zoltán Kodály und in Köln bei Karlheinz Stockhausen. 1971-79 Mitarbeiter im Studio für Elektronische Musik WDR. Seit 1992 Professor an der Musikhochschule in Karlsruhe. Eötvös' Komposition ist das Resultat einer sich selbst steuernden Schaltung. Der Komponist über sein Werk: "Das ungewöhnlichste meiner Projekte ist möglicherweise Elektrochronik, an dem ich von 1972 bis 74 arbeitete. Ein schwebendes, vibrierendes Intervall - von einer Orgel gespielt -, erzeugt, durch verschiedene Klangwandler verarbeitet, originäre, unabhängige Melodien und Rhythmen. Diese Klänge können mit Wellenbewegungen verglichen werden, die ein ins Wasser geworfener Kieselstein verursacht: zugleich kann man sich sowohl an den Kreisen, die einander durchdringen, erfreuen, als auch an den Gesetzen, die sie hervorbringen. Elektrochronik ist weder improvisierte noch komponierte Musik; ihre Schönheit liegt im Reichtum der mikroskopischen musikalischen Bewegungen."

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John McGuire: Vanishing Points, Elektronische Musik (1988) Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Bardo Kox und Volker Müller Erstsendung: 22.09.1989 WDR 3 John McGuire, geb. 1942 Artesia, California, studierte Komposition in Kalifornien bei Robert Gross, Ingolf Dahl, Seymour Shifrin und Karl Kohn. Stipendien führen ihn 1966 nach Europa, wo er bei Krzysztof Penderecki und Karlheinz Stockhausen studiert. Lebt bis 1998 in Köln, danach Umzug nach New York. Der Komponist über sein Werk: "Vanishing Points (Verschwindende Punkte) ist ein Experiment zur BewegungsPerspektive. Zu Beginn schildere ich die Fahrt auf einer Straße mit unverstelltem Horizont: er scheint immer gleich weit entfernt zu sein. Er wird, sozusagen, beständig erneuert. Ich glaube, dieser Horizont ist analog zur Tonhöhen-Dauern-Schwelle, jenem Punkt, an dem Einzelimpulse so schnell aufeinander folgen, dass das Ohr sie nicht mehr auseinander halten kann: der Moment, in dem die Punkte buchstäblich verschwinden. Um Bewegungs-Perspektive zu erzeugen, ist es notwendig, ein Stadium zu schaffen, in dem der Horizont rhythmisch geboren wird. Technisch ist dazu eine gewisse Zahl von Klangschichten nötig, die gleichzeitig beginnen, aber den Horizont zu verschiedener Zeit erreichen. Die Synchronisation dieser Schichten wurde durch zwei verschränkte Tempo-Spektren bewerkstelligt, die als Matrizen dienten. Die Bewegungen zum Horizont (und von ihm weg) konnte dergestalt projiziert werden, dass diagonale Bewegungen durch die Matrizen als kontinuierlicher Wechsel der Geschwindigkeit wahrgenommen wird. Die Ableitung aller Schichten von den zwei zentralen Matrizen garantierte die Synchronisation jeder Zahl an Schichten in einem Beschleunigungsfeld."

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Karlheinz Stockhausen: Gesang der Jünglinge (1955-56) Realisation: Karlheinz Stockhausen, Gottfried Michael Koenig Uraufführung: Musik der Zeit Köln 30.5.1956 Karlheinz Stockhausen über "Gesang der Jünglinge": "Die Vorarbeiten zur elektronischen Komposition Gesang der Jünglinge nahmen anderthalb Jahre in Anspruch. Sie gingen von der Vorstellung aus, gesungene Töne mit elektronisch erzeugten in Einklang zu bringen: sie sollten so schnell, so lang, so laut, so leise, so dicht und verwoben, in so kleinen und großen Tonhöhenintervallen und in so differenzierten Klangfarbenunterschieden hörbar sein, wie die Phantasie es wollte, befreit von den physischen Grenzen irgendeines Sängers. So brauchte ich auch sehr viel differenziertere elektronische Klänge als bisher, da gesungene Sprachlaute wohl das Komplexeste an Klangstruktur darstellen und also eine Verschmelzung aller verwendeten Klänge in einer Klangfamilie nur dann erlebbar wird, wenn gesungene Laute wie elektronische Klänge, wenn elektronische Klänge wie gesungene Laute erscheinen können. Die gesungenen Klänge sind an bestimmten Stellen der Komposition zum verständlichen Wort geworden, zu anderen Zeitpunkten bleiben sie reine Klangwerte, und zwischen diesen Extremen gibt es verschiedene Grade der Wortverständlichkeit. Silben und Worte sind dem Gesang der Jünglinge im Feuerofen (3. Buch Daniel) entnommen. Wo immer also aus den Klangzeichen der Musik für einen Augenblick Sprache wird, lobt sie Gott. Ebenso wesentlich wie ein so neues Erlebnis musikalischer Sprache ist auch das Folgende: In dieser Komposition werden die Schallrichtung und die Bewegung der Klänge im Raum erstmalig vom Musiker gestaltet und als eine neue Dimension für das musikalische Erlebnis erschlossen. Gesang der Jünglinge ist nämlich für fünf Lautsprechergruppen komponiert, die rings um die Hörer im Raum verteilt sein sollen. Von welcher Seite, von wie vielen Lautsprechern zugleich, ob mit Linksoder Rechtsdrehung, teilweise starr und teilweise beweglich die Klänge und Klanggruppen in den Raum gestrahlt werden, das alles ist für das Verstehen dieses Werkes maßgeblich. […]

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Im Gesang der Jünglinge ist eine Einheit von elektronischen - also synthetischen Klängen und gesungenen - also ,natürlichen' Tönen erreicht: Eine organische Einheit, die noch vor drei Jahren als ferne Utopie erschien. Sie bestärkt den festen Glauben an eine reine, lebendige Musik, die wieder unmittelbar den Weg zum Hörer finden wird. Und welcher Musiker wäre nicht glücklich bei dem Gedanken, dass er es vielleicht erlebt, wie die musikalische Sprache sich von allen Schlacken gereinigt hat und wie sie den, der zuhört, in eine neue musikalische Welt mitnimmt.

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Michael von Biel: Fassung für fünf Lautsprechergruppen (1964) Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Jacob Klaas Spek Uraufführung: Musik der Zeit Köln 11.06.1965 Michael von Biel, geb. 1937 in Hamburg, Komponist und Zeichner; Studien in Toronto, Wien, New York, London und Köln (u.a. bei Morton Feldman, Karlheinz Stockhausen und Joseph Beuys). Michael von Biel über "Fassung": "Der Doppelsinn des Wortes "Fassung" korrespondiert mit den verwendeten Arbeitsmethoden: 1. Verwendung von starren Gestalten, die auf das Ausgangsmaterial (Impulsfolgen, die in bestimmter Zahl übereinander kopiert wurden) in den verschiedenen Stadien von dessen Entwicklung angewandt wurden. Beispiel in der Dynamik: Einer bestimmten Ausgangsstruktur wurde ein charakteristischer dynamischer Verlauf gegeben. Durch statistische Arbeitsprozesse wurden Kollektive von dieser Ausgangsstruktur gebildet, und diese erhielten wieder den gleichen dynamischen Verlauf der Ausgangsstruktur. Dieser Prozess wurde auch in den weiteren Entwicklungsstadien dieser Ausgangsstruktur wiederholt. So entstand durch die beschriebene vielfache Überlagerung, in den Strukturen und selbst in den Klängen eine zur ursprünglichen dynamischen Gestalt korrespondierende Labilität. 2. Fassungen im Sinne von Versionen der Strukturen: Es wurden viele Strukturen und Gruppen von Strukturen durch Transposition, Zerhackung und allgemeiner "Verwischung" wieder zu Klängen und einfachen Klangkollektiven verarbeitet. Fassung: also Labilität als Resultat determinierter Arbeitsprozesse und relativ indeterminierter Interpretation vollendeter Strukturen. Die Komposition ist Karlheinz Stockhausen gewidmet.“

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Paulo C. Chagas: Migration, Elektronische Musik (1995-96) 24'20'' Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Paulo C. Chagas, Markus Haßler, Volker Müller Uraufführung: Köln 26.06.1998 Paulo C. Chagas, geb. 1953 in Salvador (Bahia), Brasilien; studierte Komposition an der Universität von São Paulo, Brasilien, am Conservatoire Royal de Musique de Liège, Belgien, und an der Hochschule für Musik Köln. Promotion in Musikwissenschaft an der Universität Liège. Lebt seit 1982 in Köln; von 1990 bis 1999 Klangregisseur im Studio für Elektronische Musik des WDR Köln. Chagas hat eine Professur für Komposition an der University of California Riverside inne. Migration ist ein Begriff, der heutzutage unser soziales Leben und philosophisches Denken entscheidend prägt und es zugleich verändert. In der Komposition wird die Idee von Migration in erster Linie durch die Verwandlung der Klanggestalt ausgedrückt. Grundlage des Stückes ist die Erzählung des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges Die Bibliothek von Babel (1941). Der Text wurde in vier Sprachen Deutsch, Spanisch, Englisch und Französisch - mit jeweils einer weiblichen und einer männlichen Stimme aufgenommen. Daraus wurden Sätze und Worte ausgewählt, die sich als roter Faden durch das gesamte Stück ziehen. Die Textaufnahmen wurden durch digitale Prozesse von Analyse und Synthese modifiziert. Das übrige Klangmaterial stammt aus Klavieraufnahmen. Es sind keine einzelnen Klänge, sondern musikalische Strukturen, die mit Computeralgorithmen komponiert wurden, und zusätzlich Klänge, die innerhalb des Klaviers produziert wurden. Zwischen diesen beiden Polen den Sprach- und Klavierklängen - entwickeln sich Prozesse von Klangmigrationen auf unterschiedlichen Ebenen. Es entstehen neue Klangobjekte; man hat den Eindruck, dass es sich um Klangmutationen oder Klangmigrationen handelt.

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Der Klangraum spielt eine entscheidende Rolle in der Komposition. "Migration" bezieht die im Studio in der Annostraße besondere Raumsituation mit dem Kranz aus 12 Lautsprechern zum ersten mal bewusst als Parameter in die Komposition ein: Somit ist mit dieser ersten 12kanaligen Komposition ein vorläufiger kompositionsgeschichtlicher Höhepunkt in der Geschichte des Studios für Elektronische Musik des WDR erreicht. Migration ist die einzige rein elektronische Komposition, die in den 90er Jahren produziert wurde.

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György Ligeti: Artikulation (1958) Realisation: Gottfried Michael Koenig, Cornelius Cardew, György Ligeti Uraufführung: Musik der Zeit Köln 25.3.1958 Ulrich Dibelius über "Artikulation": "Ligeti empfand, als er sich im Kölner Studio mit elektronischen Klängen beschäftigte, kaum die anfangs übliche Neigung, das Material in allen nur erdenklichen und vor allem steuerbaren Parametern durchzuorganisieren; er hörte vielmehr die Sprachähnlichkeit verschiedener Klangformen heraus und beschloss, ein imaginäres Gespräch zu komponieren, eine Folie von Monologen, Dialogen und vielstimmigen Disputen, bei denen der charakteristische Tonfall für den Wortsinn einzustehen habe. Das Stück heißt Artikulation, weil in diesem Sinn eine künstliche Sprache artikuliert wird: Es gibt Frage und Antwort, hohe und tiefe Stimmen, polyglottes Reden und Dazwischenreden, Affekt und Humor, Plappern und Tuscheln." György Ligeti über sein Stück: "Zuerst wurden Typen mit verschiedenen Gruppenmerkmalen und verschiedener innerer Organisation gewählt: quasi körnige, brüchige, faserige, schleimige, klebrige und kompakte Materialien. Eine Untersuchung der gegenseitigen Permeabilität ergab, welche Typen einer Verschmelzung fähig waren und welche sich abstießen. Die serielle Anordnung dieser Verhaltensweisen diente als Grundlage für den Aufbau der Form, wobei im Detail Kontrast der Typen und der Art ihrer Verquickung erstrebt wurde, in der Gesamtheit jedoch ein graduelles, irreversibles Fortschreiten von anfangs heterogenen Dispositionen zu einem Vermischen und Ineinanderaufgehen der gegensätzlichen Charaktere."

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Gottfried Michael König: Terminus 1 (1962) Realisation: Gottfried Michael Koenig Uraufführung: Musik der Zeit Köln 12.1.1963 Gottfried Michael König über "Terminus 1": "In Terminus 1 hat mich interessiert, den kompositorischen Prozess statt auf die Entwicklung der Form auf die systematische Gewinnung des Klangmaterials zu konzentrieren. Als Arbeitsgrundlage diente eine Art Stammbaum, aus dem die Grundklänge und ihre Ableitungen ersichtlich waren. Er fungierte, da die Ableitungen wie formale Elemente aufeinander bezogen waren, fast wie eine Partitur. Daher ergab sich nach Beendigung der Klangproduktion die Form des Werkes eher als Arrangement denn als autonome Zeitgestaltung, der die Klänge sonst hätten unterworfen werden müssen. Diese Form zeigt sich als wiederholtes Ansetzen vom gleichen Klangmaterial aus, das im weiteren Verlauf stets weiter vom Ursprung wegführt."

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Herbert Eimert: Epitaph für Aikichi Kuboyama für Sprecher und Sprachklänge (1960-62) Realisation: Leopold von Knobelsdorff Uraufführung: Darmstadt 9.7.1962 Die Komposition ist dem japanischen Fischer Aikichi Kuboyama gewidmet, der als erstes Opfer des Wasserstoff-Bombentests vom März 1954 starb. Als Materialvorlage für die Komposition dient der Text der Grabinschrift, die von Günther Anders ins Deutsche übersetzt wurde. Sie wurde von Richard Münch gesprochen und aufgenommen. Die Aufnahme des Textes wurde im Studio verschiedenen Transformationen mittels Filtern, Verstärkern sowie des Tonbandgerätes unterworfen und kompositorisch verarbeitet. Die Inschrift des Epitaphs lautet: "Du kleiner Fischermann, wir wissen nicht, ob Du Verdienste hattest. Wo kämen wir hin, wenn Jedermann Verdienste hätte! Aber Du hattest die Mühen wie wir, Wie wir irgendwo die Gräber Deiner Eltern, Irgendwo am Strande eine Frau, die auf Dich wartete, Und zu Hause die Kinder, die Dir entgegen liefen. Trotz Deiner Mühen fandest Du es gut, da zu sein. Genau wie wir. Und Recht hattest Du, Aikichi Kuboyama, Du kleiner Fischermann, Aikichi Kuboyama, Wenn auch Dein fremdländischer Name kein Verdienst anzeigt Wir wollen ihn auswendig lernen für unsere kurze Frist, Aikichi Kuboyama Als Wort für unsere Schande, Aikichi Kuboyama Als unseren Warnungsruf, Aikichi Kuboyama Aber auch als Aikichi Kuboyama, als Namen unserer Hoffnung; Denn ob Du vorangingst mit Deinem Sterben oder nur fortgingst an unserer Statt: Nur von uns hängt es ab, auch heute noch, Nur von uns, Deinen Brüdern, Aikichi Kuboyama." (Übersetzung: Günther Anders)

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Herbert Eimert schreibt über "Epitaph": "In dem Epitaph überwiegen die Sprachklänge als akustisch-phonetische Vorgänge, und ihre Umwandlung ins rein Musikalische lässt ihre Herkunft oft nicht mehr erkennen. Aber auch das Wort selbst, mit seinem Ausdruck, Sinn und Erlebnisinhalt, schlägt immer wieder durch und steigert sich mit dem ganzen Gewicht seiner Bedeutung zur Sinnbezeichnung einzelner Worte oder Wortverbindungen wie ,Warnung sruf', ,Wo kämen wir hin?', ,Als Wort für unsere Schande' oder ,Als Namen unserer Hoffnung'. Daneben stehen eigentümliche Sprach- und Sprechbildungen aus durcheinandergewürfelten Silben oder Wortteilen; ferner rückwärts gesprochene Worte, motivische Figuren rein musikalischer Funktion, aber deutlich erkennbarer Herkunft vom gesprochenen Wort, und schließlich Neubildungen von Worten und Sätzen, die in ihrer NichtVerständlichkeit als unbekannte Fremdsprache empfunden werden. Was weder bei der Rundfunkwiedergabe noch auf der Schallplatte erreicht werden kann, das ist die räumliche Konfiguration von Silben, Worten und Sätzen, die in dem Stück - wie auch alle klanglichen Vorgänge - auf vier Kanäle verteilt sind und bei der konzertmäßigen Aufführung die Verwendung eines Vierspurmagnetophons voraussetzen. Die Form des Epitaphs ist leicht überschaubar; sie besteht aus der Exposition, zu der auch der Vortrag der Grabinschrift gehört, aus den Strukturkomplexen A, B und C und der Koda. […] Die Grundlage der Zeitstruktur ist der Rhythmus des gesprochenen Wortes. Man muss sich das so vorstellen, als ob das Sprechband unhörbar abliefe, verdeckt durch ein System von Filtern, die abwechselnd und kontinuierlich in den verschiedenen Schichten des Wortspektrums geöffnet und wieder geschlossen werden, wobei sich viele weitere Varianten durch die Änderung der Sprechgeschwindigkeit ergeben. […] Die verschiedenen Verständlichkeitsgrade der Silben, Worte und Sprechchöre (bis zu sechs Stimmen) ergeben sich unmittelbar aus der Behandlung des Grundmaterials, das keinen ,Dualismus' zwischen Wort und Klang zu überwinden braucht, weil es ihn nicht mehr kennt."

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Iannis Xenakis: La légende d'Eer, Elektronische Komposition (1976-77) 46' Elektronische Musik für den Diatope des Centre Pompidou Kompositionsauftrag des WDR Realisation: Volker Müller und James Whitman Uraufführung der konzertanten Version: Musik der Zeit Bochum 11.02.1978 In der "Legende von Er" fasst Iannis Xenakis "Ideen von der Moral, vom Schicksal, vom physikalischen und transphysikalischen Universum, von Tod und Leben in einem geschlossenen System" zusammen. Ein Kapitel aus Platons Staat bildet die Basis, ergänzt durch Passagen von Blaise Pascal ("Mensch ohne Gott" aus den Pensées), einem Text von Robert P. Kirschner über Supernovas sowie Jean Pauls apokalyptisch verzweifelter Vision die "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei". Xenakis verwendet folgende Klangfamilien: 1. Instrumentalmusik, wie beispielsweise die tönenden Sternschnuppen zu Beginn und am Ende mit Klängen afrikanischer Maultrommeln, japanischer Zuzumis; 2. Geräusche, wie beispielsweise von besonders ausgewählten Steinen, geriebenen Kartons; 3. Klänge, die mit Hilfe mathematischer Operationen im Computer erzeugt wurden. Herausgekommen ist eine Art minimaler Veränderungsablauf. Dichte und Komplexität des Stückes steigern sich kontinuierlich; erst in den letzten sieben Minuten kehrt sich der Prozess wieder um. Es entsteht ein Klanggewitter, laut und beinahe überdicht, allerdings mit einem Schluss ins Nichts der Klänge hinein. Xenakis: "Musik ist keine Sprache. Jedes Musikstück ist eine Art Felsblock in einer komplexen Form mit Schrammen und Mustern, die darauf und darein geritzt sind und die Menschen auf tausend verschiedene Weisen entziffern können, ohne dass eine dieser Weisen die beste oder wahrste wäre. Auf Grund dieser Vielfalt von Deutungen fördert die Musik wie ein Kristallkatalysator alle möglichen Phantasmagorien zutage."

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Impressum

Konzept und Realisation Prof. Karl Karst Programmleitung WDR 3 Werner Wittersheim Programmgruppe Musik WDR 3 Markus Heuger WDR 3 open / Studio Akustische Kunst Frank Hilberg WDR 3 open / Studio Elektronische Musik Volker Müller Studio für Elektronische Musik WDR

© WDR 2004

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