LiLi - die Zeitung der Linken Liste

February 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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LiLi - die Zeitung der Linken Liste

# 15, Januar 2010

Linke Hochschulpolitik – das bedeutet Studierendenvertretung mit sozialem Bewusstsein. Der Linken Liste ist es ein wichtiges Anliegen, den unsozialen Gang der gesellschaftlichen Entwicklung, der sich auch an den Universitäten deutlich bemerkbar macht, zum Besseren zu wenden. Unserem Engagement liegt eine grundsätzliche Herrschaftskritik zugrunde; wir mischen uns überall dort ein, wo soziale Unterdrückung und Ungleichheit vorliegen. Weil das Studium mehr bedeutet als bloßes Auswendiglernen und Wissenschaft mehr ist als das, was das Vorlesungsverzeichnis hergibt, organisierten ReferentInnen der Linken Liste auch in diesem Jahr wieder über den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) kritische Vortragsreihen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen. Durch das Engagement unserer ReferentInnen im AStA-Referat für kritische Wissenschaften hattet ihr das ganze Jahr über die Möglichkeit, im Rahmen der Reihen „CRITIX“ und „COUNTER CURRICULUM“ Vorträge zu hören, die sich in kritischer Absicht mit gesellschaftlichen Sphären wie Ökonomie, Politik Religion und Kultur

4. Benedict

1. Veronika

Die Linke Liste stellt sich vor beschäftigten. Außerdem unterstützten unsere ReferentInnen, die für die Linke Liste im Referat für Grund- und Freiheitsrechte aktiv sind, die Vortragsreihe „Geschlecht und Gesellschaft“.

Gegen alle bösen -ismen! Die Linke Liste tritt ohne Wenn und Aber für das allgemeinpolitische Mandat der Studierendenvertretung ein. Da Universitäten nicht im luftleeren Raum existieren, sondern in die Gesellschaft eingebunden sind, ist es wichtig, dass der AStA auch politische Bildungsarbeit leistet sowie kulturelle und politische Initiativen und Projekte unterstützt. Ob Aufmärsche von Neonazis in Bochum, die Einrichtung „national befreiter“ Zonen in Dortmund oder extrem rechte Propaganda an der Uni – wir stehen dafür ein, dass solche Entwicklungen

auch vom AStA nicht unkommentiert hingenommen werden. Seit Jahren sind wir in überregionalen antifaschistischen Plena organisiert und unterstützen Aktionen gegen Nazis in Bochum und anderen Städten. Zudem haben wir uns in den beiden letzten Jahren maßgeblich an den NRW-weiten AntifaCamps in Oberhausen beteiligt.

Rot-Grün-SchwarzGelbe Reformen Die unsinnigen Reformen, die seit dem Bologna-Prozess und dem Hochschul“freiheits“gesetz das Leben der Studierendenschaft (und auch das unserer DozentInnen) schwer machen, stehen ebenfalls im Fokus unseres kritischen Engagements. Die M.A.s sind, entgegen vorherigen Versprechen von Landesregierung und Uni-Leitung, zumeist zulassungsbeschränkt. Die Ver-

schulung des Studiums verunmöglicht individuelle Schwerpunktwahl. Mangelnde Flexibilität und zunehmender Einheitsbrei in der Lehre sind an der Universität längst Usus und eine Wissenschaft in kritischer Absicht wird mehr und mehr an den Rand gedrängt. Das schwarz-gelbe „Hochschulfreiheitsgesetz“ läutet Änderungen ein, die die Universitäten in kleine Kapitalgesellschaften transformieren, die auf dem Markt gegeneinander konkurrieren. Zudem wird eine Wissenschaft, die ihre finanziellen Mittel zunehmend von kapitalträchtigen Unternehmen beziehen soll, stark in ihrer Forschungsautonomie eingeschränkt.

Studentisches Engagement Eine Hochschule, wie wir sie uns wünschen, beinhaltet gut strukturierte, freie

Studienangebote, in denen auch gesellschaftskritische Standpunkte nicht zu kurz kommen. Außerdem darf das Studiumsreglement nicht weiter durch Studiengebühren, NCs etc. einem Großteil der Studierenden den Weg in Richtung „wissenschaftlich anerkannter Abschluss“ versperren. Wir wollen eine Uni ohne Naziparolen und eine Wissenschaft, die in der Lage ist, auch gesellschaftliche Missstände zu kritisieren. Obwohl diese Forderungen auf den ersten Blick Selbstverständlichkeiten sind, gibt es keine Hochschulgruppe, die diese Ziele so konsequent einfordert wie die Linke Liste. Deshalb: Gebt eure Stimmen bei den Wahlen zum Studierendenparlament (zwischen dem 18. und 22. Januar 2010) einem/er der 120 KandidatInnen der LiLi! Schon Pablo Picasso hat gesagt: „Ich suche nicht, ich finde“. Auch wir suchen nicht - und finden euch! 

Immer eine gute Wahl

Unsere 120 KandidatInnen Die Top 20 1. Veronika Pütz (Psychologie/Reli/Philo) 2. Jos Schaefer-Rolffs (Philosophie/ Gender Studies) 3. Birte Schleiting (Sozialwissenschaft) 4. Benedict Neugebauer (Philosophie) 5. Hülya Turgut (Physik) 6. Gilles Agbamaté (ITS) 7. Wanying Li (SEPM) 8. Cihan Akyildiz (SEPM) 9. Anike Krämer (KIG/Komparatistik) 10. Fan Song (Wirtschaft Ostasiens) 11. Doan Thuy Nhu Nguyen (Anglistik) 12. Murat Sivri (Sozialwissenschaft) 13. Gaelle Malabo (UTRM) 14. Arne Sablinski (Sozialwissenschaft) 15. Nicola Raabe (Sopsy/EW) 16. Damian Pütz (Philo/Kath. Theologie) 17. Shengyuan Dong (OAW) 18. Fabian Wisotzky (Geschichte/ Philosophie) 19. Sina Maßmann (Psychologie) 20. Pham Dang Khoa Le (AI)

Religionswissenschaft und Theologie 21. Fabian Brinkmann (Evangelische Theologie/Geschichte) 22. Alexander Teubert (Geschichte/ Religionswissenschaft) 23. Simona Weiland (Philosophie/ Religionswissenschaft) 24. Jochen Kreusch (Kath. Theologie/ Religionswissenschaft)

Philosophie und Pädagogik 25. Christoph Bieletzki (Philosophie/ Kunstgeschichte) 26. Jan Eufinger (Philosophie/ Reliwissenschaft) 27. Christian Grabau (Erziehungswissenschaft) 28. Richard Heinen (Philosophie/Kath. Theologie)

29. 30. 31. 32.

Felix Hüttemann (Philo/Germanistik) Paul Mentz (Philosophie/Soziologie) Markus Reiß (Philosophie) Sebastian Salzmann (Philosphie/ Geschichte)

Geschichte 33. Henning Borggräfe (Geschichte) 34. Sebastian Dittmann (Geschichte/ Philosophie) 35. David Freis (Geschichte) 36. Andreas Giesbert (Kunstgeschichte) 37. Markus Günnewig (Geschichte) 38. Sebastian Heinrichs (Geschichte/ Amerikanistik) 39. Christian Horn (Archäologie) 40. Ruben Luckardt (Geschichte/ Komparatistik) 41. Hannah Neumann (Geschichte) 42. Marc Neumann (Geschichte) 43. Yvonne Uschok (Kunstgeschichte) 44. Annika Wienert (Kunstgeschichte)

Medienwissenschaft, Theaterwissenschaft, Philologie, FFW 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58.

Guy Adjadji (Romanistik) Hongrui Chen (Germanistik) Junxiang Chen (Romanistik) Devi Dumbadze (Medienwissenschaften) Tim Glogowiec (Germanistik/ Philosophie) Michael Grewing (Germanistik/ Philosophie) Manfred Heim (Germanistik/Philo) Matthias Holtmann (Anglistik) Imme Klages (Medienwissenschaft) Philipp Kressmann (Germanistik/ Philosophie) Lars Laute (Germanistik/Politik/ Philosophie) Jie Rong (Anglistik) Fabian Ulrich (Philo/Komparatistik) Rolf van Raden (Germanistik)

59. Benjamin Werner (Anglistik/ Geschichte) 60. Bo Zhang (Anglistik)

Jura

Psychologie 90. Shadan Tavakoli (Psychologie)

Ingenieurswissenschaften

91. Fehmi Güven (Bauing.) 92. Carranza Ignscio Jorge (Bauing.) 93. Markus Kesler (Bauing.) Wirtschaftswissenschaft 94. Sevilay Öztürk (Bauing.) 95. Shpend Baleci (SEPM) 63. Ekrem Atalan (Wiwi) 96. Marco Dorigo (Maschinenbau) 64. Guo Cheng (Wirtschaft Ostasiens) 97. Chola Mulenga Rex (SEPM) 65. Shiwei Liu (Wiwi) 98. Yang Qiu (Machinenbau) 66. Xing Lu (Development Management) 99. Lukas Becker (ITS) 67. Phuong Thuy Nguyen (Wiwi) 100. Lei Feng (ET) 68. Atilla Okay (Wiwi) 101. T. S. Ghislain Mambou (ET/IT) 69. Theona Palavandichivili (Wiwi) 102. Pei Qi (Angewante Informatik) 70. Peter Paul Podstawa (Wiwi) 103. Daonan Xu (ET/IT) 71. Bin Tang (Wiwi) 104. Fan Yang (ET) 72. Peng Wang (Wiwi) 105. Jinliang Zhang (ET) 61. Menduh Mert (Jura) 62. Thomas Wings (Jura)

Sozialwissenschaft

73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86.

Ramin Amngostar (Sowi) Marziyeh Bakhshizadeh (Sowi) Sven Ellmers (Sowi) Valentin Franck (KIG/Philosophie) Florian Hessel (Sowi) Stefan Mecking (Sowi) Jonas Molitor (Sowi) Tatjana Natic (Sowi) Milena Prekodravac (Gender Studies/Sopsy) Hinrich Rosenbrock (Gender Studies) Lotte Schleiting (Sowi) Martin Seeliger (Sowi) Levan Svanidze (KIG/ Medienwissenschaften) Michael Trube (Politik/Geschichte)

Ostasienwissenschaft

Mathe/Physik 106. Ömer Avic (Mathe) 107. Elif Eser (Mathe) 108. Ture Kaßler (Mathe) 109. Mark Schulte (Mathe/Philosophie) 110. Jannis Lülf (Physik)

Geowissenschaften 111. Tobias Breuckmann (Geographie/ Philosophie) 112. Jonathan Spiegel (Geographie) 113. Thomas Voelkner (Geographie)

Chemie/Biologie 114. Eike Zimmer (Chemie) 115. Anselm Lorenz (Biologie) 116. Ruven Mensing (Biologie)

Medizin

117. Rewaz Rashow (Medizin) 87. Hong Yu Yang (Wirtschaft Ostasiens) 118. Cengiz Uguz (Medizin) 88. Yue Zeng (Wirtschaft Ostasiens)

Sport 89. Matthias Tepaß (Sport/Geschichte)

last but not least

119. Tuncel Biyikli (SEPM) 120. Pervin Yildirim (Wiwi)

15. Nicola

48. Devi

Wählen – So geht‘s! Vom 18. bis 22. Januar 2010 werden in den Gebäuden der Uni die Wahlurnen zu finden sein. Ihr seid im WählerInnenverzeichnis mit eurem Erstfach registriert (bei BA-Studierenden das erste Fach auf der Studienbescheinigung). D.h., ihr könnt nur in der Cafeteria eures Erstfachs wählen. Im Zweifel schaut einfach unter www.rub. de/sp-wahlen, wo ihr eure Stimme abgeben könnt. An eurem Wahlort angelangt, legt ihr einfach euren Studentenausweis bei den freundlichen WahlhelferInnen vor und bekommt einen riesigen Wahlzettel ausgehändigt. Darauf sind alle Listen und deren Kandidatinnen und Kandidaten aufgeführt. Ihr habt bei der Wahl eine Stimme und macht für die Person eures Wunsches ein Kreuz. Wollt ihr eine bestimmte Liste wählen, kennt aber keinen der zugehörigen Listenmitglieder, dann macht euer Kreuz willkürlich bei einem eben dieser. Danach werft ihr den Zettel gefaltet in die Wahlurne. Den Studiausweis nicht vergessen! Die Listen bekommen Sitze im Studierendenparlament (SP) nach absoluter Anzahl ihrer Stimmen zugeteilt. Welche KandidatInnen einer Liste ins SP kommen, hängt von der Anzahl der jeweiligen Individualstimmen ab. Insgesamt sind 35 SP-Sitze zu vergeben. Koalitionen bilden sich je nach Wahlausgang. Diese stellen dann den AStA, der im SP gewählt wird. 

2 | LiLi # 15, Januar 2010

Bildungsstreik ...

Die Köpfe rauchen, die Uni brennt!? Sowohl in Bochum als auch an vielen anderen Universitätsstandorten in Deutschland und ganz Europa wurden seit Anfang November 2009 im Zuge des Bildungsstreiks Gebäude besetzt. Zudem gab es Demonstrationen und viele andere öffentlichkeitswirksame Aktionen, um Politik und Medien auf die hochschulpolitischen Forderungen der Studierenden aufmerksam zu machen. Die Anliegen hinter den Protesten sind vielfältig: Neben mehr Geld für Bildung und der Reform des BA/MA-Systems, wurde auch der Wunsch nach einer anderen Lehr- und Lernkultur und einer Demokratisierung des Bildungssystems artikuliert.

Fragen über Fragen ... Neben Inhalt und Art der Forderungen sind auch ihre Adressaten und die Ziele der Proteste vielfältig: Geht es darum, den Staat als Schutz vor den Interessen der Wirtschaft ins Feld zu führen, oder soll die Sache selbst in die Hand genommen werden? Geht es nur darum, die eigene Ausbildung angenehmer zu machen oder soll die Organisation der Lehre grundsätzlich in Frage gestellt werden? Reicht es, eine Erhöhung des BAföG zu fordern oder wären auch die Hartz IV-Regelsätze auf ein menschenwürdiges Niveau zu bringen? Ist Bildung nicht schon längst eine Ware, wenn sich ihre Produktion „bestreiken“ lässt, oder steht „education is not for sale“ weiterhin im Mittelpunkt? Sind pragmatische Ansätze auf der Tagesordnung oder wagt man sich gedanklich schon ans große Ganze? Sind die eigenen For-

derungen im Rahmen einer kapitalistischen Gesellschaft überhaupt erfüllbar oder sollte man sich auf die Suche nach einer besseren Alternative machen?

Kapitalimuskritik vs. Anwesenheitspflicht? Die Unzufriedenheit nahm unterschiedliche Formen an: In den Fällen, in denen sich die zentrale Forderung auf eine „Mehr Geld für die Uni“ reduzieren ließ, fiel die Resonanz in den Uni-Verwaltungen durchweg positiv aus. Auf manchen Vollversammlungen wie z.  B. in Tübingen wurde ausdrücklich gefordert, Themen, die nicht direkt die Bildung betreffen, außen vor zu lassen. Die „Projektgruppe Bildungsstreik 2009“, die die Proteste initiierte, formulierte in ihren übergeordneten Forderungen, dass „Möglichkeiten einer fortschrittlichen und emanzipatorischen Bildungs- und Gesellschaftspolitik“ analysiert werden müssen.

Rückschläge und Lichtblicke

72. Peng

50. Michael

bilanz kann dennoch positiv festgehalten werden, dass der Anspruch, alle Organisationsstrukturen nach Maßgabe basisdemokratischer Grundsätze auszurichten, bislang größtenteils umgesetzt wurde. Gleichwohl springen die Schwierigkeiten, die jede Basisdemokratie bewältigen muss, auch im Falle des Bildungsstreiks dann und wann ins Auge: Da Basisdemokratie autoritäre Entscheidungsprozesse „von oben nach unten“ strikt ausschließt, fehlt die Möglichkeit, wenig sinnvolle Aktivitäten, die einzelne in

Die Heterogenität der einzelnen Individuen und Basisgruppen, die in der Bildungsstreikbewegung aktiv sind, macht ein allgemeines Urteil über sie unmöglich. Als Zwischen-

einer politischen Gruppe ausüben, durch ein resolutes Machtwort „von oben“ zu verhindern. Im Zuge des Bildungsstreikprotests kam es beispielsweise immer wieder zu – teils geringen, teils erheblichen – Sachbeschädigungen (als Beispiel wäre hier die Verwüstung der Mensa der Frankfurter Goethe-Universität zu nennen). Das Recht der StudentInnen, universitäre Räumlichkeiten ei-

genständig zu verwalten – insbesondere gegen die unternehmerischen Profitinteressen der jeweiligen UniRektorate – soll damit jedoch nicht angezweifelt werden. Im Falle der BesetzerInnen in Bochum kann zudem positiv vermerkt werden, dass Sensibilität für einen antirassistischen und antisexistischen Umgang miteinander entwickelt wurde.

Bildung im kapitalistischen Normalvollzug Die Linke Liste steht hinter dem Anliegen der Studierenden nach einer Verbesserung der Bildung. Auch wir sind der Ansicht, dass der Forderungskatalog der Vollversammlungen an der RUB eine sinnvolle Kritik an den aktuellen Zuständen beinhaltet. Die Abschaffung der Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen des Studiums, die Einführung eines existenzsichernden Tarifvertrages für studentisch Beschäftigte und die ausschließlich öffentliche Finanzierung des gesamten Bildungssystems sind berechtigte ökonomische Änderungen, die das Leben des Einzelnen entscheidend verbessern können. Zudem sind sie – den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt – auch unter kapitalistischen Zuständen realisierbar. Wird die Forderung nach einem selbstbestimmten Lernen und Leben auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Seins übertragen, wird deutlich, dass sie dem kapitalistischen NormalProzess grundsätzlich widerspricht. Daher ist es wichtig, die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft nicht nur auf den Bildungssektor zu beschrän-

ken. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ (Theodor W. Adorno)

Ein vorläufiges Fazit? Abschließend lässt sich also sagen, dass der Bildungsstreik inhaltlich mindestens zwei verschiedene Gesichter hat: Sowohl die „Detail-Verbesserungen“, die den studentischen Alltag angenehmer und weniger teuer machen als auch der Blick aufs große Ganze, der sich bewusst macht, dass eine wirklich selbstbestimmte Bildung im Kapitalismus nicht machbar ist, sind in den Katalogen vertreten. Berechtigt, wie beide Seiten sind, sollten sie dennoch, zumindest in der Praxis, voneinander unterschieden werden: Weder ist es sinnvoll anzunehmen, dass eine Aufhebung der Studiengebühren den Weg in eine bessere Gesellschaft darstellt, noch wäre eine rein öffentlich finanzierte Bildung sicher vor den Interessen der Wirtschaft. Es bleibt die strategische Debatte, welche Forderungen in der aktuellen Lage sinnvoll sind und welches Ziel der Bildungsstreik anvisieren will. Die Linke Liste hofft, einen kleinen Teil zu dieser Diskussion beitragen zu können. Wir werden uns auch im kommenden Jahr an allen Aktionen beteiligen, welche die Situation der Studierenden, im Kleinen wie im Großen, verbessern können. 

8. Cihan

24. Jochen

Gegen Politically Incorrect

Ein Weblog kämpft gegen „Musel-Abschaum“ „Politically Incorrect“ (PI) nennt sich ein Internetportal, das seit 2004 vor der „Islamisierung Europas“ warnt. Auf einem Weblog versammelt sich die deutsche Avantgarde der sogenannten „IslamkritikerInnen“. Sie richten sich gegen all jene Aspekte des Islam, die potentiell gefährlich sein können: Von Moscheebau und Kopftuchgebot bis hin zur reinen Präsenz in der Öffentlichkeit.

Tacheles reden? Längst nimmt die hiesige „Islamkritik“ kein Blatt mehr vor den Mund. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht die angeblich höhere Kriminalitätsbereitschaft von MigrantInnen, die kulturelle Minderwertigkeit der islamischen Religion und die Urban Legend von der „Deutschenfeindlichkeit“. Auch wenn sich PI auf Fakten bezieht, werden diese hysterisch und verkürzt interpretiert. Bundesdeutsche InternetuserInnen danken für solch offene Worte – mit 30.000 bis 50.000 Zugriffen täglich.

Stereotypie Das Programm von PI ist einfach gestrickt: Es werden Meldungen aus Online-Magazinen, Weblogs und anderen Medien gesammelt und nach Beiträgen zum Islam abgegrast. Besonders beliebt sind Artikel, die „nachweisen“, dass islamischer Glaube in Deutschland zu juristischen oder moralischen Sonderrechten führt. Entsprechende Ereignisse werden mit sarkastischen Beiträgen und

suggestiven Bildern hervorgehoben. Mit Genuss wird zugleich auf rechtliche und soziale Sanktionen gegen MuslimInnen verwiesen.

Wir sind die Opfer In den Beitrags- und Kommentarspalten gehört es zum guten Ton, diese Sanktionen in der Defensive zu deuten. Wer in Deutschland bloß ein falsches Wort über den Islam verliere, gerate ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit. Unterstellt wird ein verbreitetes „Bestreben, Islamkritik zu kriminalisieren und zu verbieten“. Insbesondere die KommentatorInnen reden sich hierzu regelmäßig in Rage.

Echte Verbündete Dieser eigentümlichen „Islamkritik“ geht es nicht um Unterstützung der demokratischen Bewegungen in den betreffenden Ländern wie etwa im Iran; vielmehr soll „Fortress Europe“ vor einer Masseneinwanderung behütet werden, die die christlichabendländische Kultur bedrohe. Die Tatsache, dass Abertausende alltäglich

Bekanntschaft mit islamistischen Rackets machen, ist für diese „KritikerInnen“ nur ein Anlass für rassistische Hetze: „Die sind halt so – aber bitte nicht in Europa!“ Damit erweist sich die reaktionäre Islamkritik als bester Bundesgenosse des politischen Islam.

Hear no evil, see no evil Auch die Moderation sieht sich keinesfalls zum Eingriff genötigt, wenn die Leserschaft z.  B. die „muslimische Dreckskultur“ verdammt oder wütende Abstrafungsaktionen gegen den „Musel-Abschaum“ einfordert. In ihrem Weltbild ist es kein Widerspruch, sich selbst als letzte Bastion gegen einen aufkeimenden „islamischen Faschismus“ zu begreifen und im selben Atemzug rechtsradikale Beiträge zu hofieren. Die Antworten auf die „demographische Bedrohung“ bedienen die Propagandabedürfnisse des bundesdeutschen Rassismus. Die Rufe nach Abschiebung, Arbeitslager und Prügelstrafe sind mittlerweile Common Sense in den Kommentarspalten.

„Jung und frei“ Nicht von ungefähr besteht auch eine direkte Zusammenarbeit mit der politischen Rechten. PI-Gründer Stefan Herre ließ sich mehrfach von der

„Jungen Freiheit“ interviewen. Auch während der Versuche der rechtsnationalen „Pro-NRW“, in Köln eine antiislamische Kongressveranstaltung durchzuführen, leistete PI ideologische Rückendeckung. Die enge Verknüpfung zwischen PIund „bürgernahen“ PopulistInnen ist offensichtlich. Die Schreiberlinge geben sich bedeckt. Herre betonte mehrfach, als Gründer des Portals sei er keineswegs identisch mit dessen BetreiberInnen.

Simply incorrect PI ist zu einem der führenden Medien für rechte und rassistische

„KritikerInnen“ des Islam geworden. Sie hat weder mit „demokratischer Meinungsbildung“ noch mit herrschaftskritischer Religionsanalyse etwas gemeinsam: Kommentare mit blasphemischen Inhalten sind sogar offiziell untersagt. Die AutorInnen fügen lediglich Versatzstücke aus dem Tagesgeschehen zusammen, um Stimmung zu machen. Relevante Aspekte, die den politischen Islam betreffen, werden ignoriert. Es konstituiert sich eine breite politische Lobby, die rassistische Vorurteile verbreitet.

Jenseits des Rassismus Statt eine emanzipatorische Kritik am Islam zu formuliert, wird auf PI nur wahnhaft gegen den „Musel-Abschaum“ gehetzt. Seine Erscheinungen wie die Hassreden von Ajatollah Chomeini und die drohenden Auftritte von Machmud Achmadinedschad, die Programme der Hamas, der Hisbollah und der Muslimbruderschaft, die Videobotscha ften der SelbstmordattentäterInnen, die Steinigung von Frauen und das Aufhängen von Homosexuellen sind kein Gegenstand einer gesellscha ftskritischen Analyse.Würde eine solche auch nur angestoßen, müsste PI sich selbst in Luft auflösen. 

www.lili-bochum.de

LiLi # 15, Januar 2010 | 3

Intersektionalität

Ein Forschungsprogramm wird vorgestellt 2. Jos

91. Fehmi

Das AAR Das Autonome AusländerInnenreferat, kurz AAR, kümmert sich um die Angelegenheiten von allen ausländischen Studierenden an der RUB. So bieten wir beispielsweise schon seit über zehn Jahren deutsche Sprachkurse zu niedrigen Preise an, um den Einstieg in das Studium zu erleichtern. Darüber hinaus hat unser Hilfsfonds vielen ausländischen Studierenden geholfen, finanzielle Notlagen abzumildern oder zu überwinden. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass ein Studium im Ausland ein großer Schritt ist und viele Veränderungen und Unbekanntes mit sich bringt. Nicht nur die Universität ist neu, auch die fremde Sprache, Kultur und Mentalität sind große Herausforderungen. Deswegen stehen unsere ReferentInnen als erster Anlaufpunkt zur Verfügung, um Tipps zu geben, wie ihr euch in Uni, Stadt und Umgebung orientieren könnt. Denn nicht nur die Wohnungssuche und die Aufnahme des Studiums können schwierig sein, sondern auch Alltägliches wie ein Arztbesuch oder etwa der Umgang mit den deutschen Behörden ist manchmal nicht gerade einfach. Damit ihr mit euren Problemen nicht alleine bleibt, sind wir für euch da und geben Hinweise und Ratschläge. Wir wollen euch bei eurem Studium und Leben in Bochum stets unterstützen und mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit ihr euch wohlfühlen und ein erfolgreiches Studium absolvieren könnt. Das AAR verwaltet und koordiniert außerdem verschiedene kulturelle Aktivitäten, die im KulturCafé, dem AusländerInnen Zentrum oder anderen Orten auf dem Campus stattfinden. Dazu zählen Parties, Filmabende, der Saz-Kurs, die ostasiatische, die kurdische und die afrikanische Neujahrsfeier, der syrische Teeabend und vieles mehr. Zudem steht die internationale Bibliothek allen Studierenden zur Verfügung; hier können Bücher in verschiedensten Sprachen nicht nur gelesen, sondern auch ausgeliehen werden. Das Büro des AAR befindet sich im Studierendenhaus direkt zwischen dem Redaktionsbüro der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung (bsz) und dem AusländerInnenzentrum. 

Im vergangenen Dezember fand - unterstützt durch die Linke Liste - zum ersten Mal die Vortragsreihe Geschlecht und Gesellschaft statt: Unter anderem wurde der intersektionale Ansatz vorgestellt, der in der Geschlechter-Forschung und darüber hinaus vielfach diskutiert wird. Anfang der 90er Jahre sorgte Judith Butler mit ihrer These des performativen Geschlechts in ihrem Buch „Gendertrouble“ für reichlich Diskussionsstoff innerhalb der Frauenund Geschlechterforschung. Die Frau – also die Grundlage feministischer Forschung – wurde als theoretisches und politisches Subjekt radikal in Frage gestellt. Statt über das gesellschaftliche Herrschaftsverhältnis des Patriarchats hinauszuweisen, würde durch den Bezug auf das weibliche Geschlecht die Zweigeschlechtlichkeit und, damit einhergehend, die heterosexuelle Norm reproduziert und weiter als Herrschaftsverhältnis manifestiert. Während ein Teil der FeministInnen Butlers Ansatz als Befreiung des Denkens ansahen, war es für andere, als würde der feministischen Forschung der Boden unter den Füßen weggezogen. Für wen und mit wem sollte man Politik und Theoriearbeit betreiben, wenn es gar keine Frauen (mehr) gibt? Die Diskussionen waren so heftig, so dass einige WissenschaftlerInnen zu dem Schluss kamen, dass sich im wissenschaftlichen Diskurs über Frauen einige Positionen so antithetisch verhalten, dass sie unter keinen Umständen miteinander vermittelbar sind. Mittlerweile haben sich die Wogen etwas geglättet, nicht zuletzt we-

18. Fabian

hervorruft. Trotz ihrer Unbeweglichkeit können Kategorien dabei helfen, die Wirklichkeit zu erfassen und (vereinfacht) zu beschreiben. Um zu dieser Diskussion weiter beizutragen, sind auch für das Sommersemester Veranstaltungen geplant und im Dezember wird es zu einer weiteren Vortragsreihe kommen. 

31. Markus

75. Sven

Für eine iranische Revolution

gegen die iranische Revolution Im Mai vergangenen Jahres kam es auf den Straßen iranischer Großstädte zu turbulenten Szenen: Gegner des iranischen Mullahregimes opponierten und rebellierten gegen die schariatische Gottesordnung. Seit einigen Wochen flammt der, zunächst niedergeschlagene, Protest wieder auf: Hunderttausende demonstrieren entschlossen gegen ihre Unterdrückung und die Zumutungen des islamistischen Tugendterrors. Das Mullahregime reagiert auf den massenhaften Protest seiner Gegner extrem brutal, Sicherheitskräfte gehen mit Schlagstöcken und Schusswaffen gegen die DemonstrantInnen vor. Aber nicht nur gegen große Teile der eigenen Bevölkerung führt das Mullahregime Krieg, auch bellizistische Drohungen gegen westliche Staaten, insbesondere gegen Israel, sind an der Tagesordnung. Was aber ist das für ein Regime, das sich nach innen wie außen so viele Feinde macht?

Die iranische Revolution gegen das eigene Volk

13. Gaelle

gen des sogenannten intersektionalen Ansatzes, der seit einigen Jahren auch in Deutschland vermehrt Anklang findet. Doch was ist dran an einer Theorie der Intersektionalität? Was wird darunter verstanden und was ist das Neue? Der intersektionale Ansatz geht davon aus, dass es notwendig ist, sich bei der Untersuchung von Ungleichheit nicht nur auf eine Kategorie (zum Beispiel Geschlecht) zu beziehen, sondern mehrere Kategorien gemeinsam zu betrachten, da die Ursachen von Ungleichheit und Unterdrückung nicht auf einen Faktor zu reduzieren sind und ihre Wechselwirkung betrachtet werden müssen. Zudem ist es offensichtlich, dass die Ursachen nicht problemlos aufgerechnet werden können, sondern dass sie ineinander verwoben sind und sich eben nicht nur gegenseitig verstärken, sondern auch abschwächen und verändern können. Frauen werden beispielsweise nicht stets aus den gleichen Gründen und auf die gleiche Weise ungleich behandelt, es gibt immer mehrere Gründe für eine unterschiedliche Behandlung, deren Zusammenhang betrachtet werden muss. So ist beispielsweise naheliegend, dass Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland oft mit anderen Benachteiligungen zu kämp-

fen haben als Frauen, die „einfach nur“ Frauen sind. Andersherum sind Männer nicht zwangsläufig gesellschaftliche Gewinner, einfach weil sie „Männer“ sind. Sie können ebenso von erheblichen Benachteiligungen betroffen sein – etwa wenn sie von Hartz IV leben müssen! Der intersektionale Ansatz bietet die Möglichkeit, das Zusammenwirken unterschiedlicher Kategorien zu beobachten und zu analysieren, um so dabei zu helfen, eine (politische) Praxis und die Zusammenarbeit einzelner bei einer Kategorie ansetzender Gruppen zu ermöglichen. Es drängt sich dabei jedoch die Frage auf, warum trotz emanzipatorischer Forderungen nach Auflösung von Kategorien (wie bei Butler) weiter eben diese Kategorien genutzt werden. Als Antwort kann auf die Prägekraft sozialer Strukturen verwiesen werden. Zwar ist es wichtig, sich gegen Kategorien als „natürliches Ordnungsmittel“ abzugrenzen, allerdings ist ihre soziale Wirkungsmacht nicht zu unterschätzen. Es ist leider nicht zu leugnen, dass die Annahme prinzipieller Unterschiede auf Grund von Herkunft, Geschlecht o. ä. weiterhin weit verbreitet ist und strukturell nachteilige Ungleichbehandlungen

Im Jahr 1979 stürzte die iranische Revolution die Herrschaft des Schahs Mohammad Reza Pahlavi. Dieser hatte im Iran mit autoritären Mitteln eine stark am „Westen“ orientierte Kultur durchgesetzt, die den Menschen zwar keine demokratischbürgerlichen Rechte im vollen Sinne zugestand, aber zugleich die Fesseln religiöser Traditionen sukzessive sprengte. Der gestürzten Schahdiktatur folgte nun die Diktatur der Mullahs. Schnell gerieten diese in Konf likt mit den iranischen KommunistInnen. In einer Art „Zweck-

bündnis“ hatten letztere vor der Revolution noch gemeinsam mit den IslamistInnen den Schah bekämpft, nach der Revolution waren sie dann der brutalen Verfolgung durch die ehemaligen Bündnispartner ausgesetzt. Linke Oppositionelle wurden so vehement bekämpft, dass nahezu alle von ihnen innerhalb kürzester Zeit ins politische Exil f liehen mussten. Die aktuelle Widerstandsbewegung in Iran wird deshalb kaum von linken Kräften initiiert und vorangetrieben. Überhaupt spielen für einen großen Teil der protestierenden DemonstrantInnen dezidiert politische Überzeugungen nur eine eher untergeordnete Rolle. Hinter der Forderung nach echter Demokratie und freien Wahlen steht insbesondere auch die Forderung nach dem, was in laizistischen Gesellschaften scheinbar selbstverständlich möglich ist: nämlich frei von religiössittlichen Bevormundungen halbwegs individuelle Lebenskonzepte zu entwerfen und zu verwirklichen, was eben auch profane Dinge beinhaltet, wie z. B. abends mit FreundInnen mal ein kühles Bier zu trinken oder in einer Diskothek bis in die Morgenstunden zu tanzen und zu feiern. Weniger die Politik als vielmehr das Bedürfnis nach sinnlichem Genuss lässt die Demons-

trantInnen zu „Feinden Gottes“ avancieren. Einem weiteren großen Teil der Protestbewegung geht es ohnehin nur um graduelle Aspekte: Die Grundfeste des iranischen Schariasystems werden von diesen DemonstrantInnen nicht in Frage gestellt, Ziel ist lediglich eine etwas „entschärfte“ Form der totalen Gottesherrschaft. Insgesamt gilt es aber festzuhalten, dass es trotz dieser Punkte sicherlich falsch wäre, der Widerstandsbewegung die Solidarität zu verweigern.

Der militärische Amoklauf der Mullahs Dem Krieg, den die Mullahs gegen die eigene Bevölkerung führen, korrespondieren die aggressiven Drohgebärden gegenüber westlichen Gesellschaften im Allgemeinen und Israel im Besonderen. Für das Regime sind nicht nur die vielen DemonstrantInnen im eigenen Land Feinde Gottes, sondern auch jene Gesellschaften, die die Religion bereits in ihre Schranken bzw. - wie es in liberalen Gesellschaften der Fall ist - in die Privatsphäre verwiesen haben. Eine Gesellschaft, in der es formell jedem Menschen frei steht, welcher Religion er seinen Glauben schenken will oder ob er überhaupt gläubig sein mag, erscheint den iranischen Mullahs und ihren GesinnungsgenossInnen als ein einziges dekadentes Freudenhaus, in dem jedes Individuum frei und ungezügelt seinen sinnli-

chen Bedürfnis folgen würde. Dass dies mit der Beschaffenheit bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften nichts zu tun hat, spielt dabei keine Rolle, in der Wahrnehmung der IslamistInnen spiegelt sich wider, was sie selbst in die „westliche Welt“ hineinprojizieren. Zwar ist unbestritten, dass bürgerlichdemokratische Gesellschaften, die sozial gespalten und zerrissen sind, selbstverständlich auch einer konsequenten Kritik unterzogen werden müssen, aber die IslamistInnen zeigen allenfalls auf, wie schnell das Ziel einer emanzipatorischen Kritik verfehlt werden und in Barbarei umschlagen kann.

Was tun? Fakt ist, dass das Mullahregime mit unbedingter Notwendigkeit zum Sturz gebracht werden muss - im besten Falle von den oppositionellen IranerInnen selbst. Die Linke Liste hat sich daher im AStA für eine konsequente Unterstützung progressiver exiliranischer Kräfte an der Ruhr Uni eingesetzt. In einem weiteren AStAJahr wollen wir diese Zusammenarbeit weiter ausbauen. 

6. Gilles

1951. Theodor

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4 | LiLi # 15, Januar 2010

„Der lachende Hitler neben und in uns“ Seeßlen, Georg: Quentin Tarantino gegen die Nazis Im vergangenen Jahr kam der neue Tarantino-Film „Inglorious Basterds“ in die Kinos. Nur Monate später folgte ein Büchlein des Filmwissenschaftlers Georg Seeßlen, das „alles über“ ihn verspricht. Der Verfasser vertritt auch eine These, die anscheinend selbstverständlicher nicht sein könnte: „Quentin Tarantino gegen die Nazis“. Wer Hintergrunddetails – besonders zu Zitaten aus der Filmgeschichte – erfahren möchte, ist mit dem notorischen Quellensammler Seeßlen gut beraten. Mit kaum verdeckter Begeisterung über „Mr. Tarantino“ schildert er die stilprägenden Entlehnungen aus dem Genrekino: den dirty war movies Hollywoods, dem Italo-Trash der 70er und 80er über „La Grande Guerra“ und Enzo Castellaris „Inglorious Bastards“ (I 1978). Gerade diese Rückgriffe hätten ihm seinen in der Darstellung der Nazis umwälzenden Film ermöglicht, „an dem das, was Geschichte, Erinnerung, Erzählung und Kino ist, sich neu definieren muss“ (37). Nicht mehr und nicht weniger. In der postfaschistischen Gesellschaft lebe der NS in der Kulturindustrie fort. Tarantino habe nun als erster das vorherrschende Bild der Nazis zwischen moralisierendem Kitsch und dämonisierender Todessehnsucht (beides z. B. in „Der Untergang“, D 2004) durchbrochen. „Es ist eine Rachephantasie, die sich um die historische Realität nicht kümmert, weil für Tarantino sowieso schon immer das Kino die bessere Wirklichkeit war“ (140). Das Kino an sich sei also die bessere Wirklichkeit, mit der magischen Kraft ausgestattet, die sozialen Verhältnisse zu verändern. Diese Erhebung des Films zur Wirklichkeit wird zum teueren Preis der Entwirklichung der Geschichte erkauft. Ist doch etwa der jubilierende Filmschluss, in dem die Führungsriege der Nazis auf einen Schlag niedergemetzelt wird, nichts anderes als eine gelungen in Szene gesetzte Phantasievorstellung, die nur den wahnhaften,

personifizierenden Projektionen des (deutschen) Publikums nach „endlichem“ Aufräumen mit der belastenden Geschichte entspricht. Dass aber Phantasien bedient werden, zeugt gerade von der schlechten Realität, die sie hervorbringt. Geändert ist diese damit noch längst nicht. Tarantino wolle „den Rassismus auf beiden Seiten“ darstellen. „Jede der handelnden Figuren ist ziemlich

ähnlich auf der anderen Seite vorstellbar“ (147). Die jeden Unterschied zwischen den Tätern und Opfern verwischende Beliebigkeit findet Ausdruck in der gleichsam theologischen Sprache Seeßlens, die sich unbekümmert auf die Begriffe des „absolut Bösen“ respektive „Guten“ einlässt. Ihr kann es nur noch um einen Einheitsbrei gehen, das Nebeneinander von Gut und Böse, das der Verfasser „uns“ allen eilig einpflanzt, um die Absolution für die kollektiv erfahrene Ohnmacht vor der schlechten Gesellschaft sich selbst wie uns „allen“ zu erteilen. „Dass sich die Rollen umgekehrt haben, ist natürlich irgendwie ‚gerecht’. Aber wie sollten wir bei unserer Freude darüber nicht daran denken, dass

wir uns gerade genauso verhalten wie Minuten zuvor die Nazis? Und lacht da ein Hitler neben uns, in uns, mit, wenn Nazis abgeknallt werden, so wie vorher GIs abgeknallt wurden?“ (142). Nein, es lacht kein Hitler neben und in „uns“. Zwischen der Erfreuung an einer infantilen Wunschvorstellung von niedergebrannter Naziführung und einer wirklichen Vernichtung der Millionen von Juden und anderen liegen Welten – auf die Aufrechterhaltung des Unterschieds sollte es ankommen. Wäre dem nicht so, müssten auch die Juden tatsächlich Rache geübt haben, die es aber nie gegeben hat: Niemand ist in einen Vernichtungskrieg gegen Deutschland gezogen, niemand hat Millionen von Deutschen vergast. Den Unterschied zwischen dem erzwungenen Befreiungskrieg der Alliierten und dem eliminatorischen Krieg der Nazis kann nur nivellieren, wer längst den Begriff individueller Verantwortung verabschiedet hat. Für ihn sind alle menschliche Wesen gleich: irgendwie gut und böse zugleich, „Bastarde“ eben. „Die historische Wahrheit zum Nationalsozialismus scheint zu sein, dass die Menschen allein nicht mit ihm fertig wurden“ (146). Dass die Alliierten den Widerstand gegen die Nazis gewollt haben müssten, gehört heruntergespielt, soll die Interpretation sitzen. Auch die „sauberen“ und „unsauberen“ Kriegsfilme Hollywoods mögen oft nichts als Ästhetisierung der Politik und des Krieges sein und diesen als einen verselbständigten Zusammenhang („Maschine“) darstellen, in dem das Individuum nur aufgehen, nicht aber sich retten kann. Mehr als ein Auge muss jedoch zugedrückt sein, um zugleich Filme wie „Apocalypse Now“ (USA 1979) u. a., in denen sich die Verzweiflung angesichts der Auslöschung des

menschlichen Ichs vor dem Monstrum Krieg zeigt, wiederum ganz aus der Rechnung zu streichen. In NaziDeutschland wären sie unvorstellbar; im postfaschistischen unwirklich. Seeßlen gelangt ungewollt zu einer Geschichtsphilosophie mit Endzeitstimmung, für die der postfaschistisch zersetzte Lauf der Dinge nichts mehr aufhalten kann. Daher kann es in ihren Filmen auch keine „Guten“ mehr geben. „Nur Gedanke an Rache hält sie (die Opfer) am Leben“ (ebd.). Kaum glaubhaft zugleich, die Motivation der Protagonisten Tarantinos sei als nichts anderes als Rachsucht zu deuten; nicht aus Zufall wird selbst in seinem phantastischen Film nicht Gleiches mit Gleichem vergolten, kein Holocaust mit Holocaust, weil diese monströse Rechnung nie aufgehen könnte. Ob die Subjektwendung, wonach Filmvorführerin Shosanna und ihr Liebhaber ihren Tod im verbrennenden Kino eigenhändig mitvorbereiten, nicht einfach einer der zahlreichen Hommages geschuldet ist, diesmal an den französischen Widerstandsfilm, sei dahingestellt. Ebenfalls, ob es schlichte Rache ist, dem Nazi Landa, statt ihn umzubringen, ein Hakenkreuz auf die Stirn zu ritzen, damit der Gebrandmarkte in seinem künftigen Leben in den USA zum lebendigen Zeichen der Legitimität ihrer Gesellschaftsordnung werden kann. Zum Schluss wird nicht eben einfach brutal gerächt, sondern zugleich auch die moralische Überlegenheit dieser Ordnung, die auf der Ebene der Zuschauer repräseniert ist, demonstriert – darin ist Tarantino ganz dem Lauf der Weltgeschichte treu, keine Spur von „Umschreiben“. Er reitet auf den Wellen des welthistorischen Erfolgs der Alliierten. Kein amerikanischer Traum ist verloren – wie Seeßlen das schreibt. Viel-

mehr kann er sich, als Akteur der Kinoindustrie des heute hegemonial stärksten Staats, nun auch den Witz leisten, den vernichteten nationalsozialistischen Feind in einem projektiven Rausch (auch) auf der Leinwand, frei von allen Verbeugungen vor wirklicher Geschichte, auslöschen zu lassen. „Who cares?“, könnte man fragen, wenn es nicht so wäre, dass Tarantino hier mit der Trivialisierung der Nazis zugleich auch die schlechte Gesellschaft von heute trivialisiert. Diese hat sich gegenüber dem NS (zum Glück) als siegreich durchgesetzt und ist unbestritten auch die bessere Gesellschaft, aber damit noch keine gute.  Seeßlen, Georg: Quentin Tarantino gegen die Nazis: Alles über Inglourious Basterds, Bertz + Fischer 2009. 9,90 Euro

Impressum Herausgeberin: Linke Liste an der Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstr. 150, 44801 Bochum V.i.S.d.P.: Sven Ellmers, c/o LiLi Auflage: viele Tausend Redaktion: Devi Dumbadze, Jochen Kreusch, Veronika Pütz, Markus Reiß, Jos Schaefer-Rolffs, Michael Grewing, Birte Schleiting, Marco Dorigo, Damian Pütz, Peng Wang, Fabian Ulrich Gestaltung: Linke Liste Druck: druckwerk, Dortmund

16. Damian

10. Fan

Nichts als heiße Luft?! Die Klimaproblematik Kaum ein Thema war in der jüngeren Vergangenheit so präsent wie der Klimawandel. Längst ist die Thematik aus den Hinterzimmern der lokalen Greenpeace-Büros und klimaorientierten akademischen Zirkel auf die Weltbühne der großen Politik gehoben worden, wie der Klimagipfel in Kopenhagen belegt.

“This is not fiction, this is science.”* Der Effekt der globalen Erwärmung wird etwa seit den 1980er Jahren beobachtet. Die Ursache ist laut des letzten Berichts des Weltklimarats sehr wahrscheinlich durch den Menschen herbeigeführt: Seit Beginn der Industrialisierung werden große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt. Die veränderte Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre führt zu einer Veränderung des Verhältnisses einfallender und ausgesendeter Wärmeenergie. Die Folge ist ein Anstieg der mittleren Temperatur der Erdatmosphäre. Während die menschlich bedingten Ursachen der globalen Erwärmung wissenschaftlich kaum mehr angezweifelt werden, stehen die Gegenmaßnahmen in der Kritik von VertreterInnen aus Wirtschaft und Politik. Die vom Weltklimarat vorgeschlagene Maßnahme der Emissionsminderung von Treibhausgasen wird

als schädlich für das nationale Wirtschaftswachstum abgelehnt.

„The danger of climate change“* Der kritische Wert der globalen Erwärmung heißt +2 °C! Vertraut man den Klimamodellen, wird sich das Klima bei einer höheren Erwärmung nachhaltig verändern; mit weitreichenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt und natürlich den Menschen. Nicht nur ein erhebliches Artensterben wird erwartet, sondern auch das für den Menschen unbewohnbar werden

ganzer Erdteile, beispielsweise durch fortschreitende Wüstenbildung oder Überschwemmungen.

“Empty words on a page.”* Eine riesige Chance, die globale Erwärmung um mehr als 2  °C zu verhindern, wurde soeben vertan: Der Kopenhagener Klimagipfel endete desaströs. Es wurden keine Einigung über verbindliche CO2-Einsparungen getroffen. Die Verhandlungen zwischen Industriestaaten und Schwellenländern kamen zu kaum einem Ergebnis. Entsprechend vage liest sich dann auch die mühsam errungene Kopenhagener Vereinbarung: die globale Erwärmung soll auf 2 °C begrenzt werden, die Industriestaaten wollen die Entwicklungsländer finanziell un-

terstützen und die Wälder sollen geschützt werden. Es ist weder geklärt, woher die Gelder kommen sollen, noch wie die Erwärmung zu begrenzen ist.

“We must choose action over inaction”* Ein weitreichender Geld- und Technologietransfer der Industriestaaten an die Entwicklungsländer wäre nötig, denn ohne Unterstützung ist es den Entwicklungsländern nicht möglich, ihren Beitrag zu leisten. Weitreichende CO2-Einsparrungen müssen vertraglich festgelegt und überprüft werden. Dafür sind zwei Maßnahmen unerlässlich: Ein wesentliches Mittel in den Industrieländern heißt Energieeffizienz. Dabei geht es nicht um Verzicht, sondern um ein Umdenken. Je weniger Energie pro Kopf verbraucht wird, desto leichter gestaltet sich der Wechsel zu erneuerbaren Energien, der zweiten Säule. Durch die computergestützte Vernetzung von Wind-, Wasser-, Solar- und Biomassekraftwerken zu so genannten Kombikraftwerken, werden Unstetigkeiten bei der regenerativen Energieerzeugung behoben. Technische

Lösungen sind meist schon vorhanden, jedoch scheitert ihre Umsetzung meist an den Sachzwängen der kapitalistischen Konkurenzwirtschaft, denen fossile Brennstoffindustrie und PolitikerInnen folgen müssen.  * Aus der Rede Barack Obamas auf dem Kopenhagener Klimakongress. Anzeige

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