Masterarbeit

January 29, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
Share Embed Donate


Short Description

Download Masterarbeit...

Description

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz Hauptfach: Gesang

Masterarbeit

Die Geschichte der ungarischen Operette

Graz, Oktober 2012

Unter Betreuung von: Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil. Harald Haslmayr Andrea Nagyová

I

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort ............................................................................................................ 1 2. Die Anfänge ..................................................................................................... 3 3. Jacques Offenbach......................................................................................... 4 4. Die Operette in Ungarn .................................................................................. 6 5. Die Entstehung der ungarischen Operette .................................................. 7 5. 1. József Konti .................................................................................................. 8 5. 1. 1Lujza Blaha ................................................................................................. 9 5. 2. György Verő ................................................................................................ 12 5. 3. Izsók Barna ................................................................................................... 13 6. Die Meister der ungarischen Operette .......................................................... 14 6. 1. Jenő Huszka ................................................................................................. 14 6. 1.1. Sári Fedák ................................................................................................. 15 6. 1. 2. Die Handlung von „Prinz Bob“ .................................................................. 16 6. 1. 3. Die Handlung von „Gül Baba“ ................................................................... 18 6. 1. 4. Die Handlung von „Baronesse Lili“ ........................................................... 20 6. 2. Pongrácz Kacsóh.......................................................................................... 20 6. 2. 1. Zum Inhalt vom „János Vitéz“ ................................................................... 22 6. 2. 2. Die Handlung von „Rákoczi“ ..................................................................... 23 6. 3. Ákos Buttykay ............................................................................................... 25 7. Die ungarische Operette auf dem Weg zum Welterfolg .............................. 27 7. 1. Imre Kálmán ................................................................................................. 27 7. 1. 1. Die Handlung des „Herbstmanövers”........................................................ 31 7. 1. 2. Die Handlung der Operette „Der Zigeunerprimás“ .................................... 34 7. 1. 3. Zur Handlung der „Csárdásfürstin” ........................................................... 38 7. 1. 4. Zum Inhalt von “Gräfin Mariza“ ................................................................. 42 7. 2. Viktor Jacobi ................................................................................................. 49 7. 2. 1. Die Handlung der Operette „Heiratsmarkt” ............................................... 50 7. 2. 2. Die Handlung von „Sybill“ ......................................................................... 52 7. 3. Albert Szirmai ............................................................................................... 53 7. 3. 1. Die Handlung von „Magnat Mischka” ....................................................... 54 7. 4. Paul Abrahám .............................................................................................. 56

II

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

7. 5. Franz Lehár ................................................................................................. 64 7. 1. 1. „Die Lustige Witwe”................................................................................... 70 7. 1. 2. Die Handlung der „Lustigen Witwe” .......................................................... 72 7. 1. 3. Die Handlung der Operette „Der Graf von Luxemburg” ............................ 75 7. 1. 4. „Zigeunerliebe”.......................................................................................... 76 7. 1. 5. Handlung der Operette „Das Land des Lächelns”..................................... 80 8. Die Theater ................................................................................................... 87 9. Zusammenfassung ......................................................................................... 91 10. Literaturverzeichnis...................................................................................... 93 11. Abbildungsverzeichnis ................................................................................ 93 12. Internetseiten ............................................................................................... 94

III

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

1. Vorwort Ich wählte dieses Thema, weil mir die ungarische Operette immer schon sehr nahe stand. Die melodische Musik, der Glanz der Bühne, die wunderbaren Kostüme und die fröhlich-romantischen Geschichten übten einen ganz besonderen Zauber auf mich aus. Dies veranlasste mich dazu, über jene Komponisten zu schreiben, die sich als erste mit dem Genre Operette in Ungarn beschäftigten. Es war ihr Verdienst, dass diese unterhaltsame Gattung in Ungarn beliebt wurde und bis zum heutigen Tage viele Menschen dazu bewegte, ins Theater zu gehen.

Die Operette als moderne Gattung und als Symbol einer aufstrebenden und erfolgreichen bürgerlichen Mittelschicht entstand in den 1850er Jahren in Paris. Ihr Begründer war Jacques Offenbach. Der eruptive Erfolg der Operette war drei Besonderheiten zu verdanken: Erstens der frischen, geistvoll-melodischen Musik, die sowohl schöne Solostellen, Duette, Quartette und Chöre enthielt, jedoch das Dramatische mied. Das Einfügen von Tanzmusik und folkloristischen Elementen steigerte die Beliebtheit der Operette. Zweitens ist die ereignis- und wendungsreiche Handlung zu erwähnen, die sowohl Wunschträume wie auch das einfache Gerechtigkeitsempfinden der kleinen Leute – ähnlich wie in Märchen – befriedigte. Die Wirkung der Operette wurde dazu noch von ihrer dritten wichtigen Eigenschaft gesteigert: das Spektakuläre, die prachtvollen Requisiten, die glänzenden Kostüme und die kunstvollen Tänze. Abgesehen von ihren Werten und Stärken gab es noch eine weitere, lokale Voraussetzung für die Entstehung und den bemerkenswerten Aufstieg der Operette: Die Großstadt. Diese neue musikalische Gattung wurde im Wien in der Mitte des 19. Jahrhunderts gut aufgenommen, da sie das Singspiel mit dem Tanz verband. Die Wiener Operette unterschied sich in vielen Dingen von ihrer Pariser Vorgängerin: Sie war nicht so erbarmungslos ironisch wie diese und in ihrer Musik fehlten die säuerlich-sarkastischen Motive. Stattdessen waren ihre Melodien eher süßlich und verträumt; im Tanz dominierte nicht der Cancan, sondern der Walzer.

Das 20. Jahrhundert brachte auf der ganzen Welt weit reichende Veränderungen mit sich. In der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie

1

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

wuchsen stetig die sozialen und ethnischen Spannungen. Auch in der Kultur brodelte es: Neue Kräfte und Stilrichtungen überwucherten den veralteten Historismus und die altertümlich-emotionale Formenwelt der Romantik. Dieses Fieber riss auch die Musik- und Kulturlandschaft von Wien und Budapest mit sich. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erblühte auch die Budapester Operette, die bis dahin eher als „Nachtschattengewächs“ existiert hatte. Ihre Urheber Jenő Huszka, Viktor Jakobi, Pongrác Kacsóh und Albert Szirmai waren nicht

etwa

begabte

Laien,

sondern

an

der

Musikakademie

ausgebildete

Berufsmusiker. Das Komponieren und Orchestrieren hatten sie auf allerhöchstem Niveau gelernt. Während die Popularität der Operette auf bemerkenswerte Weise zunahm, wurde auch Luzja Blaha, die so genannte „Nachtigall der Nation“, berühmt. Sie war der erste Star der ungarischen Operette. Die Aufführungen von Operetten nach Pariser Vorbild, in denen sie die Hauptrolle spielte, wie z. B. „Az eleven ördög“1 und „Suhanc“2, waren im neuen Budapest sehr erfolgreich. Die Operette verwendete auch Volkstänze, die die bis dahin eintönige Prosa belebten. Bezeichnend und dabei unerlässlich für das Genre war die Ouvertüre. Wegen ihrer Eigenschaften blieb die Operette auch später eine unterhaltsame Gattung und wurde nie zum politischen Sprachrohr,

allerdings

blieb

sie

nie

ganz

frei

von

gesellschaftskritischen

Anspielungen. Pongrác Kacsóh errang mit dem „János Vitéz“, einem von Volksliedern inspiriertem Stück, seinen Ruhm. Dieses melancholische Stück wurde sein berühmtestes Werk, mit dem er sofort direkten Zugang zum Publikum fand. Nach der Uraufführung im Jahre 1904 folgten weitere 500 Aufführungen. Obwohl die Erfolge von Huszka und Kacsóh in Ungarn stets ungebrochen blieben, wurden sie im Ausland nie berühmt; vielleicht, weil ihnen das Erschaffen der charakteristisch ungarischen Grundstimmung am wichtigsten war. Ihre Arbeit löste in der ungarischen Hauptstadt eine regelrechte Operetten-Lawine aus. Unter den vielen neuen Komponisten machte vor allem Franz Lehár, der mit seiner „Lustigen Witwe“, dem „Graf von Luxemburg“, dem „Land des Lächelns“ u. a. auf der Operettenbühne erschien, auf sich aufmerksam. Später gelang ihm eine weltweite Karriere und er gilt bis heute als der größte Erneuerer der klassischen Wiener Operette.

1 2

Der lebendige Teufel. Der Bengel.

2

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Imre Kálmán3 wurde 1908 mit seinem „Herbstmanöver“ international bekannt und begann damit eine beispiellose Karriere. Sein Stil, der sowohl die Wiener Operettentradition wahrte als auch ungarische Elemente und Melodien enthielt, unterschied

ihn

von

seinen

Zeitgenossen.

Mit

der

unvergleichlichen

und

weltberühmten „Csárdásfürstin“ aus dem Jahr 1915 ging er endgültig in die Geschichte der Operette ein. Das Stück, das in Wien und in Budapest spielt, wurde – damals eher ungewöhnlich – von der Wiener Kritik in höchsten Tönen gelobt. Kálmán gelang damit eine besondere Balance zwischen Parodie und Fantasiewelt, mit der er die im freien Werteverfall befindliche Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg kritisierte. Die Csárdásfürstin wird mit ihrem bekannten Lied „Hajmási Péter, Hajmási Pál“ bis zum heutigen Tag gespielt und erlebte inzwischen mehr als tausend Aufführungen. 2. Die Anfänge Im Juli 1792 warben handgeschriebene Flugblätter auf den Straßen von Paris für eine Aufführung des Komponisten Des Chaves und des Librettisten Rubier Dechamps, die den Namen „Der kleine Orpheus“ trug. Als Gattung war „Operette“ angegeben. Laut Chroniken und Lexika war dies das erste musikalische Bühnenwerk, das zwar noch relativ viel mit der komischen Oper gemein hatte, hinsichtlich seiner Form jedoch bereits etwas Neues brachte. Das Wort „Operette“ stammt angeblich von Mozart und bedeutet so viel wie „kleine Oper“.4 Die Bezeichnung deutete darauf hin, dass diese Gattung sowohl vom Umfang als auch von der Handlung einfacher war als eine Oper. Das Publikum wusste, dass es mit einer Operette ein leichtes, unterhaltsames, lustiges und manchmal sogar etwas frivoles Werk zu sehen bekam. Diese neue Gattung wurde in Frankreich innerhalb kurzer Zeit sehr populär und brachte nach hundertjähriger Vorlaufzeit den „Großmeister der Operette“, Jacques Offenbach, hervor.

3 4

Im deutschen Sprachgebrauch auch als „Emmerich Kálmán” bekannt. Róbert Rátonyi: Operett 1, Budapest 1984, S. 9.

3

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

2. Jacques Offenbach Offenbach wurde am 20. Juni 1819 in Köln geboren. Sein Vater, Jakob Eberst, war Kantor der jüdischen Gemeinde und hatte außer Jacques noch acht Kinder. Die Familie Eberst stammte aus einer Stadt am Main namens Offenbach, daher nahmen sie diesen Familiennamen an. Der Vater unterrichtete neben seiner Kantorentätigkeit auch Gesang, Violine, Flöte und Gitarre. Jacques war von all seinen Geschwistern der Begabteste. Er trat schon im Alter von sieben Jahren als Wunderkind vor dem Kölner Publikum auf und spielte als Zwölfjähriger bereits seine eigenen Kompositionen. Offenbachs Vater reiste 1833 mit zwei seiner Söhne nach Paris, um sie dort in das Conservatoire de Paris einschreiben zu lassen. Der bekannte Komponist und damalige Direktor des Hauses, Luigi Cherubini, wollte Jacques wegen seiner ausländischen Herkunft erst gar nicht anhören, aber der Vater ließ nicht nach, sodass sie schließlich doch einen Termin bekamen. Das Vorspiel wurde nach drei Minuten unterbrochen und Cherubini nahm Jacques offiziell als Schüler auf. So kam Offenbach nach Paris, wo er nach Beendigung seines Studiums als WalzerKomponist auf sich aufmerksam machte. 1850 wurde er in das älteste Prosatheater Frankreichs, die Comédie-Française, als Dirigent eingeladen. 1861 schrieb er sein erstes Bühnenwerk, das „Chanson de Fortunio“.

Offenbach verliebte sich in die Welt des Theaters und sehnte sich nach einer eigenen Bühne. Dieser Wunsch ging am 5. Juli 1855 mit der Eröffnung des „Théâtre Les Bouffes Parisiens“ in Erfüllung. Der Großteil seiner Werke wurde hier uraufgeführt, wie z. B. „Die weiße Nacht“ oder „Die Zaubergeige“. 1858 tat er erste Schritte in Richtung Großoperette und führte das Werk „Die Damen auf dem Markt“ auf. Dabei erschienen auf zauberhafte Weise Bilder der Marktplätze und Straßen der französischen Hauptstadt auf der Bühne. Die Handlung spielt im 18. Jahrhundert und die Hauptdarstellerin, ein 16-jähriges Mädchen, stellt das Leben des Blumenmarktes auf den Kopf. Mit der Zeit entwickelte sich die Operette zu einer Gattung, die das Publikum über drei Akte glänzend zu unterhalten vermochte. Dies war unter anderem den

4

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

großartigen Sängern, Schauspielern und Tänzern sowie den schönen Kostümen und den prachtvollen Kulissen zu verdanken. 1857 trat Offenbachs Theatergesellschaft im Londoner St.-James-Theater auf und im Jahr 1861 war sie zu Gast im Nationaltheater in Budapest. Außer dem Werk „Die Damen auf dem Markt“ wurde auch „Die verwandelte Katze“ aufgeführt.

Der erste Welterfolg gelang Offenbach mit dem Stück „Verlobung bei der Laterne“, danach schuf er einen Operettenklassiker nach

dem

anderen.

Die

bekanntesten

Librettisten der Zeit waren Henry Meilhac und Ludovic

Halévy.

Das

Geheimnis

ihres

Erfolges lag darin, dass sie sowohl den einfachen Mann als auch die Mächtigen der Welt auf die Bühne stellten.

Abbildung 1

Offenbachs erste, in ganz Europa bekannte Operette, war „Orpheus in der Unterwelt”, die bis heue noch weltweit aufgeführt wird. Hinter der Maske des Juno konnte jeder den eifersüchtigen Kaiser Eugen erkennen und der Schürzenjäger Jupiter ließ sich leicht als Napoleon III. identifizieren. Das nächste Werk war „Die schöne Helena”, welches Offenbach für die Sopranistin Hortense Schneider komponierte. Dieses Werk übertraf den Erfolg des „Orpheus in der Unterwelt” noch bei weitem: Das Publikum tobte nach der Premiere. Offenbach wurde von Tag zu Tag populärer. Es gab Jahre, in denen er sogar an drei oder vier Operetten gleichzeitig arbeitete. Seine Werke, z. B. „Die Großherzogin von Gerolstein”, „Pariser Leben” und „Die Schwätzer” wurden in vier verschiedenen Pariser Theatern aufgeführt. Die große Beliebtheit von Offenbachs Werken trug wesentlich dazu bei, dass die Operette ihren Siegeszug um die Welt antrat.

5

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

3. Die Operette in Ungarn

In den 1860er Jahren befand sich das ungarischsprachige Theater im ständigen Kampf gegen die Vorstellungen in deutscher Sprache. Die Bewohner der Hauptstadt sprachen eher Deutsch als Ungarisch, trotzdem wuchs die Zuschauerzahl bei den Aufführungen des ungarischen Nationaltheaters, in dem hauptsächlich Volksstücke gespielt wurden. Das deutsche Theater hingegen spielte immer öfter vor leeren Stuhlreihen. Zu diesem Zeitpunkt begannen sie, nach und nach Operetten von Offenbach in ihr Programm aufzunehmen. Das Volksstück erhielt mit der Operette einen unerwarteten und mächtigen Konkurrenten. Die Menschen gingen unabhängig von ihrer ungarischen oder deutschen Muttersprache in das Theater, wo Operetten gespielt wurden. Eines Tages erschien Miklós Feleky bei Mihály Nyéki, dem Direktor des Nationaltheaters. Feleky war nicht nur ein vielseitiger Schauspieler, sondern auch Übersetzer. Er übergab Nyéki ein Manuskript, aus welchem er gleichzeitig vorlas und vorspielte. Nyéki fand Gefallen an dem Stück, bei dem es sich um Offenbachs „Verlobung bei der Laterne” handelte. Das Werk wurde am 22. November 1860 in der Übersetzung von Miklós Feleky aufgeführt. An jenem Tag wurde zum ersten Mal eine Operette in ungarischer Sprache aufgeführt, und damit begann eine Entwicklung, die sowohl von Erfolgen als auch von Misserfolgen gezeichnet war. Im April 1860 zog der renommierte Provinztheater-Direktor György Molnár mit einem ungarischsprachigen Ensemble ins deutsche Theater ein. Er wollte ein eigenes Theater, das er auch bald bekam: am 14. September 1861 eröffnete das Budaer Volkstheater mit Offenbachs erfolgreicher Operette „Die Verlobung bei der Laterne”. Der Erfolg der Aufführung war zwar groß, hielt jedoch nicht lange an. Am 12. Juli 1861 gastierte Offenbach im Nationaltheater mit seiner „Verwandelten Katze”. Bei der Aufführung waren auch Molnár und sein Ensemble anwesend, um die Kunst der Franzosen abzuschauen und zu erfahren, was den Erfolg einer Operette eigentlich ausmacht. Nach zwei Jahren erlangte Molnár die Aufführungsrechte zu Offenbachs Operette „Die Reisen von Väterchen Dunanan und seinem Sohn” und präsentierte sie dem Publikum am 17. Januar 1861 mit einer hervorragenden Besetzung und einer atemberaubenden Kulisse. Die Hauptrolle hatte Károly Simonyi inne, die weiteren Darsteller waren József Vince, Béla Szilágyi, József Szép, Emma Harmath

6

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

und Ferenc Náday. „Väterchen Dunanan” wurde mehr als 100 Mal aufgeführt und war das erste Stück in Ungarn, das jeden Tag in Serie gespielt wurde. Trotzdem hatte György Molnár finanzielle Probleme und musste 1864 schließen. Nach drei Jahren öffnete er sein Theater wieder, führte aber keine Operetten mehr auf. Die nächsten fünf Jahre konnte man Operetten nur noch in Provinztheatern (wie z. B. in Kolozavár,

Arad,

Miskolc,

Debrecen,

Marosvasarhely,

Nagyenyed,

Kassa,

Nagyvárad, Ungvár und Szabadka) sehen.

4. Die Entstehung der ungarischen Operette

Aufgrund der Turbulenzen, die Offenbachs Gastspiel verursachte, entschloss sich Géza Allaga, der Dirigent des Ensembles um György Molnár, ebenfalls eine Operette zu schreiben. Bisher waren nur seine Begleitmusiken zu Volksstücken und seine Lieder landesweit bekannt gewesen. Das bekannteste davon, „Befútta a hó”5, wird in Ungarn bis heute noch gesungen. Zu einer Operette gehörte natürlich auch ein Librettist und diese Aufgabe übernahm der vielseitige Schauspieler des Budaer Volkstheaters, István Bényei. Dieser war bekannt dafür, jede Aufgabe anzunehmen, die ihm angeboten wurde – sein abenteuerliches Leben bezeugt dies: Er war Wanderschauspieler, Theaterdirektor, Veranstalter von Ausstellungen, Bibliothekar, Direktor eines Pensionistenheimes und schrieb außerdem

Theaterstücke und

Zeitungsartikel. Sein Stück „Der verliebte Kantor” wurde am 21. April 1862 uraufgeführt. Dieses Stück fand wenig Zuspruch. Die Charaktere waren zu volkstümlich und die Musik bestand aus volkstümlichen Weisen und Opernarien und war daher zu banal. Die Presse und das Publikum betrachteten das Stück lediglich als Pionierarbeit. Der erste Schritt war getan, es fehlte bloß der Durchbruch. Dessen ungeachtet gab es sowohl in der ungarischen Hauptstadt als auch in der Provinz Komponisten, die mehr oder weniger erfolgreich mit der neuen Gattung experimentierten. Einer der Schauplätze für ein Experiment dieser Art war das Volkstheater, das am 15. Oktober 1875 auf dem heutigen Blaha-Lujza-Platz in Budapest eröffnete. Der erste Direktor war Jenő Rákosi, der bereits im Jahr der Eröffnung den Autor Árpád Berczik bat, eine Operette für das Theater zu schreiben; für die Musik wurde Károly Huber beauftragt. Das Ergebnis war eine lustige kleine

5

„Der Schnee hat es verweht”.

7

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Operette, die Namen „Der Kuss des Königs” trug. Ihr einziger Makel war ihre Kürze – sie dauerte nur 30 Minuten und war als Begleitprogramm im Repertoire des Theaters vertreten, sodass nach sie einigen wenigen Aufführungen wieder in Vergessenheit geriet. In dieser Zeit schrieb auch der Dirigent des Theater in Nagyvárad, József Konti, eine dreiviertelstündige Mini-Operette mit dem Namen „Die Jäger”. Sie handelt von einem jungen Grafen, der sich in die Tochter des Jägers verliebt. Viel mehr hatte das Stück nicht zu bieten, weshalb es trotz seiner guten Musik erfolglos blieb. Obwohl der erste Versuch des hervorragenden Musikers Konti ein Misserfolg war, wurde er zu einem der Gründerväter der ungarischen Operette. 5.József Konti (1852–1905) Konti wurde in Warschau geboren. Er kam in jungen Jahren nach Wien und wurde neben Franz von Suppé Chorleiter am Carltheater. Im Jahre 1878 ging er nach Ungarn, wo im August desselben Jahres sein Einakter „Die Jäger” aufgeführt wurde. Nach dem Misserfolg des Stückes vergingen sechs Jahre, bis Konti seine erste richtige Operette, den „Lebendigen Teufel” komponierte. Die Idee kam von einem französischen Stück namens „Le Vicomte Letoriéres”, welches Antal Deréki ins Ungarische adaptierte. Deréki war ein bekannter Schauspieler und schrieb mehrere Volksstücke wie zum Beispiel „Két dudás egy csárdában”6 und „A szégyenfolt”7, das Bekannteste aber war „Der lebendige Teufel”, weil dieses gleichzeitig die erste Operette war. Zunächst hatte Dereki das Stück dem Direktor Evva Lajos angeboten, der es jedoch aus unbekannten Gründen zurückwies. Daraufhin bot er es Sándor Csóka, dem Direktor der Theater von Kolozsvár, Szabadka, Győr und Miskolc an, der es annahm, da er gerade nach einer Rolle für seine Primadonna Emilia Pajor suchte. Das Stück wurde im Juni 1884 mit großem Erfolg aufgeführt. Diese Aufführung besuchten auch die berühmte Primadonna des Nationaltheaters, Lujza Blaha und Miklós Feleky, der zu dem Zeitpunkt schon das Theater in der Budaer Burg gemietet hatte. Sie fanden Gefallen an dem Stück und beschlossen, es im Burgtheater aufzuführen. Die musikalische Leitung übernahm Konti, der nicht nur Komponist, sondern auch ein hervorragender Dirigent war. Am 6. Dezember 1885 wurde „der lebendige Teufel” mit Konti am Pult und dem Publikumsliebling Lujza Blaha in der Hauptrolle mit grandiosem Erfolg aufgeführt. 6 7

„Zwei Pfeifer in einer Kneipe”. „Der Schandfleck”.

8

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Man kann sagen, dass diese Premiere die Geburtsstunde der ungarischen Operette war. Der Erfolg beflügelte József Konti und viele andere Komponisten.

Lujza Blaha wurde am 8. September 1850 in Rimavská Sobota (in der heutigen Slowakei) geboren. Feldwebel

Ihr und

Schauspielerin.

Vater,

Sándor

Reindl,

ihre

Mutter,

Lujza

Sie

bereisten

mit

war Ponti, der

Wanderbühne von Boldizsár Land die heutige Slowakei, wo in Rimavská Sobota ihre erste Tochter Ludovika Reindl geboren wurde. Diese wurde, wie ihre Mutter, Lujza genannt, einen Namen, den sie bis zum Ende ihres Lebens beibehielt. Abbildung 2

Schon im Alter von fünf Jahren spielte sie kleinere Rollen und war in fast jedem Stück Statistin. Mit ihrer hervorragenden Stimme erntete sie sehr viel Beifall. 1858 erhielten ihre Eltern im Theater von Győr einen Vertrag, wo auch Luzja ihre erste richtige Rolle in einem Theaterstück spielte, das den Namen „Die Bettlerin“ trug. Sie spielte darin mit gutem Erfolg eine Dienerin. Mit 13 Jahren war sie bereits eine fertig ausgebildete Schauspielerin. 1863 spielte sie zum ersten Mal in ihrer Heimatstadt Rimavska Sobota und nach einiger Zeit, die sie an diversen Bühnen zugebracht hatte, wurde sie vom Direktor des Budaer Volkstheaters, György Molnár, unter Vertrag genommen. Anfangs sang sie nur im Chor, bald jedoch bekam sie auch Hauptrollen. Später wechselte sie nach Szabdka, wo ihr Gatte János Blaha als Dirigent des Regiments Lichtenstein-Dzsidas tätig war. Ihre gemeinsame Arbeit brachte viele Erfolge mit sich. Gemeinsam wechselten sie ans Stadttheater von Debrecen, wo sie bald die Lieblinge des Publikums wurden. János Blaha dachte, seine Frau hätte mehr Möglichkeiten, wenn sie auch deutschsprachige Werke interpretierte. Er nahm sie daher oft nach Wien mit, wo sich der namhafte Komponist Franz von Suppé, damals Direktor am Theater an der Wien, mit ihr beschäftigte. Lujza allerdings wollte zurück nach Debrecen. Nachdem ihr Mann im Januar 1870 verstorben war, suchte die junge Schauspielerin Trost in der Arbeit. Allmählich

9

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

eroberte sie das Publikum von Kolozsvár, Nagyvárad (Oradea) und vom Nationaltheater in Budapest. Als sie 1875 eine Gastrolle in Eger hatte, hielt der Großgrundbesitzer Sándor Soldos um ihre Hand an. Diese Ehe dauerte nur vier Jahre. Im Jahr 1883 führten sie einige Gastspiele ins Theater an der Wien. Die österreichischen Zeitungen lobten einstimmig ihren Gesang, ihr Spiel und ihren Tanz. Mit 30 Jahren war sie die beliebteste Schauspielerin Ungarns. Mit ihrer Karriere ging es steil aufwärts, allerdings war sie in ihrem Privatleben unglücklich. Da sie die Einsamkeit nicht aushielt, heiratete sie einen ihrer Verehrer, den Baron Ödön von Splényi. Ihr Gatte sicherte ihr Ruhe, Wohlstand und Zuneigung, nur Liebe konnte er ihr nicht geben. Die Primadonna, für die so viele Herzen schlugen, vermochte mit einem Blick die Männerherzen im Publikum zu entfachen – trotzdem fand sie im Leben nie die wahre Liebe. Nach dem Tod des Barons von Splényi wurde sie zum dritten Mal Witwe und suchte von da an ihre Freude nur noch auf der Bühne. Am 15. Oktober 1900 feierte man das 25jährige Bestehen des Volkstheaters und die ewig junge Primadonna Ungarns, Lujza Blaha. Einen Monat später wurde ihr das goldene Ehrenkreuz verliehen und im Jahr 1901 wurde sie zum ständigen Mitglied des Nationaltheaters ernannt. 1908 feierte sie ihr 50jähriges künstlerisches Jubiläum, zu dessen Anlass Árpád Pásztor im Auftrag des Direktors des Volkstheaters, Rezsö Mader, eine Operette nach der Komödie von Gergely Csíky „Die Großmutter” schrieb. Die Musik zum Stück komponierte Mader selbst. Blaha spielte die Rolle mit Vergnügen und bescherte der Operette großen Erfolg. Das Stück wurde mehr als 60 Mal in vollen Theaterhäusern gespielt, unter anderem auch 1912 in Wien, wo es das österreichische Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Am 8. September 1920 wurde der Platz vor dem Volkstheater im Rahmen der Feierlichkeiten zu ihrem 70. Geburtstag in Blaha-Lujza-Platz umbenannt. Ihr letzter Auftritt war am 8. Dezember 1922 im Erkel Theater zur Feier des 50 jährigen Bestehens des Volkstheaters. György Verő komponierte das Stück „Die Pforte der türkischen Richterin”, in dem alle auftraten, die jemals im Volkstheater gespielt hatten, darunter auch die 72 jährige Luzja Blaha. Mit diesem Stück verabschiedete sich vom Publikum und von der Bühne jene Künstlerin, die man in allen ungarischen

10

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Lexika bis heute unter dem Namen „Die Nachtigall der Nation” kennt. Ab diesem Zeitpunkt lebte sie zurückgezogen bis zu ihrem Tod am 18. Januar 1926. Neben der unübertrefflichen Lujza Blaha möchte ich noch einige weitere Operettendarsteller des Volkstheaters erwähnen: Klára Küry, Ilka Palmay, Czélia Margó, Zsófi Csatai, Pál Vidor und Elek Solymosi. Nun möchte ich wieder zu den Gründern der ungarischen Operette zurückkehren. Dies war in erster Linie József Konti, der nach dem Erfolg seines Werkes „Der lebendige Teufel” eine Operette nach der anderen schrieb. 1886 führte er eine Operette mit dem Namen „Königsgriff” auf, deren Text der damals beste Autor, Gergely Csíky, schrieb. Es gab vier hervorragende Männerrollen darin: einen polnischen, einen russischen, einen deutschen und einen spanischen Diplomaten, die einer Schwedin, gespielt von Lujza Blaha, den Hof machten. Zur großen Überraschung Kontis gratulierte ihm einmal Johannes Brahms nach einer der Aufführungen: „Ihre Primadonna und ihre Musik haben glänzend zueinander gefunden. Mögen sie ihre Hände nicht mehr loslassen.”8

Konti beherzigte dies und schrieb eine Operette mit dem Titel „Suhanc”.9 Diese handelt von einem Taugenichts, der unverschämt und frech ist, aber trotzdem die Menschen verzaubert. Dazu schrieb Konti eine derart lustige Musik, dass das Publikum die Wiederholung einer jeden Nummer verlangte.

Abbildung 3

Danach kam „A Kópé”10, dessen Musik der von „Suhanc in keinster Weise nachsteht, allerdings gab es wegen des Librettos nur wenige Aufführungen. Dieser Misserfolg nahm Konti für acht Jahre die Lust am Komponieren. Im Dezember 1897 erschien 8

Rátonyi, Operett 1, S. 42. Bürschchen. 10 „Der Schlawiner”. 9

11

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Albert Kövessy, ein Schauspieldirektor aus der Provinz, und bat Konti, ihm eine Operette zu schreiben. Die gemeinsame Arbeit trug bald Früchte, sodass am 4. Februar 1898 im Volkstheater die gemeinsame Operette von Kövessy und Konti unter dem Namen „Talmi Hercegnő”11 zur Aufführung gelangte, mit Lujza Blaha und Aranka Hegyi in den Hauptrollen. Der Erfolg war sowohl von Seiten des Publikums als auch der Presse eindeutig. Danach vergingen erneut acht Jahre, bis Konti ein neues Werk schrieb, das gleichzeitig sein letztes war: „A Fecskék”12. Das Stück wurde von Publikum mit Spannung erwartet, allerdings blieb der Erfolg aus. Obwohl Konti danach nicht mehr komponierte, „glänzt sein Name in Goldbuchstaben am Himmel der ungarischen Operette”.13 György Verő (1857–1941) galt ebenfalls als einer der „Hauskomponisten” des Volkstheaters. In erster Linie war er Schauspieler, später wurde er dann auch Regisseur,

Dramaturg,

Dirigent,

Schriftsteller

und

Komponist.

Er

leistete

Unvergängliches in der Geschichte der ungarischen Operette. Es gelang ihm als ersten ungarischen Operettenkomponisten auch ein Durchbruch im Ausland. Seine erste Operette „Szultán”14 wurde am 19. November 1892 im Volkstheater uraufgeführt; danach folgten viele weitere: „Virágcsata”15, „Kleopátra”16 und „Doktorkisasszonyok”17. Den wahren Triumph erlangte er aber mit der Operette „Leányka”18, welche mit glänzender Inszenierung und großartigen Darstellern am 17. Januar 1906 im Volkstheater zur Uraufführung kam. In diesem Stück griff er ein bekanntes historisches Thema auf. Die Hauptdarsteller sind Apaffy Mihály, Fürst von Siebenbürgen, damals gespielt von Pál Vidor, die Fürstin Anna Bornemissza, dargestellt von Ilona Harmath und Graf Imre Thököly, gespielt von Géza Raskó. Des Weiteren spielte Sári Fedák die Rolle der Margit Teleki. Nach der Aufführung regnete es mehr als 20 Minuten Blumen auf das Publikum. Aus dieser Operette stammt auch das Lied mit dem Anfangstext: „Ich weine nicht, ich klage nicht, ich werde keine Nachricht schreiben…es kommt noch ein Frühling, es kommt noch ein Sommer, aber mich wird es nicht mehr geben!” Dieses Lied verbreitete sich schnell im ganzen Land 11

„Herzogin Talmi“. „Die Schwalben“. 13 Rátonyi, Operett 1, S. 44. 14 „Sultan”. 15 „Blumenschlacht”. 16 „Kleopatra“. 17 „Die Doktorfräulein“. 18 „Das Mädchen”. 12

12

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

und wurde später von vielen Menschen für ein Volkslied gehalten. So gelangte es auch im Jahr 1921 in eine Operette von Robert Stolz („A kis Grizett”19), in der Frigyes Tanay als Zigeunerprimas das Lied sang. Auch im Ausland interessierte man sich für die Operetten von Verő. So wurde im Theater von Max Reinhard, dem Deutschen Theater in Berlin „Kleopátra” mit Gastschauspielern aus Budapest und Sári Fedák in der Hauptrolle aufgeführt. Sein Singspiel „A Bajusz” und seine Operette „Az Oroszlánvadász” erlebten wenige Monate nach der Budapester Uraufführung auch im Theater an der Wien große Erfolge.

Die Erfolge von Konti und Verő verleiteten viele weitere begabte Musiker, sich mit der Operette zu beschäftigen. Es gab allerdings auch einige, die von alleine zu dieser neuen Gattung fanden. Zu diesen zählte Izsók Barna (1859-1944), ein Absolvent der Musikakademie. Seine jungen Jahre verbrachte er als Dirigent an den Theatern in Szeged und Arad und unternahm schon damals Kompositionsversuche in Richtung Operette. Sein erster großer Erfolg war das Werk „Casanova”, dessen Text Jenö Faragó schrieb. In der Hauptrolle war Antal Nyárai, der bis dahin nur als Provinzschauspieler galt. Von Faragó wurde er ermutigt, sich in der nächsten Operette von Barna auch am Schreiben des Librettos zu beteiligen. Mit dem Stück „Senki”20 gelang ihm ein hervorragendes Libretto, dessen Hauptfigur er natürlich für sich selbst konzipierte. In den folgenden Jahren überraschte Barna das Publikum alle sechs Monate mit einer neuen Operette. Von vielen, wie „Mintha álom volna” 21, „Vigyázz a csókra”22 oder „Rézi”23 blieb leider nur noch der Titel in Erinnerung. Zwar lagen ihre Partituren und Libretti noch einige Zeit in den Bibliotheken der Theater auf, gerieten dann aber in Vergessenheit. Am 1. Juli 1925 wurde Izsók Barna als Dirigent pensioniert, schrieb allerdings noch seine letzte Operette „Blaháné”24, mit der er der Operettenschauspielerin Lujza Blaha ein ewiges Denkmal setzte. Obwohl er den Erfolgen von Konti und Barna keine Konkurrenz machen konnte, versuchte sich auch Elek Erkel, der Dirigent des Volkstheaters und Sohn des Komponisten Ferenc Erkel, mit der Komposition einer Operette. Er schrieb insgesamt drei Operetten, die mit mäßigem Erfolg im Volkstheater aufgeführt wurden. 19

„Das kleine Gisett“. „Niemand”. 21 „Wie im Traum”. 22 „Pass auf den Kuss auf”. 23 „Resi”. 24 „Frau Blaha”. 20

13

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Von den weiteren Komponisten sind noch die Namen Ferenc Puks, Béla Hegyi, Lajos Serly und Jenö Sztojanovics zu erwähnen. Dies war die Situation der ungarischen Operette gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

6. Die Meister der ungarischen Operette Jenö Huszka wurde am 24. April 1874 als erstes Kind seiner Eltern in Szeged geboren. Später bekam er noch eine Schwester und einen Bruder. Sein Vater Ödön Huszka war Richter, seine Mutter hieß Etelka Burgel. Die Musik war allgegenwärtig in der Familie. Der Vater spielte gut Geige und die Mutter liebte es, Klavier zu spielen. Es überrascht daher nicht, dass Huszka schon im Alter von fünf Jahren als Wunderkind mit der Geige auftrat. Mit 11 Jahren hatte er bei einem öffentlichen Prüfungskonzert der Musikschule Szeged großen Erfolg. Nach dem Abitur ging er an die Musikakademie nach Budapest. Seine Eltern waren über seine Aufnahme dort nicht sehr erfreut, weil sie eine künstlerische Laufbahn nicht als anständigen Beruf betrachteten. Sie beharrten darauf, dass er auch ein Jurastudium beginnen sollte. So kam es, dass er gleichzeitig Jura und Musik studierte. Violine lernte er bei Jenő Hubay und Komposition bei János Koessler. Wegen seines Jurastudiums hieß sein erstes, im Druck erschienenes Werk, „Juristen-Csárdás”. Er beendete zwar sein Jurastudium, die Musik wurde aber immer wichtiger für ihn. Nach Beendigung seiner Studien an der Musikakademie bewarb er sich beim Pariser Orchester Lamoureux, wo er ein Jahr als zweiter Violinist zubrachte. Im Jahr 1897 kam er wieder nach Hause, wo seine Eltern ihn dazu drängten, eine

Beamtenstelle

anzunehmen.

Er

begann

ein

neues

Leben

im

Bildungsministerium, die Theaterwelt reizte ihn aber weiterhin sehr, wozu auch sein Schreibtischnachbar Ferenc Martos, ein hervorragender Librettist, beitrug. Martos war ein temperament- und phantasievoller Schriftsteller mit vielen hervorragenden Qualitäten und voller Ambitionen. Aus diesem Grund wurde in ihrem Büro viel über das Theater gesprochen und neben den Akten lagen immer auch einige Libretti. Neben Martos befand sich noch Károly Bakony, ein Mitarbeiter des Ministeriums für Landwirtschaft und desgleichen ein begabter Schriftsteller, im Bekanntenkreis von Huszka. Alle drei hatten neben ihrer Beamtentätigkeit einen starken Hang zur Kunst.

14

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Im September 1902 erschienen sie bei Kálmán Porzsol, dem damaligen Direktor des Volkstheaters und legten diesem ein umfangreiches Libretto vor. Obwohl Porzsol nicht auf Anhieb von dem Stück begeistert war, nahm er es ins Programm auf. Die Premiere fand am 20. Dezember 1902 unter dem Titel „Prinz Bob” statt. Dies war der erste Erfolg von Jenö Huszka. Das Publikum begrüßte den Meister und seine Primadonna, Sári Fedák, mit großem Applaus. Der Name von Sári Fedák wurde bisher nur beiläufig in meiner Arbeit erwähnt, sodass

ich

jetzt

von

ihr berichten

möchte. Sie wurde am 26. Oktober 1879 in Berekszászó geboren und starb am 25. Mai 1955 in Budapest. Sie war eine der bekanntesten und erfolgreichsten ungarischen

Schauspielerinnen

und

Primadonnen. Abbildung 4

Nach Absolvierung der Schauspielschule von Szidi Rákosi, begann sie 1900 ihr Engagement am Ungarischen Theater. Während ihrer Laufbahn trat sie in vielen ungarischen und ausländischen Theatern auf. Unter anderem spielte sie im Volkstheater Budapest, im Király Theater, und im Vígszínház 25. Gastspiele führten sie nach Wien, Berlin, Paris, London und auch in die Vereinigten Staaten. Sie war eine humorvolle und suggestive Operetten-Primadonna. Aufgrund ihrer Begabung wurde ihr Name zu einem Begriff im ungarischen Schauspiel. Nun aber zurück zu Jenö Huszka, der durch seinen Erfolg des „Prinz Bob” eine besondere Figur in der Geschichte der ungarischen Operette wurde. Das Werk des bis dahin unbekannten Komponisten wurde mehr als 100 Mal gespielt. Es war der bis zu diesem Zeitpunkt größte Erfolg der ungarischen Operette in seiner Heimat Ungarn.

25

Komisches Theater Budapest.

15

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die Handlung von Prinz Bob: 1. Akt: Hauptfigur des Stückes ist Prinz Georg, der gerne nachts unter dem Decknamen Bob in London spazieren geht, in treuer Begleitung von Meister Pomponius. Bei einem seiner Ausflüge verliebt er sich in die Bürgerstochter Annie. An seinem 20. Geburtstag soll ihm von der Königin das alte SanktGeorgs-Schwert übergeben werden und dabei soll er erfahren, dass er nun die für ihn bestimmte Prinzessin heiraten müsse. Kurz davor ist eine Zeremonie, während der Georg ausländische Gesandte und Bürger empfängt, die Beschwerden vorzubringen haben. Einer von ihnen ist Plumpudding, der Barbier, zusammen mit seiner Braut, die keine andere ist als Annie, Bobs Liebste. Der Barbier beschwert sich über einen Strolch namens Bob, der seine Hochzeit mit Annie verhindern möchte. Annie glaubt in ihrer Überraschung Bob zu erkennen, er kann sie aber überzeugen, dass er diesem nur sehr ähnlich sehe. Prinz Georg entscheidet, der Bräutigam solle Annie heiraten, hat jedoch insgeheim vor, die Hochzeit um jeden Preis zu verhindern. 2. Akt: Schauplatz dieses Aktes ist die Bowie Street in London. Bob kommt heran und möchte die Menschen auf der Straße davon überzeugen, dass er Annie liebt. Das Volk versperrt daraufhin dem Barbier Plumpudding den Weg, sodass Bob mit der Braut fliehen kann. Den beiden steht aber die Königin im Weg, die sich zuerst von der Verkleidung täuschen lässt und in die Hochzeit einwilligt. In diesem Moment aber übergibt ihr Bob das Schwert des Heiligen Georg, woran die Königin ihren Sohn erkennt. Der Prinz bittet Annie erneut um ihre Hand, diese lehnt jedoch ab, weil sie sich für nicht würdig hält, einen Prinzen zu heiraten. Bob verabschiedet sich mit gebrochenem Herzen von ihr, um die für ihn bestimmte Prinzessin zu heiraten. 3. Akt: Die Königin verzeiht ihrem Sohn, der sich anschickt, die Prinzessin zu heiraten. Allerdings findet er ein fremdes Haar an ihr, ein Beweis dafür, dass auch sie einen anderen liebt. Pomponius gelingt es, die Königin zu besänftigen, die daraufhin Annie selbst ihrem Sohn in die Arme führt. Was für Wien das Theater an der Wien war, wurde für Budapest das Király Theater. Nach langem Tauziehen wurde es am 6. November 1903 eröffnet. Das erste Stück,

16

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

das dort zur Aufführung kam, war „Goldblume” von Jenö Huszka; der Text stammte von Ferenc Marton. Die Geschichte beginnt am Strand von Neapel. Eine schöne Frau namens Goldblume macht die Bekanntschaft eines reichen, verlobten Pärchens, das am Ufer flaniert. Ellen, die Verlobte, bittet Goldblume, aus Spaß für einen Tag die Rollen zu tauschen. Die reiche Ellen zieht das volkstümliche Kleid von Goldblume an und diese das extravagante Kleid von Ellen. Dadurch ergeben sich einige Komplikationen, aber letztendlich bekommt Ellen ihren Verlobten wieder. „Goldblume” brachte den erhofften Erfolg und wurde in Ungarn mehr als 50 Mal aufgeführt.

Damit war des Erfolges aber noch nicht genug, denn Marton und Huszka arbeiteten bereits an einer neuen Operette, deren Name „Gül Baba – der Vater der Rosen” lautete und die am 9. Dezember 1905 uraufgeführt wurde. Nach der Premiere war das Publikum entzückt von

dem

prachtvollen

Springbrunnen

im

zweiten Akt, welcher von mehr als hundert Lampen angestrahlt wurde und von den über 3000 Rosen, die die Bühne und die Stuhlreihen in eine Duftwolke hüllten. Es gab Spekulationen darüber, dass die Maskenbildnerin des Stückes sich türkische Stoffe und Kostümskizzen aus Istanbul habe bringen lassen. Man kann sich vorstellen, mit welch großem Interesse die Abbildung 5

Menschen die Aufführungen besuchten.

Die Operette Gül Baba ruft die Zeit der Türken in Ungarn in Erinnerung: die Bassas, die Damen des Harems und die heldenhaften jungen Männer. Diese Märchenwelt ist aber auch von einem ungarischen Ton geprägt und enthält Elemente des traditionellen ungarischen Liederkultes des 19. Jahrhunderts. Als Huszka und Martos eines Tages auf dem Rózsadomb26 spazierten, sahen sie das Grab von Gül Baba,

26

„Rosenhügel, Teil von Budapest”.

17

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

dem legendären Heiligen der Rosen. Nach diesem Erlebnis kam ihnen gleichzeitig der Gedanke, dass ihre nächste Operette von Gül Baba handeln solle. Gül Baba lebte im 17. Jahrhundert und verbrachte sein Leben mit dem Pflegen von Rosenbäumen und frommen Taten. Die Partitur von Gül Baba ist differenziert und nuanciert. In der Melodieführung bemühte sich Huszka um die von ihm bekannte Einfachheit. Die musikalische Illustration zeigt seine technische Gewandtheit. Eine Besonderheit darin sind die orientalischen Melodien, die mit den ungarischen vermischt werden – eine Neuerung der Klangsprache der ungarischen Operette. Das Stück verdankte seine mehr als hundertfache Aufführung jedoch nicht nur seinem Reichtum an Melodien, sondern auch der sorgfältig aufgebauten Handlung. Die Handlung von „Gül Baba“: 1. Akt:

Ein

Student

namens

Gabor

und

sein

Begleiter

Mujkó,

ein

Zigeunermusiker, schleichen sich an den Hof von Gül Baba. Gábor möchte Leila, die Tochter Gül Babas sehen, um ihr seine Liebe zu gestehen. Sie pflücken eine heilige Rose, um sie dem Mädchen zu geben. Daraufhin werde sie festgenommen und vor Bassa Ali geführt, der auch um die Hand von Leila buhlt und die beiden Diebe zum Tode verurteilt. Als letzten Wunsch erbittet Gábor, den Abend vor seiner Hinrichtung im Garten in Leilas Nähe verbringen zu dürfen. 2. Akt: Im Laufe des Abends finden Gül Baba und seine Anhänger so viel Gefallen an Gabor, dass sie Bassa Ali um dessen Begnadigung bitten. Dieser ist nur unter der Bedingung bereit dazu, wenn er Leila heiraten darf. Leila gesteht dem Bassa, dass sie Gábor liebt. Gül Baba vernichtet indessen eigenhändig seine Rosen und macht dem Bassa dadurch glaubhaft, dass Allah die Rosen verderben ließ, da er wegen der unangemessen hohen Todesstrafe erzürnt sei. 3. Akt: Gül Babas Plan geht auf: Gábor wird vom Bassa begnadigt. Gül Baba segnet das junge Paar, ist aber gleichzeitig betrübt wegen seiner Rosen. Sie trösten ihn mit einer Weissagung: Liebende würden noch über mehrere Jahrhunderte mit Rosen an sein Grab pilgern.

18

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Am 30. September 1906 heiratete Jenö Huszka Leona Koronghy Lippich, die ihm zwei Töchter schenkte: Eva und Lilly. Leider dauerte diese Ehe nicht lange. Später lernte er seine zweite Frau Mária Arányi kennen, mit der er 36 Jahre verbrachte. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor. Nach dem Abklingen des Erfolges von Gül Baba zog sich Huszka für einige Zeit vom Komponieren zurück. Der erste Weltkrieg und die daraus resultierende schlechte Lage brachten es mit sich, dass viele Theater vorübergehend schließen mussten. Huszkas nächstes Stück entstand auf sehr seltsame Weise, denn Martos und Huszka, die seit ihren Jugendjahren eng befreundet waren, hatten sich voneinander entfernt. Martos zog zunächst für einige Monate in die Schweiz, insgesamt waren es dann 17 Jahre. Huszka glaubte, seinen Kollegen, Freund und zweiten Bruder für immer verloren zu haben. Martos jedoch sandte trotz des Krieges ein Libretto mit dem Titel „Baronesse Lili”.

Es war vermutlich eines der besten, die er bis dahin geschrieben hatte. Es ist eine

unterhaltsame

vornehme

Geschichte

und im

zugleich Stil

einer

Komödie. Aus das lyrische Element kommt darin nicht zu kurz: Es strahlt eine Wärme aus, wie sie nur von einem echten Dichter kommen kann. Dieser Text

inspirierte

Huszka

sehr

stark.

„Baronesse Lili” wurde am 7. März 1919 im

Budapester

Städtischen

Theater

uraufgeführt und zählt bis heute zu den beliebtesten Operetten. Abbildung 6

19

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die Handlung von „Baronesse Lili”: 1. Akt: Baron Malomszegi erwirbt auf einer Auktion die Ländereien des bankrotten Grafen von Illésházy. Als der Baron mit seiner Tochter und ihrem Bräutigam Fredi das Grundstück betritt, begegnet ihnen ein Mann, den sie als Diener engagieren. Dieser ist kein anderer als Graf von Illésházy selbst. Der Graf findet Gefallen an Baronesse Lili und willigt in das Spiel ein. 2. Akt: Graf von Illésházy reitet oft mit Lili in den Wald hinaus. Lili betrachtet den Diener bereits als ihren Freund, als plötzlich Clarisse, eine ehemalige Geliebte des Grafen, erscheint, die diesen enttarnt. Anfangs hatte der Graf nur mit Lili gespielt, aber mittlerweile hatte er sich in sie verliebt – leider zu spät, denn er muss das Schloss verlassen. 3. Akt: Einige Monate später treffen sie sich bei einem Pferderennen wieder. Der Graf springt für einen Reiter Lilis ein, der am Rennen nicht teilnehmen kann. Er gewinnt und gesteht Lili seine Liebe. Sie schließt mit dem Grafen Frieden und ihrer beider Liebe steht nichts mehr im Wege. Außer den bereits besprochenen Werken komponierte er noch weitere, mit unterschiedlichem Erfolg: Hajtóvadászat (Treibjagd)

1926

Erzsébet (Elisabeth)

1939

Maria föhadnagy (Leutnant Maria)

1942

Szepjuhászné (Die schöne Hirtin)

1955

Szabadság, szerelem (Freiheit, Liebe)

1955

Huszka Jenő war einer der größten Meister der ungarischen Operettengeneration. Er verstarb am 2. Februar 1960. Pongrác Kacsóh Pongrác Kacsóh wurde am 15. Dezember 1873 in Budapest geboren und starb am 16. Dezember 1923. Sein Vater war Eisenbahnbeamter, der einige Jahre nach der Geburt seines Sohnes nach Klausenburg (Kolozsvár/Cluj-Napoca) versetzt wurde. Hier besuchte der kleine Pongrác das reformierte Lyzeum und lernte nebenbei

20

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Klavier und Querflöte am Konservatorium von Klausenburg. Nach der Matura studierte er an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der dortigen Universität und erhielt im Jahr 1896 einen Doktortitel für Naturwissenschaften. Im Anschluss daran setze er seine Studien im pädagogischen Bereich in Pest fort. Daneben vernachlässigte er aber auch die Musik nicht: Er studierte Komposition bei Viktor Herzfeld an der Musikakademie. Außerdem übernahm er eine Stelle als Musiklehrer in dem Mädchenpensionat von Malna. Für die Schülerinnen des Internats schrieb er ein Singspiel mit dem Namen „Dornröschen”. Mit diesem Werk machte er den Schriftsteller Károly Bakonyi und den Direktor des Király Theaters, László Beöthy, auf sich

aufmerksam.

Die

unverblümt

ungarische

Stimmung

der

Musik

von

„Dornröschen”, die an frische Wiesenblumen erinnert, wurde von den Fachleuten so gut aufgenommen, dass man Kacsóh bat, eine Musik zum Text von „János Vitéz” zu schreiben. Die Grundlage dieser Komposition bildete die gleichnamige Dichtung von Sándor Petőfi. Kacsóh begann unverzüglich mit der Arbeit an der Partitur, die seine besondere Begabung in der bestmöglichen Weise zur Geltung bringt. Bezeichnend für das Werk ist die einfache, aufrichtige, „süßlich-traurige” ungarische Stimmung. Dabei sind die Lieder von János Vitéz an vielen Stellen mit folkloristischen Elementen durchtränkt. Jeder Ton kommt von Herzen und spricht direkt das Herz an. Das Beste ist, dass der junge Komponist dabei nicht der dem Fehler der Übertreibung verfallen ist, was für viele junge Komponisten bezeichnend ist. Selbst bei dramatischen Szenen hält er das richtige Maß vor Augen, sein wunderbarer Instinkt lässt ihn nicht vom Pfad der Märchenwelt abschweifen. Am 1. November 1904 wurde „János Vitéz im Király Theater unter der Leitung von József Konti uraufgeführt und hiermit begann einer der größten musikalischen Bühnenerfolge Ungarns. Dieses Stück wurde beinahe 600 Mal aufgeführt, was alle bisherigen Operettenerfolge übertraf. Für viele Kinder ist dieses Stück noch heute das erste Operetten-Erlebnis.

Abbildung 7

21

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Zum Inhalt von „János Vitéz”: 1. Akt: Das Stück spielt in einem unbekannten Dorf. Am Dorfrand verabschieden sich die Mädchen von den Husaren, die in den Krieg ziehen. Iluska, die Schönste des Dorfes, befestigt das rote Bändchen an der ungarischen Fahne. Kukorica Jancsi, einer der Husaren, ist unsterblich verliebt in Iluska. Jancsi musste sich von seiner Liebe verabschieden, weil die Stiefmutter Iluskas den Wächter des Dorfes beauftragt hatte, die Herde von Jancsi in verbotenes Gebiet zu treiben, weshalb Jancsi von den Dorfbewohnern verbannt wird. Jancsi verspricht seiner Liebe, dass er sie nicht vergessen und selbst aus hundert Toden zu ihr zurückkehren werde. 2. Akt: Am Hofe des französischen Königs ist die Trauer groß. Die Türken haben die Schlacht gewonnen und nun sind die Krone und das Land des Königs in Gefahr. Doch dann kommt Jancsi mit seinen heldenhaften Husaren und erklärt sich bereit, das Land zu retten. Er zieht in den Kampf und verjagt die Türken. Der König von Frankreich bietet ihm als Lohn sein halbes Königreich und die Hand seiner Tochter, aber Jancsi lehnt ab, denn er denkt sehnsüchtig an Iluska. Beim Klang einer Flöte kommt eine Eule angeflogen und bringt die schreckliche Nachricht von Iluskas Tod. In ihrem Schnabel hält sie eine Rose, die vom Strauch auf Iluskas Grab ist. Die böse Stiefmutter hat Iluska mit ihrem schlechten Umgang in den Tod getrieben. Jancsi verlässt mit gebrochenem Herzen und brennendem Schmerzen den französischen Hof und bricht mit der Eule auf, um Iluska im Tod ausfindig zu machen. 3. Akt: Während ihrer Reise kommen sie an den See des Lebens. Die böse Stiefmutter, als Hexe verkleidet, versucht Jancsi vom See wegzulocken, aber dieser weiß vom Gesang der Feen, dass er hier seine verlorene Iluska wiederfinden kann. Er wirft die Rose von Iluskas Grab in den See des Lebens, aus welchem Rosen und andere Blumen herauswachsen und ein Feenreich erscheint, in dem Iluska die Königin ist. Die Verliebten treffen einander und Iluska überzeugt Jancsi im Feenreich zu bleiben, um dort König zu sein. Als die traurige Flötenmelodie der fortfliegenden Eule erklingt, hält es Jancsi nicht aus und rennt der Eule hinterher, denn er möchte in seiner schönen Heimat Ungarn leben. Iluska ihrerseits kann nicht ohne Ihren Liebsten leben, sodass

22

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

sie von den Feen ein neues Leben erhält und Jancsi folgt. So kommen sie Arm in Arm in ewiger Liebe in ihrem Heimatdorf an, wo sie glücklich weiterleben. Mit „János Vitéz” gingen seine Macher, vor allem aber Pongrác Kacsóh, für immer in die ungarische Operettengeschichte ein. Darauf folgte „Rákoczi”, eine große Überraschung für das Publikum, da seine Musik sich grundlegend von jener von „János Vitéz” unterschied. Es war eine neue Form, in der Musik und Text im Einklang miteinander das Geschehen vorantreiben, ohne dass sich das eine zu Ungunsten des anderen in den Vordergrund drängt – ein musikalisches Drama. Diese Musik ist kunstvoller, selbstbewusster und vornehmer. Darin tönen sowohl der tausendjährige ungarische Schmerz als auch die niemals sterbende ungarische Hoffnung. Károly Bakonyi erzählt in vier Akten die gesamte tragische Geschichte der gegeneinander kämpfenden Kaisertreuen und Unabhängigkeitskrieger (Kuruzen). Vaterlandliebe und Freiheit ziehen sich als roter Faden durch die gesamte Handlung. Aus diesem Werk leuchten der Geist Rákóczis und die Epoche seines Unabhängigkeitskrieges gegen Österreich, was die Wirkung eines einheitlichen Dramas hervorruft. Die Aufführung erfolgte am 21. November 1906 im Király Theater. Die Handlung von Rákoczi: 1. Akt: Eine ungarische Delegation kommt unter der Führung von Graf Mikós Bercsényi in die Wiener Hofburg, damit sie Franz II. Rákóczi, der hier aufgewachsen ist, mit sich nach Ungarn nehmen. Dabei erwartet sie aber eine unangenehme Überraschung: Den Sohn von Ilona Zrínyi hat man am Wiener Hof zu einem jungen Mann erzogen, dem das Schicksal seiner Heimat gleichgültig ist. Als er aber den Brief seiner Mutter liest, wird er sich seiner Berufung bewusst und wechselt seine Gesinnung, um sich ganz für die ungarische Freiheit einzusetzen. 2. Akt: Rákoczi hält sich mit seiner Armee neben Nagyszombat auf. Der Kaiser schickt Boten zu ihm: Magdolna Rentheim und Oberst Heister. Sie machen ihm ein Friedensangebot, das Rákóczi jedoch ablehnt und gegen den Kaiser in den Krieg zieht.

23

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

3. Akt: Neben Trencsin bereiten sich die Kuruzen auf den Kampf vor. Magdolna findet heraus, dass man Rákóczi verraten hat und will ihm einen Brief überreichen. Aus Versehen bekommt Rákóczi aber ein wohlgehütetes Erinnerungsstück zur Hand, aus dem klar hervorgeht, dass Magda ihn seit Jahren heimlich liebt. Die Schlacht geht zu Ungunsten der Kuruzen aus: Rákóczi fällt von seinem Pferd und Magda wird erschossen. 4. Akt: Rákóczi flieht über den Pass von Vereczke nach Polen. Zuerst aber begräbt er das Lieblingsinstrument der Kurzen, eine Harmonika. Nachdem er sie begraben hat, ertönt aus der Erde der klagende Ton des Instruments und ein melancholischer Akkord begleitet Rákóczi auf seiner ewigen Flucht ins Exil. Pongrác Kacsóh schrieb noch zwei weitere Operetten, die aber weniger erfolgreich waren. Eine trug den Titel „Mary – Ann” und wurde 1908 uraufgeführt; die andere, die „Dorottya” heißt, wurde erst nach seinem Tod aufgeführt. Seit 1904 war er Mitglied des ungarischen Vereins der Bühnenkomponisten. Zwischen 1909 und 1912 hatte er als Leiter der Realschule von Kecskemét eine wichtige Rolle bei der Organisation des dortigen Laien-Musiklebens. Auch leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Gründung des Neuen Ungarischen Musikvereins im Jahr 1911. Zwischen 1912 und 1922 war er Oberdirektor der musikalischen Lehrgänge auf Oberschulbzw.

Hochschulniveau

in

Ungarn

und

koordinierte

den

fachgerechten

Musikunterricht. Im Jahr 1909 schrieb er ein Buch über die Entwicklungsgeschichte der Musik unter dem Titel „Prolegomenon zu der positiven Ästhetik der Musik”. 27 Lange Zeit war er der Leiter des Hauptstadtchores, außerdem war er Direktor des Nationalen Liederbundes sowie Präsident der Nationalen Musikervereinigung. Er wurde beauftragt, zu zahlreichen zeitgenössischen Bühnenwerken die Begleitmusik zu komponieren. So schrieb er Lieder zur Dramenlegende von Árpád Pásztor mit dem Titel "Die Glocke" (1907) und die Begleitmusik zu drei Bühnenwerken von Ferenc Molnár: „Lilie” (1909), „Die weiße Wolke” (1909) sowie „Goldgräber” (1918), aber auch bei den Aufführungen von „Der blaue Vogel” von Maeterlinck hörte man seine Melodien. Im Jahr 1918 beendete er „Dorottya”, ein Singspiel nach dem

27

Sándor Gál György, Vilmos Somogyi: Operettek könyve, Budapest 1976, S. 267.

24

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

gleichnamigen Werk von Csokonai, von vielen als komische Oper bezeichnet. Kenner seines Lebenswerks behaupteten, dass er sehr lange an diesem Werk gearbeitet habe. Die Entwicklung des Krieges, sowie die Zeit der ungarischen Räterepublik

waren

allerdings

sehr

widrige

Umstände

für

eine

mögliche

Uraufführung. Das Werk blieb also in der Schublade und wurde erst nach seinem Tod (im Jahr 1929) uraufgeführt. Am 13. Dezember 1923 verstarb Pongrác Kacsóh unerwartet. Seine Kollegen verloren mit ihm einen Zeitgenossen von breitem künstlerischem Horizont und von europäischem Maßstab, der in einer seiner Kritiken schon früh das Talent des jungen Béla Bartók erkannt hatte und dessen Welterfolg voraussagte. Ákos Buttykay Von den Meistern der ungarischen Operette möchte ich noch den Namen von Ákos Buttykay erwähnen – er war einer derjenigen, der von der Operette „verführt“ wurde. Buttykay wurde am 22. Juli im Jahr 1871 in Halmi geboren und starb am 26. Oktober im Jahr 1935 in Debrecen. Seine Familie war nicht sehr angetan von den musischen Interessen ihres Sohnes, da sie die Meinung vertrat, man könne vom Komponieren nicht leben. Buttykai gab dem Wusch seiner Eltern nach und fing an, Jura zu studieren, ließ die Musik jedoch keineswegs in den Hintergrund geraten. Er lernte das Klavierspiel bei Imre Székely und Musiktheorie bei Professor Benkő. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Weimar, wo er Schüler von Berhard Stavenhagen war, kehrte er nach Budapest zurück. Bei einem Klavierabend, den er in Berlin organisierte, wurde sein erstes Werk, eine Fantasie in a-Moll erfolgreich aufgeführt. Danach ging es mit seiner musikalischen Karriere steil aufwärts; ein Erfolg folgte auf den nächsten. Im Leben dieses sehr erfolgreichen Komponisten, der mit seinen Symphonien riesige Konzertsäle zu füllen vermochte, kam es aber zu einem Wendepunkt, an dem er sich von der klassischen Musik abwandte um sich fortan dem Singspiel und der Operette zu widmen. Dieser überraschende Lebensabschnitt von Buttykai begann im Oktober des Jahres 1905. Damals hatte „Bob Herceg” von Jenő Huszka seinen Durchbruch auf der Operettenbühne bereits hinter sich und dem Libretto Respekt verschafft. Neben Jenő Huszka und Pongrác Kacsóh wurde nun Ákos Buttykay der dritte Meister der ungarischen Operette. Er war ein Befürworter der ungarischen

25

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Operette und leistete überdies einen wesentlichen Beitrag im jahrzehntelangen Widerstand gegen Operetten aus dem Ausland. Dieser wurde nicht durch Protest oder Aufführungsverboten von ausländischen Operetten betrieben, sondern mit Kompositionen von niveauvollen, auf meisterhafte Art geschriebenen ungarischen Operetten. Im Oktober des Jahres 1905 wurde im Király Theater Buttykays erste Operette „Der fliegende Grieche” uraufgeführt; das Libretto dazu stammte von Árpád Pásztor. Nach der Erstaufführung des Stückes war für alle klar, dass Buttykay ein anspruchsvoller Komponist mit viel Gespür für die musikalische Parodie war. An seinen großen Erfolg konnte er nicht mehr anknüpfen, zumal er hinsichtlich des Stils anders schreiben wollte als bisher – das Operettengeschäft lehnte dies allerdings ab und wollte Werke, bei denen hauptsächlich einprägsame Melodien im Mittelpunkt stehen.

In seinen weiteren Operetten gelang es ihm hin und wieder, das Publikum mit einem Lied für sich zu gewinnen, für einen nachhaltigen Erfolg war dies allerdings zu wenig. Im Lebensweg von Buttykay – ebenso wie bei in dem von Pongräc Kacsóh – gab es einen tragischen Bruch: Kacsóh konnte niemals den ungebrochenen Erfolg von „János Vitéz” wiedererleben und auch Buttykay konnte den Weg, den er mit „dem fliegenden Griechen” eingeschlagen hatte, nicht fortsetzen.

Weitere Operetten von Buttykay: Der Gaunerkönig

1907

Die Silbermöwe

1920

Herzogin Olivia

1922

Hier ist die Katze

1922

Der Page der Kaiserin

1925

26

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

7. Die ungarische Operette auf dem Weg zum Welterfolg Imre Kálmán Kalman wurde als Imre Koppstein in Siófok am Plattensee am 24. Oktober 1882 in eine kinderreiche Familie geboren. Der Vater, Károly Koppstein war Getreidehändler und Unternehmer; ein gutmütiger und wohlhabender Mann. Seine Mutter, Paula Singer, war eine musikliebende Frau, die den Weltruhm ihres Sohnes noch erlebte. Die Familie führte kein luxuriöses, aber ein angenehmes Leben; sie unterhielten einen Diener und eine Köchin. Während der Gymnasialzeit änderte Imre Koppstein seinen Nachnamen in Kálmán. Schon in seiner Kindheit zeigte der kleine Imre die unverwechselbaren Merkmale einer außergewöhnlichen musikalischen Begabung. Seine Mutter und seine Schwester Vilma hörten seinem Klavierspiel mit großer Begeisterung zu. Das musikalische Talent lag in der Familie – unter den Vorfahren der Mutter gab es einige erstklassige Musiker. Im Sommer 1888 kam der Violinist Ferenc Liedl (1856–1900) nach Siófok, der sich bei der Familie Kálmán einquartierte, um in Ruhe üben zu können. Imre Kálmán bekam bei ihm seinen ersten Musikunterricht. Fortan verschrieb er sich mit ganzer Seele der Kunst. Die meiste Zeit verbrachte er im Musikzimmer, auch das Theater besuchte er häufig. Oft hielt er sich in der Nähe der von Lipót Karpelesz gegründeten Theatergruppe „Nyári Színkör” auf, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befand. Die Welt des Theaters begeisterte und verzauberte ihn. Allerdings träumte der kleine Imre noch nicht von einer Musikerkarriere, sondern wollte Schneider werden. Im Alter von sechs Jahren änderte er allerdings seine Pläne und entschloss sich, Rechtsanwalt zu werden. Seine Grundschuljahre verbrachte er an der jüdischen Volksschule. Die jüdische Schule in Siófok hatte einen so guten Ruf, dass auch christliche Eltern ihre Kinder gern dorthin schickten; nicht nur wegen dem anerkannten Pädagogen Adolf Rónai, sondern auch, weil dort Deutsch unterrichtet wurde. An dieser Schule war unter anderem Géza Révész, der später ein weltberühmter Psychologe wurde, einer der Mitschüler von Kálmán. Den ersten Klavierunterricht erhielt Imre Kálmán noch im Grundschulalter an der Musikschule von Siófok. In Budapest besuchte er das Evangelische Hauptgymnasium am Deák Platz. Neben dem Gymnasium und der Musikschule

27

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

verbrachte er jede freie Minute am Klavier, um die Werke von Schumann und Chopin zu studieren. Die Musik bezauberte ihn. Während der Sommerferien musste man ihn geradezu mit Gewalt vom Klavier wegzerren, damit er das Mittagessen einnehmen konnte. Imre war fünfzehn Jahre, alt als er 1898 zum ersten Mal – mit einer Fantasie von Mozart – vor das Publikum trat. Die Journalisten und Kritiker beobachteten mit Staunen die Fähigkeiten des jungen Musikers. Imre schien so klein und zerbrechlich, dass die Zeitungen begeistert über das Talent des „zwölfjährigen Musikers” berichteten. Die Schule beendete er mit hervorragenden Noten. Damit begann auch sein Doppelleben, da er sich auf Wunsch der Eltern an der juristischen Fakultät der Universität Budapest einschrieb, wo er acht Semester studierte und erfolgreich alle nötigen Prüfungen absolvierte. Dies kann man als bedeutende Leistung ansehen, wenn man bedenkt, dass er daneben mit vollem Einsatz auch an der Musikakademie studierte. Wegen einem Leiden seiner Hände konnte er nicht mehr Klavier spielen; er begann, für die Tageszeitung Musikkritiken zu schreiben. 1902 schrieb er seine erste Komposition auf Grundlage eines Gedichts von Victor Jacobi. Auf dieses erste Werk folgten noch weitere, von denen er „Saturnalia” als das Wichtigste betrachtete und in das er alle seine Hoffnungen setzte. Am 24. Februar 1904 fand in der Königlichen Oper Budapest das Abschlusskonzert der Kompositionsstudenten der Musikakademie statt, wo die erste Symphonie Kálmáns zum ersten und zu letzten Mal aufgeführt wurde. Für Kálmán war dieser Tag der Beginn seiner Karriere. Seine Anwaltskarriere verlief keineswegs erfolgreich. Er lebte erneut ein Doppelleben, mit dem Unterschied, dass er morgens nicht in die Anwaltskanzlei ging, wie man zu Hause vermutete, sondern in die Redaktion. Man muss allerdings erwähnen, dass er dort mit offenen Armen und einem Angebot als Musikkritiker erwartet wurde, mit einer zusätzlichen einmaligen Vergütung von 70 Kronen. Als Komponist gewann er mehrere Preise, unter anderem den 1905 RobertVolkmann-Preis sowie 1907 den Franz-Josef-Preis der Hauptstadt Budapest für seine zwölf Lieder. Dank dieser Ehrungen konnte er sechs Monate in Berlin verbringen. Imre nützte die Gelegenheit, um sein Werk „Saturnalia” und seine symphonische Dichtung „Endre und Johanna” verschiedenen deutschen Verlegern anzubieten. Trotz seiner Bemühungen fand er aber weder in Berlin noch in Leipzig

28

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

oder München, wo er auf dem Heimweg durchreiste, einen Herausgeber für seine Werke. „Scheinbar möchte die Welt meine Symphonien nicht haben? Nun muss ich mich zu dem traurigen Schritt durchringen, eine Operette zu schreiben”28 – spottete Imre mit Schadenfreude und lachte dabei am lautesten über sich selbst. Er sollte sich also zum Operettenkomponisten erniedrigen! Jenő Heltai, einer der besten Verfasser von Couplet-Texten, bat Kalman, seinen Text mit dem Titel „Ich bin das Dienstmädchen von Sári Fedák” zu vertonen. Das Lied wurde ein großer Erfolg, doch Kálmán ließ es nicht zu, dass sein Name auf dem Konzertplakat erschien. Auf eine neuerliche Anfrage von Heltai entstand das so genannte Kino-Lied („Weil die Berta eine große Gans ist”), das ebenfalls sehr bekannt wurde. Später wurde es als Einlage in dem Stück „Bernát” von Jenő Heltai, aufgeführt im Vígszínház, verwendet. Aufgrund der vielen Möglichkeiten, die sich ihm eröffneten, wechselte Kálmán doch zur Operette. Nach dem Tod von Johann Strauß und Carl Millöcker kam es nun zu

einer

Renaissance

der

Operette.

Kalman

mietete

eine

günstige

Dachbodenwohnung in Kroisbach, in der Nähe von Graz, um ungestört arbeiten zu können. Dort schrieb er seine erste Operette die „Tatárjárás”, deren Uraufführung ein unerwarteter Erfolg war. Das Libretto schrieb Károly Bakonyi, der damals aufgrund seines Singspiels zu János Vitéz bereits ein bekannter Librettist war. Die Handlung dieser Operette war eine Idee von Imre Kálmán, der eine Militärübung vertonen wollte. Victor Jacobi, ein ehemaliger Kommilitone von Kálmán, machte diesen mit Bakonyi bekannt, der nach kurzer Bedenkzeit die Aufgabe des Librettos übernahm. Danach brachte Kálmán das fertige Werk zu László Beöthy, dem Direktor des Király Theaters, der aber wegen einer anderen Operette die Aufführung nicht garantieren konnte. Daraufhin ging Kálmán ins Vígszínház,29 dessen Direktor Gábor Faludi war. Obwohl diese Bühne bis dahin kaum musikalische Aufführungen brachte, wurde das Stück auf das Programm gesetzt. Es wurde am 22. Februar 1908 mit Gyula Hegedűs und Berta Kornai in den Hauptrollen uraufgeführt und war sofort ein großer Erfolg. Das Publikum applaudierte unermüdlich und ließ die Darsteller immer wieder auf die Bühne kommen.

28 29

Rátonyi, Operett 1, S. 162. Komisches Theater Budapest.

29

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Vor der Premiere wollte die Primadonna, die Mogyoróssy verkörperte, mit folgenden Worten: „Die Premiere steht vor der Tür und mein Auftrittslied ist immer noch nicht fertig! Ich gebe meine Rolle zurück!”30 kurzfristig aus der Produktion aussteigen. Kálmán suchte sie in der ganzen Stadt und konnte sie letztendlich doch besänftigen. Das Publikum belohnte das Spiel der Darsteller, die Geschichte – eine Parodie des Krieges – und vor allem die frischen Melodien des unbekannten Komponisten mit viel Applaus. Binnen weniger Tage waren fünfzig Vorstellungen im Voraus ausverkauft. Die Operette „Ein Herbstmanöver” wurde am 21. Januar 1909 erstmals am Theater an der Wien aufgeführt. Für die Wiener Erstaufführung nahm der Direktor Vilmos Karczag den hervorragenden Komiker Max Pallenberg auf direkte Bitte des Komponisten unter Vertrag. Die Wiener Premiere kann als Welterfolg betrachtet werden, da Wien zu der Zeit als Hauptstadt der Operette galt. Noch in derselben Saison nahmen auch Theater in Hamburg, Berlin und Prag das Werk in ihr Programm auf. Die Erfolgsnachricht erreichte auch Amerika, wo Henry W. Savage, ein berühmter Impresario und Theaterdirektor das Stück unter dem Namen „The Gay Hussars” aufführte. Um die Aufführungen des „Herbstmanövers” sind zwei Anekdoten überliefert: Eine Geschichte ereignete sich im Zusammenhang mit der Prager Uraufführung. Man muss dazu sagen, dass nicht jeder die delikate Ironie verstand, mit der das kaiserlich-königliche Heer dargestellt wurde. Einige zionistische Juden organisierten wegen der Rolle des Reserveleutnants Wallenstein Protestaktionen und man befürchtete, dass es bei der Premiere zu einem Skandal kommen könnte. Aber durch das Erscheinen von Erzherzog Karl konnte dies vermieden werden: „Das Stück verlief ruhig bis zu der Szene, als Wallenstein erschien. Dann fing das Publikum wie auf ein Zeichen an, unruhig zu werden. Die Situation wurde langsam kritisch, als sich der Erzherzog umdrehte und sagte: -

Aber Ruhe!

Plötzlich war es ruhig und damit war die Vorstellung gerettet…”31

30 31

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 279. Jenő Faragó: Szinház és Divat, Budapest 1916, S. 34.

30

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die andere Erinnerung war ein Brief, den Kálmán von in Havanna lebenden Ungarn erhielt: „Sie weinten vor Freude, als sie die ungarischen Melodien hörten”.32 Die Darsteller der ungarischen Uraufführung waren: Generalleutnant Lohonyai

Ferenc Vendrey

Treszka, seine Tochter

Ilona Komlóssy

Baronin Riza

Juliska Keleti

Oberleutnant Lörentey

Gyula Hegedüs

Mogyoróssy, Husarenfreiwilliger

Berta Kornai

Die Handlung des „Herbstmanövers”:33

1. Akt: Baronin Riza wird durch eine unfreiwillige Heirat zur Herrin eines vornehmen Schlosses. Ihr Mann war schon verstorben, als sie erfährt, dass sich unter den Husaren, die zur Militärübung kommen, auch ihre ehemals große Liebe, Oberleutnant Lörentey, befindet, zu dem sie sich noch immer sehr hingezogen fühlt. Sie lädt den Oberleutnant zu sich auf das Schloss ein, der jedoch die Einladung ablehnt. Lörentey verlor einst sein Schloss und seine große Liebe Riza. Die Tochter von Generalleutnant Lohonyai, Treszka, liebt Lohonyai ebenfalls, er jedoch erwidert ihre Liebe nicht. 2. Akt: Im Schloss findet eine große Feier statt. Man trinkt und tanzt und die Offiziere vergessen vollkommen, dass sich der Feind, wegen dem sie die Militärübung eigentlich veranstaltet haben, nähert. Die Soldaten laufen ins Schloss, um es den Offizieren zu melden, diese sind aber so guter Laune, dass sie gar nichts mehr interessiert. In diesem Moment kommt Lörentey selbst und fordert sie auf, ins Lager zurückzukehren. Bei dieser Gelegenheit sieht er Riza, die nichts unversucht lässt, in ihm wieder alte Erinnerungen zu wecken, er jedoch erwidert stolz, dass sein Herz schon vergeben sei. Er liebe Treszka und werde sie heiraten. Daraufhin fordert Riza ihn auf, das Schloss zu verlassen und seinen Offizieren ins Lager zu folgen. Lörentey wird von einer heftigen Bitterkeit befallen und er erinnert sich wieder an die 32 33

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 277. Amadé Németh: A magyar operett története, Debrecen 2001, S. 66.

31

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Erniedrigung, die er damals erlebte, als er Riza verlor. Er betrinkt sich hemmungslos und beginnt zu tanzen. Dass er die Militärübung verpasst, interessiert ihn nicht mehr und er wirft Riza das Schwert vor die Füße. In diesem Moment erscheint General Lohonyai. Voller Zorn und Aufregung zieht er Lörentey zur Verantwortung und bestraft ihn. Der eifersüchtige Mogyoróssy indessen verbreitet das Gerücht, dass der Oberleutnant Treszka heiraten will. Lohonyai freut sich sehr über diese Nachricht, sodass er über Lörenteys Fauxpas hinweg sieht. Als aber Treszka von Mogyoróssy erfährt, dass der Oberleutnant Riza liebt, lässt sie ihren Vater beleidigt wissen, dass sie Mogyoróssy heiratet und nicht Lörentey. 3. Akt: Lohonyai lässt die anderen gewähren und da jeder weiß, dass hinter seiner Strenge ein gutes Herz versteckt ist, wundert sich niemand, als er verkündet, dass die ganze Militärübung nicht mehr war als ein spannendes Herbstmanöver – sowohl aus militärischer Sicht als auch aus der Sicht der Liebe. Riza hält Lörentey in den Amen und Treszka umarmt Mogyoróssy und alle singen voller Glück. Aufgrund der Darsteller gelang die Aufführung sehr gut, trotzdem war der Erfolg zum größten Teil Kálmán zuzuschreiben. Mit seiner Musik schuf er eine überwiegend ungarische Grundstimmung. Allerdings ließ diese ebenso wenig die Romantik der Wiener Operette als auch die Ironie der französischen Operette vermissen und war außerdem vom sprudelnden, explosiven Rhythmus der englischen Operette durchzogen. Mit seiner Musik schaffte es Kálmán, den damals programmatisch

vorgeschriebenen

Sentimentalismus

mit

der

Triebkraft

der

unaufhaltsamen Lebensfreude zu durchbrechen. Kálmáns Erfolg führte dazu, dass Wien, die damalige Hauptstadt der Operette, ein Auge auf den ungarischen Komponisten warf. In einer zeitgenössischen österreichischen Zeitung hieß es: „Imre Kálmán ist der Aufstieg auf die internationale Bühne gelungen und er bewegt sich jetzt auf Augenhöhe mit den anderen angesehenen österreichischen Operettenkomponisten. Die Theater konkurrieren

32

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

miteinander, wer sein neues Werk bekommt. Es gibt kein Wien ohne Operette und es gibt keine Operette ohne Kálmán. Was folgt daraus? Kálmán gehört nach Wien!” 34 Diese Einladung schmeichelte Kálmán; er gab der Versuchung nach und wechselte nach Wien – gleichzeitig verlor er seine ungarische Staatsangehörigkeit. Der Umzug hatte zwei Gründe: erstens versprachen die Wiener Erfolge Kálmán Weltruhm, da die internationalen Theaterintendanten und Verleger die Aufführungen mitverfolgten. Andererseits musste er so keine Urheberrechtsgebühren für die in Ungarn komponierten Werke bezahlen, da Ungarn zu dem Zeitpunkt noch kein Mitglied der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst war. In seinem Privatleben kam es ebenfalls zu einer Wende: Er lernte die junge Schauspielerin Paula Dworzak kennen, mit der er bis zu ihrem Tod im Jahr 1928 zusammenlebte. Seine nächste Arbeit war „Az Obsitos”, die ebenfalls im Vígszínház am 11. März 1910 aufgeführt wurde. Der Erfolg dieses Werks konnte den des „Herbstmanövers” bei Weitem nicht erreichen, es gab lediglich fünfundzwanzig Vorstellungen. In Österreich wurden zwei Versionen gespielt. Für beide Fassungen schrieb Victor Leon das Libretto: Die erste wurde unter dem Namen „Der gute Kamerad” im Burgtheater 1911 aufgeführt; die zweite Fassung trug den Titel „Gold gab ich für Eisen” und wurde am Theater an der Wien uraufgeführt. Diese letztere Fassung änderte Kálmán auf Wunsch von Vilmos Karczag, der sein Theater mit einem guten Stück vom Bankrott retten wollte, was ihm damit auch gelang – die Neufassung war viel erfolgreicher als die Fassung von 1911, die nur 70 Aufführungen erlebte. Im September 1913 wurde sein neues musikalisches Bühnenwerk zu einem Text von Andor Gábor im Modern Színház, dem Cabaret von Medgyaszay Vilma, unter dem Titel „Kivándorlók”35 aufgeführt. Noch am 11. Januar desselben Jahres kam es im Vígszínház zur Wiederaufnahme des „Herbstmanövers”, mit neuer Besetzung, aber mit ähnlich großem Erfolg wie bei der Premiere. Im Monat der Wiederaufnahme des „Herbstmanövers” wurde am 21. Januar im Király Theater „Der

34 35

Rátonyi, Operett 1, S. 171. auf Deutsch: „Die Einwanderer”.

33

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Zigeunerprimas”36 uraufgeführt (die Wiener Premiere war am 11. Oktober 1912 im Johann Strauß-Theater, die deutsche Fassung stammte von Julius Wilhelm und Fritz Grünbaum). Die Operette handelt von einer aristokratischen Dame und ihrem Liebhaber, der nicht ihrem gesellschaftlichen Rang entspricht – in dieser männlichen Hauptfigur sind teilweise die Geschichten von Jancsi Rigó, Laci Rácz und Pali Rácz verwoben. In Wien spielte der weltberühmte Schauspieler Alexander Girardi die Hauptrolle, in Budapest wurde das Stück 140 Mal gespielt, mit Sári Fedák, Ilka Pálmay, Antal Nyáray und Márton Rátkai in den Hauptrollen. In den Vereinigten Staaten wurde es unter dem Namen „Sári” gespielt. Die Handlung von „Der Zigeunerprimas”: 1. Akt: Der weltberühmte Zigeunerprimas Pali Rácz lebt in einem Häuschen in Soroksár. Zwei seiner insgesamt 16 Kinder leben noch bei ihm: sein Sohn Laczi, der die Musikakademie besucht und eine Tochter im heiratsfähigen Alter. Pali hat außerdem eine Nichte namens Juliska, die er heiraten möchte. Es wäre seine vierte Ehe. Sein Sohn Laczi verachtet seinen Vater, denn er weiß von dessen geheimer Liebschaft mit Juliska. Er beschließt daher, das Elternhaus zu verlassen und in die Welt hinauszuziehen. Graf Irinoy Gaston, ein Freund von Pali Rácz, kommt aus Paris zu Besuch und überredet Pali dazu, mit ihm nach Paris zu kommen, um dort bei einer Feier für ihn zu musizieren.

2. Akt: In Palast von Gaston findet ein Fest statt, an dem auch Heinrich VII. inkognito teilnimmt – in dieser Operette trägt er den Namen König Estragon. Laczi ist der Leiter der Kapelle und sorgt für Unterhaltung. Als Höhepunkt des Abends ist ein Auftritt von Pali Rácz vorgesehen, aber es reißt ihm eine Saite, sodass er nicht spielen kann, sondern sein Sohn einspringt und das mit glänzendem Erfolg. Als der alte Zigeuner wieder zu spielen versucht, endet dies in einem Fiasko.

36

Im Original: „A Cigányprímás”.

34

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

3. Akt: Graf Gaston ist traurig, weil er Sári liebt, deren Mutter aber nicht in die Heirat einwilligt. Währenddessen grämt sich Laczi darüber, dass seine Angebetete die Braut seines Vaters ist. Inzwischen kommt heraus, dass die Frau des Grafen vor 30 Jahren die große Liebe des Zigeunerprimas war. Die Rückbesinnung auf alte Zeiten am Ende des Aktes bringen eine erlösende Wendung, in der die Liebe triumphiert: Laczi gewinnt Juliska für sich. Die letzte Szene beschließt das Stück auf melodramatische Weise: während die Musik für die entsprechende Stimmung sorgt, wirft der alte Pali Rácz seine Geige ins Feuer, weil sie ihn im Stich gelassen hatte. Kálmáns nächstes Werk, „Der kleine König”, wurde noch vor Kriegsbeginn Anfang 1914 in der Budapester Volksoper uraufgeführt. Der Text stammt von Károly Bakonyi und Ferenc Martos. Die Wiener Premiere war zwar erfolgreich, aber die Hauptdarstellerin, Mizzi Günther, wurde heiser und ihr Partner, Louis Treumann, wollte ohne sie nicht auftreten. Vilmos Karczag, der Direktor des Theaters an der Wien, entließ den eigensinnigen Darsteller, die Primadonna war allerdings noch wochenlang krank. Die daraus folgende Umbesetzung der Hauptdarsteller konnte das Stück nicht mehr retten, sodass es nur 80 Aufführungen erlebte. Kálmán meinte „es wäre zur falschen Zeit auf die Bühne gekommen”.37 Am 27. Februar 1915 wurde im Vígszíház „Fräulein Susi” aufgeführt, den Text verfassten Ferenc Martos und Miksa Bródy. Vor der Premiere trat jedoch ein Problem auf, dass die Aufführung ernsthaft gefährdete: Sári Fedák, die die Hauptrolle spielen sollte, wechselte ans Király Theater. Die Leitung des Vígszínház bestand jedoch auf den ursprünglich geplanten Aufführungszeitpunkt, sodass man rasch eine gute Ersatz-Primadonna finden musste. Die Wahl fiel auf Nursia Diósy, die ihre Rolle als ungarische Postbeamtin, die eine Liebesbeziehung zum italienischen Opernsänger Falsetti (Gyula Csortos) führt, hervorragend meisterte. Außerhalb von Ungarn wurde dieses Werk nur in den Vereinigten Staaten gespielt, wo es unter dem Namen „Miss Springtime” mit Sári Petráss in der Hauptrolle große Karriere machte. Kálmán probte gerade die „Csárdásfürstin” in Budapest, als ihn ein Telegramm vom sagenhaften Erfolg seines Stückes in den USA unterrichtete.

37

Faragó, Szinház és Divat, S. 20.

35

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Einige Monate vor Ausbruch des Weltkrieges zog Kálmán mit seinen Librettisten Leo Stein und Béla Jenbach nach Marienbad. Stein war 24 Jahre älter als Kálmán und hatte zu dem Zeitpunkt bereits großartige Komödien und Operetten geschrieben. Jenbach wurde in Ungarn geboren und war, bevor er sich der Operette zuwandte, Schauspieler am Wiener Burgtheater. Nie zuvor hatte Kálmán unter solch bedrückenden Bedingungen lustige Tanzmelodien, bühnentaugliche, sentimentale und unterhaltsame Operettenmusik zu komponieren. Man bedenke, dass in dieser Zeit die österreichisch-ungarische Monarchie Serbien den Krieg erklärte! Kálmán komponierte in dieser Zeit seine nächste Operette mit dem Titel „Es lebe die Liebe”, die bald in „Csárdásfürstin” umbenannt wurde. Es fiel ihm schwer, das Stück zu beenden, weil ihn das Geschehen an den Kriegsfronten sehr beeinträchtigte. Nach einer Unterbrechung von einem Jahr mietete er auf Anraten seines Freundes Ferenc Lehár eine Villa in Bad Ischl, das damals als das Paradies der Operettenkomponisten galt. Hier beendete er die „Csárdásfürstin“, deren Uraufführung für den 13. November 1915 im Johann Strauß-Theater angekündigt wurde. Letztendlich fand diese aufgrund der Erkrankung eines Darstellers erst am 17. November statt. An jenem Tag begann die Karriere der „Csárdásfürstin”, die bis heute als die bekannteste Operette überhaupt gilt. Nachdem Szilvia Vereczky ihre mit dem berühmten „Haj-hó” beginnende Eröffnungsszene gesungen hatte, wurden sie, ihre Kollegin Mizzi Günter und Kálmán vom Wiener Publikum mit einem siebenminütigen Applaus gefeiert. Für die Wiener Premiere hatte man den Budapester Schauspieler und Sänger Antal Nyárai, der die Rolle des Onkel Feri verkörperte, „ausgeliehen”; er hatte davor extra für diese Gelegenheit sein Deutsch perfektioniert. Er war in dieser Rolle so erfolgreich, dass man ihn selbst nach eineinhalb Jahren nicht gehen lassen wollte. Ein weiterer Verantwortlicher der Budapester Premiere war Antal Gábor, der für die ungarische Fassung verantwortlich war. Natürlich war auch die Besetzung von großer Bedeutung. Die Premiere fand am 3. November 1916 statt. In der Rolle der Primadonna glänzte Emmi Kosáry, die Frau des Komponisten Ákos Buttykay, die ihre Karriere als Pianistin begann und erst später Sängerin an der Oper wurde, wo sie sehr erfolgreich war. Die „Csárdásfürstin“ bescherte ihr allerdings einen so großen Erfolg, dass sie danach endgültig Operettensängerin blieb. Ihren Gegenpart, Prinz Edwin, spielte Ernő Király und Comtesse Stasi wurde von Ida Szentgyörgyi

36

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

verkörpert. Die Melodien der Operette, wie „Emlékszel meg?“38, „Jaj cica, eszem azt a csöpp kis szád“39 oder „Túl az óperencián“40 waren so beliebt, dass man sie auf der Straße sang. Bei dieser Operette führte Beöthy, der Direktor des Theaters, eine Neuerung ein: vor dem zweiten und dritten Akt wurde der Text der Lieder auf eine weiße Leinwand projiziert und das gesamte Publikum konnte mitsingen. Die Operette wurde 15 Monate ohne Pause gespielt. Die Vorstellungen setzten nicht einmal in den Sommermonaten aus. Der Erfolg lockte auch Kálmán immer wieder in seine Heimat, sodass er manchmal sogar im Monatsrhythmus nach Ungarn fuhr, um dort seine Eltern und Geschwister zu besuchen. Die „Csárdásfürstin“ blieb trotz des Krieges erfolgreich und durchbrach sogar im wahren Sinne des Wortes die Fronten. Im Sommer 1917 wurde sie in Sankt Petersburg aufgeführt und wurde ab dem Zeitpunkt unter dem Namen „Sylvia“ das meistgespielte Stück in den russischen Theatern. In englischen und amerikanischen Theatern wurde sie unter dem Namen „The Gypsy Princess“ gespielt. 1918 wurde sie von der Budaer Sommerbühne41 und 1927 vom Király Theater wieder ins Programm aufgenommen; auch das Operettentheater Budapest42 eröffnete nach dem Krieg mit diesem Stück. Die „Csárdásfürstin“ ist das vielleicht beliebteste Werk von Imre Kálmán, das in zahlreichen Ländern aufgeführt wurde und sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut. Es wird weltweit in vielen Theatern und im Rahmen von Festivals gespielt. Das ursprüngliche Libretto wurde von István Békeffy und Dezső Keller revidiert und seitdem wird in Ungarn hauptsächlich diese Fassung gespielt. Die Beliebtheit der „Csárdásfürstin” lässt sich daran messen, dass sie zwischen 1915 und 1932 etwa 30000 Mal weltweit aufgeführt wurde. Am Ende des Ersten Weltkrieges wurde sie zusammen mit anderen Kálmán-Operetten in mehreren Kriegsgefangenen-Theatern gespielt.

38

„Weißt oh es noch?” „Schätzchen, ich liebe Deinen kleinen Mund”. 40 „Weit über dem Ozean”. 41 Budai Nyári Színház. 42 Fővárosi Operettszínház. 39

37

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Abbildung 8

Zur Handlung der „Csárdásfürstin”:

1. Akt: Sylva Varescu, die Primadonna des Budapester Orpheum, bereitet sich auf ihren Abschiedsauftritt vor. Nachdem das feiernde Publikum abzieht, findet ein Galadiner statt. Ihr Verehrer, der junge Herzog Edwin Lippert-Weilersheim, möchte ihre Abreise verhindern. Seine Bemühungen sind jedoch umsonst; die junge Frau weiß genau, dass ihre Beziehung wegen der großen sozialen Unterschiede keine Zukunft hat. Unter der Leitung der Stammgäste des Orpheum, zu denen der lustige Graf Boni und der alte Kellner Miksa zählen, bereitet man sich auf den feierlichen Abschied von Sylvia vor. Miksa und Herr Feri (ein Gast) denken voller Nostalgie an Cilike, die einstige Primadonna zurück, die in ihrer Rolle als Csárdásfürstin viele Männerherzen brach. In diesem Augenblick erscheint Herzogin Cecilia, die Mutter von Edwin, die ihren Sohn mit sich nach Hause nehmen möchte, denn dort wartet bereits die für ihn ausgewählte Braut, Herzogin Stasi. Als Miska und Feri Herzogin Cecilia sehen, erkennen sie in ihr frühere Primadonna Cilike. Nachdem man einen kurzen Moment in Erinnerung an die schönen alten Zeiten geschwelgt hatte, lässt Cilike ihre Freunde schwören, ihre Vergangenheit auf keinen Fall preiszugeben. Das Treffen von Edwin und seiner Mutter nimmt ein trauriges

38

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Ende: Der junge Mann wird mit einer Einberufung zum Militär gezwungen, nach Wien zurückzukehren. Die halbe Stunde, die den beiden Liebenden für den Abschied bleibt, genügt jedoch, dass sie vor einem Notar eine Heiratsurkunde unterschreiben. Nach der Abreise des jungen Herzogs verrät Graf Boni Sylva, dass auf Edwin in Wien eine Braut wartet. Als Sylva das hört, entscheidet sie sich, doch ihr Engagement in Paris anzutreten. 2. Akt: Wir befinden uns im herzoglichen Palast in Wien. Die Gäste versammeln sich zur Verlobung von Edwin und Stasi. Miksa treffen wir nun als Diener des Herzogs wieder. Unter den Gästen befinden sich auch Graf Boni und seine „Gattin” Sylva, sowie Herr Feri, der sich als Vater von Boni ausgibt. Wie sich später herausstellt, überredete Sylva ihre Freunde zu dieser Aktion, um ihre große Liebe noch einmal sehen zu können. Alle sind von „Gräfin” Sylva begeistert. Der Erzherzog, ein alter Schürzenjäger, ist sehr an ihr interessiert und macht ihr ein eindeutiges Angebot. Aus der Unterhaltung von Edwin und Stasi geht hervor, dass auch Stasi nicht in ihren Bräutigam, dessen Budapester Romanze ihr nicht verborgen blieb, verliebt ist. Edwin ist verzweifelt, als er Sylva als Gattin von Boni sieht, woraufhin er sich entscheidet, sich doch mit seiner Cousine Stasi zu verloben. Miksa, der viel Erfahrung in Herzensangelegenheiten hat, verkuppelt Stasi und Boni, die sich sofort in einander verlieben. Edwin und Sylva klären das Missverständnis, allerdings kommt in diesem Augenblick Herzogin Cecilia, die erfahren hat, wer Sylva in Wirklichkeit ist. Sie demütigt sie, indem sie ihr Geld anbietet, damit sie das Schloss verlässt. Sylva lehnt dieses Angebot ab. Als der alte Herzog den Gästen die Verlobung von Edwin und Stasi verkündet, gesteht Edwin, dass sein Herz nicht mehr frei ist. Die Herzogin enttarnt Sylva, die jedoch einige Abenteuer des Erzherzogs ausplaudert, um zu beweisen, dass sie ehrenwerter ist als manch vornehme Dame. Sie zeigt die Heiratsurkunde, über die sich Stasi und Boni am meisten freuen.

3. Akt: Schauplatz ist Marienbad, ein beliebter Kurort. Der vergessliche und etwas dümmliche Gatte von Herzogin Cecilia und ihr heimlicher Liebhaber, der Erzherzog, bereiten ihren Geburtstag vor. Cecilia ist traurig, weil Stasi mit Boni und Edwin mit Sylva geflohen ist. Auch ihr Diener Miksa hat sie verlassen, weil

39

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

er sie für eine unbarmherzige Mutter hält, die dem Glück ihres eigenen Sohnes im Weg steht. Die beiden Pärchen treffen im Kurort ein, aber die beleidigte Cecilia ist nicht bereit, sie zu empfangen. Feri heckt einen Plan aus: er selbst darf zwar wegen seines Versprechens die Vergangenheit der Primadonna nicht enthüllen, doch ihre drei Ex-Gatten sollen dies tun. Er lädt sie zur Geburtstagsfeier ein, wo die Herzogin nicht nur vor ihrem Gatten, sondern auch vor dem Erzherzog bloßgestellt wird. Der Erzherzog verzeiht Cecilia und ernennt – als Geste der Versöhnung – den Herzog zum Generalkonsul. Cecilia und der Erzherzog geben den jungen Liebenden ihren Segen, und auch Stasis Eltern haben inzwischen nichts mehr gegen ihre Hochzeit mit Boni einzuwenden. Ein interessantes Phänomen der Operettengeschichte war, dass in Wien und Budapest ein Rosenkrieg zwischen den Theaterdirektoren darüber entbrannte, wer Kálmán für sich gewinnen würde. In Budapest nahm man verstimmt Notiz davon, dass Wien Kálmán immer mehr für sich beanspruchte und mit allen Mitteln versuchte, diesen außerordentlich erfolgreichen Komponisten für sich einzunehmen. Denn Wien konnte nicht ohne die Operette und die Operette nicht ohne Kálmán existieren. Am 3. Februar 1919, zwei Jahre nach der Wiener Premiere, wurde im Király Theater „Die Faschingsfee” uraufgeführt. Es war dies eine Bearbeitung von „Fräulein Susi”, bei der die Musik mit einem neuen Text versehen wurde, den Rudolf Österreicher und A. M. Willner schrieben. „Fräulein Susi” war in Wien nicht aufgeführt worden und als im Jahr 1917 „Die Faschingsfee” fertig gestellt wurde, schrieb man, dass man sie in Budapest nicht haben wolle. Beöthy wollte jedoch – als Antwort auf die Aktivitäten des Städtischen Theaters – mit einem guten Stück dagegenhalten, das die Komponisten Kosáry, Buttykay und Ernő Király anlockte – aus diesem Grund bestellte er von Kálmán eine neue Operette, dieser jedoch schickte ihm „Die Faschingsfee”. So ging der Plan des Direktors nicht auf, denn obwohl die Musik von der Theaterszene hochgelobt wurde, war das Stück ein Misserfolg. Das nächste Stück war „Das Hollandweibchen” (die Uraufführung war am 31. Januar 1920 im Johann-Strauß-Theater), dem in Wien mehr Erfolg beschieden war

40

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

als in Budapest. Die Uraufführung der nächsten Operette mit dem Titel „Die Bajadere” fand im Carl Theater am 23. Dezember 1921 statt. Die Geschichte handelt von der Liebesbeziehung einer Pariser Tänzerin mit einem indischen Prinzen – ein Exotikum, für das sich das Publikum begeisterte. Eigentlich sollte das Stück im Johann-Strauß-Theater aufgeführt werden, aber Kálmán zerstritt sich mit dem Direktor wegen einer Rollenbesetzung, sodass es letztendlich im Carl Theater landete, wo es dann 450 Mal aufgeführt wurde. Ins Király Theater kam es am 10. November 1922, mit Sári Fedák in der Hauptrolle. Neben der gefeierten Primadonna trat in dieser Operette auch eine Soubrette auf, die sich später zu einer bedeutenden Künstlerin entwickeln sollte: Hanna Honthy. Die nächste Operette war „Gräfin Mariza”, deren Libretto bereits 1918 fertig war, allerdings hatte Kálmán einige kleine Details daran auszusetzen, welche die Librettisten Brammer und Grünwald nur zögerlich verbesserten, sodass die endgültige Fassung erst 1924 fertiggestellt wurde. Die Uraufführung fand am 28. Februar 1924 im Theater an der Wien statt, die männliche Hauptrolle wurde von Hubert Marischka, dem Direktor des Hauses, gespielt. Der Erfolg war so groß, dass sogleich auch weitere Wiener Theater die Operette ins Programm aufnahmen, sowie auch viele ausländische Theater.

In Ungarn wurde sie zum ersten Mal am 18. Oktober 1924 im Király Theater aufgeführt. Hier hatten Juci Lábass, die man bis dahin nur

aus

Soubretten-Rollen

kannte,

und

Márton Rátkai die Hauptrollen inne. Zsolt Harsányi

übersetzte

das

Libretto

ins

Ungarische und verlegte gleichzeitig die Handlung des Stückes nach Ungarn.

Abbildung 9

41

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Auf die Frage eines Journalisten, der wissen wollte, warum es so lange gedauert hat, die Operette zu schreiben, antwortete Kálmán: „Obwohl ich in Wien lebe und meine Werke zuerst dort auf die Bühne kommen, bin und bleibe ich ein ungarischer Komponist – schließlich ist dies meine fünfte Operette mit einem ungarischem Thema. eine Zeit lang hatte ich Angst davor, das ich in dieser Stilrichtung, auf dieser musikalischen Sprache nichts Neues mehr sagen kann…ich zögerte…ich arbeitete langsam…auch der Krieg bedrückte mich…nun aber glaube ich, dass ich sowohl den ungarischen Charakter des Stückes gut zur Geltung bringen konnte als auch meinem eigenen Stil treu bleiben konnte.”43 Zum Inhalt von „Gräfin Mariza“: 1. Akt: Gräfin Mariza ist Eigentümerin eines Grundbesitzes in der Nähe von Klausenburg. Graf Tassilo sammelt unter einem Decknamen als Offizier Geld für seine Schwester. Mariza ist an den Männern in ihrer Gesellschaft nicht interessiert, denn sie weiß, dass es alle nur auf ihr Geld abgesehen haben. Sie erfindet einen Bräutigam mit Namen Kálmán Zsupán und erklärt, dass sie heiraten wolle. Zufällig lebt in Klausenburg ein Grundbesitzer dieses Namens, der sehr überrascht ist, als er von seiner eigenen Verlobung hört. Er begibt sich unverzüglich zu Mariza, um Aufklärung zu erhalten – bei dieser Gelegenheit verliebt er sich in sie. Ein Zigeunermädchen prophezeit Mariza, dass sie sich bald in einen vornehmen Kavalier verlieben würde. Daraufhin entschließt sie sich, das Schloss nicht mehr zu verlassen.

2. Akt: Tassilo liebt Mariza heimlich und ist sich seiner Rolle langsam überdrüssig. Er beschließt, das Schloss zu verlassen und schreibt dies in einem Brief an seinen Freund Liebenberg nieder. Dieser Brief gelingt in die Hände Marizas, die dadurch auch erfährt, wie arm Tassilo wirklich ist, woraufhin sie vermutet, dass auch er nur auf ihr Geld aus ist. In ihrer Wut stellt sie ihn vor einer großen Gesellschaft bloß – obwohl auch sie inzwischen ein Auge auf ihn geworfen hatte. Als Tassilos selbstlose Liebe offensichtlich wird, ist bereits alles zu spät.

43

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 286.

42

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

3. Akt: Tassilos Tante, die von diesem Ereignis erfahren hat, sucht Gräfin Mariza auf. Es gelingt ihr, die Missverständnisse zu zerstreuen und so steht der Liebe der Beiden nichts mehr im Wege und auch Zsupán heiratet Lisa, Tassilos Schwester. Am 26. März 1926 wurde am Theater an der Wien die „Zirkusprinzessin“ uraufgeführt, deren Text eine Coproduktion von Brammer-Grünwald war – diese Operette wurde daraufhin in Wien mehr als 300 Mal aufgeführt. Die Geschichte, die im Zirkus von Sankt Petersburg spielt, ist nicht allzu abwechslungsreich. In Budapest wurde sie am 24. September 1926 aufgeführt, mit Juci Lábass und Jenő Nádor in den Hauptrollen. Etwa zwei Jahre später, am 6. April 1928, folgte die „Herzogin von Chicago“, die im Theater an der Wien und 1928 dann auch am Király Theater uraufgeführt wurde. Inmitten der Weltwirtschaftskrise konnte es sich Kálmán als erfolgreicher Komponist leisten, aus dem 3. Wiener Gemeindebezirk in einem großen Palais am Ring zu ziehen. Zu jener Zeit lernte er auch die damals 16-jährige russisch-polnische Tänzerin Vera Makinskaya kennen, allerdings lebte zu diesem Zeitpunkt noch seine Frau Paula Dworzak, die er 1909 kennengelernt hatte. Es war allgemein bekannt, dass Kálmán eine Liebesbeziehung zur schönen Schauspielerin Ágnes Esterházy unterhielt, die ihrerseits mit dem Baron Conrad von Hötzendorf verheiratet war. Nach dem Tod seiner Frau Paula heiratete Kálmán im Jahr 1929 die Tänzerin Vera Makinskaya, befürchtete jedoch, dass die Beziehung aufgrund des großen Altersunterschiedes keine Zukunft haben würde. Dies war allerdings unbegründet. Aus der Ehe entstammten ein Sohn (Károly) und zwei Töchter (Yvonne und Lily). Kálmáns Sohn erhielt seinen Namen Károly Imre Fedor nach der männlichen Hauptfigur der „Zirkusprinzessin“. Am 21. März 1930 wurde im Johann Strauß-Theater „Das Veilchen vom Montmartre“ uraufgeführt. Das Theater, das damals schon mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, musste bald schließen und wurde dann in ein Kino umgewandelt. In Ungarn kam das Werk erst am 1. März 1935 zur

43

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Aufführung, im Städtischen Theater Szeged.44 Bei der Aufführung im Király Theater, ebenfalls 1935, behielt man auf Wunsch Kálmáns die Kostüme und die Kulisse des Szegediner Ensembles bei. Allerdings ereilte dieses geschichtsträchtige Haus, das seit dem „Zigeunerprimas“ als Hochburg der Kálmán-Operetten galt, dasselbe Schicksal wie seinen Wiener Vorgänger: 1936 musste es seine Tore endgültig schließen. Am 10. März 1932 gab es indessen noch eine Premiere am Theater an der Wien: „Der Teufelsreiter“. Die Hauptrolle spielte wieder der Direktor des Hauses, Hubert Marischka. In Ungarn wurde es ebenfalls in Szeged mit großem Erfolg aufgeführt, am 9. Februar 1934, unter der Regie des Direktors Jenő Szilkai. Da der Erfolg sicher schien, kam das Werk daraufhin auch im Király Theater zur Aufführung, das zu diesem Zeitpunkt bereits unter der Leitung der Theaterdirektion von Szeged stand. 1932 feierte Kálmán seinen 50. Geburtstag und wurde zu diesem Anlass vom österreichischen Kanzler Dollfuß mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik ausgezeichnet. Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland wurden die Werke Kálmáns verboten. Wegen der schwierigen Zeiten debütierte „Kaiserin Josephine“ weder in Wien noch in Budapest, sondern im Zürcher Stadttheater im Jahr 1936. Das Budapester Publikum bekam das Werk, „eine korsische Liebesgeschichte zwischen einer verwitweten Márkiné und einem „gestiefelten Kater“, der sich zum großen Napoleon erhoben hat“,45 erst 1937 zu sehen. Das Libretto ist das Werk des Österreichers Paul Knepler und des Ungarn Géza Herczeg und wurde von Viktor Lányi ins Ungarische übersetzt. Zu den Darstellern zählten u. a. die Opernsängerin Marika Németh, Pál Fehér (der am Zürcher Theater spielte), Mary Vágó und Marika Feleky. In der folgenden Zeit wollte Kálmán ein Stück von Lajos Zilahy mit dem Titel „Die Sonne scheint“ vertonen, jedoch wurde diese Idee unter den Vorwand vom Autor zurückgewiesen, dass er noch nie ein Libretto geschrieben habe. Daraufhin bat Kálmán Zsolt Harsányi um ein paar Gedichte, dieser schickte ihm wiederum ein anderes Libretto, das den Titel „René XIV.“ trug. Doch konnte sich der Komponist nicht mehr dieser Aufgabe widmen, denn er entschloss sich 1938, Österreich zu verlassen. Seit dem so genannten Anschluss, der am 13. März 1938 vollzogen wurde, fühlte sich Kálmán in seinem Wiener Umfeld nicht mehr sicher. Bereits am 44 45

Szegedi Városi Színház. Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 299.

44

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Tag des Einmarsches wurde er um Mitternacht von der SA, die sein Auto beschlagnahmen wollte, aufgesucht. Am nächsten Tag musste er ein Dokument unterzeichnen, nachdem er seinen Renault „freiwillig“ samt Treibstoffkosten und Chauffeur der NSDAP zur Verfügung gestellt hatte. Am 16. März plante man eine Hausdurchsuchung, deren Ziel es gewesen wäre, seine Villa zu beschlagnahmen. Kálmán zahlte der SA noch am selben Tag 1200 Schilling, sodass die Hausdurchsuchung verschoben wurde. Grund für den erneuten Argwohn war seine Reise nach England, wo seine „Gräfin Mariza“ erstaufgeführt werden sollte. Man bemächtigte sich am 24. März eines großen Teils seiner Möbel unter dem Vorwand eines nicht existierenden Steuerrückstands. Tags darauf konfiszierte man bereits alle seine Papiere, unter anderem auch seinen Reisepass. Außerdem ging eine bösartige Anzeige gegen seine Haushälterin ein, die angeblich den Familienschmuck in einem Koffer versteckt hätte, sodass ein SS-Trupp zu einer weiteren Hausdurchsuchung eintraf – es handelte sich allerdings um eine Fehlanzeige. Letztendlich erhielt Kálmán am 28. März dank der Einwirkung der ungarischen Regierung seinen Pass wieder, der ihm gestattete, nach London zu reisen. Damit nahmen die Repressalien aber noch kein Ende. Die Einkünfte, die er über Aufführungsrechte im Ausland bezogen hatte, wurden eingefroren. Ende Juni reiste er nach Budapest und traf sich mit Miklós Horthy – dies war gleichzeitig sein letzter Besuch in seiner Heimat. Kálmán wurde höflich in der Budaer Burg empfangen, allerdings konnte man für seine Sicherheit nicht einmal mehr in Ungarn bürgen: „Sie müssen ins Ausland gehen. Ich werde alles unternehmen, dass sie und ihre Familie das Land sicher verlassen können.“46 Wie konnte er auch in einem Land sicher sein, das am 29. Mai 1938 das Parlament das erste judenfeindliche Gesetz und ein Jahr später, am 5. Mai 1939, das zweite verabschiedete. Etwas anderes als die Emigration kam daher nicht infrage. Auch viele ungarische Schauspieler wurden ihrer Herkunft wegen arbeitslos, viele waren sogar gezwungen, das Land zu verlassen. Márton Rátkai, einer der Lieblingsschauspieler und guter Freund von Kálmán wurde in den 40er Jahren aus dem Vígszínház entlassen und konnte erst nach dem Krieg die Bühne wieder betreten. Kálmán reiste nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz nach Paris. Dort erkundigte er sich bei einem befreundeten Minister bezüglich einer dauerhaften

46

Vera Kálmán: Emlékszel még, Kálmán Imre élete, Budapest 1985, S. 144.

45

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Niederlassung. Die Antwort war ernüchternd: Man empfahl ihm, nicht nur das Land, sondern den Kontinent zu verlassen. Nach einem kurzen Besuch in Schweden emigrierte er im März 1940 mit seiner Frau und seinen Kindern in die USA. Die Vereinigten Staaten erschienen ihm fremd und unfreundlich, weshalb seine Mutter und seine Geschwister in Europa blieben. So gut der Name „Kálmán“ in den USA auch klang, während der Kriegsjahre war man dort nicht mehr so sehr an der Operette interessiert, denn es entstand eine neue Gattung: Das Musical. „In New York habe ich mich nicht wohlgefühlt, deshalb bin ich weiter nach Hollywood gereist“47 – schrieb der Komponist in seinen Memoiren. Es stand auch zur Debatte, zwei seiner Operetten zu verfilmen, aber im Falle der „Gräfin Mariza“ wurde dies wegen der „zu europäischen Handlung“48 auf die Zeit nach dem Krieg verlegt. Letztendlich kehrte Kálmán nach New York zurück und begann an einer neuen Operette zu schreiben. Es war dies „Miss Underground“, die aufgrund des Todes des Librettisten Larry Hart nie fertig wurde, weil Kálmán keinen anderen Librettisten wollte. 1942 ließen sich Kálmán und seine Frau scheiden, da Vera sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Nach einer Ehe von nur zwei Monaten starb dieser Mann während eines Flugzeugunglücks. Daraufhin heirateten Imre Kálmán und Vera erneut. Für die in Ungarn verbliebenen Mitglieder der Familie Kálmán kam die Machtergreifung der Nationalsozialisten einer Katastrophe gleich: Milike und Ilona wurden verschleppt und starben in der Nähe von Győr. Kálmán erlitt daraufhin einen Herzinfarkt und kurz nach seiner Genesung einen Autounfall, bei dem er sich die Hand brach. Selbst während seiner Krankheit komponierte er weiter, sodass seine neue Operette, in der die Beziehung von Erzherzog Rudolf und Baronin Maria von Vetsera und ihrer beider tragischer Tod thematisiert wird, bald fertig wurde. Sie wurde am 18. Juli 1945 im Windergarden in New York uraufgeführt. In diesem Jahr starb auch Béla Bartók, ein ehemaliger Kommilitone Kálmáns an der Musikakademie, sowie Franz Lehár, der ausgerechnet am 24. Oktober 1948, dem 66. Geburtstag Kálmáns verschied. Nach dem Krieg reiste Kálmán im Sommer 1949 für einige Monate nach

Europa. In Paris wurde gerade zu dieser Zeit die

„Csárdásfürstin“ wieder ins Programm aufgenommen, mit Márta Eggert und Jan Kiepura in den Hauptrollen. Diese Reise führte Kálmán u. a. auch nach BadenBaden, Wien, Bad Ischl und Stockholm. Im Herbst 1949 kehrte er in die USA zurück, 47 48

Kálmán, Emlékszel még, Kálmán Imre élete, S. 145. Kálmán, Emlékszel még, Kálmán Imre élete, S. 148.

46

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

obwohl Vera und seine Kinder lieber in Europa geblieben wären. Noch im selben Jahr erlitt er einen Schlaganfall, der die Lähmung einer Gesichtshälfte zur Folge hatte. Davon erholte er sich nie mehr ganz und musste bis zu seinem Tod rund um die Uhr von einer Pflegerin betreut werden. 1951 ließ sich er sich auf Wunsch seiner Frau in Paris nieder, obwohl er lieber in Zürich, einer seiner Lieblingsstädte, gelebt hätte. Am 11. April 1953 wurde ihm in Paris der Orden der französischen Ehrenlegion von Joseph Paul-Boncour überreicht. An einem Herbstmorgen sagte er zu seiner Familie: „Irgendwie fühle ich mich nicht wohl … Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich hinlege.“49 Er wachte nie wieder auf. Am 5. November wurde er seinem Wunsch gemäß am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Seine letzte Operette, „Arizona Lady“ – die von ungarischen Emigranten an der mexikanischen Grenze spielt – wurde posthum am 1. Januar 1954 im Berner Stadttheater uraufgeführt. Ein Jahr später benannte man in Siófok und 1967 auch im 5. Bezirk von Budapest eine Straße nach ihm. Zwischen 1970 und 1973 wurde in Siófok ein Gedenkzimmer für ihn eingerichtet, später errichtete man anlässlich seines 105. Geburtstages an dem nach ihm benannten Weg ein Museum. An seinem 40. Todestag ernannte ihn seine Geburtsstadt posthum zum Ehrenbürger. Am 24. Oktober 2004 wurde Kálmáns Geburtstag offiziell zum Tag der ungarischen Operette ernannt. Kálmán war eine besondere Persönlichkeit, weil er sich nicht vom Erfolg verleiten ließ. Seine Bescheidenheit brachte ihm viele Freunde und Verehrer ein. „Er war während seines gesamten Lebens ein ehrlicher Mensch.“50 – Das schrieb man während des Weltkrieges über ihn und diese Eigenschaft behielt er bis ans Ende seines Lebens. Seine Frau erwähnte oft, er habe an einer Art „manischen Bescheidenheit“ gelitten. Er mochte den Trubel um seine Person nicht, war im Gegensatz zu Vera außerordentlich sparsam und hielt sich sogar bei Partys in seinem Hause auf eine Art zurück, die seiner Rolle als Gastgeber nicht gerecht wurde. Seine Frau beschrieb ihn als melancholischen, zurückgezogenen, aber doch freundlichen Menschen, der sich in der Gesellschaft von einigen wenigen Freunden am wohlsten fühlte. An Tagen von Uraufführungen nahmen seine Ängste bezüglich 49 50

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 290. Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 292.

47

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

eines möglichen Scheiterns beinahe krankhafte Ausmaße an. Er war Maximalist und traute seinem Erfolg oft selber nicht. Neben seiner Besorgtheit war er auch sehr abergläubisch. Als er erfuhr, dass die Aufführung der „Csárdásfürstin“ auf einen 13. des Monats fiel, geriet er beinahe in Verzweiflung. Auch die nächste Anekdote bezeugt sein abergläubisches Wesen: „Als nach einer Hauptprobe Kálmán mit den Schauspielern auf den Hof des Theaters hinausgingen, trafen sie einen Schornsteinfeger. „Ein Schornsteinfeger nach der Probe ist der beste Glücksbringer“ sagte Ernő Király. „Der beste Glücksbringer“ antwortete Kálmán erfreut. Aber bald wurde er misstrauisch: „Hat nicht das Theater einen falschen Schornsteinfeger kostümieren lassen, um meine Laune zu bessern?“ Mit diesen Worten ging er auf den Schornsteinfeger zu und fing an, an seinem Bart zu zerren. „Das ist bestimmt ein falscher Bart!“ Es stellte sich nun bald heraus, dass es sich um einen echten Schornsteinfeger handelte. Dieses Zusammentreffen stellte sich auch für den Schornsteinfeger als Glücksfall heraus, denn Kálmán war sehr großzügig, was das Schmerzensgeld betraf.“51 Seine grenzenlose Liebe zu seiner Familie war wohlbekannt. Er reiste oft von Wien nach Ungarn, um seine Eltern und Geschwister zu besuchen. Es ist daher nachvollziehbar, wie schmerzhaft es für ihn gewesen sein muss, als zwei seiner geliebten Schwestern von den Nationalsozialisten verschleppt und getötet wurden. Wie aber entstanden seine Operetten? Kálmán hatte seine eigene Arbeitsweise. Oft schrieb er mehrere Tage gar nicht an einem Werk, sondern ging spazieren. An Arbeitstagen setzte er sich um 9 Uhr morgens an den Flügel, den er bis 2 Uhr nachts nicht mehr verließ. Er galt als äußerst gewissenhaft und arbeitete oft noch bis zum letzten Augenblick an seinen Operetten. Oft wurde er erst im Morgengrauen fertig und beschäftigte dabei drei bis vier Kopisten, die so fleißig die Stimmen abschrieben, dass man schon am selben Morgen mit den Proben beginnen konnte. Im Fall des „Herbstmanövers“ wurde das Werk erst drei Tage vor der Premiere fertig, sodass die Primadonna, Berta Kornai, die Proben verließ, da das Anfangslied noch nicht fertig war. Kálmán war bis spät in den Abend unterwegs, um die Primadonna zu versöhnen.52 Nachts drauf komponierte er rasch die fehlenden Einlagen im Café Upor. Im Falle der Operette „Gold gab ich für Eisen“ wurde die 51 52

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 295. Siehe Seite 30 dieser Arbeit.

48

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

endgültige Fassung erst am Tag der Premiere, um 5 Uhr morgens, fertig. Selbst während seiner Flitterwochen komponierte er. An den Proben nahm er nach Möglichkeit immer teil und legte großen Wert darauf, dass die besten Schauspieler und Sänger für seine Operetten engagiert wurden. Seine Lieblingsschauspieler waren seinen eigenen Angaben zufolge Fedák, Massary, Hanna Honthy und Márton Rátkai. Es ist unbestritten, dass von den modernen Operettenkomponisten neben Lehár Kálmán derjenige ist, dessen Musik am natürlichsten ist und am meisten Feuer und ungarische Elemente beinhaltet. Selbst Musikhistoriker sprachen es Kálmán zu, dass neue Vitalität und ungarische Melodien in die bereits ermüdete und einfarbige Wiener Operettenlandschaft Einzug hielten. Ort seiner Handlungen war meistens die Österreichisch-Ungarische Monarchie, die Akteure waren Prinzen, Barone, Soldaten, Bürger und Zigeuner. Neben den Klassikern konnte Kálmán sich auch für moderne Komponisten wie z.B. Gershwin begeistern. Er hielt es für eine große Ehre, als dieser seiner Einladung folgend in seiner Wohnung persönlich seine „Rhapsody in Blue“ spielte und ihm seinen nachfüllbaren Bleistift schenkte, mit dem er das Werk geschrieben hatte. Es war ein langer Weg, den Imre Kálmán von dem kleinen Dorf am Balaton bis nach Wien, die Hauptstadt der Operette, der ihn auch nach Amerika führte, zurücklegte. Wohin in der Welt er auch reiste, er hielt sich immer für einen Ungarn. Nach der 200. Aufführung der Csárdásfürstin dachte er: „…so sehr ich auch in der Fremde lebe, beziehe ich meine Lebenskraft doch immer aus meiner Heimat. Man kann die Frucht eines Baumes auch weit wegbringen, der Baum wird mit seinem Stamm und seinen Wurzeln doch immer dort bleiben, wo er gewachsen ist.“53 Dies bestätigte später auch seine Frau: Kálmán blieb bis zum Schluss ein Ungar. Er achtete auch immer darauf, dass man die Akzente seines Namens korrekt schrieb. Es war sehr schmerzlich für ihn, dass er nach der Emigration seine Heimat nie wieder sehen konnte.

Viktor Jacobi Jacobi wurde am 22 Oktober 1883 in Budapest in eine jüdische Familie geboren. Seine Kompositionen wurden schon im Rahmen von Veranstaltungen des

53

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 314.

49

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Realgymnasiums in der Markó Straße, das er besuchte, aufgeführt. In den Jahren von 1903–1905 studierte er an der Musikakademie Komposition, wo er als Studienkollege von Leó Weiner bei János Koessler studierte. Darüber hinaus war er mit Béla Bartók, Zoltán Kodály, Imre Kálmán und Albert Szirmai befreundet. Seine erste Operette, die er noch unter dem Namen Jakabfi schrieb, hieß „A rátartós királykisasszony“54 und wurde noch während seiner Studienzeit 1904 im Volkshaus Budapest, mit Klára Küry in der Hauptrolle, uraufgeführt. Im Jahr 1905 führte das Ungarische Theater Budapest sein nächstes Stück (welches die Geschichte von Oberst Simonyi erzählt) mit dem Titel „A legvitézebb huszár“55 auf. Das Libretto dieser Operette schrieb Ferenc Martos und die Hauptrolle spielte Ákos Ráthonyi. Das im Jahr 1906 im Ungarischen Theater Budapest uraufgeführte Werk mit dem Titel „A tengerszem tündére“56, das Jacobi zu einem Text von Zoltán Thury frei nach Mór Jókai und zu Gedichten von Jenõ Heltai schrieb, wurde mit Olga Turchányi und Ákos Ráthonyi in den Hauptrollen uraufgeführt. Die zeitgenössische Kritik bewertete Jacobis Musik als „sanft, melodisch und von ungarischem Charakter“. 57 Sein nächstes Stück, „Tüskerózsa“58 basiert ebenfalls auf einem Text von Jókai; hier spielte Sári Fedák die Hauptrolle. 1908 wurde sein Stück „Van, de nincs“ 59 und 1909 „Jánoska“60 uraufgeführt. Seinen ersten bedeutenden Erfolg erlangte er mit dem Werk „Leányvásár“, zu Deutsch „Heiratsmarkt“, das 1911 im Király Theater Premiere hatte, mit Sári Fedák, Márton Rátkai Ernõ Király und Sári Petráss in den Hauptrollen. Zu dem abwechslungsreichen Libretto von Ferenc Martos und Miksa Bródy schrieb Jacobi eine sehr unterhaltsame Musik. So wurde das Lied mit dem Anfang „No de méltóságos úr…“61 ein bekannter Gassenhauer. Dieses Stück erlangte vor allem im englischsprachigen Raum große Beliebtheit, außer in vielen europäischen Städten wurde es sogar in Neuseeland aufgeführt.

54

Die hochmütige Prinzessin. Der tapfere Husar. 56 Die Fee des Bergsees. 57 Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 316. 58 Rose mit Stacheln. 59 Das gibt es oder auch nicht. 60 Hänschen. 61 „Aber mein lieber Herr…“. 55

50

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die Handlung der Operette „Heiratsmarkt”: 1. Akt: Ort der Handlung ist ein kleines Dorf bei San Francisco, in dem gerade ein Heiratsmarkt stattfindet. An diesem Tag möchten die Farmer ihre Töchter vermählen. Dabei gilt die alte Regel, dass diejenige, die allen Freiern einen Korb gibt, mit dem „letzten“ der Herren vermählt wird. Diese scherzhafte „Hochzeit“ ist natürlich nicht für immer gültig, sie verpflichtet die Braut nur dazu, für eine Nacht mit dem Herrn zu tanzen. Diese Tradition ist der Ausgangspunkt für die Handlung der Operette. Diese beginnt mit der Ankunft des Repräsentanten des Dorfes, des Millionärs Harrison, und seiner Tochter Lucy. Das hochmütige Mädchen weist alle Werber zurück, daher entscheiden die Dorfbewohner, dass sie den Landstreicher Tom Migles heiraten soll. Migles ist allerdings kein Landstreicher, er wurde von Harrison an der Börse ruiniert und sieht nun eine Gelegenheit, als Landstreicher verkleidet, Rache an Harrison nehmen. Tom erpresst den Sheriff, um Lucy wirklich heiraten zu dürfen – Harrison gibt nach und die Ehe wird gültig. Das Mädchen hat noch bis Pfingsten Zeit, um sich von seiner Familie zu verabschieden. 2. Akt: Ort der Handlung die eine Yacht mit Namen „Lucy“. Es ist Pfingsten, die Familie Harrison ist mit dem Schiff auf hoher See und glaubt, entkommen zu können, als sich herausstellt, dass einer der Heizer an Bord Tom ist. Lucy, die nicht mit Tom leben möchte, verspricht ihre Hand dem Grafen von Rottenberg. 3. Akt: Alles bereitet die gräfliche Hochzeit vor, aber Rottenberg ist sehr aufgeregt, denn er hatte bereits zwei Tage vorher Lucys Dienstmädchen geheiratet. Das Geheimnis wird gelüftet und Lucy ist wieder frei, allerdings nicht mehr lange, denn Tom beweist der Gräfin, dass er Lucy wirklich von Herzen liebt. Die Operette endet mit einer feierlichen Verlobung. Jacobis internationaler Ruhm wurde durch sein neues Stück „Sybill“ nur größer; auch hier entstand das Libretto in einer Coproduktion von Bródy und Martos. Bei der Premiere im Király Theater wurden die wichtigen Rollen von Sári Fedák, Ernõ Nádor, Jenõ Király, Mici Haraszti Árpád Latabár, Juci Lábass und Márton Rátkay gespielt – hier war auch die bekannteste Melodie von Rátkay zu hören: „Mein kleiner Petrov…“. Über die Entstehung dieses Liedes ist folgende Anekdote überliefert: Der Schriftsteller Ferenc Molnár vernahm eines Morgens diese Melodie aus dem Fenster

51

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Jacobis. Er prägte sie sich ein und pfiff sie dem Komponisten beim nächsten Treffen vor. Jacobi erschrak sehr und fragte Molnár, woher er die Melodie kenne. Dieser entgegnete, dass er sie vor Jahren in Paris gehört habe, worauf Jacobi fast einen Nervenzusammenbruch erlitt. Angesichts der starken Wirkung seines Scherzes gestand ihm Molnár voller Reue die Wahrheit. Handlung von „Sybill“:

Die Operette spielt in einem Hotelzimmer irgendwo im russischen Zarenreich. Als Gäste treffen nacheinander die Pariser Sängerin Sybill, Poire und seine Frau Charlotte ein. Auch die Herzogin wird auf dem ihr zu Ehren stattfindenden Empfang erwartet. Plötzlich erscheint Petrov, ein Offizier der Moskauer Leibgarde, der seinem Regiment entflohen ist, um mit Sybill nach Paris zu reisen. Kurz darauf erscheint auch der Gouverneur, der bereits von der Flucht Petrovs weiß, um diesen zu verhaften. Sybill, die in letzter Minute dazu stößt, versucht dies mit allen Mitteln zu verhindern. Aufgrund ihres vehementen Benehmens wird sie vom Gouverneur für die Herzogin gehalten. Um den Schein zu wahren, spielt sie weiterhin ihre Rolle und beschließt, erst mit dem Zug am nächsten Morgen abzureisen, um dadurch Zeit zu gewinnen. Der Herzog erfährt erstaunt, dass seine „Frau“ bereits in den Palast des Gouverneurs aufgebrochen sei. Er folgt ihr zum Ball, bemerkt den Rollentausch sofort, enttarnt Sybill aber nicht. Er findet sogar Gefallen an diesem Spiel und geht darauf ein, bis die Schauspielerin ihn unter vier Augen anfleht, diesen peinlichen Scherz zu beenden. Der Herzog aber möchte die ganze Sache noch vertiefen, da Sybill ihm gefällt. Das Erscheinen seiner tatsächlichen Frau, die sich mittlerweile auf Petrovs Wunsch für Sybill ausgibt, verhindert dies. Zum Schluss löst sich – nach großem Chaos von Eifersucht und Verwirrung – doch alles in Wohlgefallen auf. 1914 reiste Jacobi nach England, um dort „Sybill“ zu proben. Dieses Vorhaben kam aber wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht zustande; außerdem wurde er als österreichisch-ungarischer Staatsbürger des Landes verwiesen. Jacobi zog daher in die USA, wo er sich vor allem mit Neuinszenierungen seiner alten Werke beschäftigte. In dieser Zeit schrieb er auch kleinere Klavierstücke, die zwischen 1915 und 1919 in New York erschienen.

52

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Mit dem weltberühmten Geiger Fritz Kreisler schrieb er eine gemeinsame Operette mit dem Namen „Almavilág“62, die im Globe Theater in New York zum ersten Mal aufgeführt wurde. Am selben Ort wurde 1921 „Szerelmeslevél“63 – ein Musical, das ebenfalls in Zusammenarbeit mit Kreisler entstanden war – uraufgeführt. Dieses Werk wurde in Ungarn bis heute noch nicht gespielt. Leider konnte sich Jacobi trotz allem nicht an das Leben in den Vereinigten Staaten gewöhnen, auch seine Musik verlor an Charme und Unmittelbarkeit. 1920 besuchte er Europa zum letzten Mal. Das Leben dieses hochtalentierten Komponisten endete tragisch: Er beging mit 38 Jahren Selbstmord. Jacobi verfügte über ein hervorragendes Gespür für die Bühne und einen großen Reichtum an Melodien. Dies bescherte ihm einen gebührenden Platz unter den besten ungarischen Operettenkomponisten wie Jenõ Huszka, Ferenc Lehár und Imre Kálmán. Seine frühen Operetten entsprachen mehr der ungarischen Mode, während seine späteren Werke sich eher an Themen aus dem englischsprachigen Raum orientierten. Moderne Tanzeinlagen nahmen in seinen Werken einen wichtigen Platz ein. Als seine beiden Hauptwerke gelten bis heute der „Heiratsmarkt“ und „Sybill“, die regelmäßig auf den ungarischen und internationalen Bühnen gespielt werden. 1941 wurde der „Heiratsmarkt“ in Ungarn unter der Regie von Félix Podmaniczky verfilmt. Die Schauspieler waren Zita Szeleczky, János Sárdy, Kálmán Latabár und Piri Vaszary in den Hauptrollen. Die Verfilmung von „Sybill“ erfolgte 1981. Albert Szirmai Albert

Szirmai,

einer

der

letzten

großen

Vertreter

der

ungarischen

Operettenkomponisten, wurde am 2. Juli 1880 in Budapest geboren. Er studierte Klavier bei Árpád Szendy und Komposition bei Zoltán Kodály an der Budapester Musikakademie. Aus der legendären Kompositionsklasse von János Koessler war Alber Szirmai neben Imre Kálmán und Viktor Jacobi der Dritte dieser OperettenTroika. Seine ersten Werke schuf er im Bereich der ernsten Musik: er schieb eine Ballett-Suite, eine Ouvertüre, ein Streichquartett und mehrere Klavierstücke.

62 63

Apfelblüten. Liebesbrief.

53

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

1906 wurde er Musikkritiker beim Pester Lloyd und beim Polgár,64 ab 1907 arbeitete er als Korrepetitor am Budapester Volkstheater und an der Komischen Oper. Der Direktor des Hauses, Rezsõ Máder, entdeckte Szirmais kompositorisches Talent und führte sein Stück „Sárga Dominó“65 1907 außerhalb der Saison auf; später erreichte es an die 200 Vorstellungen bei ausverkauftem Haus. Ab diesem Jahr war Szirmai auch Dirigent am „Modern Színház Cabaret“66 und am Theater am Andrássy Boulevard. Seinen nächsten großen Erfolg feierte er mit dem Werk „Táncos Huszárok“,67 das auf einem Text von Ferenc Rajna basierte. 1913 wurde in Budapest seine nächste Operette mit dem Titel „Mozikirály“ uraufgeführt, in dem Márton Rátkai die Hauptrolle spielte. Bald war Szirmai als großer Meister der Operette auch international anerkannt und versuchte – ähnlich wie Jacobi – sein Glück nicht in Wien, sondern in London. Im Gegensatz zu Jacobi blieb er allerdings nicht dort, sondern kehrte zurück nach Ungarn, um eine der beliebtesten Operetten Ungarns zu schreiben. Diese wurde unter dem Titel „Mágnás Miska“68 am 13. Februar 1916 im Király Theater uraufgeführt. Das Libretto schrieb Károly Bakonyi und die Gedichte dazu stammen aus der Feder Andor Gábors. Nach der Premiere wurden die Melodien im ganzen Land gesungen. Auch der internationale Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Das Stück hatte in Wien, Berlin und Mailand großen Erfolg.

Zur Handlung von Magnat Mischka: 1. Akt: Die Operette spielt im Schloss des Grafen Korlath. Der Graf und seine Freunde wollen Ivan Baracs der Lächerlichkeit preisgeben. Baracs glaubt, dass auch seine Liebe Rolla Teil der Verschwörung sei. In seinem Zorn beschließt er, zurückzuschlagen und die Gesellschaft der Magnaten bloß zu stellen – er kleidet seinen Reiterknecht Miska in einen Frack und stellt ihn als Grafen Tasilo vor. 2. Akt: Man feiert den „Grafen Tasilo” – Gräfin Rolla tanzt mit dem als Graf Tasilo verkleideten Miska, doch daraufhin kommt Baracs und enthüllt das Geheimnis. Die wütende Gräfin möchte ihn verjagen, doch da kommt die Marcsa, Miskas 64

Es handelt sich hierbei um ein zeitgenössisches bürgerliches Blatt. Der gelbe Domino. 66 Modernes Theater Cabaret. 67 Tanzende Husaren. 68 Magnat Mischka. 65

54

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Liebe, und überzeugt die Gräfin, dass man die Liebe um keinen Preis aufgeben darf. Rolla kleidet Marcsa in ein Ballkleid, um sie als Nichte des Grafen Tasilo auszugeben. Sie hofft so, Miska aus dem Schloss herausholen zu können, doch der Plan misslingt und beide fliegen auf. 3. Akt: Marcsa erzählt dem Grafen Korlath, dass seine Tochter mit Baracs geflohen ist. Die Eltern der Gräfin glauben es und stimmen einer Hochzeit zu, um einen Eklat zu vermeiden. Marcsa und Miska versöhnen sich und Baracs befördert seinen treuen Diener zum Rittmeister. Szirmai lebte ab 1924 in den Vereinigten Staaten und arbeitete als Berater und später als Direktor des Musikverlages Chappel. Seine Stücke schickte er per Post nach Ungarn und verhandelte mit den Regisseuren über das Telefon. Sein Wirken als Komponist in den USA war nicht allzu erfolgreich; es fiel ihm schwer, sich an den Broadway-Stil zu gewöhnen, sodass er seine Karriere schließlich aufgab. In der darauffolgenden Zeit beschäftigte er sich eher mit der Musik der Anderen und war einer der Ersten, der das Talent von Gershwin erkannte, dem er freundschaftlich verbunden war. Auch Leonard Bernstein schätze er sehr, er hielt ihn sogar für „seine Entdeckung“.69 Nach dem Zweiten Weltkrieg reiste er mehrere Male nach Ungarn. 1957 wurde in Budapest, „Tabáni Legendák“70 uraufgeführt und 1964 auch „A Tündérlaki lányok“,71 sein letztes Werk. Obwohl Szirmay den Großteil seines Lebens im Ausland verbrachte, blieb er doch immer ein Budapester Komponist. Er starb am 15. Januar 1967 in New York und gilt heute neben Imre Kálmán, Ferenc Lehár, Jenõ Huszka und Viktor Jacobi als einer der wichtigen Vertreter der ungarischen Operette. Von seinen 14 Bühnenwerken erwies sich „Magnat Mischka“ als das langlebigste; im Jahr 1948 wurde es sogar mit großem Erfolg unter der Regie von Márton Keleti verfilmt.

69

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 306. Legenden aus Tabán. 71 Die Mädchen von Tündérlak. 70

55

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Paul Ábrahám Paul Ábrahám wurde am 2. November 1892 in Apatin, einer Kleinstadt an der Donau, (zur Zeit der Doppelmonarchie als „West-Batschka“ bekannt) geboren. In seiner wohlhabenden Familie war man sehr um die Bildung des jungen Ábraháms besorgt, sodass er schon im Alter von vier Jahren das Klavierspiel erlernte. Bereits in früher Kindheit fühlte er sich stark zur Musik hingezogen, trotzdem wurde ihm – wie es bei musisch hochbegabten Kindern häufig der Fall ist – von seinen Eltern, hauptsächlich seinem Vater, eine wirtschaftliche Karriere nahegelegt. Er inskribierte daraufhin an der Budapester Wirtschaftsakademie, wo er auch einen Abschluss erlangte. Danach setzte er seine Studien an der Musikhochschule fort, wo Frigyes Reiner und später Viktor Herzfeld, Albert Siklós und Géza Molnár seine Lehrer waren. Da sein Studienschwerpunkt in der Kammermusik lag, schrieb er als Diplomarbeit ein Streichquartett, bei dessen Uraufführung der später weltberühmte Dirigent des Philadelphia Symphonic Orchestra, Jenő Ormándy, die erste Violine spielte. Da der scheue Ábrahám – wohl aus Mangel an Ermutigung – seine Begabung als unzureichend ansah und noch dazu von seinen Eltern zu einem „ordentlichen Broterwerb“ gedrängt wurde, beendete er damit vorläufig seine musische Laufbahn. Lange Jahre arbeitete er als Bankbeamter und Aktienverwalter an der Börse. In diesen Jahren beschäftigte er sich mit vielen Dingen, nur nicht mit der Musik. Er gelangte zur Ansicht, dass man von klassischer Musik nicht leben könne und um Unterhaltungsmusik zu machen, fehlte es ihm an Überwindung. Trotz alledem begann er im Jahr 1924 zusammen mit den beiden Librettisten Jenő Mohácsi und Sándor Bródy eine Oper mit dem Namen „Lion Leája“72 zu schreiben. Abends besuchte er Theater, wo er neue Musikrichtungen wie z. B. den Jazz kennenlernte. Zu jener Zeit bildeten sich zahlreiche Tanzmusik-Ensembles, die einen melodischen, lebhaften Jazz spielten. Ábrahám entdeckte diese Musiksparte für sich und wurde zum Dirigenten eines solchen Ensembles, welches er nach der Arbeit im weißen Frack und mit weißen Handschuhen leitete. Als Imre Harmath erfuhr, dass der Dirigent seine eigenen Werke aufführte, beauftragte er den jungen Komponisten, eine neue Jazzoperette zu schreiben. Er erfuhr erst im März 1928, dass bereits eine

72

Lea von Lion.

56

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Operette von Ábrahám unter dem Namen „Zenebona“ recht erfolgreich aufgeführt worden war. Am 13. Oktober 1928 debütierte seine neue Operette „Az utolsó Verebély lány“,73 welche auf einem von Imre Harmathy umgestalteten Libretto des Theaterstückes „Kisasszony a

férjem“74

von

Gábor

Drégely

basiert.

Zum

durchschlagenden Erfolg trug auch die Schauspielergarde bei: Neben dem Jungstar Franciska Gaál spielten Gyula Kabos, Teri Fejes und eine Kinderschauspielerin mit wunderbarer Stimme, die später zum Weltstar wurde: Márta Eggerth. Ein knappes Jahr später wurde Pál Ábrahám zum Leiter dieses Operettentheaters. Sein früheres Stück „Zenebona“ wurde 1928 in Wien, Berlin, Kopenhagen, Helsinki und New York gespielt. An denselben Orten wurde auch seine erste Operette „A kisasszony férje“ (später unter dem Titel „Az utolsó Verebély lány“ bekannt) aufgeführt, bei der es sich allerdings nicht um eine Jazz- sondern eine traditionelle Operette mit klassischen Operettenmelodien handelte. Später wechselte er an das ungarische Theater. Innerhalb kürzester Zeit wurde er zu einem der meist gefeierten Komponisten der 1930er Jahre, seine Popularität war mit der von Lehár, Zerkovitz, Carlo de Fries und Kacsóh vergleichbar. Die Theater und die sich langsam etablierende Tonfilmindustrie rissen sich um seine Werke, die inzwischen europaweit aufgeführt wurden. Die deutsche, französische, österreichische und englische Filmproduktion überboten einander, um seine Stücke verfilmen zu dürfen. Seine Operetten wie „Az utolsó Verebély-lány“, „Der Gatte des Fräuleins“ (in Wien komponiert), „Hawaii rózsája“75 (allein in Wien 144-mal aufgeführt), „Bál a Savoyban“76 (ein Riesenerfolg in Berlin), „Viktória“77 und „Mese a Grand Hotelban“78 waren richtige Volltreffer, welche die Stimmen, die bereits den Untergang der Operette beschworen hatten, auf spektakuläre Art zum Verstummen brachten. Nun möchte ich die Operetten von Ábrahám etwas näher vorstellen. Ábrahám schuf seine Werke in einer neuen Bühnengattung, Revueoperette genannt – er selbst war es auch, der diese Gattung in Ungarn etablierte. Auf diese Art versuchten die Theater in den 1930er Jahren, das Rennen mit dem Film, dem Radio und dem 73

Die letzte Verebély-Tochter Mein Mann ist ein Fräulein 75 Die Blume von Hawaii 76 Ball im Savoy 77 Viktoria und ihr Husar 78 Märchen im Grand Hotel 74

57

Andrea Nagyová sich

explosionsartig

Masterarbeit verbreitenden

Jazz

aufzunehmen.

Matr: 0673107 Die

Handlung

der

Revueoperetten wurde mit humorvollen, manchmal sogar erotischen Szenen, akrobatischen Einlagen, Stepptanz, Liedern, Massenszenen und theatertechnischen Attraktionen bereichert und all das neben feinstem Jazz. Pál Ábrahám führte eine Reihe von Neuerungen in der Operette ein: Die früheren ausschweifenden Operettenmelodien wurden nun jazzig und die Walzer wurden durch moderne Tänze wie z. B. den Stepptanz ersetzt. „Viktória und ihr Husar“ Dies ist eine tragische Liebesgeschichte, eine Operette mit spektakulären Schauplatzwechseln (ähnlich dem Film „In 80 Tagen um die Welt“), deren Hauptthema typisch europäisch, sogar mitteleuropäisch ist. Man kann zwischen der unglaublich-absurden Handlung und dem bewegten Leben von Pál Ábrahám eine traurige Parallele ziehen, da die Helden der Geschichte in den drei Akten des Werkes aus einem sibirischen Kriegsgefangenenlager über Japan und Sankt Petersburg bis ins ungarische Kiskundorozsma fliehen. Das tragische Schicksal des Komponisten scheint sich gut in diesem Stück widerzuspiegeln: Zwar wurde Ábrahám in den 1930er Jahren in Berlin mit einem Schlag weltberühmt, musste nach Hitlers Machtergreifung jedoch nach Budapest zurückkehren, von wo er gezwungen war, über Paris und Havanna schließlich in die USA zu emigrieren. Als im Februar 1930 „Viktória“ im Király Theater in Budapest uraufgeführt wurde, herrschten in Ungarn bereits engstirnige, gefährliche und ausgrenzende Weltansichten. Bei seiner Uraufführung wurde das Werk als Karikatur der damals vorherrschenden politischen Verhältnisse aufgefasst. Die gesellschaftskritischen Elemente nahmen in der ungarischen Version großen Raum ein, während sie in der deutschen nicht mehr vorzufinden sind. In der deutschsprachigen Fassung wurden mehr das idealisierte Bild der ungarischen Dörfer und die bereits aus anderen Operetten bekannte kitschige Puszta-Romantik in den Vordergrund gerückt. Unabhängig davon ist das Werk noch immer sehr aktuell und zeigt auf anschauliche Weise, wie die Geschichte in das Schicksal eines Einzelnen einzugreifen vermag und wie Krieg und Hass unauslöschbare Spuren im Leben eines Menschen hinterlassen können. Ábrahám traf mit diesem Werk den Geschmack des damaligen Deutschlands und wurde damit binnen kürzester Zeit zum gefeierten Komponisten sowohl der

58

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

deutschen wie auch der österreichischen und ungarischen Bühnen. Seine Filmmusiken

wurden

zu

großen

Schlagern

der

Grammophonindustrie.

Die

Vertonungen der Filme „Melodie des Herzens“ (1929), „Die Singende Stadt“ (1930), „Die Privatsekretärin“ (1931) und „Viktoria und ihr Husar“ (1931) wurden zu Evergreens, die bis heute kaum an Popularität verloren. „Die Blume von Hawaii“ Als die Vertonung von Alfred Grünwalds und Fritz Löhner Bedas Stück (dessen Übersetzung von Imre Földes stammte) unter dem Namen „Hawaii rózsája“79 am 28. Januar 1931 im Király Theater aufgeführt wurde, hatte Ábrahám längst mehrere europäische Premieren hinter sich. Bis dahin wurde das Werk auf 67 Bühnen gespielt und in fast alle wichtigen europäischen Sprachen übersetzt. Währenddessen liefen in 108 Theatern Vorbereitungen, das Stück aufzuführen. Ábrahám war zu dieser Zeit ständig unterwegs, er hatte keinen festen Wohnsitz, Hotelzimmer waren seine Heimat. „Ein neuer Welterfolg ist von Leipzig ausgegangen, dieser Welterfolg war in erster Linie ein Welterfolg der ungarischen Kunst. Wenn wir vom großen Erfolg in Leipzig sprechen, denken wir zuerst an Pál Ábrahám.“80 Man kann man sagen, dass Ábrahám in dieser Zeit zu den weltweit meist gefeierten Komponisten zählte. Schon die „Viktória“ war ein Welterfolg gewesen, aber dies war erst der Auftakt vom Lebenswerk des jungen, begabten Komponisten, der damals nach vielen neuen Wegen suchte. Der erste Erfolg war unumstritten und leicht errungen, der zweite entpuppte sich als noch größere Herausforderung. Zu diesem Erfolg war das Überwinden von vielen Hindernissen unterschiedlichster Art notwendig. Als am Premierenabend der „Blume von Hawaii“ deren Ouvertüre erklang, änderte sich schlagartig alles. Wen kümmerte noch das drückend heiße Sommerwetter oder die Weltwirtschaftskrise? – Nach besagter Ouvertüre entbrannte ein orkanartiger Applaus, den nicht einmal die ältesten Theaterbesucher kannten. Es genügt vielleicht, hier den ekstatischen Aufruf eines Berliner Kritikers zu zitieren: „Darauf könnte sogar Richard Strauss stolz sein!“ 81 Wenn wir von Triumph der

79

Die Blume von Hawaii Rátonyi Róbert: Az operett csillagai I., S. 213. 81 Rátonyi Róbert: Az operett csillagai I., S. 213. 80

59

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Ungarn im Ausland sprechen, ist noch ein gewisser Préger, ein genialer Schauspieldirektor, zu erwähnen, der das Werk nicht nur aufführte, sondern auch selbst inszenierte. Die Darsteller der Leipziger Premiere waren Rita Georg, Fritz Steiner, Harold Paulsen, Lily Welly und Rózsi Bársony als Star des Abends. Die Kostüme wurden von Tihamér Váradi entworfen. („Színházi Élet“ 1931. Ausgabe Nr. 33) „Bál a Savoyban“82

Handlung Nach der Hochzeitsreise kehrt das sich innig liebende Traumpaar Aristide und Madeleine in ihr Zuhause nach Nizza zurück. Ihre Idylle wird jedoch vom Brief einer ehemaligen Geliebten Aristides getrübt. Dieser hatte früher einen Kontrakt unterzeichnet, der der brasilianischen Tänzerin Tangolita das Zusammensein für eine Nacht mit ihm sichern solle. Dies möchte die temperamentvolle Tänzerin nun beim großen Ball im Savoy einlösen. Die Ehefrau wird misstrauisch und verfolgt – als leichte Dame verkleidet – ihren Mann, wobei sie in ein gefährliches Abenteurer mit einem jungen Rechtsreferendar gerät. Die Komplikationen werden noch durch das Eintreffen der Jazzdirigentin Daisy Darlington, einer Freundin Madeleines, und dem polygamen Mustafa Bey gesteigert – am Ende findet aber jeder zu seinem Partner zurück. Das Stück wurde am Heiligen Abend 1932 im ungarischen Theater erstmals aufgeführt. Auch dieser Aufführung ging eine europaweite Premierenwelle voraus. Auch hier war für den Text das bewährte Wiener Librettisten-Duo Grünwald und Beda zuständig, die ungarische Fassung stammt von Jenő Heltai. Neben Mária Lázár, Hilda Harmath sangen Jenő Törzs; die unvergessliche Figur des Mustafa wurde vom großen Gyula Kabos gespielt, der junge Anwalt von Imre Ráday und die Jazzdirigentin von Marika Rökk. Während 1932 in Berlin die Proben für „Die Blume von Hawaii“ und „Ball im Savoy“ liefen, bezog Pál Ábrahám eine Villa in der Fasanenstraße. Die politischen Veränderungen des folgenden Jahres und einige andere Vorfälle verunsicherten ihn jedoch sehr. Nachdem sein Freund Emil Rotter – ein bekannter deutscher

82

Ball im Savoy

60

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Theaterunternehmer – aus politischen Gründen ermordet worden war und auch eine Nervenkrankheit ihn zunehmend plagte, beschloss er, Deutschland zu verlassen. Von Paris zog er nach Wien, von wo er regelmäßig auch Ungarn besuchte. Er komponierte in dieser Zeit viele namhafte Operetten, wie "Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus", oder „Roxy und ihr Wunderteam". Er produzierte einige Filme in Italien, Frankreich und England und kehrte dann für kurze Zeit nach Ungarn zurück. Trotz seiner permanenten Angstzustände blieb seine Musik heiter: „Történnek még csodák"83 und „Mese a Grand Hotelben"84 waren weitere Stationen seiner Erfolgsreihe. In „Es geschehen noch Wunder“ konnte man die Tanzkunst des Duos Ida Turay/Kálmán Latabár bewundern, das überdies auch noch jodelte. Der Choreograph war der europaweit angesehene Bobby Gray. Ferenc Delly war elegant und kühl, wie seine Rolle es erforderte. Statt einem Orchester sorgten zwei virtuose Pianisten für eine satte, orchesterartige Begleitung. Die letzten Operetten von Ábrahám: Das Royal Theatre zeigte um Weihnachten 1937 seine Operette unter dem Titel „3:1 für die Liebe“, deren Text von László Szilágyi, Imre Harmath und Dezső Kellér stammte. Harmath war ein bevorzugter Librettist von Pál Ábrahám und auch privat verband sie ein freundschaftliches Verhältnis. Sein wichtigster Freund war jedoch Egon Kemény, den er noch aus seiner Hochschulzeit kannte. Kemény instrumentierte seit jeher Ábraháms Stücke und wurde darüber hinaus auch eine Art Sekretär für ihn. Die Darsteller waren Rózsi Bársony, Marika Rökk, Oszkár Dénes, Kamill Feleki, der junge László Kazal und Mária Sulyok, die sich ebenfalls noch am Beginn ihrer Karriere befand. 1938 spielte Hanna Honthy die Rolle der Julia. Mit der Besetzung von György Solthy, der den Walzer mit den Anfangsworten „Heute Abend in der Bug habe ich einen Walzer gelernt“ sang, wurde die Vorstellung mit einem Mal zum Publikumsschlager. Auch Ferenc Delly (die große Liebe von Hanna Honthy) und Dezső Kertész spielten ihre Rollen souverän.

83 84

Es geschehen noch Wunder Märchen im Grand Hotel

61

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

„3:1 zu Gunsten der Liebe“ Dieses Stück war eine der Sensationen des Jahres 1937. Das Thema ist aktuell, denn es erinnert an die erste ruhmreiche Epoche des ungarischen Wasserballsports; in den Hauptrollen waren Rózsi Bársony und Oszkár Dénes zu sehen. „Er (Pál Ábrahám) bemüht sich mit all seinem Talent um den Nervenkitzel. Sein Fach beherrscht er hervorragend, sein Jazzorchester klingt bravourös und zügellos. Seine Ideen und Tricks in der Instrumentierung sind verantwortlich für die zahlreichen Effekte. Er nimmt einen musikalischen Gedanken, dreht ihn und mit einem musikalischen Wundergriff wird er sofort zum Schlager, zur Bombe“ – so schreibt der zeitgenössische Kritiker Géza Haits. „In all diesen Erfolgen gibt es allerdings auch etwas Tragisches: es gleicht zeitweise dem Kampf eines HalbBegabten, der alles aus sich herausholt, eine todestanz-artige, wilde Jagd, um sein Gewissen zu beruhigen und zu vergessen, dass er nichts Großes, Bleibendes schaffen kann.“85 Diese Worte weisen in eine harte Zukunft, aber vorerst bleibt das Werk erfolgreich, mit 73 Aufführungen sogar ein richtiger Kassenschlager. Aus nicht bekannten Gründen verschuldete sich Pál Ábrahám in zunehmenden Maße. Er lebte von Tag zu Tag und schleppte sich mit seinem Librettisten László Szilágyi von einem Vorschuss zum nächsten, während die Herausgeber von den verkauften Rechten einen noch nie gesehenen Profit erbeuteten. Sie mussten sozusagen den Welterfolg im Voraus liefern, um das notwendige Geld zum Leben zu erwirtschaften. 1937-38 drehte er in Ungarn und komponierte die Musik der ungarischen Filme „Hotel Kikelet“ (1937) „Viki“ (1937), „Pesti mese“ (1937), „Mai lányok“ (1937), „Családi pótlék“ (1937) und schließlich „Úri világ“ (1938). Seine populäre Operette, „3:1 für die Liebe“ wurde verfilmt. All diese Einnahmen wurden sofort von den Herausgebern eingezogen, sodass Ábrahám kaum etwas vom Gewinn abbekam. 1938 wanderte er nach Frankreich aus. Er lebte ungefähr eineinhalb Jahre in Paris und arbeitete für kleine Beträge. Ein Bericht von Lajos Básti vermittelt einen guten

85

Eindruck:

„…Pali

Ábrahám

komponiert

für

einige

hundert

Franc

Rátonyi Róbert: Az operett csillagai I, S. 217.

62

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Wiegenlieder…“ Ábrahám nahm an dem Dreh des Filmes „Sérénade“ (1940) teil, für den er die Musik komponierte, aus dessen Erlös er – den drohenden Krieg vor Augen – ein Ticket in die USA kaufen konnte.

Amerika und wieder Europa Wegen seiner chaotischen Finanzen in Budapest und der ewigen Sorgen um seine jüdische Familie lebte Ábrahám in permanentem Angstzustand. Außerdem holten ihn die Schulden seiner Verleger auch in Amerika ein. Seine Angst entwickelte sich zur Depression und wurde schließlich zu einer panischen Nervenkrankheit, die ihn vorübergehend zur Behandlung in eine Anstalt brachte. Nachdem sein Zustand sich gebessert hatte, schrieb er die Musik für einige Filme; der letzte war „Holiday in Mexico" (1946). Er lebte in New York, musste aber wiederholt in der Psychiatrie behandelt werden. Immer wieder kehrte er nach Europa zurück und ließ sich schließlich Anfang der 1950er Jahre mit seiner Familie in Hamburg nieder. Aufgrund seines anhaltend schlechten Zustandes musste er schließlich dauerhaft in ein Sanatorium, wo er seinen Lebensabend verbrachte.

Hamburg In den 1950er Jahren wurden seine Operetten in der Bundesrepublik verfilmt, während er von der Außenwelt abgeschottet im Sanatorium lebte. Dort starb er auch mit 68 Jahren am 6. Mai 1960. Pál Ábrahám gelang das, was nur wenige erreichten: Er schrieb zauberhaft leichte Melodien und inszenierte verzückte Liebesmärchen. Er verstand auf geniale Art den Ton seiner Zeit zu treffen; in seinen Operetten vermischte er auf geschickte Weise das Exotische (spanische, fernöstliche, russische und ungarische Elemente) mit dem modernen Jazz. Ein Geheimnis seines Erfolgs war, dass seine besten Nummern, eigentlich als Tanzmusik gedacht, erst später einen Text bekamen – so dachte er schon im Voraus an das Radio, die Schallplatten und das Tanzparkett – die Garanten des Erfolges jener Zeit. 17 Operetten und 30 Filmmusiken zeugen von seinem Schaffen. Die Kollegen aus Deutschland, Frankreich, England und den USA erinnern sich so an ihn: „Pál Ábrahám war ein hervorragender ungarischer Komponist, der viele erfolgreiche Operetten und

63

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Filmmusiken schuf.“86 In Ungarn allerdings wurde er kaum in Zeitungen genannt, auch im Theaterführer von 1969 und dem Filmlexikon von 1972 blieb er unerwähnt. Franz Lehár

Kindheit Franz Lehár wurde am 30. April 1870 in Komárom geboren. Am 4. Mai wurde er auf den Namen Ferenc Kristóf getauft. Sein Vater war Militärkapellmeister in Sternberg und spielte außerdem Violine, Cello, Kontrabass, Horn, Klarinette, Trompete und Schlaginstrumente. Nach seiner Übersiedlung nach Komárom lernte er seine spätere Frau Krisztina Neubrandt kennen, die er am 4. Mai 1869 heiratete. Dies war eine seltsame Hochzeit, da das junge Ehepaar anfangs Verständigungsprobleme hatte: Franz sprach nur wenig Ungarisch, Krisztina hingegen verstand kaum Deutsch. Trotz dieser Komplikationen kam bald ihr erster Sohn Franz zur Welt.

Über die Nationalität Franz Lehárs wurde und wird heute noch diskutiert: Er wurde einerseits in Komárom, Ungarn, geboren und sprach bin zu seinem 12. Lebensjahr keine andere Sprache als Ungarisch. Andererseits verbrachte er den Großteil seines Lebens in Wien bzw. in Bad Ischl, weshalb viele ihn als Österreicher betrachten. Auch der Familienname Lehár kommt vermutlich aus dem deutschen Leonhard, da seine Familie väterlicherseits aus Mähren stammte. Als Lehár zwei Jahre alt war, kam sein Bruder Eduárd zur Welt, der aber bereits nach einem Jahr wieder verstarb. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie im damaligen Preßburg, sodass Franz Lehár wohl kaum Erinnerungen an seine Geburtsstadt hatte. Als er fünf Jahre alt war, wurde sein Vater nach Sopron abkommandiert. 1875 wurde seine Schwester Anna Maria geboren und ein Jahr danach sein Bruder Antal. 1880 zog die Familie nach Budapest, wo ihn sein Vater ins piaristische Gymnasium einschreiben ließ, nebenbei brachte er ihm zu Hause das Klavierspiel bei. Der Vater versuchte seinen Sohn auch in einer der Musikschulen der Stadt unterzubringen, allerdings wurde dieser nirgends aufgenommen, weil er zu jung war. Als Lösung bot sich der Wechsel in ein Wiener Internat, allerdings stellte sich hier die Schwierigkeit, dass der junge Lehár noch kein Deutsch sprach. Um dem Abhilfe zu schaffen, wurde 86

Rátonyi Róbert: Az operett csillagai I, S. 219

64

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

er nach Sternberg geschickt, wo noch zwei Geschwister seines Vaters lebten: Onkel Hans, der Tischler war und Onkel Anton, der Dirigent des Städtischen Orchesters. Im deutschen Umfeld lernte er bald Deutsch und Dank seines Onkels Anton machte er auch in der Musik gute Fortschritte. Da man jedoch selbst im Wiener Konservatorium erst ab dem 14. Lebensjahr zugelassen war, entschied sich die Familie, ihren 12jährigen Sohn am Prager Musikkonservatorium anzumelden. So gelangte der junge Lehár im Jahr 1882 nach Prag, wo er erneut die Grundschule

absolvieren

musste,

da

er

kein

Tschechisch

sprach.

Im

Musikkonservatorium wählte er die Geige als Hauptinstrument, sein Lehrer war Professor Bennewitz, der Direktor dieser Einrichtung. Musiktheorie lernte er bei Josef Bohuslav Förster. Er lebte unter schweren Bedingungen, da das Taschengeld, das er von seinen Eltern bekam, nur teilweise seine Bedürfnisse abdeckte. Dies änderte sich 1884, als das Regiment seines Vaters nach Prag verlegt wurde. In diese Zeit fallen auch die ersten Kompositionsversuche Lehárs: einige Lieder und eine Sonate. Am Konservatorium lernte er Antonín Dvořák kennen, der dort Komposition unterrichtete und dem jungen Mann empfahl „die Geige an den Nagel zu hängen und sich der Komposition zu widmen“. Dies ließen aber die Regeln des Konservatoriums nicht zu, weswegen er vorerst beim Komponisten Zdeněk Fibich Privatstunden nahm. Als der Direktor davon erfuhr, stellte er Lehár vor die Wahl, entweder die Privatstunden aufzugeben oder man werde ihn des Instituts verweisen. Da er nur noch ein Jahr am Konservatorium zu absolvieren hatte, entschied er sich zu bleiben. 1885 gelang es ihm, einen Herausgeber (den Wiener Hofbauer Verlag) für seine Sonate á l’Antique zu finden. Sein Vater zeigte diese Johannes Brahms, der sich anerkennend über den jungen Komponisten und seinen ersten Versuch äußerte. Sein Bruder Antal sollte ebenfalls Musiker werden und war auch kurzzeitig am Konservatorium, doch er interessierte sich eher für eine Militärlaufbahn und besuchte später eine Infanterieschule. Als die Familie 1887 nach Wien übersiedelte, war der 17jährige Franz wieder alleine in Prag. Sein Abschlusskonzert fand am 12. Juli 1888 in der Aula des Rudolfinums statt: Er spielte das 2. Violinkonzert von Max Bruch mit Orchesterbegleitung. Der große Erfolg des Konzerts und sein Konzertdiplom bezeugen, dass seine Prager Jahre nicht umsonst gewesen waren.

65

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Lehár, der Geiger Als junger Geiger musste er Arbeit finden, was nicht leicht war, denn der Markt an jungen Orchestermusikern war schon damals übersättigt. Schließlich fand er am Stadttheater von Elberfeld (heute ein Teil von Wuppertal) eine Stelle als Geiger. Diese Anstellung hatte er Ernst Gettke zu verdanken, dem ehemaligen Direktor des Leipziger Theaters, der das Elberfelder Ensemble gegründet hatte und es leitete. Am Ende des Jahres wurde Lehár zum Konzertmeister befördert. Ende 1888 bat ihn sein Vater, nach Wien zurückzukommen, da in seinem Orchester eine Solistenstelle frei wurde. Gettke wollte ihn nur unter der Bedingung gehen lassen, wenn er einen angemessenen Ersatz finde. Da Lehár dies aus Mangel an Zeit nicht gelang, brach er die Vereinbarung und floh. Vor den Konsequenzen dieses Vertragsbruchs rettete ihn nur seine Einberufung zum Militärdienst. Der junge Lehár spielte im Orchester seines Vaters mit großem Erfolg, aber er hatte im Gegensatz zu seiner Zeit in Elberfeld nicht die Möglichkeit, bedeutendere Werke kennenzulernen. In dieser Zeit traf er Leo Fall, einen Schüler seines Vaters, der ebenfalls als Geiger ins Orchester kam. Der junge Lehár lebte im Haus seiner Eltern, das sich bald als zu eng erwies – immer öfter kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Vater. Nach neun Monaten entschloss er sich auszuziehen und es auf eigene Faust zu versuchen. Er nahm eine Stellung als Dirigent des Infanterieregiments Nr. 25 an, das in Lizenz (Komitat Neográd/Ungarn) stationiert war. Die Lizenzer Jahre ermöglichten es Lehár, sich zu einem richtigen Dirigenten und Komponisten zu entwickeln. Das Orchester hatte ein kleines Repertoire und es wurde wenig geprobt, sodass er seine ganze freie Zeit dem Komponieren widmen konnte. Er schrieb Lieder und Märsche (Marsch des Leutnant Fries, Marsch des Leutnant Pacor) und konnte sogar einige Stücke beim Leipziger Rüder Verlag und beim Wiener Hofbauer Verlag herausgeben.

1890 wurden einige Außenbezirke und Vororte Wiens in die Stadt einbezogen. Aus diesem Anlass komponierte Johann Strauß einen Walzer, der 1891 im Wiener Prater aufgeführt wurde. Lehár und einer seiner Freunde wurden gebeten, dem Komponisten den riesigen Lorbeerkranz zu überreichen. Dies war das einzige Mal, dass sich Lehár und der Walzerkönig trafen: Strauß starb acht Jahre später.

66

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Erste Versuche Die Gelegenheit, sein erstes Bühnenwerk zu schreiben, ergab sich für Lehár im Jahr 1893, als der Herzog von Coburg-Gotha einen Wettbewerb für einen Einakter ausschrieb. Das Libretto schrieb ein Hauptmann seiner Kompanie. Lehár instrumentiere die romantische Geschichte mit viel Mühe, trotzdem war dies nicht genug für den Erfolg. Sein Werk Rodrigo gewann nicht und überdies musste er wegen eines Konflikts Lizenz verlassen. Lehár musste nicht lange auf eine neue Anstellung warten: 1894 wurde er vom Marineorchester in Pula angeworben, dass in der gesamten Doppelmonarchie einen sehr guten Ruf hatte. Bei seinem ersten Konzert war sogar Kaiser Franz Josef anwesend, nach der Vorstellung ließ seine Majestät ihn wissen, dass „er mit der Vorstellung recht zufrieden war.“87 In Pula lernte er Felix Falzari kennen, der ihn zur gemeinsamen Arbeit an einer Oper (nach einem Buch von George Kennan über Sibirien) überredete. Lehár war zu der Zeit mit dem Orchester im Mittelmeerraum unterwegs und konnte erst im Frühjahr 1896 mit den Arbeiten beginnen. So entstand Kukuška, nach deren Fertigstellung er sich entschloss, seine Arbeit als Dirigent zu kündigen und einen Verleger bzw. ein Theater zu finden, um sein Stück zur Aufführung zu bringen. Letztendlich erhielt er eine Zusage vom Stadttheater Leipzig, die Premiere erfolgte am 27. November 1896. Die Kritiken fielen unterschiedlich aus, stärkten jedoch den Optimismus des jungen Komponisten. Die Hauptkritik der Presse bestand darin, dass die Musik zu große Ähnlichkeit mit Mascagnis Cavalleria Rusticana habe. Das Werk hielt sich nicht lange auf dem Spielplan, schon nach fünf Vorführungen wurde es wegen Erkrankung einiger Solisten abgesetzt. Lehár kehrte nach Budapest zurück, wo er von seinem schwerkranken Vater die Leitung

des

Orchesters

des

Infanterieregiments

von

Bosnien-Herzegowina

übernahm. Lehárs Vater verstarb am 7. Februar 1898. Während seines Budapester Aufenthaltes versuchte er seine Oper Kukuška zu verkaufen. Gyula Káldy, der Direktor des Opernhauses, zeigte sich angetan und nahm das Werk ins Programm auf. Die Uraufführung fand am 2. Mai 1898 statt. Die Oper lief einige Zeit recht erfolgreich, jedoch erlahmte das Interesse des Publikums recht bald, sodass sie vom Spielplan genommen werden musste. Lehár entschloss sich daraufhin, sein Glück in Wien zu versuchen. 87

Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, S .10.

67

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

In der Stadt der Walzer und Operetten Lehár reichte die Kukuška an der Wiener Staatsoper ein, doch deren Leiter Gustav Mahler ignorierte ihn und seine Oper. Nach diesen ernüchternden Erfahrungen beschloss er, sich der Operette zuzuwenden, jedoch war niemand bereit, dem jungen Anfänger ein Libretto anzuvertrauen. Schließlich bekam er vom Hauskomponisten des Wiener Ronacher Theaters einen Text mit dem Titel Arabella, die Kunstreiterin. Das Werk wurde jedoch nie aufgeführt, weil man sowohl das Libretto als auch die Musik für zu schwach hielt.

Im

November

1899

nahm

Lehár

eine

Stelle

als

Dirigent

des

Infanterieregiments Nr. 26 an, die er bis zum Frühjahr 1902 innehatte. Für seine Entwicklung als Dirigent waren die folgenden Jahre von großer Bedeutung. 1901 wurde der Wiener Konzertverein gegründet, dessen Orchester neben klassischen Konzerten auch leichtere Operetten spielte, wie z. B. Wiener Blut, ein Werk, das Adolf Müller aus Melodien von Johann Strauss zusammengesetzt hatte. Als Müller im Dezember starb, bewarb sich Lehár für die Dirigentenstelle, wurde aber von der Jury zurückgewiesen, weil diese mit seiner Dirigiertechnik nicht zufrieden war. Während der Ballsaison errang er mit seiner Militärkapelle große Erfolge und erweckte die Aufmerksamkeit der Fürstin Pauline von Metternich, eine der Leitfiguren des gesellschaftlichen Lebens im damaligen Wien, die ihn einlud, bei ihren Empfängen die musikalische Unterhaltung zu übernehmen. Ihr zu Ehren komponierte er den Paulinenwalzer. Des Weiteren schrieb er in ihrem Auftrag den Walzer Gold und Silber, der am 27. Jänner 1902 zum ersten Mal öffentlich zu hören war. Mit diesem Walzer erweckte er durchaus das Interesse der Musiköffentlichkeit und wurde bald zu einem der bekanntesten Dirigenten der Wiener Salons. In dieser Zeit lernte er Vilmos Karczag, den soeben ernannten Direktor des Theaters an der Wien, kennen, der ihm die musikalische Leitung für die Spielzeit 1902/03 anbot.

In der Zeit zwischen seinem Austritt aus dem Militär (März 1902) und dem Beginn der Saison

am

Theater

an

der

Wien

arbeitete

Lehár

in

einem

beliebten

Unterhaltungslokal mit Namen Venedig in Wien, wo er Gelegenheit hatte, den Geschmack des Publikums sorgfältig zu studieren. In dieser Zeit trat er auch in die

68

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Wiener Künstlervereinigung Schlaraffia ein, in der er sich Kontakte zu Librettisten erhoffte.

Nachdem Mahler im Sommer 1902 eine Aufführung von Lehárs Oper „Kukuška“ endgültig abgelehnt hatte, versuchte Lehár mit dem Librettisten Victor Léon Kontakt aufzunehmen, der unter anderem auch an einigen Operetten von Johann Strauss mitgewirkt hatte. Léon zeigte jedoch kein Interesse, weil er nicht mit Anfängern arbeiten wollte. Über die Schlaraffia gelang es Lehár schließlich doch, zu seinem ersten richtigen Libretto zu kommen: es hieß „Wiener Frauen“ und stammte aus der Feder des Schauspieler Emil Norini und des Journalisten Ottokar Tann-Berger. Lehár schrieb die Musik dazu und konnte das Werk am Theater unterbringen, was hauptsächlich Emil Steininger, einem Mitarbeiter Karczags, zu verdanken war.

Inzwischen wandte sich auch Victor Léon, dem ein von Lehár früher komponierter Soldatenmarsch sehr gefallen hatte, an diesen und bot ihm sein neues Libretto mit dem Titel „Der Rastelbinder“ an. Lehár nahm das Angebot an, da er sich von Léons Libretto Erfolg erhoffte. Bis zum Herbst wurden beide Operetten fertig. Karczag (der Direktor des Theaters an der Wien) sah es nicht gerne, das sein Dirigent auch für ein anderes Theater (Carl-Theater) komponierte, aber die beiden konnten sich nach langem Streit schließlich einigen. Zur Uraufführung der „Wiener Frauen“ kam es am 21. November 1902. Der Erfolg war vor allem dem Hauptdarsteller, Alexander Girardi bzw. der Musik Lehárs zuzuschreiben; die Kurzlebigkeit der Operette war hauptsächlich dem Text zu verdanken. „Der Rastelbinder“ wurde am 20. Dezember im Carl-Theater uraufgeführt. Er war ein großer Publikumserfolg und wurde noch weitere 225 Mal gespielt.

Da um die Jahrhundertwende die Nachfrage für Operetten kontinuierlich stieg, öffneten überall (vor allem in Deutschland) neue Theater. Das führte kurzfristig zum Niveauverfall der Gattung, da die Librettisten und Komponisten aus Wien versuchten, immer mehr „markttaugliche Ware“ in immer kürzerer Zeit herauszubringen. Die schärfsten Kritiker der Gattung waren Journalisten wie Julius Bauer, Leopold Jacobson und Hugo Wittmann, die sich allerdings in ihrer Freizeit (meist unter Pseudonymen) selbst mit dem Schreiben von Libretti befassten. Auch Lehár wurde in

69

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

die Debatte um die formellen und inhaltlichen Anforderungen an die Operette eingebunden. In dieser Zeit lernte er Leo Stein kennen, der Lehár vorschlug, zusammen mit Léon eine Operette über ein Thema aus der antiken griechischen Mythologie zu schreiben. So entschied man sich für die von Molière bearbeitete Version des Amphitryon. Obwohl Lehár zunächst nicht davon angetan war, schrieb er das Stück für das Carl-Theater, das unter dem Namen „Der Göttergatte“ am 20. Januar 1904 erfolgreich aufgeführt wurde. Die Kritik zeigte sich anerkennend, trotzdem wurde es nach wenigen Aufführungen abgesetzt, weil es beim Publikum nicht so gut ankam. Zu seinem nächsten Werk „Die Juxheirat“ schrieb der Journalist Julius Bauer das Libretto, die Premiere fand am 21. Dezember 1904 im Theater an der Wien statt. Leider war dieses Stück ein Misserfolg, das bereits nach 39 Aufführungen aus dem Programm entfernt wurde. Die Entstehungsgeschichte der nächsten Operette Lehárs beginnt beim Komponisten Richard Heuberger, der den Auftrag erhielt, ein von Leo Stein und Victor Léon verfasstes Libretto zu vertonen. Dieses basierte auf der Textvorlage einer früheren französischen Komödie von Henri Meilhac namens „L’attaché d’ambassade“. Da das Librettistenduo mit der Musik Heubergers nicht zufrieden war, entschieden sie sich, den Auftrag an Lehár weiterzugeben. Der Vertrag wurde am 2. Januar 1905 unterzeichnet. Eine Anekdote berichtet davon, wie das Werk schließlich den Namen „Die lustige Witwe“ erhielt. Da man den Originaltitel nicht noch einmal verwenden durfte, suchten die Librettisten nach einem anderen. Eines Tages hörte Lehár, wie Stein einem Kassier folgendes zurief: „Wir haben keine weiteren Karten für die Witwe des Chefsekretärs! Wenn sie wiederkommt, schmeißt diese lästige Witwe raus!“.88 Lehár jedoch verstand Lustige Witwe und schlug dies sofort als Titel vor. Lehár kannte die Vorgeschichte des Werks nicht, sodass er Léon nach Beendigung des Werkes fragte, wer denn ursprünglich als Komponist vorgesehen war. Als er erfuhr, dass es Heuberger war, zeigte er sich sehr erstaunt, da dieser – als Mitglied der Jury des Konzertvereins – ihn als untalentiert bezeichnet hatte. Als Lehár das Werk der Leitung des Theaters an der Wien vorstellte, wurde dieses recht kühl entgegengenommen. Die Direktion war von dem Erfolg der Operette nicht 88

Otto Svhneiderei: Lehár ferenc, S .14.

70

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

überzeugt und entschied sich, dass Lehár und seine Librettisten die Proben selbst bezahlen sollten. Darin fanden diese Unterstützung bei den Schauspielern, vor allem Mizzi Günther und Louis Treumann versuchten das Ensemble auch für nächtliche Proben zu gewinnen. Zur Premiere kam es schließlich am 30. Dezember 1905, einen Tag vor Silvester – einen schlechteren Premierentag hätte man sich kaum denken können. Es war daher keine Überraschung, dass sich nicht allzu viele für die Vorstellung interessierten. Die Kritiker hingegen äußerten sich – mit Ausnahme einiger weniger – begeistert über die Musik und ihre Leichtigkeit. Zur ersten ausländischen Aufführung kam es zwei Monate später in Hamburg. Im April 1906 konnte man bereits die hundertste Aufführung verzeichnen, die hundertfünfzigste wurde in der Volksoper Wien zelebriert. Am 23. Februar 1907 teilte Lehár dem Berliner Herausgeber Felix Bloch Erben brieflich mit, das sie europaweit bereits die 3500. Vorstellung hinter sich hätten. 1907 wurde das Stück in London, New York und Chicago aufgeführt, 1909 in Paris. „Die lustige Witwe“ brachte Lehár schließlich die finanzielle Sicherheit, nach der er sich schon seit seiner Kindheit gesehnt hatte. Mit dieser Operette fand er außerdem seinen eigenen Stil.

„Die lustige Witwe“ besteht aus drei Akten und wurde am 27. November 1906 im ungarischen Theater in Budapest zum ersten Mal in der Landessprache gezeigt. Bei der ungarischen Premiere spielte die berühmte Koloratursopranistin Ilonka Szoyer die Hauptrolle, ihr Partner war der beliebte Lebemann Ákos Ráthonyi. Die Operette, die in 25 Sprachen übersetzt wurde, fand später Einzug in das StandardRepertoire des Király Theaters, wo Sári Fedák die Hauptrolle spielte. Die

Melodien

erzählen

vom

Verlangen, der Leidenschaft und dem

Verliebtsein, allerdings werden diese Gefühle auf eine ganz neue und noch nie dagewesene Weise präsentiert. Dur, Moll und moderne Klangimpressionen wurden frei miteinander kombiniert. Der erste Auftritt Hannas beginnt mit einer Mazurka, endet aber mit einem langsamen Pariser Walzer. Das Vilja-Lied, eine an sich leichte und sentimentale Romanze, wird vom Orchester mit einem grotesk wirkenden Auftakt beendet. Lehár verwendete hier offensichtlich Elemente, die er bei Mahler und Debussy kennengelernt hatte.

71

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die Handlung: 1. Akt: Mirko Zeta, der Pariser Botschafter von Pontevedro und seine Mitarbeiter organisieren einen Empfang, zu dem auch Hanna Glawari, eine im Ausland lebende pontevedrinische, steinreiche Witwe eingeladen wird. Man hegt die Hoffnung, dass sie sich dort in einen Pontevedriner verlieben und diesen heiraten möge, damit ihr Vermögen in das Heimatland zurückkehre. Zeta fasst den Grafen Danilo Danilowitsch, den Sekretär des Botschafters ins Auge, dessen Herz vor Jahren schon für Hanna schlug. Die Witwe kommt an, allerdings scheint der Plan des Botschafters zu platzen, denn die Wunden aus dem früheren Verhältnis sind noch zu frisch, sodass eine Annäherung nicht in Frage kommt. Die anwesenden Diplomaten werben jedoch mit aller Heftigkeit um die reiche Dame, womit der Plan des Botschafters, die Witwe an einen pontevedrinischen Mann zu bringen, in Gefahr gerät. Diese genießt die Situation und vor allem die Eifersucht Danilos, weswegen sie die ganze Schar der Freier in den Park ihres Palastes einlädt.

2. Akt: Zwischen Danilo und Hanna beginnt eine Romanze. Parallel dazu entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen Valencienne, der Frau des Botschafters, und einem Pariser Herrn namens Camille de Rosillon.

72

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Dieser überredet Valencienne, sich mit ihm in einen Pavillon im Garten zurückzuziehen. Doch der Botschafter, misstrauisch geworden, erscheint überraschend im Pavillon und findet dort Hanna mit Rosillon. Danilo, der Hanna wirklich liebt, ist völlig verzweifelt und verlässt die Szenerie im Glauben, Rosillon sei Hannas Liebhaber.

3. Akt: Cabaret-Abend im Palast von Hanna. Hanna gesteht, dass sie keine Affäre mit Rosillon hat, woraufhin Danilo ihr seine Liebe gesteht. Die lustige Witwe erwidert Danilos Liebe und ist glücklich.

Nach dem beispiellosen Erfolg der Lustigen Witwe fiel es Lehár schwer, ein neues Werk zu komponieren, da die Erwartungshaltung sowohl des Publikums als auch der Theaterdirektoren sehr hoch waren. Das Libretto einer seiner nächsten Operetten, „Der Mann mit den drei Frauen“, stammte von Julius Bauer, die Premiere war am 21. Januar 1908 im Theater an der Wien. Die Kritik reagierte sehr unterschiedlich auf den Stoff: Der reisende Don Juan, der in drei Städten drei verschiedene Frauen hat, erschien ihnen zwar revolutionär und neuartig, allerdings zu erotisch. Lehárs Musik erhielt gute Kritiken, trotzdem gelang es nicht, das Publikum zu begeistern, sodass es nur zu 80 Vorstellungen kam. Lehár

stand

unter

Druck,

mit

der

nächsten

Operette

seinen

Ruf

wiederherzustellen. Dazu kam es aber erst nach gut eineinhalb Jahren, da er sich mit seinen Finanzen auseinandersetzen musste. 1908 wurde der „Inkassoverband der Theater- und Orchesterunternehmungen Österreichs“ gegründet, dessen Aufgabe es war, auf alle Theater- und Operneintritte eine Sondergebühr einzuheben, um daraus die Rente der Dirigenten zu finanzieren. Der Verband hatte seinen Sitz in der Wiener Theobaldgasse, Nr. 16. Als das Gebäude wegen eines Umzugs geräumt wurde, kaufte es Lehár und zog zum ersten Mal in seinem Leben in ein Eigenheim. Im selben Jahr wurde das Wiener Tonkünstlerorchester gegründet, an dessen Gründung Lehár auch beteiligt war und mit dem er eine kurze Konzerttournee nach Deutschland unternahm. Im Sommer 1908 begann er endlich wieder mit dem Komponieren und schickte sich an, drei Libretti gleichzeitig zu vertonen. Eines trug den Titel Das Fürstenkind und stammte aus der Feder von Victor Léon – ursprünglich war es für

73

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Leopold Müller, einen Freund Lehárs vorgesehen, der dieses Stück am 29. Oktober 1908 im neu eröffneten Johann-Strauss-Theater auf die Bühne bringen wollte. Das Werk wurde schließlich am 7. Oktober 1909 vorgestellt – es wurde mit großer Begeisterung empfangen, die allerdings rasch wieder abkühlte, was den Druck auf Lehár erhöhte, ein neues Werk präsentieren zu müssen. 1908 bekam er auf einmal zwei gemeinsam verfasste Libretti von Alfred Maria Willner und Robert Bodanzky: „Der Graf von Luxemburg“ sollte im Theater an der Wien aufgeführt werden, während die Zigeunerliebe für das Carl-Theater vorgesehen war. Lehár gefiel das zweite Stück besser, sodass er dessen Vertonung bereits vor der vorgegebenen Frist abgab. Das sorgte bei der Leitung des Theaters an der Wien für Unmut, man befürchtete, dass der Komponist das versprochene Stück, das bereits vorab als große Sensation der Spielzeit angekündigt worden war, nicht rechtzeitig einreichen könnte. Man drohte Lehár mit Schadensersatzforderungen, die allerdings nicht fällig wurden, denn er übergab Emil Steiniger noch vor Fristende die fertige Partitur. Das Stück sollte – wegen der großen Ähnlichkeit mit dem Großherzogtum – eigentlich Der Graf von Luxenburg heißen, da jedoch das Publikum auch nur Luxemburg sagte, stimmte Lehár dem Buchstabentausch zu. Zur Premiere kam es am 12. November 1909 und das Stück errang einen unverhofft großen

Erfolg,

obwohl

es

Lehár,

laut

eigenen

Angaben,

ohne

größere

Anstrengungen und während einiger weniger Wochen Aufenthalt in Bad Ischl niedergeschrieben hatte. Auch die Kritik war dem Werk wohlgesonnen, obwohl Lehár vorgehalten wurde, dass er „nur von seinen früheren Werken zehre“, 89 also mit dieser

Operette

keine

revolutionären

Neuerungen

vorweisen

konnte.

Währenddessen kreisten die Diskussionen nicht nur um das neue Werk, sondern generell um Lehárs Operettenstil. Die Aussage eines Kritikers, die von der Anziehungskraft und dem Prickeln in Lehárs „Erotik-Operetten“90 handelte, war wohl nicht aus der Luft gegriffen, denn mit diesem Begriff war jene Gattung umschrieben, in welche die meisten Lehár Operetten passen. Mit der lustigen Witwe entbrannte auf der Operettenbühne der erotische Kampf zwischen Mann und Frau: der Mann begehrt die Frau, die Frau entflieht ihm, sodass erst nach langer Enthaltsamkeit oder auch Trennung das lang ersehnte Wiedervereinen stattfinden kann.

89 90

Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, S. 22. Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, S. 23.

74

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Kaum zwei Monate nach dem „Graf von Luxemburg“ wurde am 8. Januar die „Zigeunerliebe“ im Carl-Theater uraufgeführt. Sie war ein riesiger Erfolg und hielt sich noch sehr lange im Repertoire. Die Kritiker fragten sich danach in erster Linie, wie Lehár innerhalb so kurzer Zeit drei so erfolgreiche Operetten komponieren konnte, was dieser als persönlichen Affront wertete. Kurz nach der Wiener Premiere wurde das Stück auch in Deutschland und in der restlichen Monarchie gespielt.

Die Handlung der Operette Der Graf von Luxemburg: 1. Akt: Fürst Basil Basilowitsch ist verliebt in Angèle Didier, eine gefeierte Opernsängerin. Er würde sie gerne heiraten, muss aber dabei die gesellschaftlichen Konventionen beachten, weil er niemanden unterhalb seines Ranges zur Frau nehmen darf. Aus diesem Grunde sucht er nach einem Aristokraten, der bereit ist, Angèle kurzfristig zu heiraten, um sie nach den vereinbarten drei Monaten selbst heiraten zu können. Für dieses Vorhaben scheint sich René, der verarmte Graf von Luxemburg, bestens zu eignen, der sich für eine halbe Millionen bereit erklärt, Angèle zu pro forma heiraten, ohne sie vorher zu sehen – dies ist die Bedingung von Basil. Die Zeremonie findet in Anwesenheit von Fürst Basil statt, wobei das Brautpaar streng von einander abgeschirmt wird: René bekommt nur Angèles Hand zu sehen, an deren Finger er den Ehering befestigt und die er anschließend feierlich küsst.

2. Akt: Fast drei Monate später, im Schloss von Angèle. Die einander nicht bekannten Eheleute sind gerade dabei, sich scheiden zu lassen und begegnen sich aus Zufall bei einem Konzert Angèles, wo Rene sich auf Anhieb in die schöne Sängerin verliebt. Er stellt sich ihr als „Baron von Reval“ vor. Angèle spricht dabei verächtlich über den Graf von Luxemburg, der für Geld eine Scheinehe eingegangen war und Rene wirft Angèle vor, ähnlich gehandelt zu haben, um als Gräfin den Fürsten heiraten zu können. Er will sich davonstehlen, was Angèle allerdings nicht zulässt, da er noch für einen Tag ihr Gatte ist.

75

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

3. Akt: Im Foyer des Pariser Grand Hotels lernt René Gräfin Kokozow, eine alte Liebe und ehemalige Verlobte Basils, kennen. Die Gräfin versteckt sich hinter einer Trennwand und wird dort Basil von René als seine geliebte Angèle angekündigt. Als er voller Schrecken den Tausch bemerkt, versucht er zu fliehen, doch die Gräfin betrachtet ihn bereits als ihre Beute und nimmt ihn mit sich. Nun können Angèle und René endgültig zusammen bleiben.

Zigeunerliebe: Die Geschichte spielt irgendwo in einer Region von Siebenbürgen, wo es sowohl Ungaren, Rumänen und Zigeuner gibt. Dort lebt auch Zorika, die Tochter des Großgrundbesitzers Peter Dragojan, die sich gerade auf die Hochzeit mit Jonel, dem reichen Bauerssohn der Nachbarn, vorbereitet. Während der Zeremonie erscheint jedoch unerwartet Józsi, der ehemalige Geliebte Zorikas, der sich aus schlechten Verhältnissen hocharbeitete und es bis zum Primas-Geiger einer benachbarten Provinzstadt schaffte. Die alte Liebe überwältigt Zorika, die gegen jegliche gesellschaftliche Konvention verstößt und mit Józsi in das nahe gelegene Zigeunerlager flieht. Diese Flucht

wird

nicht nur von dem gedemütigten

Schwiegervater und dem verlassenen Bräutigam mit Argwohn betrachtet, sondern auch von Ilona, einer alten Geliebten von Józsi. Die Zigeunerliebe zeigt im Rahmen dieser romantischen Liebesgeschichte das Zusammenprallen dreier unvereinbar scheinenden, grundverschiedenen Kulturen. Wie jedes andere Meisterwerk weist auch diese Operette Lehárs über die Handlung hinaus: Der Freiheitdrang und die Suche nach Glück sind sowohl Gegenstand des Stückes wie auch die historische Erkenntnis dessen, wie selbstverständlich, gleichzeitig aber auch zerbrechlich das friedliche Zusammenleben verschiedener Ethnien sein kann. In dieser Operette, die beinahe den Anspruch einer Oper hat, zeigt Lehár sowohl grandiose, standbildhafte Szenen als auch schmerzvoll-leidenschaftliche Soli und Duette. Die bekanntesten Lieder daraus sind Es liegt in blauen Fernen und Ich bin ein Zigeunerkind. Die nächste Operette Lehárs hieß Eva und wurde am 24. November 1911 zum ersten Mal dem Publikum des Theaters an der Wien vorgestellt. An diesem Stück

76

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

lässt sich gut erkennen, wie drei verschiedene stilistische Merkmale miteinander ringen: Lehár versuchte die von ihm entwickelte sentimental-pathetische Richtung weiter zu verfolgen, wollte dabei aber auch einerseits dem europäischen Trend entsprechend lustigere Stücke schreiben, andererseits reizten ihn auch soziale Probleme, wie die Situation der Arbeiterklasse. Das Stück wurde vom Publikum eher kühl aufgenommen, vor allem wegen des Themas. Auch die Kritik fiel ziemlich niederschmetternd aus, wobei aber die Musik Lehárs Beifall fand. Im Zuge der Eva wurde Lehár zum ersten Mal von der Kritik nahegelengt, bessere Libretti zu verarbeiten, da die bisherigen Misserfolge ausschließlich den schlechten Texten zu verdanken waren. 1912 kaufte er die Villa der Herzogin Adelheid Sabran-Poteves in Bad Ischl im Salzkammergut, die von da an den Namen Villa Lehár trug und in der er sich von nun an jeden Sommer aufhielt. Bad Ischl war in jener Zeit Treffpunkt der Wiener Musikerelite. Vilmos Karczag, der Leiter des Theaters an der Wien, Leo Fall, Emmerich Kálmán und viele andere Theatergrößen hatten dort einen Wohnsitz. In das Gebäude hinter der Villa zog Sophie Meth, die der Lehár nach der Jahrhundertwende kennengelernt hatte. Ihre Beziehung begann 1903, als Sophie noch verheiratet war. Als sie in das Hintergebäude einzog, war sie noch immer nicht geschieden, sodass die offizielle Hochzeit erst 20 Jahre später stattfinden konnte. Lehár war hauptsächlich mit Auslandspremieren seiner Operetten beschäftigt, die er an die Gegebenheiten des jeweiligen Theaters anpasste. Währenddessen schrieb er ein Singspiel namens Rosenstock und Edelweiß, das am 1. Dezember 1912 im Wiener Kabarett Hölle uraufgeführt wurde. Der Kriegsausbruch führte dazu, dass viele deutsche und österreichische Theater schießen mussten, was sich auch auf die Nachfrage an Operetten auswirkte, was zur Folge hatte, dass auch Lehár weniger komponierte. Als sein Bruder im Jahr 1914 schwer verletzt, für kriegsuntauglich erklärt und anschließend zur Büroarbeit eingeteilt wurde, komponierte Lehár am Krankenbett seines Bruders auf dessen Wunsch ein Lied mit Namen Fieber, nach einem Gedicht von Erwin Weil. Die vom Krieg ausgelöste landesweite Inflation führte dazu, dass das Interesse an Theatern weiter abnahm. Unter diesen Bedingungen wurde im Theater an der Josefstadt am 14. Januar 1916 Lehárs Operette mit Der Sterngucker uraufgeführt.

77

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Das Stück wurde nach nur 77 Aufführungen wieder vom Spielplan entfernt, woran laut Kritik das schwache Libretto schuld war, allerdings wurde auch erwähnt, dass die Musik von Lehár nicht den Anforderungen des Publikums genügte. Die folgenden zwei Jahre verbrachte Lehár mit Gastspielen in Istanbul, Zürich und Budapest. Als er 1917 nach Budapest reiste, traf er dort seinen alten Freund Ferenc Martos, der ihm einen Operetten-Entwurf zeigte. Das Stück, dessen Handlung in Ungarn stattfand, gefiel Lehár sofort. Es wurde am 15. Januar 1918 unter dem Namen Pacsirta in Budapest aufgeführt, am 27. März kam es dann in der Übersetzung von Alfred Maria Willner und Heinz Reichert mit dem Titel Wo die Lerche singt im Theater an der Wien auf die Bühne. Diesmal war es ein großer Erfolg, obgleich die Fachleute wiederum das schwache Libretto kritisierten. Gleichwohl die Theater in den Jahren 1918-1919 an zwei Tagen in der Woche geschlossen bleiben mussten und trotz der Sonderaufführungen, die für die Arbeiter organisiert wurden, war das Stück sehr erfolgreich; es kam bis Ende des Jahres zu 380 Aufführungen. Noch im Jahr 1913 lernte Lehár Giacomo Puccini kennen, als dieser nach Wien kam, um der Premiere seiner Oper Das Mädchen aus dem goldenen Westen beizuwohnen. Puccini lernte über Lehár viele Leute kennen, die der Oper eher fern standen, wie z. B. Sigmund Eisenschütz, den damaligen Leiter des Carl Theaters, der ihn mit einer Operette für sein Theater beauftragte. Statt dieser entstand jedoch eine komische Oper (La Rondine) die – wegen des Kriegszustandes zwischen Österreich und Italien – in Monte Carlo zum ersten Mal aufgeführt wurde. Puccini äußerte sich anerkennend über Lehárs Musik, in einem Brief an ihn schrieb er: „Ich habe ihre Operette mit dem Titel Wo die Lerche singt bekommen und kann nur sagen: Bravo Maestro! Das Stück ist prickelnd, frisch, genial und voller jugendlichem Feuer!“91 1920 kam es erneut zu einer Begegnung, zuerst kam Lehár nach Italien, dann reiste Puccini nach Wien, wo am 9. Oktober seine Oper La Rondine und am 20. Oktober das Triptychon (bestehend aus drei Opern-Einaktern: Der Mantel, Schwester Angelica und Gianni Schicchi) uraufgeführt wurde. Als die Stücke nicht den erhofften Erfolg brachten, reiste Puccini zurück nach Torre del Lago. Das war das letzte Mal, 91

Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, S. 40.

78

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

dass sich die Komponisten persönlich trafen, danach tauschten sie sich nur noch in Briefen aus. Puccini starb am 29. November 1924. Lehárs erste Premiere nach dem Krieg war Die blaue Mazur, welche am 28. Mai 1920 im Theater an der Wien stattfand. Die Kritik wies dabei wieder auf den großen Kontrast zwischen Musik und Libretto hin. Dieses stammte von Béla Jenbach, der unter anderem auch den Text für Emmerich Kálmáns Csardasfürstin schrieb. Das Stück wurde 313-mal in Wien aufgeführt, danach wurde es auch in Deutschland, Polen und Kroatien gespielt. Am 9. September 1921 kam es zu der Uraufführung einer neuen Operette von Lehár, diesmal im Apollo Theater. Die Tangokönigin, wie das Stück hieß, war jedoch nichts anderes als die Neuauflage einer Operette aus dem Jahr 1913 mit Namen Die ideale Gattin, die wiederum auch nur eine umgeschriebene Version des Werkes Der Göttergatte war. Lehár war damit nicht zufrieden und nahm später oft einige Korrekturen daran vor, um eine Annäherung an das Stück Die ideale Gattin zu erreichen. Die Wahl fiel deshalb auf das Apollo-Theater, weil Lehár bereits an einer Operette mit spanischem Thema für das Theater an der Wien arbeitete: La Frasquita. Vor der Premiere kam es noch zur Uraufführung eines anderen Werkes, es handelt sich um den Einakter Frühling, Aufführungsort war das Kabarett Hölle. Frasquita folgte am 11. Mai 1922 im Theater an der Wien. Die Kritik bewertete das Libretto schlecht, nannte es einen billigen Abklatsch von Bizets Carmen – das Publikum jedoch war begeistert. Als der Trubel um die Frasquita-Premiere abklang, griff Lehár zu einem chinesischen Thema, zu dem Victor Léon den Text lieferte. Zu jener Zeit war es in gehobenen Wiener Kreisen en vogue, sich mit Diplomaten aus dem Fernen Osten zu umgeben. Das Libretto greift ausgerechnet so einen Fall auf: es geht um Liebe und Heirat einer Wiener Dame mit einem chinesischen Diplomaten. Das Stück wurde schließlich im Februar 1923 unter dem Namen „Die gelbe Jacke“ im Theater an der Wien mit mäßigem Publikumserfolg uraufgeführt. Die Kritik allerdings lobte die eigentümliche Melodik und Rhythmik, welche den Wiener Walzer auf hervorragende Art mit chinesischen Motiven verwob. Das Werk verschwand jedoch allmählich aus den Repertoires, später wurde es von Lehár umgeschrieben und unter dem Titel „Das Land des Lächelns“ erneut vorgestellt.

79

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Handlung der Operette „Das Land des Lächelns“ 1. Akt: Lisa, die verwöhnte Tochter des Grafen Lichtenfels, hat bei einem Reitturnier gewonnen. Der Erfolg wird von ihrer Familie mit einem Ball gefeiert. Auch die Gesandten des Husarenregiments, welches das Turnier veranstaltet hatte, sind anwesend. Unter den Gästen befindet sich auch Graf Gustav von Pottenstein, ein Jugendfreund Lisas, der innigere Gefühle für sie hegt und um ihre Hand anhalten will. Das Mädchen fühlt sich jedoch zu dem Prinzen und chinesischen Botschafter Sou-Chong hingezogen. Bisher konnte sie ihre Gefühle für ihn zurückhalten, nun aber kommt eine überraschende Wendung: Der Prinz wird wieder nach China zurückberufen. Lisa kann sich nicht mehr beherrschen und gesteht ihm ihre Liebe. Da die Liebe gegenseitig ist, begeben sie sich gemeinsam nach Peking. 2. Akt: Im Zuge einer feierlichen Zeremonie wird Sou-Chong die Gelbe Jacke übergeben, die als höchste Auszeichnung für Diplomaten gilt. Kaum sind die Feierlichkeiten vorüber, kommt es schon zum Konflikt zwischen dem Prinz und den Konservativen. Sein Onkel Tschang hasst die Europäerin, regt sich über ihre Angewohnheiten auf und weist Mi, Sou-Chongs Schwester zurecht, weil sie es gewagt hatte, dem Beispiel Lisas zu folgen und Sport zu treiben.

80

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Er fordert Sou-Chong auf, im Sinne des alten Brauches vier adelige Mandschu-Mädchen zu heiraten, die bereits für ihn ausgewählt wurden, ebenso bestimmt er den Zeitpunkt der Hochzeit. Sou-Chong aber ist nur bereit, die Zeremonie zum Schein über sich ergehen zu lassen; die vier Frauen tatsächlich zu heiraten, geschweige denn auf Lisa zu verzichten, kommt für ihn nicht in Frage. Der listige Gustl kommt allerdings hinter die Absichten des Onkels und warnt Lisa. Diese glaubt ihm die Geschichte zunächst nicht, bis ihr Geliebter es ihr bestätigt. Sie beschließt zu fliehen, allerdings lässt der Prinz ihr Haus bewachen. Er weiß, dass alles verloren ist und opfert das Bild Lisas symbolisch auf einem Buddha-Altar.

3. Akt: Gustl gelingt es, unbemerkt zur gefangenen Lisa zu gelangen. Er hofft, dass Mi bereit ist, bei der Flucht zu helfen. Es stellt sich jedoch heraus, dass alle Türen und Geheimgänge geschlossen sind. Mi empfiehlt als letzte Fluchtmöglichkeit den Weg durch die Kapelle. Als sich die Tür öffnet, steht der fliehenden Gesellschaft unerwartet der Prinz im Weg, der sich unbewegt und mit verschränkten Armen vor ihnen aufbaut. Der großzügige Sou-Chong ist jedoch unfähig, Rache zu üben und hilft letztendlich selbst Lisa und Gustl, das Schloss zu verlassen. Sein eigenes Leid verbirgt er hinter einem kühlen Lächeln.

Eineinhalb Monate nach dem Land des Lächelns kam in Wien bereits eine neue Lehár-Operette heraus: Der Libellentanz, auch als Die drei Grazien bekannt. Hierbei handelte es sich nicht um eine Uraufführung, denn es war nur die deutsche Adaptation des Werkes, das zuvor bereits in Mailand gezeigt wurde. Das Werk wurde im Auftrag eines Mailänder Schauspieldirektors von Lehár komponiert und war schon in vielen europäischen Ländern erfolgreich, bevor es zum ersten Mal auch in Wien zu sehen war. Acht Monate nach der Premiere der Gelben Jacke starb Vilmos Karczag, der Direktor des Theaters an der Wien, den seit 1902 ein enges Arbeitsverhältnis mit Lehár verband. Sein Nachfolger wurde Hubert Marischka, der sich schon an seinem ersten Tag als Direktor mit dem um zwölf Jahre jüngeren Lehár zerstritt. Das

81

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Verhältnis zwischen den beiden verschlechterte sich derart, dass erst vier Jahre später wieder eine Lehár-Operette auf der Bühne des Theaters an der Wien aufgeführt wurde. Die nächste Operette Clo-Clo schrieb Lehár auf Wunsch der Soubrette Louise Kartousch, die zu seinen besten Freunden zählte; der Text stammte von Béla Jenbach. Die Kritik nahm das Stück gut auf, sowohl das Libretto als auch der lustige und leichte Stil von Lehárs Musik wirkte erfrischend und neuartig. Das Stück wurde am 8. März 1924 im Bürgertheater uraufgeführt. Dass Lehárs Operetten so eine enorme Verbreitung erfuhren, war zum Großteil dem Tenor Richard Tauber, einem der bedeutendsten Sänger seiner Zeit, zu verdanken. Tauber übernahm oft Hauptrollen in den Werken Lehárs und sang regelmäßig auch in Berlin und Wien. Da ihm bisher keine Rolle aus Lehárs Operetten so richtig zusagte, bat er den Komponisten, ein neues Libretto zu vertonen. Dieses stammte von einem Buchhändler namens Paul Knepler, der es aus Zeitvertreib verfasst hatte und das über Victor Wögerer (einem guten Freund von Lehár) auf den Tisch des Komponisten gelangte. Knepler stimmte einer Vertonung seines Librettos zu, das dann von Béla Jenbach nach dem Geschmack Lehárs noch ein bisschen umgestaltet wurde. Auf diese Weise entstand Paganini, eine Operette, die zum ersten Mal mit Richard Tauber in der Hauptrolle am 30. Oktober 1925 im JohannStrauss-Theater zur Aufführung gelangte. Das Werk präsentiert die Liebesgeschichte des italienischen Geigenvirtuosen mit Maria Anna Elisa, der Schwester Napoleons, welche mit dem gegen Paganini gerichteten Haftbefehl Napoleons ein jähes Ende findet. Franz Lehár komponierte für diesen Text eine sehr originelle Musik. Man weiß nicht, ob ihn die legendäre Virtuosität seines Helden dazu inspirierte, aber in diesem Werk kam sein Talent voll und ganz zur Geltung. Nach der erfolgreichen Premiere von Paganini reiste Lehár nach Mailand, wo er den Sterngucker umschrieb und unter dem Namen Gigolette veröffentlichte. Obwohl das italienische Libretto von Carlo Lombardo und Gioacchino Forzano stammte (letzterer verfasste auch den Text zu Puccinis Gianni Schicchi und Schwester Angelica), errang das Stück keinen größeren Erfolg als seinerzeit der Sterngucker in Wien.

82

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Das nun folgende Werk entstand auf der Grundlage eines Librettos von Béla Jenbach und Heinz Reichert, welches auf einem Werk der polnischen Schriftstellerin Gabielle Zapolska basierte. Bei diesem Stück handelt es sich um den Zarewitsch, dessen Inhalt die Geschichte des letzten russischen Herrschers Nikolaus II. erzählt. Es war am 16. Februar 1927 zum ersten Mal auf der Bühne des Deutschen Künstlertheater in Berlin zu sehen und wurde sofort zu einem großen Erfolg. Die Titelrolle wurde von Richard Tauber gesungen, der nicht nur mit dem Lied mit den Anfangsworten Willst du…, sondern auch mit dem Wolga-Lied, das später über Schallplatten und Radio eine rege Verbreitung fand, große Beliebtheit erlangte. Die Kritiker zeigten sich zufrieden mit dem Stück; sie betonten, Lehár verstehe es in diesem Werk hervorragend, den russischen und slawischen Charakter darzustellen. Was die Auswahl der Libretti betraf, war Lehár nie besonders geschickt. Er ließ sich nur allzu oft von unwichtigen Kleinigkeiten verleiten. So geschah es, dass er noch während der Vorbereitungen zum Zarewitsch seine Aufmerksamkeit auf ein neues Thema lenkte: Den jungen Goethe und seine damalige Liebe, Friederike von Sesenheim. Das Libretto schrieben Ludwig Herzer und Fritz Löhner. 1927 lernte Lehár in einem Hotel in Dresden Alfred Rotter kennen, der zusammen mit seinem Bruder Fritz das Berliner Metropol Theater leitete. Da sie eine Sensation suchten, fragen sie Lehár, ob er eine Operette für ihr Theater komponieren könne. So kam es, dass Friederike, Lehárs neues Werk, im Metropol Theater uraufgeführt wurde. Unterdessen war Lehár mit den europäischen Premieren seiner Stücke beschäftigt. Im März 1927 wurde Paganini in Paris mit spektakulärem Erfolg gespielt; Mitte des Jahres kam der Zarewitsch in Wien auf die Bühne. Im Mai wurde in Berlin im Neuen Theater am Zoo eine dreiaktige Version des 1922 als Einakter entstandenen Frühling aufgeführt. Den Sommer verbrachte Lehár in Bad Ischl, wo er am Schluss seines neuesten Stückes arbeitete. Dies wurde, durch die Bemühungen Rotters, mit einer gigantischen Werbekampagne eingeläutet, jedoch löste das Unterhaltungsstück über den jungen Goethe auch Proteste aus. Zum 4. Oktober 1928, dem Tag der Premiere, brachten Nationalsozialisten und andere Deutschnationale in der Stadt Plakate an, auf denen die kulturbewussten Deutschen zur Massendemonstration gegen den Kulturskandal aufgerufen

wurden.

Dessen

ungeachtet

verlief

die

Premiere

reibungslos, die Kritik war begeistert. Richard Tauber, der für die Hauptrolle vorgesehen war, musste wegen Krankheit absagen. Nach wenigen Wochen wurde

83

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

das Stück vom Programm genommen und setzte seine Erfolge am Wiener JohannStrauss-Theater fort. 1930 feierte Lehár seinen 60. Geburtstag. Im Frühjahr wurde Friederike in Strasbourg gezeigt, was vor dem 30. April, dem tatsächlichen Geburtstag des Meisters, die einzige Geste der Würdigung war. Die Wiener Theater verhielten sich sehr zurückhaltend. Als Lehár erfuhr, dass man ihm vonseiten des Theaters an der Wien lediglich mit einer mehr oder weniger improvisierten Nachmittagsvorstellung die Ehre erweisen wollte, schrieb er einen Brief an den Direktor des Hauses, Hubert Marischka, in welchem er diesen darum bat, alle groß angelegten Feierlichkeiten nach vorne, auf den Premierenabend seines Land des Lächelns, zu verlegen, da diese Gelegenheit genug Anlass zum Feiern bieten würde. Allerdings stellten währenddessen die Geschwister Rotter zu Ehren des Komponisten einen Zyklus seiner Werke auf die Bühne. Im September ergab sich für die Stadt Wien trotzdem die Möglichkeit, offiziell ihren Dank zu bekunden: Unter der Leitung des Komponisten spielten die Wiener Philharmoniker ein nur aus seinen Werken bestehendes Programm, bei dem alle anwesend waren, die in der Stadt Rang und Namen hatten. Im Oktober war Lehár wieder in Budapest, wo er die Friederike in Király Theater vorstellte, hier mit Hanna Honthy in der Hauptrolle. Im Dezember folgte dann die ungarische Premiere vom Land des Lächelns im Budapester Opernhaus.

Das letzte Bühnenwerk: Giuditta Lehár war sein Leben lang auf der Suche nach einem Opernlibretto. Im Herbst 1931 wurde die Idee geboren, eine opernartige Operette zu schreiben, die auf die berühmte Sopranistin Maria Jeritza zugeschnitten war. Die Sängerin war gerne bereit, in einem Lehár-Werk zu singen und erhielt gut drei Dutzend Libretti, von denen sie eines aussuchte und dem Komponisten übergab. Dieses war nicht sonderlich gut, sodass Lehár die Idee wieder verwarf. 1932 überreichten ihm Paul Knepler und Fritz Löhner ein Libretto-Fragment, dass Lehár sofort begeisterte. Das Stück hätte ursprünglich den Namen Giulietta tragen sollen und war für die Berliner Bühne vorgesehen, jedoch ergab sich 1934 die Möglichkeit, die Premiere in der Wiener Oper zu feiern, infolgedessen das Stück am 20. Januar dort unter dem Namen Giuditta uraufgeführt wurde. Das Publikum empfing die Vorstellung, die vom Radio übertragen wurde, mit lauten Ovationen.

84

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Die politischen Ereignisse der Zeit wirkten sich auch auf Lehárs Arbeit aus, da die Besucherzahlen an den Theatern zurückgingen. Als 1935 das Theater an der Wien schloss, flog eine Finanzaffäre des Verlags von Hubert Marischka auf, bei dem die Operetten Lehárs verlegt wurden. Die Firma wurde daraufhin aufgelöst und es kam zu einer Vereinbarung mit Marischka: Lehár erhielt die Rechte all seiner Werke zurück und darüber hinaus alle Noten, die in irgendeiner Weise mit seinem Schaffen in Verbindung standen. All dies ließ er in seine Wohnung in der Theobaldgasse bringen und gründete am 25. Februar 1935 seinen eigenen Verlag, den GlockenVerlag. Das Jahr verbrachte er mit Dirigieren und Arbeiten rund um seinen Verlag. In dieser Zeit wurden auch verschiedene seiner Werke verfilmt: Frasquita mit Jamila Nowotna, Hans Heinz Bollmann und Heinz Rühmann in den Hauptrollen. Im selben Jahr drehte in Hollywood Ernst Lubitsch eine Filmversion von der Lustigen Witwe, hier standen Jeanette MacDonald und Maurice Chevalier vor der Kamera. Für Lehár waren die Vorstellungen in Deutschland von ganz besonderer Bedeutung, da er einen Großteil seiner Einnahmen von dort bezog. Es ist daher verständlich, dass er alles unternahm, um wieder dort aufgeführt zu werden – leider blieben seine Bemühungen ohne großen Erfolg. 1937 reiste Lehár nach Berlin, wo eine Neubearbeitung des Grafs von Luxemburg – unter der Leitung des Komponisten – vorgestellt wurde. Danach fuhr er nach Brüssel zur dortigen Vorstellung des Zarewitsch und schließlich nach Paris, wo seine Kinderoperette Peter und Paul reisen ins Schlaraffenland gezeigt wurde. Darauf begab er sich nach Algier, wo er Das Land des Lächelns dirigierte, danach kehrte er nach Paris zurück, zur Premiere von Giuditta. Danach musste er nach London zur Erstaufführung von Paganini. Nach der erschöpfenden Tournee wollte er sich nach Bad Ischl zum Komponieren zurückziehen, doch leider machte eine Plagiatsaffäre diese Pläne zunichte. Eine Dame behauptete, Lehár habe die Giuditta in Wahrheit nach einem von ihr verfassten Libretto vertont. Dies traf den Komponisten besonders hart, da er gerade dabei war, seinen Ruf in Deutschland, wo man seine Werke boykottierte, zu verbessern. Um Klarheit zu schaffen, ließ es sich nicht vermeiden, vor Gericht zu gehen, wo Lehár zwar Recht bekam, die Frau aber weiterhin auf ihrer Version bestand, sodass der Komponist ein Verfahren wegen Verleumdung gegen sie einleitete. Letztlich wurde die Frau schuldig gesprochen und die Affäre war somit beendet.

85

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

1938 wurde Lehár angesichts der zunehmenden Nazi-Diktatur von Freunden dazu ermutigt, eine Emigration in Erwägung zu ziehen. Jedoch war er sehr stark in Österreich verwurzelt: Seine Residenz und sein Verlag waren in Wien, außerdem hatte er noch seine Villa in Bad Ischl, weshalb er sich nicht zum Auswandern durchringen konnte. Außerdem war er sich dessen bewusst, dass er in den USA keine sicheren Einnahmequellen haben würde, zumal es dort keine Operettentheater gab.

Die Zeit des Zweiten Weltkrieges Nach der Besetzung Österreichs wurde die Familie Lehár von der Gestapo überwacht. Vor allem sein Bruder Antal wurde immer wieder wegen kritischer Äußerungen zur Besetzung Belgiens verhört. Lehár zog sich in seine Villa in Bad Ischl zurück, wo er sich in Sicherheit wähnte, allerdings kamen die Männer von der Gestapo auch dort zu ihm und nahmen seine Frau wegen ihrer jüdischen Herkunft fest. Dank einiger wichtiger politischer Kontakte gelang es ihm, seine Frau zu retten. Ab dem Zeitpunkt lebte er in permanenter Angst in der Lehár-Villa und ließ seine Frau, um deren Gesundheit es nicht allzu gut bestellt war, nicht mehr aus den Augen. Im Winter 1942–43 reiste er nach Budapest, um dort im Opernhaus eine leicht abgewandelte Version der Zigeunerliebe zu inszenieren. Das Libretto wich völlig vom Original ab, es wurde von Innocent Ernő Vincze verfasst. Nach der erfolgreichen Premiere verschlechterte sich Lehárs gesundheitlicher Zustand drastisch, seine Krankheit zog sich über mehrere Monate hin. 1943 wurde er mit dem Corvin-Kranz ausgezeichnet. Kurz nach der Befreiung Österreichs, im Jahr 1944, wurde seine Frau ebenfalls krank. Da es in Österreich zu der Zeit sehr schwer war, Medikamente zu bekommen, entschlossen sie sich, nach Zürich zu ziehen. Die Familie Lehár kam im Januar 1946 in Zürich an, wo sie im Hotel Baur au Lac eine Suite bezogen. Allmählich kamen sie wieder zu Kräften und Lehár wandte sich wieder der Leitung seines Verlages zu. Indessen erhielt er zahlreiche Einladungen aus dem Ausland – unter anderem aus Rio de Janeiro und aus Paris – allerdings musste er auf seine Gesundheit und die seiner Frau Rücksicht nehmen und sagte überall ab. Im März 1947 erhielt er Besuch von Richard Tauber, den er seit dem Ausbruch des Krieges nicht mehr gesehen und der ein Jahr zuvor in New York

86

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Das Land des Lächelns mit großem Erfolg gesungen hatte. Obwohl Tauber tadellos sang, fiel die Operette bei den Musikkritikern durch, da sie das modernisierte Libretto bemängelten. Das war das letzte Treffen des Komponisten mit Tauber, der am 8. Januar 1948 in London starb. Kurz davor feierte Lehár bei einer Vorstellung von „Paganini“ am 28. August 1947 mit seiner Frau Sophie seinen 77. Geburtstag. Einige Tage später brach Sophie Lehár bei einem Abendempfang tot zusammen. Der Tod seiner Frau setzte Lehár sehr zu, seine Gesundheit verschlechterte sich kontinuierlich. Dazu kam noch die Nachricht von der Plünderung seiner Residenz in Nussdorf. Noch im Februar 1948 dirigierte er in Zürich ein Gedenkkonzert für Richard Tauber. Im Sommer kehrte er nach Bad Ischl zurück, wo man seinen schlechten Gesundheitszustand mit Bluttransfusionen zu verbessern suchte, was aber nicht mehr viel half, da sein Magenkrebs schon sehr weit fortgeschritten war. Am 14. Oktober wurde er – kurz vor seinem Tod – noch zum Ehrenbürger von Bad Ischl ernannt. Schließlich starb Lehár am 27. Oktober im Schlaf. Er wurde über mehrere Tage in der Kirche von Bad Ischl aufgebahrt, wo mehrere tausend Menschen von ihm Abschied nahmen. Am 30. Oktober wurde er mit einem Requiem feierlich verabschiedet und in der Familiengruft in Bad Ischl beigesetzt. Seinem letzten Wunsch gemäß wurde bei seinem Begräbnis vom Bergarbeiter-Orchester das Wolga-Lied gespielt.

8. Die Theater

Damit eine Theatergattung sich etablieren kann, ist die erste Voraussetzung das Vorhandensein eines entsprechenden Theatergebäudes. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts erwies sich das alte Nationaltheater als zu klein, um darin sowohl Drama, Oper, Volksstücke und Operette aufzuführen, daher beschloss man, ein neues Theater – ausschließlich für Volksstücke und Operette – zu bauen. Es sollte ein groß angelegtes Theater an der Ecke der Großen Ringstraße und der Rákóczi Straße (am heutigen Blaha-Lujza-Platz) sein, wofür Jenő Rákosi das berühmte Architektenduo Fellner und Helmer beauftragte. Nach ihren Plänen entstand ein großes und repräsentatives Theatergebäude im Stil der österreichisch-ungarischen

87

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Doppelmonarchie, das am 15. Oktober 1875 unter dem Namen „Népszínház”92 eröffnet wurde. Dieses Theater war die erste richtige Heimat der Operette in Ungarn und der erste Direktor war Jenő Rákosi. Ihm folgten in den Jahren 1881 bis 1897 Lajos Evva und Kálmán Porzsolt (1897–1907) nach. 1908 wurde das Theater in „Nemzeti Színház”93 umbenannt – diesen Namen trug es bis 1965.

Abbildung 10

Ein weiteres Theater, in dem auch Operetten aufgeführt wurden, war das Theater in Buda. Es war in einem ehemaligen Stallgebäude aus der Zeit König Matthias Corvinus I. untergebracht und stand in den Jahren 1861 bis 1861 sowie 1867 bis 1870 unter der Leitung von György Molnár. Aber auch nach 1870 musste das Publikum von Buda nicht lange ohne Theater sein, denn am 6. November 1903 eröffnete das Király Theater unter der Leitung von László Beöthy. Es logierte im ehemaligen Gebäude des Orpheum an der Király Straße 71, das nach den Plänen von Somossy umgebaut wurde. Dort fanden zahlreiche Aufführungen von historischer Bedeutung statt, so wurde z. B. im Jahre 1904 „János Vitéz“ von Pongrác Kacsóh uraufgeführt – ein Ereignis, dem 689 weitere erfolgreiche Aufführungen folgten. Bis zum Jahr 1925 war das Király Theater – aufgrund des ausgezeichneten wirtschaftlichen und künstlerischen Instinkts seines Direktors – das beliebteste und 92 93

Volkstheater. Nationaltheater.

88

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

erfolgreichste Operettentheater in Budapest. Zwischen 1918 und 1925 wurde es als Teil der Únió GmbH betrieben, dessen Leiter ebenfalls Beöthy war. Nach der Pleite der Únió GmbH wurde Jenő Faludi der Direktor; dem im September 1929 Ödön Lázár nachfolgte. Drei Jahre später übernahm Aurél Földi die Leitung, von 1934– 1935 folgten ihm Ignác Zoltán und Sándor Varga nach, schließlich wurde das Király Theater von 1935 bis zum Schluss von Artúr Spitz geleitet. Diese außergewöhnliche Erfolgsgeschichte nahm allerdings 1936 ein Ende. Der Niedergang und das Ende des Király Theaters war bedingt durch den kontinuierlichen Niveauverfall, der sich über Jahre hingezogen hatte. Die Fassade des Gebäudes wurde 1941 abgerissen. Die ruhmreichste Phase hatte das Király Theater unter der Leitung von Beöthy. Mitglieder des Theaterensembles waren u. a. Sári Fedák, Emmy Kosáry, Elza Szamosi, Juci Lábass, Vilma Medgyaszay, Nusi Somogyi, Irén Biller, Béla Környei, Márton Rátkai, Ákos Ráthonyi und Árpád Latabár. Wichtige Uraufführungen von Operetten waren z. B.: Viktor Jacobi: Heiratsmarkt, Sybill; Jenő Huszka: Gül Baba; Ferenc Lehár: Die lustige Witwe, Imre Kálmán: Der Graf von Luxemburg, Die Csárdásfürstin, Bajader, Albert Szirmai: Mágnás Miska, Honigkuchen.

Abbildung 11

Das komische Theater, das städtische Theater und das Volksoperntheater Das Gebäude wurde im Jahr 1911 auf dem damaligen Tisza-Kálmán-Platz (heute Köztársasági Tér94) erbaut; heute beherbergt es das Erkel Theater. Die Architekten waren Géza Márkus, Dezső Jakab und Marcell Komor; der Direktor des

94

Platz der Republik.

89

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Hauses wurde der Dirigent Dezső Márkus. 1917 übernahm Gábor Faludi das Theater und benannte es in „Städtisches Theater“ um; 1953 erhielt es den Namen „Erkel Theater“. Beide Male wurde es umgebaut, sodass es schließlich Ungarns größtes Theatergebäude wurde – pro Abend konnte es knapp 3000 Zuschauer aufnehmen.

Abbildung 12

Außerdem gab es noch folgende Schauspielhäuser, in denen ebenfalls Operetten gespielt wurden:  Fővárosi Operettszínház95  Petőfi Színház96  Royal Orfeum  Budai Színház97

95

Großes Operettentheater. Petőfi Theater. 97 Budaer Theater. 96

90

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

9. Zusammenfassung Was war letztendlich das Geheimnis des ungebrochenen Erfolges der Operette? Ohne Zweifel war es die Mischung aus Romantik, Fröhlichkeit, Eleganz, melodiöser Musik, eindrucksvollen Kulissen und glänzenden Kostümen, die zu ihrem Jahrhunderte übergreifenden Erfolg beitrug. Vermutlich war in Zeiten des Krieges die Sehnsucht nach einem Ausweg ein entscheidender Faktor, dass die Menschen ins Operettentheater flüchteten. Wie aber konnte die Csárdásfürstin noch 50 bis 70 Jahre nach dem Tod von Hanna Honthy, im Zeitalter der Rockmusik und der modernsten Musicals, ihren Zauber bewahren? Die Antwort ist wohl in der Kombination von Musik, Tanz und Text bzw. in der Ambivalenz des ganzen Werkes zu suchen. Denn in der Operette konnte man Märchen, Wunder, wahrhaftige Erfolgsgeschichten, Reichtum, Ehe und Glück vorfinden, andererseits konnte sie auch als Parodie von alldem angesehen werden. Man ging in dem Glauben ins Theater, dass die gesellschaftliche Ordnung und der triste Alltag für einen Moment aufgehoben werden könnten. Außerdem war im Theater auch das möglich, was im realen Leben verboten oder sogar gefährlich war: Kritik zu üben und dabei die Bürokratie, die Generäle, Adelige und die gesamte bestehende Gesellschaft zu verhöhnen. In welchem Ausmaß dieses Sehnen und diese falsche Illusion vorhanden waren, belegt eine der berühmtesten Einlagen der Csárdásfürstin: „Túl az Óperencián boldogok leszünk, [...] túl az Óperencián béke vár reánk."98

Die aus theaterhistorischer Sicht bedeutendste Schauspielerin, die zur Verbreitung dieser Gattung beitrug, war ohne Zweifel Lujza Blaha. Der erste Meister der ungarischen Operette, József Konti, wurde in Warschau geboren und kam aus Wien nach Budapest. Er schuf die für Hosenrollen konzipierten Operetten, die Lujza Blaha ihren großen Erfolg ermöglichten. 1884 wurde „Der lebendige Teufel“, das erste, tatsächlich bedeutende Werk dieses Genres, zum ersten Mal gezeigt; auf derselben Grundlage entstanden auch „Suhanc“ und „Kópé“. Der nächste Erfolg war ebenfalls einer Schauspielerin zu verdanken, die hauptsächlich auf Hosenrollen spezialisiert war: Im Dezember des Jahres 1902 feierte Jenő Huszka die Premiere von „Prinz Bob“, in dessen Hauptrolle Sári Fedák,

98

„Weit über dem Ozean werden wir glücklich sein, […] weit über dem Ozean wartet Frieden auf uns.”

91

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

eine der bedeutendsten Primadonnen der Zeit zu sehen und zu hören war. Obwohl diese Operette noch nicht die Erfolge ihrer Nachfolger (zum Beispiel derer von Imre Kálmán) erreichen konnte, war sie doch die erste international anerkannte und gefragte Vertreterin ihrer Gattung. Zu Jenő Huszkas größten Erfolgen zählen „Gül Baba“, „Baronesse Lili“, „Die Schöne Müllerin“, „Freiheit, Liebe“ und „Leutnant Maria“. Die bekannteste ungarische Operette blieb ohne jeden Zweifel die „Csárdásfürstin“ von Imre Kálmán, deren Erfolg bis heute ungebrochen ist. Nach der Premiere, die während des Ersten Weltkrieges stattfand – mit Árpád Latabár in der Rolle des Ferkó Kerekes – behaupteten die Zeitungen: „Die ganze Welt schallt aus zwei Gründen: wegen den Kanonenschlägen und wegen der Csárdásfürstin“.99 Die Operette als Gattung ist aber bis zum heutigen Tage noch vorhanden, auch wenn sie einiges an Glanz einzubüßen hatte. Sie war die Modegattung der frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, ihr Ziel ist bis heute das Gleiche geblieben: Die ungezwungen-heitere Unterhaltung. Im 20. Jahrhundert gab es allerdings noch einen weiteren ungarischen Komponisten: Franz Lehár. Allerdings kann man Lehár nur geografisch als Ungarn betrachten. Er wurde in Komárom geboren und studierte am Prager Konservatorium (unter anderem bei Dvořák). Seine jungen Jahre, die er in slowakischen, ungarischen, italienischen und slowenischen Städten zubrachte, machten ihn zu einem multinationalen Weltbürger – und das nicht nur im allgemeinen, sondern vor allem im musikalischen Sinne. Dies beweist sein erster großer Erfolg Der Rastelbinder (1902), der im slowakischen Milieu seinen Ausgang nimmt und in Wien endet – eine besondere Mischung aus Volksstück und Operette. Seine Operetten spielen in verschiedenen Ländern, wobei Lehár die musikalische Atmosphäre des jeweiligen Landes zum Leben zu erwecken versucht. Die Zigeunerliebe spielt in Ungarn, Das Land des Lächelns in China. Lehárs Talent wird durch die Charakterisierung Puccinis deutlich gemacht: „Hätte sich Lehárs Interesse den Opern zugewendet, wäre er mein größter Widersacher gewesen“.100

99

Gál György, Somogyi: Operettek könyve, S. 217.

100

Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, S. 50.

92

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

10. Literaturverzeichnis

Faragó, Jenő: Szinház és Divat, Budapest 1916. Gál György, Sándor, Somogyi, Vilmos: Operettek könyve, Budapest 1976. Kálmán, Vera: Emlékszel még, Kálmán Imre élete, Budapest 1985. Németh, Amadé: A magyar operett története, Debrecen 2001. Rátonyi, Robert: Operett 1, Budapest 1984. Gál, Róbert: Délibábos Hortobágyon, Huszka Jenö élete és müvei, Budapest 2010. Batta, András: Álom, álom, édes álom, Budapest 1992. Csáky, Móric: Az operett ideologiaja és a bécsi modernség, Budapest 1999. Rátonyi Róbert: Az operett csillagai I., Budapest, 1964 Rátonyi Róbert: Az operett csillagai II., Budapest, 1964 Otto Schneiderei: Lehár Ferenc, Berlin 1984 Szénássy Zoltán. Lehár Ferenc, Bratislava 1995

11. Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1: http://www.europeana.eu, 12.05.2012. Abbildung 2: http://www.pszeudo.hu, 12.05.2012. Abbildung 3: http://www.europeana.eu, 12.05.2012. Abbildung 4: http://www.google.at , 03.06.2012. Abbildung 5: http://users.atw.hu, 03.06.2012. Abbildung 6: http://www.google.at, 04.06.2012. Abbildung 7: http://www.google.at, 04.06.2012. Abbildung 8: http://users.atw.hu, 04.06.2012. Abbildung 9: http://users.atw.hu, 05.06.2012.

93

Andrea Nagyová

Masterarbeit

Matr: 0673107

Abbildung 10: http://www.andreas-praefcke.de, 08.07.2012. Abbildung 11: http://retronom.hu, 08.07.2012. Abbildung 12: http://tbeck.beckground.hu, 08.07.2012.

12. Internetseiten www.wikipedia.de, 22.11.2011. www.wikipedia.hu, 22.11.2011. www.operett.lap.hu, 08.12.2011. www.mek.oszk.hu, 08.12.2011. www.kalmanimre.lap.hu,10.02.2012. www.szineszkonyvtar.hu,10.02.2012.

94

View more...

Comments

Copyright � 2017 NANOPDF Inc.
SUPPORT NANOPDF