Mehr “Wildnis” auf dem Teller!

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Biologie, Botanik, Pflanzen
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Wenn es im deutschen Sommer genügend regnet, sind Wiesen, Wälder und naturbelassene Gärten die reinsten Schlaraffenländer. Alles gibt’s im Überfluss. Neben der täglichen Blatt- und Blütenportion für Salate und Gemüse, ist jetzt allerhöchste Zeit, um die ersten Wintervorräte anzulegen. Wer rechtzeitig Wildpflanzensamen sammelt, hat im Winter frische Sprossen und das ganze Jahr über heilkräftige Gewürze. Wer im Sommer Blätter und Blüten trocknet, hat im Winter schmackhafte Tees und Würzkräuter. Und wer jetzt Wildpflanzen milchsauer einzulegen versteht, hat den ganzen Winter über frische vitalstoffreiche Kost zur Verfügung. Deshalb: Freuen Sie sich über Regen (sofern es nicht all zu viel ist) und nutzen Sie dazwischen die sonnigen Tage zum Sammeln J.

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iele der in Depesche 07/2009 vorgestellten Frühlingspflanzen sind selbstverständlich auch im Sommer noch genauso essbar. Besonders dann, wenn die Triebspitzen immer wieder abgeknipst werden, bildet die Pflanze – regelmäßige Wasserversorgung vorausgesetzt – stets neues zartes und wohlschmeckendes Blattmaterial. Nur nach längerer Trockenheit und wenn die Pflanze bereits ihre ganze Kraft in die Samenproduktion steckt, schmecken die Blätter nicht mehr so gut. Fein gehackt können sie aber nach wie vor unter zarte Blattsalate, in Suppen, zu Dünstgemüse gemischt oder als Bestandteile von Tee- und Gewürzmischungen verwendet werden. Essbare Blüten Während der Frühling uns mit jungem zarten Blattgrün be

von Kristina Peter

Mehr “Wildnis” auf dem Teller!

Teil 3: Essbare Wildpflanzen im deutschen Sommer glückt, hält der Sommer für uns – Blätter gibt es natürlich nach wie vor – auch noch andere Geschenke bereit: bunte Blüten. Getrocknet als Teekomponente kennt man so manche Blüte (z. B. Ringelblumen und Hibiskusblüten). Doch viel besser ist es, essbare Blüten in frische Salate oder andere Rohkostgerichte zu integrieren und sie frisch zu genießen. Im Geschmack sind Blüten oft milder und zarter als die Blätter der jeweiligen Pflanze. Auch enthalten Blüten wertvolle Stoffe, die in anderen Pflanzenteilen nicht vorkommen. Neben Nektar und Pollen, die den Blüten einen honigsüßen Hauch verleihen, isst man mit einem Blumenmahl auch „Dinge” wie beispielsweise Anthocyane*, Flavonoide* und Carotinoide*. Das sind jene Stoffe, die den Blüten ihre Farben geben. Anthocyane färben Blumen blau und lila, Flavonoide und Ca-

rotinoide sind für gelbe, orangefarbene und rote Blüten zuständig. Sie gehören zu den sog. sekundären Pflanzenstoffen* und sind für ihre außerordentlich positiven Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen bekannt. Sekundäre Pflanzenstoffe seien – so heißt es – sehr erfolgreiche Radikalfänger (in dieser Hinsicht sollen sie sogar den Vitaminen C und E überlegen sein). Sie verbessern die Abwehrkräfte, hemmen den Alterungsprozess, gleichen den Blutdruck aus, wirken entzündungshemmend und verhindern das Wachstum von Bakterien, Viren und Pilzen. Essbare Ziergärten Obwohl die Pflanzen in Ziergärten normalerweise alles andere als wild sind und deshalb nicht unbedingt zum Titel dieses Artikels passen, möchte ich an dieser Stelle dennoch darauf hinwei-

Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel. (07021) 7379-0 · Fax:-10 · [email protected] · www.sabinehinz.de/themenhefter-selbstversorger

sen, dass Ziergärten in vielen Fällen – gerade wegen ihrer Blütenfülle – „extrem essbar” sind. Bei genauerer Betrachtung stellt sich oft sogar heraus, dass man sich von den farbenprächtigen Blumenrabatten mancher Parkanlagen oder Vorgärten dick und rund futtern könnte.

Stockrosenblüten schmecken zartmild und knackig.

Die pfeffrig-süßen Blüten der Taglilie

schmecken roh besonders gut.

Bekannt ist ja, dass man z. B. die Blüten der Kapuzinerkresse, des Veilchens oder die des Gänseblümchens essen kann. Beim Anblick von Rosen, Astern, Begonien (Foto unten), Nelken, Sonnenblumen, Tulpen und Gladiolen denken jedoch die Wenigsten ans Essen. Essbar und lecker sind die Blüten davon trotzdem (der Rest der Pflanze nicht immer)!

*Anthocyane (von griech. anthos = Blüte, kyáneos = dunkelblau) sind Pflanzenfarbstoffe, die Blumen, Früchte und Gemüse rot, violett oder blau(-schwarz) färben (z. B. Malven, Schnittlauchblüten, Storchschnabelblüten, Heidelbeeren etc.). Anthocyane gehören zu den Flavonoiden (s. u.) und sind als Lebensmittelzusatzstoff (E163) zugelassen. Es sind 250 Anthocyane bekannt. *Flavonoide (von lat. flavus = gelb) sind eine Gruppe von Pflanzenfarbstoffen. Viele Flavonoide (aber nicht alle!) färben Blumen, Früchte und Gemüse gelb, z. B. Ringelblumen, Löwenzahnblüten, gelbe Kirschpflaumen (siehe Seite 11), gelber Paprika, Zitrusfrüchte, etc.). Es soll über 6500 unterschiedliche Flavonoide geben.

Delikatesse Taglilie Ein ganz besonderer Genuss sind die gelbroten Blüten der Taglilie. Zwar ist die Taglilie bei uns nicht heimisch (sie stammt aus Ostasien), fühlt sich bei uns aber sehr wohl und schmeckt so ausgesprochen gut, dass ich sie unbedingt erwähnen muss. Die Taglilie blüht von Mai bis in den September. Die Chinesen bauen sie sogar extra als Nahrungspflanze an und essen die gesamte Pflanze (außer den Stängel). Die Blüten munden in allen Variationen: Roh, gefüllt, gekocht, getrocknet. Sie schmecken leicht süß, gleichzeitig pfeffrig-würzig und überhaupt nicht bitter. Sie passen zu süßen und salzigen Speisen und

ergeben auch pur einen herrlich knackigen Rohkostsalat. Die Blütenknospen sind in Öl gebraten eine Delikatesse, und die dicken geschmacklich an Kastanien erinnernden Wurzeln können – in Maßen – geschält wie Kartoffeln zubereitet werden. Junge Blattschösslinge isst man roh oder gekocht wie Spargel und Blätter schneidet man in Salate oder Suppen. Die oben rechts abgebildete Sorte Hemerocallis fulva* neigt stark zum Wuchern und eignet sich daher besonders gut als Nahrungspflanze. Diese Sorte hat

*Carotinoide (von lat. Carota = Karotte) sind natürliche Farbstoffe, die eine gelbe bis rötliche Färbung verursachen. Sie kommen in Pflanzen, in Bakterien sowie in der Haut oder den Federn von Tieren vor, wenn diese Carotinoide mit ihrer Nahrung aufnehmen. Man hat mittlerweile 800 verschiedene Carotinoide identifiziert. *Sekundäre Pflanzenstoffe sind Stoffe, die – im Gegensatz zu den primären Pflanzenstoffen wie Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten – nur in sehr geringen Mengen in den Pflanzen vorhanden und für deren Wachstum oder Entwicklung nicht unbedingt nötig sind. Sekundäre Pflanzenstoffe dienen der Pflanze z. B. zur Abwehr von Krankheitserregern oder Fraßfeinden (Bitter- oder Giftstoffe), zum Schutz vor UV-Strahlung (Carotinoide), zur Anlockung von bestäubenden Insekten (Duft- und Farbstoffe) etc. *Hemerocallis ist der wissenschaftliche Gattungsname der Taglilie. Er bedeutet so viel wie Tagesschönheit zu griech. hemera = Tag und kallos = Schönheit, was auf die kurze Blütezeit der einzelnen Blüte hinweist. *Polenta ist ein aus Mais-Grieß hergestellter schnittfester Brei. Polenta wird traditionell (in Italien, Schweiz, Österreich, Rumänien etc.) mit kalter Milch übergossen, mit zerlassener Butter und Parmesan oder wie Pasta mit einer Sauce gegessen. Polenta passt (evtl. mit einer Kräutersoße) wunderbar als Beilage zu allen Salaten und Gemüsen. *Pfannkuchen heißen – je nach Region – auch: Eierkuchen, Palatschinken, Flädle, Crêpe oder Plinsen.

Begonien sind beliebte Zierpflanzen für den Balkon. Ihre Blüten sind essbar.

Blüten von Lauchgewächsen (hier die Schnittlauchblüte) schmecken zwiebelig.

*Diphtherie (gr. Diphthera: Lederrollen, was auf die während der Krankheit entstehende braune Halsverfärbung hinweist): eine Infektionskrankheit der oberen Atemwege. Gefürchtet ist ein vom sog. DiphtherieErreger abgesonderter Giftstoff, der u. U. Organe (Herz, Leber und Niere) schädigt.

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mehrere Kulturformen, von denen besonders Hemerocallis fulva* ‘Kwanzo’ zu empfehlen ist (gibts bei vielen Pflanzenversendern), während Hemerocallis fulva var. europaea gemieden werden sollte (zumindest roh).

Essbare Blüte der Wilden Malve

„Essbare Balkonkästen” Sogar der dekorative und üppig blühende Balkonkasten kann satt machen: Die Blüten von Petunien, Stiefmütterchen und Pelargonien (auch als Geranien bekannt) sind nämlich essbar. Auch lohnt es sich Stockrosen auszusäen. Ihre großen Blüten sind mild im Geschmack, relativ knackig und auf dem Salat- oder Gemüseteller äußerst dekorativ. Die Blütezeit der Stock-rose erstreckt sich von Juli bis in den späten Herbst hinein. Die Blüten sämtlicher Lauchgewächse sind ebenfalls essbar. Die lilafarbenen Blüten des Schnittlauchs und die des Kugellauchs genauso wie die weißen Blüten der dauerhaften Winterhecken-zwiebel schmecken sanft nach Zwiebel und können für Salate, belegte Brote, Omelettes und vieles mehr verwendet werden.

Die Kleine Braunelle ist eine aromatische und heilkräftige Tee- und Gewürzpflanze. Die Früchtchen der Wilden Malve (unten) können wie Kapern eingelegt werden.

Früchte der Wilden Malve

Vom Wiesen-Storchschnabel (Beschreibung nächste Seite) ist alles essbar. Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel. (07021) 7379-0 · Fax:-10 · [email protected] · www.sabinehinz.de/themenhefter-selbstversorger

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