Morphologie I

January 14, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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Einführung in die Linguistik Butt & Co. Do. 12:15 - 13:45 Fr. 12:15 - 13:45

Infos etc. http://ling.uni-konstanz.de => Studium => Lehrveranstaltungen ⇒Einführung in die Linguistik

Zur Erinnerung: Kerngebiete der Linguistik Phonetik: Phonologie: Morphologie: Syntax: Semantik: Pragmatik:

Akustische Eigenschaften Lautsysteme Elemente eines Wortes und deren Kombinationen Elemente eines Satzes und deren Kombinationen Sprachliche Bedeutung von Wörtern und Sätzen Bedeutung einer Äußerung im situativen Kontext

Was ist ein Wort? Ich will dein Rad fahren

5 Worte

Ich will radfahren

3 Worte

Ich will Räder

4 Worte

fahren

Ist Rad jetzt ein Wort oder nicht? ??? Ich will Rad fahren

Was ist ein Wort? Die Deutsche Rechtschreibung wurde gerade reformiert. Man kann in §33-34 des Regelwerkes ganz viel zum Thema getrennt und zusammenschreiben nachlesen (nach lesen?) Aber sagt uns Rechtschreibung wirklich ob etwas ein Wort ist? Antwort: nur bedingt.

Was ist ein Wort? Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen: Also lernen wir etwas über Morphologie, dann kehren wir zum radfahren (oder auch staubsaugen) zurück.

Flexion, Lexeme, und Wörter Hund

Katze

Katze

Katzen flektiertes Wort

zwei Wörter und

zwei Wörter

zwei verschiedene Lexeme

aber ein Lexem

Lexem

Abstrakte Einheit, die mit einem außersprachlichen Konzept verbunden ist (Tiefenstruktur)

Wort

Reale Einheit, die als Bestandteil eines Satzes funktionieren kann. (Oberflächenstruktur)

Wenn Wörter (Lexeme) in Isolation gebraucht werden (z.B. im Lexikon oder in der Linguistikvorlesung...), benutzt man die Nennform diese ist willkürlich festgelegt: Nomen

Nominativ (sing) Katze

Verben

Infinitiv gehen

Morphologie Katze-n

geh-en

Morphologie ist die Untersuchung der Bestandteile von Wörtern. (Gr. morphe ‘form’)

Flexion Worte können generell flektiert werden. Flexion wird durch Morpheme ausgedrückt.

Morphologie Morpheme sind die kleinsten sprachlichen Einheiten, die entweder eine Bedeutung oder eine grammatische Funktion haben geh-e

1. Person Singular

geh-st

2. Person Singular

geh-t

3. Person Singular

geh-en

1. Person Plural

geh-t

2. Person Plural

geh-en

3. Person Plural

-e, -st, -t, -en sind gebundene Morpheme denn sie können nur mit anderen Morphemen zusammen verwendet werden

Freie Morpheme können allein verwendet werden: Haus, hoch, zu, ich, dann, weil

Regelmäßige Flexion Es wird zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Flexion unterschieden. gehen: regelmäßig geh-e 1. Person Singular

sein: unregelmäßig bin

geh-st

2. Person Singular

bist

geh-t

3. Person Singular

ist

geh-en

1. Person Plural

sind

geh-t

2. Person Plural

seid

geh-en

3. Person Plural

sind

Erster Analyseversuch Meine unfeinen Hunde haben dumm gelacht. Mein-e un-fein-en Hund-e hab-en dumm ge-lach-t. 6 gebundene Morph.: -e, -un, -en, -en, -en, ge- -t 6 freie Morpheme: Mein, fein, dumm, Hund, lach, hab Was ist mit: ge- -t?

(Zirkumfix!)

Erster Analyseversuch Mein-e un-fein-en Hund-e hab-en dumm ge-lach-t. Was ist mit: hab-, lach-?

Lexeme

Sie sind der Definition nach Morpheme, werden aber nur selten so bezeichnet. Grammatisch und gebunden: Morphem Lexikalisch (=semantisch inhaltsvoll): Lexem

Wurzel und Stamm Zugrundeliegende Einheit: Wurzel Einheit, die alleine stehen kann, die man aber auch noch weiter flektieren kann: Stamm Im Deutschen sind Wurzel und Stamm oft identisch (im Gotischen war das noch nicht so):

Katz-/Katz, hab-/hab, lach-/lach

Wurzel und Stamm Arabisch Wurzel ist ein abstraktes Muster: z.B. ktb



















‫ﻛﺘﺐ‬ (steht für alles was mit lesen/schreiben zu tun hat) Diese Wurzel taucht nie in der Oberflächenform der Sprache auf.

Wurzel und Stamm Arabisch Wurzel ist ein abstraktes Muster: z.B. ktb Es wird ein Stamm gebildet, in dem Vokale zwischen die Konsonanten geschoben werden. Die gebildeten Stämme können ganz unterschiedlicher Art sein: z.B. Verb oder auch ein Nomen.

Wurzel und Stamm Arabisch Wurzel: Stamm:

k

t

b

k a t a b

(alles mit lesen/ schreiben) (Verb:‘schreiben’)

Flektiertes k a t a b a t (‘sie schrieb’) Wort:

Wurzel und Stamm Arabisch Wurzel: Stamm:

k

t

b

k i t a b

(alles mit lesen/ schreiben) (Nomen:‘Buch’)

(Kann man dann auch weiter flektieren — Hier nicht gezeigt...)

genereller Aufbau eines Wortes:

Wortform

Stamm

Wurzel/Lexem

Flexion

Wort im Satz realisiert die grammatischen Werte (z.B. Singular, Plural)

(Ergänzung, z.B. Vokale)

verbunden mit einem inhaltlichen Konzept

legt die Stammform fest (z.B. Verb oder Nomen)

Was ist ein Wort? Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen: Trennbar? Wenn etwas trennbar ist, ist es vermutlich ein Wort. radfahren: Ich fahre heute Rad. brustschwimmen: Er schwimmt heute Brust.

Was ist ein Wort? Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen: Flexion? Wenn etwas flektiert werden kann, dann ist es sicher ein Wort. radfahren: *Ich will räderfahren. brustschwimmen: *Er will brüsteschwimmen.

Was ist ein Wort? Fazit: Diese Fälle sind schwierig einzuordnen: Rad und Brust sind zwar eigenständige Wörter, nehmen aber eine besondere (generische) Bedeutung an, wenn sie sich mit einem Verb verbinden (radfahren, staubsagen, danksagen). D.h. sie formen in gewisser Weise ein neues Wort zusammen mit dem Verb. Aber sie sind auch noch eigenständig und deshalb eiern die Rechtschreibreformer auch rum.

Der morphologische Zoo Was ist mit: ge- -t? (komisches Morphem?) Verschiedene Arten von Morphemen Präfixe: un-, be- (z.B. belebt, bekannt) Suffixe: -t, -e, -en Zirkumfixe: ge- -t (z.B. gelacht) Infixe: (siehe Tagalog) Affixe

Infixe in Tagalog Infixe zwängen sich in den Stamm eines Wortes rein. Verbstamm

Bedeutung

Infinitiv

aral

‘lehren’

um-aral

sulat

‘schreiben’

s-um-ulat

basa

‘lesen’

b-um-asa

gradwet

‘graduieren’

gr-um-adwet

Zirkumfixe im Deutschen Zirkumfixe verteilen sich um einen Stamm herum. Verbstamm

Bedeutung

Infinitiv

lehr

‘lehren’

ge-lehr-t

schreib

‘schreiben’

ge-schrieb-en

les

‘lesen’

ge-les-en

speis

‘speisen’

ge-speis-t

Ge- vs. Be- im Deutschen Zirkumfix: Das partizipbildende ge- kann nicht mit allen möglichen Suffixen auftreten, sondern nur mit -t oder -en. Wegen dieser Abhängigkeit nimmt man an, dass es ein Zirkumfix ist. be- ist nicht so wählerisch, deshalb wird es auch nicht als Teil eines Zirkumfixes analysiert. Partizip:

be-leb-t

Präsens:

ich be-leb-e

* ich ge-leb-e

du be-leb-st

* du ge-leb-st

er be-leb-t

* er ge-leb-t

wir be-leb-en

* wir ge-leb-en

ge-leb-t

Noch mehr: Morphophonologische Markierungen Reduplikation: man trennt ein Teil des Stammes ab, kopiert es, und fügt es dazu.

Beispiel: einige lateinische Perfektformen

Reduplikation im Lateinischen Reduplikation: man nimmt Onset und Nucleus der ersten Silbe, kopiert sie, und fügt sie dazu. Verb (Infinitiv) mord-e:re ‘beissen’ pend-e:re ‘hängen’ kad-ere ‘fallen’ fall-ere ‘betrügen’ tang-ere ‘berühren’ da-re ‘geben’

Redup. momordi: pependi: kakidi: fafelli: tatigi: dadi:

1.Sg.Perfect ‘ich habe gebissen’ ‘ich habe gehangen’ ‘ich bin gefallen’ ‘ich habe betrogen’ ‘ich habe berührt’ ‘ich habe gegeben’

Reduplikation im Lateinischen Noch zusätzlich: Phonologische Regel a -> e Verb (Infinitiv) mord-e:re ‘beissen’ pend-e:re ‘hängen’ kad-ere ‘fallen’ fall-ere ‘betrügen’ tang-ere ‘berühren’ da-re ‘geben’

1.Sg.Perfect momordi: ‘ich habe gebissen’ pependi: ‘ich habe gehangen’ kekidi: ‘ich bin gefallen’ fefelli: ‘ich habe betrogen’ tetigi: ‘ich habe berührt’ dedi: ‘ich habe gegeben’

Noch mehr: Morphophonologische Markierungen Umlaut (nicht mehr produktiv -kann man heutzutage mit neuen Wörtern nicht mehr machen) Verb futtern trinken sinken (offen)

Kausativ füttern tränken senken öffnen

(Kausativ= etwas veranlassen von Lt. causare)

Kausativ: Umlaut vs. “ordentliches” Morphem Deutsch: Verb futtern trinken sinken (offen)

Urdu (-a:): Kausativ füttern tränken senken öffnen

Verb kHa: pi: du:b kHul

Kausativ kHil-a: pil-a: du:b-a: kHul-a:

(Kausativ= etwas veranlassen von Lt. causare)

Wo die Phonologie noch reinfunkt Phonologie: Phonem/Allophon Z.B. Deutsch: [ç] (ich) vs. [x] (ach) Morphologie: Morphem/Allomorph

Allomorphe Englisch: inelegant, inaccessible, inalienable labial alveolar velar

imposssible, implausible in-, im-, il- bedeuten illegal, illiterate soviel wie ‘nicht’ inconceivable, incongruous [N] 3Morpheme oder nur 1?

Allomorphe Analyse: /in/ ist das Morphem, [il], [im], [iN] sind Allomorphe dieses Morphems. Phonologischer Prozess: Assimilation zum Artikulationsort des darauffolgenden Konsonanten. inelegant, inaccessible, inalienable imposssible, implausible, illegal, illiterate inconceivable, incongruous

Nur 1 Morphem!

Allomorphe Noch ein Beispiel: Englische Pluralbildung cats, rats, kicks, flips

[s]

beds, dogs, pubs

[z]

Phonologischer Prozess: Voicing Assimilation zum vorherigen Konsonanten /z/ /s/

[s] [z]

?

Allomorphe: Englischer Plural busses, buzzes

[´z]

Phonologischer Prozess: Schwa einfügen nach einem Frikativ/Affrikativ (/s/, /z/, etc.) Erste Hypothese: /s/ ist das zugrundeliegende Pluralmorphem im Englischen. Funktioniert dann alles?

Allomorphe: Englischer Plural busses, buzzes

[´z]

Wir versuchen es mal mit dem Plural von bus. 1. Schritt --- Pluralbildung: bus+s 2. Schritt --- Schwa einfügen: bus+´+s 3. Schritt --- Voicing Assimilation: passiert nichts Aber: man sagt [bøs´z] nicht [bøs´s]!

Allomorphe: Englischer Plural Also:

/s/

[z]

Nächste Hypothese: /z/ ist das zugrundeliegende Pluralmorphem im Englischen. Voicing Assimilation dann: /z/

[s]

/ C_ [-voice]

Allomorphe: Englischer Plural busses, buzzes

[´z]

Wir versuchen es wieder mit bus. 1. Schritt --- Pluralbildung: bus+z 2. Schritt --- Schwa einfügen: bus+´+z 3. Schritt --- Voicing Assimilation: passiert nichts Resultat: [bøs´z] Alles in Ordnung!

Beispielanalyse: Samoan manao matua

malosi atamaki savali

laga mananao

‘er wünscht (sich)’ Wie sagt man? ‘er ist alt’ ‘sie reisen’ savavali ‘er ist stark’ ‘er ist weise’ ‘er singt’ pese ‘er reist’ ‘er webt’ ‘sie wünschen (sich)’

matutua

‘sie sind alt’

malolosi

‘sie sind stark’

atamamaki ‘sie sind weise’ pepese ‘sie singen’

‘sie weben’

lalaga

Pluralbildung durch Reduplikation!

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