Mut zum Miteinander

February 11, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Mut zum Miteinander Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Allen Beteiligten danken wir für ihre unterstützende Mitwirkung bei dieser Ausgabe. Brücke Schleswig-Holstein gGmbH März 2007

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Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Vorwort

Von der Initiative zur Organisation Liebe Leserin, lieber Leser, die Geschichte der Gemeindepsychiatrie in Schleswig-Holstein begann mit Verspätung, dafür aber mit einem starken Engagement „von unten“. Das Land beteiligte sich in den 80er Jahren nicht am Bundesmodellprogramm Psychiatrie. Die Initiative für die Entwicklung gemeindepsychiatrischer Angebote ging stattdessen sehr stark von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen psychiatrischer Krankenhäuser, Angehörigen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus. Motiviert durch die Ideen der Sozialpsychiatrie gründeten sie überall im Land gemeindepsychiatrische Hilfsvereine, um Alternativen zur Unterbringung von psychisch erkrankten Menschen in Großkliniken in die Praxis umzusetzen. Die Brücke Schleswig-Holstein entstand 1984 zunächst als „Arbeitsgemeinschaft Brücke Schleswig-Holstein“ aus einem Zusammenschluss mehrerer regionaler Hilfsvereine und dem Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zu einer gemeinnützigen Gesellschaft. Gemeinsames Ziel ist und war die Entwicklung von Hilfsangeboten, die psychisch erkrankten Menschen ein würdevolles und weitgehend selbstständiges Leben in der Gemeinde ermöglicht. Dieses Bestreben, Übergänge zwischen den

Krankenhäusern und der Gemeinde zu schaffen, drückt sich im Namen „Brücke“ aus. Durch den Zusammenschluss wollten die beteiligten Vereine aber auch ein starkes Gegengewicht zu den Großkliniken und den Leistungsträgern aufbauen. Ziel war eine wirtschaftlich starke und durchsetzungsfähige Organisation. Heute, mehr als zwanzig Jahre später, können wir sagen, dass wir diesem Ziel wesentlich näher gekommen sind. Die Brücke Schleswig-Holstein gGmbH, kurz Brücke SH, bietet in kleinen dezentralen Einrichtungen in neun Kreisen und Städten Schleswig-Holsteins gemeindepsychiatrische Angebote der gesundheitlichen Stabilisierung und der gesellschaftlichen Teilhabe an. Seit der Gründung ist das Angebot kontinuierlich gewachsen. Dazu gehören psychiatrische Tageskliniken und Ambulanzen, Werkstätten zur beruflichen Förderung und Rehabilitation, Dienste zur Integration in das Arbeitsleben, Wohnhäuser, Wohngruppen, häusliche Betreuung und Tagesstätten. Im Jahr 2006 wurden bereits mehr als 3000 Menschen von rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. Aus einer kleinen Initiative ist eine große und wirtschaftlich starke Organisation mit einem Jahresumsatz von mehr als 30 Mio. Euro geworden. Die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, ist damit aber nicht abgeschlos-

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

sen. Die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen wächst deutlich an. Wir lernen kontinuierlich von und mit den Nutzerinnen und Nutzern unserer Angebote, kleine persönliche Brücken zu bauen und unsere Hilfsangebote weiterzuentwickeln. Wir lernen im fachlichen Austausch und in Partnerschaft mit anderen Organisationen. Und wir werden auch in Zukunft unseren aktiven Beitrag dazu leisten, dass alle Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen wohnortnah Hilfe und Unterstützung finden. Mit diesem Heft möchten wir Ihnen einen lebendigen Eindruck von unserer Arbeit in der Brücke SH geben. Bitte nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wenn Sie mehr erfahren möchten. Günter Ernst-Basten Geschäftsführer Brücke Schleswig-Holstein gGmbH

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vor Ort sozial psychiatrisch

Die Ziele und die Bedürfnisse psychisch beeinträchtigter oder suchterkrankter Menschen stehen im Mittelpunkt der Arbeit bei der Brücke SH. Für sie und ihre Angehörigen entwickeln wir leicht erreichbare, persönlich gestaltete Angebote und Leistungen vor Ort. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten Unterstützung

Die Brücke Schleswig-Holstein ist eine gemeinnützige GmbH und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die Angebote und Leistungen dienen als Brücken und wollen Übergänge in ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben schaffen. Sie umfassen die Lebensfelder Arbeit & Beruf Gesundheit & Therapie Wohnen & Leben Freizeit & Kontakt

• bei der Lebensplanung • im Umgang mit psychischer Beeinträchtigung und Benachteiligung sowie Suchterkrankung • beim Wiedergewinnen gesundheitlicher Stabilität • in einer Krisensituation • im Alltag und Wohnumfeld • im Arbeitsleben.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unsere Landesgeschäftsstelle in Kiel oder direkt an Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in Ihrer Nähe.

Hasselberg

Ulsnis

Husum

Schleswig

Kiel Preetz

Heide

Plön Neumünster

Itzehoe

Elmshorn Ratzeburg Pinneberg

Mölln Schwarzenbek Geesthacht

Brücke Schleswig-Holstein gGmbH Landesgeschäftsstelle Muhliusstraße 94 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-0 Fax (04 31) 9 82 05-25 www.bruecke-sh.de [email protected]

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Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Inhalt

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Arbeit & Beruf 6

Was ist ein IFD? _ Was machen Fachberater/innen der Integrationsfachdienste eigentlich?

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Die Arbeit des Integrationsfachdienstes in Zahlen _ Integration am Arbeitsplatz

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Integrationsfachdienste – politisch noch gewollt?_ Vermittler/innen mit schwerem Stand

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Ist die Werkstatt für behinderte Menschen ein Auslaufmodell? _ Kritik und Alternativen

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Jugendförderung ist maßgeblich für die Integration _ ganzheitliche Hilfestellungen

Gesundheit & Therapie 15

Pflaster auf der Seele _ sozialpsychiatrische Krankenpflege vernetzt sich

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Hausgemeinschaft für Menschen mit Demenz _ Leben in der eigenen Häuslichkeit

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Weiterkommen … Schritt für Schritt aus der Sucht _ Eingliederungshilfe, Pflege, Substitution

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Volkskrankheit Depression _ Prävention mit dem Bündnis gegen Depression

Wohnen & Leben 23

Beratung & Information _ zentrale Anlaufstelle

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Förderung in kleinsten Schritten _ vollstationäre Betreuung und mitten in der Gesellschaft leben

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Leben mit Schizophrenie – Hoffnung für Langzeitkranke _ Qualität wohnortnaher Betreuung

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„Ziele und Struktur haben mir geholfen“ _ positiver Verlauf einer Krankheitsgeschichte

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Günstige Lebensumfelder schaffen – von Kindesbeinen an _ frühzeitige Unterstützungen

Freizeit & Kontakt 30

Experten in eigener Sache _ Beratung von Betroffenen für Betroffene

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Soziale Kontakte: 0,7 für Husum! _ Benchmarking weckt Verbesserungswünsche

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Marktplatz der Ideen _ Und alle Beteiligten sind einbezogen!

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Das Zeitungsnetzwerk Schleswig-Holstein _ ein Netzwerk der Selbsthilfe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

Partner & Netzwerke 35

Indigo – Netzwerkgedanke und EU _ integrierte Dienstleistung gemeinsam organisieren

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Beiträge für eine barrierefreiere Zukunft _ Austausch und Impulse auf einer Fachkonferenz

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Was, ihr fahrt nach Mallorca? _ überregionale Konferenzen der Nutzer/innen-Vertretungen

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„Schätze, die man heben sollte“ _ offener Umgang mit Beschwerden

Fundament & Entwicklung 42

Familienbewusst, die ersten Schritte _ Maßnahmen über das Grundzertifikat hinaus

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Innerbetrieblicher Service für motivierte Teams _ Personalarbeit in der Brücke SH

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„Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid, suizidales Verhalten“ _ Abstract einer Diplomarbeit

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Veränderung als Herausforderung _ Ergebnisse eines Teamtags

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Arbeit& Beruf

Was ist ein IFD? Was machen Fachberater/innen der Integrationsfachdienste eigentlich? Sie beraten, unterstützen und begleiten im Beruf jene Menschen, die aufgrund von Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen mit besonderen Hemmnissen im Berufsleben zu kämpfen haben. Aber was bedeutet das konkret? Frauke Godel 1, 42 Jahre, Angestellte, ist seit zwei Jahren an einer Depression erkrankt. Am Arbeitsplatz ist dies nicht bekannt. Gemunkelt wird, „mit ihr stimme was nicht“. Sie selbst merkt, dass sich Kolleginnen und Kollegen von ihr zurückziehen. Während des Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik hat Frauke Godel starke Ängste vor der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz: Sie ist sich nicht sicher, ob sie die erforderlichen Leistungen erbringen kann. Und falls nicht, wie sie damit umgehen soll. Sie stellt sich ernsthaft die Frage, ob sie nicht besser kündigen soll. Der Sozialdienst in der Klinik empfiehlt Frauke Godel die Kontaktaufnahme zum Integrationsfachdienst. Die Fachberaterin klärt im Beratungsgespräch die Situation am Arbeitsplatz. Sie nimmt nach Absprache und mit Zustimmung von Frauke Godel Kontakt zum Vorgesetzten auf. In einem Dreiergespräch zeigt sich der Vorgesetzte sehr offen. Er macht deutlich, dass er unsicher ist, wie mit Frauke Godel künftig umgegangen werden soll. Worauf sei zu achten, um Krankheitsrückfälle zu vermeiden? Gemeinsam wird als Einstieg eine Belastungssteigerung – stufenweise Wiedereingliederung – vereinbart. Eine

genaue Beschreibung der jeweiligen Tätigkeiten von Frauke Godel liegt vor. Parallel dazu werden in weiteren Beratungsgesprächen beim Integrationsfachdienst mit Frauke Godel Handlungsstrategien entwickelt. Diese ermöglichen ihr, ihre Arbeit zu verrichten und sich gleichzeitig nicht zu überfordern. Zudem lernt sie, im Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen zu bleiben. Im Gespräch erwähnt der Vorgesetzte, seelische Erkrankung am Arbeitsplatz sei für die Arbeitsstelle insgesamt ein Thema. Der Integrationsfachdienst kann hier eine Fortbildung anbieten: Zwei Fachberater/innen klären auf über unterschiedliche psychiatrische Krankheitsbilder. Sie stellen Methoden der Gesprächsführung vor. Auch nach der Fortbildung stehen sie den Teilnehmenden unterstützend zur Verfügung. Frauke Godel hat durch den Kontakt zum Integrationsfachdienst ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Heute weiß sie, dass ihre Vorgesetzten mit dem Thema seelische Erkrankung vertrauter wurden. Sie wird künftig frühzeitig und angstfreier mögliche Probleme ansprechen. In weiteren Beratungsgesprächen beim Integrationsfachdienst könnte sie sich zudem Rückenstärkung holen. 1

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Brücke SH Integrationsfachdienste – hier stehen Ihnen Ansprechpersonen beratend und informierend zur Verfügung: in Kiel _ Landesgeschäftsstelle Stefan Meyer-Kaven _ (04 31) 9 82 05-20 [email protected] Referent berufliche Rehabilitation und Integration in Kiel Jürgen Bischoff _ (04 31) 9 82 06-0 [email protected] Regionalleiter im Kreis Dithmarschen _ Heide Hans Cordshagen _ (04 81) 42 15 29-0 [email protected] Regionalleiter im Kreis Herzogtum Lauenburg _ Schwarzenbek Jürgen Pankow _ (0 41 51) 89 89-0 [email protected] Regionalleiter im Kreis Pinneberg _ Elmshorn Udo Spiegelberg _ (0 41 21) 4 75 61-0 [email protected] Regionalleiter im Kreis Plön _ Preetz René Skischally _ (0 43 42) 3 09 08-0 [email protected] Regionalleiter im Kreis Schleswig-Flensburg _ Schleswig Manfred Bogner _ (0 46 21) 96 87 22 [email protected] Regionalleiter im Kreis Steinburg _ Itzehoe Eva Gruitrooy _ (0 48 21) 67 91-11 [email protected] Regionalleiterin

Name von der Redaktion geändert. Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Arbeit& Beruf

Artikel: Norddeutsche Rundschau _ 20. Januar 2006

Die Arbeit des Integrationsfachdienstes in Zahlen Markus Hoppe ist kein Einzelfall: 340 Personen wurden 2006 im Bereich Vermittlung von Integrationsfachdiensten der Brücke SH abschließend betreut. Davon gingen 91 Menschen mit Behinderungen in Arbeitsverhältnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes. Das entspricht einer Vermittlungsquote von 27 %. Hinzuzurechnen sind jene Menschen, die in Fortbildungs-, Qualifizierungsoder Berufsbildungsmaßnahmen vermittelt wurden. Dies als Voraussetzung dafür, momentane Vermittlungshemmnisse abzubauen und die Arbeitsleistung zu steigern, um eine spätere Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. So werden zum Beispiel 40 behinderte Menschen im Kreis Herzogtum Lauenburg vom Integrationsfachdienst in Arbeitsgelegenheiten betreut und so nach Jahren der Arbeitslosigkeit an den allgemeinen Arbeitsmarkt herangeführt. 1

Hinzu kommen die Personen, die längerfristig nicht erwerbsfähig sind. Diese wurden zunächst in andere Maßnahmen vermittelt, um dort wieder an ihre Erwerbsfähigkeit heranzukommen. 157 Arbeitsverhältnisse konnten mit IFD-Hilfe gesichert werden. Das entspricht knapp 75 % der beendeten Fälle in 2006.1 Hier handelt es sich um behinderte Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnisse durch unterschiedlichste Gründe von Kündigung bedroht sind. Meist steht eine stark eingeschränkte

Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Gespräche mit Betroffenen und Vorgesetzten, der Einsatz technischer Hilfsmittel am Arbeitsplatz, eine Arbeitsassistenz … die Hilfe des Integrationsfachdienstes umfasst zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, um einen gefährdeten Arbeitsplatz zu sichern. Gern senden wir Ihnen unsere Broschüre „Dienstleistungen der Integrationsfachdienste“ zu, Ruf (04 31) 9 82 05-0. Diese ist auch im PDF-Format erhältlich: [email protected]

Quelle: Daten für BIH Statistik; Brücke SH

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Arbeit& Beruf

Integrationsfachdienste – politisch noch gewollt? Obwohl die Integrationsfachdienste eine wichtige Funktion für psychisch benachteiligte Menschen und ihre Integration in die Arbeitswelt wahrnehmen, haben sich die Arbeitsbedingungen der Integrationsfachdienste verschlechtert. Die Änderungen des SGB IX Anfang 2005, Einführung von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) – damit einhergehende Aufteilung in der Zuständigkeit der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – wirken sich aus. Sie betreffen auch die Integrationsfachdienste:

Für wen arbeiten Integrationsfachdienste (IFD)? IFD sind im Kapitel 7 des SGB IX beschrieben: Als Dienste Dritter arbeiten sie im Auftrag • des Integrationsamtes – zuständig für schwerbehinderte Menschen, die einen Grad der Behinderung (GdB) über, bzw. von mindestens 30 % nachweisen und durch die Agentur für Arbeit gleichgestellt sind. • anderer Rehabilitationsträger - Agentur für Arbeit - Leistungszentren (ARGE) - Sozialhilfeträger - Rentenversicherungsträger - Berufsgenossenschaften - Unfallkassen etc., zu deren Aufgaben auch die Versorgung von behinderten Menschen – mit einem GdB von unter 50 – und von Behinderung bedrohten Menschen zählt.

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• Die Zuständigkeit eines Leistungsträgers ist oft nicht eindeutig. Folge: Oftmals entstehen lange Wartezeiten bis zur Bewilligung oder notwendige Hilfen werden zeitlich nur nacheinander gewährt. • Die Agentur für Arbeit ist nicht darauf eingestellt, behinderte Jugendliche am Übergang von der Schule zum Beruf in geeignete Ausbildungs- oder Arbeitsplätze zu vermitteln. Folge: Schulabgänger/innen dieser Zielgruppe werden meist in WfbMs vermittelt, obwohl für viele Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen. • Arbeitslose schwerbehinderte Menschen werden von der Agentur für Arbeit meist nicht mehr als integrationsfähig angesehen. Folge: Sie werden oft als nicht vermittlungsfähig eingestuft.

• Psychisch erkrankte Menschen ohne anerkannte Schwerbehinderung oder entsprechende Gleichstellung müssen einen Reha-Antrag stellen. Oftmals erfüllen sie nicht die geforderten Beitragszeiten. Einige scheuen sich, offiziell den Behindertenstatus anzunehmen. Folge: Diese Menschen können vom Integrationsfachdienst nur eingeschränkt oder gar nicht beruflich betreut werden. • Viele ARGEn benötigten nach ihrer Gründung sehr lange, um über die finanzielle Leistungserbringung (ALG II) hinaus sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Personenkreise ihrer Klientel für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Frage kommen. Auch die Integrationsfachdienste als potenzielle Leistungserbringer werden erst allmählich entdeckt. • Die Rentenversicherungsträger vermitteln Arbeit suchende behinderte Menschen oft in teure Umschulungsund Qualifizierungsmaßnahmen. Folge: Die individuell ausgerichtete Vermittlung der Integrationsfachdienste bleibt ungenutzt. Dabei könnten Menschen nach Krankheit mit Hilfe des Integrationsfachdienstes wieder in

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Arbeit& Beruf

ihre eigenen, noch vorhandenen Arbeitsplätze eingegliedert werden – berufliche Begleitung als RehaMaßnahme. „Barrierefrei in Arbeit“ ist ein Leitgedanke im Integrationsfachdienst. Vor diesen Hintergründen verständlicher Wunsch vieler betroffener behinderter Menschen. Optimistisch stimmen Einsatz und Handeln aus der Politik im Süden der Republik. Die bayrische Staatsministerin Christa Stewens fordert in einem Brief an Franz Müntefering eine Gesetzesänderung: Integrationsfachdienste sollen von allen Rehabilitationsträgen zu beauftragen sein. Ferner sollen Aufgaben- und Finanzverantwortung für die Integrationsfachdienste in einer Hand lie-

gen. Die Ministerin begründet, sie schätze die Integrationsfachdienste als geeignete Institution, behinderte Menschen im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich zu begleiten oder in Arbeit zu vermitteln. Auch wir im Norden schließen uns von Trägerseite der Meinung der bayrischen Staatsministerin an. Unser Vorschlag an die verantwortlichen Politiker und andere Entscheidungsträger in Schleswig-Holstein ist daher folgender: Wir stellen uns den Integrationsfachdienst als zentrale Anlaufstelle für die Integration und Rehabilitation aller behinderten Menschen in die Arbeitswelt vor. Ausgestattet mit Leistungsverträgen, damit die Integrationsfach-

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dienste unbürokratisch, schnell und individuell ausgerichtet entsprechende Hilfen vermitteln oder selbst leisten können.

Was-ist-das? ARGE: Arbeitsgemeinschaft(en) in den Jobcentern GdB: Grad der Behinderung, siehe Kasten links: „Für wen arbeiten Integrationsfachdienste (IFD)?“ SGB IX: Sozialgesetzbuch IX, regelt die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben WfbM: Werkstatt für behinderte Menschen

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Arbeit& Beruf

Ist die Werkstatt für behinderte Menschen ein Auslaufmodell? Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Einrichtungsform steht bei Politikern und Kostenträgern in der Kritik. Wie viele Menschen mit psychischer Behinderung nutzen dieses Angebot? Und was könnten zeitgemäße Alternativen sein? … Kostenexplosion durch kontinuierlich steigende Platzzahlen … lebensfremder Standort, kein Publikumsverkehr … Endstation zweiter Arbeitsmarkt für Betroffene – so beurteilen viele Politiker die Werkstätten für behinderte Menschen. Kostenexplosion … Politiker und Leistungsträger kritisieren den Kostenanstieg in der Versorgung durch kontinuierlich steigende Platzzahlen im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen: 7855 Plätze Ende 2001 in Schleswig-Holstein – 8917 Plätze sind für Ende 2006 in SH vorhergesagt.1 Dabei entfallen jedoch nur durchschnittlich 15 % der Plätze auf psychisch behinderte Menschen. So arbeiten zurzeit 160 Frauen und Männer in den WfbM für psychisch behinderte Menschen der Brücke SH in den Standorten Kiel und Itzehoe. Davon sind 72 Frauen und Männer im Eingangs- und Berufsbildungsbereich, 88 im Arbeitsbereich beschäftigt. lebensfremder Standort … kein Publikumsverkehr … Besonders stolz sind wir auf die zentrale Lage unserer WfbM für psychisch behinderte Menschen bei der Brücke SH. Bewusst sind Standorte mitten in der Stadt gewählt. Die Werkstätten bieten gemeindenah und kundenorientiert ihre Dienstleistungen an: Die Wäschereien werden von Arztpraxen und privaten Haushalten genutzt. Die Beschäftigten der Küchen kochen täglich bis zu 450

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Mittagessen. In den öffentlich zugänglichen Kantinen treffen sich alte Menschen, Familien mit Kindern aller Alterstufen, Angestellte, Studierende, Handwerker, Betreute und Beschäftigte zum Essen. Zudem werden größere Abnehmer wie Kindergärten mit warmen Mahlzeiten beliefert. Tischlerei-Beschäftigte fertigen Möbel nach Maß für private Haushalte, für Praxen, für Büros. Auslieferung und passgenaues Einsetzen vor Ort gehört dazu. Für namhafte Verlage und in Kooperation mit Designer/innen werden Kleinmöbel und Nützliches für Haus und Garten entwickelt. Bau, Auslieferung und Verkauf werden von Beschäftigten der Werkstatt und des Büroservices abgewickelt. Malerei-Beschäftigte renovieren Wohnungen – komplett. Der Gartenservice pflegt und bepflanzt Gärten jeder Größe sowie Grünanlagen. Vom Büroservice werden zudem Auftragsarbeiten erledigt, Daten archiviert, Druckerzeugnisse hergestellt. Beschäftigte im Fahrradladen führen neben dem Reparaturgeschäft den Verkauf preiswerter gebrauchter Räder. Ein Antiquariat lädt ein zum Stöbern, An- und Verkauf halten das Angebot lebendig. Publikumsverkehr, Orientierung am Markt, Einbindung in das soziale Leben sind Teil der Konzepte der WfbM für psychisch behinderte Menschen der Brücke SH. Der direkte Kontakt zwischen Beschäftigten und Kundschaft trägt für beide Seiten besonders zur Normalität im Umgang bei. Das eher negative Meinungsbild der breiten Öffentlichkeit über psychische Erkrankungen wird entzerrt und positiver gestaltet. Dies entspricht unserem Leitbild. Beschäftigten Teilhabe am Arbeitsleben und Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu sichern, ist Auftrag der

Quelle: Bestands- und Bedarfserhebung Werkstatt für behinderte Menschen; con_sens Hamburg 2003

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Arbeit& Beruf

Werkstätten für behinderte Menschen. Dieser ist in besonders hohem Maße erfüllt durch zentrale Standorte und publikumsnahe Dienstleistungen. Endstation zweiter Arbeitsmarkt für Betroffene … Die Vermittlungsquoten von Beschäftigten aus den Werkstätten für behinderte Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt sind für uns unbefriedigend: Abgänger wurden in 2004/05 durchschnittlich nur knapp über 1 % 2 in den allgemeinen Arbeitsmarkt und/oder in Ausbildung, ebenso ca. 1% in Geringverdiener-Arbeitsplätze vermittelt. Gut 3 % 2 der Männer und Frauen nahmen im Anschluss an ihre WfbM-Beschäftigung an einer Umschulung/ Fördermaßnahme der Arbeitsverwaltung teil. Daher teilen wir die Meinung der politischen Entscheidungsträger: Ein Platz in einer Werkstatt darf nicht die einzige Möglichkeit für Menschen mit Behinderung sein, einen Arbeitsplatz zu haben.

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Wir erproben deshalb aktiv neue Formen der beruflichen Förderung und Integration. Unser Ziel ist es, für die Betroffenen Wahlmöglichkeiten zu schaffen und die Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes einzubinden. Inhaltlich richten wir uns zurzeit neu aus: Das persönliche Budget als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben; die Umsetzung virtueller Werkstattplätze; ganzheitliche Hilfeplanung nach dem Integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) stehen dabei im Fokus. Wir gehen davon aus, zukünftig die individuellen Hilfebedarfe von Menschen mit Behinderungen besonders im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben noch deutlicher zu differenzieren. So können Teile der Werkstattplätze in Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes in Form von virtuellen Werkstattplätzen verlagert werden; oder es können Teilleistungen der Werkstätten für behinderte Menschen im Rahmen des persönlichen Budgets eingekauft werden.

Quelle: Jahresstatistik 2005; Brücke SH

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Arbeit& Beruf

Letztendlich soll hierdurch mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen der Übergang in ein normales Arbeitsverhältnis möglich sein. Wobei die Eignung und Fähigkeit der/des Einzelne/n berücksichtigt werden muss.

Was-ist-das? Integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP): entwickelt von der Aktion psychisch Kranker e. V.. Ein Instrument zur Ermittlung des individuellen personenorientierten Hilfebedarfs, bei dem alle gleichzeitig notwendigen Bedarfe zusammenfließen: - Behandlung und Pflege - Tagestruktur, Wohnen und Freizeit - Arbeit und Beschäftigung Der Integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan ist unabhängig von Leistungsträger und -erbringer sowie übergreifend. Virtuelle Werkstattplätze: in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgelagerte Werkstattplätze einer Werkstatt für behinderte Menschen, mit dem Ziel, die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern. Die Beteiligten werden von der Werkstatt für behinderte Menschen über einen längeren Zeitraum begleitet. Im Anschluss daran kann für die Beschäftigten – bei persönlicher Eignung – ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitverhältnis in diesen Betrieb und in die von ihnen erprobte Tätigkeit erfolgen.

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Für die Brücke SH ist die Einrichtungsform der Werkstatt für behinderte Menschen kein Auslaufmodell. Für den Personenkreis, der auf Grund behinderungsbedingter Einschränkungen langfristig nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, ist die Werkstatt für behinderte Menschen weiterhin ein wichtiger Bestandteil zur Verwirklichung des Rechts auf Teilhabe am Arbeitsleben, mit Dienstleistungen direkt am Kunden. Durch differenziertere individuelle Hilfeplanungen, über die Leistungen des persönlichen Budgets und die Weiterentwicklung virtueller Werkstattplätze wird die Werkstatt für behinderte Menschen zukünftig attraktiver für die Rehabilitation auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Seitens der Politik und der Leistungsträger wünschen wir uns ein gemeinsames konsequentes Erproben dieser neuen Modelle der Leistungserbringung in Schleswig-Holstein – zumal dies in anderen Bundesländern bereits geschieht. Brücke SH Werkstattverbund _ Werkstatt Starthilfe Muhliusstraße 84 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 06-0 Werkstatt Westküstenservice Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe Ruf (0 48 21) 67 91-0

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Arbeit& Beruf

Jugendförderung ist maßgeblich für die Integration Die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Brücke SH bietet ganzheitliche Hilfestellung für Jugendliche mit psychischer Beeinträchtigung. Hohe Integrationsquoten in den allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind Motivation für alle. Der Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu einer betrieblichen Berufsausbildung bleibt in der heutigen Zeit Jugendlichen ohne Schulabschluss weitgehend verschlossen. Häufig fehlen oft notwendige Kenntnisse in der allgemeinen Bildung oder Weiterführendes wie grundlegende Arbeitsfertigkeit. Oft ist selbst organisiertes Handeln, sich mit anderen auseinanderzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten kaum geübt. Die Integration von behinderten oder von Behinderung bedrohten Jugend-

lichen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist daher besonders schwierig. Bei jungen Menschen dieser Zielgruppe geht auch häufig eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit in Verbindung mit Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Beeinträchtigungen einher. Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen haben darum oft einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss.

keine Garantie für die Einbindung in Ausbildung oder Beruf. Integration ist ohne entsprechende Hilfe schwierig. Grundlegender Unterschied zu nicht beeinträchtigten Jugendlichen ist das eigene und fremde Rollenverständnis. Junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sind eher Außenseiter/innen. Selten sehen sie sich als Auszubildende oder Arbeitnehmer/innen.

Ein Haupt- oder Realschulabschluss allein ist für Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen jedoch noch

Dies ist als Folge zu verstehen. Denn die Orientierungs- und Ablösungsphase der Pubertät und Adoleszenz ist für

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diese jungen Menschen erheblich durch das Auftreten einer seelischen Krankheit oder vergleichsweise ebenso schwerwiegenden psychosozialen Problematik erschwert. Langjährige Erfahrungen aus der Jugendarbeit und Meinungen der Experten stimmen überein: Der Arbeitsmarkt bleibt für die Zielgruppe der Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen nachweislich noch immer weitgehend verschlossen. Eingefahrene Wege verlassen und neue Schritte wagen. Diese Herausforderung nahmen Mitarbeiter/innen der Brücke SH mit dem Konzept der ganzheitlichen Hilfestellung in der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme an. Integrationsquoten in den allgemeinen Ausbildungsmarkt von 60% wurden in den letzen drei Jahren realisiert. Für die Zielgruppe Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen also sehr erfolgreich. Die Integrationsarbeit für behinderte und von Behinderung bedrohte Jugendliche ist bei der Brücke SH in Elmshorn und Itzehoe am persönlichen Bedarf sowie an den möglichen Mitteln ausgerichtet. Der ganzheitliche Ansatz beinhaltet einen hohen Anteil an ambulanten und betrieblichen Formen der Arbeitserprobung, der individuellen Schulung und Qualifizierung sowie ein intensives soziales Kompetenztraining. Die Möglichkeit des individuellen und stufenweisen Übergangs von geschützten in reale betriebliche Arbeitsabläufe ist für die Zielgruppe ein besonders wichtiges Element der psychosozialen

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Stabilisierung zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme. Die konsequente Einbeziehung des sozialen und familiären Umfeldes sowie die an den möglichen Mitteln orientierte Förderphilosophie bestärken den jungen Menschen im Handeln und fördern die Motivation. In Unternehmen zu informieren und zu sensibilisieren ist eine weitere grundlegende Integrationsstrategie der Brücke SH. Nach unseren Erfahrungen ist es so möglich, Vorurteile über psychische Erkrankungen und Beeinträchtigungen auszuräumen. Viele Betriebe sind gern bereit – fachkompetent unterstützt von Mitarbeiter/innen der Brücke SH – Jugendlichen eine Chance zu geben, denen der Markt sonst verschlossen bliebe. In betriebliche Abläufe einbezogen können die Teilnehmer/innen ihre Leistungsfähigkeit in realen Bezügen zur Arbeitswelt erproben und unter Beweis stellen. Die Berufsvorbereitenden Maßnahmen der Brücke SH erzielen Integrationsergebnisse, die sich sehen lassen können. In den letzten drei Jahren haben insgesamt 55 Teilnehmer/innen an Maßnahmen der Berufsvorbereitung im Kreis Pinneberg teilgenommen. 21 Teilnehmer/innen haben die Maß-

nahme regulär durchlaufen und bereits abgeschlossen. Davon haben 13 Teilnehmer/innen ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis begonnen (62 %), ein Teilnehmer macht Zivildienst (5 %) und sieben sind derzeit arbeitslos (35 %). Fünf Teilnehmer/innen mussten die Maßnahme krankheitsbedingt abbrechen. Eine junge Frau beendete die Maßnahme aufgrund ihrer Schwangerschaft, zwei Teilnehmer/innen sind nicht erschienen. Bei acht Teilnehmer/innen von 55 musste die Maßnahme trotz aller Interventionen abgebrochen werden – das entspricht einer Abbruchquote von 15 %. Die Brücke SH plant, Jugendförderung diesem erfolgreichen Modellprojekt entsprechend auch in weiteren Regionen Schleswig-Holsteins anzubieten. In der Landeshauptstadt Kiel wird seit Juni 2006 in Kooperation mit dem Bildungsträger „isfa“ die Jugendtrainingsmaßnahme „Stabile Zukunft“ für 20 Teilnehmer/innen durchgeführt. In drei weiteren Kreisen des Landes finden zurzeit Sondierungsgespräche über berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit der zuständigen ARGE statt. Brücke SH Starthilfe _ Jugendförderung Flamweg 73 _ 25335 Elmshorn Ruf (0 41 21) 26 24-861

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Gesundheit& Therapie

Pflaster auf der Seele Sozialpsychiatrische Krankenpflege vernetzt sich. Ein positives Resultat aus gesetzlichen Veränderungen: Betroffene Menschen können die Leistung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege in Anspruch nehmen. In drei Kreisen und zwei Städten Schleswig-Holsteins sind die Brücke SH und das Tochterunternehmen alpha gGmbH mit sozialpsychiatrischen Pflegediensten vertreten. Seit teilweise über 15 Jahren versorgen die Fachkräfte der Pflegedienste dort vor Ort psychisch erkrankte Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit. Die qualifizierten Mitarbeiter/innen sind spezialisiert auf die Versorgung der Wunden, die nicht immer nach außen sichtbar sind. Sie legen auch Pflaster auf die Seelen und lindern körperliche Leiden sowie seelische Nöte der Betroffenen. Mit dem Angebot der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege ist das Leistungsangebot in der Pflege ressourcenorientiert erweitert. Im Juli 2005 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen hierfür

geschaffen. Mit der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege und durch die geänderte Richtlinie für häusliche Krankenpflege ist es daher jetzt möglich, psychisch erkrankte Menschen durch häusliche Behandlungspflege zu versorgen, wie es bereits für somatisch erkrankte Menschen bekannt ist. Diese neue Leistung ist das Bindeglied zwischen einer stationären Behandlung der Patienten/innen und einer ambulanten Versorgung in der eigenen Häuslichkeit. Brücke SH- und alpha-Teams versorgen erkrankte Menschen, die ohne die Leistung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege eine stationäre Behandlung benötigen würden. Mit der Erbringung dieser Leistung setzt die Brücke SH den Grundsatz ambulant vor stationär in die Praxis um. Ziel ist, selbst in akuter Krisen-

Was-ist-das? Somatisch _ griechisch : soma/somata _ Körper, Leib Das, was sich auf den Körper bezieht, körperlich. Grenzt körperliche, organische Krankheiten von psychischen Krankheiten ab. kompensatorische Hilfen: psychosoziale und psychotherapeutische Hilfen Häusliche (ambulante) Krankenpflege: Gesetzlich Krankenversicherte erhalten häusliche Krankenpflege durch geeignetes Pflegepersonal, zum Beispiel ambulante Pflegedienste, wenn dies zusätzlich zur ärztlichen Behandlung erforderlich ist. In Deutschland wird sie als Sachleistung von den Krankenkassen erbracht. Die ambulante psychiatrische Pflege (APP) ist seit Juli 2005 Bestandteil der häuslichen Krankenpflege. Sie wurde mit der Neuregelung der Richtlinien zur Verordnung von Häuslicher Krankenpflege nach § 92 SGB V aufgenommen und ist ein gemeindeorientiertes Versorgungsangebot. SGB V: Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch, alle Bestimmungen zur Gesetzlichen Krankenversicherung sind darin zusammengefasst. Behandlungssetting: verschiedene Behandlungsfelder, die ein gegliedertes Ganzes bieten.

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Gesundheit& Therapie

situation eine stationäre Behandlung zu vermeiden. Die ambulante ärztliche Behandlung der Patienten/innen und ihre frühzeitige Rückkehr in den häuslichen Bereich stehen im Vordergrund: Zunächst wird mit den betroffenen Personen die Pflegeakzeptanz erarbeitet. Dies ist wichtig, falls Maßnahmen zu treffen sind bei der Bewältigung von Krisen. Gemeinsam werden mögliche Maßnahmen und kompensatorische Sozialpsychiatrischer Pflegedienst hier stehen Ihnen Ansprechpersonen beratend und informierend zur Verfügung: in Kiel _ Landesgeschäftsstelle Irini Aliwanoglou _ (04 31) 9 82 05-19 [email protected] Referentin für Vergütungs- und Vertragsangelegenheiten in Kiel Michaela Fenger _ (04 31) 5 19 20 55 [email protected] Pflegedienstleitung in Neumünster Ute Harleß-Handler _ (0 43 21) 7 07 97-11 [email protected] Pflegedienstleitung im Kreis Herzogtum Lauenburg Harald Heinze _ Ruf (0 41 51) 89 89-11 [email protected] Pflegedienstleitung im Kreis Nordfriesland Christel Gülck _ Ruf (0 48 41) 8 34 28 [email protected] Pflegedienstleitung im Kreis Pinneberg Torsten Kemmler _ Ruf (0 41 21) 48 62-51 [email protected] Pflegedienstleitung

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Hilfen erarbeitet, um auftretende Krisensituationen besser bewältigen zu können. Die betroffenen Menschen erhalten die individuelle Unterstützung, die sie in ihrer konkreten Lebenssituation benötigen. In vertrauter Umgebung können sie unter Einbindung ihres sozialen und familiären Umfelds ihren Alltag weitgehend fortführen. Den Angehörigen wird Anleitung und Begleitung im Umgang mit der Erkrankung geboten. Im System der Hilfen stellt die ambulante psychiatrische Krankenpflege ein wesentliches Angebot dar. Sie ermöglicht eine gemeindeorientierte Versorgung der betroffenen Frauen und Männer. Sie werden nicht aus ihrem Umfeld herausgerissen. Ihre Behandlung erfolgt dort, wo sie mit ihrer Erkrankung leben möchten. Dadurch steigert sich die Lebensqualität. Selbsthilfepotentiale werden gefördert, da die Menschen aktiv an ihrer eigenen Behandlung beteiligt sind. Professionelle Helfer und Helferinnen sind begleitend und unterstützend tätig. Die Brücke SH, die alpha gGmbH sowie Die Brücke Lübeck gGmbH sind zurzeit die einzigen Trägerinnen von Pflegediensten in Schleswig-Holstein, die auf die Leistung der sozialpsychiatrischen Pflege spezialisiert sind. Erfahrung und Know-how im Bereich psychischer Erkrankungen sowie im Umgang mit den betroffenen Menschen sind unabdingbare Voraus-

setzungen, um die beschriebenen positiven Ergebnisse zu erreichen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Brücke SH- und der alpha-Pflegedienste gehören eine entsprechende Qualifikation, Erfahrung bei der Behandlung mit psychisch erkrankten Menschen und einschlägige Fortbildungen zu den Einstellungsvoraussetzungen. Erbracht wird die ambulante psychiatrische Krankenpflege im Hilfeverbund. Die Leistung wird mit anderen Angeboten abgestimmt und nötigenfalls kombiniert. Hohe stationäre Behandlungskosten werden durch ein sinnvolles ambulantes Behandlungssetting reduziert. Diese Leistung bietet eine passgenaue Antwort auf den individuellen Bedarf der betroffenen Menschen. Auch auf Landesebene wird sich die Brücke SH weiterhin stark für dieses Angebot einsetzen. Die Beförderung dieser Leistung ist zurzeit noch erschwert. So sind zum Beispiel die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme sehr hoch. Es wäre förderlich, einen Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein abzuschließen, der für alle Träger ambulanter Pflegedienste gilt. Die ambulante Versorgung betroffener Frauen und Männer ist der zukunftweisende Weg, um eine Umstrukturierung im Gesundheitssystem umzusetzen, einen effizienten Ressourceneinsatz vorzunehmen und um die Behandlung und die erkrankten Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Gesundheit& Therapie

Hausgemeinschaft für Menschen mit Demenz – Erfolg(t) mit Lebenskonzept Stadtpräsident Rainer Tschorn eröffnete am 27. Januar 2006 die erste ambulant betreute Hausgemeinschaft für demenziell erkrankte Menschen der Brücke SH in Kiel. Für zwölf der ca. 3.000 an Demenz erkrankten Kieler/innen besteht jetzt die Möglichkeit, im innovativen Wohnund Betreuungsmodell am Jägersberg 16 in der eigenen Häuslichkeit zu leben. Innovativ, da sich die ambulant betreute Hausgemeinschaft speziell an den Bedürfnissen der demenziell erkrankten Menschen ausrichtet. Mit diesem Konzept wird ihnen eine stützende, menschenwürdige und lebensweltorientierte Lebensform geboten: • Oberste Priorität haben Wohlgefühl, Sicherheit und ritualisierte Alltagsstrukturen. • Das vertraute Umfeld und das sozia-

le Hilfesystem bleiben längstmöglich erhalten. • Die Aktivitäten orientieren sich an einem normalen Haushalt – die Pflege tritt in den Hintergrund. • Kleine familienähnliche Gruppen entstehen – Rückzug in das Private bleibt möglich. • Vermeidung von Heimunterbringungen, die dem Krankheitsbild nicht angemessen sind. • Die professionelle Betreuung bezieht die Biografie und die Persönlichkeit des an Demenz erkrankten Menschen in ihre Maßnahmen ein. Normalität leben ist im barrierefrei gestalteten Haus für die Bewohner/innen in ihren eigenen persönlich ein-

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

gerichteten Wohnungen – jede mit eigenem großzügigen Bad – Kerngedanke und selbstverständlich. Gemeinsamkeit wird im Garten und in der zentralen Wohnküche gelebt. Die Bewohner/innen werden den ganzen Tag von Alltagsbegleiter/innen unterstützt; nachts steht eine ständige Nachtbereitschaft zur Verfügung. Ambulante Leistungen wie Pflege beziehen die Bewohner/innen ebenfalls nach den eigenen Bedürfnissen – umfassend oder abgestuft. Hierfür bietet sich der Pflegedienst alpha an, ein gemeinnütziges Tochterunternehmen der Brücke SH. Angehörige können in den Alltag der Hausgemeinschaft einbezogen werden. Auch mitwohnen im gemieteten Appartement ist möglich. Durch die aktive Lebensgestaltung werden motorische und kognitive Ressourcen erhalten. Der krankheitsbedingten Tendenz, sich zurückzuziehen, apathisch oder depressiv zu werden, wird so entgegengewirkt. Das Risiko, demenziell zu erkranken, ist besonders für Hochaltrige unverän-

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Gesundheit& Therapie

Was-ist-das? Demenz _ Lateinisch : weg vom Geist : ohne Geist _ so die wörtliche Übersetzung des Begriffs. Damit ist das wesentliche Merkmal von Demenzerkrankungen vorweg genommen, nämlich der Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit. Am Anfang der Krankheit stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit, in ihrem weiteren Verlauf verschwinden auch bereits eingeprägte Inhalte des Langzeitgedächtnisses, so dass die Betroffenen zunehmend die während ihres Lebens erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten verlieren. Aber eine Demenz ist mehr als eine einfache Gedächtnisstörung. Sie zieht das ganze Sein des Menschen in Mitleidenschaft: seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben. Kognitiv: auf Erkenntnis beruhend. Kognitive Fähigkeiten des Menschen sind zum Beispiel: Aufmerksamkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Erkenntnisfähigkeit, Schlussfolgerung, Entscheidungsfindung, Erinnerung/Merkfähigkeit, Lernfähigkeit, Abstraktionsvermögen, Rationalität, Kreativität.

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dert groß. Erfolg versprechende medikamentöse Therapien und Prophylaxe scheinen derzeit nicht in Sicht. Um so mehr gewinnen sozio-therapeutische und rehabilitativ-pflegerische Umgangsformen mit der Demenz an Bedeutung. Dazu gehört neben der Unterstützung durch pflegende Angehörige vor allem die Entwicklung krankheitsangemessener Unterbringungs- und Versorgungsformen. Kleinsteinrichtungen mit häuslichem Charakter oder Wohngruppen sind nach einschlägiger Expertenmeinung die nahe liegende Versorgungsform für demenziell erkrankte Menschen. Allerdings gilt es, bei der Realisierung rechtliche und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Obwohl in Deutschland ca. 250 solcher Wohn- und Hausgemeinschaften existieren, gibt es in Schleswig-Holstein erst fünf Angebote. Vor diesem Hintergrund plant die Brücke SH in verschiedenen Regionen in SchleswigHolstein weitere Hausgemeinschaften. Gespräche mit kommunalen Kosten-

trägern und Arbeitskreisen Gemeindenahe Psychiatrie haben zum Beispiel in Neumünster und Dithmarschen stattgefunden. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung das Angebot an neuen Wohnformen für ältere pflege- und betreuungsbedürftige Menschen. Auf der Tagung des AG 60 plus des SPD Kreisverbandes Dithmarschen „Demenz – von der Pflegeversicherung vergessen?“, zu der Rüdiger Waßmuth, Referent für Gerontopsychiatrie der Brücke SH, als Experte eingeladen war, unterstrich Frau Ministerin Dr. Gitta Trauernicht das Anliegen der Landesregierung: „Wir brauchen Einrichtungen, die wirklich helfen. Eine zukunftsweisende Form sind die ambulant betreuten Hausgemeinschaften. Das Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft“. Brücke SH Gerontopsychiatrische Hausgemeinschaft Jägersberg Jägersberg 16 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-93

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Gesundheit& Therapie

Weiterkommen … Schritt für Schritt aus der Sucht Eingliederungshilfe, Pflege und Substitution: Für chronisch mehrfach geschädigte polyvalent abhängig kranke Menschen bieten die Suchthilfen der Brücke SH ein hoch qualifiziertes modulares Betreuungssystem. Suchtkrankheit unterscheidet sich in vielen Aspekten von anderen Erkrankungen. Für gewöhnlich reagieren Menschen auf Krankheit mit Abwehrreaktionen. Medikamente oder auch chirurgische Eingriffe sorgen für Heilung. Ein erkrankter Mensch wünscht sich so gut wie immer Besserung und hofft auf Genesung. Ganz anders verhält es sich bei einer Suchterkrankung. Sie löst im Menschen gnadenloses Verlangen nach dem Stoff aus, der krank macht und krank hält. Das Konzept Suchthilfe-Einrichtungen der Brücke SH im Kreis SchleswigFlensburg (SL-FL) setzt auf zielgruppenorientierte Angebote. Wohnhaus Ulsnis mit 20 vollstationären Plätzen. Hier werden Menschen betreut, die unter Folgekrankheiten ihrer Alkoholabhängigkeit leiden, zum Beispiel KorsakowSyndrom. Auch Männer und Frauen, die andere Substanzen komplikationsbehaftet konsumierten und in Folge dessen Korsakow-ähnliche Syndrome

aufweisen, leben hier. Zur Aufrechterhaltung einer Vertrauenskette ist im gleichen Haus eine auf diese Personengruppe spezialisierte Pflegeeinrichtung mit 16 Plätzen installiert. Wohnhaus Hasselberg, Hüholz und Birzhaft mit insgesamt 50 vollstationären Plätzen ist es möglich, polyvalent abhängige, chronisch mehrfach geschädigte multimorbide abhängig kranke Menschen zu betreuen. Über ein intern abgestuftes, eng verzahntes System mit drei unterschiedlichen Häusern werden sie auf ein Leben ohne vollstationären Stützrahmen vorbereitet. Ambulante Hilfen und Wohngruppen mit teilstationärer und ambulanter Betreuung für alkoholabhängig und

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Was-ist-das? Substitution _ Lateinisch : substituere _ ersetzen Ersetzen einer bestimmten Sache durch eine andere. Der Ausdruck findet Anwendung in verschiedenen Fachgebieten. Hier für Versorgung bzw. Behandlung Drogenabhängiger mit Drogenersatzstoffen. psychotrope Substanz _ auch psychoaktive Substanz: von außen zugeführter Stoff, der Psyche und Bewusstsein eines Menschen verändert. polyvalent abhängig: neben einer Abhängigkeit von illegalen Drogen besteht meist auch massiver Alkoholmissbrauch. Korsakow-Syndrom: schwerste Gedächtnisstörung bei Alkoholikern, 1880 vom russischen Neurologen Sergei Korsakow (1854–1900) erstmals beschrieben. multimorbid: von vielen Krankheiten betroffen Forensik: medizinische Einrichtung zur Behandlung von (psychisch) erkrankten Menschen, die straffällig geworden und gerichtlich eingewiesen sind. Psychose: schwere psychische Störung, zeitweilig weitgehender Verlust des Realitätsbezugs. Erkrankte erleben ihre Umwelt als verändert. Im Akutstadium keine Krankheitseinsicht möglich. Auffällige Symptome: Wahn, Halluzinationen.

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Gesundheit& Therapie

polyvalent abhängig kranke Menschen. Hier stehen in drei Einrichtungen insgesamt 12 Wohneinheiten im teilstationären Bereich zur Verfügung, sämtlich in Schleswig. Das Angebot der ambulanten Betreuung für den oben genannten Personenkreis besteht für den gesamten Kreis SL-FL. Wohnhaus Psychose und Sucht Die Nachsorge-Einrichtung in Schleswig ist spezialisiert auf die therapeutische Begleitung von Menschen mit

stellung und therapeutische Begleitung bei dem Erwerb von Bewältigungsstrategien für psychische und soziale Konfliktsituationen gegeben. Ziel ist dabei immer eine personenorientierte Begleitung in einer weniger engmaschigen gemeindenahen Betreuung. Die integrierte Betreuung substituierter Patienten/innen ist die herausragende Besonderheit der Suchthilfen der Brücke SH. Die gemeinsame Behandlung substituierter und nicht-substituierter Menschen gehört konzeptionell zur vollstationären Betreuung. So können zum Beispiel im Alltag und über bestimmte Verführungssituationen die Personen

beider Gruppen im begleiteten Rahmen voneinander und miteinander lernen.

Brücke SH Suchthilfen Eckeberg 3 _ 24376 Hasselberg Ruf (0 46 42) 96 22-0 Psychose und Sucht Stadtfeld 34 - 38 _ 24837 Schleswig Ruf (0 46 21) 2 10 64

Zahlen – Daten – Fakten

einer psychischen und einer SuchtErkankung. Mit 19 vollstationären Plätzen und einem internen Stufungskonzept wird Frauen und Männern neben einer umfassenden lebenspraktisch orientierten Betreuung Hilfe-

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Mit speziellen Hilfen bei Suchterkrankungen konnte die Brücke SH 2005 das sozialpsychiatrische Angebot erweitern. Am 1.1.2006 wurden in den Wohnhäusern Ulsnis, Hasselberg, Hüholz und Birzhaft 71 Menschen betreut. Dass es sich um spezielle Suchthilfeeinrichtungen handelt, wird durch die psychiatrischen Diagnosen der Bewohner/innen deutlich: 92 % der Personen leiden an einer massiven Störung durch psychotrope Substanzen. In der Geschlechterverteilung überwiegen mit 72 % deutlich die Männer. In der Altersverteilung gibt es zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede. Sowohl Frauen als auch Männer sind im Durchschnitt 53 Jahre alt. Die mittlere Erkrankungsdauer beträgt im Schnitt 21 Jahre. Folglich sind viele der Bewohner/innen Anfang/Mitte 20 erkrankt.

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Gesundheit& Therapie

Volkskrankheit Depression Wer das Stichwort Depression hört, mag zunächst denken: Deprimiert ist doch jeder mal – oder? Ein Missverständnis, denn eine deprimierte Stimmung ist keine Depression. Beides kann man nicht vergleichen: Depressiv Erkrankte sind nicht einfach nur verstimmt. Sie sind schwer krank. Als Folge davon ziehen sie sich zurück, brechen Kontakte ab, verlieren den Mut zum Leben. Nicht selten erscheint der Gedanke an Suizid als letzter Ausweg aus dem unerträglichen Zustand. „Eine Depression ist, als ob du jeden Morgen einen zentnerschweren Sack schultern musst und dazu verdonnert bist, ihn den ganzen Tag herumzuschleppen“ so ein Betroffener. „Klack – und du stehst im Dunkeln. Die Welt ist verschwunden, mit ihr verabschiedet sich dein Selbst. Plötzlich bist du jemand anderes und hast keine Idee, wie du dein früheres Wesen wieder hervorzaubern kannst.“ 1 Für Menschen, die an der oft unterschätzten Krankheit Depression leiden, bieten Mitarbeiter/innen der Brücke SH professionelle Hilfen. Manfred Bogners 1

Engagement geht hierbei einen weiteren Schritt. Er setzt auf Prävention. Im Kreis Schleswig-Flensburg ist er Regionalleiter der Brücke SH und hat dort das „Bündnis gegen Depression“ ins Leben gerufen. Herr Bogner, warum ist ein „Bündnis gegen Depression“ so wichtig? Weil die Depression eine sehr weit verbreitete Erkrankung ist. Man kann mittlerweile von einer Volkskrankheit sprechen. Allein in Schleswig gibt es schätzungsweise 1.000 betroffene Menschen. Die Erkrankung wird allerdings bei weitem nicht in ausreichendem Maße behandelt. Depressionen werden oft nicht als solche erkannt, weil sie sich auch hinter körperlichen Symptomen verbergen können. Daher erhalten nur 10 % aller Menschen mit depressiver Erkrankung eine angemessene Behandlung. Das kann gefährlich werden – denn unbehandelte Depressionen können zu einem deutlich erhöhten Suizidrisiko führen.

Lässt sich jemandem helfen, aus einer Depression herauszukommen? Das ist oftmals nicht so einfach. Erkrankte ziehen sich zurück, viele erkennen selbst nicht, dass sie an einer Depression leiden. Oder trauen sich aus Was-ist-das? affektive Störungen _ oder auch Affektstörungen : Stimmungsstörungen. Betroffene Menschen sind entweder übermäßig freudig erregt oder gereizt mit übersteigertem Aktivitätsniveau (Euphorie/ Manie). Oder sie sind übermäßig niedergeschlagen mit Energielosigkeit (Depression). Beides kann sich abwechseln, so genannte bipolare Störung, auch manisch-depressive Erkrankung. Organische Ursachen sind nicht erkennbar. Affektive Störungen verlaufen in Phasen. Monopolar: die Phasen des gleichen Erscheinungsbildes wiederholen sich. Bipolar: Phasen der Depression wechseln sich mit Phasen der Manie ab.

Aus Presseerklärung, Auftaktveranstaltung für das Bündnis gegen Depression im Kreis Schleswig-Flensburg von Manfred Bogner. Schleswig, 24.11.2005

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

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Gesundheit& Therapie

Scham oder Angst vor Stigmatisierung nicht, Hilfen wahrzunehmen. Da ist das persönliche Umfeld gefragt, seien es nun Familie, Freunde, Kollegen oder Lehrer. Es gibt auch Angebote und Ansprechpartner/innen in der Region: Das Krisentelefon, da sind kompetente Mitarbeiter/innen auch nachts und am Wochenende erreichbar und vermitteln weiterführende Hilfen. Den einzelnen betroffenen Personen kann je nach Schwere und Ausprägung der Erkrankung mit Therapie und medikamentöser Behandlung geholfen werden. Auf welche Weise hilft das Bündnis gegen Depression konkret? Über eine Vielzahl von Aktivitäten. Zunächst wollen wir Depression als Krankheit zum öffentlichen Thema machen und damit aus der StigmaEcke herausholen. Weiter wollen wir Zahlen – Daten – Fakten 164 Menschen mit depressiver Erkrankung wurden am Stichtag 1. Januar 2005 in Einrichtungen der Brücke SH betreut. Das sind insgesamt 12 % von 1332 Personen gesamt. 128 betroffene Menschen haben die affektive Erkrankung Depression als Hauptdiagnose, 36 als Zweit- oder so genannte Nebendiagnose. Von den 128 betroffenen Menschen mit der Hauptdiagnose einer affektiven Störung (10 %) litten 73 (5 %) ausschließlich an einer Depression, für 55 betroffene Menschen (4 %) wurden noch weitere psychische Erkrankungen neben depressiven Störungen festgestellt.

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Ärzte/innen erreichen und Fortbildungen zum Thema Depression anbieten. Ziel ist, ihnen das Erkennen der Krankheit zu erleichtern, damit die Patienten/innen möglichst frühzeitig eine angemessene Behandlung bekommen. Weiter wollen wir Multiplikatoren erreichen – Lehrer, Altenpflegekräfte, Pastoren, die Polizei u. a. – ihnen bieten wir neben der Information über die depressive Erkrankung konkrete Fortbildung in ihren Einrichtungen an, damit depressive Erkrankungen besser erkannt werden und mit ihnen umgegangen werden kann. Wir fördern die Grün-

dung von Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige und bieten ihnen unsere Unterstützung in der Arbeit an. Zusammengefasst arbeiten wir daran, ein Netzwerk gegen Depression zu schaffen. Wir tun dies, indem wir verschiedene kompetente Akteure in dem Bündnis zusammenführen und so die Hilfemöglichkeiten bündeln, öffentlich machen und weiter ausbauen. Brücke SH _ Regionalleitung im Kreis Schleswig-Flensburg Lutherstraße 2 a _ 24837 Schleswig Ruf (0 46 21) 96 87 22

Das „Bündnis gegen Depression“ im Kreis Schleswig-Flensburg ist eine Initiative der Brücke SH, der Ärzteschaft, von Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen sowie der Fachklinik Schleswig. Das Bündnis steht in Verbindung mit dem bundesweiten Kompetenznetz Depression. Mehr Informationen finden Sie unter www.buendnis-depression.de

Depression in Zahlen Aus: „Ein Projekt zur Prävention von Depression und Suizid“, Bündnis gegen Depression

• Schätzungen zufolge leiden ca. 5 % der Bevölkerung an einer behandlungswürdigen Depression. Das sind etwa 4 Millionen Menschen in Deutschland. • Nur etwa 60 – 70 % dieser Menschen befinden sich aufgrund ihrer Erkrankung in hausärztlicher Behandlung. • Bei nur 30 – 35 % der Erkrankten wird Depression korrekt diagnostiziert. • Und nur 10 % der Erkrankten erfahren eine adäquate Therapie. • Bei 40 – 70 % aller Suizide zählen Depressionen zu den Hauptursachen.

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Wohnen & Leben

Beratung & Information Im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt es die zentrale Stelle Beratung & Information seit April 2006. Dieses Angebot soll künftig Menschen mit psychischen Erkrankungen, Angehörigen sowie Interessierten in allen Regionen zur Verfügung stehen, in denen die Brücke SH vertreten ist. In Schwarzenbek können sich Ratsuchende in Sprechzeiten bei Mitarbeitern/innen der psychosozialen und beruflichen Rehabilitation informieren: Welche Angebote dieser Bereiche gibt es in der Region? Was kommt für mich in Frage? Gibt es Netzwerke, die ich als betroffener Mensch nutzen kann? Welche Möglichkeiten die Brücke SH bietet und in welcher Form diese aufeinander abgestimmt werden können, wird von den Beratenden ebenfalls geprüft. „Während der kurzen Zeit des Bestehens erfahren wir eine rapide Zunahme von Anfragen und Aufträgen.“, so Kathrin Roßberg, die mit ihrem Kollegen Helmut Oldewurtel den Bereich aufbaut und führt. Vielfältig sind die Dienste des Beratungsduos. Auch Anträge von Klienten und Kliententinnen werden mit ihnen gemeinsam formuliert. In sensiblen Fällen wie etwa Widerspruch bei Ablehnung einer Kostenübernahme wird fachkundig unterstützt. Dies erfolgt nach Rücksprache mit Fachspezialisten/innen und sobald die rechtlichen Voraussetzungen geklärt sind. Regelmäßige Sprechzeiten gibt es zudem in der psychosomatischen Klinik, der psychiatrischen Tagesklinik und in der Klinik für Psychiatrie. Beratungen können in Gruppen- und Einzelgesprächen stattfinden.

„Behörden fragen verstärkt bei uns an“, berichtet Helmut Oldewurtel. Vernetzung, fachlicher Austausch zu Einrichtungen und Diensten, Vermittlung zu Hilfeplanern und Leistungsträgern sowie Ärzten/innen – das fachliche Spektrum entspricht vielen Zielgruppen. Ergebnis einer Beratung kann auch Fortbildung sein. Als Gruppenangebot wurde mit dem Integrationsfachdienst gemeinsam Qualifizierung von 1-EuroJobbern angeboten und durchgeführt. Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen, GSK, ist nachhaltig erfolgreich. Mittlerweile wird diese Qualifizierung für andere Träger geplant und umgesetzt. Die Unterstützung aus Beratung & Information schafft Verbindung und Übersicht. Das wissen die Kollegen/innen der Einrichtungen und Dienste der Brücke SH im Kreis Herzogtum Lauenburg ebenfalls sehr zu schätzen. Seien es Anfragen über Kostenzusagen oder -ablehnungen, zur Koordination von Leistungen, zu möglichen Neuentwicklungen von Angeboten … bei Kathrin Roßberg und Helmut Oldewurtel verbinden sich die Einzelteile und Teilchen zu einem tragenden gesamten Netzwerk.

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Beratung & Information – und so erreichen Sie uns: in Kiel Muhliusstraße 84 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 06-98 in Neumünster Schützenstraße 44 _ 24534 Neumünster Ruf (0 43 21) 7 07 97-10 im Kreis Dithmarschen Poststraße 5 _ 25746 Heide Ruf (04 81) 42 15 29-0 im Kreis Herzogtum Lauenburg Grabauer Straße 10 _ 21493 Schwarzenbek Ruf (0 41 51) 89 89-16/-17 im Kreis Nordfriesland Brinckmannstraße 11 _ 25813 Husum Ruf (0 48 41) 8 26 06 im Kreis Pinneberg Berliner Straße 20 _ 25336 Elmshorn Ruf (0 41 21) 4 75 61-15 im Kreis Plön Wakendorfer Straße 16 _ 24211 Preetz Ruf (0 43 42) 3 09 08-0 im Kreis Schleswig-Flensburg Lutherstraße 2 a _ 24837 Schleswig Ruf (0 46 21) 98 84 04 im Kreis Steinburg Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe Ruf (0 48 21) 67 91-11

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Wohnen & Leben

Förderung in kleinsten Schritten: Leben im Wohnhaus Die Wohnhäuser der Brücke SH bieten Menschen mit hohem Hilfebedarf vollstationäre Betreuung mit allen Möglichkeiten des Lebens mitten in der Gesellschaft. Der vollstationäre Rahmen bedeutet längst nicht mehr, in einem Heim zu leben oder leben zu müssen: Die individuelle Entwicklung, die Freiräume der Betreuten sind zentrale Themen der Förderung. Unsere alltägliche Arbeit – mit immer neuen Herausforderungen. Volljährige Männer und Frauen mit schweren psychischen Beeinträchtigungen können schon seit vielen Jahren Hilfeleistungen in unseren Wohnhäusern in Anspruch nehmen – ein Angebot, das in der Bandbreite der sozialpsychiatrischen Leistungen der Brücke SH seine unbestrittene Berechtigung hat. Eine intensive Form der Begleitung im Tageslauf, die gemeindenahe Begleitung auch der Menschen, deren Erkrankung Förderung in kleinsten Schritten notwendig macht. Gelebte Praxis. Zugleich sind die Mitarbeiter/innen vor neue Anforderungen gestellt. Der

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Grundsatz, Menschen mit besonderen Hilfebedarfen nicht auszuschließen, und die finanzielle Anforderung, Spezialeinrichtungen zu begrenzen, umrahmen eine Entwicklung, in der immer mehr Menschen mit verändert komplexen Hilfebedarfen in den Wohnhäusern betreut werden. In erster Linie kommt es aufgrund der deutlich reduzierten Behandlungszeiten in der klinischen Psychiatrie zu erhöhten Anforderungen an die Wohnhäuser, Menschen mit einem hohen Hilfebedarf zu versorgen, die deutliche Krankheitssymptome haben und deren Eingliederung ist das System Wohn-

haus sehr aufwendig ist. Außerdem werden in den Wohnhäusern der Brücke SH in den vergangenen Jahren auch verstärkt Menschen betreut, die – zusätzlich zu ihrem psychiatrischen Hilfebedarf – weitere Unterstützung benötigen: Frauen, selten Männer, mit Kindern, Schwangere, Menschen mit Drogenproblemen, Menschen mit somatischen Erkrankungen oder Personen aus dem Strafvollzug. Die Brücke SH hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen Hilfestellung zur Lösung ihrer Probleme und ihrer Lebenssituation anzubieten – also auch Menschen mit mehrfachen Problemen.

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Wohnen & Leben

Zahlen – Daten – Fakten

Dies geschieht in der Regel selbstverständlich und ohne viel Aufsehen. So versuchen wir, die besonderen Bedürfnisse von schwangeren Frauen in ihrer sehr speziellen Lebenssituation zu erkennen und dem Bedarf zu begegnen. Ebenso arbeiten wir daran – auch unter Einbeziehung anderer, gegebenenfalls externer Dienste – die Ersatzbehandlung von Drogenabhängigen zu sichern. Und wir bemühen uns, chronisch erkrankten Menschen eine ihrer individuellen Situation angepasste Lebensform mit Unterstützung zu ermöglichen. Wie zum Beispiel Elke Dehn1, die seit Jahren chronisch psychisch erkrankt ist und eine regelmäßige Begleitung im vollstationären Rahmen benötigt. Kontinuierliche Förderung machte es möglich, dass sie eine in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses gelegene, zum Equipment der Einrichtung gehörende 1

Außenwohnung beziehen konnte. Ein wichtiger Schritt nach draußen, intensives Training von Selbständigkeit. Ein Stück ganz normalen Lebens. Mit feingliedrig organisierter Begleitung drumherum: Mieter der Wohnung ist die Brücke SH, Heizkostenabrechnungen und Reparaturen an der Heizung oder der Waschmaschine werden durch die Bezugsbetreuer/innen organisiert, die Wäsche wird vom Wohnhaus gewaschen und die täglichen Mahlzeiten und die Medikamenteneinnahme werden durch Mitarbeiter/innen des Wohnhauses organisiert. Neben der benannten Einzelwohnung gibt es weitere Einzelwohnungen sowie eine Wohngemeinschaft für zwei Personen für noch andere ganz eigene Lebenswege. Dass die Betreuung durch die Bezugsbetreuer/innen kontinuierlich fortgesetzt wird und bei Bedarf die Rückkehr in das Wohnhaus stets möglich ist, versteht sich hierbei von selbst.

Die Brücke SH hält sieben Wohnhäuser für erwachsene, psychisch kranke Menschen ohne Suchtproblematik vor. Diese befinden sich in sechs Landkreisen oder kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins. Am 1.1.2006 wurden 210 Menschen in den Wohnhäusern betreut, 107 Frauen und 103 Männer. Das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre. Rund die Hälfte der Bewohner/innen kam direkt aus einer psychiatrischen Klinik in die Betreuung durch das Wohnhaus. Eine weitere große Personengruppe ist aus anderen Einrichtungen in die Wohnhäuser der Brücke SH gezogen. Die meisten Bewohner und Bewohnerinnen leben seit rund fünf Jahren in einem Wohnhaus der Brücke SH. Im Jahre 2005 verließen insgesamt 44 Frauen und Männer die Wohnhäuser. 16 % sind in eine teilstationäre Betreuung gewechselt, einige sind auch ohne weiteren Betreuungsbedarf entlassen worden. Das Durchschnittsalter der Bewohner/innen betrug am 1.1.2006 42 Jahre. Der Großteil erkrankte im jungen Erwachsenenalter (Mitte/ Anfang 20), folglich beträgt die Erkrankungsdauer der Bewohner und Bewohnerinnen im Schnitt 20 Jahre. Bei den Diagnosen überwiegt mit 54 % die Schizophrenie, weitere 16 % haben eine schizoaffektive Erkrankung. 40 % der Betroffenen haben neben der Hauptdiagnose noch eine Zweitdiagnose.

Name von der Redaktion geändert.

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Wohnen & Leben

Leben mit Schizophrenie – Hoffnung für Langzeitkranke Wohnortnahe Betreuung ist eine Qualität: Seit 20 Jahren werden im Kreis Dithmarschen Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind – überwiegend an einer Schizophrenie – vor Ort versorgt. 1986 – endlich: Durch Aufbau sozialpsychiatrischer Versorgungsangebote können Menschen mit psychischer Erkrankung dort leben, wo sie zu Hause sind. Möglich wird dies durch betreute Wohngruppen mit hoher Selbstversorgung. Bei weiterem Versorgungsbedarf wird auf vollstationäre Zahlen – Daten – Fakten Am Stichtag 1. Januar 2006 wurden in den Einrichtungen der Brücke SH 434 Menschen mit der Hauptdiagnose Schizophrenie betreut. Weitere 110 Menschen haben eine schizoaffektive Erkrankung. Insgesamt sind dies 41 % der am 1. Januar Anwesenden. 145 Betroffene mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis haben zusätzlich noch eine 2. Diagnose (27 %). Männer und Frauen sind gleich häufig vertreten. Das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre. 362 (67 %) der an Schizophrenie erkrankten Menschen sind schon länger als 10 Jahre erkrankt, die mittlere Erkrankungsdauer aller schizophrenen Betreuten beträgt mehr als 16 Jahre. 23 % der AngebotNutzenden sind erst seit einem Jahr in Betreuung durch die Brücke SH. Da die Erkrankung oft chronisch verläuft, benötigen die Betroffenen oft längerfristige Betreuung. 12 % nutzen seit mehr als 10 Jahren Angebote der Brücke SH.

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umfassende Betreuung in ersten kleinen sozialpsychiatrischen Wohnheimen (30 Plätze) zurückgegriffen. Alle sind gut zugänglich in Wohngebieten gelegen. Bald entstehen Außenwohngruppen als Satelliten des Wohnheims. Denn viele Menschen können und wollen trotz vollstationären Hilfebedarfs in den eigenen vier Wänden leben. Für jene, die im privaten Haushalt wohnen können, entsteht das Angebot der ambulanten Betreuung. Sozialpsychiatrisch ausgerichtet gestaltet die Brücke SH von Anfang an die Versorgungslandschaft mit. Landesweit werden in den Regionen, in denen es Brücke SH-Wohnangebote gibt, Wohnverbünde gebildet. Diese garantieren eine enge Vernetzung von unterschiedlichen Betreuungsdichten. So sind Menschen, die erkranken oder deren Krankheitszustand sich verschlechtert, in notwendiger Weise und mit individueller Hilfe versorgt und können im eigenen Umfeld leben. Der personenorientrierte Ansatz etabliert sich. Langzeiterkrankung und chronischer Verlauf sind bei Psychosen trotz guter Behandlung und Betreuung nicht ausgeschlossen – ca. ein Drittel an

Psychose erkrankter Frauen und Männer leiden an den Symptomen der Chronifizierung. Langzeitbereiche in Fachkliniken und damit wohnortferne Unterbringung waren viele Jahre die gängige Versorgungsform. 2000 – endlich: Das Wohnhaus „Haus Gezeiten“ der Brücke SH im Kreis Dithmarschen wird eingeweiht. 24 Menschen leben hier. Frauen und Männer, die an einer Psychose erkrankt sind und deren Krankheitsverlauf intensivere Betreuung erforderlich macht. Besuchenden gefällt die großzügige Raumgestaltung des Hauses. Mit Geschick sind die Räume geplant. Die Privaträume haben alle eigene Badezimmer. Erforderliche Pflegeleistungen werden im Wohnhaus selbst erbracht. Wichtigster Bestandteil in der Betreuung ist die hohe Präsenz der Mitarbeiter/innen. Sie sind jederzeit ansprechbar und können auf erhöhten Hilfebedarf sofort reagieren. Das Team der Mitarbeiter/innen ist flexibel auf die jeweiligen Befindlichkeiten der Bewohner/innen eingestellt. Das Gesamtkonzept berücksichtigt fachliche Nähe zum Krankenhaus. Entsprechend liegt „Haus Gezeiten“ auf dem Krankenhausgelände. So kann fachärztliche Behandlung bei intensi-

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Wohnen & Leben

Was-ist-das? Psychose schwere psychische Störung, zeitweilig weitgehender Verlust des Realitätsbezugs. Erkrankte erleben ihre Umwelt als verändert. Im Akutstadium keine Krankheitseinsicht möglich. Auffällige Symptome: Wahn, Halluzinationen. Schizophrenie endogene (von innen kommend) Psychose. Störungen und

vem Behandlungsbedarf und in Krisen im Wohnhaus durchgeführt werden. Enge Zusammenarbeit mit der Institutsambulanz der Psychiatrischen Klinik ist möglich. Die Stadtrandlage bietet den Vorteil des verkehrsgeschützten Wohnens. Die Innenstadt ist zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut zu erreichen. Einkaufsbummel und Ausflüge werden bei Bedarf vom Personal unterstützt. „Haus Gezeiten“ ist zu Recht ein Wohnhaus mit Hoffnung für Langzeiterkrankte: Bei sechs Bewohner/innen stabilisierten sich die Krankheitsverläufe in den letzten sechs Jahren. Sie wechselten in offenere und weniger eng betreute Wohnformen. Für den gesamten Wohnverbund im Kreis Dithmarschen von großer Bedeutung: Aus dem Haus Gezeiten kommt aktive Nutzer/innen-Beteiligung. Eine Bewohnerin ist Mitglied des Wohnverbundbeirates, der auch die Funktion des Heimbeirates ausfüllt. Zwei Bewohnerinnen konnten im Jahr 2006 an einer extern stattfindenden Pegasusgruppe1 teilnehmen. Für chronisch erkrankte Männer und Frauen, die nicht mehr eine Werkstatt

für psychisch behinderte Menschen besuchen können, ist ein Arbeitsbereich eingerichtet. Montage-Tätigkeiten, Fahrradreparatur und Gartenarbeit bieten Tagesstruktur und Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Dieser Bereich entwikkelt sich je nach Ressourcen der Teilnehmenden und ist für den gesamten Wohnverbund da.

Veränderungen des Denkens, Fühlens, Handelns und des Ich-Erlebens. Vertraute Dinge, Personen werden unheimlich. Veränderungen flößen Betroffenen meist Angst ein. Rückzug und Misstrauen sind die Folgen. Selbst Menschen aus engstem Umfeld werden als Feindbilder gesehen. Schizoaffektive Störung psychische Störung, vereint Symptome der Schizophrenie und manisch-depressiver Störung (bipolare affektive Störung):

Sport, soziale Kontakte, Freizeitgestaltung – für nicht Erkrankte kaum vorstellbar, wie anstrengend es für Menschen mit einer (psychischen) Erkrankung sein kann, da mitzuhalten. Teilhabe und Integration für erkrankte und behinderte Menschen gemeindenah zu erleben, soll nicht überfordern. Der Beirat des Wohnverbundes in Heide bietet Alternativen mit größtenteils selbst organisierter Freizeitgestaltung: Filmabende, Disko, Klönnachmittage, Internetcafé und Spielabende. Angebote, die gern genutzt werden und die Hoffnung machen.

Depression oder Manie und Wahn oder Halluzinationen. Psychoedukative Gruppenarbeit Schulung von Menschen mit psychischen Störungen. Ziel ist, die Krankheit besser verstehen, besser mit ihr umgehen zu können. Persönliche Erfahrungen mit der eigenen Erkrankung werden mit gegenwärtigem Wissen über die Erkrankung verbunden. Eigene Ressourcen und Möglichkeiten werden aufgeführt, um mögliche Rückfälle zu vermeiden und selbst langfristig zur eigenen Gesundheit beizutragen. Trägt auch zur Entstigmatisierung (Auflösen von Vorurteilen) psychischer Störungen bei. Hilft Barrieren zum Aufsuchen einer Behandlung abzubauen. Einblick in Ursachen und Wirkungen der

Brücke SH Wohnhaus Haus Gezeiten Hochfelder Weg 56 i _ 25746 Heide Ruf (04 81) 7 86 11-0

eigenen Krankheit sowie der geschärfte Blick für Zusammenhänge wirken sich häufig positiv auf die Behandlung und den weiteren Verlauf der Krankheit bei den Patienten und Patientinnen aus.

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Psychoedukative Gruppenarbeit mit schizophren und schizoaffektiv erkrankten Menschen

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

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Wohnen & Leben

„Ziele und Struktur haben mir geholfen“ 1997 hat Ingo Arnaschus seine erste depressive Episode. Er konnte damit nichts anfangen, zumal er „aus eigener Kraft wieder herausgekommen“ ist. Er ging nicht zur Arbeit, verlor seinen Job – doch die Symptome nahm er nicht ernst. Ingo Arnaschus fand eine neue Arbeitsstelle. Er nahm sein gewohntes Leben wieder auf. Starke Belastungen in Beruf und Privatleben ließen ihn 1999 tief in eine Depression rutschen. Wieder verlor er seinen Job, weil er nicht zur Arbeit ging. Dieses Mal konnte er auch anderen Dingen nicht mehr nachgehen. „Ich lebte in den Tag hinein“, sagt er heute. Eine Tante regte schließlich gesetzliche Betreuung für ihn an. Seine finanziellen Verpflichtungen vernachlässigte er bereits, jede Hilfe lehnte er ab. Im Rückblick schildert er … Herr Arnaschus, was war damals los? Ich war damals total uneinsichtig. Ich konnte Hilfsangebote nicht annehmen, da ich nicht erkannte, dass ich welche benötige. Meine gesetzliche Betreuerin sorgte schließlich dafür, dass ich in der Psychiatrie im Westküstenklinikum in Heide aufgenommen wurde. Aber auch da konnte ich keinen Hilfebedarf für mich erkennen. Bin mehrmals weggelaufen. Hat sich das irgendwann geändert? Mir wurde gedroht, mich im Wiederholungsfall geschlossen unterzubringen. Da hat sich bei mir der Schalter umgelegt. Mir wurde klar: Du musst was tun, um wieder auf die Beine zu kommen. Nach neun Monaten Behandlungsdauer wurde ich schließlich entlassen und kam ins Haus Gezeiten.

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Haus Gezeiten, das Wohnhaus für chronisch psychisch erkrankte Menschen … … ja, und wieder hatte ich das Gefühl, gleich nach dem Klinikaufenthalt, ganz gesund zu sein. Ich wollte in eine eigene Wohnung ziehen. Die Ärzte, meine gesetzliche Betreuerin und die Leiterin vom Haus Gezeiten haben mich dann überzeugt, dass es notwendig ist, im Wohnhaus betreut zu werden.“ Etwa drei Jahre wurden Sie im Haus Gezeiten betreut. Wie sehen Sie diese Zeit heute? Erst konnte ich mich nicht so recht auf die Betreuung dort einlassen. Letztlich war dieser Schritt aber notwendig für mich. So konnte ich langsam wieder eine Tagesstruktur aufbauen. Richtig bergauf ging es, als ich im Februar 2003 in der Werkstatt Neuwerk anfing zu arbeiten. Das hat mir einen Schubs gegeben. Im Oktober 2003 bezog ich dann eine kleine Wohnung in Heide und wurde dort intensiv weiter betreut. Seit einem Jahr wohnen Sie in Ihrer eigenen Wohnung und werden ambulant betreut. Ein positiver Verlauf … … letztendlich schon. Doch musste ich auch Rückschläge wegstecken. 2004 hatte ich eine schwere Darmentzündung, zudem wurde bei mir ein Nierenkrebs diagnostiziert. Dadurch wurde ich über ein Jahr aus meinem neuen Leben gezogen. Wieder konnte ich nicht arbeiten, musste viel liegen und wurde noch zweimal operiert. Eine

Zeit lang habe ich mich wieder richtig gehen lassen. Wieder in den Tag hinein gelebt. Schließlich habe ich mich sehr zusammengerissen, um nicht zu versanden. Dann habe ich erneut Schritt für Schritt angefangen zu arbeiten, erst in der Arbeitstherapie, dann für ein paar Stunden täglich in der Werkstatt. Wie geht es Ihnen heute? Mir geht’s gut! Mit meiner psychischen Gesundheit bin ich schon über einen langen Zeitraum stabil. Ich arbeite Vollzeit im Neuwerk. Jetzt plane ich, ein Praktikum in einem Baumarkt zu machen. Vielleicht schaffe ich es irgendwann wieder, in meinem alten Beruf als Einzelhandelskaufmann zu arbeiten. Was hat Ihnen während Ihrer Krankheitsgeschichte am meisten geholfen? Ich hatte von Anfang an das Ziel: Irgendwann lebst du wieder in einer eigenen Wohnung. Und du arbeitest wieder in deinem alten Job. Diese Hoffnung ist mein Antrieb. Und es war wichtig für mich, zu der Einsicht zu gelangen, dass ich krank bin und Hilfe benötige. Dabei haben mir meine Betreuer sehr geholfen. In der Zeit, als es mir noch nicht so gut ging, hat mir zudem der Aufbau einer Tagesstruktur geholfen. So konnte ich nicht mehr in den Tag hinein leben und musste in die Hufe kommen. Vielen Dank für Ihre Schilderungen – und weiterhin so viel Kraft!

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Wohnen & Leben

Günstige Lebensumfelder schaffen – von Kindesbeinen an Sozialpädagogische Familienhilfe, Familienhebammen, psychosoziale Betreuung in Kooperation mit Jobcentern – die Angebote der Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Kiel sind vielfältig. Die Brücke SH-Statistik belegt: Im Durchschnitt findet eine psychische Ersterkrankung mit 17 Jahren statt – das ist sehr jung. Vier bis zehn Jahre später hat ein junger Mensch unter Umständen bereits bis zu 21 Monate seines Lebens in stationärer psychiatrischer Behandlung verbracht – das ist viel. Mit zielgruppenorientierten Konzepten bietet ein ambulantes Team in Kiel Familien, Kindern und Jugendlichen umfassende Unterstützung. Frühzeitig, bereits während einer Schwangerschaft, können psychisch belastete Menschen auf Hilfe der speziell ausgebildeten Hebammen zurückgreifen. Nach der Geburt werden Kind und Eltern im Alltag bis zu einem Jahr weiterhin von der Hebamme begleitet. Die betreuenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sind einbezogen. Bei Bedarf könnte durch sie frühzeitige weitere Hilfe erfolgen. Das Konzept beinhaltet die Verzahnung von Angeboten gemäß SGB1 V, SGB VIII und SGB XII. Ziel des ambulanten Brücke SH-Teams ist, Kindern möglichst von Anfang an ein Lebensumfeld zu gewährleisten, in dem ihre indivi1

duelle Entwicklung gefördert wird. Der Erfolg hiervon ist groß, so dass seit Mai 2006 nach diesem Konzept das Jugendhilfeangebot im Kreis Plön ausgeweitet wird. Die Gründung der heutigen Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe entstand aus der Not. 1996 bat die Stadt Kiel um Unterstützung: Kein bekannter Hilfeanbieter war erfolgreich in der Lage, ein Mädchen zu betreuen, das auf der Straße lebte. Ein Teamkollege aus dem Jugendwohnhaus Lornsenstraße wurde für das Mädchen freigestellt. Die Ambulanten Hilfen waren geboren. Weitere Jugendliche folgten, gerade bei ihnen ist die Resonanz auf diese Form der Nachbetreuung groß. Kontinuierliche qualitative Weiterentwicklung, zum Beispiel durch sozialpädagogische Familienhilfe, therapeutische Gruppenangebote und Elternkurse sorgen für große Nachfrage. Und das Betreuungsangebot wächst weiter. Die psychosoziale Betreuung von Menschen, die ALG II erhalten, startete im Oktober 2006. Ziel ist, ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Klärung und Stabilisierung der persönlichen Lebenssituation, Ab-

bau oder Milderung vorliegender Vermittlungshemmnisse sind dabei vorgesehen. Dieses Projekt findet in Kooperation mit den Jobcentern statt. Brücke SH Ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Kaiserstraße 79 _ 24143 Kiel Ruf (04 31) 3 00 30 07 Zahlen – Daten – Fakten Von den jungen Menschen, die die Ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfe am 1.1.2005 nutzten, sind die Frauen im Durchschnitt 23 Jahre, die Männer 27 Jahre alt. Das Alter der Ersterkrankung ist mit 17 Jahren sehr jung. Vor Aufnahme in die Betreuung durch die Brücke SH sind die Betroffenen bereits im Durchschnitt 7 % ihrer Lebenszeit, 21 Monate, in stationärer Behandlung gewesen. Bei den Krankheitsbildern überwiegen bei den ambulant betreuten jungen Menschen mit 24 % Schizophrenien, mit 18 % sind Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen häufig vertreten. Hinsichtlich der Kinderzahl unterscheiden sich die beiden Gruppen der ambulant betreuten Betroffenen kaum. Von 33 Frauen und Männern bei der Ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe haben 10 Menschen, 30 %, ein oder mehrere Kind(er). Gleiches gilt für Klienten und Klientinnen anderer Einrichtungen.

Sozialgesetzbuch; SGB V: Gesetzl. Krankenversicherung; SGB VIII: Kinder- u. Jugendhilfegesetz; SGB XII: Sozialhilfe

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

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Freizeit & Kontakt

Experten in eigener Sache Beratung von Betroffenen für Betroffene Seit Juli 2005 ist die Beratungsstelle Empowerment mit einer Betroffenen für Betroffene in Itzehoe besetzt. Ein Novum. Das Angebot richtet sich an Menschen mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen und Behinderungen. Der Erfolg der Beratungsform liegt in der offen gemachten Betroffenheit der Berater und Beraterinnen. Voraussetzung für die Beratenden ist die Akzeptanz der eigenen Betroffenheit und der persönlichen Erfahrung. Die persönliche Geschichte muss bearbeitet sein, nur so ist der Abstand zu den eigenen Erlebnissen und Erfahrungen gegeben. Im Mittelpunkt der Was-ist-das? Empowerment _ Englisch : Ermächtigung oder Bevollmächtigung. Deutsch auch im Sinne von Selbstbefähigung genutzt. Mitwirkungsmöglichkeit, Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben der Menschen zu erhöhen. Ziel ist, eigene Belange – wieder – eigenmächtig, selbstverantwortet und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten. Empowerment meint sowohl den Prozess der Selbstbemächtigung wie auch professionelle Unterstützung der Menschen, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen. Peer-Counseling _ Englisch : peer _ Gleichgestellte/r : counseling _ beraten, empfehlen Beratungsmethode von Betroffenen für Betroffene.

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Beratung stehen die betroffenen Menschen selbst. Die eigenen Erfahrungen fließen als Erfahrungswissen in die Gespräche ein. So wird es Ratsuchenden leichter, über Schwierigkeiten und Ängste zu sprechen. Gemeinsame Erfahrungen werden ausgetauscht. Das schafft eine andere Form des Vertrauens. Der Weg der Vertrauensbildung kann dadurch kürzer sein. Erlebte Ängste, Sorgen und Wünsche lassen sich freier schildern. Peer-Berater/innen haben ihre eigenen Schwierigkeiten überwunden. Sie bieten gelebte Beispiele für ein Leben nach der Krise. Und wie es sich trotz und mit psychischer Erkrankung lebt. In der Beratung geht es um … … die Stärkung des Selbstwertgefühls. Die Rückgewinnung oder die Gewinnung von Stärke, Kraft, Selbstvertrauen und Mut. Notwendigkeiten, um ein selbst–bestimmtes Leben zu führen. … die Hilfe zur Selbsthilfe. In der Selbsthilfegruppe „Lichtblick“ arbeiten die Teilnehmenden an individuellen Erste-Hilfe-Taschen für die Seele. Ein Versuch, die Eindrücke zu verstehen, die Spuren in den Seelen hinterlassen haben … … um die Tipps und Tricks, wie mit den eigenen Schwierigkeiten besser klar zu

kommen ist. Etwa, die Stolpersteine auf dem Lebensweg zu erkennen und mit ihnen bewusst umzugehen. Das führt auch durch schwierige Lebenssituationen hindurch – und lehrt, mit Niederlagen und persönlichem Scheitern umzugehen. … Einzelgespräche bei verschiedensten Problemen. Wie gehe ich mit Medikamenten um? Meine Zukunftsplanung, was ist mir wichtig? Es geht um die Entwicklung eines gestärkten Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten. Auch die Fähigkeit, Hilfe bewusst in Anspruch zu nehmen, will gelernt sein. Peer-Counseling hilft, die eigenen Wünsche und den eigenen Bedarf zu erkennen und selbstbewusst an der Erfüllung zu arbeiten. Ratsuchende erfahren tatkräftige und unterstützende Förderung ihrer eigenen Lebenswege. Brücke SH Beratung von Betroffenen für Betroffene Bahnhofstraße 17 _ 25524 Itzehoe Ruf (0 48 21) 67 91-26

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Freizeit & Kontakt

Soziale Kontakte: 0,7 für Husum! Das klingt fast nach Eiskunstlauf. Mit ernster Miene halten die Experten der Jury Täfelchen in die Luft, und selbst wenn die Sportlerin, der Sportler noch so gut war – sind andere besser, dann hat’s nicht gereicht. Fragt sich: Warum war ich nicht ganz vorne? Und: Was hat all das mit Husum zu tun? Mehr als gedacht. Auch die Wohngruppen sowie die ambulante Betreuung werden bewertet, wenn auch nicht über Plastiktäfelchen. Und die Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen tanzen nicht auf dem Eis, sondern werden nach ihrer Meinung über die Einrichtung befragt. Die Jury besteht also aus denen, die es am besten wissen: Aus den Menschen vor Ort. Befragt wird aber nicht nur Husum, sondern alle Einrichtungen der Brücke SH, wie noch viele gemeindenahe psychiatrische Angebote zahlreicher anderer Träger. Ein großer Vorteil: Die Angebote werden vergleichbar. Diese Methode des Bewertens und Vergleichens heißt Benchmarking.

knappen Eins Minus und zeigt den Mittelwert aller Einrichtungen an, die an der Befragung teilnehmen. Man sieht: Im Vergleich sind andere ein wenig besser. Und das spornt an. 2005. Das nächste Benchmarking. Mit einem Ergebnis, das stolz macht: 0,7 zu 1,7. Der Schnitt liegt bei einer guten Zwei – aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verleihen ihren Einrichtungen in Husum eine Eins Plus!

Das Verfahren ist kein Selbstzweck, es nutzt vor allem den Menschen in den Einrichtungen. Und hier sind wir wieder in Husum. Beispiel: Das Benchmarking 2003. Eines der Ergebnisse, in Noten umgerechnet: 1,7 gegenüber 1,5 in der Frage „Wie zufrieden sind Sie mit den Kontaktmöglichkeiten zu anderen Nutzern und Nutzerinnen?“

Wie war das möglich? Dank Benchmarking – und dem offenen Dialog zwischen denen, die in den Einrichtungen arbeiten und denen, die dort leben. Wieder mit jenen im Mittelpunkt, die es am besten wissen: den Menschen, die die Angebote nutzen. Intensiv setzt man sich auseinander, über alle Anregungen wird lebhaft diskutiert, sie werden geprüft und das mit Erfolg. Viele Vorschläge werden umgesetzt. Wie etwa gemeinsame Ausflüge und Aktivitäten in Form von Gruppenangeboten. Das führt Menschen aus verschiedenen Einrichtungen zusammen. Und so entstehen Freundschaften.

Die geheimnisvollen Zahlen drücken eine Menge aus. Die erste Zahl – 1,7 – ist die Benotung der Einrichtung selbst. Also eine Zwei Plus. Und die zweite Note, die 1,5? Sie entspricht einer

Brücke SH Ambulante Hilfen _ Wohngruppen Brinckmannstraße 11 _ 25813 Husum Ruf (0 48 41) 8 26 06

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Was-ist-das? Benchmarking _ bedeutet das systematische und organisierte Suchen nach besseren Lösungen durch den Vergleich von Dienstleistungen, Produkten, Prozessen und Methoden mit den Wettbewerbern. Die Brücke SH führt seit 1997 alle zwei Jahre Benchmarking-Befragungen durch. Mit Hilfe von Fragebögen wird von Klienten/innen ihre Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen gemessen, von Mitarbeiter/innen deren Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen. Bewertet wird auf einer Skala von null bis fünf. 12 weitere Organisationen mit gemeindepsychiatrischen Angeboten führen intern diese anonymen Befragungen durch. Die Ergebnisse aller Beteiligten werden über Statistik miteinander verglichen. Ziel des Benchmarking ist, die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern. Gute Qualität und gute Arbeit hängen direkt mit der Zufriedenheit und der Beteiligung aller, sowohl der Klienten/innen als auch der Mitarbeiter/innen zusammen. Durch den Vergleich mit den anderen teilnehmenden Organisationen und durch gegenseitiges voneinander Lernen sollen die Angebote und sozialen Dienstleistungen kontinuierlich verbessert werden. Die regelmäßige Durchführung der Befragung ermöglicht zudem die Überprüfung der Entwicklungen in den Einrichtungen im Laufe der Jahre.

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Freizeit & Kontakt

Stellungnahmen von Sylta Lankenau, Mitglied des Heimbeirates des Wohnhauses Husum „Nachdem wir die Tabellen verglichen und festgestellt hatten, dass wir uns bis auf einen Punkt verbessert hatten, sammelten wir Themen auf dem Marktplatz der Ideen: Küche, Freizeit, Integration, Drogen, Alkohol, das Miteinander von Bezugsbetreuer/innen und Bewohner/innen. Einiges ist auch schon umgesetzt worden. […] Es werden noch Freizeitangebote folgen, da bin ich mir sicher. […] Die Freizeitangebote sind sehr vielseitig. Wir sind mit der Frauengruppe in den Barockgarten in Schleswig, Schloss Gottorf, gefahren, wo wir sehen konnten, dass mit viel Arbeit und Liebe zum Detail gearbeitet worden ist. Es war ein wunderschöner Ausflug. Ein anderes Mal sind wir zu den Karl-May-Festspielen nach Bad Segeberg gefahren. Das war ein beeindruckender Nachmittag. An einem Samstag sind wir mit 15 Personen einen ganzen Tag lang auf Sylt gewesen – ein traumhafter Tag! Sonne pur, und wir waren im Aquarium. Ein Super-Erlebnis; die ganze Vielfalt der Meeresbewohner war reizvoll anzusehen. Im Anschluss daran waren wir einige Stunden am Strand, wo wir uns teilweise einen Sonnenbrand geholt haben. Von diesem Tag werden wir noch lange zehren. Überhaupt werden die Freizeitangebote nach den Wünschen der Bewohner ausgerichtet. Die Beispiele waren nur einige von vielen.“

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Marktplatz der Ideen Über die Jahre ist aus dem Verfahren, wie die Auswertung der Benchmarking-Ergebnisse im Wohnhaus Husum erfolgt, bereits eine Tradition geworden: Die Teamleiterin des Wohnhauses lädt Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen ein, gemeinsam einen Marktplatz der Ideen zu gestalten. So entsteht Raum für Austausch, für regen Handel mit Möglichkeiten. Alle sitzen zusammen, die Mitarbeiter/innen schreiben Ideen auf, die in der großen Runde von den Bewohner/innen vorgetragen werden, Gespräche darüber entwickeln sich. Eine bunte Vielfalt von Gedanken, Möglichkeiten und Wünschen bildet schließlich den gemeinsamen Platz, von dem aus weitergegangen wird.

Wohnhaus ausgehängt. Hier sind alle besprochenen Aktivitäten festgehalten. Interessierte in der Einrichtung können sich über das aktuelle Angebot wie Tagesausflüge, Besuche im Schwimmbad oder in der Bücherei informieren.

Auf Workshops und in kleinen Gruppen geht das Diskutieren voran. Rauchende Köpfe – schließlich konkrete Ideen und Vorschläge. Erneut werden die Ergebnisse mit allen besprochen. Die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner stehen dabei im Mittelpunkt.

Zudem gibt es immer wieder ganz besonders attraktive Angebote: Im September 2006 unternahmen die Bewohner und Bewohnerinnen eine Reise zum Limfjord in Dänemark. Eine Gruppe von 22 Frauen und Männern machte sich auf den Weg – das spricht für sich. An eine gemeinsame Fortbildung wurde erneut gedacht. Weiterhin sind die Bewohnerinnen und Bewohner eng in die Planung und Organisation eingebunden, für Vorschläge gibt es immer ein offenes Ohr.

Dinge, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, sollen beibehalten werden, wie etwa der monatliche Freizeitplan. Für jede/n sichtbar ist er im

Brücke SH Wohnhaus Nordhusumer Straße 38 _ 25813 Husum Ruf (0 48 41) 8 26 22

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Freizeit & Kontakt

Das Zeitungsnetzwerk Schleswig-Holstein Gemeinsam mit einer Stimme – das landesweite Zeitungsnetzwerk der Selbsthilfe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

Gesprächs- und Informationsbedarf gibt es genügend. Das Zeitungsnetzwerk möchte aufrütteln, aufklären, Vorurteile abbauen. Ein Forum bieten, um sich Gehör zu verschaffen. Es umfasst bereits elf Zeitungen. Besucher/innen oder Bewohner/innen informieren darin über Einrichtungen und Dienste, kommentieren aktuelle Themen, geben Tipps, sorgen für Unterhaltung und Kultur, schicken Leserbriefe und vieles mehr. „Wir möchten als Expert/innen in eigener Sache konstruktive Vorschläge zur Gestaltung angemessener Hilfen entwickeln“, so ein Redaktionsmitglied. Ohne Tabus: Themen wie Mobbing, Integration, psychische und soziale Isolation auf dem Arbeitsmarkt werden aufgegriffen. Inhalte mit übergeordne-

ter Bedeutung und Politisches interessieren vor allem: etwa die Grenze der Pressefreiheit, Auswirkungen sozialer Reformen und Öffentlichkeitsarbeit. Die Hefte erscheinen in Auflagen zwischen 80 und 500 Exemplaren. Leser/innen sind Betroffene, Mitarbeitende, Bürger/innen. Bislang gab es 15 Treffen des Zeitungsnetzwerks, drei- bis viermal pro Jahr mit 15 - 20 Redakteur/innen. Jede Redaktion schreibt zwei Beiträge pro Jahr. Wert wird nicht nur auf die Kommunikation innerhalb der Einrichtungen, sondern auch mit dem Umfeld gelegt, so werden zum Beispiel Hefte in Facharztpraxen verteilt. Das Zeitungsnetzwerk gibt es seit 2002. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, DPWV, veranstaltete in Rendsburg landesweite Treffen zum Thema Mitwirkung. Damals moderierte Christel Achberger vom DPWV und Catharina Baden, heute bei der Brücke SH, protokollierte. Diese Treffen waren ein Sammelbecken für

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Zeitungsnetzwerk Schleswig-Holstein Beteiligt sind folgende Zeitungen • BrückenBote _ Die Brücke Neumünster gGmbH • BrückeZeit _ Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V. • Eidernest News _ Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V. • EPPENDORFER, Zeitung für Psychiatrie _ Vitanas, Koog-Haus-Press • Hugo’s Welt _ Brücke SH im Kreis Steinburg, Westküstenservice • MIT _ Brücke SH im Kreis Plön • NebelLeben _ Die Brücke Dithmarschen e. V. • (P)feiler _ Brücke Elmshorn e. V. • Rundbrief des LPE _ Landesverband PsychiatrieErfahrener Schleswig-Holstein e.V. • StarthilfeNews _ Brücke SH in Kiel, Starthilfe • WERKSTART _ Werkstattverbund, Werkforum, Kieler Fenster e. V. und Starthilfe Brücke SH, Kiel

Vorläufige Krönung der Netzwerkarbeit ist die Zusammenarbeit mit dem EPPENDORFER, in dem seit Mai 2006 im Wechsel Beiträge der Netzwerkredaktionen erscheinen, die so einer größeren Leser/innenschaft zugänglich werden.

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Freizeit & Kontakt

Eppendorfer _ Ausgabe 5/2006 _ Jahrgang 21 C 42725 _ Seite 16

jene betroffenen Menschen aus sozialpsychiatrischen Einrichtungen im DPWV, die an Mitwirkung interessiert waren. Zu den Treffen erschienen auch Mitglieder einzelner Schreibprojekte bzw. Redaktionen lokaler Selbsthilfezeitungen, größtenteils Menschen mit Psychiatrieerfahrung. Sie waren nicht gewählt und hatten somit kein Mandat, andere zu vertreten. Einigen war klar, dass die Arbeit an Zeitungen für die persönliche Entwicklung wichtig sein kann. Und dass über das entstehende Produkt Ideen und Informationen transportiert werden können. Frau Achberger zündete die Idee, ein

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eigenes Netzwerk zu bilden. Die praktische Umsetzung nahm federführend Jürgen Blume aus Neumünster in die Hand, der neben seiner Arbeit beim Paranus-Verlag den dortigen BrückenBoten mitgestaltete und herausgab. Der DPWV unterstützte das Zeitungsnetzwerk von der ersten Stunde an logistisch. Wesentlich getragen werden die Zeitungsprojekte durch unermüdlichen Einsatz und Herzblut der Redaktionsmitglieder sowie durch die sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Sie stellen Rahmen und Ressourcen für Redaktionsarbeit zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es Fortbildungen zu speziellen

Themen, wie Presse- und Urheberrecht oder Fotografieren. Neuerdings beteiligt sich die Redaktion WERKSTART vom Werkstattverbund, Werkforum des Kieler Fensters und Starthilfe der Brücke SH in Kiel, am Netzwerk. Darüber hinaus äußerte die Uni-Nervenklinik Kiel Interesse an einer Patientenzeitung. Und: Durch die Arbeit in einem Netzwerk wurden Freunde in anderen Landkreisen gewonnen und zahlreiche, wertvolle Kontakte geknüpft. Redaktion MIT Brücke SH im Kreis Plön

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Partner & Netzwerke

Indigo – Netzwerkgedanke und EU barrierefrei in Arbeit Indigo – Partner und Partnerinnen • Unternehmer Service Kiel • Innungskrankenkasse Nord • Brücke SH: - Integrationsfachdienste Kreis Steinburg _ Kreis Pinneberg - RPK _ medizinisch-berufliche Rehabilitationseinrichtung Kiel - regionales Rehanetzwerk Kiel _ in Zusammenarbeit mit Ulrich Krüger, Geschäftsführer der Aktion psychisch Kranke

Das Projekt Indigo – Integrierte Dienstleistung gemeinsam organisieren – richtet sich an Menschen mit Behinderungen, gesundheitlichen Erkrankungen und schweren psychosozialen Beeinträchtigungen.

Gefördert wird das Equal Projekt, das am 1. Juli 2005 begann, durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und aus Mitteln des europäischen Sozialfonds. EQUAL ist eine EU-Gemeinschaftsinitiative, die neue Wege, Methoden und Konzepte gegen Diskriminierung und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt entwickeln will. Equal Projekte sind drei Grundsätzen verpflichtet: • Arbeit im Netzwerk • Entwicklung von Innovation und • transnationale Zusammenarbeit.

strategische Unterstützung. Daher hat Indigo strategische Partner und Partnerinnen, die uns aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Wirtschaft, Politik und Verwaltung beraten und an unseren Aktivitäten mitwirken. Indigo – die Innovationen Jeder Partner hat ein eigenes Teilprojekt mit eigenen Aktivitäten, welche zum Gelingen dieser beiden Schwerpunkte beitragen:

Indigo – das Netzwerk

Wir wollen die Zusammenarbeit mit den Unternehmen intensivieren!

Es haben sich in Indigo neun Partner zu einer Entwicklungspartnerschaft zusammengefunden. Alle haben mit unterschiedlichen Ansätzen zum Ziel, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben nachhaltig zu verbessern. Die Brücke SH ist Zuwendungsempfängerin und Koordinatorin dieser Projektaktivitäten. Für die nachhaltige Entwicklung unserer innovativen Ideen brauchen wir

Vor dem Hintergrund, dass psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz deutlich gestiegen sind und die Menschen grundsätzlich immer älter werden, machen wir uns stark für das Thema Prävention im Betrieb. Wir beraten Unternehmen in der Frage, was sie tun können, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu erhalten oder ihnen bei Erkrankung die langsame Rückkehr an ihren Arbeits-

• Fachdienst Arbeit Kiel • Beratungsstelle Frau & Beruf Itzehoe • Regio.Kliniken Pinneberg • Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe Itzehoe • Weiterbildungsgesellschaft Flensburg • DGB-Region Unterelbe

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

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Partner & Netzwerke

Indigo – strategische Partner und Partnerinnen • Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren • Agentur für Arbeit Elmshorn, Agentur für Arbeit Kiel • Handwerkskammer zu Lübeck

platz zu ermöglichen und somit Ausgliederung zu verhindern.

• Brücke Elmshorn e.V. • Deutsche Rentenversicherung Nord • Pinneberger Verkehrsbetriebe mbH • Kreis Pinneberg – Fachdienst Soziales • Behindertenbeauftragte und Integrationsbeauftragte der Stadt Elmshorn • Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Kiel • Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung • Landesverband PsychiatrieErfahrene Schleswig-Holstein e. V. • Arbeitsgemeinschaft Frauen in der Region SchleswigHolsteinische Unterelbe • Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt • Unternehmensverband Kiel e. V. • Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e.V. • Jobcenter Kiel • ARGE Steinburg

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Wir wollen die Strukturen für die Rehabilitation und Integration von Menschen mit Behinderung verbessern! Für die Rehabilitation und Integration behinderter Menschen in Deutschland sind unterschiedliche Kostenträger, wie zum Beispiel die Rentenversicherung, Krankenkassen oder Agentur für Arbeit, auf unterschiedlicher gesetzlicher Grundlage tätig. Unklare Zuständigkeiten und komplizierte Verwaltungsabläufe erschweren in diesem System Hilfebedürftigen den Zugang zu längst vorgehaltenen Leistungen. Wir entwickeln neue Verfahren, wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schnell, unkompliziert und auf den individuellen Hilfebedarf zugeschnitten organisiert werden können. Unter der Schirmherrschaft des Kieler Stadtrats Adolf Martin Möller wird für Kiel und Umgebung ein neues Hilfeplanungsverfahren für psychisch erkrankte Frauen und Männer erprobt. Dies Verfahren bringt alle beteiligten Kostenträger in einer Hilfeplankonferenz zusammen. Am vorbereiteten individuellen Hilfeplan werden dann die Zuständigkeiten schnell und unkompliziert geklärt. Der Hilfeprozess kann umgehend eingeleitet werden.

Mit der Unterstützung und der Moderation durch Ulrich Krüger, Geschäftsführer der Aktion psychisch Kranke, ist es uns bereits gelungen, alle relevanten Kostenträger für die Mitwirkung zu gewinnen. Indigos transnationale Partner und Partnerinnen Indigo ist ebenfalls Teil eines europäischen Netzwerkes „Pin-Code“ mit Partnerorganisationen in Österreich, Polen und Schweden. Die Bezeichnung „PIN-Code“ ist als Kryptogramm zu sehen und setzt sich aus den Projektbezeichnungen der Partnerorganisationen zusammen: Progress – Indigo – next Step. Das Projekt aus Schweden, ESMEC, kam später noch als vierter Partner dazu. In vier festgelegten Arbeitsgruppen zu Themen der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Partnerländer herausgearbeitet und innovative Ideen zusammengetragen. Brücke SH Indigo Projektkoordinatorin Antje Land (04 31) 9 82 05-43 www.equal-indigo.de

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Partner & Netzwerke

Beiträge für eine barrierefreiere Zukunft Als Gesamtkoodinatorin des Projekts Indigo lud die Brücke SH Anfang Oktober 2006 zu einer Fachtagung in das Steigenberger Conti Hansa in Kiel ein. Der Zukunftsworkshop „barrierefrei in Arbeit“ führte Gäste aus Schleswig-Holstein und Europa zusammen. Fachlich unterstützt und inspiriert durch drei Referenten diskutierten mehr als 120 Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbänden und dem europäischen Ausland in Arbeitsgruppen über Möglichkeiten einer verbesserten Integration von Menschen mit Behinderung. Bei einem kleinteiligen und zergliederten System wie dem deutschen Sozialsystem verlieren nicht nur Betroffene, sondern selbst Kostenträger und Hilfeeinrichtungen schon mal den Überblick. Vor allem betroffenen Unternehmen sind die diversen Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten meist gänzlich unbekannt. Dass alle mehr und enger zusammenarbeiten müssen, ist bereits Gesetz. Wie dies am besten funktioniert, ist noch in der Erprobung.

„Wir von Indigo sind uns sicher, dass Verantwortungsbereitschaft bei allen Akteuren vorhanden ist.“ so Antje Land, Koordinatorin von Indigo. „Es kann nur nicht jeder Gleiches und gleich viel beitragen, aus welchen Gründen auch immer. Unser IndigoNetzwerk versteht sich als Dienstleister für alle, die einen Beitrag leisten wollen und eine Hilfestellung benötigen oder geben können. Wir vermitteln, informieren, organisieren und knüpfen ein Netzwerk, auf das nach Ende des Projektes jeder zugreifen kann.“ Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Fachtagung „barrierefrei in Arbeit“. Die Resonanz war groß. Die Gäste tauschten sich in drei thematischen

Prävention – Behandlung – Rehabilitation – Integration – Selbsthilfe: Berichte und Zahlen

Arbeitsgruppen aus, wie Barrieren zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung verringert werden können. Vertreterinnen und Vertreter der Partnerprojekte von Indigo aus Schweden und Österreich ermöglichten allen Beteiligten Einblicke in die Vorgehensweise dieser europäischen Nachbarländer. Die Arbeitsgruppen waren den Schwerpunktthemen von Indigo entsprechend ausgerichtet und folgten den Fragestellungen: Prävention im Betrieb Was können Unternehmen tun, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter/innen zu erhalten oder erkrankten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zu ermöglichen und somit Ausgliederung zu verhindern?

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Partner & Netzwerke

Strukturen der Versorgung Was muss sich verändern, damit mehr Teilhabe am Arbeitsleben auch für psychisch Beeinträchtigte möglich ist? Neue Wege der Leistungserbringung Wie können die Leistungen der Integrationsfachdienste optimiert und optimaler genutzt werden? Das Fazit aus allen Gruppen ist eindeutig: Optimale Hilfen brauchen eine gute Vernetzung. Darüber hinaus muss in Deutschland mehr präventive Arbeit geleistet werden. „Wir müssen mehr dafür tun, dass die Gesunden auch gesund bleiben.“ fordert Claudia Dippel, Unternehmensverband Kiel und Moderatorin der Arbeitsgruppe Prävention im Betrieb. Brücke SH-Geschäftsführer Günter Ernst-Basten sieht die Entwicklung in Schleswig-Holstein positiv: „In der regionalen Wirtschaft, bei den kleinen und mittleren Betrieben, ebenso in großen Unternehmen und im Dialog mit den Arbeitnehmervertretungen ist die Eingliederung von Menschen mit Behinderung noch nicht ausreichend, aber doch mehr denn je ein Thema. Es geht hier nicht um gute Taten, sondern um weiterentwickeltes Denken. Darum, Potentiale und Förderinstrumente zu nutzen, gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch dann zu halten, zu för-

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Kieler Nachrichten _ Nr. 233 _ Freitag, 06. Okotber 2006

dern oder zu finden, wenn mit Beeinträchtigungen umzugehen ist.“ Indigo setzt als Projekt und Netzwerk über die Fachtagung hinaus wichtige Impulse für Schleswig-Holstein. Ziel ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Arbeitsuchende sowie Betriebe, die Hilfe und Begleitung

benötigen, selbstverständlich auf die in allen Landkreisen und Städten zur Verfügung stehenden Hilfen zugreifen können. Vor Ort gibt es Integrationsfachdienste – diese Kompetenzen zu nutzen, auch von Seiten der Kosten- und Leistungsträger – ist der erste Schritt!

Mut zum Miteinander _ Sozialpsychiatrische Hilfen der Brücke SH

Partner & Netzwerke

Was, ihr fahrt nach Mallorca? Wie habt ihr das denn hingekriegt … … Stefanie Müller1 vom Heimbeirat des Wohnhauses im Kreis X erfährt auf einer der überregionalen Konferenzen der Nutzer/innen-Vertretungen aller Einrichtungen der Brücke SH, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnhauses im Kreis Y ihre Ferien auf der sonnigen Insel im Mittelmeer verbringen. Know-how dieser Art sowie in anderen Angelegenheiten wird auf den regelmäßigen Treffen der Nutzer/innenVertretungen ganz praktisch und unkompliziert weitergegeben. Daher beginnt jede überregionale BeiräteKonferenz mit Informations- und Erfahrungsaustausch. Ende 2005 wurde dieses Forum der Mitwirkung eingeführt, drei Sitzungen finden jährlich statt. Die Treffen sind den Teilnehmenden wichtig. Hier erfahren sie, mit welchen Themen und Problemen sich die Beiräte in den anderen Einrichtungen der Brücke SH beschäftigen. Der Blick über den Tellerrand bringt neue Ideen, ermöglicht gegenseitige Beratung und Lernen voneinander. Das macht Mut und bringt außerdem Spaß, darüber ist sich das noch junge Forum einig. Die überregionale Konferenz dient den Nutzerinnen und Nutzern der Brücke SH-Angebote neben dem Erfahrungsaustausch dazu, sich intensiver mit einzelnen Themen zu befassen, die sie und ihre Beiratsarbeit betreffen. Die Themen werden gemeinsam festgelegt. Gelegentlich werden auch Gäste eingeladen, wie zum Beispiel der Geschäftsführer der Brücke SH, Günter ErnstBasten. Bei seinem Besuch referierte er über die Finanzierung der Brücke SH und stellte sich den Fragen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen hierzu. 1

Ein anderes Mal diente ein Impulsreferat zum Thema Empowerment von Dagmar Barteld-Paczkowski, Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen Schleswig-Holstein e. V., als Einstimmung zur Diskussion über das Thema Mitwirkung. Die Diskussion, in welcher Form und zu welchen Themen dieses Gremium auf überregionaler Ebene in der Brücke SH Mitwirkung aktiv ausüben will, wird noch fortgesetzt. Denkbar wäre die Anhörung zu bestimmten Themen, wie beispielsweise zu neuen Angeboten oder Einrichtungen. Ebenso haben

die Beiräte ein Interesse daran, dass die Bedingungen für die Beiratsarbeit in den Einrichtungen der Brücke SH vereinheitlicht werden. Das würde sich zum Beispiel in einem Budget für Beiratsaktivitäten oder in den Mitwirkungsbereichen auf regionaler Ebene zeigen. Daher werden Diskussionen und Beratungen hierzu ebenfalls in den Mitwirkungsgremien sowie mit den Nutzer/innen der Brücke SHAngebote und Mitarbeiter/innen auf regionaler Ebene geführt. Wir erwarten mit Spannung, wohin uns das Abenteuer Mitwirkung noch führt.

Name von der Redaktion geändert.

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„Schätze, die man heben sollte“ Der offene Umgang mit Beschwerden dient der Qualitätssicherung und fördert das Empowerment.

Wie eine Beschwerde aussehen kann … … zeigt folgendes Beispiel aus einem der früheren Jahresberichte, die der Beirat regelmäßig über seine Arbeit verfasst: Eine Wohngruppenbewohnerin beschwerte sich über a) die Raumaustattung ihrer Wohnung b) das Verhalten der Bezugsbetreuerin c) grundsätzlich über das Konzept der Einrichtung Die Mängel der Raumaustattung konnten beseitigt werden. Über das Verhalten der Bezugsbetreuerin gab es eine gemeinsame Sitzung mit der Beschwerdeführerin, der Einrichtungsleitung, der Mitarbeiterin, dem regionalen Koordinator und einem Mitglied des Beirates. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass sich die Beziehung der Beschwerdeführerin und der Betreuerin deutlich verbessert hat. Sie konnten sich verabreden, die Einrichtungsleitung bei Meinungsverschiedenheiten rechtzeitig einzubeziehen. Die grundsätzliche Diskussion zum Konzept wurde auf die Besprechung der Ergebnisse der Qualitätssicherung mit den Nutzerinnen und Nutzern verschoben.

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Petra Kaiser ist Koordinatorin des Beirats des Vorschlags- und Beschwerdewesens in der Brücke SH. Wenn sie sagt, sie wünscht sich mehr Beschwerden, dann verwundert das für einen Moment. Beschwerden erwünscht? Einer ihrer Mitstreiter im Beirat ist Thorsten Evers. Er erklärt: „Wir arbeiten darauf hin, dass man Beschwerden als ganz normal empfindet. Denn wenn sich jemand beschwert, hat das auch etwas Positives.“ Getragen wird dies von der Haltung, eine Beschwerde nicht als Last, sondern als Möglichkeit zu verstehen. Beschwerden und Vorschläge, so argumentieren die Mitglieder des Beirats, sind ein wichtiges Element zur Verbesserung der Brücke SH und ihrer Einrichtungen. „Beschwerden sind Schätze, die man heben sollte,“ zitiert Petra Kaiser ihre Beiratskollegin Gertrud Ehrenreich. „Das lässt sich als inneren Leitspruch für unsere Arbeit sehen.“ Dennoch schlummern einige Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen noch. Denn: „Üblicherweise mag man Beschwerden nicht. Weder als Betroffener, noch als derjenige, über den sich beschwert wird. Meistens mögen Letztere sie natürlich noch weniger, das ist ja klar. Und da nun mal häufig Mitarbeiter/innen Ziel einer Beschwerde

sind, kommt es sehr drauf an, wie die Beschwerde behandelt wird, damit nicht Pauschalurteile oder Missverständnisse entstehen. Und ich glaube, das gelingt uns schon ganz gut. Dass Mitarbeiter/innen hinterher sagen können: ‚War ja gar nicht so schlimm’,“ führt Petra Kaiser aus. Und Thorsten Evers dazu: „Man will ja mit einer Beschwerde nicht jemanden bloßstellen. Vielmehr ausdrücken: ‚Passt mal auf, dieses oder jenes in eurer Einrichtung, das könnte man noch besser machen’.“ Neben dem Aspekt der Qualitätssicherung hat ein solch offener Umgang mit Beschwerden einen weiteren Vorteil: die Förderung des Empowerments, dem Leitbild der Brücke SH entsprechend. Psychisch erkrankte Menschen sind es teilweise nicht mehr gewohnt, selber Entscheidungen zu treffen, selbst zu bestimmen, was gut für sie ist. Daher will der Beirat ausdrücklich dazu ermutigen, sich zu beschweren, wenn die eigenen Belange nicht ausreichend berücksichtigt scheinen. So wird den Nutzern und Nutzerinnen unser Angebote Mut gegeben, für die eigenen Ansichten einzutreten. Und das wiederum hilft ihnen, ein Stück Selbstbestimmtheit für sich zurück zu gewinnen. Das Vorschlagsund Beschwerdewesen kommt allen zugute: Nutzer/innen der Brücke SH-

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alle an der Beschwerde Beteiligten mit dem Ergebnis der Beratung zufrieden.

Angebote kann geholfen werden, sich zu entwickeln. Und Mitarbeiter/innen lernen, wie sie ihre Arbeit noch besser machen können. Und das funktioniert sehr gut, wie die Erfolgsquote des Beirats zeigt: Von den 13 Beschwerden, die im Jahre 2005 vorlagen, konnte nur eine nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen werden. Zwei Beschwerden konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Ende gebracht werden, in den verbleibenden zehn Fällen waren

Nach dem Geheimnis für ihre erfolgreiche Arbeit gefragt, antworten Thorsten Evers und Petra Kaiser einhellig: Es gibt keines. Wohl aber gute Gründe, warum das Vorschlags- und Beschwerdewesen viele Konflikte lösen kann. Einer davon liegt in der Zusammensetzung des Beirats. In dem neunköpfigen Gremium sitzen Nutzer und Nutzerinnen der Brücke SH-Angebote, Angestellte des Unternehmens sowie ein Angehöriger und eine Bürgerin. Thorsten Evers weiß: „Es ist gerade die Vielfalt des Beirats, durch die unsere Arbeit so interessant wird. Jemand aus der Regionalleitung hat eine ganz andere Perspektive als eine Bürgerin, die wiederum sieht Dinge aus einer ganz anderen Warte als jemand mit Psychiatrie-Erfahrung. Ohne diese Vielseitigkeit wäre unsere Arbeit nicht einmal halb so erfolgreich.“ Das sieht Petra Kaiser genau so, und lacht: „Dabei geht es dann auch manchmal sehr turbulent zu, wenn die verschiedenen Perspektiven aufeinander prallen.“ Und das soll so sein: „Indem jede und jeder im Beirat seine eigene Persönlichkeit einbringt, kommen wir zu einer sehr differenzierten Betrachtung jeder einzelnen Beschwerde. Und so zu den besten Lösungen für alle Beteiligten.“ Doch manchmal geht es auch ruhiger zu – denn schließlich sind die Beiratsmitglieder nicht nur für Beschwerden, sondern auch für Vorschläge da. Man kann sich also auch mit Anregungen und Verbesserungswünschen jederzeit gern an sie wenden ...

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Vorschlags- und Beschwerdewesen Beiratsmitglieder Dagmar Barteld-Paczkowski Vorstandsmitglied des Landesverband PsychiatrieErfahrene Schleswig-Holstein e.V. Ruf (0 48 21) 8 71 30 Hans Cordshagen Brücke SH Regionalleiter im Kreis Dithmarschen Poststraße 5 _ 25746 Heide Ruf (04 81) 42 15 29-0 Gertrud Ehrenreich Bürgerin Hauptstraße 8 _ 24647 Ehndorf Thorsten Evers Brücke SH Werkstatt Starthilfe Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-81 Helma Först Brücke SH Werkstatt Westküstenservice Wilhelm-Biel-Straße 5 _ 25524 Itzehoe Ruf (0 48 21) 67 91-0 Katy Holl Brücke SH Tagesklinik Heide Neue Anlage 18 _ 25746 Heide Ruf (04 81) 68 37 66-0 Petra Kaiser Brücke SH Referentin der Geschäftsleitung Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-0 Harald Möller Brücke SH Leiter Ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Kaiserstraße 79 _ 24143 Kiel Ruf (04 31) 3 00 30 07 Ehrhart Weiß Angehöriger Schlehenbogen 16 _ 24944 Flensburg

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Familienbewusst, die ersten Schritte

Was-ist-das? Audit _ lateinisch : Anhörung Untersuchungsverfahren, mit denen Prozessabläufe hinsichtlich der Erfüllung von Anforderungen und Richtlinien bewertet werden können. Audits werden von einem/einer speziell hierfür geschulten Auditor/ Auditorin durchgeführt.

Die Brücke SH erhielt im Mai 2006 das Grundzertifikat der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der gemeinnützigen Hertie Stiftung. Damit sind wir in Schleswig-Holstein das zweite Unternehmen, das für sein Engagement für familiengerechte Arbeitsbedingungen ausgezeichnet ist. Das audit berufundfamilie® unterstützt Arbeitgeber darin, Unternehmensziele und Mitarbeiterinteressen in eine tragfähige Balance zu bringen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Bereichen der Brücke SH hatten im Rahmen des Audits bereits vorhandene familiengerechte Maßnahmen identifiziert, wie zum Beispiel: • die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung jeglicher Abstufung für Frauen und Männer • eine hohe Flexibilität in der individuellen Arbeitszeitgestaltung • das Arbeitszeitkonto • die Betriebsvereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit

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• eine Team- und Führungskultur, in der die familiären Belange der Mitarbeiter/innen Berücksichtigung finden.

Möglichkeiten zum Kontakthalten für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Elternzeit nennt.

Für die nächsten drei Jahre sind weitere Maßnahmen geplant:

Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen wollen wir in der Brücke SH die bereits vorhandenen Ansätze systematisch weiterentwickeln und unsere familienbewusste Unternehmenskultur fördern. Die Erhöhung der Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen und die Steigerung der Attraktivität der Brücke SH als – auch potentielle – Arbeitgeberin zählen dabei außerdem zu den Zielen, die mit dem Audit verfolgt werden.

• die Weiterentwicklung flexibler Arbeitszeitmodelle • die Optimierung der Personaleinsatzplanung im regionalen Verbundsystem • die Erweiterung der Möglichkeiten der Arbeit von Zuhause • die Entwicklung von Familienserviceangeboten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie • die Erarbeitung eines Leitfadens, der bei der Wiedereingliederung hilft und

Weitere Informationen zum Audit www.beruf-und-familie.de

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Innerbetrieblicher Service für motivierte Teams Personalarbeit in der Brücke SH In der Personalabteilung der Zentralverwaltung arbeiten vier Mitarbeiterinnen und eine Auszubildende. Hinzukommen die Personalreferentin und der Personalleiter. Ein kleines aber leistungsstarkes Team, denn mittlerweile werden weit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Personalbüro betreut und jeden Monat etwa 1000 Gehaltsabrechnungen für die Angestellten und die Beschäftigten mit Behinderungen in den Arbeitsprojekten und Werkstätten durchgeführt. Eine stolze Zahl! Für alle Mitarbeiter/innen ist die pünktliche Auszahlung der Vergütung die wohl wichtigste Leistung der Personalabteilung. Aber professionelle Personalarbeit in der Brücke SH beinhaltet weitaus mehr. Einiges davon geschieht eher im Verborgenen. Zu den Kernaufgaben der Personalverwaltung gehören die Personalaktenführung, die sozialversicherungsrechtlich und steuerlich korrekte Bearbeitung der Gehälter, das Einwerben und Verwalten von Lohnkostenzuschüssen, die Pflege der Arbeitszeitkonten, das Antrags- und Bescheinigungswesen, die laufenden Arbeitsvertragsänderungen und vieles mehr. Wenn man nicht gerade dringend eine Verdienstbescheinigung oder ähnliches benötigt, bekommt man als Mitarbeiter

oder Mitarbeiterin von dieser Arbeit wenig mit. Und dennoch sind es Monat für Monat hunderte von großen und kleinen Personalvorgängen, die mit viel Sorgfalt und hoher Zuverlässigkeit erledigt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Personalabteilung verstehen ihre Arbeit als innerbetriebliche Serviceleistung. Daher setzen sie viel daran, die Qualität ihrer Arbeit ständig zu verbessern. Konstruktive Rückmeldungen aus der Mitarbeiterschaft helfen ihnen dabei. Die Personalarbeit in der Brücke SH ist eng verknüpft mit der Vision und den Strategien des Unternehmens. In unserem Leitbild sehen wir uns selbst als mitarbeiterorientierten Betrieb, wodurch die Arbeit des Personalmanagements einen besonderen Stellenwert bekommt. In diesem Bereich wurde auch in der letzten Zeit wieder viel auf den Weg gebracht: • die Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit, die unsere Philosophie der unterstützenden Führung beschreiben • die Zertifizierung als familienbewusster Betrieb zur Verbesserung der work-life-balance der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen • die Mitarbeitergespräche zur Förderung und Wertschätzung der persönlichen Leistung

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• die Verantwortungsmatrix für Leitungskräfte zur Klärung von Zuständigkeiten und Kompetenzen bei den Führungsaufgaben • die Pensionskasse als dritte Säule der betrieblichen Altersversorgung • die innerbetrieblichen Konfliktvermittler/innen und die betriebliche Einigungsstelle zur Stärkung des partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz • die Standardisierung von wichtigen Abläufen, wie zum Beispiel bei der Einstellung und Einarbeitung Was-ist-das? work-life-balance _ Englisch : work _ Arbeit : life _ Leben : balance _ Gleichgewicht Möglichkeiten für Erwachsene im arbeitsfähigen Alter, Beruf und Karriere und das private Leben, zum Beispiel mit der Familie, mit Kindern und mit pflegebedürftigen Personen, im Gleichgewicht zu halten. Patchwork Familie _ Englisch : patchwork _ aus bunten Stücken zusammengesetzt Eine zusammengesetzte Familie. Eltern bringen ihre jeweiligen Kinder aus vorhergehenden Ehen oder Lebenspartnerschaften in eine neue Beziehung mit. Die Kinder einer Patchwork Familie sind also nicht zwangsläufig biologisch verwandt.

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neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zur allgemeinen Orientierung und Effizienzsteigerung • die offensive Fortbildungspolitik mit eigenem Programmangebot zur fortlaufenden Qualifizierung der Mitarbeiter/innen und der Führungskräfte. Mit diesen verschiedenen Weiterentwicklungen, Neuerungen und Projekten, und denen, die noch folgen werden, wollen wir zwei Ziele erreichen: In einer Zeit, in der die uns umgebenden Rahmenbedingungen die Spiel-

räume immer enger werden lassen, geht es darum, den Wert persönlich erbrachter Dienstleistungen für die Menschen, die unsere Angebote nutzen, zu erhalten und zu erhöhen, um unseren Stand als sozialpsychiatrischer Leistungsanbieter und Arbeitgeber für die Zukunft zu sichern und weiter auszubauen.

wertes Ziel. Denn in der Brücke SH arbeiten Menschen für Menschen. Nur mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aus ihrer Tätigkeit – bei aller manchmal gegebenen Anstrengung – auch positive Arbeitserlebnisse ziehen, wird es gelingen, die an uns gestellten Erwartungen auch zukünftig zu erfüllen.

Und wir wollen, dass – potentielle – Mitarbeiter/innen über die Brücke SH sagen: „Hier ist für mich der beste Ort, um zu arbeiten“. Dies ist ein hoher Anspruch, aber es ist auch ein lohnens-

Brücke SH Geschäftsstelle Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-0

Personalstatistische Zahlen Stichtag 31.12.2005 Am Stichtag beschäftigte die Brücke SH insgesamt 559 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Anteil der Frauen beträgt 67 %, der Anteil der Männer 33 %. In Teilzeit – einschließlich der geringfügig beschäftigten Mitarbeiter/innen – arbeiten 58 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von den Teilzeitkräften sind 49 % sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Unter den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beträgt der Anteil der Frauen 65 %, der der Männer 35 % und entspricht damit in etwa der Geschlechterverteilung in der Mitarbeiterschaft insgesamt. Teilzeitbeschäftigung ist in der Brücke SH in fast jeder Abstufung möglich. Wünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Teilzeit, die aus der jeweiligen Lebensund Familiensituation resultieren, werden weitgehendst berücksichtigt.

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Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen entspricht mit 1 41,9 Jahren in etwa dem Bundesdurchschnitt eines Betriebes vergleichbarer Größe. Die Krankheitsquote liegt mit 4,25 % zwar noch über dem Bundesdurchschnitt von 3,4 %, hat sich in den vergangenen vier Jahren aber um ca. 2 % verringert. Die gesunde Fluktuation von 6,5 % zeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine hohe Bindung an die Brücke SH haben. Die derzeitigen Beschäftigten arbeiten im Durchschnitt seit 5,7 Jahren im Unternehmen. 248 der 447 Mitarbeiter/innen haben Kinder. Jede Familie hat im Durchschnitt 1,84 Kinder. Die Kinderquote in der Brücke SH liegt damit leicht über dem Bundesdurchschnitt von 1,4 Kindern je Familie. Ein mit 47,7 % relativ hoher Anteil der Eltern ist alleinerziehend bzw. lebt in Patchwork Familien. 1

Die Zahlen in diesem Abschnitt beziehen sich nur auf die Mitarbeiter/innen (447), die mehr als geringfügig bei der Brücke SH beschäftigt sind.

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„Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid, suizidales Verhalten“ lautet ein diagnostisches Kriterium für eine depressive Erkrankung nach ICD-10. Der enge Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen, vor allem bei Depression, und Suiziden/ Suizidversuchen ist lange bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation zählt Menschen mit seelischen Erkrankungen zur Personengruppe mit erhöhtem Risiko für suizidales Verhalten. In den Jahren 2004/2005 wurde in der Brücke SH eine Diplomarbeit zum Thema „Suizide und Suizidversuche bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung in gemeindepsychiatrischer Betreuung“ verfasst. Es wurde überprüft, ob gewisse Risikofaktoren für suizidales Verhalten auch bei nicht stationär betreuten Menschen vorzufinden sind. Es wurden Personen mit suizidalem Verhalten mit nicht suizidalen Personen verglichen, alle nutzten Einrichtungen der Brücke SH. Insgesamt wurden 2905 Menschen in die Untersuchung einbezogen. Der Ansatz der Risikofaktoren bietet eine gute Möglichkeit, anhand greifbarer und objektiver Daten eine Einschätzung des Suizidrisikos vornehmen zu können. Damit jedoch nicht das Risiko besteht, wichtige Anzeichen zu übersehen, ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise von besonderer Wichtigkeit. Denn all „(…) unser Wissen und unsere Fähigkeiten setzen wir für ihre1 seelische Stabilisierung, ihre Selbstbestimmung und ihre gesellschaftliche Teilhabe ein.“, Leitbild der Brücke SH.

Als zentrale Risikofaktoren für suizidales Verhalten werden in der Theorie und Praxis folgende diskutiert: 1

• Psychische Erkrankung: 30 % aller Suizidtoten haben eine bekannte psychische Erkrankung • Geschlecht: Männer begehen häufiger Suizide, Frauen verüben häufiger Suizidversuche • Diagnose: Besonders gefährdet sind Patient/innen mit einer Depression, Schizophrenie oder einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung • Alter: Junge Menschen verüben häufiger Suizidversuche; die Wahrscheinlichkeit für Suizide ist im mittleren bis höheren Lebensalter eher gegeben • Klinikentlassungen: Sie bergen ein erhöhtes Risiko • Arbeitslosigkeit: Viele Suizidenten und Suizidentinnen sind ohne Arbeit • Familienstand: Viele Betroffene sind allein stehend und haben keine Kinder • Suizidalität in der Familie und in der eigenen Vorgeschichte sowie • Geringe soziale Integration, wenig Sozialkontakte und ein schwaches soziales Netz erhöhen die Wahrscheinlichkeit für suizidales Verhalten. Die Ergebnisse der Diplomarbeit zeigen, dass die Befunde aus der stationären Psychiatrie nur bedingt auf die Gemeindepsychiatrie übertragbar sind: Bei den untersuchten Betroffenen mit suizidalem Verhalten wurde ein bedeutsam erhöhter Anteil an schizophrenen (63 %) und depressiven (10 %) Perso-

nen gefunden. Der Anteil an Personen mit einer Persönlichkeitsstörung (15 %) war ebenfalls erhöht. Die geringe Anzahl der depressiven Erkrankungen überrascht. Doch wie im Artikel „Volkskrankheit Depression“ beschrieben, werden viele Depressionen nicht als solche erkannt. 30 % der Suizidversucher/innen waren jünger als 25 Jahre. Bei den Suizident/innen überwogen die 36 – 45 jährigen (67 %). 87 % der Betroffenen mit Suiziderfahrungen waren allein stehend. 18 % der Menschen mit Suizidversuchen kamen aus Familien, in denen es Fälle von Suizidversuchen gab. Was-ist-das? Suizid _ Lateinisch _ suicidium/sua manu caedere _ mit eigener Hand fällen : Selbsttötung, Freitod, willentliche Beendigung des eigenen Lebens durch eine selbstbestimmte Handlung oder durch das Unterlassen einer Handlung, zum Beispiel Nichteinnahme lebenswichtiger Medikamente bzw. Nahrungsmittel oder Flüssigkeit. Der verbreitete Begriff Selbstmord trifft den Sachverhalt nicht, die Gedankenverbindung zum Verbrechen Mord gilt als ungerechtfertigt. ICD-10 _ Englisch _ International Classification of Mental and Behavioural Disorders : Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 10. Änderung, 1994

Frauen und Männer mit psychischen Beeiträchtigungen sowie Benachteiligungen und Suchterkrankungen

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Veränderung als Herausforderung – Ergebnisse eines Teamtags

Milieu als notwendige, stabilisierende Wirkgröße aufrechtzuerhalten?

20 Jahre Brücke SH im Kreis Plön sind auch 20 Jahre Aufbau gemeindepsychiatrischer Angebote, Weiterentwicklung, Innovation, Überprüfung, Diskurs, Abgleich und Ausbalancierung neuer Ideen und Anforderungen mit Altbewährtem. Erfahrungen aus dem Alltag, Wünsche, Ideen seitens der Psychiatrie-Erfahrenen, ihrer Angehörigen, der Mitarbeiter/innen sowie des Umfeldes geben immer wieder neue Anstöße, Angebote zu überprüfen und zu verändern. Sozialpsychiatrische Theorie, vermittelt

auf Fachtagungen, befördert diese Prozesse. Unter fachkundiger Moderation trafen sich Mitarbeiter/innen der psychosozialen Rehabilitation aus Plön und Preetz in der Akademie am See/Koppelsberg zu einem eintägigen Workshop. Die Aufgabenstellung lautete:

Was-ist-das? personenorientierter Ansatz: hierbei wird von dem einzelnen Menschen und seinem Bedarf an Unterstützung ausgegangen. Erst in der zweiten und dritten Phase wird nach der entsprechenden Organisation der Hilfen und ihrer Finanzierung gefragt. Leitend ist der persönliche Lebensentwurf vor dem Hintergrund der biographischen Erfahrungen und der Berücksichtigung der jeweils eigenen Zeit. Der personenorientierte Ansatz ist geprägt von einer Grundhaltung der gleichberechtigten Beziehung, die getragen ist von Akzeptanz, Eigenverantwortung und achtsamer Hilfe. Er befördert Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung und erschließt Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

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„Entwicklung integrierter Wohn- und Betreuungsverbünde – kooperative Vernetzung der Systeme Plön-Preetz“ Die Ideen des personenorientierten Ansatzes sind seit längerem bei den Teams in der Diskussion. Eine teilintegrierte Vernetzung der Systeme hat bereits an vielen Schnittstellen stattgefunden, doch gibt es auch Bedenken, etwa: • Wie wirken sich die strukturellen Veränderungen auf die Menschen mit psychischen Erkrankungen aus, wenn Teams übergreifend tätig werden, Einrichtungsgrenzen durchlässiger werden, Angebote sich substantiell verändern? • Wie kann es gelingen, therapeutische Gemeinschaft und therapeutisches

• Wie können wir Leistungsträgern die Sinnhaftigkeit synergetischer Zusammenführungen von abgegrenzten Leistungen zu einem Komplexleistungssystem vermitteln? • Wie, damit das Ganze wirkt und mehr ist als die Addition von Teilleistungsmodulen? • Wo ermöglichen, wo begrenzen Rechtsnormen die Entwicklung? • Welche Unterstützungen benötigen Mitarbeiter/innen in der Umsetzung des personenorientierten Ansatzes? • Welche Anforderungen werden an sie gestellt? Neugierde, Offenheit, kritische Diskussionen auf hohem fachlichen Niveau kennzeichneten den Prozess. Am Ende standen erste, zum Teil revolutionär anmutende Ergebnisse: • Einrichtungsübergreifende Umstrukturierung der Teams und engere inhaltlich-konzeptionelle Verzahnung tagesstrukturierender und betreuerischer Leistungen entlang der sozialpsychiatrisch-personenorientierten Leitlinien • selbstkritische Reflexion und behutsame Abwägung möglicher Schritte. Insgesamt eine hohe Herausforderung an die Teams, Stabilisierung und Veränderung gut auszuloten, selbst alte, vertraute Räume zu verlassen und zum Teil ganz neue Wege zu beschreiten. Die anstehende Diskussion mit den Psychiatrie-Erfahrenen wird weitere wichtige Aspekte bringen auf dem Weg zu einer guten Sozialpsychiatrie.

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Impressum

! Herausgeberin

Brücke Schleswig-Holstein gGmbH

Redaktion verantwortlich

Günter Ernst-Basten

Gesamtkoordination

Bettina Erhart

Redaktionelle Mitarbeit und Text

Matthias Quednau _ Karen Toppe

Texte

Irini Aliwanoglou _ Ingo Arnaschus _ Catharina Baden Dagmar Barteld-Paczkowski _ Manfred Bogner _ Kay Brockmeyer Hans Cordshagen _ Birte Ernst _ Thorsten Evers _ Anja Göttsch _Eva Gruitrooy Karola Holst _ Jytte Jensen _ Petra Kaiser _ Antje Land _ Sylta Lankenau Stefan Meyer-Kaven _ Harald Möller _ Helmut Oldewurtel _ G. Peters Elisabeth Rugen _ Kathrin Roßberg _ Robert Schenk _ Joachim Schiefelbein Erika Schulz _ René Skischally _ Udo Spiegelberg _ Karsten Strauß Mike Süßbrich _ Joachim Theege _ Ulrike von Paleske _ Carlo Weber Rüdiger Waßmuth

Lektorat

schreibweise: Kathrin Meike Evers: Eutin

Fotos

Deutsches Bündnis gegen Depression e. V.: Leipzig: Seite 21_22 Fotoatelier Ute Boeters: Kiel: Seite 3 Fotografie Porträt. People. Reportage: Christiane Breitfelder: Kiel: Seiten 9_11_12_15_16_19_20_24_25_29 Unternehmensverband Kiel e. V.: Claudia Dippel: Seite 37 Brücke SH: Dagmar Barteld-Paczkowski _ Hans Cordshagen _ Anja Göttsch Frauke Hansen _ Jytte Jensen _ Stefan Meyer-Kaven _ Matthias Kruit Harald Möller _ Ingo Mommsen _ Joachim Theege _ Rüdiger Waßmuth

Artikel _ Fotos mit freundlicher Genehmigung

Brücke Neumünster gGmbH: Jürgen Blume Eppendorfer: Anke Hinrichs Kieler Nachrichten: Annemarie Heckmann MIT: Katja Herzog _ Hans-Egbert Minning _ R. Petersen Norddeutsche Rundschau: Ute Thomsen _ Michael Ruff

Internet

www.bruecke-sh.de _ [email protected]

Adresse

Brücke Schleswig-Holstein gGmbH Landesgeschäftsstelle Muhliusstraße 94 _ 24103 Kiel Ruf (04 31) 9 82 05-0 _ Fax (04 31) 9 82 05-25

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