Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Geowissenschaften, Geologie
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Naturwerksteine aus Baden -Württemberg

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Naturwerksteinvorkommen in Baden-Württemberg

4.1 Vorbemerkungen zur Systematik – Wolfgang Werner – Für die systematische Beschreibung der Naturwerksteinvorkommen in Baden-Württemberg sind verschiedene Gliederungen möglich. So können regionale Verbreitung, die Zuordnung zu geologisch-petro­ graphischen Großgruppen wie Kalksteine, Travertine, Sandsteine, Granite, kombiniert mit Farbtönen (wie im Internationalen Natursteinlexikon INSK), oder das geologische Alter als Kriterien dienen. Auch eine Abhandlung nach geologischen Großeinheiten des Landes – Grundgebirge, Deckgebirge und junge Vulkanmassive – und eine weitere Untergliederung nach geographischer Lage wäre praktikabel. In der täglichen Praxis der Natursteinindustrie, des Architekten, des Steinmetz- oder Steinbildhauers sowie des Denkmalpflegers oder Restaurators sind jedoch meist Handelsnamen gebräuchlich. Diese oft phantasievollen und nach Vermarktungsaspekten gewählten Bezeichnungen sind überwiegend aus Ortsnamen und auffälligen äußeren Merkmalen zusammengesetzt, die auf Materialqualität, Bearbeitbarkeit, Farbe oder Struktur anspielen. Beispiele sind „Maulbronner Favorit“ und „Renfrizhauser Forellensandstein“; beide beschreiben aber nur Varietäten innerhalb einer Werksteineinheit, in der auch andere Sandsteintypen auftreten. Bezeichnungen wie „Bernstein“- oder „Elfenbeinmarmor“, die auch nur für einzelne Bänke oder Partien einer bestimmten Farbtönung verwendet wurden, sind für systematische Beschreibungen ebenso ungeeignet, da sie einerseits recht häufige, nicht charakteristische Farbtöne heranziehen und geologisch zudem oft falsch und missverständlich sind, z. B. weil es sich – wie in den genannten Beispielen – nicht um Marmore (metamorphe Gesteine) sondern um Massenkalksteine handelt. In der deutschen und internationalen Natursteinindustrie werden meist einige Gesteinsgroßgruppen zu Gliederungszwecken herangezogen, wie z. B. der Katalog der seit den 1970er Jahren regelmäßig stattfindenden internationalen Fachmesse für Naturstein und Natursteinbearbeitung, der „Stone+tec“ in Nürnberg, verdeutlicht (NürnbergMesse GmbH 2011). Das Warenverzeichnis wird gegliedert in: Granit, Tuff, Porphyr, Basaltlava, Sandstein, Schiefer, Quarzit, Marmor, Jura-Marmor, Kalkstein, Solnhofener Plattenkalk, Muschelkalk, Dolomit, Travertin und Sonstige. Man erkennt, dass hier eine Grobgliederung nach den Gesteinsgroßgruppen Magmatite, Metamorphite und Sedimentgesteine Pate stand. Im Detail sind dann aber oft traditionelle, systematisch aber falsche Begriffe anzutreffen. Bei „Granit“ finden sich auch Gesteine wie der „Rosenheimer Granitmarmor“ (ein

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fossilreicher Kalkstein), bei „Marmor“ treten viele nicht metamorphe Karbonatgesteine auf, und viele „Quarzite“ sind Sandsteine mit kieseliger Bindung. Eine für die Materialauswahl, z. B. für die Renovierung von Gebäuden grundlegende Gesteinsansprache und -be­urteilung wird durch diese Divergenzen zwischen den wissenschaftlichen und den verkaufsorientierten Bezeichnungen stark erschwert. Auch in Baden-Württemberg wurden für Werksteinsorten oft nur Ortsnamen verwendet, die – je weiter die Nutzung zurückliegt – außerhalb des engeren Herkunftsgebiets wenig bekannt sind. Der Begriff „Schlaitdorfer“ für einen früher bei der schwäbischen Ortschaft Schlaitdorf nahe Filderstadt abgebauten Sandstein der Stubensandstein-Schichten ist z. B. nur den ortskundigen Historikern und Denkmalpflegern geläufig, die mit der Erhaltung der daraus errichteten Gebäude befasst sind (vgl. Kap. 4.25.4.2). Der Praktiker kann wenig damit anfangen, zumal der betreffende Steinbruch bei Schlaitdorf schon lange endgültig ausgebeutet ist und außerdem in diesem Bruch, wie in allen anderen größeren Gewinnungsstellen in der Löwenstein-Formation, zahlreiche verschiedene Varietäten auftraten. Der Begriff müsste eigentlich übersetzt werden in: „Gelblichweißer, mittel- bis grobkörniger Keuper-Sand­ stein, der bei Schlaitdorf zur Zeit der Großaufträge für den Kölner Dom im 19. Jh. gewonnen wurde, aber auch in der weiteren Umgebung ansteht“. Trotzdem kann der alte Begriff in der Kommunikation zwischen Eigentümern historischer Gebäude, an denen er verbaut wurde, und Denkmalpflegern hilfreich sein. In der Literatur oft verwendete historische Bezeichnungen werden deshalb in den folgenden Kapiteln angegeben. Leider sind aber auch Bezeichnungen wie „Stubensandstein“ oft selbst keine eindeutigen Be­griffe, weil zur Stubensandstein-Fazies Sandsteine mit recht unterschiedlicher Körnung, Kornbindung und Farbe zählen; in Bayern heißt dieser Sandstein traditionell „Burgsandstein“. Im Zuge der europäischen Vereinheitlichung stratigraphischer Einheiten wurde außerdem die Stubensandstein-Formation im Jahr 1997 in Löwenstein-Formation1 umbenannt; auch viele andere altbekannte Begriffe wurden zwischenzeitlich angepasst. Auf diese Änderungen und synonymen Bezeichnungen wird in den Einführungen zu den Kapiteln eingegangen. Ortsangaben für die große Zahl von Steinbrüchen im mehrere Hundert Meter mächtigen und über viele Tausend Quadratkilometer zu Tage tretenden „Buntsandstein“ der Trias und des Perms2 sind so zahlreich, dass sie für die Gliederung in einem Handbuch nicht geeignet sind: Nach dem Stand der Rohstoffkartierung des LGRB existieren rund 1000 alte Steinbrüche im Buntsandstein von Schwarzwald und Odenwald. Viele der dort gewonnenen Sandsteine haben ihre von der Lokalität abgeleitete Bezeichnung, z. B. Lahrer, Heimbacher, Allmendsberger, Tennenbacher, Seedorfer, Freudenstädter, Pfinztäler Sandstein usw. Ähnliches gilt für Steinbrüche im Schilfsandstein 1 Subkommission Perm/Trias der Dt. Stratigraphischen Kommission, Mitt. E. N itsch 2 Auf die abweichende Gliederung und Bezeichnung der Stratigraphen wird in Kap. 4.5.1 eingegangen.

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4.2 Angulatensandstein

Württembergs, im Kalkstein der Schwäbischen Alb oder im Muschelkalk von der Baar bis Württembergisch Franken und im angrenzenden Mainfranken. Die traditionellen Begriffe sind also einerseits oft ungenau oder sie beziehen sich auf wenig bekannte Lokalitäten und sind daher insbesondere für den Ortsfremden oder den mit der Nutzungsgeschichte wenig vertrauten Leser unübersichtlich. Die Beispiele zeigen, dass es schwierig ist, eindeutige, zugleich petrographisch korrekte oder gar selbsterklärende Begriffe zu finden, die man diesem Handbuch zugrundelegen könnte. Die Autoren haben sich deshalb für einen Kompromiss entschieden, der vor allem dem im Vorwort beschriebenen Zweck dieses Buches Rechnung trägt, nämlich der möglichst breiten Verwendung der Begriffe in Naturstein-Fachkreisen. Wir verwenden daher die heute in Südwestdeutschland gebräuchlichsten Be­griffe, auch wenn dabei einmal mehr die erdgeschichtlichen Überbegriffe, ein anderesmal die Lokalitätsbezeichnungen oder die über die Grenzen des Landes bekannten Industriebegriffe im Vordergrund stehen. Synonyme, Gesteinscharakteristika und wichtigste Abbauorte finden sich in den Kapiteln jeweils am Anfang, so dass eine Zuordnung zu anderen Gliederungen meist leicht möglich ist. Beschrieben werden nachfolgend die in großem Umfang, meist seit vielen Jahrhunderten verbauten Naturwerksteine des heutigen Landes Baden-Württemberg. Den wechselnden historischen Verhältnissen – mit unterschiedlicher territorialer Zugehörigkeit – und den alten Handelsbeziehungen wird dadurch Rechnung getragen, dass in Kap. 5 beim Blick über die Landesgrenzen auch zahlreiche weitere wichtige Naturwerksteinlagerstätten als Beipiel für ähnliche Vorkommen behandelt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die wichtigen Naturwerksteintypen des Landes in alphabetischer Reihenfolge behandelt, die der Nachbarländer nach der geographischen Lage der Länder (im „Uhrzeigersinn“). Seltene, vornehmlich lokal wichtige oder nur kurzzeitig genutzte Vorkommen werden nicht in eigenen Kapiteln behandelt. Zu solchen Besonderheiten gehören z. B. die Alabastergipse aus dem auflässigen Bergwerk Forchtenberg (Hohenlohekreis) und dem noch zeitweise betriebenen Gipssteinbruch Kayh bei Herrenberg (Abb. 2.4-4 ) oder der hornblendereiche Glimmerdiorit von Fröhnd im Wiesental (RG 8213-1), der bis 1989 gewonnen wurde. Bei der Darstellung der Naturwerksteinvielfalt in Kap. 2.4.1 oder in den Übersichten in Kap. 4 werden sie aber zumindest kurz behandelt. In den Erläuterungen zur Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000 (KMR 50) und zur Geologischen Karte des Landes im Maßstab 1 : 25 000 sind zumeist Kurzbeschreibungen dieser Gesteine zu finden. Selbstverständlich stellt dieses Buch eine Momentaufnahme in Bezug auf die Kenntnisse über unsere vielfältigen Naturwerksteinvorkommen dar. Weitere Forschungen, auch historischer und lokalgeologischer Art, sowie die weitere industrielle Nutzung werden zusätzliche Erkenntnisse erbringen. Das Landesamt

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für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) ist daher für alle Hinweise auf weitere Werksteinvorkommen dankbar, insbesondere wenn sie für eine künftige Nutzung ein interessantes Potenzial aufweisen.

4.2 Angulatensandstein – J ens Wittenbrink –

4.2.1 Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung Beim Angulatensandstein handelt es sich nicht um einen einzelnen, mehr oder weniger geschlossenen Sandsteinkörper, wie es z.  B. beim Buntsandstein (Kap. 4.5) oder bei den Strängen des Schilfsandsteins (Kap. 4.23) der Fall ist. Vielmehr existieren mehrere Sandsteinhorizonte, die jeweils vergleichsweise geringe laterale Erstreckung aufweisen. Man müsste daher eigentlich von „den Angulatensandsteinen“ sprechen. Werksteintaugliche und ausreichend mächtige Abschnitte sind z. B. zu finden beim Ebersbacher Sandstein in der Umgebung von Plochingen, südöstlich Stuttgart, und beim Gmünder Sandstein im Raum Schwäbisch Gmünd (Abb. 4.2-1). Ein größeres Verbreitungsgebiet besitzt der bei Plochingen in vier Horizonten auftretende Hauptsandstein, dessen unterster Horizont vom Stuttgarter Raum bis nach Aalen und Ellwangen reicht. In den genannten Gebieten wurden aber nicht nur Sandsteine der Angulatensandstein-Formation abgebaut, sondern auch solche, die aus geologisch-stratigraphischer Sicht der Arietenkalk- und PsilonotentonFormation zugerechnet werden. Hierzu gehören z. B. der Plochinger Sandstein in der Arietenkalk-Formation sowie der Ellwanger, Mutlanger und Esslinger Sandstein in der Psilonotenton-Formation (Abb. 4.2-2 und -3). Die meisten Sandsteinbänke, nämlich der Hauptsandstein und der Gmünder Sandstein, gehören stratigraphisch aber zur Angulatensandstein-Formation des Unterjuras, früher auch als Schwarzer Jura oder Lias bezeichnet. In geologischen Arbeiten verwendete Abkürzungen sind: juAS, früher Lias α2, Hettangium 2. Sie bilden mit den Gesteinen der Psilonotenton(juPT) und Arietenkalk-Formation (juAK, Kap. 4.3) die unterste Schichtstufe der Schwäbischen Alb von der Westalb bis zum Ries (Abb. 4.2-1). Die stratigraphische Bezeichnung Angulatensandstein geht auf das Leitfossil dieser Schichten zurück, der Ammonitenart Schlotheimia angulata (Abb.  4.2-4). Daher wurden die Sedimentgesteine der Angulatensandstein- bzw. Angulatenton-Formation früher als SchlotheimienSchichten bezeichnet. Lithologisch sind die Sandsteine der o. g. Horizonte sehr ähnlich, so dass am Hand- oder Werkstück kaum zu entscheiden ist, aus welchem Niveau der verwendete Sandstein stammt. In der Naturstein­praxis werden sie daher alle als Angulatensandsteine be­ zeichnet. Im Volksmund sind die Sandsteine aber auch als „Buchstein“ oder „Malbstein“ bzw. „Malmstein“

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4.2 Angulatensandstein

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Aufgelassene Steinbrüche im Angulatensandstein Landesgrenze Ausstrich des Unterjuras

Gewinnung von Naturwerksteinen Gewinnung von Natursteinen für den Verkehrswegebau Vermutete Gewinnungsstellen von Naturwerksteinen und Natursteinen im Angulatensandstein und Arietenkalk in der Region Ostwürttemberg

Abb. 4.2-1: Ausstrich des Unterjuras im Vorland der Schwäbischen Alb. Dargestellt sind ferner bekannte Steinbrüche im Angulatensandstein (Quadrate), Kreissymbole zeigen die in der Region Ostwürttemberg gelegenen alten Steinbrüche im Angulatensandstein und Arietenkalk, deren genaue Position aufgrund von Verfüllung und Überbauung bislang nicht rekonstruiert werden konnte.

bekannt, da sie in Folge von Verwitterung oftmals in dünnschichtigen Lagen aufspalten oder mehlig absanden (Frank 1965, Abb. 4.2-5). Bisweilen kommen in den Sandsteinen rostbraune Bänderungen vor, die auf eisenhaltige Formationswässer zurückzuführen sind und dem sonst gleichmäßigem Gestein eine abwechslungsreiche Struktur verleihen (Abb. 4.2-6). Das in Abb. 4.2-3 dargestellte schematische Profil von Trinkle (1972) zeigt die Lage der Sandsteinhorizonte der Angulatensandstein- und Psilonotenton-Formation im Raum Schwäbisch Gmünd. Die Sandstein- und Tonsteinschichten der oben genannten Formationen überlagern den Knollenmergel und die ebenfalls oft

als Naturwerksteine nutzbaren Stubensandsteine des Keupers (Kap. 4.25). Über den Angulatensandsteinen folgen die Kalksteine der Arietenkalk-Formation, auf welche im Kap. 4.3 näher eingegangen wird. Im schematischen geologischen Schnitt sind weiterhin die schwankenden Mächtigkeiten sowie das häufige Auskeilen einzelner Horizonte zu erkennen, wie z. B. beim Gmünder Sandstein. Westlich einer Linie Stuttgart–Tübingen–Hechingen nimmt die Anzahl der Sandsteinhorizonte ab. Sie gehen hier in die Tonsteine der Angulatenton-Formation über (Simon 2004). Im Osten setzen die Angulatensandsteine im Bereich des Impaktkraters des Nördlinger Rieses aus und treten erst am Hesselberg bei Wassertrüdingen (Mittelfranken) wieder auf.

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4.2 Angulatensandstein

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Abb. 4.2-2: Schematischer West–Ost gerichteter geologischer Schnitt für den stratigraphischen Abschnitt PsilonotentonFormation bis Arietenkalk-Formation zur Darstellung von Erstreckung und relativer Mächtigkeit der allgemein unter „Angulatensandstein“ zusammengefassten Sandstein-Horizonte im Unterjura von Baden-Württemberg (nach: B loos 1976, Abb. 6).

Die Mächtigkeit der Angulatensandstein-Formation schwankt zwischen 8 und 12 m. Bei Plochingen erreicht sie einen Maximalwert von 20 m (B loos 1976). Die darin auftretenden Sandsteinhorizonte sind zwischen 1,5 und 10 m mächtig; die einzelnen Sandsteinbänke selbst sind zwischen 0,2 bis 1,5 m dick (Frank 1965).

4.2.2 Geologisches Alter, Entstehung Die rund 200 Mio. Jahre alten Angulatensandsteine gehen auf marine Ablagerungen zurück. Im Unterjura lag das heutige Vorland der Schwäbischen Alb im Bereich eines Flachmeeres. Die Küstenlinie war ca. 120 km entfernt und befand sich nach B loos (1976) in der Region von Weißenburg (Mittelfranken). In westliche Richtung nahm die Wassertiefe langsam zu, wie die Tonsteine der Angulatenton-Formation in der Westalb zeigen. Die Feinsande bestehen aus Verwitterungsprodukten, die aus Skandinavien mit der Meeresströmung antransportiert und in einem breiten Streifen von der westlichen Ostsee bis zum Bodensee und Allgäu abgelagert wurden. Innerhalb dieses Ablagerungsraums änderten sich die Sedimentationsbedingungen immer wieder, weshalb es zu einer Wechselfolge aus Feinsandsteinhorizonten, Tonsteinen, Mergelsteinen und Kalksteinen kam.

4.2.3 Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung Die plattigen bis bankigen Sandsteine der Angulatensandstein-Formation sowie der genannten unmittelbar über- und unterlagernden Formationen setzen

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sich aus Grobsilt- bis Feinsandsteinen, partienweise auch aus fein geschichteten Kalksandsteinbänken zusammen. Angewitterte Werksteine spalten oftmals in dünnen Lagen auf (Abb. 4.2-5). Durch die Oxidation des im karbonatischen Bindemittel enthaltenen Eisens erhält er im Anschnitt bzw. auf Bearbeitungsflächen seine charakteristische gelblichbraune Färbung. Nach Analysen von B loos (1976) setzt sich der Sandstein zu 93–99 Vol.-% aus eckigen bis kantengerundeten, z. T. aus gut gerundeten Quarzkörnern zusammen. Nebengemengteile sind mit 0–6 Vol.-% Feldspäte (vorwiegend Orthoklas). In geringen Mengen treten Muskovit und Biotit, Tonminerale sowie die Schwerminerale Zirkon, Turmalin, Rutil und Granat auf. Die Kornbindung der Sandsteine ist karbonatisch, tonig-ferritisch oder kieselig. Die kieselige Bindung tritt nur im westlichen Teil des Verbreitungsgebiets, z. B. westlich von Stuttgart, auf. Dagegen ist die Zementierung der Komponenten mit Calcit weiter verbreitet und kommt in allen Sandsteinhorizonten vor. Nicht kalkige Sandsteine besitzen zumeist ein tonig-ferritisches Bindemittel. Die Sandsteine sind in der Regel gelblich-bräunlich gefärbt und zeigen bisweilen Eisenhydroxidflecken bzw. -ringe (Abb. 4.2-7). Im frischen Zustand sind vor allem die karbonatisch gebundenen Angulatensandsteine blaugrau bis grau. Untersuchungen an Angulatensandsteinen aus Steinbrüchen bei Vaihingen, Esslingen, Plochingen und Frickenhofen bei Gaildorf ergaben Druckfestigkeiten von 69–75 MPa für karbonatisch bis tonig-ferritisch gebundene Typen (Frank 1944, 1949). Im Bereich von Stuttgart-Vaihingen wurde ein Kalksandstein mit einer Druckfestigkeit von 188–204 MPa gewonnen; dieser fand als Pflasterstein Verwendung („Vaihinger Pflasterstein“, Frank 1994b, Ströbel & Wurm 1994).

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4.2 Angulatensandstein

Abb. 4.2-3: Das schematische, geologische West–Ost-Profil (nach T ­ rinkle 1972) zeigt Verbreitung und Mächtigkeitswechsel der Sandsteinhorizonte nördlich von Schwäbisch Gmünd. Naturwerksteine wurden im Mutlanger Sandstein sowie im Gmünder- und Hauptsandstein gewonnen. Stratigraphisch wird der Mutlanger Sandstein der Psilonotenton-Formation und der Gmünder- und Hauptsandstein der Angulatensandstein-Formation zugerechnet. In der überlagernden Arietenkalk-Formation treten im Raum Schwäbisch Gmünd keine Sandsteine auf.

dem ausgehenden 12. Jahrhundert stammen dürfte („Pfeilermadonna“, Abb.  4.2-9). Auch heute wird der Angulatensandstein noch gelegentlich als Bildhauermaterial genutzt, so z. B. vom Steinbildhauermeister Franz H uber in Schwäbisch Gmünd.

Zu diesem Zweck wurden auch verkieselte Sandsteine aus Plochingen abgebaut, die mit 91–132 MPa ebenfalls recht hohe Druckfestigkeiten besitzen. Die Rohdichte der untersuchten Angulatensandsteine schwankt zwischen 2,1 und 2,6 g/cm3. Angulatensandsteine mit hohen Druckfestigkeiten wurden im Straßenbau nicht nur als Pflastersteine sondern auch als Vorlagesteine und Schotter verwendet. Schon die Römer nutzten dieses Material, um damit Straßen zu befestigen und Mauern für Kastelle und Stützpunkte zu errichten, wie Grabungen bei Schwäbisch Gmünd belegen. Besonders zwischen dem Mittelalter und dem letzten Jahrhundert wurden die Angulatensandsteine als Mauersteine verwendet. Aus ihnen wurden mittelalterliche Stadtmauern, Kirchen und Türme (Abb. 4.2-8) errichtet, wie vor allem große, steinsichtige Bauwerke in Schwäbisch Gmünd belegen. Ein weiteres schönes Beispiel stellt die die Esslinger Burg dar. Im Mittelalter wurde der Angulatensandstein bisweilen auch für figürliche Arbeiten verwendet. Eine der frühesten bekannten Steinmetzarbeiten ist die staufische Madonna, die nach Kissling (2000) aus

Schleifsteine aus Angulatensandstein waren sehr geschätzt und wurden weit über die Grenzen von Württemberg gehandelt. Ferner wurden Fundamente, Keller, Wohnhäuser, Schulen und Amtsgebäude aus diesen Feinsandsteinen errichtet. Schöne Beispiele bietet die Umgebung von Schwäbisch Gmünd und Stuttgart-Vaihingen (Abb. 4.2-10 und -11; Frank 1994b, Mayer 2010, ­S tröbel & Wurm 1994). In Stuttgart-Vaihingen sind einige gut erhaltene, steinsichtige Villen aus Angulatensandstein zu finden (Abb.  4.2-11); das Material ist hier sehr hart und verwitterungsbeständig. Für den Wiederaufbau der Burg Hohenzollern im 19. Jahrhundert wurde Angulatensandstein aus der Umgebung von Hechingen verarbeitet; er fand sowohl für die Fassaden als auch für die Treppen Verwendung (Schmierer 1995).

4.2.4 Gewinnung und Verarbeitung Abgebaut wurde der Angulatensandstein in einer Vielzahl von Steinbrüchen entlang der Schwäbischen Alb (Abb. 4.2-1) sowie westlich von Stuttgart. Zentren der Gewinnung lagen bei Balingen, Stuttgart-Vaihingen, Esslingen, Plochingen und in der Umgebung von Schwäbisch Gmünd. Für die Lagerstättenkartei des LGRB von Nordwürttemberg sowie von Württemberg-Hohenzollern nahmen F. Weidenbach und Mitarbeiter um 1947 sowie A. Schreiner im Zeitraum 1950–52 insgesamt 44 Abbaustellen auf, in denen zu dieser Zeit noch Angulatensandsteine (zeitweise) abgebaut wurden. Eine aktuelle Auswertung geologischer Karten und des digitalen Geländemodells (DGM) ergab, dass noch 32 weitere Steinbrüche in der Region Ostwürttemberg auffindbar sind, in denen Sand- und Kalksteine der Angulatensandstein- und Arietenkalk-Formation (oft aus den selben Brüchen) gewonnen wurden.

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4.2 Angulatensandstein

Abb. 4.2-4: Schlotheimia angulata, namensgebender Ammonit für die Angulatensandstein-Formation.

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Abb. 4.2-7: Sockelmauerwerk aus gelblich bis rötlichbraunem, durch Eisenhydroxide gefärbtem Angulatensandstein, Haus in Herlikofen nordöstlich von Schwäbisch Gmünd.

der Quader aus dem Verband fand das Vorrichten zu Werksteinblöcken bzw. die Bearbeitung zu Mauersteinen und die Zerkleinerung von Reststücken zu Vorlagesteinen für den Wegebau statt. In der genannten Lagerstättenkartei sind zwei Steinbrüche aufgeführt, in denen eine Brecheranlage zur Herstellung von Schottern vorhanden war. Im Gebiet bei StuttgartVaihingen wurden aus dem dort harten Angulatensandstein Mauer- und Pflastersteine gefertigt. Nach Ströbel & Wurm (1994) waren die Steinbrüche bei Stuttgart-Vaihingen im Gewann Heßäcker und beim Jägerhof am längsten zur Gewinnung von Pflasterund Mauersteinen in Betrieb; der letzte verschwand um 1977 beim Ausbau der B 14. Abb. 4.2-5: Mauersteine aus Angulatensandstein im Kellergeschoss eines Hauses in Schwäbisch Gmünd. Durch Verwitterung tritt die feine Schichtung wie Buchseiten hervor. Diese Feinsandsteine sind daher auch unter dem Namen „Buchsteine“ bekannt.

Abb.  4.2-6: Brauneisenreicher Angulatensandsteinblock, gewonnen bei Bauarbeiten im Engelbergtunnel bei Leonberg; Foto im Blocklager des Bildhauerbetriebs der Fa. E. Schnell, Fridingen a. d. Donau.

Von den somit insgesamt 76 Steinbrüchen waren zur Zeit der Erhebung durch Weidenbach und Schreiner noch zehn Steinbrüche, einige nur gelegentlich, in Betrieb. Beschäftigt waren in dieser Zeit jeweils zwischen einem und acht Arbeitern. Nach dem Lösen

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4.2.5 Potenzial Der Angulatensandstein wird heute nirgends mehr abgebaut, auch für Restaurierungsmaßnahmen steht zurzeit kein Steinbruch zur Verfügung. Die alten Brüche sind verbrochen und oft mit Abraum bedeckt, verfüllt oder überbaut. Die im Hangenden der Sandsteinbänke auftretenden Tonsteine führen zu einer geringen Standfestigkeit der Steinbruchwände, so dass schon wenige Jahre nach der Stilllegung die einst genutzten Sandsteinbänke kaum mehr erkennbar sind. Gelegentlich treten verwertbare Angulatensandsteinblöcke bei Tunnel- und Straßenbaumaßnahmen oder in Baugruben auf (Abb. 4.2-6). Rührige Steinmetz- und Restaurierungsbetriebe sichern sich gerne diese selten gewordenen Sandsteine als Bildhauermaterial. Wegen der schlechten Aufschlussverhältnisse können derzeit keine Aussagen zu Gebieten mit interessanten Vorräten an Angulatensandsteinen gemacht werden; Schurf- und Bohrarbeiten wären erforderlich. Einige der oben genannten fast 80 Steinbrüche würden sich dafür sicher eignen. Aufgrund der geringen Mächtigkeit der Werksteinhorizonte von oft nur einigen Metern, sind zum Auffinden geeigneter Bereiche zur Wiederaufnahme einer Gewinnung in den meisten Fällen zahlreiche Kernbohrungen erforderlich. Das Potenzial im Umfeld der in Abb. 4.2-1 dargestellten Steinbruchgebiete ist bislang nicht geprüft worden.

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4.2 Angulatensandstein

Abb. 4.2-10: Haus in Schwäbisch Gmünd als Beispiel für ein vollständig aus Angulatensandstein erbautes Wohngebäude.

Abb. 4.2-8: Der 39,9 m hohe Königsturm in Schwäbisch Gmünd wurde 1350 aus Angulaten- und Stubensandstein erbaut, wobei Stubensandstein aufgrund der höheren Festigkeit für die Eckpartien und der Angulatensandstein für das aufgehende Mauerwerk verwendet wurden.

Abb. 4.2-11: In Stuttgart-Vaihingen befindet sich ein weiteres Beispiel für ein Wohnhaus aus Angulatensandstein. Die Feinsandsteine aus der Region Stuttgart-Vaihingen zeichnen sich durch ihre hohe Härte und Verwitterungsbeständigkeit aus und wurden daher nicht nur zum Hausbau sondern auch als Pflastersteine verwendet.

Abb. 4.2-9: Die aus dem ausgehenden 12. Jahr­ hun­dert stammende, 1,3  m ho­ he Staufische Madonna wurde aus Angulatensandstein hergestellt. Sie befindet sich heute in der St. Johannis-Kirche (erbaut 1210– 1230) in Schwäbisch Gmünd.

Kurzfassung: Der unterjurassische Angulatensandstein ist ein gelblichbrauner, bankiger bis plattiger Grobsilt- bis Feinsandstein, der im Vorland der Schwäbischen Alb von Stuttgart bis Ellwangen in verschiedenen Horizonten auftritt. Nicht alle der 1,5 bis 10  m mächtigen Sandsteinhorizonte gehören der stratigraphischen AngulatensandsteinFormation an. Es wurden auch Feinsandsteine der Arietenkalk- bzw. Psilonotenton-Formation gewonnen. Die Sandsteine wurden für Mauerwerk von der Römerzeit über das Mittelalter bis in die Neuzeit genutzt. Im 19. und 20. Jahrhundert verwendete man insbesondere die harten Sandsteine aus dem Raum Stuttgart als Pflaster- und Vorlagesteine. Heute ist kein Steinbruch im Angulatensandstein in Betrieb. Wichtige Bauwerke: Reste römischer Wachtürme und Stützpunkte im Raum Aalen–­ Schwäbisch Gmünd, Königsturm, Stadtmauer, Kirchen und Häuser in Schwäbisch Gmünd und Umgebung, Burg Esslingen und Burg Hohenzollern bei ­Hechingen.

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4.3 Arietenkalk

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Die Mächtigkeit der Sedimentgesteine der Arietenkalk-Formation beträgt meist nur 3–7 m, im Großraum Stuttgart nimmt sie auf 17–19 m zu. Die für Bau- und Werksteine nutzbaren Abschnitte sind meist nur 1,4– 3,3 m mächtig, im Schnitt 2,3 m (R eyer 1927).

4.3 Arietenkalk – B irgit Kimmig & J ens Wittenbrink –

4.3.1 Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung

Die Bezeichnung „Arietenkalk-Formation“ geht auf Ammoniten der Gattung Arietites zurück, welche in großer Zahl und oft beachtlicher Größe in den Kalksteinen dieser Formation auftreten können (Abb. 4.3-2). Die Kalksteine sind reich an Schalenresten und Echinodermen­ bruch­stücken. Die Muschel Gryphaea arcuata kommt auf der Ostalb teilweise so massenhaft vor, dass sie als gesteinsbildend bezeichnet werden kann (Abb. 4.33 und -4). Darauf ist der Name „Gryphäenkalk“ oder „Gryphitenkalk“ zurückzuführen. Im Volksmund wird der Kalkstein aufgrund der Ammoniten und Muscheln auch „Schneckenfels“ oder „Uhrenfels“ genannt; bei Gmünd führt er den Namen „Liasfels“ (Reyer 1927).

Der Arietenkalk besaß im Austrichbereich der nach ihm benannten geologischen Formation über Jahrhunderte hinweg vor allem als Bau- und Pflasterstein Bedeutung. In über 100 Steinbrüchen wurde er gebrochen. Großformatige Werksteinblöcke sind aus ihm nur selten zu gewinnen. Heute wird er nirgends mehr abgebaut. Die Sedimentgesteine der Arietenkalk-Formation (juAK) erstrecken sich in Baden-Württemberg von Donaueschingen im Südwesten bis Aalen im Nordosten. Zwischen Donaueschingen, Balingen und Reutlingen ist die Ausstrichbreite relativ gering, nimmt in östliche Richtung dann aber deutlich zu. Über Nürtingen, Göppingen und Schwäbisch Gmünd erreicht sie aufgrund der söhligen Lagerung ca. 20 km und nimmt bei Aalen schließlich wieder ab (Abb. 4.3-1). Östlich von Aalen wird der Arietenkalkstein zunehmend sandiger, was zu einem mittel- bis grobkörnigen Kalksandstein führt, der als Gryphäensandstein im Raum Aalen-Ellwangen eine eigene Formation bildet.

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Mit Beginn des Unterjuras breitete sich in Süddeutschland das Meer aus. Zu den unterlagernden tonig-sandigen Gesteinen der Angulatensandstein-Formation (Kap. 4.2) besteht meist keine scharfe Grenze. Die Basis der Arietenkalk-Formation bildet die so genannte Kupferfelsbank, welche beispielsweise am Südwestufer des Echaztals bei Betzingen (bei Metzingen) einige Zeit gebrochen wurde (Schmidt 1981). Gelegentlich in der Arietenkalk-Formation auftretende Grobsandschichten weisen auf Küsten­nähe hin.

4.3.3 Gesteinsbeschrei bung, technische Eigenschaften und Verwendung

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4.3.2 Geologisches Alter, Entstehung

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Die Arietenkalk-Formation besteht aus grauen, fossilreichen Kalksteinen und zwischengeschalteten Mergelsteinen, teilweise können auch bituminöse Lagen eingeschaltet sein. Im angewitterten Zustand ist er gelblichgrau. Der Arietenkalk wurde oft zusammen mit dem unterlagernden Angulatensandstein (Kap. 4.2) abgebaut. Nach Frank (1949) wurden die Arietenkalke im Albvorland überwiegend für Straßenbausteine verwendet. Örtlich wurden sie aber auch zum Bau von Hausmauern und rohen

Aufgelassene Steinbrüche im Arietenkalkstein Landesgrenze

Gewinnung von Naturwerksteinen

Ausstrich des Unterjuras

Gewinnung von Naturwerksteinen und Natursteinen (Wegebau) Gewinnung von Natursteinen (Wegebau) Gewinnung von Kalkstein zur Herstellung von Kalkprodukten (Branntkalk)

Abb. 4.3-1: Verbreitung des Unterjuras im Gebiet der Schwäbischen Alb. Die zahlreichen Steinbrüche (Stand 2012) in dieser geologischen Einheit belegen, dass der Arietenkalk an vielen Stellen genutzt wurde.

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4.3 Arietenkalk

Abb. 4.3-2: Ammoniten der Gattung Arietites, verbaut in einer Mauer bei Kleindeinbach (links), sowie das in Wetzgau gefundene Exemplar, heute Sammlung Museum im Prediger, sind namensgebend für die Kalksteine der Arietenkalk-Formation.

Feldmauern genutzt. Bei Trossingen, Spaichingen und Göppingen wurden sie zum Kalkbrennen gewonnen. Auch Reyer (1927) berichtet von der Herstellung von schwarzem Kalk, von Straßenschotter und Pflastersteinen. Beim Abbau von Arietenkalk zusammen mit dem Angulatensandstein in der Umgebung von Vaihingen (Reyer 1927) wurden von oben nach unten drei brauchbare Felsen von den Pflasterern unterschieden

und mit folgenden Namen belegt: Straßenschotterfels, Galle und Pflastersteinfels. Bei der Galle handelt es sich um einen sehr harten, dichten und festen Kalkstein mit Echinodermen- und Muschelschalenresten. Nach Mayer (2010) erhielten die drei Hauptbänke des Arietenkalks im Raum Schwäbisch Gmünd von den Steinbrechern die Namen Dreispälter (Gryphäenbank), Schneckenfels sowie unterer und oberer Schneller. Das Brechen der Steine war ursprünglich den Landwirten vorbehalten, die dadurch im Winter eine Betätigung und Einkommen hatten. Die gebrochenen und bearbeiteten Kalksteine wurden zu Mauern, z. T. mit eingesetzten Ammoniten, verbaut, wie sie heute noch in Schwäbisch Gmünd-Kleindeinbach (Abb. 4.35) und Oberbettingen zu finden sind. Die Schulhofumfassungsmauer der Klösterleschule in Schwäbisch Gmünd zeigt, welche Massen an Fossilien im Arietenkalk erhalten sein können. Die Kalksteine des Arietenkalks wurden weiterhin als Sockelgemäuer von Privathäusern in Straßdorf, Herlikofen (Abb. ­ 4.3-6) und in Schwäbisch Gmünd verbaut.

Abb. 4.3-3: Zusammenschwemmung von Muscheln der Art Gryphaea arcuata auf einer Schichtfläche im Arietenkalkstein, Natursteinmauer in Hangendeinbach nordwestlich von Schwäbisch Gmünd.

Abb. 4.3-4: Schnitt senkrecht zur Schichtung durch einen Arietenkalksteinblock aus Oberbettringen, südöstlich von Schwäbisch Gmünd. Hier treten die Muscheln der Art Gryphaea arcuata in großen Mengen gesteinsbildend auf, weshalb der Arietenkalk auch als Gryphäenkalk bezeichnet wird.

Bereits die Römer nutzten den Arietenkalk als Baustoff für Straßen, Mauerwerke ihrer Stützpunkte und Befestigungen am Limes. Zwischen den Ortschaften Mögglingen und Heuchlingen wurden nach Mayer (2010) bei der Untersuchung eines Grabhügels Reste eines Kalkofens entdeckt, der in unmittelbarer Nähe des Limes lag. Daher ist anzunehmen, dass dieser römischen Ursprungs ist. Die Wände des Ofens wurden aus Arietenkalk gemauert. Das Kalkbrennen setzt sich bis in die Neuzeit fort, wie das Dünger-Kalkwerk von Göggingen und das Kalkwerk von Mögglingen aus den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts belegen. Danach konnte der Arietenkalk nicht länger mit den in weit größeren Mengen angebotenen Oberjurakalksteinen konkurrieren. Weiterhin wurde der Kalk schon in geschichtlicher Zeit zum Weißeln von Wänden verwendet. Einer der Hauptverwendungszwecke des Arietenkalks nach 1945 war der Straßen- und Wegebau. In der Region um Schwäbisch Gmünd wurden die Gesteine in den Steinbrüchen bei Straßdorf, Wetzgau, Bettringen und Herlikofen gewonnen. Kalksteine, welche nach

155

4.3 Arietenkalk

Naturwerksteine aus Baden -Württemberg

Abb.  4.3-5: Gartenmauer in Kleindeinbach, nordwestlich von Schwäbisch Gmünd, aus Arietenkalk als Beispiel für die Verwendung als Mauerquader.

Abb. 4.3-6: Detailaufnahme aus einer Arietenkalkmauer bei Herlikofen mit Schalen der Auster Gryphaea arcuata.

der Sprengung gerade Seiten aufwiesen, fanden Verwendung als Mauer und Sockelsteine, der Rest als Vorlagesteine. Sie bildeten das Grundgerüst der Straßen und Wege und wurden mit einer Schicht aus Hartsteinschotter bei höherwertigen Straßen und Splitt im Fall von Wegen bedeckt. Anfang der fünfziger Jahre ging die Nachfrage nach Arietenkalk zurück, er wurde durch härtere Gesteine ersetzt (Mayer 2010). In Schwäbisch Gmünd wurde er beispielsweise 1960 zum letzten Mal für Vorlagesteine genutzt. Nach Wagenplast & Werner (2001) wurden die Arietenkalkbrüche nach der Einführung der Asphalt- und Betondecken im Straßenbau aufgegeben und verfüllt.

terial verwendet (Frank 1949, Eisenhut 2002). Meist sind die ehemaligen Steinbrüche heute verfüllt, so z. B. bei Filderstadt (S imon 2004). In Trossingen wurde ­Arietenkalk zu Schwarzkalk gebrannt (Frank 1944).

Untersuchungen der Druckfestigkeiten an Gesteinen aus dem Steinbruch der Fa. Albert Brenner aus Vaihingen a. d. F. ergaben nach R eyer (1927) Werte von 142–171 MPa sowie ein spezifisches Gewicht von 2,69–2,70 ­g/­cm3. Frank (1949) gibt Druckfestigkeiten von 118–165 MPa an. Somit gehören die ­Arietenkalke aus Vaihingen a. d. F. zu den widerstandsfähigen Werksteinen, weshalb sie früher gerne als Pflastersteine genutzt wurden. Wegen der meist geringen Quadergröße konnten die Arietenkalke nur selten für größere Werkstücke wie Treppenstufen oder für Ornamente verwendet werden.

4.3.4 Gewinnung und Verarbeitung Der Arietenkalk wurde überall entlang seines Ausstrichs am Fuß der Schwäbischen Alb zur Gewinnung von Straßenbau- und Bausteinen gewonnen, oft zusammen mit dem unterlagernden Angulatensandstein (Abb.  4.3-1). Wegen der geringen Mächtigkeit der Kalksteinserie von 3–5 m waren die Steinbrüche stets von geringer Ausdehnung und Höhe (Wagenplast & Werner 2001). Nördlich von Vaihingen a. d. F. wurden die Kalksteine in zahlreichen Brüchen bis in die 1920er Jahre abgebaut und zu Pflastersteinen verarbeitet (Frank 1949, Ströbel & Wurm 1994). Überall zwischen Trossingen – Balingen und Göppingen – Gmünd – Aalen – Ellwangen wurde der Arietenkalk für den örtlichen Bedarf als Bau-, Pflaster- und Vorlagestein sowie als Schotterma-

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In der Lagerstättenkartei des LGRB von Nordwürttemberg und Württemberg-Hohenzollern (Weidenbach 1947, Schreiner 1950–52) sind insgesamt 107 Betriebe zu finden, die Arietenkalk gewannen und verarbeiteten. Von diesen Gewinnungsstellen waren im Zeitraum 1947–1952 noch 18 in ständigem und 42 in gelegentlichem Betrieb. Die verbleibenden 47 Gewinnungsstellen waren zum Zeitpunkt der Erhebung bereits außer Betrieb oder schon länger aufgelassen. Die Mehrzahl der Steinbruchbetriebe beschäftigte nur ein bis zwei Arbeiter. Wenige hatten 6–18 Beschäftigte. Die Kalksteine wurden von Hand gebrochen und dann in Form gehauen bzw. zu Schotter zerkleinert. Über die Verarbeitungstechnik in den meisten Steinbrüchen liegen keine Informationen vor; in der genannten Lagerstättenkartei von Weidenbach (1947) und Schrei ner (1950–52) sind nur drei Steinbruchbetriebe aufgeführt, die einen maschinellen Brecher besaßen.

4.3.5 Potenzial Der Arietenkalk wird in Baden-Württemberg etwa seit den 1950er Jahren nicht mehr abgebaut. Steinbrüche, die für einen Abbau von Arietenkalk z. B. für Restaurierungszwecke genutzt werden könnten, sind derzeit nicht bekannt, zumal die meisten alten Brüche verfüllt und überbaut sind. Die übrigen Steinbrüche sind verbrochen, was auf die geringe Standfestigkeit der Steinbruchwände und die überlagernden Ton- und Tonmergelsteine der Obtususton-Formation (juOT) zurückzuführen ist. Die heute hauptsächlich im Garten- und Landschaftsbau genutzten Arietenkalke stammen aus neuen Aufschlüssen des Straßenbaus oder sonstigen Bauprojekten. Wie bei den Angulatensandsteinen liegen aufgrund der schlechten Aufschlussverhältnisse keine Informationen zu Gebieten mit bauwürdigen Arietenkalksteinvorkommen vor. Es ist aber nicht auszuschließen, dass von den 107 in der Lagerstättenkartei des LGRB

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erfassten Steinbrüchen einige ein Potenzial für eine Gewinnung von Arietenkalk aufweisen. Aufgrund der geringen Mächtigkeit von 3–5 m bietet sich ein kombinerter Abbau mit den ebenfalls gering mächtigen Feinsandsteinen der Angulatensandstein-Formation an. Zur Auffindung nutzbarer Bereiche sind allerdings umfangreiche Erkundungsarbeiten mittels Schürfen und Kernbohrungen notwendig. Eine Untersuchung in der Umgebung der stillgelegten Gewinnungsstellen hat bisher nicht stattgefunden.

4.4 Böttinger Marmor

(A)

Kurzfassung: Der Arietenkalk, ein grauer bis gelblichgrauer, fossilreicher Kalkstein mit eingeschalteten Mergelsteinen, weist ein unterjurassisches Alter auf. Im Vorland der Schwäbischen Alb erreicht er Mächtigkeiten von 3–7 m und im Raum Stuttgart bis 19  m. Durchschnittlich sind aber nur 2–3 m der Abfolge nutzbar. Da der Arietenkalk die Angulatensandsteine unmittelbar überlagert, fand zumeist eine gemeinsame Gewinnung beider Gesteine statt. In über 100 Steinbrüchen, von denen heute keiner mehr in Betrieb ist, wurde Arietenkalk als Mauerstein für Hausfundamente und insbesondere als Pflaster- und Vorlagestein für den Straßenbau gewonnen. Weiterhin war er ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von gebranntem Kalk. Historische Bauwerke aus Arietenkalk sind wahrscheinlich nicht erhalten. In der Region um Schwäbisch Gmünd sind aber noch häufig Hausfundamente und Mauern aus Arietenkalk zu finden.

4.4

Böttinger Marmor

(B)

– Wolfgang Werner –

4.4.1 Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung Der Böttinger Marmor, ein Thermalsinterkalkstein, gehört zu den auffälligsten und ungewöhnlichsten Naturwerksteinen Baden-Württembergs. Die polierfähige, dunkelrot und gelblichweiß gebänderte Varietät wird als „Böttinger Bandmarmor“ oder „Bändermarmor“ bezeichnet (Abb. 4.4-1 und -2). Weil der Begriff „Marmor“ metamorphe Karbonatgesteine bezeichnet, ist er für den Böttinger Thermalsinter geologisch natürlich nicht korrekt; er geht im vorliegenden Fall auf die marmorartige Bänderung und gute Polierfähigkeit des Kalksteins zurück. Dieser sog. Bändermarmor war besonders im 18. und 19. Jahrhundert als repräsentativer Dekorationsstein begehrt (Kap. 4.4.3). Randlich zum diesem tritt der horizontal gelagerte oder auch 30–40° von der Thermenspalte einfallende, unregelmäßige „Wilde Marmor“ auf, der im 20. Jh. ebenfalls Gegen­stand des Abbaus war. Da er den wertvolleren Bändermarmor umgibt, wird er auch als „Mantelmarmor“ bezeichnet. Die Gewinnung beider Varietäten wurde Anfang der 1960er Jahre mangels Nachfrage nach roten Terrazzokörnungen eingestellt.

Abb. 4.4-1: (A) Böttinger Marmor, wegen der rindenartigen Ablagerung der Thermalsinter auch als Böttinger Bandmarmor bezeichnet. Hämatitreiche, dunkelrote Lagen wechseln mit hellrosa und fast weißen Lagen ab, die wenige Eisenoxide enthalten. Bildhöhe ca. 10 cm. (B) Böttinger Bandmarmor mit strahligen Pseudomorphosen von Calcit nach Aragonit in den hellen Lagen. Handstückbreite 10 cm.

Das Vorkommen liegt im Randbereich eines Tuffschlotes. Die beiden Steinbrüche, in denen er gewonnen wurde, befinden sich am Rand der östlich von Münsingen gelegenen Ortschaft Böttingen (Kreis Reutlingen, TK 25 Nr. 7523 Münsingen) auf der Mittleren Schwäbischen Alb (Abb. 4.4-3). Der Böttinger Tuffschlot ist Teil des Uracher Vulkangebiets, das sich noch heute durch deutlich erhöhten

157

4.4 Böttinger Marmor

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18. Jh. Abgebaut wurde der Travertin mindestens in zwei Steinbrüchen, wovon der nordwestliche „Alte Bruch“ schon seit langem aufgefüllt und überbaut ist. Der südlich davon gelegene, 140 m lange „Neue Bruch“ reicht von R 3540 955 / H 5364 053 bis R  3541 069 / H 5363 963. Dieser Spaltenabbau ist noch zugänglich und als Naturdenkmal geschützt. Wegen akuter Einsturzgefahr der alten Bruchwände, besonders im Bereich der senkrecht stehenden und in Platten aufspaltenden Bändermarmore, ist der inte­ressante Aufschluss jedoch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben. Abb. 4.4-2: In der Schichtung gesägter Bandmarmor am Kriegerdenkmal in Münsingen-Böttingen; durch die unregelmäßigen welligen oder „höckerförmigen“ Ablagerungen der Sinter (vgl. Abb. 4.4-1 A und B) entstehen im Anschnitt abwechslungsreiche konzentrische und wolkige Strukturen. Bildbreite ca. 15 cm.

Wärmefluss auszeichnet (Haenel 1982). Auch aus anderen Gebieten dieses Uracher oder Urach-Kirchheimer-Vulkangebiets, das auch als „Schwäbischer Vulkan“ bezeichnet wird, wird über Sinterkalke berich­ tet, die auf Thermalwässer zurückgehen, welche mit dem jungen Vul­kanismus in Verbindung stehen. Der bei Laichingen nahe Blaubeu­ ren auftretende ver­schie­­ denfarbige, oft pisoli­thi­sche Sinterkalk („Erbsenstein“) bildet im Bereich des Laichinger Tuff­schlotes „Sinterkuppeln und Sinterterrassen, die sich auf den Schlottuff legten und diesen mit Kalk versinterten“ (Gwinner 1989: 17). Es treten dort auch horizontal gelagerte Sinterkalkbänke auf, die an Weißjura-Kalksteine grenzen. Wirtschaftli­ che Bedeutung haben aber nur die Thermalsinter bzw. Travertine von Böttingen erreicht. Die dunkelgrauen vulka­ni­ schen Tuffe des ­ Uracher Vul­kangebiets spiel­­ten we­ gen ihrer wasserstauenden Eigenschaften im sonst überwiegend trockenen Karst­gebiet der Schwäbischen Alb eine große Rolle für die Besiedlungsgeschichte – so auch in Böttingen. Infolge dieser Besiedlung eines solch fruchtbaren Fleckens wurde der Thermalsinter vermutlich zuerst entdeckt. Reguläre Gewinnung erfolgte wohl aber erst im

158

4.4.2 Geologisches Alter, Entstehung Die räumliche Bindung des Travertinvorkommens an den Randbereich des Böttinger Tuffschlotes legt einen genetischen Zusammenhang zwischen Vulkanismus und hydrothermaler Tätigkeit nahe. Schon Q uenstedt formulierte in seinem Begleitwort zum geologischen Blatt Blaubeuren (1872): „Wahrscheinlich mochten zur Tertiärzeit heiße Quellen nach Art heutiger Sprudel die merkwürdige Bildung ­veranlassen“.

Abb. 4.4-3: Vereinfachte geologische Karte für das Gebiet um Münsingen-Böttingen mit Darstellung der Tuffschlote und der daran gebundenen Vorkommen von Thermalsintern sowie der bekannten Steinbrüche im Böttinger Marmor.

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4.4 Böttinger Marmor

Abb. 4.4-4: Geologische Detailkarte (nach: W. Maier 1935) für den südöstlichen, sog. Neuen Bruch. Sie zeigt, wie im Tagebau um 1934/35 Spalten- und Wallsinter verteilt waren. Randlich geht der Wallsinter in Tuffe über; die zentrale Spalte war offensichtlich teilweise verlehmt. Große Blöcke von Oberjura-Kalksteinen, die beim Vulkanausbruch mitgerissen worden waren, lagen im Tuff und im Thermalsinter.

Nach ­Aigner (1975) ist das Travertinvorkommen beiderseits der Spalte von Basalttuffen und nicht von Oberjurakalksteinen umgeben. Er erkannte in der (seit 2006 durch einen Hangrutsch verschütteten) Nordwestecke des Steinbruchs, dass sich verlehmter Tuff und horizontal gelagerter Wilder Marmor verzahnen bzw. übereinander geschichtet auftreten können. Beim Böttinger Tuffschlot handelt es sich um ein Zeugnis eines heftigen explosiven Vulkanismus, der im weiten Umfeld von Urach zur Bildung zahlreicher Sprengkrater (Maare) führte. Die herausgeschleuderten basaltischen Tuffe sind zusammen mit großen Mengen an Nebengesteinsbruchstücken wieder in den Krater zurück gestürzt, es handelt sich also um eine vulkanische Schlotfüllung (Abb. 4.4-6). Nur wenige Hundert Meter weiter südöstlich der Steinbrüche befindet sich eine kleinere, in NNE–SSW-Richtung gestreckte Intrusionsspalte. Nebengesteine beider Tuffvorkommen sind Massenkalke des höheren Oberjuras. Die geologische Situation ist in Abb. 4.4-3 bis 4.4-5 dargestellt. Der Böttinger Thermalsinter verdankt seine Entstehung kalkhaltigen, warmen Quellen, die vor etwa 14 Mio. Jahren (Jungtertiär: Untermiozän) im Gefolge vulkanischer Aktivität zu Tage traten (B erckhemer 1923, Aigner 1975, Rosendahl et al. 2003). Nahe am Austrittspunkt der warmen Quellen bzw. Geysire kam es zur Bildung der Kalksinter, so wie es rezent im Yellowstone Vulkangebiet oder auf Island beob-

achtet werden kann (Abb. 4.4-7 und -8). Im Unterschied zu den kalkreichen Wässern, die zur Bildung von Quelltuffen und Seekalken beitragen (Kap. 4.8 und 4.12), sind die Wässer, die zur Travertinbildung führen, stärker mineralisiert (mehr als 1 g/l), enhalten gelöste freie Kohlensäure und sind höher temperiert. Zahlreiche in den Sintern des Mantelmarmors eingebettete Tier- und Pflanzenfossilien erlauben eine Vorstellung davon, wie die Landschaft zur Zeit der Geysire ausgesehen haben mag. Nach Hofmann (1933) fand die Thermalsinterbildung inmitten eines Waldgebiets mit Eichen, Weiden, Ulmen, Buchen, Lorbeer- und Mandelbäumen statt (Abb. 4.4-5). Hier lebten zahlreiche Tiere wie Insekten, Frösche, Eidechsen, Fledermäuse und Rotwild (Rosendahl et al. 2003). Der sicher sehr heftige und auf eine weite Umgebung zerstörerisch wirkende Maarvulkanismus muss also schon einige Zeit zurückgelegen haben, als der Böttinger Thermalsinterkalkstein in einer üppigen Waldlandschaft entstand. Der Nachweis des faserigen Karbonatminerals Aragonit, das später zu Calcit umgebildet wurde, zeigt, dass die aufsteigenden Wässer wärmer als 29°C gewesen sein müssen (Aigner 1975); Pseudomorphosen von Calcit nach Aragonit sind in den hellen Bändern oft gut erkennbar (Abb.  4.4-1B). So genannte Erbsensteine (Pisolithe), bestehend aus mm bis cm großen runden Kalkkörnern, belegen, dass das warme Wasser mit hoher Strömungsenergie turbulent ausgetreten sein muss, so wie es für Geysire typisch ist. Die hydrothermale

159

4.4 Böttinger Marmor

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Aktivität war ganz offensichtlich im Randbereich des Tuffschlotes von Böttingen besonders intensiv, während von den anderen, über 600 Tuffschloten des Uracher Vulkangebiets (“Schwäbischer Vulkan“) nur sehr unbedeutende Thermal­sintervorkommen bekannt sind. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass viele, besonders am Albtrauf gelegene Sinterbildungen, bereits der Erosion zum Opfer gefallen sind. SE von Böttingen zwischen dem Gewann Krumme Äcker und dem Linsenberg wurden beispielsweise noch zwei kleine Sintervorkommen nachgewiesen, die an eine spaltenartige Intrusion gebunden sind (Abb. 4.4-3). Ein häufig diskutiertes Phänomen ist, dass der steil stehende Bändermarmor (Abb. 4.4-5, Abb. 4.49 und -10) nicht in den horizontal gelagerten bis 45° einfallenden Mantelmarmor oder Wilden Marmor übergeht, sondern dass zwischen beiden scharfe Diskordanzen bestehen. Am Nordwest-Ende des Steinbruchs ist zu erkennen, dass zwei fast senkrechte Spalten den hier 35–45° nach Südwest und West einfallenden Mantelmarmor durchschlagen und dass der Mantelmarmor mit zunehmender Entfernung von der Hauptspalte mürber und toniger wird, weshalb auch der Abbau von Terrazzomaterial im Wilden Marmor auf einen schmalen Bereich begrenzt wurde (Abb. 4.4-11 und -12). Folgende Beobachtungen im heutigen Aufschluss, Berichte früherer Autoren und allgemeine Überlegungen zu Thermalsinterablagerungen sind zur Erklärung der Entstehung des Böttinger Marmors von Bedeutung:

Abb. 4.4-5: Schematische Schnitte durch den Böttinger Tuffschlot zur Darstellung des im Text erläuterten Entstehungsmodells für die Thermalsinter. Es wird deutlich, dass sich der wallartig abgelagerte „Wilde Marmor“ mit umgelagerten, abgeschwemmten Tuffen lateral verzahnt. Die jüngere Thermenspalte, in welcher der „Bändermarmor“ entstand, durchschlägt den Wallmarmor.

- Der Wallsinter, der die Thermenspalte beidseitig umgibt, verzahnt sich und wechsellagert mit verlehmten (d. h. tonigen) vulkanischen Tuffen. - Der Wallsinter enthält eine große Zahl von Fossilien, die auf eine üppige Waldlandschaft hinweisen. - Anhand der Fossilführung ist zu erkennen, dass dieser Sinter schichtig an der Oberfläche abgelagert wurde. - Thermalsinter und umgelagertes vulkanisches Material wurden gleichzeitig in einem Zeitraum abgelagert, in dem der explosive Maarvulkanismus schon lange beendet war (üppige Waldlandschaft). - Im Niveau des Steinbruchs zeigen die Diskordanzen zwischen Spalten- und Wallsinter, dass beide Varietäten an dieser Stelle nicht gleichzeitig entstanden; der bereits bestehende Wallsinter wurde

160

von neu aufgerissenen Spalten durchschlagen, in denen sich der Bändermarmor bildete. - Das nach außen gerichtete Einfallen der Sinterschichten lässt vermuten, dass um die Austrittsspalte eine wallartige Erhöhung von Sintern entstanden war (Modell in Abb. 4.4-5). - Wellenartige Strukturen im Wilden Marmor zeigen an, dass dieser Travertin durch herabrieselndes bzw. beidseitig über die Wälle ablaufendes Wasser gebildet wurde. Danach ist folgende Entstehung wahrscheinlich: Nach der Bildung des Tuffschlotes reißen während eines Erdbebens Spalten auf, die warmen Wässern den Aufstieg ermöglichen. Beim Durchwandern der mächtigen Karbonatgesteinsfolge des Oberjuras

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Abb.  4.4-6: Diatrembrekzie eines Tuffschlotes des sog. Schwäbischen Vulkans im Uracher Vulkangebiet. In den dunklen, basaltischen Tuffen schwimmen kantige, von der Wucht der Explosion mitgerissene Blöcke aus OberjuraKalksteinen; die Wandung des Tuffschlotes ist (links im Bild) am Rand eines alten Steinbruchs an der Neuffener Steige zu erkennen. Ganz ähnlich muss man sich den Böttinger Tuffschlot unterhalb der heutigen Landoberfläche vorstellen.

nehmen die CO2-reichen Thermalwässer aus diesen Calciumkarbonat auf. Die basaltischen Tuffe liefern den Großteil des Eisens für den Hämatit des Sinters (B erckhemer 1921). Während des schrittweisen Wachstums des Sinterwalls werden in Folge von Niederschlägen und durch die herausgeschleuderten Wässer des Geysirs umgebende Aschentuffe abgetragen und in Richtung Thermalspalte gespült; dort werden sie zusammen mit frisch entstandenen Sintern abgelagert (die Wässer müssen an anderer Stelle einen Ablauf gefunden haben, da sonst ein See entstanden wäre). Im Tuffschlot bereits vorhandene Kalksteinbrocken geraten so auch in die Sinter. Bei weiteren Beben reißen neue Spalten auf, die den bereits verfestigten Wallsinter durchschlagen. Die alte Förderspalte wird dabei erweitert, so dass lokal einige Meter breite gebänderte Sinter ohne Fossilinhalt entstehen. Daher ist kein harmonisches Umbiegen der Sinterschichten an der Spalte zu erkennen. Nach Abschluss der hydrothermalen Aktivität setzt die Abtragung der jüngsten Sinterschichten ein. Besonders starke Erosionsphasen waren sicher die Warmzeiten des Pleistozäns. Das heutige Aufschluss-

4.4 Böttinger Marmor

Abb. 4.4-7: Geysir Strokkur in Südisland; derartige Ausbrüche thermaler Wässer sind auch für die miozänzeitlichen, vulkanischen Quellen von Böttingen zu postulieren.

Abb.  4.4-8: Thermalsinterablagerungen des neben dem Strokkur gelegenen Großen Geysirs im Heißwassertal Haukadalur, Südisland.

niveau liegt also unterhalb der miozänzeitlichen Landoberfläche. Ein Modell dieses Entstehungsprozesses zeigt Abb. 4.4-5.

4.4.3 Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung Abgebaut wurde bei Böttingen am Sternenberg einer­ seits der rot und weiß gebänderte Travertin der etwa senkrecht stehenden Thermenspalte und der bis

161

4.4 Böttinger Marmor

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Abb. 4.4-9: Am Rand des sog. Neuen Steinbruchs von Böttingen stehen noch dicke Platten von Bändermarmor an. Bildbreite etwa 0,8 m.

Abb. 4.4-11: Frischer Ausbruch im Wallsinter, der hier steil nach Südwesten einfällt. Bildbreite 2,5 m.

etwa 4 m mächtige Bändermarmor (Abb. 4.4-9 und -10). Schreiner (LGRB-Archiv), der 1951 den Abbau noch erlebt hat, beschreibt diesen als harten, grobkristallinen, weiß-rosa farbenen Sinterkalk mit kräftig rosa farbenen und dunkelroten Bändern. Auffällig ist die scharfe Trennung von weißen bzw. gelblichweißen Lagen und tiefroten, eisenreichen Lagen im Bändermarmor. B erckhemer (1921) geht davon aus, dass nach der erst gemeinsamen Ausfällung von Kalk und kolloidalem Eisenhydroxid (Rotocker) „durch das Zusammentreten der Karbonatteilchen zu Kristallen Entmischung stattfand“. Der Bändermarmor besteht

aus feinen, engverzahnten Calcitkristallen in dichter Packung, die im Bereich der Bänder noch feiner und mit Eisenhydroxiden vermengt sind. Daneben tritt gelegentlich Aragonit auf. Außerdem wurde der Wilde Marmor genutzt, ein überwiegend mürber, kavernöser Sinterkalk gelbroter, rotvioletter bis hellrosa Färbung, der beiderseits der senkrechten Thermenspalte entstand (Abb. 4.4-12). Der Wilde Marmor besteht aus einer Wechsellagerung von roten und weißen, 1–10 cm breiten Bändern von kavernösem Travertin mit harten Kalksteinkernen, ockerbraunen Kalksanden und porös-tuffigen Lagen. Letztgenannte ähneln stark den Quelltuffen (Kap. 4.12). Der Wilde Marmor enthält, wie erwähnt, zahlreiche Fossilien, Brekzien älterer Travertine, ganze Weißjurablöcke und Einschwemmungen von Tuffen, bietet also in der Tat ein recht uneinheitliches, „wildes“ Bild. Die enthaltenen Travertinlagen weisen zahlreiche kleine Hohlräume auf, sind aber wegen der überwiegend guten Verzahnung der Calcitkristalle oft fest. Beide Travertintypen zusammen waren auf einer Breite von 6–10 m nutzbar (A. Schreiner 1951, LGRBArchiv). Daneben existiert als Folge der Verwitterung und Verkarstung der Sinterkalke ein tief roter, eisenreicher Grus. Teile der Spalte waren nicht mehr mit Kalksinter ausgefüllt worden, und junge Klüfte entlang der Spalte führten zu weiteren Wegsamkeiten für Tageswässer, so dass der gebänderte Travertin nicht selten mit rotem Karstlehm durchzogen ist (Abb. 4.4-4). Daten über die technischen Eigenschaften des Thermalinterkalksteins liegen nicht vor. Zumindest der Bändertravertin der zentralen Quellspalte dürfte in seinen physikalischen Eigenschaften mit dem Cannstatter Travertin unmittelbar vergleichbar sein, worauf auch die Verwendungsbeispiele hinweisen. Bei B erckhemer (1921) veröffentlichte chemische Analysen zeigen, dass der Bändermarmor aus fast reinem Calciumkarbonat besteht, daneben treten je nach Intensität der Rotfärbung 0,2 bis 1,9 % Eisenoxide hinzu.

Abb. 4.4-10: In der zentralen Thermenspalte sind auf senkrechten Grenzflächen im Böttinger Marmor verschiedenartige Sinterstrukturen zu erkennen. Bildbreite etwa 1 m.

162

Verwendung: Angeboten wurde der Böttinger Marmor in der dunkelroten und der hellen Varietät (Abb. 4.4‑13  A und -13 B). Große, kompakte Blöcke von Bänder­

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4.4 Böttinger Marmor

tem und 1932 erweitertem klassizistischem Prachtbau (Abb. 4.25-8). Die zweite Qualität diente zur Fertigung von Randsteinen, Pflastersteinen, Abdeckplatten, Türschwellen und Treppenstufen. Der Wilde Marmor wurde als einfaches Baumaterial wie Mauersteine, vor allem aber für die Herstellung von Terrazzosplitt genutzt. Für die Terrazzoproduktion, zu der das Gestein zu 8–10 mm großen Körnern zerkleinert wurde, war besonders der rote Travertin begehrt (Abb. 4.4-12).

4.4.4 Gewinnung und Verarbeitung

Abb. 4.4-12: Böttinger Wallmarmor mit charakteristischer Färbung und typisch wechselnder Porosität: er wurde vor allem für Terrazzokörnungen verwendet. Bildhöhe 7 cm.

Der Abbau erfolgte hintereinander in zwei getrennten Steinbrüchen, dem Alten Bruch und dem weiter im SE gelegenen Neuen Bruch. Zwischen beiden ist eine Scheibe der Lagerstätte stehen geblieben, weshalb hier die Füllung der Thermalspalte auf ihrer ganzen Breite noch erhalten ist. Der erste Steinbruch wurde verfüllt und überbaut. Der noch zugängliche Neue Bruch ist etwa 30 m tief, 20–30 m breit und erstreckt sich über etwa 130 m in NW–SE-Richtung. Hier sind im Randbereich der Spalte die gebänderten Varietäten noch teilweise erhalten (Abb. 4.4-9).

marmor wurden für Wandplatten, Säulen, Balustraden und Gesimse verwendet, kleinere für Schalen, Vasen und verschiedene Schmuckgegenstände wie Dosen, Schatullen und Teller (Abb. 4.4-14 bis -16). Schöne Beispiele für die Verwendung als Ornamentstein sind die Säulen und Wandverkleidungen im Stuttgarter Neuen Schloss und die beiden, ca. 80 cm hohen Prunkvasen am Nordwestportal der Neuen Aula der Universität Tübingen (Abb. 4.4-15 und -16), einem in den Jahren 1841–1846 aus Stuben- und Schilf­sandstein errichte-

Über die Geschichte der Gewinnung und der Verarbeitung dieses Travertins berichten R eyer (1927) und Griesinger (in: Rosendahl et al. 2003). Die Blütezeit des Abbaus ist mit dem Bau des Stuttgarter Neuen Schlosses 1746–1807 verbunden, für das Herzog K arl Eugen (1737–1793) vor allem einheimisches Material verwenden wollte. Um 1750 soll der gebänderte, bearbeitungsfähige Travertin zufällig beim Bau eines Wohnhauses in Böttingen, heute Bereich Steigstraße 11, entdeckt worden sein. Im Jahr 1756 erwarb

(A)

(B)

Abb. 4.4-13: (A) Musterplatte der Fa. Rupp & Moeller, Karlsruhe, von dunkelrotem Böttinger Marmor. (B) Musterplatte der hellen Varietät. Sammlung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Berlin-Spandau.

163

4.4 Böttinger Marmor

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Abb. 4.4-14: Kriegerdenkmal in Münsingen-Böttingen aus Bandmarmor, errichtet Anfang der 1920er Jahre.

Abb. 4.4-15: Vase aus Böttinger Bändermarmor am Nordwestausgang der Neuen Aula der Universität Tübingen.

das herzogliche Kameralamt Münsingen die Grundstücke, ließ das Haus gegen Entschädigung abbrechen und begann mit dem Abbau für die Ausstattung des Stuttgarter Neuen Schlosses. Dort wurde er in den Jahren 1760–1762 in Form von Säulen und Wandverkleidungen in Prunksälen und Treppenaufgängen verbaut (Abb. 4.4-16). Danach scheint der Abbau aber wenig ergiebig gewesen zu sein, nur lokale Mauerer und Pflasterhersteller nutzten den Steinbruch weiter. Im Jahr 1872 wird der Steinbruch vom Kameralamt schließlich verkauft.

4 t. Der Bauunternehmer und Böttinger Bürgermeister Friedrich Mang übernahm 1926 den Bruch. Er führte technische Modernisierungen durch und begann den Wilden Marmor zusammen mit den bei den Sägearbeiten anfallenden Reststücken von Bändermarmor in einer Brechanlage zu zerkleinern und zu Terrazzokörnung zu verarbeiten.

Die Fam. Starzmann betrieb in der Zweiten Hälfte des 19. Jh. den Abbau zur Gewinnung von Travertin für Randsteine, Pflastersteine, Abdeckplatten, Türschwellen und Treppenstufen. Dieser Alte Bruch wurde nach vielen Jahren des Stillstands im Jahr 1911 eingeebnet und überbaut. 1920 wurde der Neue Bruch eröffnet, wobei der Gemeinderatsbeschluss, wonach ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Böttinger Marmor errichtet werden soll (Abb. 4.4-14), ausschlaggebend gewesen sein mag (Griesinger in: Rosendahl et al. 2003). Im Zeitraum 1920–1926 betrieb die Fa. Rupp & Möller aus Karlsruhe den Steinbruch zur Gewinnung von Bandmarmor, aus dem Wandplatten, Schalen, Vasen und verschiedene Schmuckgegenstände hergestellt wurden (Abb. 4.4-13). Im Jahr 1924 installierte diese Firma einen Schwerlastkran, mit dem bis 10 t schwere Blöcke aus dem immer tiefer werdenden Bruch gehoben werden konnten. Die meisten großen Blöcke erreichten nach R eyer (1927) etwa 1,5 m3, also etwa

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Bereits in den 1930er Jahren führten geowissenschaftliche Vereinigungen wie die Deutsche Geologische Gesellschaft und die Oberrheinische Geologische Vereinigung Exkursionen nach Böttingen durch, vor allem weil der Kalksinter zahlreiche sehr gut erhaltene Tier- und Pflanzenfossilien aufweist, welche Einblicke in die Lebenswelt des Tertiärs gewährten. Gemeinsam mit dem damaligen Landesamt für Landeskunde und Heimatschutz wurde im Jahr 1934 ein Teil des Steinbruchs in die Liste der staatlich geschützten Naturdenkmale aufgenommen1. 1939 soll sich der Abbau entlang der Spalte auf einer Länge von ca. 500 m erstreckt haben. An der Sohle des Steinbruchs befand sich in dieser Zeit ein nach NW gerichteter, mit Stahlbögen ausgebauter Stollen mit Grubenbahn; offensichtlich fand also auch jenseits der heute erkennbaren Steinbruchgrenzen (Abb. 4.4-3) Travertinabbau statt. Mit dem Kriegsausbruch 1939 wurden die Arbeiten vorerst eingestellt.

1 http://themenpark-umwelt.baden-wuerttemberg.de/ servlet/is/18832/

Naturwerksteine aus Baden -Württemberg

4.4 Böttinger Marmor

den beiden Steinbrüchen und aus zahlreichen Baugruben in Böttingen von den Bauern auf die Äcker ausgebracht und weitflächig verteilt wurden. Wie groß die Vorräte an Böttinger Bändermarmor in der lateralen Erstreckung der alten Steinbrüche und vor allem zur Tiefe hin sind, ist gänzlich unbekannt und müsste durch Schrägbohrungen erkundet werden. In jedem Fall ist wegen des Umfangs des 200-jährigen Abbaus und der Bindung der schmalen Thermalsinterspalte an einen kleinen Tuffschlot nicht mit größeAbb. 4.4-16: Böttinger Marmor im Stuttgarter Neuen Schloss. ren Vorräten zu rechnen, zumal ein nicht unbeträchtlicher Teil des ursprünglich Mit Genehmigung der französischen Militärregierung gebildeten Vorkommens schon lange vor dem Abbau nahm Friedrich Mang 1947 den Abbau wieder auf, jeerosiv abgetragen worden sein dürfte. doch bestand in dieser Zeit nur Bedarf an kostengünsEin besonders dem Wilden Marmor von Böttingen tigem Baumaterial, weshalb nur mehr Terrazzo­ splitt ähnliches Gestein findet sich im Riedöschinger Traproduziert wurde (Griesinger in: Rosendahl et al. vertin (Kap. 4.22), der allerdings seit 1995 auch nicht 2003). Das Marmor- und Terrazzowerk Friedrich Mang mehr gewonnen wird. Dort stehen aber noch leichter betrieb um 1951 den Steinbruch mit 8–10 Mann, die erreichbare Vorräte an gebänderten Thermalsintern mit Bohren und Sprengen den Travertin abbauten, dazur Verfügung. nach zerkleinerten und aus dem Splitt Terrazzoplatten herstellten. In großem Umfang wurde dieser „Travertinsplitt“ auch an andere Terrazzowerke in SüdKurzfassung: Der als „Böttinger Marmor“ bezeichdeutschland verkauft (A. Schreiner, LGRB-Archiv). nete Thermalsinterkalkstein bzw. Travertin entDer Abbau reichte damals 15 m tief, wovon 6–10 m stand in der jüngeren Erdgeschichte im Randbenutzbar waren. Schreiner beschreibt den in dieser reich eines Tuffschlotes des Uracher Vulkangebiets Zeit abgebauten Travertin als harten, grobkristallinen, („Schwäbischer Vulkan“). Die aufsteigenden warweiß-rosa farbenen Sinterkalk mit rosa farbenen und men Wässer füllten eine steil stehende Thermaldunkelroten Bändern, z. T. war er porös-tuffig, z. T. zu spalte mit Karbonatsintern aus. An der Oberfläche tiefrotem Grus verwittert. Für die Terrazzoproduktion bildeten sich um den geysirartigen Austritt terraswurde das Gestein zu 8–10 mm großen Körnern zersen- und kissenartige Sinterablagerungen, die wekleinert. Anfang der 1960er Jahre ließ das Interesse gen ihrer unregelmäßigen Struktur und Kornbinan Terrazzo nach. Eine letzte Gewinnung von Bändung als „Wilder Marmor“ bezeichnet werden. Die dermarmor fand Anfang der 1960er Jahre statt, um als „Bändermarmor“ bekannte rot/weiß gestreifte, Material für die Renovierung des Stuttgarter Neuen polierfähige Varietät war im 18. bis 20. Jh. als reSchlosses zu erhalten. 1964 wurde der Abbau gänzpräsentativer Dekorationsstein begehrt. Der Wilde lich eingestellt. Marmor wurde vor allem für Terrazzo verwendet. Die Gewinnung beider Varietäten wurde Anfang der 1960er Jahre mangels Nachfrage nach den 4.4.5 Potenzial auffälligen Bandmarmoren und nach roten Terrazzokörnungen eingestellt. Aus dem Böttinger Ein dem Böttinger Marmor vergleichbarer Travertin Bändermarmor wurden Wandplatten, Säulen, Basteht in Deutschland nirgends in Abbau. Für künftilustraden, Gesimse, Schalen, Vasen und Schmuckge Restaurierungsmaßnahmen bliebe nur die teilweigegenstände wie Dosen, Schatullen und Teller herse Wiederinbetriebnahme des Neuen Steinbruchs in gestellt. Berühmtestes Verwendungsbeispiel sind Münsingen-Böttingen. Nach den Erkundungsarbeiten die Säulen und Wandverkleidungen im Stuttgarter von B erckhemer (1923) erstreckt sich das TravertinNeuen Schloss. Das oberflächennahe Vorkommen vorkommen in Oberflächennähe in einer etwa 400 m ist weitgehend ausgebeutet, kleinere Mengen für langen, bogenförmigen Struktur, die im Randbereich Renovierungszwecke können aus dem noch zudes Tuffschlots entstand. Nach den obigen Beschreigänglichen Steinbruch östlich von Böttingen aber bungen soll der Abbau aber mindestes 500 m lang geentnommen werden. Die zur Tiefe zu erwartende wesen sein. Eine genaue Abgrenzung des TravertinFortsetzung des Travertinvorkommens müsste mitvorkommens kann durch Oberflächenkartierung heute tels Schrägbohrungen erkundet werden. nicht mehr vorgenommen werden, da Sinterkalke aus

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