Neuartige Klimaregulierung: Die Energiewende verleiht Flügel

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Architektur
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Visualisierungen: Falkeis Architects

FACHBEITRAG PLANUNG

Das «Active Energy Building» im Zentrum von Vaduz soll mehr Energie erzeugen, als es selbst benötigt.

Neuartige Klimaregulierung

Die Energiewende verleiht Flügel Mit sieben beweglichen Flügeln an der Fassade wird das «Active Energy Building» in Vaduz geheizt und gekühlt. Phasenwechselmaterial speichert die Energie. Die Wiener Architekten Anton und Cornelia Falkeis haben mit der Hochschule Luzern neue Techniken entwickelt. Auch die Solar-Panels folgen dem Sonnenlauf. Von Stefan Gyr

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ie eine Raumstation in einer fernen ­Galaxie wirkt das neue Mehrfamilienhaus im Zentrum von Vaduz. Die gesamte Südseite und ein Grossteil der Dachfläche sind mit Photovoltaik-Panels verkleidet. An der Ost- und Westseite wurden sieben grossflächige Klima-Flügel angebracht, eine zum Patent an­ gemeldete Neuentwicklung zur Regulierung der Raumtemperatur. Entworfen wurde das Bauwerk im Hauptort des Fürstentums Liechtenstein von den Wiener Architekten Anton Falkeis und Cornelia Falkeis-Senn. Mit ihrem Projekt gingen sie aus einem international ausgeschriebenen Wettbewerb als Sieger hervor. Die Bauherren, der Bankier Peter Marxer

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und seine Frau Renate, wünschten sich ein visionäres, energiesparendes Gebäude. Das ehr­ geizige Ziel: Das «Active Energy Building», so der Name des Gebäudes, soll nicht nur durch erneuerbare Energien versorgt werden, sondern auch mehr Energie erzeugen, als es selbst verbraucht. Die überschüssige Energie wird an umliegende Häuser abgegeben oder ins Stromnetz eingespeist.

Wie eine Sonnenblume Um den Stromertrag zu steigern, wurden die Photovoltaik-Panels an einen Solar-Tracker angeschlossen. Dieser hat die exakt errechneten Sonnenstandskoordinaten der nächsten Jahrhunderte

eingespeichert und gibt die Daten an einen Motor weiter, der die Panels in den jeweils optimalen Winkel hochklappt und im 5-Minuten-Takt hydraulisch nachstellt. Dadurch wandern die Photovoltaikelemente mit der Sonne, womit laut Anton Falkeis bis zu 40 Prozent mehr Strom gewonnen wird. Zudem ist die gesamte Anlage mit einer Wetterstation verbunden. Melden die Sensoren der Steuerungstechnik eine zu geringe Sonneneinstrahlung oder hohe Windgeschwin­ dig­keiten, fährt sie in die Ruheposition zurück, und die Panels werden flach an das Dach angelegt. Zur Klimatisierung des Gebäudes entwickelte Falkeis in Zusammenarbeit mit Ludger Josef FiNr. 1, Freitag, 8. Januar 2016

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scher und seiner Forschungsgruppe an der Hochschule Luzern bewegliche Fassadenelemente mit Latentwärmespeichermodulen. Vier dieser sieben Flügel werden zur Speicherung von Wärme und damit zum Heizen eingesetzt, drei speichern Kälte und dienen so zum Kühlen. Mit dem Sonnenaufgang öffnen sich die auf der Westseite angelegten Heizflügel. Wie eine Sonnenblume folgen sie dem Sonnenlauf, um einen optimalen Einstrahlungswinkel zu bewahren. Wenn der Speicher­ voll ist, legen sie sich wieder an das Gebäude an. So wird die Wärme an die Frischluft der Wohnraumlüftung abgegeben. Die Kühlflügel sind an der Ostseite des Gebäudes angesetzt und öffnen sich nur nachts. Die Wärme wird in den Himmel abgestrahlt. Auch wenn im Sommer die Nachttemperaturen noch hoch sind, kann durch den Strahlungsaustausch und die spezielle Beschichtung Wärme abgegeben und Kälte gespeichert werden. Gefüllt sind die Klima-Flügel mit sogenanntem Phase-Change-Material (PCM), das eine hohe ­Kapazität zur Speicherung von Wärme und Kälte hat. Möchte man in einem Gebäude Energie speichern, arbeitet man gewöhnlich mit Wasser oder Salzlösungen, da diese Energie besser speichern können als jedes andere Medium, das in der Baubranche verwendet wird. Phase-Change-Material kann beim Übergang von einem in einen anderen Aggregatzustand Wärme aufnehmen oder abgeben. Es weist eine fünf Mal höhere Speicherfähigkeit als Wasser auf und kann Energie auf diese Weise effizienter speichern und auch wieder freigeben. Bislang wurde PCM vor allem in der Medizin und Technologie eingesetzt.

Bei geringer Sonneneinstrahlung werden die Solarpanels flach an das Dach angelegt.

Das Attikageschoss wird von der Familie der Bauherrschaft bewohnt.

Paraffin für den Phasenwechsel «Wir haben einen innovativen Bauherrn, der sich bereit erklärt hat, sich auf ein Experiment einzulassen und etwas Neues, noch nie Dagewesenes auszuprobieren», erklärte Architekt Anton Falkeis gegenüber dem österreichischen «Standard». «Daher haben wir uns entschieden, bei diesem Haus mit PCM zu arbeiten. Nach vielen Berechnungen und Laborversuchen sind wir schliesslich bei einem speziellen, für unseren Bedarf bestens geeigneten Paraffin gelandet.» Für die Heiz- und die Kühlflügel werden unterschiedliche Sorten des aus Palmöl gewonnenen Paraffins verwendet, jeweils mit geeignetem Schmelzpunkt. Der Phase-Change-Punkt, an dem das Paraffin gefriert und sich wieder verflüssigt, liegt bei 21 Grad Celsius für die Kühl- und bei 32 für die Heiz­ elemente. «Die Heiz- und Kühlflügel sind als Unterstützung und Optimierung zu verstehen», sagt FalkNr. 1, Freitag, 8. Januar 2016

eis, der auch am Institut für Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien unterrichtet. Mit einer Fläche von 39 Quadratmetern können diese Fassadenelemente nur einen Teil der Klimaregulierung übernehmen. Die Klima-Flügel machen 10 Prozent der Heiz- und 16 Prozent der Kühlleistung aus. Der Grossteil der Energie wird durch Geothermie und Photovoltaik erzeugt. Das neuartige Plusenergiehaus in Vaduz stiess auch am 10. internationalen Fachkongress über «Advanced Building Skins» in Bern auf grosses

Interesse. Nadège Vetterli vom Departement Technik und Architektur an der Hochschule Luzern stellte dort das Projekt vor. Mit einer thermischen Gebäudesimulation sei das Energiesparpotenzial durch den Einsatz der Latentwärmespeicher­ module berechnet worden, erklärt Vetterli. Mit diesem von der Hochschule Luzern mitentwickelten System können nach ihren Angaben 9 Prozent des Nutzenergiebedarfs für die Raumheizung und 16 Prozent für die Raumkühlung eingespart werden. ➝ baublatt  25  

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Die beweglichen Solarpanels und PCM-Flügel seien «eine Movable Skin, die das Attikageschoss umspannt», sagt Vetterli. Für die thermische Gebäudesimulation wurde nach ihren Angaben das Programm «IDA ICE» in der Version 4.51 verwendet. Damit sei auch die optimale Regelung der Flügelbewegungen zur Maximierung der Energiegewinne bestimmt worden. Eine Sensitivitätsanalyse wurde für die Regelung der Flügelöffnung sowie für die Luftströmung durch die Flügel vorgenommen. Um die Simulationsberechnungen und das Verfahren zur Klimatisierung des Gebäudes zu überprüfen, erstellte die Forschungsgruppe am Standort in Vaduz einen Testaufbau. Dieser Mock-up wurde mit einem Heiz- und einem Kühlflügel ausgestattet. Auf diese Weise konnten unter anderem fehlerhafte Verhaltensweisen des Systems ermittelt werden.

Strahlung, Leitung und Konvektion Bei den Heiz- und Kühlflügeln kommen laut Vetterli alle drei Wärmetransportmechanismen zum Tragen: Strahlung, Leitung und Konvektion. Bei Sonnenschein werden die Heiz-Flügel ausgeklappt, und die speziell beschichteten PCM-Elemente nehmen die Solarstrahlung auf – das Latentspeichermaterial beginnt zu schmelzen. Die 26  baublatt

Bild: Roland Korner, Close Up AG

In Vaduz erstellte die Forschungsgruppe einen Testaufbau. Der Mock-up wurde mit einem Heiz- und einem Kühlflügel ausgestattet.

Energie wird von der Strahlung auf das Aluminium übertragen und durch Wärmeleitung zum PCM transportiert. Das Material schmilzt vom Rand her nach innen. Die Flügel werden eingeklappt, sobald die Sonneneinstrahlung zu gering wird oder alles PCM geschmolzen ist. Besteht im Haus Wärmebedarf, wird die Raumluft durch die Flügel geleitet. Das Phasenwechselmaterial beginnt vom Rand her zu erstarren. Die Energie wird durch Wärmeleitung vom PCM an das Aluminium und von dort durch erzwungene Konvektion an die strömende Luft übertragen. Besteht im Gebäude Kühlbedarf, werden die Kühlflügel mit warmer Raumluft durchströmt. Das feste PCM schmilzt dadurch vom Rand des inneren Wärmeübertragerrohrs her. Die Wärme wird von der Luft über erzwungene Konvektion an das Aluminium übertragen und durch Wärmeleitung an das PCM weitergegeben. In der Nacht werden die Flügel ausgeklappt und die Wärme wird über Strahlung, idealerweise bei wolkenfreiem Himmel, an die Umgebung abgegeben. Dadurch erstarrt das PCM wieder vom äusseren Rand des Moduls, und kann am Tag erneut für Kühlzwecke eingesetzt werden. Nach der Fertigstellung birgt das Energiehaus zwölf Wohnungen mit jeweils zwei bis sechs Zim-

mern und einer Gesamtnutzfläche von knapp 2000 Quadratmetern. Ausser dem Attikageschoss, das von der Familie für den Eigenbedarf genutzt wird, stehen elf Wohnungen für Mieter zur Verfügung. Die genauen Baukosten möchte Marxer für sich behalten. Nur so viel verriet der Bauherr dem «Standard»: «Ein konventioneller Bau hätte sicher maximal die Hälfte dieses Wohnhauses gekostet.» Dennoch sollen sich gemäss Marxer die Mietpreise im für Vaduz üblichen Bereich von 20 bis 25 Schweizer Franken pro Quadratmeter bewegen.

Teil eines Häuserverbunds In den nächsten zwei Jahren soll das Projekt wissenschaftlich begleitet werden. Die Erkenntnisse werden in die Bauforschung einfliessen. Die Vision des Architekten: «Eines Tages wird das ‹Active Energy Building› Teil eines grossen Smart Grids sein», sagt Falkeis. Das Gebäude soll mit den benachbarten Häusern zu einem lokalen Cluster verbunden werden, in dem untereinander Wärme, Kälte und Energie getauscht werden kann. Aktiv Energie produzierende Gebäude, die einen Häuserverbund oder sogar einmal ganze Quartiere versorgen, könnten laut Falkeis ein Zukunftsmodell sein. ■ Nr. 1, Freitag, 8. Januar 2016

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