Schilddrüse: Knoten sind häufig – Krebs ist selten (PDF

January 9, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Endokrinologie
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Von T4 bis T0: „Neue“ und „alte“ Hormone Die Entdeckung von spezifischen Transportern für Schilddrüsenhormone und neuen Metaboliten wie den Thyronaminen hat zu einem Paradigmenwechsel im Verständnis der Wirkung von Schilddrüsenhormonen geführt. Wie Professor Dr. Dr. Dagmar Führer von der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Universitätsklinikum Essen, ausführte, passieren Schilddrüsenhormone nicht, wie bisher angenommen, passiv die Zellmembran, sondern werden aktiv über spezifische Transporterproteine wie MCT8, Lat2 oder Oatp14 in die Zelle aufgenommen. Diese Transportermoleküle können auch andere Substrate transportieren, was medikamentös induzierte Störungen der Schilddrüsenfunktion erklären könnte. Für das Transporterprotein MCT8 wurde dies am Beispiel von Tyrosinkinase-Inhibitoren und Antidepressiva gezeigt. Auch neue Metabolite von Schilddrüsenhormonen wurden identifiziert. Den Thyronaminen T1AM und T0AM wird eine gegensätzliche Wirkung zu T4 und T3 zugeschrieben – „kalte“ versus klassische „heiße“ Schilddrüsenhormone. Diskutiert wird, ob die Thyronamine die Herzfrequenz und die Körpertemperatur absenken. Es gibt Hinweise darauf, dass sie den Energieumsatz hemmen und weitere Effekte auf die Glukosehomöostase haben. Die Wirkung von Thyronaminen wird zumindest zum Teil über die erst vor kurzem entdeckte Rezeptorklasse der „trace amine associated receptors“ (TAAR) und adrenerge Rezeptoren, z. B. ADRA2A vermittelt, erklärte Professor Klaudia Brix, Jacobs University Bremen. Um diese neuen Faktoren besser verstehen und für den Patienten nutzen zu können, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2012 das Schwerpunktprogramm „Thyroid Trans Act“ (www.thyroidtransact.de) initiiert. Interdisziplinäre Forschung soll Erkenntnisse zu gesundem und pathologischem Schilddrüsenstatus liefern.

Sonderbericht

Mittwoch, 25. November 2015 Nr. 125-228D

Schilddrüse: Knoten sind häufig – Krebs ist selten Schilddrüsenknoten sind ein häufiger Befund. Doch nicht jeder Schilddrüsenknoten erfordert weitere Diagnostik, denn das Schilddrüsenkarzinom ist ein seltener Tumor. Erste Hinweise auf Malignität gibt bereits die Anamnese, weitere die Sonografie. Die Elastografie kann die nicht-invasive Diagnostik unterstützen.

Association 2 bestätigen die europäische Einschätzung, dass ein starker Verdacht auf Malignität besteht bei sonografisch echoarmen soliden Knoten oder echoarmen Komponenten zystischer Knoten, die zusätzliche Kriterien aufweisen wie unscharfe Begrenzung, Mikrokalk, stärkere Tiefen- als Breitenausdehnung, Randkalzifizierungen mit kleinen extrusiven Gewebekomponenten oder eine extrathyroidale Ausdehnung. Bei einer Größe von > 1 cm raten die Leitlinien zur Feinnadelbiopsie, um die Diagnose zu sichern.

Knotenhäufigkeit streng mit dem Alter korreliert Prävalenz von Knoten in der Schilddrüse (%) in Abhängigkeit vom Alter 50 Prävalenz bei Männern Prävalenz bei Frauen 40

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Elastografie zur Unterstützung

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Die Inzidenz von Schilddrüsenknoten steigt mit dem Alter (s. Abb.). 1 Ab dem 60. Lebensjahr ist rund jeder Zweite betroffen. Mindestens einen Knoten haben 47,8 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland, so der zusammengefasste Mittelwert aus den epidemiologischen Studien KORA und SHIP. Bei einer groben Hochrechnung bedeutet dies, dass rund 39 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einen Knoten aufweisen. „Oft handelt es sich um einen Zufallsbefund“, erklärte PD Joachim Feldkamp von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Pneumologie, Infektiologie, Klinikum Bielefeld. Nicht jedes dieser „Inzidentalome“ erfordert eine differenzialdiagnostische Abklärung. Das Schilddrüsenkarzinom ist eine sehr seltene Krebserkrankung: Nur bei 0,023 Prozent der Menschen mit Knoten wird ein Schilddrüsenkarzinom diagnostiziert. Das entspricht etwa 0,011 Prozent der Gesamtbevölkerung. Überdiagnostik vermeiden!

Ein bevölkerungsweites Screening ist nicht sinnvoll, wie Feldkamp am Beispiel Südkorea ausführte. Dort kam es nach der Einführung von ScreeningUntersuchungen zu einer „Schilddrüsenkrebs-Epidemie“ mit einem Anstieg von oft unnötigen Schilddrüsenoperationen mit konsekutiv notwen-

0 ≤25

26–30

31–35 36–40 41–45 46–50 Altersgruppen (in Jahren)

Quelle: Reiners C et al., Thyroid 2004, 14, 11: 926–932



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Nur maximal zwei Prozent der kalten Knoten sind maligne. PD Joachim Feldkamp Bielefeld

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Grafik: ÄrzteZeitung

diger Schilddrüsenhormonsubstitution und Komplikationen wie Recurrensparesen und Hypoparathyreoidismus. Trotz des starken Anstiegs der Inzidenz von Schilddrüsenkrebs blieb die Mortalitätsrate jedoch gleich. „Eine solche Überdiagnostik gilt es unbedingt zu vermeiden“, so Feldkamp. Erforderlich ist die Abklärung von Knoten bei Bestrahlung der Halsregion in der Vorgeschichte, Vortherapien z. B. aufgrund von Krebserkrankungen in der Kindheit, bei familiärer Belastung, wenn der Patient über einen schnell wachsenden Knoten berichtet oder wenn der Hausarzt einen derben Knoten getastet hat. Zeigt sich in der Sonografie ein solider, echoarmer und unscharf begrenzter Knoten von > 1 cm, sollte eine Szintigrafie erfolgen, um eine Autonomie auszuschließen oder einen kalten Knoten feststellen zu können. Allerdings: Kalter Knoten ist nicht gleichbedeutend mit maligner Knoten: „Nur maximal zwei Prozent der kalten Knoten sind maligne“, so Feldkamp. Die neuen Guidelines der American Thyroid

Die Elastografie kann dazu beitragen, die nicht-invasive Differenzialdiagnostik bei Schilddrüsenknoten zu optimieren, betonte Professor Jörg Bojunga von der Medizinischen Klinik I, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Die Elastografie erlaubt, mittels Ultraschall in Echtzeit die Festigkeit von Schilddrüsenknoten zu bestimmen. Schilddrüsenkarzinome weisen oft einen höheren Härtegrad auf als gutartige Veränderungen. „Weiche“ Knoten haben dagegen einen hohen negativen Vorhersagewert. Um die Knotenhärte mittels Ultraschall zu messen, stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Bei der Strain-Elastographie wird das Gewebe durch mechanischen Druck (Schallkopf, Karotispulsation) einem Dehnungsstress ausgesetzt, gemessen wird die bewirkte Kompression. Bei der Shear-wave-Elastographie (SWE) erfolgt die Härtemessung durch vom Gerät ausgesandte Druckwellen. Weitere Elastografieverfahren sind in Erprobung. „Aktuelle Daten sprechen dafür, dass die Elastografie zusätzlich zu einer standardisierten Ultraschalluntersuchung eine nützliche Methode anstatt der Feinnadelbiopsie bzw. für die Selektion von Patienten für eine Feinnadelbiopsie oder Schilddrüsenoperation sein könnte“, so Bojunga. Mehr Aufschluss werden in Kürze die Ergebnisse der deutschen Multicenterstudie unter der Leitung von Bojunga bringen.

TSH-Werte je nach Alter anders interpretieren! Schilddrüsenhormone sind in fast allen Organsystemen von großer Bedeutung. Eine Funktionsstörung der Schilddrüse kann deshalb weitreichende Konsequenzen haben. Um rasch über eine Therapie zu entscheiden, braucht man Laborwerte, diese unterscheiden sich aber von Patientengruppe zu Patientengruppe. Bei jungen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch z. B. findet sich oft eine Hashimoto-Thyreoiditis als Ursache einer Hypothyreose, erklärte PD Dr. Onno E. Janßen vom Endokrinologikum Hamburg. Charakteristisch sind

eine Verkleinerung der Schilddrüse und das Auftreten von Schilddrüsenantikörpern (TPO-Ak und Tg-Ak) im Blut. Die Behandlung erfolgt durch Substitution mit Schilddrüsenhormon. Auch wenn die Gabe von Schilddrüsenhormon nicht durch randomisierte placebokontrollierte klinische Studien untermauert ist, so besteht doch eine klare Assoziation mit intrauterinen Fehlentwicklungen, sodass wegen des anzunehmenden Nutzens eine Substitution empfohlen wird. „Die richtige Einstellung lässt sich relativ einfach alle vier bis sechs Wochen durch die TSH-Bestimmung überprüfen“, so Janßen. Eine neue Problematik für die Schwangerschaft wurde in der „euthyreoten Hypothyroxinämie“ erkannt, so Janßen. Dabei handelt es sich um niedrige Schilddrüsenhormonspiegel

VERANSTALTUNG Henning-Symposium: 22. Konferenz über die menschliche Schilddrüse, Heidelberg, 8. bis 10. Oktober 2015 Literatur: (1) Reiners C et al., Thyroid 2004, 14: 926-932; (2) 2015 American Thyroid Association Management Guidelines for Adult Patients with Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer, Haugen BR et al., Thyroid 2015; DOI: 10.1089/thy.2015.0020 [Epub ahead of print]

bei einem normalen TSH. Eigentlich beschreibt dies nur eine Situation, in der die Mutter zur Aufrechterhaltung einer normalen Schilddrüsenfunktion mit vergleichsweise niedrigen Schilddrüsenhormonspiegeln auskommt. Während die Mutter also euthyreot ist, können die Schilddrüsenhormonspiegel für das Kind, das ja zur Hälfte vom genetischen Hintergrund des Vaters bestimmt ist und damit möglicherweise im Mittel höhere Schilddrüsenhormonspiegel braucht, unterversorgt, also hypothyreot sein. Aktuell ist nicht klar, wo genau die Grenze für eine Behandlung liegt. Kinder – keine kleinen Erwachsenen

Bei Kindern hängen die körperliche und die geistige Entwicklung in besonderem Maße von einer optimalen Schilddrüsenhormonwirkung ab, be-

tonte Professor Heiko Krude vom Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ein wichtiger Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen sind die unterschiedlichen spezifischen Labornormalwerte der Schilddrüsenhormone. Insbesondere weisen Kinder höhere Normalwerte für TSH auf, deshalb muss bei der Beurteilung der Schilddrüsenfunktion anhand der TSHWerte immer das Alter der Kinder berücksichtigt werden. Und im Alter?

Mit zunehmendem Alter steigt der TSH-Wert, erinnerte Professor Dr. Dr. h. c. Karl Michael Derwahl von den Alexianer St. Hedwig Kliniken, Berlin. Messungen bei gesunden älteren Patienten haben interindividuell stark

variierende TSH-Spiegel gezeigt, weshalb neue Referenzwerte diskutiert werden – für Patienten über 80 Jahre z. B. ein Bereich von 0,4–7,9 mU/l. Doch nur in einem geringen Prozentsatz findet sich eine manifeste Hypothyreose. Subklinische Unterfunktionen sind zwar mit einer Häufigkeit von rund 15 Prozent sehr viel häufiger, haben jedoch im Gegensatz zur manifesten Hypothyreose keinen Einfluss auf Gedächtnis, Depressivität und Lebensqualität. Hauptursache der nachlassenden Schilddrüsenfunktion im Alter sind Autoimmunthyreopathien. TSH-Werte von 4–10 mU/l bei älteren Menschen erscheinen nicht primär behandlungsbedürftig. Die manifeste Hypothyreose mit einem TSH > 10 mU/l sollte unter einschleichender L-Thyroxindosierung und regelmäßigen TSH-Kontrollen erfolgen.

IMPRESSUM Springer-Verlag GmbH, Corporate Publishing, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg, Verantwortlich: Ulrike Hafner Bericht: Dr. Kirsten Westphal, Heimstetten › Redaktion: Inge Kunzenbacher Mit freundlicher Unterstützung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main 044461

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