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January 9, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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Schulkonzert „Pathétique“ Peter Tschaikowski (1840-1893), Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 „Pathétique“ Stefanie Eberhardt

Um die 6. Sinfonie von Peter Tschaikowski ranken sich zahlreiche Legenden und Mythen. Schon einen Tag nach der Uraufführung am 16. Oktober 1893 in St. Petersburg erhielt diese letzte Sinfonie Tschaikowskis wegen ihres dramatisch-erhabenen Tonfalls den Beinamen „Pathétique“, „Die Pathetische“. Und als nur neun Tage danach der Komponist an Cholera starb, kamen bald Spekulationen auf: Hatte Tschaikowski das verseuchte Wasser aus dem Fluss Newa absichtlich getrunken? War die „Pathétique“ Ausdruck seiner Seelenstimmung und damit eine Art musikalische Vorankündigung des Selbstmordes? Ganz sicher war sie zu einem großen Teil Ausdruck seiner Seelenstimmung. Tschaikowski hatte mehr als viele andere Komponisten die Musik, insbesondere die Gattung Sinfonie, als Ventil benutzt, sich mitzuteilen, (seine) innerste(n) Gefühle und Nöte auszudrücken. Ansonsten vertraute er sich nur seinem Tagebuch an, Menschen gegenüber war er schüchtern und zurückhaltend. Einzig seiner Brieffreundin und Mäzenin (=finanziellen Unterstützerin) Nadeshda von Meck konnte er über sich und seinen Gemütszustand Auskunft geben. Die beiden hatten eine äußerst intensiven Briefkontakt, haben sich aber nie persönlich getroffen! Der menschenscheue Tschaikowski fürchtete eine solche persönliche Begegnung. Schon als Kind war Tschaikowski eine übersensible Persönlichkeit gewesen. Er wurde mit 11 Jahren weit weg vom damaligen Zuhause nach St. Petersburg an eine renommierte Schule für Rechtswissenschaft geschickt, damit er später Beamter im Justizministerium werden könnte. Das war der Wunsch der Eltern. Die Trennung von der über alles geliebten Mutter und das Heimweh, unter dem er an dieser Schule litt, hatten für den schüchternen Jungen traumatische Auswirkungen. Noch Jahrzehnte später berichtete er mit Erschütterung darüber. Als dann seine Mutter wenige Jahre später - Tschaikowski war 14 - an Cholera starb, konnte er diesen weiteren Schlag kaum überwinden. Als er die Ausbildung abgeschlossen und einige Zeit im Ministerium gearbeitet hatte, war er so unglücklich, dass er sich doch noch für ein Musikstudium entschied. Musiker war eigentlich immer sein Berufswunsch gewesen. Er begann das Studium 1862 in St. Petersburg. Er arbeitete äußerst hart, litt aber unter ständigen Selbstzweifeln. Hinzu kam ein weiteres, für ihn gravierendes Problem: Tschaikowski kam mit seiner Homosexualität nicht zurecht. An seinen jüngeren Bruder schrieb er 1975 aus Moskau: „Ich bin hier sehr, sehr einsam, und wäre nicht die ständige Arbeit, dann würde ich einfach in Melancholie verfallen. Und auch das ist richtig, dass die verfluchte Homosexualität zwischen mir und den meisten Menschen einen unüberschreitbaren Abgrund bildet. Sie verleiht meinem Charakter Entfremdung, Angst vor Menschen, Scheu, unermessliche Schüchternheit, Misstrauen – mit einem Wort: tausend Eigenschaften, die mich immer menschenscheuer machen.“ All dies führte dazu, dass Tschaikowski sein Leben lang immer wieder in Depressionen verfiel und Nervenzusammenbrüche hatte. Auch in den letzten Jahren war er wieder von einer Schaffenskrise geplagt, doch hegte er auch große Pläne.

1889 schreibt er im Alter von nur 43: „Ich habe überaus große Lust, eine grandiose Sinfonie zu schreiben, welche gewissermaßen den Schlussstein meines ganzen Schaffens bilden soll(...). Ich hoffe, ich werde nicht sterben, ohne meine Absicht vollbracht zu haben“. Die Sinfonie, die er anschließend komponierte, sollte den Titel „Das Leben“ tragen. Er schrieb sie zwar fertig, aber als es ans Instrumentieren ging, kamen ihm solche Zweifel, dass er die ganze Sinfonie verwarf. Doch er unternimmt 1893 nochmals einen Anlauf zu einer Sinfonie, der späteren „Pathétique“. Im Februar beginnt er mit dem Entwurf und schreibt an seinen Neffen: „Du weißt, dass ich eine Sinfonie, die ich im Herbst geschrieben und nur zum Teil instrumentiert hatte, vernichtet habe. Und ich habe gut daran getan; denn in ihr war wenig gutes (...). Während meiner Reise tauchte in mir der Gedanke an eine Sinfonie auf, diesmal an eine mit einem Programm, aber mit einem Programm von der Art, dass es für alle ein Rätsel bleiben wird –mag man herumrätseln; die Sinfonie wird auch so heißen: Programmsinfonie (No. 6); (...) Dieses Programm ist mehr denn je von Subjektivität durchdrungen, und nicht selten habe ich, während ich umherstreifte und in Gedanken an ihr arbeitete, sehr geweint. Jetzt, nachdem ich zurückgekehrt bin, habe ich mich daran gesetzt, Entwürfe zu schreiben, und die Arbeit ging so leidenschaftlich, so schnell voran, dass ich in weniger als vier Tagen den ersten Satz ganz fertig hatte und sich die übrigen Sätze schon klar in meinem Kopf abzeichnen. Der dritte Satz ist schon zur Hälfte fertig. Formal wird es in dieser Sinfonie viel Neues geben, und unter anderem wird das Finale kein lautes Allegro sein, sondern im Gegenteil ein ganz getragenes Adagio. Du kannst Dir nicht vorstellen, welche Seligkeit ich empfinde in der Überzeugung, dass die Zeit noch nicht vorbei ist und dass ich noch viel zu arbeiten habe. Natürlich kann es sein, dass ich mich irre, aber ich glaube – nicht. Nach den Entwürfen unterbricht Tschaikowski die Arbeit und reist viel. Doch die Stimmung schlägt um, Depressionen, Müdigkeit, Überdruss kommen wieder hoch. Er quält sich mit der Instrumentierung, hält sie aber für seine beste und vor allem für seine aufrichtigste: „Ich liebe sie, wie ich nie auch nur eines meiner anderen musikalischen Kinder geliebt habe“. Im Juli und August folgte Niederschrift. Den Auftrag, ein Requiem (Totenmesse) zu komponieren, lehnt er interessanterweise mit der Begründung ab„...dass meine letzte Sinfonie (...) von einer Stimmung durchdrungen ist, die der, von der das „Requiem“ erfüllt ist, nahe verwandt ist.(...) In diese Sinfonie habe ich, ohne Übertreibung gesagt, meine ganze Seele gelegt.“ Offenbar hat Tschaikowski tatsächlich die 6. Sinfonie als eine Art „Requiem“, oder wenigstens als „Resümee“ seiner Arbeit empfunden. Die Uraufführung dirigierte Tschaikowski am 16. Oktober (nach dem julianischen Kalender; nach dem gregorianischen war es der 28. Oktober) selbst. Pathetisch heißt, der Tonfall der Sinfonie ist extrem ausdrucksvoll, dramatisch und erhaben. Das ist im Kopfsatz, dem kämpferischsten des Werkes deutlich zu spüren. Dort prallen zwei Gefühlswelten sehr hart aufeinander: eine düstere und eine helle schwelgerische Stimmung. Zuerst hören wir eine langsame, düstere Fagottmelodie mit Seufzern. Solche Seufzermotive sind traditionell ein Symbol für Klage und Leid und hier in fast allen Melodien der Sinfonie versteckt. Tonbeispiel Einleitung mit dem Fagott und den tiefen Streichern T. 1-6 Das Hauptthema klingt ganz ähnlich wie die Fagott Melodie, ist aber schneller

Tonbeispiel T. 19-30 (?∗) Hier klingt das Thema noch zurückhaltend, es zeigt aber bald sein wahres Gesicht und taucht mit wildem und aufbrausendem Charakter auf: Tonbeispiel entweder T. 161-185, 3. Schlag: wilder Charakter; oder T. 259 mit Auftakt – 277 (?*) aufbrausend Der Gegensatz zu diesem Thema ist das Seitenthema, eine schwelgerische Melodie, ein leuchtendes Liebesthema! Tonbeispiel Schwelgerisches Seitenthema Takt 89-101/1. Schlag Diese beiden Welten stoßen nun immer wieder abrupt aufeinander und es ergeben sich krasse Stimmungswechsel und gewaltige Höhepunkte. Am Ende „gewinnt“ hier noch das Liebesthema, mit dem der Satz leise ausklingt. Das Orchester spielt den 1. Satz ganz. Der zweite Satz ist ein Walzer. Tschaikowski war einer der größten Ballettkomponisten, die es je gab. Kaum ein anderer konnte Walzer schreiben wie er. Wie wir alle wissen, steht ein Walzer im Dreiertakt! Nun versucht einmal auf die folgende Melodie „Eins – zwei – drei - Eins - zwei – drei“ mitzuzählen“ Tonbeispiel Anfang 2. Satz T. 1-17 Probleme? Wer versuchen würde zu tanzen, käme unweigerlich ins Stolpern: Dieser Walzer steht im nämlich gar nicht im 3/4Takt sondern im 5/4 Takt. Man müsste also immer in Gruppen von 2+3 oder 3+2 zählen. Das heißt die Betonung kommt unregelmäßig: „Eins – zwei – Eins - zwei – drei, Eins – zwei – Eins - zwei – drei, “ oder „Eins - zwei – drei - Eins – zwei, Eins - zwei – drei - Eins – zwei “ Tschaikowski erlaubte sich diesen Kniff, da dieser Walzer ja nicht zum Tanzen, sondern zum zuhören gedacht war. Und trotzdem ist der Walzer unglaublich elegant und graziös geraten, eine Art Ruhepunkt nach dem anstrengendem Kopfsatz. Deshalb ist er auch nicht pathetisch, vielleicht aber ein wenig melancholisch. Der bekannte Dirigent Artur Nikisch jedenfalls sagte einmal, der Walzer sei wie „Ein Lächeln durch Tränen“. Das Orchester spielt den Walzer ganz. An dritter Stelle steht ein schneller Satz, den Tschaikowski manchmal als Scherzo, manchmal als Marsch bezeichnete. Aus quirligen Achtelketten schält sich mehr und mehr ein Marschthema heraus, das zuerst in den Klarinetten erklingt:



genaues Ende muss mit dem Dirigenten vereinbart werden

Tonbeispiel T. 75-93 Der Satz wird im weiteren Verlauf immer gespenstischer. Der Marsch rückt mehr und mehr in den Vordergrund bis er triumphierend das Geschehen bestimmt, aber schwer zu bestimmen ist, ob es sich um einen feierlichen oder eher aggressiven Marsch handelt. Das Orchester spielt den 3. Satz ganz Dieses triumphierende Ende des Marsches steht im heftigen Gegensatz zum folgenden Finale: Tschaikowski schrieb Adagio lamentoso darüber – es ist also ein langsamer Klagegesang. Er beginnt mit Düsternis, bitteren Aufschreien und tiefen Seufzern in den Streichern, die immer wieder kehren. Tonbeispiel T. 1-18 ganz Doch auch hier hellt sich die Stimmung auf und weicht einer innigen sehnsuchtsvollen Melodie, mit der Hoffnung aufzukommen scheint: T. 37 - nach 55 (abwinken?) Diese Melodie schwingt sich auf zu einem Höhepunkt, kann sich aber nicht halten und stürzt regelrecht ab. Dann folgt eine Generalpause, d.h. das ganz Orchester schweigt einen Augenblick: Die Hoffnung ist dahin. Danach setzt wieder der Klagegesang ein. Am Ende kehrt Resignation ein: Die Notenwerte werden immer länger, die melodische Spannweite immer kleiner, die Instrumentation immer dünner. Es sind schließlich nur noch tiefe Instrumente übrig, die letzten Takte klingen in den Celli und Kontrabässen mit vierfachem Pianissimo (pppp) aus. Orchester spielt 4. Satz ganz

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