Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Psychiatrie
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LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Gerontopsychiatrische Erkrankungen Querschnittsfach: Medizin des Alterns und des alten Menschen

Tillmann Supprian Abt. Gerontopsychiatrie LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bergische Landstr. 2 40629 Düsseldorf

Wintersemester 2012

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Gliederung der Vorlesung Teil I • Die demografische Entwicklung

• Versorgungsstrukturen für ältere psychisch kranke Menschen

Teil II Wichtige gerontopsychiatrische Krankheitsbilder • affektive Erkrankungen (Depressionen) • Suizidalität im Alter • paranoide Syndrome im höheren Lebensalter • Demenzerkrankungen

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Teil I Versorgungsstrukturen für psychisch kranke ältere Menschen

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Die demografische Entwicklung • in der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 81 Mio Einwohner • davon leiden ca. 1.4 Mio an einer Demenz (Prävalenz) • jedes Jahr wird die Zahl der Neuerkrankungen auf 300.000 Menschen geschätzt (Inzidenz) • Schätzung: 2050 ca. 3 Mio Menschen mit einer Demenz • da die Sterbefälle niedriger als die Neuerkrankungsrate liegt, wächst die Zahl der Demenzkranken jedes Jahr um ca. 40.000, das entspricht > 100 pro Tag • in NRW leben ca. 300.000 Demenzpatienten • in Düsseldorf leben ca. 10.000 – 12.000 Demenzpatienten

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Beratung, soz. Kontakte, Betreuung

Behandlung

Wohnen

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Ein „Gerontopsychiatrischen Zentrum (GPZ)“ - die Abteilung Gerontopsychiatrie am LVRKlinikum in Düsseldorf Institutsambulanz mit Gedächtnissprechstunde

Tagesklinik im Tagesklinik- und Ambulanzzentrum

Stationärer Bereich mit 81 Betten auf 4 Stationen

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Die demografische Ausgangssituation in Düsseldorf • wachsender Anteil älterer Menschen an der Bevölkerungs-zusammensetzung der Stadt Düsseldorf

• ca. 580.000 Einwohner in Düsseldorf in ca. 309.000 Haushalte, davon ca. 147.000 „Single-Haushalten“, Tendenz zunehmend • ca. 40 % der älteren und alten Bevölkerung in Düsseldorf leben alleine (lt. dem „Gesundheitsbericht zur Gerontopsychiatrischen Versorgung in Düsseldorf“)

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Das „Demenznetz Düsseldorf“ ein städtisches Versorgungsangebot für Demenzkranke

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Institutsambulanz Gerontopsychiatrie LVR-Klinikum Düsseldorf – Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Demenz-Servicezentrum für die Region Düsseldorf in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Düsseldorf & Kreis Mettmann e. V. Caritasverband Düsseldorf Deutsches Rotes Kreuz Düsseldorf Diakonie in Düsseldorf Kaiserswerther Diakonie gefördert vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW und der Landesverbände der Pflegekassen im Rahmen der Landesinitiative „Demenz-Service NRW“

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BEAtE = Betreuungsgruppen zur Entlastung pflegender Angehöriger als trägerübergreifende Einrichtung standardisierte Betreuungsangebot an 18 Standorten 3 Std / Woche, Kostenbeteiligung 15 Euro (Erstattung durch d. Pflegekassen) ca. 120 Besucher wöchentlich, Gruppen von max. 9 Teilnehmern mehr als 60 qualifizierte ehrenamtliche Helfer (30 Std. Curriculum) regelmäßig Fortbildung / Supervision der ehrenamtlichen Helfer ca. 30 % Besucher mit Pflegestufe 0 Leitung durch Fachkraft / Unterstützung durch geschulte ehrenamtliche Helfer

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Projekt „GerHaRD“ (Gerontopsychiatrische Hausbesuche und Rat in Düsseldorf) • Zielgruppe: Patienten mit fehlender Krankheitswahrnehmung • Hausbesuche: Beratung der Angehörigen • Kein Krisendienst • Keine Behandlung • Bericht an Hausärzte: Beratung bezüglich Prozedere • Abwendung von Unterbringungsverfahren?

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Teil II Wichtige gerontopsychiatrische Erkrankungen

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Affektive Erkrankungen des höheren Lebensalters

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Epidemiologie depressiver Syndrome im Alter • Prävalenz schwerer depressiver Störungen bei Betagaten ca. 4 % • leichte bis mittelschwere Syndrome bei ca. 10 – 15 % der betagten Menschen • BASE (Berliner Altersstudie): 516 Betagte (70 – 100-Jährige) Prävalenz von depressiven Störungen nach DSM-III-R 9.1 % davon bei 4.8 % „major depression“

„subdiagnostische Depression“ 26.9 % Lebensüberdruss bei 13.2 % Suizidgedanken bei 1.2 % • in Heimen und Krankenhäusern deutlich höhere Prävalenz (ca. 45 %) Linden M et al. (1998) Depression bei Hochbetagten, Ergebnisse der Berliner Altersstudie. Nervenarzt 69: 27-37

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Psychopathologie depressiver Syndrome im Alter • niedergedrückte Stimmung, Traurigkeit, Weinen • „Gefühl der Gefühllosigkeit“

• Apathie, Antriebsmangel, Lustlosigkeit • Angst, innere Unruhe • Schlafstörungen (Früherwachen) • vegetative Beschwerden (Obstipation, Schwitzen, Appetit↓)

• Denkstörungen: Denkhemmung, Denkverlangsamung • körperliche Symptome, z.B. diffuse Schmerzen • Tagesschwankungen („Morgentief“) • Selbstzweifel, Selbstanklagen, Schuldideen • nihilistischer Wahn • Suizidphantasien

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Unterschiedliche klinische Erscheinungsbilder depressiver Syndrome im Alter • gehemmt-depressive Syndrome • ängstlich-hypochondrische Syndrome • agitierte / histrionische depressive Syndrome • wahnhafte Depressionen • somatisierte Depressionen („larvierte Depression“)

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• depressive Störungen sind die häufigsten affektiven Störungen im Alter • Komorbidität mit somatischen Erkrankungen ist häufig • 3 unterschiedliche Entstehungsmechanismen - reaktiv (z.B. Vereinsamung, Tod des Lebenspartners) - hirnorganisch (Schädigung der Hirnsubstanz, z.B. Schlaganfall, beginnende Demenz, M. Parkinson, etc.) - endogen-phasisch (genetische Prädisposition?) • „larvierte Depression“ – vielfältige somatische Beschwerden werden von den Patienten in den Vordergrund gestellt

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Spätmanifestationen der Depression • Einfluss vaskulärer Prozesse? • Übergang in chronische Verläufe? • Frühsymptome einer Demenzerkrankung? • die Mortalität ist höher, als durch erhöhte Suizidraten und somatische Komorbidität erklärbar – kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei diesen Patienten überrepräsentiert • Depressionen im Senium erhöhen das Risiko, dass eine gleichzeitig bestehende Erkrankung ungünstig verläuft

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Differentialdiagnose Demenz / depressive Pseudodemenz Pseudodemenz

Demenz

Relativ plötzlicher Beginn

Schleichender Beginn

Psychiatr. Vorerkrankung häufig

Keine psychiatrische Vorerkrankung

Pat. betont kognitive Defizite

Pat. bagatellisiert kognitive Defizite

Pat. sagt „Weiß ich nicht!“

Pat. rät Antworten

Variabilität der kognitiven Lesitungsfähigkeit

Gleichbleibend schlechte kogn. Leistungen

Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis gleich schlecht

Kurzzeitgedächtnis schlechter als Langzeitgedächtnis

„Sundowning“ selten

„Sundowning“ häufig

Vegetative Symptome häufig

Keine vegetativen Symptome

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Therapieoptionen bei depressiven Syndromen im höheren Lebensalter • kognitive Verhaltenstherapie und andere psychotherapeutische Interventionen • Pharmakotherapie mit Antidepressiva • Ergo-, Bewegungs-, Tanz-, Musiktherapie usw. • Behandlung von Begleiterkrankungen • Lichttherapie • Schlafentzugstherapie (Wachtherapie) • Elektrokonvulsionstherapie (v.a. bei wahnhaften Depressionen)

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Antidepressiva im höheren Alter •

Mirtazapin (15 – 45 mg/d)



Citalopram (10-40 mg/d)



Escitalopram (10-20 mg/d)



Moclobemid (150-300 mg/d)



Venlafaxin (75-300 mg/d)



Duloxetin (30-90 mg)



Tranylcypromin (20 – 40 mg/d)

Cave: keine trizyklische Antidepressiva im hohen Alter • Gefahr der Auslösung von deliranten Syndromen • Herzrhythmusstörungen (QT-Verlängerung, „Torsades de points“)

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Suizidalität im Alter

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• Suizidrate in Deutschland z. Vergl. Japan:

15 / 100000 Männer 35 / 100000 Frauen 12 / 100000

• Gesamtzahl der Suizide ca. 11.000 Menschen pro Jahr • Schätzung: ca. 150.000 Suizidversuche pro Jahr in Deutschland • genetische Faktoren: das Risiko für einen Suizidversuch (SV) erhöht sich um den Faktor 4.2, wenn die eigene Mutter einen SV begangen hatte und um den Faktor 3.3 bei einem SV des eigenen Vaters • Zwillingsstudien: Heretabilität ca. 40-55 % (unter der Annahme einer multifaktoriellen Übertragung) • Adoptionsstudien: bei adoptierten Personen häufiger suizidales Verhalten, wenn es auch in der biologischen Familie Hinweise auf suizidales Verhalten gab

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Die gute Nachricht zuerst: Die Suizidziffern nehmen seit Jahren ab! Verlauf der Suizidziffern für Männer in den einzelnen Altersgruppen (im Zeitraum von 1952 – 2006) Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13

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Suizidversuche: zunächst Abnahme im Lauf des Lebens, dann leichte Zunahme Suizidversuchsziffern der einzelnen Altersgruppen in Deutschland (aus Reliabilitätsgründen wurden die Jahre 2001 – 2005 zusammengefasst) Datenquelle: WHO-Multicentre Study on Suicidal Behaviour, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13

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Altersverteilung der Suizidziffern in Deutschland 2006. Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13

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Suizidraten alter Menschen (75 Jahre und älter) im europäischen Vergleich (EU-Länder). Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13

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Suizidmethoden älterer Menschen (60 Jahre und älter) in Deutschland 2006. Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13

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Bundesländer

Anzahl ingesamt

je 100.000 Einwohner

männlich

weiblich

insgesamt

männlich

weiblich

Sachsen

807

600

207

18.0

27.7

9.0

Thüringen

430

316

114

17.5

26.4

9.1

Sachsen-An.

436

341

95

16.4

26.4

6.9

Hamburg

271

166

105

15.9

20.2

11.9

1881

1346

535

15.5

22.8

8.6

397

305

92

15.3

23.9

7.0

Baden-Würtemb.

1514

1094

420

14.5

21.4

7.9

Rheinland-Pfalz

581

425

156

14.4

21.5

7.6

Berlin

483

321

162

14.2

19.5

9.3

93

72

21

14.0

22.4

6.1

379

273

106

13.7

20.2

7.5

11157

8080

3077

13.6

20.2

7.3

1051

782

269

13.3

20.3

6.7

Hessen

784

554

230

13.0

18.7

7.5

Mecklenburg-Vor.

231

193

38

12.9

21.8

4.2

Nordrhein-Westf.

1720

1223

497

9.6

14.0

5.4

99

69

30

9.2

13.3

5.4

Bayern Brandenburg

Bremen

Schleswig-Holst. BRD-gesamt Niedersachsen

Saarland

Quelle: statistisches Bundesamt, zitiert nach A. Schmidtke 2005

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Risikofaktoren für suizidales Verhalten • Vorhandensein einer psychiatrischen Erkrankung (Depression, Psychose, Abhängigkeitserkrankung) • Einsamkeit, soziale Isolation • Migranten • chronische Schmerzen • andere chronische somatische Erkrankungen • suizidale Handlungen in Vorgeschichte • aktuelle Verlusterlebnisse (Tod des Partners, Umzug, etc.)

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Anamnese bezüglich Suizidgefährdung bei älteren depressiven Menschen • Modell im Umfeld („Werther-Effekt“)? • frühere Suizidversuche? • längere Vorbereitungen (Testament, Abschiedsbrief)? • Beschäftigung mit Sterbehilfe-Organisationen ? • chronische somatische Erkrankung? • Diagnose einer neuen Erkrankung? • familiäres Umfeld: supportiv / protektiv oder distanziert?

• wahnhafte Symptomatik? • Schulden?

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Grundzüge im Umgang mit suizidgefährdeten älteren Menschen • Suizidandrohungen nicht bagatellisieren

• Suizidalität offen ansprechen • empathische Grundhaltung, geduldig zuhören • „antisuizidale Abmachungen“ treffen • depressive Kognitionen identifizieren und thematisieren • gemeinsam Bilanz ziehen über das bisherige Leben und eine neue Lebensperspektive erarbeiten • Angehörige in Absprachen mit einbeziehen • Pharmakotherapie und ggf. stationäre Behandlung

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Stille Suizide (oder indirekte oder „verdeckte“ Suizide) • sind eine Form des selbstschädigenden Verhaltens durch Unterlassung von z. B. - ausreichender Ernährung oder Flüssigkeitsaufnahme - notwendiger ärztlicher Behandlung und Arzneimitteltherapie

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Das Düsseldorfer Bündnis gegen Depression • Gemeinschaftskampagne mit über 30 Organisationen und Institutionen in Düsseldorf

• Aufklärung der Öffentlichkeit über das Krankheitsbild • Ziel: Verbesserung der Versorgung und Betreuung depressiver Menschen

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Paranoide Syndrome im Alter

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Kasuistik 77-jährige verheiratete Patientin mit isoliertem Wahn: sie befürchtet, dass Nachbarn heimlich (während ihrer Abwesenheit) in die Wohnung eindringen und dort Einrichtungsgegenstände verstellen. Insbesondere fürchtet sie, dass in einer Vitrine Nippesfiguren umgestellt werden oder andere Veränderungen in der Wohnung vorgenommen werden. Der Affekt ist stark gedrückt, die Pat. weint, wenn sie über ihre Wahninhalte berichtet. Der Wahn ist unverrückbar.

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Die anhaltende wahnhafte Störung (ICD-10 F 22.0) • wahnhafte Störungen machen ca. 1-4 % aller psychiatrischen Erkrankungen aus • Inzidenz ca. 1-3 / 100.000

• Erkrankungsgipfel im mittleren bis höheren Alter • Männer : Frauen etwa 1 : 1,2 • Ausschlußdiagnose (Delir, Demenz, psychotische Störung aufgrund eines medizin. Krankheitsfaktors, substanzinduzierte psychot. Störung, Schizophrenie, affektive Störung mit psychotischen Symptomen)

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• Spät beginnende schizophrene Psychosen sind sehr selten: < 3 % der schizophrenen Patienten erkranken nach dem 60 Lebensjahr • Differentialdiagnose schizophrene Psychose / organische wahnhafte Störung (z.B. bei einer Demenzerkrankung) • Sonderform der anhaltenden wahnhaften Störungen (sog. „Paranoia“ ) • syndromale Pharmakotherapie unter Berücksichtigung der metabolischen Rahmenbedingungen älterer Patienten

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Spezielle Wahnformen im höheren Alter • hypochondrische Wahnformen: die Vorstellung an einer schweren und unheilbaren Erkrankung zu leiden (AIDS, Krebs, etc.) • Eigengeruchshalluzinose: die Vorstellung, durch ekelerregenden und abstoßenden Eigengeruch andere Menschen zu belästigen • Dermatozoenwahn (auch Protozoenwahn): die Vorstellung, Parasiten unter der Haut zu haben • wahnhafte Dysmorphophobie: die Vorstellung von einer abstoßenden Hässlichkeit der eigenen Person

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Induzierte wahnhafte Störungen („Folie à deux“) • synonym: „symbiotischer Wahn“ • bei der Störung kommt es zur Übernahme einer Wahnidee (ganz oder nur teilweise) von primär nicht wahnkranken Angehörigen • „aktiver Partner“ (= induzierend) / „passiver Partner“ (= induziert)

•Betroffen sind meist nahe Angehörige (Ehepartner), häufiger im Rahmen sozialer Isolation ggf. auch mit erhöhter Suggestibilität • nach der Trennung der beiden Betroffenen (wenn überhaupt möglich) kommt es meist zur Remission bei dem passiven Partner

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Capgras-Syndrom • sehr seltene monothematische Wahnform • die Betroffenen glaube, nahe Angehörige (meist Ehepartner) seien durch identisch aussehende Doppelgänger ausgetauscht worden • Erstbeschreibung 1923 durch Jean Marie Joseph Capgras (1873-1950) • gehört in die Gruppe der Missidentifikationsstörungen

• Variante: „Fregoli-Syndrom“ (nach dem bekannten italienischen Verwandlungskünstler Leopoldo Fregoli) • die Betroffenen mit Fregoli-Syndrom glauben, dass sich Menschen aus ihrem Umfeld verwandelt haben und in einer anderen Rolle auftreten

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Organische Halluzinosen Charles-Bonnet-Syndrom • Erstbeschreibung durch Charles Bonnet (1720-1793) • Sehbeeinträchtigung • optische Halluzinose (eher „Pseudohalluzinose“ da die Betroffenen sich über die Trugwahrnehmungen meist im Klaren sind • oftmals komplexe szenische Halluzinationen • keine Störung des Bewusstseins

• keine wesentliche kognitiven oder mnestischen Störungen • keine anderen wahnhaften Symptome oder Halluzinationen auf anderen Sinnesgebieten

musische Halluzinosen • meist bei Schwerhörigkeit • wird als belästigend und störend erlebt • typisch: Marschmusik oder Volkslieder (oft eher rhythmisch / monoton)

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Demenzerkrankungen

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Welche Demenzerkrankungen gibt es? Alzheimer-Erkrankung Demenzen vaskulärer Genese Frontotemporale lobäre Degenerationen Demenz bei neurologischen Erkrankungen (Parkinsonsche Krankheit, Demenz mit Lewy-Körperchen, HuntingtonKrankheit, etc.)

reversible Demenzformen (Hirntumoren, Hypovitaminosen, Normdruckhydrozephalus, etc)

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Häufigkeit der Alzheimer Krankheit mit zunehmendem Alter

SDAT (%)

70 60 50 40

30 20 10 0

65

70

75

80

Alter (in Jahren)

85

90

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Epidemiologie der Alzheimer-Demenz • Alzheimer-Demenz mit 65-70 % häufigste Demenzform • In Deutschland aktuell ca. 1,4 Mio Demenzkranke • Vorhersage: 2050 über 2.5 Mio Demenzkranke • ca. 200.000 Neuerkrankungen jährlich (Bickel et al. 2000) • Prävalenz: 65-jährige Menschen = ca. 2 % 75-jährige Menschen = ca. 6 %

85-jährige Menschen = ca. 20 % Bickel H (2000) Gesundheitswesen 62: 211-218

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Typische Symptome der Alzheimer-Demenz Merkfähigkeitsstörungen (Kurzzeitgedächtnis gestört) Desorientierung Visuo-konstruktive Leistungen gestört

Kognitive Leistungseinbußen in mehreren Bereichen (z.B. Kopfrechnen, Exekutivfunktionen, usw.) Wortfindungsstörungen Fehlende Krankheitswahrnehmung

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Kognitive Leistungsfähigkeit

• MCI = „mild cognitive impairment“ • jährliche Übergangsrate MCI → Demenz von ca. 5-10 % • Aber: reversible MCI bei ca. 40 %!

MCI Demenz

Lebensalter

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Fortschreiten des dementiellen Abbauprozesses präklinischer Abbauprozess

unbemerkte kognitive Defizite

„mild cognitive impairment“

erste kognitive Defizite

beginnende DAT

Vergeßlichkeit, Familie und Angehörige werden aufmerksam

mäßiggradige DAT

deutliche Verwirrtheit, Unruhezustände

mäßig schwere DAT

Desorientiert zu Ort und Zeit, Hilflosigkeit

schwere DAT

Rund-um-die-Uhr-Pflege, Inkontinenz, Wahnideen

sehr schwere DAT

Sprachverlust, Immobilität

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Demenzdiagnostik

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Kernelemente der Demenz-Diagnostik Eigenanamnese Fremdanamnese Internistischer und neurologischer Untersuchungsbefund

Labordiagnostik neuropsychologische Diagnostik Zerebrale Bildgebung

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Prof. Dr. W. Reith, Abt. f. Neuroradiologie, Universitätskliniken des Saarlandes

Demenz vom Alzheimer-Typ

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Testdiagnostik bei Demenzerkrankungen

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Mini-Mental-Status-Test (MMST) A. Orientierung - „Jahr, Jahreszeit, Datum, Tag, etc.“

Bitte schließen Sie die Augen!

B. Merkfähigkeit - „Auto, Blume, Kerze“

C. Aufmerksamkeit und Rechnen - Reihensubstraktion oder rückwärts buchstabieren

D. Erinnerungsfähigkeit

E. Sprache (Schrift, Konstrukt. Praxis, etc.) -

Bennenen (Uhr, Stift) Nachsprechen („Sie leiht im kein Geld mehr“) Handlungsfolge (Blatt falten) Instruktion ausführen Schreiben eines Satzes

(Schreiben eines Satzes)

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Uhren-Test Score 1 „perfekt“ Score 2 „leichte visuell-räumliche Fehler“ Score 3 „fehlerhafte Uhrzeit bei erhaltener visuellräumlicher Darstellung“ Score 4 „mittelgradige visuellräumliche Desorganisation“ Score 5 „schwergradige visuellräumliche Desorganisation“

Score 6 „keinerlei Darstellung einer Uhr“

Shulman et al. (1986) Int J Geriatr Psychiatry 1: 135-140

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Uhren-Test (Uhrzeit 10 nach 11)

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