Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen - LVR

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Sozialwissenschaften, Psychologie
Share Embed Donate


Short Description

Download Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen - LVR...

Description

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

PD Dr. med. P. Franke Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen LVR Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf (Ärztl. Dir.: Univ.-Prof. Dr. W. Gaebel)

Version 12/2011

„…Angenommen, es müsste bei der Versorgung von Patientengespart werden … Nennen Sie bitte 3 Krankheiten, bei denen man am ehesten Geld einsparen kann…“

Alkoholismus: Depressionen: Schizophrenie:

54 % 30 % 27 %

(Vgl. je 17 % Diabetes mellitus und Rheumatismus)

Angermeyer et al. 2005; Mann & Kiefer, 2009

Volkswirtschaftliche Kosten durch Alkoholkonsum (1) Produktionsausfälle durch alkoholbedingte Erkrankungen und Fehlen am Arbeitsplatz (ca. 92.000 Fälle/Jahr) (2) Ausgaben im Gesundheitswesen für alkoholbedingte Erkrankungen und Unfälle

(3) Erhöhte Sterblichkeit durch alkoholbedingte Erkrankungen und Unfälle (42.000 Fälle/Jahr) (4) Soziale Folgekosten für durch Alkoholkonsum geschädigte Familien

(5) Frühzeitige Berentung (ca. 6500 Fälle/ Jahr)

Geschätzter volkswirtschaftlicher Schaden durch alkoholbezogene Morbidität und Mortalität in D:

20 Milliarden € pro Jahr (Bergmann & Horch, 2003)

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit

Franke: Vorlesung - Abhängigkeitserkrankungen

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit

I. Allgemeine Einführung: Diagnostik und Therapie von „Suchterkrankungen“

1. „Suchterkrankungen“ 2. Epidemiologie von Substanzmissbrauch und -abhängigkeit 3. Therapeutische Grundprinzipien der Behandlung suchtkranker Menschen

ICD-10 Diagnostik und Klassifikation – Erläuterungen I Akute Intoxikation x.0

substanzspezifisch, z.B. Enthemmung, Affektlabilität, verwaschene Sprache, Enge, lichtstarre Pupillen

Schädlicher Gebrauch/ Missbrauch x.1

Körperliche und/oder psychische Schäden

Abhängigkeit x.2

• Starkes Verlangen • Verminderte Kontrolle • körperliche Entzugssymptome • Toleranzentwicklung • Vernachlässigung von Pflichten • Körperliche und/oder psychische Schäden

ICD-10 Diagnostik und Klassifikation – Erläuterungen II

Entzugssyndrom x.3

Delirium

substanzspezifisch, z.B. mit Krampfanfällen, Muskelschmerzen

Vorw. optische Halluzinationen

x.4 Psychotische Störung x.5 Amnestisches Syndrom/ Demenz

Vorw. akustische Halluzinationen / DD Schizophrenie Andauernde Beeinträchtigung des Kurzund Langzeitgedächtnisses, Zeitgitterstörungen, Merkfähigkeitsstörung

2. Epidemiologie von Substanzmißbrauch und Abhängigkeit

Häufigkeit von problematischem Alkoholkonsum

Riskanter Konsum

10,4 Mio. Menschen

Missbrauch

5,0 Mio. Menschen

Abhängigkeit

2,5 Mio. Menschen

in Behandlung

ca. 150 000 Menschen

? 60-70 %: hausärztliche Behandlung

Suchtmedizinisch-psychiatrische Behandlung

Ab wann wird Alkoholkonsum riskant ?

1 l Bier 0,7l Wein 0,04l Schnaps

= 40g Alkohol = 65g Alkohol = 10g Alkohol

Riskanter Alkoholkonsum: Frauen: > 20 g Alkohol/Tag = 1 Drink/Tag = 7 Drinks/Woche (140g/Woche) Männer: > 30 - 40 g Alkohol/Tag = 2 Drinks/Tag = 14 DrinksWoche (280g/Woche)

bei regelmäßigem Konsum: deutlich erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen

Alkoholbedingte Folgeerkrankungen I Neuropsychiatrische Folgeerkrankungen  Alkoholinduzierte Psychosen  Gedächtnisstörungen bis zur Demenz  Persönlichkeitsveränderungen  Nervenschädigungen

Internistische (körperliche) Folgeerkrankungen  Lebererkrankungen (Fettleber, Hepatitis, Zirrhose)  Magenerkrankungen (Krampfadern an der Speiseröhre, Magengeschwüre)  Bauchspeicheldrüsenerkrankungen (akute und chronische Entzündungen)  erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen

Alkoholbedingte Folgeerkrankungen II

 Muskelabbau, Muskelschwäche  Impotenz  Störungen des Immunsystems  erhöhtes Missbildungsrisiko bei Schwangeren

Für die meisten körperlichen Alkoholfolgeerkrankungen sind bisher keine spezifischen Behandlungsmöglichkeiten bekannt

…daher ist es wichtig problematischen Alkoholkonsum frühzeitig zu erkennen…

Erkennen einer Alkoholproblematik (Screening) Klinische Zeichen Alkoholgeruch gerötete Konjunktiven aufgedunsenes Gesicht Tremor Gangunsicherheit erhöhte Schweißneigung Habitus (Muskelatrophie der Beine, Kontrast zum Bauch) erhöhte Reizbarkeit, Störung der Impulskontrolle (Fremdanamnese !) Laborparameter Gamma-Glutamyl-Transferase (-GT) Mikrokorpuskuläres Volumen der Erythrozyten (MCV) Carbohydrate deficient transferrin (CDT) Selbstbeurteilungsfragebögen CAGE (> 1) AUDIT (> 8)

Screeningfragebogen Alkohol: CAGE

1. Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, Sie müßten Ihren Alkoholkonsum vermindern ? 2. Haben andere Personen Sie dadurch verärgert, dass diese Ihr Trinkverhalten kritisiert haben ? 3. Haben Sie jemals Schuldgefühle wegen Ihres Alkoholkonsums gehabt ? 4. Haben Sie jemals als erstes am Morgen ein alkoholisches Getränk getrunken, um Ihre Nerven zu beruhigen ?

Schwellenwert: > 1

Screening-Fragebogen Alkohol: AUDIT Babor et al. 1989

Wie oft trinken Sie alkoholische Getränke ?

Wieviele alkoholische Getränke trinken Sie pro Tag ?

Wie oft trinken Sie 6 oder mehr alkoholische Getränke pro Tag ? Wie oft hatten Sie im letzten Jahr das Gefühl, Sie könnten nicht aufhören zu trinken, wenn Sie Angefangen haben ?

0

1

2

3

4

nie

1 x Monat oder seltener

2 x Monat

3 x Monat

3-4 x Monat oder öfter

1-2

3-4

5-6

7-9

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

10 oder mehr

fast täglich

fast täglich

Screening-Fragebogen Alkohol: AUDIT (Forts.) Babor et al. 1989

Wieoft konnten Sie im letzten Jahr nicht das tun, was von Ihnen erwartet wurde, weil Sie Alkohol getrunken haben ? Wie oft brauchen Sie morgens ein alkoholisches Getränk, weil Sie vorher stark getrunken haben ? Wie oft haben Sie im letzten Jahr Gewissensbisse gehabt oder sich schuldig gefühlt ? Wie oft hatten Sie sich im letzten Jahr nicht an Ereignisse aus der Nacht zuvor erinnern Können, weil Sie Alkohol getrunken hatten ?

0

1

2

3

4

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

fast täglich

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

fast täglich

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

fast täglich

nie

weniger als 1 x Monat

1 x Monat

1 x Woche

fast täglich

Screening-Fragebogen Alkohol: AUDIT (Forts.) Babor et al. 1989

Haben Sie sich oder einen anderen schon einmal verletzt, weil Sie Alkohol Getrunken hatten ? Hat Ihnen ein Verwandter, Freund oder Arzt geraten, Ihren Alkoholkonsum zu verringern ?

0

1

nein

Ja, aber nicht im letzten Jahr

nie

weniger als 1 x Monat

Schwellenwert: > 8

2

3

4

Ja, im letzten Jahr

1 x Monat

1 x Woche

fast täglich

Verschiedene Schweregrade problematischen Alkoholkonsums

riskanter Alkoholkonsum

Frauen: mehr als 20 g Alkohol/Tag Männer: mehr als 30-40 g Alkohol/Tag

Alkoholmissbrauch

Körperliche und/oder psychische Schäden

Alkohol

abhängigkeit

• Starkes Verlangen • Verminderte Kontrolle • körperliche Entzugssymptome • Toleranzentwicklung • Vernachlässigung von Pflichten • Körperliche und/oder psychische Schäden

Epidemiologie: Illegale Drogen, Medikamente und Nikotin Quelle: IFT München, 2004: 18-59 jährige Personen in Deutschland

Illegale Drogen Riskanter Konsum Missbrauch

?

MediCannabis kamente*

?

?

Nikotin 13,1 Mio. ( > 6 Zig./die)

300.000

140.000

?

240.000

1,9 Mio.

14.300

2.000

?

(alle, außer THC)

Abhängigkeit

175.000

4,3 Mio.

(nur Opiate)

in Behandlung

74.600

?

* =Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Anregungsmittel, Appetitzügler

Allgemeine Therapieprinzipien bei substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen

Motivation und Stadien der Veränderungsbereitschaft bei Suchterkrankungen

Absichtsbildung Besinnung

Absichtslosigkeit Vorbesinnung

Vorbereitung Handlungsbereitschaft

nach: Prochaska & DiClemente, 1982

Handlung

Rückfall Aufrechterhaltung

Ausstieg

Veränderte Therapiestrategien bei problematischem Alkoholkonsum

1. Frühe Diagnosestellung wichtig, um weiteren Schaden zu vermeiden 2.

Rückfallprävention entscheidend für den Langzeitverlauf

3.

Interdisziplinäre suchtmedizinische Behandlung

4.

Medikamentöse Behandlung – auch außerhalb des Entzugs

5. „Niedrigschwellige“ Therapie, Akzeptanz von Abwehr, schrittweise Entwicklung suchtfreier Ziele

Hierarchie der Ziele und Inhalte einer niedrigschwelligen Therapie bei Suchterkrankungen 1. Überlebenssicherung/ Schadensminderung „harm reduction“

2. Stabilisierung

Behandlung von Folgeschäden und Begleiterkrankungen Gelegenheit zur Reflexion der eigenen Situation Aufklärung über „safer use“ Klärung der aktuell bestehenden sozialen, juristischen und ökonomischen Probleme Motivation zur Aufnahme weiterführender therapeutischer Maßnahmen

3. Abstinenzorientierung Substitution (Beigebrauchs-) Entzugsbehandlung

4. Abstinenz

Rückfallprävention Rehabilitation

Allgemeine Voraussetzungen in der Behandlung suchtkranker Menschen  Interdisziplinäres spezialisiertes Team • Bereitschaft Sachkenntnis zu erwerben • Strukturierte Vorgehensweise, Supervision • Schriftliche Vereinbarungen treffen • Konsequenzen vor Behandlungsbeginn klar festlegen

 Bereitschaft mit suchtkranken Menschen vorbehaltlos zu arbeiten • Vorurteilsfreie, aber kritische Grundhaltung • Distanz wahren

 Vernetzung mit dem regionalen Drogenhilfesystem

• Eigene Grenzen (oder die der Institution) erkennen

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit

II. Neurobiologische Grundlagen von Suchterkrankungen

1. Drogenwirkung

2. Mesolimbisch-mesokortikales Belohnungssystem 3. Tiermodelle zu positiven und negativen Verstärkern bei Abhängigkeitserkrankungen

Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme Zeitpunkt des Drogen-Erstkonsums

100 Ausprägung des primären Drogeneffekts

a-Prozeß

0 Ausprägung der affektiven Nachwirkungen

-100

b-Prozeß

Drogenwirkung

Zeit

Neurochemische Korrelate: Vermehrte Sekretion von Glucocorticoiden Aktivierung limbischer CRF Systeme

Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme Intermittierender Drogenkonsum: Sensitisierung

100 Ausprägung des primären Drogeneffekts

a-Prozeß

0 Ausprägung der affektiven Nachwirkungen

b-Prozeß

Drogenwirkung

-100 Neurochemische Korrelate: Verstärkte dopaminerge und opioiderge Neurotransmission

Zeit

Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme Chronischer Drogenkonsum: Gegenregulation („Counteradaptation“)

100 Ausprägung des primären Drogeneffekts

a-Prozeß

0 Ausprägung der affektiven Nachwirkungen

-100

b-Prozeß Drogenwirkung

Zeit Neurochemische Korrelate:

Verminderte dopaminerge, opioiderge und serotoninerge Neurotransmission

Veränderung des „hedonic set point“

Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme Abstinenz nach chronischem Drogenkonsum: Vulnerabilität

100 Ausprägung des primären Drogeneffekts

0 Ausprägung der affektiven Nachwirkungen

Drogenwirkung

-100 Zeit Gegenregulations- und Sensitisierungs -Phänomene :

Erleichterte Motivation auf drogenassoziierte Reize

Neuroanatomisches Korrelat bei Abhängigkeitserkrankungen: Mesolimbisch-mesokortikales Belohnungssystem

Aufgaben:

Identifikation relevanter Stimuli Antizipation positiver Stimuli

Mechanismus:

Aktivierung durch Ausschüttung von Dopamin

Aktivierung des Mesolimbisch-mesokortikalen Belohnungssystems: Dopaminausschüttung

Drogen: Opiate, Alkohol, Kokain, Nikotin Natürliche Stimuli: Essen, Trinken, Sexualität

„Suchtgedächtnis“: Erinnerung an Drogenwirkung Drogenrituale negative Erfahrung des Entzugs Ventrales Tegmentum

Präfrontaler Cortex Ncl. accumbens Dopaminerge Neurone

Psychologische Modelle zu substanzgebundener Abhängigkeit: Tiermodelle für positive Verstärker I. Operante Konditionierung :

z.B. Selbstverabreichung von Morphin Morphin

Verhalten wird durch seine Folgen kontrolliert: belohnende Aspekte der Morphinwirkung führen zu Dosissteigerung

Psychologische Modelle zu substanzgebundener Abhängigkeit: Tiermodelle für positive Verstärker II. Klassische Konditionierung : z.B. konditionierte Platzpräferenz Morphin

Verhalten wird durch seine Folgen kontrolliert: Einfluß der Umgebungsbedingungen auf das Verhalten

Positive Verstärkermechanismen sind für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung entscheidend

Psychologische Modelle zu substanzgebundener Abhängigkeit: Tiermodelle für negative Verstärker Morphin

morphinabhängiges Tier

+ Naloxon (Opiat Antagonist)

Entzugserscheinungen Hebelbetätigung Morphinapplikation akute Morphinwirkung

Vermeidung eines aversiven Stimulus/negativer Konsequenzen (Entzugserscheinungen), um Opiatwirkung aufrecht zu erhalten.

Für die Aufrechterhaltung einer Abhängigkeitserkrankung spielen sowohl positive als auch negative Verstärkermechanismen eine wichtige Rolle

Welche Risikofaktoren für die Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen gibt es ?

Genetische Risikofaktoren

   

Individuelle Faktoren

Umweltfaktoren

Männliches Geschlecht Frühes Ersterkrankungsalter Komorbidität mit antisozialer Persönlichkeitsstörung Schweregrad der Abhängigkeit



Persönlichkeit/ Temperament „Risikobereitschaft“



Belastende Lebensereignisse

  

Einfluß soziales Umfeld Erziehungsmilieu Risikoberufe

Vermeidung negativer Konsequenzen (Entzug)

Drogensuchendes Verhalten „Drogenhunger“

Sensitisierung und Konditionierung • Genetische Faktoren • belastende Ereignisse

Positive Verstärkerwirkung • Euphorie • Angst- und Spannungsreduktion • Leistungssteigerung

DROGE

• • • •

Verfügbarkeit von Drogen Persönlichkeitsfaktoren Einflüsse von „peer groups“ Kultureller Kontext

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit

Psychiatrische Erkrankungen und Folgeschäden bei Alkoholabhängigkeit

 Akute Alkoholintoxikation („einfacher Rausch“)  Entzugssyndrom  Alkoholhalluzinose  Wernicke Enzephalopathie/ Korsakow-Syndrom

Akute Alkoholintoxikation: „einfacher Rausch“ (ICD-10 F 10.0) Psychopathologischer Befund (PPB):

Bewußtseinsstörungen (Somnolenz bis Koma) Gehobene Stimmungslage/ Gereiztheit Gesteigerter Antrieb und Psychomotorik Dysphorie Dysarthrie Koordinations- und Aufmerksamkeitsstörungen gestörte Wahrnehmung und Urteilskraft

Alkohol-Entzugssyndrom (ICD-10: F10.3)

Komplikation 1: Delirium tremens Vegetative EntzugsErscheinungen: • Tachykardie, • Hypertonie, • Schwitzen, • Tremor

Desorientiertheit Optische Halluzinationen Angst, Dysphorie, Reizbarkeit Schreckhaftigkeit

Komplikation 2: Zerebraler Krampfanfall

Alkoholhalluzinose (ICD-10: F 10.5)

Psychopathologischer Befund: wach und orientiert (!) akustische Halluzinationen Angst, Dysphorie, Reizbarkeit Innere Unruhe psychomotorische Erregung

Differentialdiagnose: Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis

Hirnmorphologische Veränderungen bei Alkoholabhängigkeit:

 Großhirnatrophien: 30-50 % Psychopathologisch: distanzloses Verhalten verflachter Affekt kognitive Defizite

 Korsakow-Syndrom: 3-12 % Psychopathologisch: Bewußtseinsstörung Desorientiertheit Störung des Alt- und Neugedächtnisses Konfabulationen

Komorbidität von Abhängigkeitserkrankungen Angst- und Panikstörungen:

1/3 Männer 2/3 Frauen

Affektive Störungen: Suizidversuche/Suizide:

50 % bzw. 15 % 11-15 % bzw. 2-4 %

Persönlichkeitstörungen:

bis zu 50%

Schizophrenie:

10 – 40 %

Somatische Begleiterkrankungen:

Neurologisch Hepatologisch Gastrointestinal Kardiologisch

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit

Opiate direkte Wirkung über zentrale und periphere Opioid-Rezeptoren (

Applikation:

oral

inhalieren intranasal

 )

i.v./ i.m

Heroin

+

+

+

Morphin

+

+

+

Codein

Tbl., Saft

Methadon

Lösung

Buprenorphin

+ sublingual

Euphorie, Entspannung, Angstlösend, Sedierung

Opiate: ICD-10 Diagnostik und Klassifikation

F 11.0

Akute Intoxikation

Leitsymptom: Miosis, Atemdepression

F 11.1 Missbrauch

geringe Datenlage; schneller Übergang in Abhängigkeit

F 11.2 Abhängigkeit

einhergehend mit gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden

F 11.3 Entzugssyndrom

Leitsymptom: Mydriasis kein Delirium

F 11.5

Psychotische Störung

F 11.6 Amnesie/ Demenz

seltener im Vgl. zu Alkoholabhängigkeit

Nein !

Zentrale Wirkungen der Opioide Organsystem ZNS

Organregion limbisches System

Wirkung Euphorie Anxiolyse Sedierung Analgesie

Atemzentrum

Atemdepression

Hustenzentrum

Hustendämpfung

Kern N. oculomotorius

Miosis

Kern N. vagus

Bradykardie

Klinische Stadien des Opiatentzugs Auftreten der Symptomatik in Std. nach letzter Einnahme von: Stadium

Symptome

HEROIN

METHADON

0

Craving, Angst

4

12

I

Gähnen, Schwitzen Tränenfluß, Rhinorrhö „Yen-Schlaf“

8

32 - 48

II

Mydriasis, Piloerektion Tremor, Muskelzucken, Hitze- und Kälteschauer Knochen/ Muskelschmerzen

III

IV

12

> 48

RR und Temp.-Erhöhung Tachykardie, Unruhe

18-24

> 48

Fieber, Erbrechen, Diarrhoe Muskelkrämpfe

24-36

> 48

Exemplarische Abbildung einer Methadon-gestützten Entgiftungsbehandlung Methadon-Dosis

40

Entzugssymptomatik

30 20 10

7

14

21

Tage

Therapiebausteine einer qualifiziert-homologen Opiat-Entzugsbehandlung Vor Therapiebeginn:

Festgelegte Rahmenbedingungen der Behandlung

Aufnahmebedingung: „niedrigschwellig“

Opioid-gestützte Behandlung (Methadon/Buprenorphin)

Diagnostik und ggf. Therapie begleitender psychiatrischer Störungen

Linderung der Entzugssymptome (medikamentös und alternative Verfahren)

Erarbeitung von Weiterbehandlungsmöglichkeiten

Ärztl. Visiten und strukturierter Tagesablauf mit Begleittherapien

Behandlungsmöglichkeiten und -ziele nach der Entzugsbehandlung Abstinenzorientierte Therapien  stationäre Behandlung (z.B. Entwöhnungstherapie = Reha)  ambulante Behandlung mit Opiat-Antagonisten  ambulante Rehabilitationsmaßnahme  Weiterbehandlung der psychiatrischen Komorbidität (stationär, teilstationär oder ambulant)  Teilnahme an Selbsthilfegruppen für ehemalige Abhängige Substitution mit Opioiden (Methadon/Buprenorphin):  vorübergehend (bis weitere Therapiemaßnahmen möglich)  langfristig (1-2 Jahre), zur Schadensbegrenzung und Überlebenssicherung

Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen

 I. Diagnostik und allgemeine Therapieprinzipien

 II. Neurobiologische Grundlagen  III. Klinik der alkoholbezogenen Störungen

 IV. Klinische Behandlung der Opiatabhängigkeit  V. Sonstige illegale Drogen

Franke: Vorlesung WS 2010/11 - Abhängigkeitserkrankungen

Kokain

Applikation:

inhalieren

Wirkungsweise:

intranasal

i.v.

Blockade der Dopamin-, Noradrenalinund Serotonin Wiederaufnahme Inhibition des Dopamin-Transporters

Sympathomimetisch: Antriebssteigernd reduziertes Schlafbedürfnis, „Wachheit“, Innere Unruhe, paranoides Erleben

Amphetamine („speed“, „ice“)

Applikation:

oral

Wirkungsweise:

inhalieren

intranasal

i.v.

 Dopaminfreisetzung (Blockade der Dopamin-, Noradrenalinund Serotonin Wiederaufnahme)

Sympathomimetisch: weniger stark im Vgl. zu Kokain

Cannabis (Haschisch, Marihuana)

Applikation:

Wirkungsweise:

oral

inhalieren über periphere und zentrale Cannabinoid-Rezeptoren Sedierend, appetitsteigernd, Bewußtseinsverschiebung, psychotisches Erleben, Ängste

Ecstasy (MDMA - Methylen-Dioxy-Methamphetamin)

Applikation:

Wirkungsweise:

oral

i.v. serotonerg  Dopaminfreisetzung

Direkte Wirkung auf Temperatur-Regulation Antriebssteigernd, Euphorie, psychomotorische Unruhe, psychotisches Erleben, Ängste

Phenylcyclidin -PCP („angel dust“)

Applikation:

oral

Wirkungsweise:

inhalieren

intranasal

i.v.

Antagonist am NDMA-Rezeptor (N-Methyl-D-Aspartat)

Halluzinogen

LSD (Lysergsäure-Diäthylamid)

Applikation:

Wirkungsweise:

oral

i.v.

serotonerg

Halluzinogen

Exkurs: nicht-substanzgebundene Süchte

„Internetsucht“

„Erstbeschreiber“: Ivan Goldberg, New York, 1995

nicht-stoffgebundene Sucht (

Missbrauch psychotroper Substanzen) ähnlich: Internet-, Arbeits-, Sammelsucht, u.a.

Aktivitäten im Internet: In Zusammenschau mit sozialem Umfeld, Schule, Freizeitverhalten und psychischen Zustand des Individuums zu betrachten

Diagnostik und Klassifikation der Internetsucht

Diagnose fehlt in internationalen Klassifikationssystemen (ICD-10/ DSM-IV)  Sonderform einer Zwangsstörung ? (Ansprechen auf SSRIs ?)  unspezifische Form einer Impulskontrollstörung ? (ICD-10: F63.0: pathologisches Glücksspiel – Abnorme Gewohnheiten/ Störung der Impulskontrolle)  eigene Erkrankungsentität ?  Ausdruck einer anderen psychiatrischen Grunderkrankung ?  Sonderform einer Suchterkrankung ?

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Merkmale und Kriterien einer Computerspiel- und Internetsucht  Einengung des Verhaltens:  Regulation negativer Gefühlszustände:

dominiert das Denken, Fühlen, Verhalten „Kick“, Erregung, Form inadäquater Stressbewältigung

 Toleranzentwicklung:

Gewünschter Effekt kann nur noch durch extreme Mediennutzung erzielt werden

 Entzugserscheinungen:

Unruhe, Nervosität, Aggressivität

 Kontrollverlust:

ohne zeitliche und inhaltliche Kontrolle

 Rückfall:

nach Abstinenz erneut exzessiver Konsum

 Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen:

negative Folgen für Schule, Hobby, Freunde

nach: Grüsser & Thalemann, 2006

Essentielle diagnostische Komponenten (1) Verlust des Zeitgefühls während Internetnutzung (2) Entzugssymptome, wenn Internetzugang verwehrt (z.B. Wut, innere Anspannung, Niedergeschlagenheit)

(3) Toleranzentwicklung (z.B. gesteigerter Bedarf an PC-Zubehör, Drang stets neue Softwareprodukte zu erwerben) (4) Negative Konsequenzen (Verleugnen, verschlechterte schulische Leistungen, soziale Isolation, Ermüdung)

Problem: fehlende reliable und valide Messinstrumente, daher inkonsistente Ergebnisse im internationalen Vergleich Block, Am J Psychiatry, 2008

Diagnostische Instrumente

Young‘s Internet Addiction Scale (IAT): UK, USA, Finnland, Korea Chen Internet Addiction Scale (CIAS): Taiwan Questionnaire of Experiences Related to Internet (QERI): Spanien Compulsive Internet Use Scale (CIUS): Niederlande Problematic Internet Use Questionnaire (PIUQ): Ungarn

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Epidemiologie der Mediennutzung Jugendlicher

14-19 Jährige Mädchen

Jungen

eigener Computer:

72%

77%

eigener Internetzugang:

54%

55%

eigene Spielekonsole:

43%

56%

regelmäßige Internetnutzer:

60,1%

97,5%

durchschnittlich ca. 140 Minuten PC/Internet/die; 100 Minuten TV/die JIM, 2009; van Eimeren & Frees, 2009

Subtypen der Internetsucht

 exzessive Beschäftigung mit Computerspielen („World of Warcraft“ u.a.)  Beschäftigung mit sexuellen Motiven im Internet („Cybersex“)/ Kombination: Internet- und Sexsucht  exzessives e-mailen/Tätigkeit in Internet Foren und blogs

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Gründe für exzessive Internetnutzung

- oft dysfunktionale oder nicht-zufriedenstellende soziale Beziehungen - Flucht in Parallelwelten (insbesondere bei Beschäftigung mit PC-Spielen) zur Steigerung des Selbstwertgefühls - (inadäquate) Stress-Coping Strategie - Forum, um soziale Kontakte zu erweitern, soziale Unterstützung zu erhalten - das Internet als „Übungsplattform“ für das „richtige Leben“

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Geschätzte Häufigkeit von Internetsucht in Deutschland

Mädchen

Jungen

süchtig:

0,3%

3%

gefährdet:

0,5%

4,7%

Internationale Vergleichszahlen: 1.5 – 8.2 % (IAT)

Rehbein, 2009; Grüsser & Thalemann, 2006

Psychiatrische Komorbidität

Affektive Störungen (z.B. Depressionen, Hypomanie, Dysthymie) Angsterkrankungen (z.B. generalisierte Angststörung, Soziale Phobie)

Persönlichkeitsstörungen (z.B. emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) Aufmerksamkeitsstörung (ADHD)

Ursache und Wirkung von exzessiver Internetnutzung unklar Differentielle Alterseffekte ?

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Behandlungsmöglichkeiten neurobiologischen Mechanismen der exzessiven Internetnutzung unklar  bislang keine gesichert wirksamen psychotherapeutischen Behandlungsmethoden:

Verhaltenstherapie, Familientherapie, Beratungsgespräche  bei gesicherter psychiatrischer Komorbidität richtet sich die psychotherapeutische und psychopharmakologische Behandlung nach den Leitlinien der Behandlung der Grunderkrankung

nach: Weinstein & Lejoyeux, Am J Drug Alcohol Abuse, 2010

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit



View more...

Comments

Copyright � 2017 NANOPDF Inc.
SUPPORT NANOPDF