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Grundlagen der Herzrhythmusstörungen
Jürgen Häbe, Villingen-Schwenningen Thomas Peter, Paderborn
Kardiale Ursachen der Herzrhythmusstörungen • Koronare Herzkrankheit • Myokardinfarkt • Myokarditiden • Klappen-, Shuntvitien • Kardiomyopathien • Präexzitationssyndrome • Myokardtumor, Metastase, Perikarderguß
Extrakardiale Ursachen von Herzrhythmusstörungen • Störungen im Säure-Basen-Elektrolythaushalt • Hypoxämie • Anämie • Fieber • Niereninsuffizienz • Neuro-hormonelle Fehlregulation • Ernährungsstörungen • Medikamentenüberdosierung, Gifte
Erregungsbildungs-, Erregungsleitungsund Erregungsrückbildungsstörungen
interatriales Bachmannbündel
Sinusknoten SINUSKNOTENSYNDROM (brady/- tachykarde Störungen)
Atrioventrikulärknoten
anteriores (oder James) mittleres (oder Wenckebach) posteriores (oder Thorel) Internodalbündel
AV-BLOCK (I., II., III. Grades) His-Bündel linker Tawara-Schenkel (posteriorer Faszikel) linker Tawara-Schenkel (anteriorer Faszikel) Purkinje-Fasern
rechter Tawara-Schenkel Purkinje-Fasern FASZIKULÄRER BLOCK (uni-, bi-, tri-) © by BIOTRONIK
Wir unterscheiden Herzrhythmusstörungen mit Ursprung: • im Sinusknoten • im Vorhof • im AV-Gebiet • in den Kammern • Jedes Myokardgewebe ist in der Lage, Erregungsimpulse zu bilden oder eine Erregungsleitungsstörung aufzuweisen. • Tritt die Reizbildungsstörung im Sinusknoten auf, spricht man von einer monotopen Reizbildungsstörung. • Tritt dagegen die Reizbildungsstörung außerhalb des Sinusknotens auf, spricht man dann von einer heterotopen Reizbildungsstörung.
Einteilung der Herzrhythmusstörungen • Störung in der Erregungsbildung (Automatie)
• Störung in der Erregungsleitung (kreisende Erregungen, Leitungsblockierungen)
• Störung der Erregungsrückbildung (getriggerte Aktivität)
Pathophysiologische Mechanismen von Herzrhythmusstörungen • Störung der Erregungsbildung: gesteigerte Automatie und abnorme Automatie • Störung der Erregungsleitung: (kreisende Erregungen und Leitungsblockierungen) • Kombination von Störungen der Erregungsbildung und Erregungsleitung
Störung der Impulsbildung • Gesteigerte normale Automatie: Z.B. durch Erhöhung des Sympathikotonus erfolgt ein beschleunigter Anstieg der Frequenz eines sonst im Normalfall langsameren Automatiezentrums (Sinustachykardien, atriale ektopische Tachykardien, idioventrikuläre Rhythmen). • Abnorme Automatie: Unter pathologischen Bedingungen (Ischämie, Dehnung) kommt es zu einer partiellen Depolarisation der Zellen (ventrikuläre Tachykardien, idioventrikuläre Tachykardien, atriale ektopische Tachykardien).
Steigerung der Automatiefrequenz einer Schrittmacherzelle • Erhöhter Sympathikotonus • Anstieg zirkulierender Katecholamine • Abnahme des Parasympathikotonus • Elektrolyte: Hypokaliämie, Hyperkalziämie • Metabolische Wirkungen: Acidose, Hypoxämie • Temperaturanstieg • Mechanische Dehnung der Myokardfasern • Pharmaka
Efferente Innervation des Herzens Parasympathikus Sympathikus
Physiologische Grundlagen
Parasympathikus Sympathikus Sinusknoten AV-Knoten HIS-Bündel
Linker Schenkel Rechter Schenkel Durch die unterschiedliche Verteilung der sympathischen und parasympathischen Efferenzen differieren die nervalen Wirkungen in den einzelnen Herzabschnitten © by BIOTRONIK
Tachyarrhythmien
Mechanismen
Diastolische Anstiegssteilheit
Schwellenpotential
Aktionspotentialdauer
Gesteigerte Automatie ektoper Zentren © by BIOTRONIK
Tachyarrhythmien
Mechanismen
- 50 mV - 90 mV
Instabilität des Membranpotentials durch Abnahme des Ruhepotentials auf Werte um - 50 mV.
Abnorme Automatie © by BIOTRONIK
Störungen der Erregungsrückbildung (getriggerte Aktivität) • Frühe Nachdepolarisationen sind Nachschwankungen des Aktionspotentials vor Abschluss der Repolarisation – Torsade de pointes
• Späte Nachdepolarisationen sind als Nachschwankungen des Aktionspotentials, die nach Abschluss der normalen Repolarisation auftreten, definiert. – Durch Digitalis induzierte ventrikuläre Tachyarrhythmien und – Akzelerierte junktionale Rhythmen
Störungen der Erregungsrückbildung
• Bei niedrigen Frequenzen und stark verzögerter Repolarisation (aufgrund verlangsamtem K+ - Ausstroms)
• infolge intrazell. Ca2 + Überladung
© by Beiersdorf AG
Störung der Impulsleitung: Reentry-Mechanismus (Wiedereintrittserregung) • Voraussetzungen für eine kreisende Erregung: Die Erregungswelle muss um eine elektrisch isolierende Zone (Infarktnarbe) herum laufen können. Vorhandensein eines unidirektionalen Blocks in einer der beiden Erregungsleitungen. Die Erregungswelle muss kürzer sein als die Leitungsbahn. Dies wird möglich durch Verminderung der Leitungsgeschwindigkeit, Verkürzung der Erregungsdauer (Refraktärzeit) und durch Verlängerung der Leitungbahn. • Der Reentry-Mechanismus wird häufig durch eine Extrasystole als Trigger ausgelöst.
Reentry-Mechanismus
normaler SR
© by BIOTRONIK
Extrasystole
Leitung über langsame Bahn -> Reentry
Kreisende Erregung in präformierten Bahnen SK
als antidrome AVRT: d.h. antegrad über akzessorische Bahn – retrograd über AV-Knoten
AVK Vorhof Kammer
© by Jürgen Häbe
Kreisende Erregung in präformierten Bahnen SK
als orthodrome AVRT: d.h. retrograd über akzessorische Bahn – antegrad über AV-Knoten
AVK Vorhof Kammer
© by Jürgen Häbe
Tachyarrhythmien
Mechanismen
Funktionell homogenes Myokard - Erregungsfront in Phase Erregbares Myokard
Beginn der Erregung
Erregungsausbreitung
Ende der Erregungsausbreitung
Refraktäres Myokard
Funktionell inhomogenes Myokard - Erregung “out of phase” Inhomogene Myokardzonen mit unterschiedlichem Refraktärund Leitungsverhalten Beginn der Erregung
Aufspaltung der Erregungsleitung
Beginn der Flimmerns
Erregungsaubreitung © by BIOTRONIK
SR
Infarktnarbe
© Thomas Peter
ES
unidirektionaler Block
Infarktnarbe
erregbare Lücke
© Thomas Peter
ES
Infarktnarbe
© Thomas Peter
Gebräuchliche Antiarrhythmika • Klasse I (Natriumkanalblocker) Chinidin = Chinidin Duriles, Ajmalin = Gilurytmal, Disopryramid = Rythmodul, Lidocain = Xylocain, Propafenon = Rytmonorm, Flecainid =Tambocor • Klasse II (Betablocker) z.B. Beloc, Lopresor • Klasse III (Kaliumkanalblocker) Amiodaron =Cordarex, Sotalol = Sotalex (auch Wirkung eines Betablockers) • Klasse IV (Kalziumantagonisten) Verapamil = Isoptin Diltiazem = Dilzem
Tachyarrhythmien Natrium Antagonisten
Klasse I a Disopyramid, Procainamid, Quinidin
Betarezeptorenblocker
Klasse II Atenolol, Propanolol, Sotalol
Natrium Antagonisten
Klasse I b Lidocain, Mexiletin, Tocainid
Kalium Antagonisten
Klasse III Amiodaron, Sotalol
Antiarrhythmetika © by BIOTRONIK
Therapie Natrium Antagonisten
Klasse I c Flecainid, Lorcainid, Propafenon
Kalzium Antagonisten
Klasse IV Diltiazem, Verapamil
Störung der Impulsleitung • Wenn es einer Erregungswelle nicht gelingt, das vor ihr liegende Gewebe zu depolarisieren, spricht man von einem Block. Wir unterscheiden • Austritt / Exit-Block: Einem Automatiezentrum ist es aufgrund einer anatomischen oder funktionellen Barriere nicht möglich, das ihn umgebende Myokard zu erregen. • Eintritt / Entrance-Block: Einem von außen eintreffenden Impuls ist es aufgrund einer anatomischen und funktionellen Barriere nicht möglich, ein Automatiezentrum zu erreichen, um es zu depolarisieren. Daher ist dieses Automatiezentrum weiterhin in der Lage, mit unveränderter Frequenz zu depolarisieren (Parasystolie). • Leitungs-Block: Wenn es einem Erregungsimpuls nicht gelingt, die Erregungsleitung zu passieren, wird dieses Phänomen als Leitungsblock bezeichnet.
Klinisch werden die Leitungsstörungen eingeteilt in: • Block 1. Grades Leitungsverzögerung • Block 2. Grades Intermittierende Blockierung der Überleitung Typ 1 mit zunehmender Leitungsverzögerung, Typ 2 mit plötzlichem Leitungsausfall • Block 3. Grades vollständige Blockierung der Überleitung
Durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren werden Rhythmusstörungen hervorgerufen durch: • Arrhythmogenes Substrat, z. B. eine akzessorische Leitungsbahn oder eine Myokardinfarktnarbe • Triggerung, z. B. eine oder mehrere supraventrikuläre oder ventrikuläre Extrasystolen oder kurze Tachykardien • Modulierende Faktoren Einflüsse des sympathischen und parasympathischen Nervensystems, Ischämie, Störungen des Elektrolythaushaltes und Antiarrhythmika
Tachyarrhythmien Supraventrikuläre Tachykardien
Physiologische Grundlagen
Ventrikuläre Tachykardien
Vorhofflimmern Vorhofflattern Supraventrikuläre Re-entry T. Atriale ektopische Foci AVNRT AV junktional Tachykardie
Kammerflimmern Kammerflattern Ventrikuläre Re-entry T. Ventrikuläre ectopische Foci
Extrasystolie VES
SVES Spezielle Syndrome Wolff-Parkinson-White (WPW) Lown-Ganong-Levine (LGL)
Long QT-Syndrom Brugada-Syndrom
Klassifikation nach dem Entstehungsort © by BIOTRONIK
Mechanismen der Tachyarrhythmien
Physiologische Grundlagen
Mechanismen Bradykarde Arrhythmien Störung der Reizbildung
Störung der Erregungsleitung
Tachykarde Arrhythmien Fokale Impulsbildung
Kreisende Erregung
Gesteigerte Automatie
Kreisende Erregung im präformierten Leitungsweg
Abnorme Automatie Getriggerte Aktivität
Kreisende Erregung ohne präformierten Leitungsweg
© by BIOTRONIK
Klinische Manifestation von Herzrhythmusstörungen • Die klinische Manifestation bzw. die hämodynamischen Auswirkungen von Herzrhythmusstörungen hängen von folgenden Faktoren ab: von der Kammerfrequenz, von der Unregelmäßigkeit der Herzschlagfolge, von der Vorhof-Kammer-Beziehung, von dem Reizursprung, und von der kardialen Grunderkrankung des Patienten. • Für die prognostische Bedeutung von Herzrhythmusstörungen sind deren Entstehungsort (supraventrikulär oder ventrikulär), die Kammerfrequenz und die Vorschädigung des Herzens ausschlaggebend.
Bradykarde Herzrhythmusstörungen, klinische Symptome • Herzstolpern • „Aussetzer“ • Angina pectoris • Schwindel und Schwäche • Leistungsschwäche • Blutdruckabfall • Respiratorische Insuffizienz/Dyspnoe • Präsynkope und Synkope – Morgani-Adam-Stokes-Anfälle • Plötzlicher Herztod
Tachykarde Herzrhythmusstörungen, klinische Symptome • Plötzliches Herzjagen • Plötzliche innere Unruhe • Angina pectoris • Schwindel und Schwäche • Blutdruckabfall • Respiratorische Insuffizienz/Dyspnoe • Präsynkope und Synkope • Plötzlicher Herztod
Ursachen des plötzlichen Herztodes I • Koronare Herzkrankheit – Koronarsklerose / Koronarthrombose – Fehlbildungen / Anomalien der Koronararterie – Hypoplasie der Koronararterie – Koronare Embolie – Koronardissektion – Koronararteriitis – Erkrankungen der kleinen Koronargefäße (small vessel disease)
Ursachen des plötzlichen Herztodes II • Myokarderkrankungen – Herzmuskeldysplasie – arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie – Atrophie / Anorexia nervosa – hypertrophische Kardiomyopathie – Amyloidose – Myokarditis
Ursachen des plötzlichen Herztodes III • Klappenerkrankungen – Mitralklappenprolapssyndrom – idiopathische kalzifizierende Aortenstenose – infektiöse Endokarditis • Störungen des Reizleitungssystems – Sinusknoten (Hämorrhagien, Fibrose) – AV-Knoten (Mesotheliom, Fibrose, Verkalkungen) – His-Bündel-Diskontinuität – Akzessorische Leitungsbahnen
Hämodynamik 120 ml Enddiastolisches Volumen
(EDV)
50 ml
1. Isovolumetrische 0 Anspannung 2. Auxotonische Auswurfphase 3. Isovolumetrische Entspannungsphase 4. Schnelle Kammerfüllung 5. Langsame Kammerfüllung 6. Vorhofkontraktion
1
2
3
4
Systole
5
6
1
Endsystolisches Volumen
(ESV)
Diastole
Ejection Fraction = EF (%) = EDV - ESV x 100 EDV © by Thomas Peter
Herzfrequenz und Diastolendauer HF bpm
170
Kammer-Systole
150
Kammer-Systole
120
Kammer-Systole
K-Diastole
100
Kammer-Systole
Kammer-Diastole
80
Kammer-Systole
60
Kammer-Systole
40
Kammer-Systole
= Beginn Vorhof-Systole
0 © by Thomas Peter
0,2
K-Diastole
Kammer-Diastole
Kammer-Diastole
Vorhof-Systole
Kammer-Diastole
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4 1,5 Zeit in s
75 ml
75 ml
80 ml
75 ml
75 ml
76 ml 55 ml
75 ml
75 ml
75 ml 53 ml
90 ml
90 ml
90 ml
65 ml 45 ml
80 ml
82 ml 60 ml 38 ml
35 ml
Physiologische Grundlagen
Hämodynamik bei Tachyarrhythmien
VT = 170 bpm Ventrikuläre Tachykardie HMV Blutdruck
VF = 300 bpm Kammerflimmern HMV Blutdruck HMV: Herzminutenvolumen
© by BIOTRONIK
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Auf der Suche nach Herzrhythmusstörungen
Aufbau und Bestandteile des EKG
Typische Zacken (Wellen) und Strecken (Intervalle) des EKG © by Jürgen Häbe
Herzrhythmusstörungen
Bradykardie Bradykardie
Tachykardie Tachykardie
rhythmisch / arrhythmisch
schmale
breite
QRS-Komplexe
QRS-Komplexe
Erregungsbildungsstörungen
Erregungsleitungsstörungen
Rechtsschenkelblock (RSB)
© Thomas Peter
Linksschenkelblock (LSB)
Linksanteriorer Hemiblock
Linksposteriorer Hemiblock
Nomotope EBS
heterotope EBS
passive Heterotopie
aktive Heterotopie
© Thomas Peter
Aufbau und Bestandteile des EKG
Typische Zacken (Wellen) und Strecken (Intervalle) des EKG
Systematische Analyse von Herzrhythmusstörungen • Frequenz: - tachykard? (>100 Schläge/min) - normofrequent? (60-100 Schläge/min) - bradykard? ( 180/min
Ventrikuläre Tachykardie > 100/min, meist 150-200/min
Kammerflattern 250-300/min
Kammerflimmern > 300/min
© by BIOTRONIK
Regelmäßigkeit der QRS-Komplexe • Ein regelmäßiger Grundrhythmus kann in allen zur Erregungsbildung befähigten Zellen des Herzens entspringen. – Sinusrhythmus, Sinustachykardie, Sinusbradykardie – Vorhofrhythmus, Vorhoftachykardien – AV-Knoten-Reentry-Tachykardien – Kammertachykardien
• Absolute unregelmäßige QRS-Komplex-Abstände findet sich beim Vorhofflimmern. • Es treten pro Minute mehrere Hundert unregelmäßige elektrische Impulse aus dem Vorhof auf den AV-Knoten und werden dort gebremst und gefiltert.
Schmale und breite QRS-Komplexe • "Schmale QRS-Komplexe" (bis 0.10 sec) sind immer supraventrikulären Ursprungs, entstehen also oberhalb der Ventrikel (Sinusknoten, Vorhof, AV-Knoten).
• "Breite QRS-Komplexe" (0,12 sec oder breiter) entstehen im Ventrikel bei ventrikulären Extrasystolen, ventrikulären Rhythmen (idioventrikuläre, Ersatzrhythmen) oder ventrikulären Tachykardien.
Herzrhythmusstörungen Merke !!! Ursprung im Vorhof über AV-Knoten normale Reizweiterleitung
schmaler QRS-Komplex
Ursprung in der Kammer Tawaraschenkel werden umgangen – Reizleitung von Muskelzelle zu Muskelzelle
breiter QRS-Komplex
© by Thomas Peter
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