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January 13, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Kommunikation, Marketing
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UNIVERSITÄT TRIER

FORSCHUNGSBERICHTE zum MARKETING Nr. 7 Trier 2008

Alexander Pohl/Daniel Mühlhaus (Hrsg.)

Modernes Innovationsmarketing im Kontext von Open Innovation

Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber

Pohl, Alexander/Mühlhaus, Daniel (Hrsg.): Modernes Innovationsmarketing im Kontext von Open Innovation, Trier 2008.

Zu den Herausgebern: Prof. Dr. habil. Alexander Pohl ist Honorarprofessor an der Universität Trier und Adjunct Professor an der European Business School. Er ist Vorstand der Scopevisio AG und Partner der HW Partners AG, Bonn. E-Mail: [email protected] Dipl.-Volksw. Dipl.-Kfm. Daniel Mühlhaus ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Professur für Marketing, Innovation und E-Business der Universität Trier. E-Mail: [email protected]

Kontaktadresse Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber Universität Trier Lehrstuhl für Marketing, Innovation und E-Business Fachbereich IV: BWL-AMK Universitätsring 15 D-54286 Trier Tel.: 0049-201-2619 Fax: 0049-201-3910 E-Mail: [email protected] Internet: www.innovation.uni-trier.de

Copyright: Eigenverlag der Professur für Marketing, Innovation und E-Business an der Universität Trier Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber Trier 2008 ISBN 3-930230-26-7

I

OpenInnovation Innovation Open Bedürfnisinformationen Bedürfnisinformationen

Forschungseinrichtungen Forschungseinrichtungen UserToolkits Toolkitsfor forInnovation Innovation User

Demokratisierung Demokratisierungvon vonInnovationen Innovationen

Innovationsprozess Innovationsprozess

Tacit TacitKnowledge Knowledge

CollectiveInvention Invention Collective

Virtual VirtualCommunity Community Ideenwettbewerb Ideenwettbewerb

StickyInformation Information Sticky

Marktforschung Marktforschung

VirtuelleBörsen Börsen Virtuelle

Hersteller Hersteller

Netnography Netnography Anbieter Anbieter Erfinder Erfinder

Lead User Lead User Kunde Kunde

Internet Internet

„Wer will, dass ihm die anderen sagen, was sie wissen, der muss ihnen sagen, was er weiß. Denn das beste Mittel Informationen zu erhalten, ist Informationen zu geben.“ (Niccolo Machiavelli 1469-1527)

II

III

Vorwort Innovationen stehen seit jeher im Fokus wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Betrachtungen, sind sie doch als Triebfeder von Wachstum und wirtschaftlichem Fortschritt anzusehen. Der Bereich der Innovationsgenerierung ist dabei nachhaltig im Wandel begriffen. So erkennen und nutzen immer mehr Unternehmen das große Potenzial, welches außerhalb der Unternehmung zu finden ist und öffnen ihre Innovationsprozesse. Dabei verspricht gerade die Integration von externen Akteuren ein große Bandbreite an Vorteilen: So sind etwa über die aktive Einbindung von führenden Kunden mit spezifischem Anwenderwissen verbesserte Marktlösungen zu erzielen, die den nachfragerseitigen Anforderungen besser entsprechen als rein intern generierte Lösungen (Fit-to-Market). Auch kann die Entwicklungszeit über einen zielgerichteten Einsatz Externer verkürzt (Time-toMarket) und Kosten deutlich reduziert werden (Cost-to-Market). Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis findet sich unter dem Label der “Open Innovation” eine Vielzahl an Forschungsansätzen und Umsetzungskonzepten, die sich mit dem Wert, der Ausgestaltung und den Potenzialen offener, d. h. externe Akteure integrierender, Innovationsvorhaben befassen. Der hohe Stellenwert, der diesem Themenfeld derzeit beigemessen wird, schlägt sich dabei in vielfältigen Publikationen in international hochrangigen Journals und Sonderheften zu diesem Thema nieder. Dabei sind sie aber auch als ein Beleg für die noch immer große Zahl ungeklärter Fragen und das erwartete Potenzial zur Veränderung der Wirtschaftsgefüge zu sehen, in dem man, so scheint es, "nur weiß, dass man nichts weiß." Dem Themenumfeld der "Open Innovation" wurden in den Jahren 2007 und 2008 zwei Seminare im Hauptstudium der Betriebswirtschaftslehre gewidmet – der Maßgabe der Open Innovation folgend – mit dem Ziel der kooperativen Generierung neuen Wissens. Aus den dabei entstandener Seminararbeiten wurden für diesen Forschungsbericht die "besten" Arbeiten ausgewählt und in dem vorliegenden Werk in ein Gesamtgefüge integriert. Die insgesamt elf studentenseitig beigesteuerten Beiträge beleuchten unterschiedliche Facetten im Themenumfeld der Open Innovation, die in „Grundlagen und Quellen von Open Innovation“ und „Instrumente und Umsetzung von Open Innovation“ strukturiert wurden. Unser Dank gilt zunächst den Studierenden, die erst über ihre engagierte Mitarbeit ein solches Werk ermöglicht haben und in vielen Diskussionen sowohl ihren als auch unseren Kenntnisstand in diesem stetig im Wandel begriffenen Themenfeld nachhaltig gesteigert haben. Darüber hinaus gilt unser Dank Herrn Univ.-Prof. Dr. Rolf Weiber, der neben der fortwährenden und fruchtbaren Diskussion über die Reihe "Forschungsberichte zum Marketing" ein geeignetes Publikationsmedium für das vorliegende Werk offeriert hat. Weiterhin möchten wir den wissenschaftlichen Hilfskräften des Lehrstuhls für Marketing, Innovation und E-Business, Frau Katharina Ferreira und Herrn Philip Wegmann danken, die immer wieder neue Textfassungen gelesen, konstruktive Verbesserungsvorschläge unterbreitet und die mühsame Zusammenstellung und Formatierung vorgenommen haben. Trier, im September 2008

Alexander Pohl und Daniel Mühlhaus

IV

V

Inhaltsverzeichnis 1. Innovationen als Zünglein an der Wettbewerbswaage

1

Daniel Mühlhaus − Alexander Pohl Teil A: Grundlagen und Quellen von Open Innovation 2. Open Innovation - Researching an enforcing Paradigm?

8

Joachim Jardin − Arne Rehm 3. Open Innovation - Möglichkeitspotenziale und Problemfelder offener Innovationsprozesse

27

Kirsten Adlunger 4. "Demokratisierung von Innovationen": Innovative User-Communities

40

Katrin Peters 5. Collective Invention als Imparativ für moderne Innovationstätigkeit

51

Kurt Uwe Stoll 6. Potentiale und Risiken von Open Source aus Sicht der Unternehmenspraxis

62

Karsten Hardick Teil B: Instrumente und Konzepte der Open Innovation 7. Potentiale und Grenzen der Lead-User-Analyse zur Neuproduktentwicklung

78

Rebecca Woll 8. User Innovation Toolkits - Wenn Kunden Produkte entwickeln und verbessern

91

Nadine Asel − Dennis Steinmetz 9. Innovationstreiber Community - Konzepte zur Potenzialerschließung

106

Rieke K. Buning 10. Virtuelle User-Communities als Mittel zur Unterstützung des Innovationsprozesses

119

Michael Bathen 11. Vorteilspotenziale virtueller User Communities aus Nachfragersicht

130

Johanna Katharina Leite Ferreira 12. Produktentwicklung mit Virtual Communities - kritische Reflexion und prozessuale Fundierung interaktiver Wertschöpfungsprozesse Christian Hildebrand

VI

142

VII

Daniel Mühlhaus − Alexander Pohl Innovationen als Zünglein an der Wettbewerbswaage Innovationen stehen seit jeher im Fokus wirt-

von der Deckung des alltäglichen Bedarfs als

schafts- und sozialwissenschaftlicher Betrach-

vielmehr von sozialen Bedürfnissen geprägt ist,

tungen, sind sie doch als Triebfeder von Wachs-

wandelte sich das Kunden(selbst)bild hin zu

tum, wirtschaftlichem Fortschritt und (für einen

einem selektiven Typus. Wobei ausgestattet mit

Teil der Weltbevölkerung) als Grundlage des

den erforderlichen finanziellen Kapazitäten die

Wohlstands

bereits

eigenen Wünsche und Anforderungen stärker

Schumpeter (1939) fest, dass Innovationen die

durchgesetzt und von der Anbieterseite abver-

Basis für ökonomischen Wandel und Wohlstand

langt wurden. Als Reaktion hierauf erwuchs eine

bilden und damit den dominanten Faktor zur

steigende Angebotsvielfalt und damit einherge-

Sicherung der Überlebensfähigkeit von Unter-

hend Auswahl- und Differenzierungspotenziale

nehmen darstellen. Drucker (1955, S. 37) geht

der Nachfragerseite. Woraus zunehmend auch

noch einen Schritt weiter indem er postuliert,

die Erhebung und Analyse von Nachfragerbe-

dass „There is only one valid definition of busi-

dürfnissen in den Betrachtungsfokus rückte. Der

ness purpose: to create a customer. [...] It is the

Fortschritt im Bereich der Informations- und

customer who determines what the business is.

Kommunikationstechnologie und damit einher-

[...] Because it is its purpose to create a cus-

gehend die breite Verfügbarkeit von Informatio-

tomer, any business enterprise has two - and

nen über Produkte, Lösungen und auch die

only these two - basic functions: marketing and

damit verbundene "Entdeckung" neuer Bedürf-

innovation. They are the entrepreneurial functi-

nisse versetzten die Nachfrager in die Lage aus

ons.“

der Vielzahl an Angeboten, diejenigen mit dem

Diesem

anzusehen.

Postulat

ist

der

So

stellte

vorliegende

For-

höchsten Bedürfnisfit auszuwählen. Insbesonde-

schungsbericht unterworfen. So werden hier in

re die Verbreitung des Internets und das Auf-

dem Begriffsungetüm des “Modernen Innovati-

kommen von sog. “Social Software”, die eine

onsmarketing” diese beiden zentralen Unter-

umfassende, raumübergreifend und unrestrin-

nehmensfunktionen fusioniert und unter Rück-

gierte Vernetzung nahezu aller Teilnehmer er-

griff auf die bedeutenden Veränderungen der

möglicht, lässt den Kunden zusehends in die

jüngeren Zeit in einem neuen Licht betrachtet.

Rolle eines “mündigen Kunden” hereinwachsen.

Dabei gilt das Hauptaugenmerk auf den Verän-

Dabei bezieht sich der Terminus nicht aus-

derungen die der Konsument sowohl aus Unter-

schließlich auf das Selbstverständnis eines hyb-

nehmenssicht als auch in der Selbstsicht im

riden und aktiv selektierenden Kunden (vgl.

Laufe der Zeit durchlaufen hat. Auf den sog.

Schmalen 1994; Evanschitzky/Ahlert 2006), der

“Verkäufermärkten” früherer Zeiten stand ledig-

zur bedürfnisadäquaten Transaktionsgestaltung

lich die “Abnehmerfunktion” des Nachfragers im

selbst auch aktiv wird. Er tritt dabei nicht nur als

Blickpunkt der Unternehmensbetrachtung, bei

Lieferant von Bedürfnisinformationen, etwa im

dem ausgehend von möglichst kostenoptimal

Sinne einer individuellen Auftragserteilung oder

bereitgestellten Angeboten ein Markt geschaffen

Teilnahme an Marktforschungsstudien, sondern

und damit eine Nachfrage generiert wird. Ein-

auch als aktiver Part im Wertschöpfungsprozess

hergehend mit dem auch noch postindustriellen

auf. Neben der Preisgabe von Bedürfnisinforma-

Wohlstandszuwachs in einer Welt, die weniger

tionen werden nun auch eigene Lösungskon1

zepte co-produziert. 1 Diese Entwicklung, die auf

Management (IJTM) nieder. 6 Auch die Special

Business-Märkten, in denen kommerzielle Ak-

Issues der Zeitschrift für Betriebswirtschaft („O-

teure miteinander in Interaktion stehen, bereits

pen Innovation between and within Organizati-

seit jeher üblich ist, findet nun auch auf End-

ons“) und des IJTM („Broadening the Scope of

verbraucher- oder sog. Consumer-Märkten Ein-

Open Innovation“) der Jahre 2007 und 2008

2

Der Terminus des “mündigen Kunden”

belegen das hohe wissenschaftliche Potenzial

beschreibt darüber hinaus auch die Unterneh-

und dokumentieren die gegenwärtige Relevanz.

mens- oder Anbietersicht, wo hohe Neuprodukt-

Dabei sind sie aber auch als ein Beleg für die

flopraten und Akzeptanzschwierigkeiten signali-

noch immer große Zahl ungeklärter Fragen und

sieren, dass kostenintensive Innovationsprozes-

das erwartete Potenzial zur Veränderung der

se ohne Integration potenzieller Kunden nicht

Wirtschaftsgefüge zu sehen, in dem man, so

zug.

nur riskant, sondern gar fahrlässig sind.

3

Die

scheint es: "Nur weiß, dass man nichts weiß."

Zeit der geschlossenen, primär anbieterzentrier-

In diesem Forschungsbericht werden in elf Bei-

ten Innovationsvorhaben, bei denen unterstützt

trägen unterschiedliche Facetten im Themenum-

durch Bedürfnisstudien im Rahmen klassischer

feld der Open Innovation betrachtet. Strukturiert

Marktforschungsvorhaben Forschung und Ent-

ist der vorliegende Bericht dabei in zwei Teilbe-

wicklung unter Ausschluss externen und hier

reiche, wobei die einleitenden Beiträge zum

speziell

wird,

Thema „Grundlagen und Quellen von Open

scheinen überholt. So ist heutzutage ein ausge-

Innovation“ allgemeine Arbeiten zu offenen In-

wogenes Innovationskonzept, bestehend aus

novationsleistungen, wie Demokratisierung von

internen Kompetenzen ergänzt um externe Fak-

Innovationen oder Collective Invention darstel-

toren (z. B. unabhängige Forschungseinrichtun-

len. Der zweite Teil „Instrumente und Umset-

gen, Kunden und sogar Konkurrenten) aus-

zung von Open Innovation“ ist konkreten Kon-

schlaggebend für den Markterfolg zukunftsorien-

zepten der Open Innovation gewidmet, wobei

Nachfragerwissens

tierter Unternehmen.

vollzogen

4

neben Toolkits for User Innovation, dem Kon-

Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Pra-

zept und der Umsetzung von Lead User Analy-

xis finden sich unter dem Label der “Open Inno-

sen insbesondere Ansätze zur Erzielung von

vation” eine Vielzahl an Forschungsansätzen

Vorteilspotenzialen über die integrative Zusam-

und Umsetzungskonzepten, die sich mit dem

menarbeit mit virtuellen Gemeinschaften be-

Wert, der Ausgestaltung und Potenzialen offe-

trachtet werden.

ner Innovationsvorhaben befassen.

5

Der hohe

Stellenwert, der diesem Themenfeld derzeit

Teil A: Grundlagen und Quellen von

beigemessen wird, schlägt sich dabei in den

Open Innovation

unzähligen Publikationen in international hoch-

In ihrem Beitrag „Open Innovation – Resear-

rangigen Journals, wie Research Policy, dem

ching an enforcing Paradigm?“ nehmen Jar-

Journal of Product Innovation Management so-

din/Rehm eine systematische Bestandsaufnah-

wie dem International Journal of Technology

me verschiedener Open Innovation Verständnisse z. B. der frühen Arbeiten von Hippels

1

2 3 4

5

(1978, 1988) bis hin zu aktuellen Arbeiten von

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 95; Prahalad/ Ramaswamy 2004. Vgl. Thomke/ von Hippel 2002. Vgl. von Hippel 2005. Vgl. Enkel/ Gassmann/ Kausch 2005; West/ Gallagher 2004; Chesbrough/ Vanhaverbeke/ West 2006. Vgl. Chesbrough 2003; Gassman/ Enkel 2006.

Brown/Hagel 2006 oder Gassmann/Enkel 2006 6

2

Z. B. Franke/ Piller 2004; Franke/ Shah 2003; Franke/ von Hippel 2003; Osterloh/ Rota 2007.

vor. Basierend auf einer umfassenden Literatur-

jeweils aus der Beteiligung an offenen Innovati-

analyse leiten sie einen Kriterienkatalog ab,

onsvorhaben erwachsenden Vorteilspotenziale

anhand dessen eine Differenzierung unter-

aber auch der entsprechenden Grenzen und

schiedlicher Verständnisse erfolgen kann. Hier-

Risiken auf.

auf aufbauend entwickeln sie ein Open Innova-

Von Hippel (2005) spricht im Kontext offener

tion Portfolio anhand dessen eine Abgrenzung

Innovationsprozesse auch von einer „Demokra-

verschiedener Open Innovation Instrumente, wie

tisierung von Innovationen“ und geht damit ei-

Toolkits,

7

Communities of Innovation

8

vorge-

nen Schritt weiter als viele andere Autoren. In-

nommen werden kann.

wieweit dieser Bezeichnung in der derzeitigen

Viele Arbeiten (eine Ausnahme stellt hier das

und primär internetgestützten Innovationszu-

Konzept der „Interaktiven Wertschöpfung“ von

sammenarbeit zuzustimmen ist, betrachtet der

Reichwald/Piller 2006 dar, die primär das Zu-

Beitrag von Peters "Demokratisierung von Inno-

(1)

Joachim Jardin − Arne Rehm Open Innovation – Researching an enforcing Paradigm?

(2)

Kirsten Adlunger Möglichkeitspotenziale und Problemfelder offener Innovationsprozesse

(3)

(4)

(5)

Teil B

Instrumente und Konzepte der Open Innovation

Grundlagen und Quellen von Open Innovation

Teil A

Katrin Peters Demokratisierung von Innovationen

Kurt Uwe Stoll Collective Invention

Karsten Hardick Open Source

(6)

Rebecca Woll Lead User Analyse

(7)

Nadine Asel − Dennis Steinmetz User Innovation Toolkits

(8)

Rieke K. Buning Innovationstreiber Community

(9)

Michael Bathen Virtual Communities - Die Unternehmensperspektive

(10)

J. Katharina L. Ferreira Virtual Communities – Die Nachfragerperspektive

(11)

Christian Hildebrand Produktentwicklung mit Virtual Communities

sammenspiel von Anbieter und Kunde betrach-

vationen". Aufbauend auf den Grundlagen offe-

ten) zum Konzept oder Verständnis von Open

ner Innovationsprozesse werden sukzessive die

Innovation ist gemein, dass bei der Integration

Einschränkungen einer umfassenden Demokra-

externen Wissens in einen unternehmensgelei-

tisierung aufgezeigt, die im letzten Abschnitt

teten Innovationsprozess eine Vielzahl an Ak-

„Begrenzte Demokratisierung [...] im Internet“

teuren als Quellen dieses Wissens, wie Konkur-

kulminieren.

renten, unabhängige (Forschungs-) Institute

Am ehesten dem Terminus der „Demokratisie-

oder Kunden bzw. Nachfrager bestehen. Der

rung“ kommt die von Allen (1983) als „Collective

Beitrag von Adlunger "Open Innovation - Mög-

Invention“ eingeführte Beschreibung, die von

lichkeitspotenziale und Problemfelder" nimmt

Cowan/Jonard (2003) konkretisiert wird nach.

hierauf aufbauend eine differenzierte Betrach-

Hierunter werden kooperative Innovationspro-

tung der Akteursstrukturen vor und zeigt die

zesse unabhängiger Akteure verstanden, die

7

gemeinsam und unter Offenlegung von Wissen

8

Vgl. von Hippel/ Katz 2002. Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007.

3

aus F&E-Vorhaben innovieren. Der Beitrag von

schiedlich verteilten Kenntnisse ist die Interakti-

Stoll "Collective Invention als Imperativ für mo-

on problembehaftet. So sind die Bedürfnisinfor-

derne Innovationstätigkeit" liefert hierzu eine

mationen i. d. R. nur mit großem Kommunikati-

Einführung, wobei unter Rückgriff auf Konzepte

onsaufwand reibungslos zu er- bzw. übermitteln,

der Spieltheorie, der Netzwerkökonomie und

da sie einerseits gar nicht in konkreter Form,

Evolutionsbiologie aufgezeigt wird, weshalb und

sondern vielmehr diffus beim Nachfrager vorlie-

wann diese Form der kooperativen Wertschöp-

gen. Auch die mangelnde Kenntnis des tech-

fung funktionieren kann.

nisch Machbaren kann zu Unzufriedenheit mit

Paradebeispiele für offene und kollektive Inno-

der bereitgestellten Lösung und entsprechend

vationsleistungen finden sich im Bereich der

negativen Marktkonsequenzen wie hohen Flop-

Open Source Bewegung. Hier werden Grundla-

raten oder langwierigen Abstimmungsprozessen

gen der Lösungskonzepte, im Softwarebereich

führen. 11 In ihrem Beitrag „User Innovation Tool-

ist dies der Quellcode, anderen Akteuren offen

kits“ zeigen Asel/Steinmetz, wie in Business-

zugänglich und zur Bearbeitung bzw. Modifikati-

märkten bereits seit langer Zeit üblich bspw.

9

on bereitgestellt. Der große Erfolg von Anwen-

über anbieterseitig bereitgestellte Design- oder

dungen im Softwarebereich, wie dem Betriebs-

Innovationswerkzeuge einige der Interaktions-

system Linux, dem Apache Webserver oder

probleme vermieden werden können. Dabei

auch das vielversprechende OsCar-Projekt, bei

geben sie einen umfassenden Überblick über

dem ein Automobil unter der Maßgabe offenen

verschiedene Toolkitvarianten und zeigen aktu-

Entwicklung bis hin zur Prototypreife von unab-

elle Entwicklungen in verschiedenen Branchen

hängigen Ingenieuren konzipiert wurde, belegen

auf.

10

Der Beitrag

Kunden- und Marktentwicklungen in unterneh-

von Hardick "Potenziale und Risiken von Open

mensseitige Innovationsprozesse einzubinden,

Source" nimmt eine Bestandsaufnahme im Be-

ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Jedoch besteht

reich der Open Source vor und zeigt auf, welche

insbesondere bei der Entwicklung neuer Lö-

Vorteile Unternehmen bei der Teilnahme an

sungskonzepte für mitunter am Markt noch gar

Open Source Bewegungen erwachsen und wo

nicht bekannter Probleme oder bisher unbe-

zentrale Problemfelder bestehen.

kannter Bedürfnisse eine hohe Unsicherheit

die Tragfähigkeit dieses Konzepts.

bzgl. der Fortentwicklung. Deshalb gilt es die

Teil B: Instrumente und Konzepte der

Quellen externen Wissens mit Bedacht auszu-

Open Innovation

wählen, wobei hier dem Lead User Konzept eine 12

Die Interaktion von Anbieter und Nachfrager ist

zentrale Rolle beizumessen ist.

seit jeher durch Informationsasymmetrien ge-

User stellen Akteure dar, deren gegenwärtige

kennzeichnet. So verfügt der Nachfrager zu-

Bedürfnisse denen entsprechen, die später am

meist über eine mehr oder minder genaue Vor-

Gesamtmarkt bestehen und deren Anforderun-

stellung seiner Bedürfnisse. Die Anbieterseite

gen daher den zukünftigen Marktanforderungen

hingegen verfügt neben der entsprechenden

entsprechen. In ihrem Beitrag „Potenziale und

Infrastruktur auch über das Wissen zur Erfüllung

Grenzen der Lead User Analyse“ zeigt Woll die

der Bedürfnisse. Aufgrund dieser oftmals und

Grundlagen und idealtypischen Ablaufschritte

insbesondere in Konsumentenmärkten unter-

der Lead User Analyse auf und gibt, basierend

9

11

10

Vgl. Raymond 1999. Vgl. Honsig 2006.

12

4

Unter Lead

Vgl. von Hippel 1994. Vgl. Urban/ von Hippel 1988; Herstatt/ von Hippel 1992.

auf einer Metastudie, Einblicke in die Umset-

keting. Dabei fokussiert sich der Beitrag von

zung in der Unternehmens- und Forschungspra-

Buning "Innovationstreiber Community" auf die

xis. Wobei zwei zentrale Problembereiche iden-

Schnittstellenproblematik zwischen Unterneh-

tifiziert werden, die zum einen den theoretischen

men und Community im Innovationskontext und

Grundlagen des Lead User Konzepts und dar-

zeigt auf, wie Unternehmen innovationsbezoge-

über hinaus forschungsökonomischen Erwä-

nes Wissen aus Communities absorbieren bzw.

gungen entstammen.

generieren können. Dabei werden abhängig

Die vorab skizzierte Entwicklung zum „mündigen

davon, welche Seite den aktiven Part übernimmt

Kunden“ manifestiert sich neben dem immer

drei Kernansätze: dargestellt und einer kriti-

stärker werdenden nachfragerseitigen Informati-

schen Betrachtung unterzogen.

onsbedarf auch in der gesteigerten Aktivität im

Der

Zusammenspiel mit anderen Konsumenten. Hier

Communities" zeigt auf, welche Vorteile einem

bilden unterschiedliche Formen virtueller Ge-

Unternehmen aus funktionierenden Communi-

meinschaften, zumeist konstituiert über das

ties insb. im Innovationsprozess erwachsen und

Internet (sog. Virtual Communities, wie z. B.

wie unternehmensseitig eine Steuerung von

Brand Communities oder Communities of Inte-

Entwicklungen der Community vorgenommen

rest)

13

die Grundlage. Diese Interaktionsge-

Beitrag

von

Bathen

"Virtuelle

User-

werden kann.

meinschaften weisen dabei, neben den offen-

Eine entgegen gesetzte Sichtweise und damit

kundigen Vorteilen für die Teilnehmer, die im

das komplementäre Gegenstück nimmt der Bei-

sozialen Austausch bzw. der Kommunikation zu

trag von Ferreira "Vorteilspotenziale Virtueller

sehen sind, eine ganze Reihe weiterer Aspekte

Communities aus Nachfragersicht" ein. Hier wird

auf. So stellen sie oftmals einen großen Pool

ebenfalls eine Betrachtung der Vorteilspotenzia-

verfügbaren Anwenderwissens bereit, der un-

le der Interaktion mit Communities vorgenom-

ternehmensseitig Anhaltspunkte zur Modifikation

men, jedoch nur aus der Kunden- bzw. Nachfra-

bestehender Produkte oder der Entwicklung

gerperspektive. Ausgehend von einem schema-

neuer Lösungen genutzt werden kann. Neben

tisierten Kundenprozess mit Entscheidungspha-

diesen Bedürfnisinformationen zeigt sich jedoch,

se, Kaufakt und Nutzungsphase werden hier

dass oftmals auch Lösungsvorschläge entwi-

unter Rückgriff auf Ansätze der Informationsö-

ckelt und bereitgestellt werden. Diese können

konomie

einerseits direkt von den Unternehmen absor-

ausgestellt.

biert werden, darüber hinaus aber auch zur I-

Im Rahmen seines Beitrags „Produktentwick-

dentifikation besonders geeigneter Innovations-

lung mit Virtual Communities“ nimmt Hildebrand

partner, mit denen eine integrative Zusammen-

unter Rückgriff auf die strukturelle Phaseneintei-

arbeit besonders fruchtbar erscheint, genutzt

lung des Innovationsprozesses nach Cooper

werden.

14

15

im Detail Informationsvorteile her-

(1996) eine detaillierte Betrachtung der Interak-

Im Rahmen der letzten vier Beiträge dieses

tions- und Aktionsphasen im Zusammenspiel

Forschungsbandes erfolgt eine systematische

von Community und der innovationsleitenden

und differenzierte Betrachtung der Funktions-

Unternehmung vor. Dabei werden je Prozess-

weise und erwachsender Vorteilspotenziale von

phase sowohl Anforderungen herausgearbeitet

Communities für ein modernes Innovationsmar-

als auch entsprechende Umsetzungskonzepte

13

14

bzw. geeignete Instrumente dargestellt, sodass Vgl. McAlexander/ Shouten/ Koenig 2002; Schubert/ Ginsburg 2000; Rheingold 1993. Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007; Füller et al. 2006.

15

5

Zur Informationsökonomie siehe Weiber/ Adler 1995.

im Kern ein „Interaktionskatalog“ entsteht, der

uct Innovation Management, Vol. 21, S. 401-

als Anhaltspunkt zur innovativen und innovati-

415.

onsorientierten Zusammenarbeit von Unterneh-

Franke, N./ Shah, S. (2003): How Communities

men und Community dienen kann.

Support Innovative Activities: An Exploration of Assistance and Sharing Among End-

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ZfB, Jhg. 64, S. 1221-1240 Schubert, P./ Ginsburg, M. (2000): Virtual Communities of Transaction: The Role of Personalization, in: Electronic Commerce, Electronic Markets, Vol. 10, S. 45-55. Schumpeter, J. A. (1939): Business Cycles, A Theoretical and Historical, and Statistical Analysis of the Capitalist Process, New York. Thomke, S./ von Hippel, E. (2002): Customer as Innovators. A New Way to Create Value, Harvard Business Review, April (2002), S. 74-81. Urban, G. L./ von Hippel, E. (1988): Lead User Analyses for the Development of New Industrial Products, Management Science, Vol. 34, S. 569-582. von Hippel, E. (1978): A customer-active paradigm for industrial product idea generation, Research Policy, Vol. 7, S. 240-266. von Hippel, E. (1988): The Sources of Innovation, Oxford, New York u.a. von Hippel, E. (1994): ”Sticky Information” and the Locus of Problem Solving: Implications

7

Joachim Jardin − Arne Rehm Open Innovation – Researching an enforcing Paradigm? 1

Open Innovation – ein überschätzter Hype?

2

Ursprünge von Open Innovation

3

Aktuelle Entwicklungen der Open Innovation Ansätze

4

Entwicklung eines Open Innovation Verständnisses

1

Open Innovation – ein überschätzter Hype?

gieintensität zwingt Unternehmen durch vermehrt auftretende Kompetenzlücken nach externen Quellen zu suchen um diese zu füllen.

Open Innovation, gilt als ein neuer Ansatz für

Hier können durch Interaktion nicht nur explizi-

das moderne Innovationsmanagement und hat

tes, also eindeutig kommunizierbares, Wissen

in den letzten Jahren einen großen Bedeu-

sondern auch implizites, schwer vermittelbares

tungszuwachs erlangt. Doch es lässt sich fest-

Wissen erfasst werden. 3 Als Beispiele können

stellen, dass viele Ansätze, die in unterschiedli-

hier Kunden, Zulieferer, Konkurrenten, Universi-

cher Art und Weise unter dem Begriff Open

täten usw. genannt werden. Von herausragen-

Innovation subsumiert werden, schon vor dem

der Bedeutung ist auch die Veränderung der

aktuellen Hype, sowohl in Theorie als auch Pra-

Informations- und Wissensumwelt. 4 Nicht nur,

xis, bekannt waren (siehe Abschnitt 2). Somit ist

dass die allgemeine Steigerung der Mobilität der

ein Ziel dieses Beitrages die Frage zu beantwor-

Mitarbeiter zu starken Wissenstransfers zwi-

ten, ob der Bedeutungszuwachs begründet ist

schen Unternehmen führt und die Fähigkeiten

oder lediglich alte Ansätze neu aufbereitet wur-

und das Angebot externen Wissens gestiegen

den. Diese Frage wird verständlicherweise auch

sind, 5 sondern auch die Entwicklung der IuK-

durch die heutige Innovationslandschaft stark

Technologien und die damit einhergehenden

beeinflusst. Immer kürzere Innovationszyklen,

neuen Wege der Nutzung und Erschließung von

bei längeren Pay-Off-Zeiten und sich verstär-

externem Wissen sind hier zu erwähnen. 6 Auf

kender Preiserosion erhöhen die Risiken von

dieser Basis wird der weltweite Zugriff auf In-

1 Innovationsaktivitäten. Um der ohnehin schon

formationen und globale Zusammenarbeit er-

hohen Floprate von Neuprodukten vor dem Hin-

möglicht. Communities, Open Source Software

tergrund solcher Szenarien entgegenzuwirken,

(OSS), Virtuelle Unternehmungen, die Vernet-

ist die Suche nach neuen Gestaltungsmöglich-

zung der vertikalen Wertschöpfungsstufen sind

keiten für das Innovationsmanagement unerlässlich.

Nach

Gassmann

können

2

nur einige relevante Schlagworte. Zusätzlich

weitere

ermöglicht moderne Software, Teile des Innova-

Trends und Entwicklungen im Zusammenhang

tionsprozesses digital darzustellen und zu ver-

der wachsenden Bedeutung von Open Innovati-

arbeiten. So können zum Beispiel Produkte mit

on genannt werden. So bedingt seiner Ansicht

Computer Aided Design (CAD) und Virtual Pro-

nach die Globalisierung einen stärkeren Wett-

totyping entworfen und getestet werden und

bewerb und erhöht dadurch die Vorteile offener

stehen dabei zeit- und ortsunabhängig zur Ver-

Innovationsprozesse vor allem dadurch, dass in einer Zusammenarbeit Größenvorteile (mehr Kapital, mehr Personal, mehr Know How) ge-

2

nutzt werden können. Die steigende Technolo-

3 4 5 6

1

Vgl. Weiber/ Kollmann/ Pohl 1999, S. 2ff.

8

Vgl. Gassmann 2006, S. 224. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 57ff. Vgl. Chesbrough 2003, S. 34ff.; Gassmann, 2006, S. 224. Vgl. Chesbrough 2003, S. 34ff. Vgl. Dodgson/ Gann/ Salter 2006, S. 333ff.; Reichwald/ Piller 2006, S.80.

fügung. Dies wiederum ermöglicht, dass Kunden

market) verringert werden. 9 Um allerdings An-

und andere externe Quellen Anpassungen, Vor-

wender aus der Praxis von dem Open Innovati-

schläge und Weiterentwicklungen kostengünstig

on Konzept zu überzeugen und auch für eine

in diesen Prozess einbringen können. So ge-

sinnvolle weitere Forschung ist es notwendig

nannte Innovations- oder Design-Toolkits stellen, je nach Kenntnisstand des Benutzers,

den scheinbaren Widerspruch, dass viele unter-

Schnittstellen zur Verfügung, um auch „unerfah-

schiedliche Konzepte Open Innovation darstel-

rene Quellen“ integrieren zu können (siehe hier-

len, aufzuklären. Bevor jedoch darauf eingegan-

zu den Beitrag von Asel/ Steinmetz, S. 94ff.).

7

gen werden kann, sollten zunächst die Ursprün-

Bei diesen Toolkits sollte jedoch erwähnt wer-

ge von Open Innovation dargestellt werden.

den, dass teilweise Ansätze von Mass Customization und Open Innovation vermischt werden.

2

Ein Produkt, dass der Kunde mit Hilfe eines

Ursprünge von Open Innovation

Toolkits aus verschiedenen Modulen nach seinen Vorstellungen zusammensetzt, hat oft we-

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts spielte die

nig mit einer echten Innovation gemein. Ähnlich

Integration externen Wissens in den unterneh-

verhält es sich mit neuen Entwicklungen der

merischen Innovationsprozess keine nennens-

Marktforschung. Neue Möglichkeiten, zum Bei-

werte Rolle. Dies lag vor allem daran, dass die

spiel durch statistische Analysesoftware, sind

ersten industriellen Forschungslaboratorien, und

vielleicht ein Werkzeug für Open Innovation,

somit eine Forcierung von Forschung und Ent-

aber keinesfalls automatisch aus der klassi-

wicklung (F&E), erst gegen Ende des 19. Jahr-

schen Marktforschung herauszunehmen und in

hunderts in Deutschland und wenig später in

Open Innovation einzubetten.

den Vereinigten Staaten etabliert wurden. 10

Unter dem Begriff Open Innovation werden ins-

Diese Laboratorien wurden vor allem in großen,

gesamt viele verschiedene Ansätze und Metho-

vertikal integrierten Unternehmen eingerichtet,

den dargestellt. Einige davon bieten neue und

welche eine dominante Position im Markt besa-

vor allem effektive Prozesse und Handlungsan-

ßen. Grund für das plötzliche Interesse an F&E

weisungen neue Produkte mit einer geringeren

war insbesondere der unzuverlässige Schutz

Floprate und höheren Marktakzeptanz zu entwi-

geistigen Eigentums außerhalb der nationalen

ckeln. Dies wird z. B. durch den Zugriff auf einen

Grenzen, da dort lokale Regelungen diesbezüg-

größeren Pool an Bedürfnisinformationen („Was

lich gelten und diese, wenn sie liberaler ausge-

will der Kunde“) und auch gleichzeitig Lösungs-

legt sind, die Regelungen des Ursprungslandes

informationen („Wie setze ich die Bedürfnisse in

der Innovation verwässern können. Der einzige

ein passendes Produkt um“) möglich. 8 Darüber

Weg weiterhin eine dominante Position zu hal-

hinaus können Innovationsprozesse auch effi-

ten ging über kontinuierliche Weiterentwicklung.

zienter gestaltet werden und die Zeit bis zur

Aufgrund fehlender Erwähnung, lässt sich zu-

Markteinführung (time-to-market) als auch Kos-

mindest für die Vereinigten Staaten eine Un-

ten

wichtigkeit externen Wissens im Betrieb dieser

7

8

des

Entwicklungsprozesses

(costs-to-

9

Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S. 821ff.; Reichwald/ Piller, 2006, S. 163. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 55ff.

10

9

Vgl. ebenda, S. 150ff. Vgl. Chandler 1990, S. 161f.; Hounshell 1996, S. 13 sowie S. 19f.

Sicherheit bereits davor erste Ansätze zur Nut-

Laboratorien konstatieren, jedoch nicht, dass 11

Zwi-

zung externen Wissens in der Innovation, wenn

schen den Weltkriegen war die Hauptaufgabe

auch nicht so ausgeprägt, z. B. gab es insb. in

der F&E Abteilungen die Kommerzialisierung

Deutschland schon ab ca. 1871 Ansätze von

von Erfindungen anderer sowie die Effizienz-

Forschungskooperationen zwischen Unterneh-

steigerung der Produktion. Nach dem zweiten

men und Universitäten. 14 Ein weiterer Ansatz

Weltkrieg begann sich die Aufgabe der F&E zu

der Innovation unter Zuhilfenahme externen

wandeln. Aufgrund der immensen Fortschritte in

Wissens,

der Forschung wie z. B. der Atombombe, Antibi-

Abteilungen oder Universitäten auskam, war die

otika, digitaler Computertechnik und vielen an-

Collective Invention, welche von Allen in die

deren Entdeckungen begann die Grundlagen-

Literatur eingeführt wurde. Er erklärt diese am

forschung immer mehr an Wichtigkeit zu gewin-

Beispiel der Weiterentwicklung von Hochöfen in

nen. Dies lag vor allem daran, dass gut finan-

der englischen Eisenindustrie im 19. Jahrhun-

zierte

neue

dert. Es wird beschrieben, wie neue Hochofen-

Technologien entwickeln konnten. Es wurde im

designs eines Unternehmens sowie die Effi-

Glauben an ein lineares Innovationsmodell ge-

zienzwerte des mit dem neuen Design veränder-

forscht, bzw. in Anlehnung an das Say’sche

ten Brennstoffverbrauchs, Wettbewerbern zu-

Theorem – Jedes Angebot schaffte sich seine

gänglich gemacht werden, wodurch diese in

keinerlei externes Wissen genutzt wurde.

Wissenschaftler

Nachfrage selbst.

einschneidend

12

welcher

gänzlich

ohne

F&E-

ihrer nächsten Generation von Hochöfen Erweiterungen dieses Designs übernehmen können

Als ein möglicher Erklärungsansatz für die nicht-

(Stoll, 53ff.). Eine kollektive Invention liegt vor,

Nutzung von externem Wissen wird das sog.

wenn dieser Vorgang fortgeführt wird, der Wett-

Not-Invented-Here (NIH) Syndrom angeführt.

bewerber selbst seine Öfen auf diese Weise

Dieses beschreibt, dass Gruppen von Ingenieu-

weiterentwickelt und neues Wissen wiederum

ren die über einen längeren Zeitraum in der

öffentlich zugänglich macht, dass auch dessen

gleichen Besetzung bestehen immer weniger

Wettbewerber darauf Zugriff haben.

auf externe Quellen zugreifen, da sie das Gefühl entwickeln ein Wissensmonopol in ihrem Gebiet

In der Hinsicht das Unternehmen und nicht indi-

zu besitzen. Als Folge daraus, werden externe

viduelle Erfinder neues technisches Wissen

Quellen nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezo-

generierten, hatte Collective Invention bereits

gen in der Lage zu sein für die Gruppe wichtiges

Charakteristika

oder ergänzendes Wissen beisteuern zu können

F&E. „Jeder moderne Konzern richtet sich –

zu können. Dabei ist anzunehmen, dass die

sobald er das Gefühl hat, daß er es sich leisten

Belegschaft der zentralen Forschungslaborato-

kann – als erstes eine Forschungsabteilung ein,

rien aus genau solchen sich über längere Zeit-

in der jeder Mitarbeiter weiß, daß sein tägliches

räume nicht verändernden Gruppen bestand.

13

der

modernen,

industriellen

Brot von seinem Erfolg in der Erfindung von Verbesserungen abhängt.“ 15 Diese Aussage

Dennoch gab es schon zu dieser Zeit und mit

von Schumpeter lässt bereits den Unterschied 11 12 13

Vgl. Chandler 1978, S. 345ff. Vgl. Chandler 1990, S. 190; Hounshell 1996, S. 41ff. Vgl. Katz/ Allen 1982, S. 7.

14 15

10

Vgl. Hounshell 1996, S. 19f. Schumpeter 1975, S. 158.

von Collective Invention zur modernen, indus-

von Innovationen aus zentralen Forschungsla-

triellen F&E erahnen. Nelson definierte 1959

boratorien großer Konzerne wie sie weiter oben

industrielle F&E durch das Vorhandensein von

beschrieben wurde in Frage, da er im Laufe

Forschungslaboratorien in einem Unternehmen,

seiner Forschung Anhaltspunkte für „Innovation

welche u. a. für Entwicklung, Qualitätskontrolle,

von Außen“ gefunden hatte. In diesem Zusam-

Verbesserung bestehender Produkte, etc. zu-

menhang zeigt er im Verlauf seiner Arbeit an-

ständig waren. Im Beispiel der Collective Inven-

hand von Beispielen auf (z. B. Entwicklung von

tion wurden von Unternehmensseite her keiner-

wissenschaftlichem Instrumentarium durch Nut-

lei Ressourcen speziell für F&E bereitgestellt –

zer) 21 , dass Innovationen auch extern entstehen

Innovationen geschahen, im Beispiel der engli-

können und dann ihren Weg zum Hersteller zu

schen Hochofenindustrie, als Nebenprodukt des

finden. Der Trend hin zu einem offeneren Inno-

Tagesgeschäfts. Diese Abwesenheit eins For-

vationsprozess ist bereits klar zu erkennen. Er

schungslaboratoriums für F&E dient als Abgren-

konnte als externe Quellen der Innovation hier,

zung zur modernen, industriellen F&E. Darüber

aber auch bereits zuvor, Nutzer 22 , Zulieferer 23

hinaus ist anzunehmen, dass es nicht im Sinne

und informellen Know-how Austausch 24 (Koope-

industrieller F&E ist wenn Innovationen eines

ration zwischen Wettbewerben und/oder nicht-

Unternehmens ohne Gegenleistung von ande-

Wettbewerbern, welche der Collective Invention

ren genutzt werden.

16

ähnelt) 25

ausmachen. In seinem auf dem

Customer Active Paradigm basierenden Kon-

Nicht nur die „Collective Invention“, auch andere

zept geht er davon aus, dass Innovationen an

Kernprozesse der Open Innovation sind bereits

das Herstellerunternehmen herangetragen wer-

seit längerem in der Literatur bekannt und un-

den, dieses also meist passiv ist. Sollte das

tersucht. Von Hippel schrieb bereits 1976 über

Unternehmen dennoch aktiv nach Innovationen

das Customer Active Paradigm, welches den

suchen, befinden sich diese meist in einer spä-

Kunden/Nutzer als treibende, aktive Kraft im

ten Phase des Innovationsprozesses und müs-

Innovationsprozess sieht. 17 Diesen Gedanken

sen oft nur noch kommerzialisiert werden. 26 In

führte er dann 1986 mit dem Lead User Ansatz

seinen späteren Arbeiten konzentriert sich von

weiter. 18 Kogut beschrieb 1988 organisationales

Hippel jedoch ausschließlich auf durch Nutzer

Lernen als eines der Hauptmotive für Joint-

generierte Innovationen (insb. Lead User und

Ventures 19 und Brandenburger/Nalebuff führten

User Communities), was vor allem in seinem

1996 das spieltheoretische Konzept der Co-

Buch Democratizing Innovation und seinen wei-

Opetition, eine Form der Kooperation unter anhaltender Konkurrenz, ein. 20 In seinem 1988 veröffentlichten Buch The Sour-

21

ces of Innovation stellte von Hippel die bis dahin

22 23

verfolgte gängige Meinung über die Herkunft

24 25

16 17 18 19 20

Vgl. Allen 1983, S. 1f.; Nelson 1959, S. 119ff. Vgl. von Hippel 1978. Vgl. derselbe 1986. Vgl. Kogut 1986. Vgl. Brandenburger / Nalebuff 1996.

26

11

Vgl. von Hippel 1988, S. 11ff. Vgl. von Hippel 1978, passim; Derselbe 1988, S. 11ff. Vgl. Derselbe 1988, S. 35ff. Vgl. von Hippel 1987, passim; Derselbe 1988, S. 76ff. Der Unterschied liegt darin begründet, dass in der Collective Invention alle Wettbewerber und potentiellen Wettbewerber Zugriff auf das proprietäre Wissen haben müssen (vgl. Allen 1982, S. 2), wohingegen beim informellen Know-how Austausch kein Zwang zur Veröffentlichung besteht (vgl. von Hippel 1987, S. 297; Derselbe 1988, S. 84). Vgl. von Hippel 1988, passim.

teren Aufsätzen 27 zum Ausdruck kommt. Auch

on deutlich wird. 31

hier wird im Lead User Ansatz weiterhin die

Sawhney/Prandelli führten 2000 ihr Konzept der

hauptsächlich passive Rolle des Unternehmens

Community

während des Nutzer-Innovationsprozesses im

System mit sich immer verändernden Grenzen.

Infektionskontrolle im OP-Bereich. Zur Lösung

Diese Eigenschaften kommen daher, dass die-

dieses Problems wurden Lead User aus ver-

ses Modell zwischen den klassischen Gover-

schiedenen Disziplinen gesucht und zu einem

nance-Mechanismen der Transaktionskosten-

dieses

theorie Markt und Hierarchie anzusiedeln. Als

Workshops wurde von den Lead Usern schließ-

Transaktionskosten sind Kosten zu verstehen

lich eine mögliche Lösung für dieses Problem

die mit der Ausführung von Markttransaktionen

gefunden. Die dort erarbeitete Lösung wurde

entstehen, hierbei gibt es Kosten die bereits vor

von Unternehmensseite aus übernommen, es

der Transaktion während der Anbahnung ent-

fand dabei jedoch keine Interaktion zwischen

stehen, aber auch Kosten die nach der Transak-

Unternehmen und Lead User während des Lö-

tion während der Abwicklung und noch danach

sungsfindungsprozesses statt (Woll, 81ff.). 29

zustande kommen. Steigen die Transaktiosn-

Darüber hinaus geht von Hippel auf sog. Innova-

kosten über ein bestimmtes Niveau, wird es

tion Communities ein. Da von Hippel kein Kon-

günstiger Produktionsaktivitäten innerhalb des

trollorgan, welches Regeln der Mitgliedschaft

Unternehmens durchzuführen und zu koordinie-

aufstellt, in seiner Definition erwähnt, hat dies

ren, anstatt dies über den Markt zu erledigen. 32

zur Folge, dass es keinerlei Beschränkungen

Modelle die zwischen den Positionen Markt und

zur Mitgliedschaft in einer Innovation Communi-

Hierarchie liegen, wie das vorliegende von

ty gibt. Außerdem wird davon ausgegangen,

Sawhney/Prandelli, werden auch als hybride

dass es sich um reine Nutzer-Communities

Kooperationform bzw. Kooperationslösung be-

handelt und somit auch nur eine Nutzer-zu-

zeichnet. 33 In Anlehung an von Hippels Custo-

Nutzer Kooperation stattfindet, was wiederum

mer Active und Manufacturer Active Paradigm

der oben dargestellten Meinung des Customer

wird diese Struktur von Nagel als Joint Active

Active Paradigm entspricht. 30 Dennoch ist ein

Paradigm bezeichnet. 34 Laut Benkler begann

Trend in von Hippels Meinung hin zu einer Ko-

das Erscheinen dieser Form und somit das En-

operation zwischen Herstellerunternehmen und

de der Dominanz der reinen hierarchie- oder

Nutzer zu erkennen, was insb. durch seine Ar-

marktbasierten Modelle mit Erscheinung der

beiten im Bereich der Toolkits for User Innovati-

Open Source Software Community, da diese als

31 27

28 29 30

Governance-

Community of Creation als ein durchlässiges

lich, auf der Suche nach einer neuen, günstigen

Während

als

vation in die Literatur ein. Sie definieren eine

ten. 28 Dies wird auch am Beispiel von 3M deut-

eingeladen.

Creation

Mechanismus zum steuen von distributed inno-

Sinne des Customer Active Paradigm vertre-

Workshop

of

Siehe hierzu bspw. von Hippel 1989; Derselbe 1998; von Hippel/ Thomke/ Sonnack 1999; Morrison/ Roberts/ von Hippel 2000; von Hippel 2001a; Derselbe 2001b. Vgl. Derselbe 2005, S. 19ff. Vgl. von Hippel/ Thomke/ Sonnack 1999. Vgl. von Hippel 2005, S. 93ff.

32

33

34

12

Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, passim; von Hippel/ Katz 2002, passim; von Hippel 2005, S. 147ff. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 32; Nambisan/ Sawhney 2007, S. 30f. Vgl. Sawhney/ Prandelli 2000S. 25f.; Reichwald/ Piller 2006, S. 35ff.; Nagel 1993, S. 39. Vgl. Nagel 1993, S. 39.

weder noch ist. 35

auch in der Flexibilität sowie der Selbstorganisation. Damit einher gehen jedoch auch einige

Die hierarchische Struktur wird bei Sawh-

Schwachstellen, wie z. B. die nur geringen Kon-

ney/Prandelli genau wie bei Chesbrough am

trollmöglichkeiten, Screeningmechanismen zur

Beispiel von Xerox PARC erklärt. Um Störungen

Qualitätssicherung,

im Innovationsprozess zu vermeiden, sowie die

da ein Anreiz für Entwickler geschaffen werden

klären, wird in dieser Strukturform externes Wis-

muss ihr wissen mit einem Unternehmen zu

sen meist komplett in das eigene Unternehmen

teilen. Diese Anreize zu schaffen ist mitunter

integriert, was soviel bedeutet, dass Firmen,

nicht einfach und wird versucht über verschie-

welche wertvolles Wissen besitzen gekauft wer-

dene Lizenzierungsmodelle herzustellen. Im

den oder zumindest eine Mehrheitsposition an

Falle von IBM werden kostenlose kommerzielle

diesen gehalten wird. Da der Innovationspro-

Lizenzen

zess in dieser Form nur von einem Unterneh-

einem

eigener

Entwicklungsumgebungen

angeboten und im Falle von Linux wird erlaubt

men ausgeht bzw. sämtliche Teilnehmer am zu

Motivationsmecha-

nismen. Letztere sind besonders problematisch,

Frage des geistigen Eigentums problemlos zu

Innovationsprozess

sowie

Beiträge, welche als unabhängige Arbeiten an-

Unternehmen

gesehen werden können, auch ausserhalb der

gehören, ist die Planung der Innovation stets

für Linux geltenden Lizenzen anwenden zu dür-

klar und größtenteils befreit von Störfaktoren.

fen. 37

Darüber hinaus kommt es auch nicht zu Problemen des geistigen Eigentums, da die Eigen-

Dies ist der Punkt wo Sawhney/Prandelli anset-

tumgsrechte hier klar definiert und unstrittig

zen. In Ihrem Modell der Community of Creation

sind.

36

gehört das geistige Eigentum zu gleichen Teilen allen Mitgliedern der Community. Die Communi-

Im Gegensatz zum hierarchischen Modell steht das

(offene)

Marktmodell,

welches

ty wird von einem zentralen Unternehmen gere-

Sawh-

gelt, welches als Sponsor auftritt und die grund-

ney/Prandelli am Bespiel von IBM AlphaWorks

legenden Regeln für die Teilnahme bestimmt.

und Linux aufzeigen. Offen ist hier im Sinne von

Mitglieder einer Community of Creation können

Kooperation und Handel mit potentiellen Part-

Kunden, Zulieferer aber auch Wettbewerber

nern auf einem offenen Wissensmarkt zu ver-

sein. Der Innovationsprozess läuft somit nicht

stehen. Dies bedeutet, dass Teile von Projekten

mehr im Unternehmen, sondern in der Commu-

oder ganze Projekte der Öffentlichkeit zugäng-

nity ab, wobei jedes Mitglied Zugriff auf das

lich gemacht werden, so dass diese daran arbei-

Wissen der Community hat und dazu beitragen

ten kann. Die Ergebnisse die mit dem zur Verfü-

kann. Ziel dieses Ansatzes ist die co-creation

gung gestellten Material erzielt werden, müssen

von Wissen mit Kunden; der Kunde wird in den

wiederum öffentlich gemacht werden, so dass

Innovationsprozess integriert und als Partner

andere an dieser Stelle weiterentwickeln kön-

angesehen. 38 Sawhney/Prandelli erläutern ihr

nen. Vorteile des Marktmodells sind vor allem in

Konzept am Beispiel des Jini Projects von Sun

der Innovationsgeschwindigkeit zu sehen, aber

Microsystems. Hierbei handelt es sich um eine 35 36

Vgl. Benkler 2002, S. 381. Vgl. Sawhney/ Prandelli 2000, S. 36ff.; Chesbrough 2003, S. 1ff.

37 38

13

Vgl. Sawhney/ Prandelli 2000, S. 38ff. Vgl. ebenda, S. 24ff.

„gated community“, da die Mitgliedschaft in der

migen Buch den Begriff der Open Innovation.

Community durch Zustimmung zu den Lizenz-

Bei der Open Innovation nach Chesbrough han-

bestimmungen von Sun geregelt ist, somit also

delt es sich um ein Innovationsnetzwerk. 42 Er

nicht automatisch jeder Mitglied sein kann wie

grenzt Open Innovation mit Hilfe des, von ihm

im Marktmodell. Diese Lizenz ist dermaßen

als Closed Innovation Paradigm bezeichneten

aufgebaut, dass nicht alles veröffentlicht werden

Verständnisses

muss. Während Fehlerkorrekturen an der lizen-

Innovationsprozesses ab, welches von einer

zierten Technologie an die Community weiter-

zentralisierten F&E in stark vertikal ausgerichte-

gegeben werden müssen, können andere Modi-

ten Unternehmen ausgeht.. 43 Wertvolle Ideen

fikationen weiterhin proprietär bleiben. Es müs-

können von innen wie von außen in den Innova-

sen lediglich die Schnittstellen zur Verfügung

tionsprozess gelangen. Wobei zu beachten ist,

gestellt werden. In diesem Modell sind somit die

dass interne wie externe Quellen, im Gegensatz

Vorteile des hierarchischen Modells, wie z. B.

zum Closed Innovation Paradigm, als gleichge-

größere Kontrolle, sowie klarer definiertes geis-

wichtig betrachtet werden. Darüber hinaus legt

tiges Eigentum, mit den Vorteilen des Marktmo-

Chesbrough besonderen Wert darauf, dass

dells, wie z. B. Selbstorganisation und Innovati-

Ideen bzw. Innovationen nicht nur intern, über

onsgeschwindigkeit, kombiniert.

39

die

Der Commu-

früherer

unternehmenseigenen

Entwicklungen

Kanäle,

des

sondern

44

nity Ansatz unterstützt somit das gemeinsame

auch über externe Kanäle , außerhalb des

voneinander Lernen, sowie die gemeinsame

derzeitigen Kerngeschäfts, auf den Markt gelan-

Wertschaffung mit den Kunden.

40

gen, sofern sie intern nicht verwertet werden können. 45 Dabei liegt ein besonderer Fokus auf

Im Jahr 2002 veröffentlichten Rigby/Zook ihren

dem Geschäftsmodell eines Unternehmens.

Artikel Open-Market Innovation. Bei der Open

Chesbrough sieht in den sog. Spillovers, Tech-

Market Innovation handelt es sich nicht um ein

nologien die nicht in das derzeitige Geschäfts-

Community, sondern um ein Netzwerk Konzept

modell passen, die Chance für ein Unternehmen

indem allgemein auf die rapide steigende Nut-

entweder sein Geschäftsmodell zu erweitern

zung externen Wissens hingewiesen wird. Als Quellen

dieses

Wissens

werden

oder einen Spin-Off mit einem neuen dazu pas-

Lieferan-

senden Geschäftsmodell zu gründen. 46

ten/Verkäufer, Kunden und Wettbewerber genannt. Darüber hinaus erwähnen Rigby/Zook,

Als

dass das Wissen nicht nur in eine Richtung flie-

Chesbrough u. a. das Anwerben von geschulten

ßen kann, sondern über den Export neuer Ideen

(Zeit-)Arbeitskräften, Universitäten, nationalen

Quellen

externen

Wissens

nennt

in Form von Lizenzierung oder Verkauf, sowie Kooperationen wie Joint Ventures und strategi-

42 43

sche Allianzen, auch nach außen gelangen

44

kann. 41 Chesbrough prägte 2003 mit seinem gleichna-

39 40 41

Vgl. ebenda, S. 40ff. Vgl. ebenda, S. 47. Vgl. Rigby/ Zook 2002, S. 82.

45 46

14

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 116f. Vgl. Chesbrough 2003, S. 21ff.; Derselbe 2006a, S. 2f. Unter externen Kanälen auf den Markt versteht Chesbrough neben den klassischen Wegen, wie z. B. Lizenzierung eigener Technologien an andere Unternehmen, auch noch andere Wege wie z. B. durch Spin-Off Ventures, welche unter der Kontrolle des Unternehmens stehen können und so zusätzlichen Wert schaffen, oder durch ehemalige Mitarbeiter die mit ihrem Wissen ein eigenes Unternehmen gründen (Vgl. Chesbrough, 2003, S. xxiv; Derselbe 2006a, S. 1ff.). Vgl. Chesbrough 2003, S. 43. Vgl. Derselbe 2006a, S. 4.

Laboratorien, spezialisierten kleinen Firmen,

mit und ohne interne F&E untersucht. Dabei

Zulieferer sowie Wagniskapitalbeteiligungen in

kamen sie zu dem Schluss, dass Unternehmen

Start-up Firmen, individuelle Erfinder, bereits

mit interner F&E in den meisten Fällen bessere

pensionierte Mitarbeiter oder sogar Studenten

Ergebnisse erzielen konnten, was daran lag,

im fortgeschrittenen Studium, aber auch, mit

dass sie die externen Lösungsinformationen

einem Verweis auf von Hippel, Kunden.

47

besser nachvollziehen und verstehen konnten. Dies führt wiederum dazu, dass Innovationen

Weiterhin wichtig für dieses Open Innovation

schneller und meist besser fertig gestellt werden

Verständnis ist der Umgang mit geistigem Ei-

können. Darüber hinaus ist es Unternehmen mit

gentum, da dieses entgeltlich angeboten, gegen

interner F&E möglich die durch externe Informa-

anderes wertvolles Wissen getauscht oder so-

tionen unterstützten Innovation aus eigener

gar unentgeltlich veröffentlicht werden kann.

Kraft weiterzuentwickeln. 51 Die Absorptive Ca-

Dieser Wechsel der Sichtweise von Patenten als

pacity erlaubt es einem Unternehmen die Zu-

reinem „Abwehrmechanismus“ hin zu einem

sammenhänge besser zu verstehen und vor

handelbaren Gut führt zur Etablierung von Zwi-

allem herauszufinden welche Technologien für

schenmärkten für geistiges Eigentum. 48

die geplante Innovation kritisch sind. Durch die Nach Chesbrough vereinen Open Innovation

Entwicklung dieses Verständnisses wird es dem

Prozesse interne wie externe Ideen zu Architek-

Unternehmen ermöglicht einzelne funktionale

turen und Systemen, deren Anforderungen mit

Bereiche abzustecken und den Informations-

Hilfe von Geschäftsmodellen bestimmt wer-

fluss in diesen zu fördern. Anfangs herrscht hier

den. 49 Eine Architektur stellt eine Hierarchie von

noch eine vertikale Orientierung vor, jedoch mit

Verbindungen ungleicher Funktionen innerhalb

fortschreitendem Innovationsverlauf und sinken-

eines Systems dar und verbindet diese zu ei-

den Interdependenzen bildet sich eine modulare

nem sinnvollen, nützlichen System. Im Anfangs-

Architektur heraus und ein Übergang von verti-

stadium einer Innovation gilt es die Komplexität

kaler zu horizontaler Integration. Dies bedeutet,

sowie die Interdependenzen der externen Quel-

dass externe Quellen einzelne Module zur Ge-

len zu Reduzieren. Dies liegt vor allem daran,

samtinnovation beisteuern, welche vom initiie-

dass es eine Vielzahl externer Quellen gibt, die

renden Unternehmen zu einem System verar-

in den verschiedensten Kombinationen mögliche

beitet werden. Daher gilt es für ein Unterneh-

Lösungsinformationen bieten können. Daher ist

men welches sich für den Gebrauch von Open

in diesem Stadium die interne F&E als Koordi-

Innovation

nierungsorgan von sehr großer Bedeutung. 50

Mechanismen

nach

Chesbrough

entscheidet, in erster Linie herauszufinden, wel-

Dies lässt sich u. a. anhand der Absorptive Ca-

che fehlenden Teile einer Innovation intern be-

pacity nach Cohen/Levinthal erklären. Sie haben

reitgestellt werden sollten und wie interne wie

in ihrer Arbeit Innovationen mit von Unterneh-

externe Teile zu System und Architekturen in-

men unter Zuhilfenahme externer Information

tegriert werden können. 52 Gassmann/Enkel orientieren sich mit ihrem O-

47 48 49 50

Vgl. Derselbe 2003, S. 49ff.; Derselbe 2006a, S. 10. Vgl. Chesbrough 2006a. S. 10; Derselbe 2007, passim. Vgl. Derselbe 2006a, S. 1. Vgl. Chesbrough 2003, S. 58ff.

51 52

15

Vgl. Cohen/ Levinthal 1990, passim. Vgl. Chesbrough 2003, S. 58ff.

pen Innovation Verständnis an Chesbrough, 53

menstellt, wer teilnehmen kann, wie Konflikte

teilen den Open Innovation Ansatz aber in drei

gelöst werden und wie Leistung gemessen

Prozesse

und

wird. 56 Es gibt zwei Formen von Creation Nets,

Coupled. Outside-In bedeutet, dass ein Unter-

sog. practice networks, welche auf einer locke-

ein:

Outside-In,

Inside-Out

nehmen vorrangig in Kooperationen

54

mit Zulie-

ren Form der Koordination aufbauen (z. B. Open

ferern und Kunden investiert um externes Wis-

Source Projekte) und sog. process networks,

sen in Innovationen zu integrieren. Inside-Out

welche eine aktivere Form der Koordination

bedeutet für ein Unternehmen den Verwertungs-

benötigen (z. B. Design Netzwerke von Original

fokus von Innovationen über externe Wege auf

Design Manufacturers). Die Prozesse eines

den Markt zu lenken, was insb. durch Lizenzie-

Creation Nets werden aufgrund der großen An-

rung geschieht. Der Coupled Prozess ist eine

zahl von Teilnehmern in Module eingeteilt. Dies

Kombination aus Outside-In und Inside-Out

vereinfacht ihre Einbindung in den Gesamtinno-

Prozess, der vor allem in strategischen Netz-

vationsprozess und gibt ihnen darüber hinaus

werken

Gass-

die Freiheit in ihrem eigenen Modulbereich In-

mann/Enkel eignet sich der Open Innovation

novationen zu erarbeiten. Trotz dieser Freihei-

Ansatz insb. für Unternehmen mit einer hohen

ten in den Modulbereichen sind Creation Nets in

Produktmodularität, kurzen Innovationszyklen,

anderen Bereichen jedoch relativ strikt, z. B.

Innovationen die implizites Wissen benötigen

wenn es darum geht festzulegen bis wann Er-

und eine hohe Komplexität der Schnittstellen

gebnisse geliefert werden müssen. 57

zum

tragen

kommt.

Nach

aufweisen, sowie für Firmen die positive externe

Reichwald/Piller verfolgen mit ihrem 2006 veröf-

Effekte wie Spillover durch Lizenzierung ihres

fentlichten Buch eine etwas andere Sichtweise

geistigen Eigentums nutzen können. 55

von Open Innovation. Open Innovation geht

Brown/Hagel sind mit ihrem Modell der Creation

ihrem Verständnis nach vor allem um „Nutzer

Nets auch den Innovationsnetzwerken zuzuord-

und Kunden als Quelle und Co-Produzent von

nen. Creation Nets bestehen aus hunderten

Innovationen“. 58 Wobei dieser Prozess von

oder tausenden verschiedenen Teilnehmern aus

Reichwald/Piller als interaktive Wertschöpfung

unterschiedlichen Bereichen. Ziel ist eine de-

bezeichnet wird. 59 Das Verständnis von interak-

zentralisierte, kollaborative und kumulative In-

tiver Wertschöpfung ist sehr eng mit dem Lead

novation, welche auf Zusammenarbeit und ge-

User Ansatz und Customer Active Paradigm von

meinsames voneinander Lernen, mit dem Ziel

Hippels verbunden, ergänzt diesen aber um die

neues Wissen zu generieren, aufbaut. Um die-

Annahme einer Aktivierbarkeit und (partiellen)

ses Ziel zu erreichen werden institutionelle Me-

Steuerbarkeit von Kundeninnovation durch Her-

chanismen in Form eines Netzwerkorganisators

stellerunternehmen. 60 Kern dieses Open Inno-

benötigt, die klären wer das Netzwerk zusam-

vation Verständnisses ist, dass es zu „einer systematischen Integration von Kundenaktivitä-

53 54

55

Vgl. Gassmann/ Enkel 2004, S. 2 und 5. “Co-operation refers to the joint-development of knowledge through relationships with specific partners such as consortia of competitors, supplier and customers, joint ventures and alliances as well as universities and research institutes.” (Gassmann/ Enkel 2004, S. 12). Vgl. Gassmann/ Enkel 2004, S. 7ff.

56 57 58 59 60

16

Vgl. Brown/ Hagel 2006, S. 45. Vgl. Brown/ Hagel 2006, S. 45ff. Reichwald/ Piller 2006, S. 95 (Hervorhebung im Original). Vgl. ebenda, S. 1. Vgl. ebenda, S. 131.

innovations.“ 66

ten und Kundenwissen innerhalb eines Kontinuums von einer Ideengenerierung über die

3

Entwicklung erster konzeptionell technischer

Innovation Ansätze

Lösungen bis hin zum Design und der Fertigung erster Prototypen [kommt]“.

61

Aktuelle Entwicklungen der Open

Die Integration

des Kunden in den Innovationsprozess soll,

Seit Beginn des Bedeutungszuwachses von

neben den klassischen Organisationsprinzipien

Open Innovation haben sich zwei Hauptrichtun-

Markt und Hierarchie, durch die Commons-

gen herauskristallisiert. Zum einen der nutzer-

based peer production koordiniert und verein-

orientierte Ansatz welcher vor allem durch von

facht werden.

62

Hippel, sowie die Verwendung von Innovations-

Commons-based peer produc-

tion, [...] relies on decentralized information

netzwerken,

gathering and exchange to reduce the uncer-

Chesbrough repräsentiert wird.

tainty of participants. [...] It depends on very

welche

hauptsächlich

durch

Der nutzerorientierte Ansatz geht vor allem auf

large aggregations of individuals independently

die Arbeiten von Hippels zum Customer Active

scouring their information environment in search

Paradigm und zum Lead-User zurück. Verfech-

of opportunities to be creative in small or large

ter dieses Ansatzes beziehen sich meist auch

increments. These individuals then self-identify

auf diese, wobei es auch hier unterschiedliche

for tasks and perform them for a variety of moti-

Ansichten der Auslegung gibt. Lange Zeit wurde

vational reasons” 63 .

allein der Kunde als aktive Kraft gesehen, der

Ein weiterer neuer Ansatz zu einer Definition

seine Innovation an ein Unternehmen zur Kom-

von Open Innovation stammt von West auf sei-

merzialisierung heranträgt, ein Punkt den Reich-

64

Dieser nutzte bis dato die

wald/Piller in ihrem Verständnis insb. an von

Definition von Chesbrough (2006), formulierte

Hippel kritisieren. 67 Jedoch spätestens seit Auf-

jedoch auf Nachfrage folgende Open Innovation

kommen des Instruments der Toolkits scheint

Definition, welche aus einer Diskussion mit Mar-

sich dieses Bild zu ändern, da hier Nutzer und

cel Bogers hervorging: „Open innovation means

Hersteller kooperieren müssen. 68

nem Internet-Blog.

treating innovation like anything else – some-

Bei den Innovationsnetzwerken lässt sich nicht

thing that can be bought and sold on the open

ohne weiteres eine eindeutige Quelle nennen

market, not just produced and used within the

bzw. wer den meisten Einfluss darauf ausübt.

boundaries of the firm.“ 65 Um dem Faktor

Dies liegt vor allem daran, dass es auch hier

gespendeter Innovationen entgegenzukommen

eine Vielzahl verschiedener Ansätze gibt, wovon

veränderte West diese Definition zu: „Firms that

die in diesem Beitrag behandelten Beiträge von

embrace open innovation employ markets rather

Sawhney/Prandelli,

than hierarchies to obtain and commercialize

Chesbrough,

Rigby/Zook

und Brown/Hagel von den Autoren als besonders bedeutsam auf dem Weg zum heutigen

61 62 63 64 65

Ebenda, S. 132. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 132. Benkler 2002, S. 375f. blog.openinnovation.net. West 2007.

66 67 68

17

Ebenda. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 163ff. Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, passim.; Reichwald/ Piller 2006, S. 163ff.

Open Innovation Verständnis erachtet werden.

eine Entwicklung in Richtung des Customer

Von

insb.

Active Paradigm nicht nur die Integration von

Brown/Hagel die Unterschiede ihres Creation

Kunden sondern auch von sonstigen externen

Nets Ansatzes zu den anderen Ansätzen, die

Quellen. Übertragen auf die Transaktionskos-

ihrer Meinung nach nur ungenügend ergiebige,

tentheorie bedeutet dies eine Bewegung weg

nachhaltige Interaktionen und Kollaborationen

vom hierarchischen Modell näher an das

fördern. Joint Ventures z. B. bestehen aus einer

Marktmodell.

beschränkten Anzahl an Teilnehmern, wohinge-

ney/Prandelli zu nennen, was aus der obigen

gen Creation Nets hunderte oder tausende mo-

Darstellung der verschiedenen Ansätze deutlich

bilisieren. Die Lizenzierung von Technologie ist

wird.

diesen

Beiträgen

erwähnen

meist auf Transaktionen zwischen unabhängi-

Nets

auf

langfristige

sind

vor

allem

Sawh-

Während im nutzerorientierten Ansatz, wie der

gen Geschäftspartnern ausgelegt, wohingegen Creation

Hier

Name schon anklingen lässt, der Nutzer als

(Geschäfts-

zentrale Quelle von externen Informationen im

)Beziehungen ausgelegt sind. Während einige

Innovationsprozess und als „der“ Interaktions-

Open Innovation Ansätze ihren Fokus nur auf

partner angesehen wird, spielt dieser in einem

Lead User und Nutzer allgemein haben, invol-

Innovationsnetzwerk lediglich eine Rolle neben

viert Creation Nets ein viel breiteres Spektrum

einer Vielzahl verschiedener externer Quellen.

an Teilnehmern, wie z. B. spezialisierte Techno-

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Nutzer

logieanbieter, talentierte Amateure, Zulieferer

bzw. Kunde eine unbedeutende Rolle spielt.

und Kunden. 69 Hieraus wird deutlich, dass es

Auch hier sind die Bedürfnis- und Lösungsin-

auch innerhalb des Verständnisses von Innova-

formationen von Kundenseite ein sehr wichtiger

tionsnetzwerken durchaus sehr unterschiedliche

Bestandteil des Verständnisses von Open Inno-

Meinungen über die Auslegung von Open Inno-

vation. 71

vation gibt, es aber auch versucht wird sich von Ein weiterer Unterschied liegt in der Bedeutung

den rein nutzerorientierten Ansätzen zu diffe-

von geistigem Eigentum in den verschiedenen

renzieren.

Ansätzen. Für von Hippel spielen Patente eine Ziel des nutzerorientierten Ansatzes ist eine

untergeordnete Rolle, werden sogar als unwirk-

Annäherung an das Customer Active Paradigm,

sam angesehen bzw. er nennt Gründe für das

woraus sich auch der Hauptkritikpunkt von

free revealing 72 , also der Freigabe ohne Pfand,

Reichwald/Piller am Verständnis von Innovati-

von

onsnetzwerken ergibt, die Vernachlässigung der

Nutzerwissen, 73

wohingegen

Sawh-

ney/Prandelli das geistige Eigentum gleichmä-

Nutzer, sowie das weiterhin vorherrschende

ßig auf alle Mitglieder einer Community of Crea-

Manufacturer Active Paradigm. 70 Allerdings gibt

tion verteilt sehen, 74 was sich bei einer Kom-

es bei Innovationsnetzwerken auch jene, welche zwischen Customer Active Paradigm und Manu-

71 72

facturer Active Paradigm einzuordnen sind. Jedoch bedeutet bei den Innovationsnetzwerken

73 69 70

Vgl. Brown/ Hagel 2006, S. 43f. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 120.

74

18

Vgl. Chesbrough 2003, S. 34ff.; Derselbe 2007, S. 57f. Free revealing bedeutet, dass ein Innovator all seine eigenen Informationen (geistiges Eigentum und potentielles Eigentumsrechte), freiwillig aufgibt und allen daran interessierten Parteien als öffentliches Gut zugänglich macht (Vgl. Harhoff/ Henkel/ von Hippel 2003, S. 1753). Vgl. Harhoff/ Henkel/ von Hippel 2003, passim; von Hippel/ von Krogh 2006, passim. Vgl. Sawhney/ Prandelli 2000, S. 25.

merzialisierung als problematisch darstellen

wie in Schweden durch den Psychologen

könnte. Daher ist das geistige Eigentum für

Kristensson, in Japan durch Ogawa oder in den

Chesbrough ein wichtiger Bestandteil von Open

Vereinigten Staaten vor allem durch Lakhani. 77

Innovation, was zur Folge hat, dass nach Mög-

Chesbrough mag zwar momentan der populärs-

lichkeit die Eigentumsrechte externer Quellen in

te Autor im Bereich der Innovationsnetzwerke

Form von Patenten oder Lizenzen an das Un-

sein, dennoch lässt sich hier nicht von einer

ternehmen gehen. 75

„Chesbrough Schule“ reden, da die verschiede-

Es gibt weitaus mehr Unterschiede im Ver-

nen Vertreter zu sehr in ihren Aussagen diver-

ständnis von Innovationsnetzwerken als bei den

gieren. Dies liegt vor allem daran, dass die Pro-

nutzerorientierten Ansätzen, was zu einem gro-

zesse welche hier behandelt werden, teils schon

ßen Teil aber am breiteren Spektrum von exter-

sehr lange bekannt sind, aber auch durch die

nen Quellen liegen dürfte und den jeweiligen

unterschiedlichen Ansichten welche Prozesse

Schwierigkeiten die sich bei der Koordination mit

Open Innovation ausmachen und welche nicht,

den Unternehmen resultieren.

aber auch ob Open Innovation nur in einer Community stattfindet oder nicht.

Für beide Ansätze gibt es eine Reihe von Autoren, wobei sich nach Meinung der Verfasser nur

Das Verständnis von Open Innovation als Inno-

für von Hippel und die Forschungsgruppe um

vationsnetzwerk hingegen ist international ver-

ihn herum der Begriff „von Hippel Schule“ ver-

breiteter. Verfechter dieses Ansatzes sind ne-

wenden lassen kann. Dies liegt vor allem daran,

ben Chesbrough u. a. Birkinshaw, Brown, Ha-

dass von Hippel mit seiner Lead User Theorie,

gel, Christensen, Dodgson, Fabrizio, Gallagher,

seinem Customer Active Paradigm, sowie seiner

Gassmann, Enkel, Kirschbaum, O’Connor, Van-

Arbeit im Bereich der Toolkits, einen nachhalti-

haverbeke, West. 78

gen Einfluss auf die Arbeiten dieser Gruppe

Folgende Abbildung dient dazu einige der

geleistet hat. Darüber hinaus besteht ein reger

Hauptunterscheidungsmerkmale der in diesem

Austausch von visiting scholars zwischen deut-

Beitrag vorgestellten Verständnisarten von O-

schen Universitäten und dem Institut von Hip-

pen Innovation zu veranschaulichen.

pels, der selbst eine zeitlang an einer deutschen Universität war. Dies mag zum Teil auch die Beliebtheit seines Ansatzes im deutschsprachigen Raum erklären. 76 Einige der Hauptvertreter des nutzerorientierten Ansatz im deutschsprachigen Raum sind z. B. Franke, Füller, Harhoff, Henkel, Herstatt, Lüthje, 77

Reichwald, Piller, Thomke und von Krogh. Aber auch international wird diese Sichtweise geteilt, 78

75 76

Vgl. Chesbrough 2003, S. 56ff.; Derselbe 2007, passim. Vgl. von Hippel 2005, S. ix f.; Reichwald/ Piller 2006, S. 163ff.

19

Siehe hierzu bspw. Franke/ Piller 2004; Füller/ Mühlbacher/ Rieder 2003; Lüthje/ Herstatt, 2004; Harhoff/ Henkel/ von Hippel 2003; Reichwald/ Piller 2006; Thomke/ von Hippel, 2002; Kristensson/ Magnusson/ Matthing 2002; Ogawa 1998; von Hippel/ von Krogh 2006; von Krogh/ Spaeth/ Lakhani 2003. Siehe hierzu bspw. Birkinshaw/ Bessant/ Delbridge 2007; Brown/ Hagel 2006; Christensen 2006; O’Connor 2006; West/ Gallagher 2006; Fabrizio 2006; Vanhaverbeke 2006; Gassmann/ Enkel 2004; Kirschbaum 2005; Dodgson/ Gann/ Salter 2006.

Abb. 1: Unterschiedliche Ansichten

nition zu finden die es ermöglicht wichtige Kern-

4

Entwicklung eines Open Innovation

bereiche der erwähnten Ansätze sinnvoll zu

Verständnisses

integrieren und abschließend das Konzept Open Innovation genauer als bisher einzugrenzen.

Aus der historischen Entwicklung offener Inno-

Warum diese Problembereiche so ausführlich

vationsprozesse, der kurzen Darstellung der

erläutert werden, lässt sich zum Beispiel an der

teils divergierenden Ansätze hierzu und der

klassischen Marktforschung leicht verdeutlichen.

neuen Bedeutung von Open Innovation erklärt

So ist die Frage, ob die standardisierte Befra-

sich die Notwendigkeit, eine einheitliche Defini-

gung der Kunden, die schon lange vor einer

tion hierzu zu finden. Doch der Versuch einen

Diskussion von Open Innovation praktiziert wur-

gemeinsamen Nenner zu finden gestaltet sich in

de, zu Open Innovation gehören sollte, gar nicht

einem solch komplexen Umfeld nicht einfach

so einfach zu beantworten wie es vielleicht auf

und wird erschwert durch die fast schon polemi-

den ersten Blick scheint. Schließlich werden hier

schen Gegenüberstellungen unterschiedlicher

auch externe Informationen für das Unterneh-

Ansätze. Von Paradigmen und im Vergleich zur

men gesammelt, um sie in den Innovationspro-

nahe liegenden Vergangenheit drastischen Veränderungen

des

Innovationsprozesses

zess einfließen zu lassen, aber ist dies ausrei-

wird

chend? Mit der folgenden Darstellung, soll es

gerne berichtet. 79 Um die Bedeutung und Mög-

möglich sein Überschneidungen mit anderen

lichkeiten von Open Innovation aufzuzeigen und

Begrifflichkeiten zu erläutern oder eindeutige

eine Basis für zukünftige Forschung zu legen,

Abgrenzungen vorzunehmen, und somit diese

bedarf es einer Revision dieses Begriffes, da es

Frage zu beantworten.

bisher, nach Meinung der Verfasser, nur unzuWie in Abschnitt 3 aufgezeigt wurde, liegt ein

reichende Definitionen gibt. Ziel ist es eine Defi-

Schwerpunkt der aktuellen Literatur bei den 79

Akteuren. Daher wird die grundlegende Frage

Siehe hierzu zum Beispiel Chesbrough 2003, passim.

20

betrachtet, welche Akteure für Open Innovation

so dass neben Bedürfnissinformationen auch

bedeutsam sind. Hier sind die Nutzer im weite-

Lösungsinformationen und implizites Wissen in

an erster Stelle zu nennen, da sie

den Innovationsprozess einfließen können. 84

wohl den größten Wandel und einen deutlich

Somit ergibt sich eine vom Unternehmen direkt

erweiterten Einflussbereich im Innovationspro-

beeinflussbare Dimension der Offenheit für ex-

ren Sinne

80

zess erfahren haben.

81

Doch im Gegensatz zu

ternen Input und eine vom Unternehmen nur

Reichwald/Piller und von Hippel dürfen andere

indirekt beeinflussbare Dimension des Ausma-

externe Quellen, wie Unternehmen der gleichen

ßes an Innovationsaktivitäten der externen

Wertschöpfungsstufe (Konkurrenz, Partner), der

Quellen. Des Weiteren kann in diesem Zusam-

vorgelagerten Wertschöpfungsstufe (Zulieferer),

menhang auch der anfangs erwähnte Bedeu-

wissenschaftliche Einrichtungen (Universitäten)

tungszuwachs von Open Innovation, im Kontext

und weitere nicht unbeachtet bleiben, da Open

moderner IuK-Technologien eingeordnet wer-

Innovation nicht nur eine Erweiterung des Lead

den. Sowohl mit steigendem Aktivitätsniveau

User Konzeptes sein sollte. Auch die Aktivitäten

von externen Quellen, als auch bei der Einbin-

mit denen sich externe Quellen in den Innovati-

dung dieser durch das Unternehmen muss auf

onsprozess einbringen können, müssen eher

technologische Entwicklungen wie Internet, Si-

umfassend betrachtet werden. Diese reichen

mulationssoftware, CAD, Virtual/ Rapid Prototy-

von der Ideenfindung und -bewertung über For-

ping und weitere zurückgegriffen werden. 85 Nur

schung und Entwicklung bis hin zur Markterpro-

durch diese wird eine breite Interaktion möglich

bung und -einführung.

82

Die externe Dimension

und Lernprozesse innerhalb und außerhalb des

umfasst also sämtliche externen Quellen und

Unternehmens werden verbessert. Abbildung 2

diese können sich mit unterschiedlicher Intensi-

stellt diese Zusammenhänge in Form eines

tät einbringen. Doch stellt dies nur eine Dimen-

Portfolios dar.

sion des Open Innovation Begriffes dar. Unser

Abb. 2: Open Innovation Portfolio

Verständnis von Open Innovation kann nur dann vollständig erschlossen werden, wenn ein Unternehmen, in Anlehnung an Chesbroughs Betonung der Geschäftsmodelle, 83 die entsprechende Ausrichtung der Innovationsprozesse auf externe Quellen mit sich bringt. Ein Unternehmen kann also Einflüsse von außen komplett ablehnen und dann würde auch ein vermarktungsfähiger Prototyp, der von Kunden an

Da ein Mindestmaß der Offenheit des Unter-

das Unternehmen herangetragen wird nicht von

nehmens für dieses Open Innovation Verständ-

Nutzen sein. Oder externe Quellen können aktiv

nis vorausgesetzt wird, kann die gesamte linke

gesucht, unterstützt und eingebunden werden,

Hälfte nicht dazu gehören und ist davon ausge-

80 81 82 83

Vgl. von Hippel 2005, S. 3. Vgl. ebenda, S. 1ff. In Anlehnung an Reichwald/ Piller 2006, S. 44. Vgl. Chesbrough 2003, S. 63ff.; Derselbe 2006b, passim.

84

85

21

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 55ff.; Sawhney/ Prandelli 2000, S. 25ff. Vgl. Dodgson/ Gann/ Salter 2006, passim.

gewählten Ansatz rechts oben ihren Platz.

nommen. Der eigentliche Kernbereich ist im Quadrant rechts oben anzusiedeln. Die Intensi-

Auch die Positionen der bekannten Vertreter

tät von Open Innovation nimmt von diesem Be-

von Open Innovation Ansätzen lassen sich auf

reich ausgehend mit sinkender Innovationsakti-

dieser Basis darstellen. So deckt Chesbroughs

vität der externen Quellen schließlich stetig ab.

Verständnis von Open Innovation den gesamten

So hat zum Beispiel die Einbindung von Lead

rechten Bereich ab, da er seine Argumentation

Usern durch diese neuen Technologien eine

besonders auf die Öffnung des Unternehmens

ganz neue Qualität bekommen und das relativ

und darauf angepasste Geschäftsmodelle aus-

neue Phänomen von Online-Communities und

richtet. 88 Da Gassmann/Enkel sich größtenteils

deren betriebswirtschaftliche Nutzung sind erst

an Chesbrough orientieren sind sie ebenfalls

dadurch entstanden.

dort anzusiedeln, wie auch Rigby/Zook aufgrund

Ferner sind in Abb. 2 verschiedene Konzepte,

ihres sehr allgemein gehaltenen und dadurch

die für Open Innovation bedeutsam sind, sche-

sehr umfassenden Verständnisses. Hippel hin-

matisch angeordnet. Durch die hohe Variations-

gegen sieht die Aktivitäten des Nutzers im Vor-

vielfalt innerhalb dieser Sammelbegriffe ist es

dergrund, die durchaus auch vom Unternehmen

nicht beabsichtigt, die genauen Grenzen aufzu-

losgelöst sein können weshalb er im oberen

zeigen. Vielmehr soll eine grobe Positionierung

Bereich, jedoch weiter links als Reichwald/Piller

ermöglicht werden und das Potenzial, auch den

anzusiedeln ist, die wiederum die Integrations-

praktischen Einzelfall einordnen zu können.

leistung des Unternehmens betonen. Sawh-

Zum Beispiel zeichnen sich Lead User meist

ney/Prandelli und Brown/Hagel decken mit ihren

durch ein besonders hohes Aktivitätsniveau

Ansätzen den oberen Bereich wieder breiter ab.

aus.

86

Ob deren Ergebnisse jedoch tatsächlich

Abb. 3: Einordnungsbeispiele

vom Unternehmen genutzt werden, ist rein von diesem abhängig und auf der gesamten Bandbreite dieser Dimension möglich. Der Vollständigkeit halber wurde in dem Zusammenhang von Open Innovation auch der Open Source Ansatz eingegliedert. 87 Aber da häufig in diesem Bereich ein „reales“ Unternehmen gar nicht beteiligt ist, stellt sich die Frage, ob der gewählte Ansatz zu rechtfertigen ist? Die Lösung dieses Problems wird dadurch möglich, dass OSS Communities

als

eigenständige

Non-Profit-

Unternehmen gezählt werden können, bei wel-

Sowohl die wichtigsten Ansätze als auch deren

chem die Grenzen des Unternehmens und der

Vertreter lassen sich trotz gewisser Unterschie-

externen Quellen weniger trennscharf sind. Da-

de in diesem Ansatz integrieren und auch die

mit finden solche OSS-Communities in dem

Bedeutung neuer IuK-Technologien für Open

86 87

Vgl. von Hippel 1986, S. 800ff. Vgl. West/ Gallagher 2006, S. 91ff.

88

22

Vgl. Chesbrough 2003, S. 63ff.; Derselbe 2006b, passim.

Innovation lassen sich hiermit integrieren. Ver-

(2007):Finding, Forming, and Performing:

einfacht lässt er sich folgendermaßen zusam-

Creating Networks for Discontinuous Inno-

menfassen:

vation, in: California Management Review, 49(2007)3, S. 67-84.

Die Integration externen Wissens im Sinne von Open Innovation erfordert somit ein Mindestmaß

Brandenburger, A. M. / Nalebuff, B. J. (1996):

an Innovationsaktivität externer Quellen, in Ab-

Coopetition: kooperativ konkurrieren – Mit

hängigkeit von der Bereitschaft eines Unter-

der

nehmens diese auch zu verwerten.

Frankfurt, New York 2008.

Spieltheorie

zum

Geschäftserfolg,

Verschiedene Aktivitäten der externen Quellen

Brown, J. S./ Hagel, J. (2006): Creation nets:

sind in der Literatur dargestellt, jedoch sollten

Getting the most from open innovation, in:

sie systematisch nebeneinander gestellt werden

McKinsey Quarterly, (2006)2, S. 40-51.

und entsprechend ihrer Eignung für verschiede-

Chandler, A. D. (1978): The Visible Hand, 2.

ne Szenarien verglichen werden. Wie diese

Aufl., Cambridge, MA, London 1978.

möglichst effizient durch das Unternehmen einChandler, A. D. (1990): Scale and Scope. The

gebunden werden können und auch welche

Dynamics of Industrial Capitalism, Cam-

Technologien dazu wie eingesetzt werden kön-

bridge, MA 1990.

nen ist unmittelbar davon abhängig. Somit bietet dieser Beitrag auf der historisch abgeleiteten

Chesbrough, H. W. (2003): Open Innovation:

Grundlage eine gemeinsame Basis um einen

The New Imperative for Creating and Profit-

umfassenden, praktikablen Open Innovation

ing from Technology, Boston, 2003.

Prozess zu entwickeln. Die Öffnung des Unter-

Chesbrough, H. W. (2006a): Open Innovation: A

nehmens verlangt die Entwicklung von internen

New Paradigm for Understanding Industrial

Innovationsprozessen die an vorhandene Com-

Innovation, in: Chesbrough, H. W./ Van-

munity- und Lead User Konzepte angepasst

haverbeke, W./ West, J. (Hrsg.): Open In-

werden müssen und schließlich in einen Open

novation: Researching a New Paradigm.

Innovation Prozess überführt werden können.

Oxford, New York 2006, S. 1-12.

Diesbezüglich besteht weiterhin ein großer theoChesbrough, H. W. (2006b): Open Business

retischer aber vor allem empirischer For-

Models: How to Thrive in the New Innova-

schungsbedarf und dann wird Open Innovation

tion Landscape, Boston 2006.

auch noch in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Chesbrough, H. W. (2007): The Market for Inno-

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26

Kirsten Adlunger Open Innovation – Möglichkeitspotenziale und Problemfelder offener Innovationsprozesse 1

Offene Innovationsprozesse zur Optimierung der Innovationsfähigkeit

2

Grundlagen zu Open Innovation

3

Möglichkeiten und Potenziale offener Innovationsprozesse

4

Grenzen und Problemfelder offener Innovationsprozesse

5

Fazit

1

Offene Innovationsprozesse zur

Zugang zu Lösungsinformationen 3 zu erhalten.

Optimierung der Innovationsfähigkeit

Der Innovationsprozess wird dabei für externen Input geöffnet. In der Literatur wird diese Ent-

Die Bedeutung von Innovationen für den wirt-

wicklung als Open Innovation bezeichnet. 4

schaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist unbestreitbar. Bereits der Ökonom Schumpeter hat

Die hohe Bedeutung der Beschäftigung mit dem

1934 offen gelegt, dass die Bewegungsenergie

Themenkomplex Open Innovation ergibt sich

eines

Neuartigen

aus der starken Aktualität sowie dem Erfolgs-

stammt. 1 Daraus ergibt sich, dass Innovationen

charakter dieser neuen Innovationsform. Wäh-

als zentrale Voraussetzung für wirtschaftliches

rend in der Theorie bereits eine intensive Ausei-

Wachstum und Unternehmensprofilierung anzu-

nandersetzung mit dieser Thematik stattfindet,

sehen sind. In Zeiten schrumpfender Produktle-

ist es ebenso von Relevanz, auch die Unter-

benszyklen sowie steigenden Kundenanforde-

nehmen verstärkt in die Diskussion mit einzube-

rungen und -bedürfnissen ist es jedoch immer

ziehen, da diese in der Praxis noch am Anfang

schwieriger „echte“ Innovationen auf den Markt

des Prozesswandels stehen. Open Innovation

zu bringen. Hier können externe Akteure, insbe-

bietet für sie die Gelegenheit, absolute Wettbe-

sondere Kunden, einen echten Mehrwert für die

werbsvorteile zu erlangen, indem sie sich durch

Anbieter stiften, indem sie ihre Anregungen an

die Öffnung des Innovationsprozesses sowohl

das Unternehmen weitergeben.

Effektivitäts- als auch Effizienzvorteile verschaf-

Unternehmens

aus

dem

fen.

5

Die Kundenintegration ist jedoch kein neuer Gedanke. Im Rahmen von Marktforschungsana-

Ein besonderer Schwerpunkt liegt in dem fol-

lysen werden ihre Bedürfnisse ermittelt, um

genden Beitrag auf den Potenzialen und Prob-

diese bei der Erstellung neuer Produkte oder

lemfeldern offener Innovationsprozesse. Wäh-

Dienstleistungen zu berücksichtigen. Allerdings

rend zunächst der Begriff Open Innovation mit

hat sich hinsichtlich der Innovationsprozesse in

seiner Entstehungsgeschichte, den beteiligten

den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. Be-

Akteuren,

sonders fortschrittliche Unternehmen ziehen

näher vorgestellt wird, werden im Hauptteil in-

Kunden sowie weitere externe Akteure heutzu-

tensiv die Möglichkeiten offener Innovationspro-

tage nicht nur zur Erhaltung von Bedürfnisinformationen

1 2

2

heran, sondern ebenso, um einen

3

4

Vgl. Schumpeter 1934, S. 116. Bedürfnisinformationen setzen sich aus Wünschen, Präferenzen und Anforderungen aktueller sowie potentieller Kunden an ein neues Produkt oder eine neue Leistung

5

27

Kernprozessen

und

Instrumenten

sowie an deren Leistungsfähigkeit, Qualität, Design oder Preis zusammen. Lösungsinformationen beinhalten Wissen zur Transformation von Bedürfnissen in ein konkretes Leistungsangebot, wie bspw. durch den Einsatz von Wissen oder Technologien. Vgl. Burmeister/ Neef/ Linnebach 2006, S. 24ff.; Piller 2006, S. 85ff.; Reichwald/ Piller 2006, S. 107f. Vgl. Weiber 2007, S. 13ff.

zesse für die Unternehmens- und Kundenseite

gleich zum „Closed Innovation Paradigm“ 7 , bei

beschrieben. Darüber hinaus erfolgt eine kriti-

dem sich die Innovationstätigkeit innerhalb der

sche Betrachtung von Open Innovation, indem

unternehmenseigenen Forschungs- und Ent-

die Grenzen und Nachteile dieser Form aufge-

wicklungsabteilung (F&E) vollzieht, wird die

zeigt werden. Abschließend finden eine Zu-

Veränderung und Schwerpunktverschiebung im

sammenfassung der wesentlichen Bestandteile

Innovationsprozess deutlich. Während beim

sowie eine Darstellung der Zukunftsaussichten

Closed Innovation Modell die Unternehmens-

offener Innovationsprozesse statt.

grenzen geschlossen sind und die Innovationen

2

rein intern generiert werden, sind die Unterneh-

Grundlagen zu Open Innovation

mensgrenzen beim Open Innovation Modell Um den Einstieg in die Thematik zu erleichtern,

geöffnet. Es wird Input von außen aufgenom-

erfolgt zunächst eine Vorstellung des Begriffs

men, verarbeitet und in Form neuer Produkte

Open Innovation mit seinen Kernprozessen,

auf den Markt gebracht. Es zeigt sich, dass auf

Instrumenten und Akteuren. Die beteiligten Ak-

diese Weise neue Produkte einfacher entwickelt

teure sind hierbei besonders von Bedeutung, da

und somit neue Märkte auch leichter erschlos-

sie im Hauptteil der Arbeit schwerpunktmäßig

sen werden können.

behandelt werden.

soll die Unterschiede zwischen dem Open- und

2.1 Begriffsabgrenzung

und

8

Die folgende Abbildung

Closed Innovation Modell schematisch veran-

Entwicklung

schaulichen.

von Open Innovation

Abb. 1: Closed versus Open Innovation Modell

Open Innovation stellt eine neue Form der „Arbeitsteilung“ dar, bei der externe Akteure mit in den Innovationsprozess einbezogen werden. Der Begriff wurde erstmals 2003 durch den Wirtschaftswissenschaftler Chesbrough geprägt. Gemeinsam mit Vanhaverbeke und West definierte er diesen Prozess als „[…] the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and

Seit der Einführung des Begriffes Open Innova-

expand the markets for external use of innova-

tion hat sich dessen Definition jedoch gewan-

tion. Open Innovation is a paradigm that as-

delt. Während bei der Ursprungsdefinition die

sumes that firms can and should use external

Kunden als Bestandteil der externen Akteure

ideas as well as internal ideas”. 6

noch unberücksichtigt bleiben und nur von ei-

Es wird deutlich, dass sich der Innovationspro-

nem allgemeinen externen Input die Rede ist,

zess für externen Input öffnet und eine Verbin-

hat sich diese Sichtweise geändert. Laut Reich-

dung von internen und externen Ideen ange-

wald und Piller besteht Open Innovation über-

strebt wird, um das Innovationspotenzial zu

wiegend aus der Integration von Kundenwissen

vergrößern. Es gilt somit nicht, die bestehenden

und -aktivitäten in den Innovationsprozess. Sie

innerbetrieblichen Innovationsvorgänge abzulö-

beschreiben den Prozess als

sen, sondern diese um die Einbeziehung exter-

7 8

ner Akteure zu ergänzen. Insbesondere im Ver6

Chesbrough/ Vanhaverbeke/ West 2006, S. 1.

28

Chesbrough 2003a, S. 21. Vgl. Burmeister/ Neef/ Linnebach 2006, S. 24ff.; Chesbrough 2003a, S. 21ff.; Chesbrough 2003b, S. 35ff.; Chesbrough/ Vanhaverbeke/ West 2006, S. 1ff.; Open Innovaton.EU (Hrsg.) 2007, o.S.

„[…]

eine

Wertschöpfungspartnerschaft,

infolgedessen die Unternehmensgrenzen für

die

durch eine integrierte System- und Problemlö-

externen Input zu öffnen. 10

sungskompetenz charakterisiert ist. Kunden […]

Bevor die „Era of Open Innovation“ 11 angebro-

konkretisieren ihr implizites Wissen über neue

chen ist, wurden bereits ähnliche Ansätze ver-

Produktideen und Konzepte, unter Verwendung bestimmter

Hilfswerkzeuge

des

folgt, die inhaltlich einen interaktiven Wertschöp-

Unterneh-

fungsprozess behandeln. Hier ist besonders das

mens.“ 9

„Customer-Active-Paradigm“ (CAP) von von

Darüber hinaus betont Piller, dass Open Innova-

Hippel zu erwähnen, welches ungefähr der Vor-

tion auch eine Einbeziehung weiterer externer

stellung von Open Innovation nach Reichwald

Akteure wie bspw. Universitäten, Forschungs-

und Piller entspricht. Hierbei wird der Kunde

einrichtungen oder Zulieferern im Innovations-

erstmals als Wertschöpfer und nicht nur Wert-

prozess darstellen kann. Diese Beschreibungen

empfänger betrachtet. Diesem Ansatz geht das

sind

von

„Manufacturing-Active-Paradigm“ (MAP) voraus,

Chesbrough. Essenzielle Unterschiede beste-

welches mit dem Closed Innovation Modell zu

hen in der Spezifikation der Akteure und der

vergleichen ist.

wesentlich

konkreter

als

die

Schwerpunktsetzung auf den Kunden, der expli-

12

2.2 Beteiligte Akteure

ziten Betonung einer WertschöpfungspartnerWie bei der Begriffsabgrenzung und der Darstel-

schaft, von der somit beide Seiten profitieren

lung der Entwicklung von Open Innovation be-

können, sowie der Ausweisung der übermittel-

reits herausgestellt worden ist, gelten die Kun-

ten Wissensform (implizites Wissen) und der

den als die wichtigsten Akteure bei der Integra-

dafür bereitgestellten Werkzeuge, welche den

tion in offene Innovationsprozesse. Generell

Akteuren die Einbringung ihrer Ideen und Lö-

wird jedoch zwischen drei Akteursgruppen diffe-

sungsvorschläge erleichtern.

renziert, welche im Folgenden vorgestellt werDiese beschriebene Öffnung des Innovations-

den.

prozesses, die einen Wandel von geschlosse2.2.1 Akteursgruppen

nen zu offenen Innovationsprozessen darstellt, ist erst durch die modernen Informations- und

Eine erste Gruppe bilden die Unternehmen/

Kommunikationstechniken (IuK) ermöglicht wor-

bzw. Anbieter, die ihre Forschungsfragen der

den. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, um die

Öffentlichkeit vorstellen und externe Akteure zur

Akteure über die Problemstellung der Unter-

Problemlösung mit in den Innovationsprozess

nehmen zu informieren und umgekehrt die Bei-

einbeziehen (siehe Innocentive-Beispiel, Kapitel

träge der Akteure an die Unternehmen weiter-

3.3) oder ihr Konzept sogar gänzlich auf die

zugeben. Einhergehend mit den modernen IuK-

Innovationsbereitschaft externer Akteure abstel-

Techniken spielen verkürzte Produktlebenszyk-

len (siehe Threadless-Beispiel, Kapitel 3.1).

len, zunehmender Wettbewerbsdruck und ein

Eine zweite Gruppe bilden die Kunden bzw.

geringeres F&E-Etat eine entscheidende Rolle

Nutzer. Hier sind zum einen die Kunden zu

für die neue Entwicklung im Innovationsmana-

nennen, die aus eigenem Antrieb an ein Unter-

gement. Die Unternehmen sind zunehmend

nehmen herantreten (siehe Kitesurf-Beispiel,

gezwungen, ihre Innovationsprozesse zu opti10

mieren und vor allem zu beschleunigen und

11 9

12

Reichwald/ Piller 2006, S. 315.

29

Vgl. Burmeister/ Neef/ Linnebach 2006, S 30ff.; Enkel/ Gassmann/ Kausch 2005, S. 1ff.; vgl. Piller 2006, S.75ff.; Reichwald/ Piller 2006, S. 117ff. Chesbrough 2003b, S. 35. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 120ff.

Kapitel 3.1), oder jene, die sich an einem her-

Abb. 2: Anteil der Open Innovation betreibenden

stellerinitiierten Prozess beteiligen und ihre

Unternehmen in Bezug auf die beteiligten Akteu-

Ideen preisgeben.

re

Für die Unternehmen sind besonders die so genannten „Lead User“ 13 von Bedeutung. Dies sind besonders fortschrittliche Kunden, die in der Lage sind, frühzeitig sowohl Bedürfnis- als auch Lösungsinformationen für Produkte oder

2.3 Kernprozesse von Open Innovation

Dienstleistungen zu generieren, die für den Großteil der Kunden erst sehr viel später rele-

Die Identifizierung der Kernprozesse von Open

vant werden. Im Rahmen von Open Innovation

Innovation geht auf die Wirtschaftswissenschaft-

versucht das Unternehmen gezielt, diese Pio-

ler Enkel und Gassmann zurück. Die folgende

nierkunden zu analysieren, um von deren Ideen

Abbildung gibt zunächst einen Überblick über

und Lösungsvorschlägen zu profitieren.

die verschiedenen Prozesse, die in den folgenden Abschnitten kurz beschrieben werden.

Eine letzte Gruppe stellen schließlich die unab-

Abb. 3: Kernprozesse von Open Innovation

hängigen Akteure dar. Zu diesen zählen bspw. Experten, unabhängige Forschungseinrichtungen oder auch Universitäten. 14 2.2.2 Anteile der Open Innovation betreibenden Unternehmen hinsichtlich der Akteursgruppen Franke,

Leiter

der

Unternehmensstudie

„Top100“ bezeichnet externe Akteure allgemein als „unverzichtbare Ideengeber“ 15 . Die Ergebnisse seiner Studie haben ergeben, dass Kunden bei den Kooperationen an erster Stelle stehen, wie auch aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht. Darüber hinaus wird ersichtlich,

1) Der Outside-In-Prozess zielt auf die Erweite-

dass der geringste Wissensaustausch mit Wett-

rung der internen Wissensbasis durch den Ein-

bewerbern erfolgt. 16

bezug externen Wissens ab. Neben der Integration des Know-hows kann auch ein aktiver Transfer von Technologien stattfinden. Beispiele hierfür sind unter anderen Forschungskooperationen mit anderen Unternehmen, der Zukauf von Lizenzen für technische Lösungen, die in anderen Unternehmen bereits angewendet werden oder auch die Umsetzung neuer Kundenideen.

13 14

15 16

2) Als Inside-Out-Prozess wird die Externalisie-

von Hippel 1988, S. 102. Vgl. Gaul/ Gastes 2007, S. 6ff.; Piller 2006, S. 89ff.; von Hippel 1988, S. 11ff. Franke 2007, o.S. Vgl. Franke 2007, o.S.

rung internen Wissens bezeichnet. Dies geschieht beispielsweise in Form von Lizenzierun30

gen oder durch den Verkauf von Produkten oder

Ideen entwickelt werden sollen, einzubinden.

Technologien an andere Unternehmen.

Die Identifikation selbst erfolgt durch gezielte Suchverfahren, wie beispielsweise dem Scree-

3) Unter dem Coupled-Prozess wird letztlich

ning 19 oder Pyramiding 20 .

eine Verknüpfung der beiden erstgenannten Formen verstanden. Er dient besonders der

Als Toolkits for Open Innovation werden meist

gemeinsamen Entwicklung von Produkten und

internetgestützte Instrumente bezeichnet, die

ist daher durch ein gegenseitiges „Geben und

dem Kunden bzw. Nutzer die Möglichkeit offerie-

17

gekennzeichnet, bei dem besonders

ren, seine Bedürfnisse in neue Konzepte zu

die komplementären Fähigkeiten der beteiligten

übertragen. Die Handlungen erfolgen dabei

Unternehmen gefordert werden. Er wird vor

jedoch in einem von dem Hersteller vorgegebe-

allem in Form von strategischen Allianzen, Joint

nen Lösungsraum.

Nehmen“

Ventures oder Innovationsnetzwerken prakti-

Ideen- oder Innovationswettbewerbe dienen

ziert.

der Generierung von Input in den frühen Phasen

Bei Betrachtung dieser Kernprozesse, stellt sich

des Innovationsprozesses. Es ist ein Aufruf ei-

die Frage, inwiefern die hier vorgestellten Pro-

nes Unternehmens an die Allgemeinheit oder

zesse und Kooperationen einen Unterschied zu

eine spezielle Nutzergruppe, themenbezogene

herkömmlichen Kooperationsformen darstellen.

Beiträge innerhalb einer bestimmten Zeitspanne

Hier sei erwähnt, dass der wesentliche Unter-

einzureichen. Die von der Unternehmung oder

schied darin besteht, dass die Kooperationen

von einer Community am besten bewerteten

von Open Innovation im Gegensatz zu traditio-

Beiträge werden schließlich prämiert. Das Un-

nellen Kooperationsformen neben dem Erhalt

ternehmen kann die Anregungen aufgreifen und

von Bedürfnisinformationen besonders auf den

in die eigene Entwicklung integrieren.

Erhalt sind.

von

Lösungsinformationen

bedacht

Communities of Open Innovation zielen auf

18

die Generierung und Bewertung von Ideen in einer virtuellen Gemeinschaft ab. Wesentliche

2.4 Instrumente von Open Innovation

Aspekte einer Community liegen in der Beo-

Nachdem erläutert wurde, dass beim Open In-

bachtung der Beiträge der anderen Mitglieder,

novation Prozess eine Integration von außen stammender

Ideen

und

der gegenseitigen Hilfestellung und Unterstüt-

Lösungsvorschläge

zung sowie der gemeinsamen Weiterentwick-

erfolgt, ist zu klären, auf welche Art und Weise

lung. Dabei stützt sich das Instrument auf die

die Unternehmen den Akteuren ihre Beteiligung

These, dass eine Gemeinschaft mehr produktive

erleichtern, wie sie den Input aufnehmen und

Ideen hervorbringt als ein Individuum.

letztlich in ihre betrieblichen Abläufe einsetzen.

21

Für diese Zwecke verwendet das Unternehmen verschiedene Instrumente, die im Folgenden 19

kurz vorgestellt werden. Die Lead User Analyse zielt darauf ab, innovative Nutzer zu identifizieren und diese in Innova-

20

tionsworkshops, bei denen Vorschläge und 17 18

Enkel/ Gassmann 2006, S. 7ff. Vgl. Enkel/ Gassmann 2006, S. 7ff.; Enkel/ Gassmann, S. 6ff.; Gaul/ Gastes 2007, S. 7f.

21

31

Das Screening ist ein Suchverfahren, bei dem einer repräsentativen Stichprobe bzw. einer Grundgesamtheit ein umfangreicher, komplexer Fragebogen zu den Merkmalen innovativer Kunden vorgelegt wird, anhand dessen die Auswahl erfolgt. Das Pyramiding ist ein Suchverfahren, das auf der Existenz sozialer Netzwerke beruht. Es findet eine Befragung eines beliebigen Mitgliedes dieses Netzwerkes statt. Dieses soll eine Empfehlung geben, welches andere Mitglied aus dessen Sicht die Kriterien eines innovativen Nutzers erfüllt. Vgl. Enkel/ Gassmann/ Kausch 2005, S. 7; Reichwald/ Piller 2006, S. 155ff.

3

Möglichkeiten und Potenziale offener

(Sport, Hobby, etc.), erkennen sie teilweise

Innovationsprozesse

schneller spezifische Bedürfnisse und versuchen für deren Realisierung eine Lösung zu

Die neue Innovationsstrategie Open Innovation

finden, die sie dann an das Unternehmen wei-

hat sich als ein Bestandteil des Innovationsma-

tergeben. Dies lässt sich am Beispiel der Kite-

nagements bei den Top-Unternehmen inzwi-

Surf-Entwicklung gut verdeutlichen. Die Trend-

schen zu einem durchschlagenden Erfolg entwi-

sportart Kitesurfen ist ursprünglich von experi-

ckelt. Dies belegen die Ergebnisse der Unter-

mentierfreudigen Surfern ins Leben gerufen

nehmensvergleichsstudie „Top 100“. Es wurde

worden, die das Drachenfliegen mit dem Surfen

festgestellt, dass sich die Unternehmen unter

kombinierten, um auf diese Weise höhere und

anderem durch das Öffnen des Innovationspro-

weitere Sprünge ausführen zu können. Einige

zesses nachhaltige Wettbewerbsvorteile ver-

der begeisterten Sportler haben „Innovation

schafft haben. 22 Auf welche Art und Weise die

Communities“ gegründet, in denen die Mitglie-

Unternehmen sowie die externen Akteure von

der mit Hilfe einer speziellen Software neue

Open Innovation profitieren, ist Gegenstand der

Designs für Drachensegel erarbeiten und wei-

folgenden Ausführungen.

terentwickeln lassen können. In diesen Commu-

3.1 Unternehmens- bzw. anbieterspezifische

nities treffen häufig eine Vielzahl unterschiedli-

Potenziale

cher Akteure mit diversifizierten Talenten und

Allgemein bietet diese neue Innovationsstrategie

Fähigkeiten aufeinander, so dass am Ende eine

den Unternehmen die Chance, eine Reihe von

bemerkenswerte Anzahl an produktiven Ent-

Wettbewerbsvorteilen zu erlangen. Ein wesentli-

wicklungen entsteht. Für die letztendliche Her-

cher Aspekt ist der Zugang sowohl zu Bedürfnis-

stellung des Produktes treten die Kunden häufig

wie auch insbesondere zu Lösungsinformatio-

an die Kite-Surf-Industrien heran. Das Unter-

nen, wie er allein durch die klassische Marktfor-

nehmen profitiert von dem Engagement der

schung nicht möglich wäre. Die Bedürfnisinfor-

Entwickler, da in ihren eigenen F&E-Abteilungen

mationen werden von Reichwald und Piller auch

meistens nur wenige Mitarbeiter mit einem stär-

als „sticky information“ 23 bezeichnet. Sticky be-

ker

begrenzten 25

Kenntnisstand

beschäftigt

Mit diesem intensiven Wissens- und

deutet in diesem Zusammenhang, dass der

sind.

Zugang zu diesen Informationen „klebrig“ bzw.

Lösungstransfer geht die Verbesserung von vier

schwer zugänglich ist. Die Ursache hierfür liegt

Erfolgskennziffern des Unternehmens einher,

in der Erscheinungsform der Bedürfnisinformati-

die die Wettbewerbsfähigkeit enorm stärken:

onen, welche meist in Form von implizitem Wis-

Zum einen sei die Verkürzung der Entwick-

sen (unartikuliert, unbewusst) vorliegt. Toolkits

lungszeit (oder auch Reduzierung der Time-

können hier bspw. als Hilfestellung dienen, um

to-Market) erwähnt. Durch die Arbeitsteilung

das implizite Wissen der Kunden zu konkretisie-

und das „Outsourcen“ bestimmter Wertschöp-

ren und dem Unternehmen leichter zugänglich

fungsaufgaben an externe Akteure werden

zu machen.

24

langwierige Iterationen 26 zwischen dem Hersteller und dem Kunden vermieden. Bei Open Inno-

Da Kunden sich oftmals mit einer Thematik aus eigenem Antrieb intensiv auseinandersetzen

25 26 22 23 24

Vgl. Franke 2007, o.S. Reichwald/ Piller 2006, S. 57. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 57f.

32

Vgl. Piller 2006, S. 85ff.; von Hippel 2005, S. 103ff. Ein iteratives Verfahren ist durch zahlreiche Feedbackschleifen und Veränderungen gekennzeichnet bis das gewünschte Produkt hergestellt ist, wodurch ein erheblicher Zeitaufwand eintritt.

vation wird diese zeitraubende Suche nach

Des Weiteren ist die Steigerung des Neuig-

Ideen und Lösungen zusätzlich an Außenste-

keitsgrades (oder Erhöhung des New-To-

hende übertragen. Die Ausführung kann dabei

Market) von elementarer Bedeutung. Während

von der reinen Ideengenerierung über Lösungs-

traditionelle Herstellerinnovationen häufig Wei-

konzepte bis hin zu fertigen Prototypen reichen.

terentwicklungen und Verbesserungen sind,

Diese Zeiteinsparung verhilft dem Unternehmen

zeichnen sich Nutzerinnovationen in der Regel

dazu, seine Innovationen schneller auf den

eher durch „funktional neue Innovationen“ 27 aus.

Markt zu bringen, wodurch die Chance besteht,

Für das Unternehmen bedeuten solche innova-

größere Marktanteile zu erhalten. Besonders in

tiven Produkte häufig einen starken Imagege-

Zeiten sich stetig verkürzender Produktlebens-

winn. 28

zyklen gewinnt die Reduzierung der Entwick-

Nicht zuletzt kann ein intensiv betriebener Open

lungszeiten zusehends an Bedeutung.

Innovation Prozess auch zu einer Verbesserung

Neben der Reduktion der Entwicklungszeit tritt

des Custom-Relationship-Managements (CMR)

auch eine Kostensenkung (oder Reduktion

beitragen. Dieses Management ist durch eine

der Cost-to-Market) ein. Diese ist ebenfalls

meist IT-unterstützte Geschäftsstrategie ge-

durch die Übernahme bestimmter oder aller

kennzeichnet, bei der lang anhaltende und profi-

Aufgaben eines Innovationsprozesses durch

table Kundenbeziehungen angestrebt werden. 29

externe Akteure bedingt und ist besonders ef-

Teilweise stellen die Unternehmen ihr Ge-

fektiv, wenn die Innovationstätigkeiten über die

schäftsmodell auch gänzlich auf die Innovati-

Ideenfindung hinausgehen, bspw. wenn Kunden

onsbereitschaft externer Akteure ab, wodurch

einen ersten Prototyp entwickeln und in die da-

die obigen Vorteile verstärkt werden. Dies lässt

für benötigten Ressourcen investieren. Durch

sich am Beispiel der Online-Unternehmung

die Senkung der Kosten für F&E wird schließlich

Threadless verdeutlichen, welche moderne T-

die Rentabilität eines Produktes gesteigert so-

Shirts vertreibt. Das Prinzip des Unternehmens

wie die Wirtschaftlichkeit und das Wachstum

basiert auf den extremen Einbezug potenzieller

eines Unternehmens langfristig gesichert.

Kunden und Nutzer. Diese designen mit einer

Ein weiterer Vorteil ist die Erhöhung der Markt-

von dem Betrieb zur Verfügung gestellten Soft-

akzeptanz

Fit-To-

ware T-Shirts nach ihren persönlichen Vorstel-

Market). Da die Kunden selbst an der Gestal-

lungen und Ideen. Im nächsten Schritt lassen

tung der neuen Produkte beteiligt sind, wird ein

die „Designer“ ihre Entwürfe von den übrigen

besserer „Fit“ zwischen den Nutzerbedürfnissen

Mitgliedern der Community bewerten. Die am

und den Produkteigenschaften hergestellt, wo-

besten prämierten Modelle werden schließlich

durch auch die Unsicherheit eines Flop-Risikos

produziert. Die Designer, deren T-Shirts tatsäch-

des Unternehmens von Vorneherein reduziert

lich gedruckt werden, erhalten eine Prämie von

wird, vor allem wenn die Einbeziehung in der

2.000 Dollar. Die Kunden übernehmen bei die-

frühen Phase des Innovationsprozesses erfolgt.

sem

Darüber hinaus resultieren aus einem den Kun-

somit die Gestaltung und auch die Werbung

denbedürfnissen bestmöglich entsprechendem

(Erstellung von persönlichen Fotos für den Onli-

(oder

Steigerung

des

gemeinsamen

Wertschöpfungsprozess

Produkt eine positive Kaufeinstellung und eine höhere Zahlungsbereitschaft.

27 28

29

33

Reichwald/ Piller 2006, S. 153. Vgl. Kuhlen 2006, S. 17.; Reichwald/ Piller 2006, S. 150ff.; Work.Innovation (Hrsg.) 2007, o.S. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 155.

ne-Katalog), das Unternehmen die Herstellung

den jeweiligen Motivationen, welche sich in

und den Verkauf. Die einzelnen Abläufe von der

extrinsische und intrinsische Motive unterteilen

Idee bis zum fertigen Produkt werden in der

lassen. 33

folgenden Abbildung veranschaulicht. 30

Extrinsische Motive sind solche, die durch die

Abb. 4: Schematische Darstellung der Kunden-

Belohnung einer Tätigkeit befriedigt werden.

integration bei Threadless

Dabei stellen nicht nur monetäre Leistungen eine Belohnung dar, sondern häufig auch die Erwartung der Kunden eine Produkt- oder Dienstleistungsinnovation selbst nutzen zu können. Piller bezeichnet dies auch als „[…] Streben nach dem bestmöglichen Produkt zur Eigennutzung“ 34 . Des Weiteren stellen auch mo-

Das Geschäftsmodell lässt sich als sehr erfolg-

netäre oder materielle Gegenleistungen, wie

reich bezeichnen, wie die folgenden Zahlen

bspw. Rabatte, Gratisprodukte oder freiwillige

belegen: Das Unternehmen weist inzwischen

Zahlungen des Unternehmens Belohnungen

eine Community von mehr als 400.000 Mitglie-

dar. Teilweise treten die Kunden auch von

dern auf, die bereits über 120.000 Designs ein-

selbst an ein Unternehmen heran, da eine ge-

gereicht haben. Von diesen sind bisher ungefähr

meinsame Entwicklung für sie günstiger ist als

550 gedruckt worden. Neben dieser großen,

eine komplette Eigenproduktion.

aktiven Community sprechen auch die Umsatzzahlen für das Unternehmen. Allein im Jahr

Eine besondere Rolle bei den extrinsischen

2006 lagen die Umsätze der Firma bei rund 15

Motiven, aus denen sich Potenziale für den Kun-

Millionen Dollar mit gut 1,2 Millionen verkauften

den bzw. Nutzer ableiten lassen, spielen letztlich

T-Shirts. Die Ausschichten für die Zukunft be-

die sozialen Belange oder auch „personal

trachten die Unternehmer ebenfalls als sehr

needs“ 35 der Akteure. Sie treten auf, wenn die

Erfolg versprechend.

Handlungen der Akteure durch andere beein-

31

flusst werden oder selbst auf andere Personen 3.2 Kunden- bzw. nutzerspezifische

Einfluss nehmen. Dies ist bspw. in Communities

Potenziale

der Fall, in denen die Beiträge und Aktionen

Nachdem die Potenziale auf der Unternehmer-

gegenseitig beobachtet und bewertet werden.

seite aufgezeigt worden sind, stellt sich die Fra-

Für den Kunden ergeben sich hier überwiegend

ge, welchen Nutzen die Kunden von Open Inno-

die Möglichkeiten der Anerkennung, Aufmerk-

vation haben. Dabei ist besonders erstaunlich,

samkeit und Selbstentfaltung. Aber auch die

dass Kunden dem Hersteller ihre Ideen oder

Aussichten auf eine Anstellung oder die Erlan-

sogar fertigen Prototypen teilweise ohne jede

gung eines vorteilhaften Rufes kann dieser Ka-

vermeintliche Gegenleistung überlassen. Dieser

tegorie zugeordnet werden.

Vorgang wird auch als „free revealing“

32

be-

Als intrinsische Motive werden Motive be-

zeichnet. Die Gründe für dieses Handeln und

zeichnet, die durch die Tätigkeit an sich befrie-

die Möglichkeiten und Potenziale, die sich für

digt werden. Die Aufgabe wird somit aus Freude

die Kunden und Nutzer ergeben, resultieren aus 30

31 32

bzw. um ihrer selbst Willen ausgeführt. Im Vor-

Vgl. Openeur (Hrsg.) 2007, o.S.; Reichwald/ Piller 2006, S. 2f.; Threadless (Hrsg.) 2007, o.S. Vgl. Krisch (Hrsg.) 2008, o.S. Henkel 2004, S. 12.

33 34 35

34

Vgl. Henkel 2004, S. 12f.; von Hippel 2005, S. 77ff. Piller 2006, S. 93. Hars/ Ou 2002, S. 25.

dergrund steht dabei das „Interaktionserleb-

4

36

nis“ , welches sich durch ein Gefühl von Spaß,

Grenzen und Problemfelder offener Innovationsprozesse

Kreativität, Erkundung und Kompetenz ausDas vorangegangene Kapitel zeigte, dass die

zeichnet. Dabei zählen nicht nur der Spaß an

Öffnung des Innovationsprozesses die Leis-

der Aktivität selbst, sondern auch der Kontakt zu

tungsfähigkeit des Unternehmens optimieren

„Gleichgesinnten“ und die Freude am sozialen

und darüber hinaus auch bei den Kunden und

Austausch (bspw. in Communities). Teilweise

unabhängigen Akteuren eine Vielzahl an positi-

bieten nutzerfreundliche und interessant gestal-

ven Nutzen hervorrufen kann. Jedoch ist Open

tete Toolkits, wie z.B. bei Threadless dem Nut-

Innovation sowohl auf der Anbieter- als auch auf

zer auch die Möglichkeit zum Zeitvertreib oder

der Nutzerseite mit einer Reihe von Problemen

die Gelegenheit für „Spielereien“. 37

und Nachteilen verbunden, welche im Folgen3.3 Potenziale unabhängiger, externer

den kritisch betrachtet werden. Reichwald und

Akteure

Piller bezeichnen die aus den Nachteilen poten-

Bei den unabhängigen Akteuren (bspw. Exper-

ziell resultieren Grenzen auch als die „Grenzen

ten) ist besonders ein Zusammenwirken der

der grenzenlosen Organisation“ 40 .

sozialen und monetären Beweggründe im Be-

4.1 Nachteile und Probleme auf der

reich der extrinsischen Motive festzustellen. Die

Unternehmerseite

sozialen Motive bzw. Möglichkeiten lassen sich Die Beschäftigung mit dem Themenfeld Innova-

anhand der Beobachtung von Communities

tion lässt einige Innovationsbarrieren deutlich

ausmachen. Neben dem Streben nach Aner-

werden, welche die Innovationen auf der Unter-

kennung, Aufmerksamkeit und Profilierung ist

nehmerseite verhindern, verzögern oder umfor-

hier auch die moralische Verpflichtung zur ge-

men. In Anlehnung an die von Mirow, Hölzle und

genseitigen Hilfeleistung und Unterstützung bei

Gemünden vorgestellten allgemeinen Innovati-

der Problemlösung von Bedeutung. Die Hoff-

onsbarrieren werden im Folgenden die Hinder-

nung auf monetäre Leistungen lässt sich am Beispiel der Innovationsplattform „Innocentive“

nisse und Grenzen offener Innovationsprozesse

38

von diesen abgeleitet. Dabei liegt der Ursprung

verdeutlichen. An diesem virtuellen Ort werden

von hinderlichen Barrieren sowohl im externen

Unternehmen und Forscher anonym zusam-

Bereich (Marktkräfte, politische Regelungen,

mengebracht. Die Unternehmen können hier

Widerstandsgruppen, etc.) als auch im internen

ihre Forschungsfragen veröffentlichen und die

Bereich (Eigenschaften der Organisation, des

Nutzer sich per Selbstselektion aussuchen, wel-

Managements und der Mitglieder der Organisa-

che Aufgaben sie lösen möchten. Der Anreiz zur

tion). In den folgenden Ausführungen wird der

Teilnahme ist das hohe Preisgeld. Für den Er-

Schwerpunkt auf die internen Barrieren gesetzt,

finder der schnellsten und besten Lösung wartet

da diese von der Unternehmung beeinflusst

eine Prämie zwischen 10.000 und 100.000 Dollar.

werden können.

39

Hier seien zunächst die Willensbarrieren bzw. Motivationsprobleme der Mitarbeiter eines Un36 37

38

39

Reichwald/ Piller 2006, S. 75. Vgl. Hars/ Ou 2002, S. 26ff.; Piller 2006, S. 93ff.; Reichwald/ Piller 2006, S. 75 Der Name setzt sich aus den Wörtern Innovation und incentive (Anreiz) zusammen. Vgl. Innocentive (Hrsg.) 2007, o.S.; Piller 2006, S. 95.; Reichwald/ Piller 2006, S. 96f.

ternehmens erwähnt. Diese äußern sich darin, dass die Mitglieder einer Organisation sowohl 40

35

Reichwald/ Piller 2006, S. 39.

unbewusst als auch gezielt (bspw. durch Mani-

ganisation sowie das Unternehmen selbst ne-

pulation) die Innovationstätigkeit hemmen an-

ben Fachkompetenzen auch Interaktionskompe-

statt zu fördern. Die Gründe hierfür sind vielfäl-

tenzen bzw. -infrastrukturen aneignen. 44

tig. Durch den Einbezug externer Akteure sehen

Unter der Interaktionskompetenz von Open In-

die Mitarbeiter die Gefahr, entbehrlich zu wer-

novation werden die gesamten Kompetenzen

den und dadurch im schlimmsten Fall ihren Ar-

und Fähigkeiten verstanden, die für ein Unter-

beitsplatz zu verlieren. Darüber hinaus halten

nehmen notwendig sind, um die Prinzipien von

Individuen gerne am „berechenbaren Status

Open Innovation erfolgreich anwenden zu kön-

Quo“ 41 fest, welcher ihnen ein Gefühl der Si-

nen. Dazu zählen insbesondere interaktionsför-

cherheit vermittelt. Diese Sicherheit kann beim

derliche Organisationsstrukturen, wie spezifi-

Öffnen des Innovationsprozesses verloren ge-

sche Kommunikations-, Anreiz- und Ablaufstruk-

hen, da die Öffnung mit einigen Veränderungen

turen. Wesentliche Aspekte sind hierbei unter

im Unternehmensablauf und in der Organisati-

anderem die unter Kapitel 2.4 aufgeführten In-

onsstruktur verbunden ist. Des Weiteren sehen

strumente sowie die Gewährleistung der Modu-

es die Mitarbeiter häufig als Schwäche an, Hilfe

larität und Granularität 45 der Teilaufgaben. Die

von außen einzuholen und bevorzugen es ei-

Schaffung einer solchen Interaktionskompetenz

genständig F&E zu betreiben anstatt externe

ist neben dem hohen Aufwand, der sich aus den

Beiträge aufzunehmen und weiter zu verwerten.

oben beschriebenen Anforderungen ergibt, mit

Diese Aspekte werden in der Literatur als „Not Invented Here (NIH)-Syndrom“

42

hohen Kosten verbunden, welche sich aus den

bezeichnet. 43

internen und externen Transaktionskosten 46

Ebenfalls großen Einfluss kann die Organisati-

zusammensetzen. Die internen Transaktions-

onsstruktur und -koordination auf die Innovati-

kosten beinhalten dabei unter anderem Ausga-

onsfähigkeit

ausüben.

ben für die Granularität und Modularität der

Beispiele hierfür sind unter anderem zu starke

Teilaufgaben, die Qualitätskontrolle der Beiträge

Formalisierungen, welche Offenheit und innova-

und die Integration des Inputs. Besonders da es

tives Verhalten beeinträchtigen oder Koordinati-

sich bei der Wissensübermittlung der Bedürfnis-

onsprobleme, die die Kommunikation erschwe-

informationen, wie bereits erwähnt, meistens um

ren. Insbesondere bei offenen Innovationspro-

„sticky information“ bzw. implizites Wissen han-

zessen ist die Anzahl der beteiligten Personen

delt, kann die notwendige Umwandlung in eine

größer als bei geschlossenen Innovationspro-

geeignete Form so kostspielig und aufwändig

zessen, sodass auch die Zahl der notwendigen

sein, dass sich der interaktive Prozess für das

Interaktionen und dadurch wiederum das Poten-

Unternehmen nicht rentiert. Bei den externen

zial für Missverständnisse zunimmt. Darüber

Transaktionskosten fallen Ausgaben für die

hinaus

Kommunikationsaufwand

Erstellung der verschiedenen Instrumente (z.B.

durch die einzelnen Schritte der Integration der

Lead User Analysen, Toolkits) sowie für die

externen Akteure (Aufnahme, Bewertung, Ver-

Schaffung von Anreizstrukturen und Aufwands-

eines

steigt

der

Unternehmens

arbeitung und Exploitation der Beiträge). Um dieses Problem zu bewältigen, ist es von großer

44

Bedeutung, dass sich die Mitarbeiter einer Or-

45

41 42 43

Mirow/ Hölzle/ Gemünden 2007, S. 115. Platt 2007, S. 41. Vgl. Enkel/ Gassmann/ Kausch 2005, S. 4ff .; Mirow/ Hölzle/ Gemünden 2007, S. 114ff.; Platt 2007, S. 40f.

46

36

Vgl. Mirow/ Hölzle/ Gemünden 2007, S. 116ff.; Schweizer 2007, S. 25f. Zerlegung der Aufgaben in kleine, lösbare Einzelaufgaben, sodass der Akteur die Möglichkeit hat, sich kleine Teilbereiche, je nach eigener Motivation und Befähigung, frei auszusuchen. Unter internen/ externen Transaktionskosten werden die Kosten verstanden, die bei der Nutzung der Organisation/ des Marktes als Koordinationsinstrument anfallen.

entschädigungen für die Akteure an. Zwischen

ist als die entstehenden Kosten und der Auf-

diesen beiden Kosten zeigt sich ein Trade-Off,

wand. Der Nutzen kann, wie in Kapitel 3.2 und

der auch die Grenzen von Open Innovation be-

3.3 gezeigt wurde, sehr vielfältig sein (Spaß an

schreibt. Denn je besser sich eine Aufgabe in

der Problemlösung, monetäre Gegenleistungen,

kleine Teilbereiche gliedern lässt, desto einfa-

Freude am sozialen Austausch, etc.). Da sich

cher kann ein größerer Aufgabenumfang zu

dieses Kapitel jedoch mit den Nachteilen be-

geringeren externen Kosten realisiert werden

fasst, gilt es im Folgenden den Aufwand und die

(es sind bspw. weniger Anreize oder Belohnun-

Kosten aufzuzeigen, die für die Akteure anfallen

gen notwendig). Bei einer hohen Anzahl an Bei-

und diese gegebenenfalls von ihrer Beteiligung

trägen steigt jedoch die innerbetriebliche Koor-

abhalten. Die Kosten werden dabei in Interakti-

dination, sodass hohe interne Kosten entstehen.

onskosten, psychologische und monetäre Kos-

Es ist schwierig, einen optimalen Grad zwischen

ten unterteilt und werden somit von den Akteu-

diesen Kosten zu erreichen. Die folgende Abbil-

ren nicht zwangsläufig als finanzielle Aufwen-

dung zeigt die negative wechselseitige Bezie-

dungen wahrgenommen.

hung zwischen den beiden Kostenformen.

47

Unter den Interaktionskosten werden Zeitein-

Abb. 5: Trade-Off zwischen internen und exter-

satz und Aufwand zusammengefasst. Sind die

nen Transaktionskosten

Beteiligungsschritte für den Kunden oder unabhängigen Nutzer zu zeitintensiv, komplex und aufwändig, entscheidet sich der Akteur möglicherweise gegen eine Teilnahme. Während die Interaktionskosten rational abgewogen werden, geschieht die Abwägung der psychologischen Kosten emotional auf Basis der wahrgenommenen Risiken. Hier können

Anhand der Ausführungen wurde deutlich, dass

eine Vielzahl verschiedenster Risiken auftreten

mit der Einführung offener Innovationsprozesse

und wahrgenommen werden: psychologisches

eine Reihe von Problemen einhergehen, die im

Risiko (Stress), soziales Risiko (Angst, sich zu

Zweifelsfall eine Grenze für Open Innovation

blamieren), physisches Risiko (Verletzungsge-

darstellen können. Im Folgenden soll erläutert

fahr bei Produkttests), Leistungsrisiko (Unsi-

werden, welche Nachteile und Probleme auf

cherheit, ob das Engagement zum gewünschten

Seiten der externen Akteure auftreten.

Ergebnis führt), finanzielles Risiko (zu geringer Anreiz seitens des Unternehmens, kein An-

4.2 Nachteile und Probleme seitens der

spruch auf Urheberrechte), Zeitrisiko (Befürch-

externen Akteure Externe Akteure 48 nehmen nur am Open Inno-

tung, Zeit zu verschwenden).

vation Prozess teil, wenn der Nutzen, den sie

Letztlich können noch die real auftretenden,

sich von ihrer Beteiligung versprechen, größer

monetären Kosten eine Barriere darstellen. Diese sind besonders dann beträchtlich, wenn

47

48

die Nutzer bspw. hohe Investitionen in die Er-

Vgl. Enkel/ Gassmann/ Kausch 2005, S. 4ff.; Reichwald/ Piller 2006, S.81ff. Die Kunden bzw. Nutzer und die unabhängigen Akteure werden in diesem Abschnitt gemeinsam behandelt und zu den externen Akteuren zusammengefasst, da zwischen den Gruppen keine wesentlichen Unterschiede bezüglich der Probleme existieren.

stellung eines Prototyps tätigen müssen. 49

49

37

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 147f.

5

keit und die Form einer Öffnung für sich ent-

Fazit

scheiden muss.

Abschließend ist festzuhalten, dass Open Inno-

Literaturverzeichnis

vation eine Innovationsstrategie ist, die sowohl effektiv als auch effizient sein kann und den

Burmeister, K./ Neef, A./ Linnebach, P. (2006):

Unternehmen dadurch zu wertvollen Wettbe-

Innovation im Kontext: Ansätze zu einer of-

werbsvorteilen verhelfen kann. Wie am Beispiel

fenen Innovationsstrategie, in: Drossou, O./

der Unternehmensvergleichsstudie „Top 100“

Krempl, S./ Poltermann, A. (Hrsg.): Die wun-

verdeutlicht wurde, weisen so gut wie alle der

derbare Wissensvermehrung, Wie Open In-

prämierten Betriebe einen fortschrittlichen, ge-

novation unsere Welt revolutioniert, Hanno-

öffneten Innovationsprozess auf, worin sich der Erfolgscharakter

dieser

ver, S. 24-33.

Innovationsstrategie Chesbrough, H. W. (2003a): Open Innovation:

widerspiegelt. Neben dem Zugang zu Bedürfnis-

The New Imperative for Creating and Profit-

informationen erhalten die Unternehmen auch

ing from Technology, Boston.

einen erleichterten Zugang zu Lösungsinformationen aus der Kundendomäne. Darüber hinaus

Chesbrough, H. W. (2003b): The era of open

können Entwicklungszeit und -kosten reduziert

innovation, in: Sloan Management Review,

werden sowie eine erhöhte Marktakzeptanz des

44(2003) S. 35-41.

Produktes oder der Dienstleistung wie auch ein

Chesbrough, H. W./ Vanhaverbeke, W./ West,

höherer Neuigkeitsgrad der Innovation erreicht

J.(2006): Open Innovation: Researching an

werden. Für die Kunden und unabhängigen

New Paradigm, Oxford, New York.

Akteure eröffnen sich eine Reihe von MöglichEnkel, E./ Gassmann, O. (2006): Open Innovati-

keiten im Bereich des intrinsischen, extrinsi-

on: Externe Hebeleffekte in der Innovation

schen und sozialen Nutzens.

erzielen, St. Gallen. Um die Öffnung des Innovationsprozesses jeEnkel, E./ Gassmann, O. (2005): Open Innovati-

doch erfolgreich umzusetzen, müssen seitens des Unternehmens einige Voraussetzungen

on Forschung, Forschungsfragen und erste

erfüllt werden. Hierzu gehören bspw. die Granu-

Erkenntnisse, St. Gallen.

larität und Modularität der Aufgaben für den

Enkel, E./ Gassmann, O./ Kausch, C. (2005):

Kunden sowie die Schaffung einer Interaktions-

Einbeziehung des Kunden in einer frühen

kompetenz.

Phase des Innovationsprozesses, St. Gallen.

Aufgrund der Erfolgsaussichten und der praxis-

Franke, N. (2007): Die 100 innovativsten Unter-

nahen Relevanz ist dem Open Innovation Pro-

nehmen im Mittelstand: URL:

zess eine starke zukunftsträchtige Bedeutung



zesse, sondern allenfalls eine Erweiterung die-

(Abfrage am: 06.11.07).

ser darstellt. Hierbei ist von Bedeutung, dass

Gaul, W./ Gastes, D. (2007): Erfolg mittels Open

jedes Unternehmen individuell, abhängig von

Innovation, in: Karlsruher Transfer

der Branche und Betriebsstruktur, die Möglich-

35(20)2007, S.6-9. 38

Hars, A./ Ou, S. (2002): Working for Free? Moti-

sensvermehrung, Wie Open Innovation un-

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Henkel, J. (2004): Patterns of Free Revealing –

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Reichwald, R./ Piller, F.(2006): Interaktive Wert-

Commercial Open Source Development,

schöpfung, Open Innovation, Individualisie-

München.

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Innocentive (Hrsg.; 2007): Vorstellung der

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Ideenbörse Innocentive: URL: <

Schumpeter, J. A. (1934): Theorie der wirt-

http://www.innocentive.com/> ff. (Abfrage

schaftlichen Entwicklung, Eine Unrersuchung

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Kuhlen, R. (2006): Open Innovation: Teil einer

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5/2007, S. 24-26.

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Prinzip der Unternehmung Threadless: URL: Krisch, J. (Hrsg.; 2008): Exciting Commerce:

ff. (Abfrage

Threadless: URL:

am: 26.11.07).

f.

informationsökonomisch fundierten Marke-

(Abfrage am: 12.01.08).

tingtheorie, Trier. Mirow, C./ Hölzle, K./ Gemünden, H. G. (2007): Work.Innovation (Hrsg.; 2007): Open Innovation:

Systematisierung, Erklärungsbeiträge und

URL: (Abfrage am: 06.11.07).

133.

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Openeur (Hrsg.; 2007): Open Innovation and

tion, Cambridge, London.

Entrepreneurship: URL: (Abfrage am: 06.11.07).

tion, New York.

Open Innovation.EU (Hrsg.; 2007): Open Innovation: URL: < http://www.openinnovation.eu/openinnovatie. php> (Abfrage am: 14.11.07). Piller, F. (2006): User Innovation: Der Kunde kann’s besser, in: Drossou, O./ Krempl, S./ Poltermann, A. (Hrsg.): Die wunderbare Wis39

Katrin Peters „Demokratisierung von Innovationen“: Innovative User-Communities 1

Orientierung am Nutzerbedürfnis – Innovationen „demokratisieren“

2

Gemeinschaftswerke mit Informationsvorsprung

3

Inspiration für die Hersteller

4

Begrenzte Demokratisierung von Innovationen im Internet

1

Orientierung am Nutzerbedürfnis –

User Innovatoren – also Nutzer, die gleichzeitig Innovatoren sind – haben diese Probleme nicht.

Innovationen „demokratisieren“

Sie entwickeln Lösungen für ihre eigenen Be-

Innovation – auf manche Unternehmer und In-

dürfnisse, die von den Anbietern auf dem Markt

vestoren wirkt der Begriff wie eine Zauberformel.

nicht befriedigt werden. Dabei sind sie ihrer Zeit

Ständige Erneuerung und Weiterentwicklung

einen Schritt voraus, denn die Bedürfnisse der

von Produkten und Prozessen gehören zu den

User Innovatoren werden später oft von einer

wichtigsten strategischen Zielen, die Manager

größeren Gruppe potenzieller Kunden geteilt,

für ihre Unternehmen angeben.

1

Doch hinter

wie es auch bei Lead Usern (Woll, S. 81ff.) der

dem auf den ersten Blick eindeutigen Ziel „Inno-

Fall ist. Für Unternehmen, die nicht zur eigenen

vationen vorantreiben“ verbergen sich eine gan-

Nutzung sondern zum Verkauf produzieren,

ze Reihe an Problemen und Unklarheiten. For-

macht es Sinn, Kunden frühzeitig in die Neu-

schungs- und Entwicklungsvorhaben binden

und Weiterentwicklung von Produkten und

große finanzielle Mittel bei oft unklarem Gegen-

Dienstleistungen einzubinden. Dazu besonders

wert der erforderlichen Investitionen. Immerhin

geeignet erscheinen User Innovatoren, weil sie

30 Prozent der befragten Unternehmen gaben

sich aus eigener Initiative bereits mit Lösungen

bei der BCG Senior Management Survey an,

ihrer spezifischen Probleme befassen und ein

ihre Investitionen in Innovationen noch deutlich

besonders hohes Interesse an individuellen

2

steigern zu wollen. Allerdings sind die Erwar-

Problemlösungen haben. Mit ihrer Hilfe kann

tungen an die scheinbare Zauberformel Innova-

das

tion häufig höher als die erreichte Rendite. Nur

seiner Abnehmer erkennen, kann das Produkt

46 Prozent der befragten Führungskräfte waren

auf seinen späteren Nutzer anpassen und so

zufrieden mit den Ergebnissen, während sich

eine möglichst hohe Zufriedenheit und Preisbe-

mehr als die Hälfte unsicher oder sogar unzu-

reitschaft beim Kunden erreichen.

frieden zeigte

.3

Zwei wichtige Hindernisse bei

Mit

der Einführung von Innovationen sahen die Ma-

Kommerzialisierung

auszusuchen“

Hilfe

von

die

Data Mining

Bedürfnisse

und

Custo-

mer Integration können Unternehmen alte Kun-

nager in der „Schwierigkeit, die richtigen Ideen zur

Herstellerunternehmen

den binden und neue Märkte erschließen. Rea-

und

listisch geworden ist der Traum vom „gläsernen

„mangelnder Kundenkenntnis“ 4 – beides Prob-

Kunden“, dessen Bedürfnisse man „nur noch“

leme, die sich auf zu geringe Kenntnisse des

ablesen muss, durch neue Kommunikations-

Marktes und der Kunden zurückführen lassen.

und Informationstechniken, die immer kostengünstiger und dabei leistungsstärker werden.

1 2 3 4

5

Erst durch diese Entwicklung wurde es möglich,

Vgl. Boston Consulting Group 2007, S. 8. Vgl. Boston Consulting Group 2007, S. 8. Vgl. Boston Consulting Group 2007, S. 11. Vgl. Boston Consulting Group 2007, S. 11.

5

40

Vgl. von Hippel 2004, S. 64.

die Datenflut zu bändigen, die durch die Erfas-

einem "Demand Pull", also einer Gegenbewe-

sung individueller Kundendaten ausgelöst wird.

gung von Nachfragerseite, funktionieren kann. 7

Das Internet erleichtert zudem eine Kontaktauf-

Die Orientierung am Kunden ist daher ein wich-

nahme mit Endnutzern, die vor wenigen Jahren

tiger Schwerpunkt der Innovationsforschung

noch mit erheblichem Aufwand verbunden ge-

geworden, wobei hier ein besonderes Augen-

wesen wäre. In manchen Branchen beginnen

merk auf den Nutzerinnovationen liegt. Eric von

Unternehmen, die Möglichkeiten von Web 2.0

Hippel spricht gar von einer „Demokratisierung

und Social Software systematisch zu nutzen, um

von Innovationen“ 8 und beschreibt dies folgen-

Kunden bei Innovationen einzubinden. Das in-

dermaßen: „When researchers say that innova-

zwischen fast klassische, wenn auch sehr spe-

tion is being democratized, we mean that users

6

O-

of products and services – both firms and indi-

pen Source Software (OSS), die von unabhän-

vual consumers – are increasingly able to inno-

gigen Nutzern weiterentwickelt und vertrieben

vate for themselves“.9 Tatsächlich hat eine Rei-

wird. Gemeinsam ist der OSS und allen anderen

he von empirischen Studien gezeigt, dass die

Produktbereichen, dass der Ausbau der Breit-

wichtigsten Erneuerungen und Verbesserungen

bandtechnik ein hohes Potential für die gemein-

in vielen Produktbereichen von den Nutzern

same und kooperative Zusammenarbeit vieler

selbst entdeckt und eingeführt werden. 10 In allen

Akteure auch im Rahmen offener Innovations-

untersuchen Fällen hat sich herausgestellt, dass

prozesse erschließt. Die Möglichkeit, große

User Communities, also Nutzergemeinschaften,

Datenmengen zwischen einzelnen Mitgliedern

eine wichtige Rolle bei der Reifung einer Innova-

eines Netzwerkes hin- und herzusenden und

tion oder Neuerung spielen. Dieser Beitrag soll

Endnutzer direkt ansprechen zu können, macht

die Eigenschaften von User Communities zu-

es einfacher, neue Produktideen zu finden, e-

sammenfassen

ventuell

Grenzen

zielle

Beispiel

zu

ist

die

übernehmen

so

und

genannte

Innovationen

der

(Kapitel 2),

Potentiale

Zusammenarbeit für

Unternehmen

mit

und U-

aufzeigen

schon frühzeitig prozessbegleitend zu evaluie-

ser Communities

ren.

(Kapitel 3) und schließlich den Begriff „Demokratisierung“ im Zusammenhang mit innovativen

Jahrzehntelang stand das Herstellerunterneh-

User Communities kritisch durchleuchten (Kapi-

men im Mittelpunkt und war zumeist Ausgangs-

tel 4).

punkt der Innovation. Erfindungen und Weiterentwicklungen wurden nach dem Prinzip des

2

"Technology Push" von den Unternehmen auf

Gemeinschaftswerk mit Informationsvorsprung

den entsprechenden Absatzmärkten eingeführt Unternehmen, die Innovationen anstreben, ha-

und versucht eine entsprechende Nachfrage zu

ben einen bedeutenden Informationsnachteil

generieren. Wurden dabei die Bedürfnisse ihrer

gegenüber den späteren Nutzern dieser Innova-

Nachfrager vernachlässigt, so blieb die erforder-

tionen. Sie verfügen zunächst nicht über die

liche Nachfrage aus und die entsprechenden

Information, was genau sich der Nutzer und

Produkte waren ein finanzieller Flop. Inzwischen

damit der Kunde eigentlich wünscht. Diese Be-

sind sich Ökonomen darüber einig, dass Tech-

dürfnis-Information des Kunden ändert sich re-

nology Push-Innovationen nur in Verbindung mit

7 8 6

9

Warum das Beispiel Open Source Software als Spezialfall anzusehen ist, wird in Abschnitt 2 dieses Beitrags erläutert.

10

41

Vgl. Hauschildt 2003, S. 257. Von Hippel 2004. Von Hippel 2004, S. 64. Vgl. Thomke/ von Hippel 2002; Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007; Franke/ Shah 2003.

gelmäßig, ist hoch komplex, möglicherweise

stützt. 17 Man kann also davon ausgehen, dass

dem potentiellen Kunden gar nicht bewusst und

die meisten Innovationen innerhalb von Nutzer-

daher oft schwer vermittelbar. Dazu kommen

gemeinschaften oder User Communities entwi-

Informationen über die mögliche Lösung des

ckelt werden. In Unternehmen finden sich oft

Problems, die ebenfalls beim Nutzer vorliegen

Teams und Arbeitsgruppen, die an innovativen

11

In beiden Fällen spricht man von ver-

Lösungen arbeiten. Auch schließen sich nut-

decktem Wissen oder „sticky information“, die

zende Unternehmen zu Kooperationen zusam-

sprichwörtlich dem Nutzer anhaftet und sich für

men, die Innovationen entwickeln. Im weiteren

Unternehmen nur unter hohen Kosten erschlie-

Sinne könnte man beide Organisationsformen

ßen lässt. 12 Unter „Nutzer“ bzw. „User“ werden

als „User Communities“ bezeichnen, da sich

Unternehmen oder Konsumenten verstanden,

jeweils mehrere Nutzer gemeinschaftlich der

die direkt davon profitieren, dass sie ein Gut

Lösung eines Innovationsproblems widmen. 18

nutzen. Im Gegensatz dazu profitieren „Herstel-

Hier

ler“ bzw. „Manufacturer“ vom Verkauf des Gu-

ser Communities im Sinne von informellen und

kann.

13

soll

es

allerdings

mehr

um

U-

Neben den Informationen sind auch die

formellen Zusammenschlüssen privater Nutzer

Interessen von Nutzern und Herstellern asym-

gehen, da diese erst seit kurzer Zeit intensiver

metrisch verteilt. Es besteht also die Gefahr

untersucht und von Wirtschaftsunternehmen für

opportunistischen Verhaltens von Herstellern

ihre Zwecke entdeckt werden. Es lassen sich

gegenüber ihren Kunden, die das Gut nutzen.

jedoch viele Parallelen zwischen privaten User

Unter dem Begriff der Innovation werden hier

Communities und unternehmensinternen Inno-

neuartige Produkte und Verfahren von der ers-

vationsteams ziehen, da beide eine ähnliche

ten Idee bis zur Etablierung auf einem Markt

Funktion ausüben und zum Teil ähnliche Struk-

verstanden. In diesem Beitrag wird von einem

turen aufweisen.

tes.

inkrementellen Innovationsbegriff ausgegangen,

Ein

das heißt Innovationen stellen eher kleine

untersuchtes

Beispiel

ser Communities der informellen

Schritte und Modifikationen dar und weniger vollkommen neue Erfindungen.

häufig

19

20

für

U-

Art sind im

Bereich der Open Source Software (OSS) zu

14

finden (z. B. Linux, Apache oder Mozilla 21). Sie

Häufig entwickeln Nutzer, sowohl in Unterneh-

sind aus mehreren Gründen relativ einfach zu

men als auch privat, eigene Lösungsansätze für

erforschende und gleichzeitig interessante Fälle.

ihre Problemstellung und begründen so eine

Zum einen ist das entwickelte Produkt virtuell,

15

Dies ist insbesondere der Fall,

also nicht-physisch und Lösungskozepte i. S. v.

wenn das Bedürfnis nach einer Lösung noch

Programmcodes können reibungsfrei und ohne

nicht weit verbreitet ist und der Markt daher

Informationsverlust übertragen werden. Zum

keine annehmbare oder gar optimale Lösung

anderen entwickeln die Mitglieder der Communi-

Innovation.

16

Die meisten Innovatoren arbeiten

ty das Produkt auf ihren Rechnern und im Inter-

nicht isoliert an Lösungen, sondern werden von

net und kommunizieren gleichzeitig mit Hilfe

anderen Nutzern durch Rat und Tat unter-

dieses Mediums mit anderen Mitgliedern der

bereitstellt.

Community, was den Prozess im Vergleich zu 11 12 13 14 15 16

17

Vgl. Lüthje/ Herstatt/ von Hippel 2002, S. 2 Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, S. 76. Vgl. von Hippel 2004, S. 65. Vgl. Hauschildt 2003, S. 15. Vgl. von Hippel 2004, S. 65f. Dies ist auch eine Lead User-Eigenschaft.

18 19 20

21

42

Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 158. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 158. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 158. Die Communities selbst sind zwar normalerweise informell, aber dennoch z. T. von Software-Firmen kontrolliert. Hamerly/ Paquin/ Walton 1999.

physischen Produkten extrem erleichtert und für

Innovation mit Hilfe von User Communities zu

Forscher gut dokumentierbar macht. Zudem

entwickeln.

profitieren User Innovatoren im OSS-Bereich im

2.1 Ihrer Zeit voraus – User Innovatoren

Normalfall sofort von ihren Neuentwicklungen. 22

Innerhalb der User Communities kann man ver-

Dies ist bei vielen Innovationen physischer Pro-

schiedene Nutzertypen unterscheiden. Allen

dukte oder Dienstleistungen nicht der Fall. Neue

Mitgliedern der Community ist gemeinsam, dass

Ideen können nicht virtuell umgesetzt und sofort

sie sich zur Ausübung einer bestimmten Tätig-

ausprobiert werden, sondern müssen physisch

keit, beispielsweise einer Sportart, und zum

umgesetzt also produziert werden. Ein solcher

Erfahrungsaustausch

physischer Prozess setzt oft größere physische,

freiwillig

zusammenge-

schlossen haben. Dieser Zusammenschluss

monetäre und temporäre Ressourcen voraus als

kann formell durch die Mitgliedschaft in einem

ein virtueller Prozess, bei dem alle Ressourcen

Verein oder Ähnlichem begründet sein oder

– außer der Zeit – schon beim User Innovator

völlig informell sein. Einige der Nutzer entwi-

vorhanden sind.

ckeln zunächst für den eigenen Gebrauch InnoAls Beispiel kann die Verbesserung eines Koch-

vationen und werden daher User Innovatoren

rezepts dienen. In einem Internetforum oder aus

genannt. Diese User Innovatoren werden von

dem Freundeskreis bekommt ein Hobbykoch die

weiteren Mitgliedern der Community bei ihren

Anregung, seine Schokoladensauce mit Chili zu

Innovationen durch Kritik und Ratschläge unter-

verfeinern. Um diese Idee umzusetzen, muss

stützt.

der Hobbykoch zunächst die benötigten Zutaten Empirische Untersuchungen in den unterschied-

einkaufen – also Zeit und Geld investieren – und

lichsten Innovationsfeldern haben übereinstim-

anschließend in der Küche verschiedene Kom-

mend herausgefunden, dass User Innovatoren

binationen ausprobieren, um ein zufriedenstel-

im Gegensatz zu Nicht-Innovatoren die Charak-

lendes Ergebnis zu erzielen. Um seine Innovati-

teristika von Lead Usern (Woll, S. 81ff.) aufwei-

on im Internetforum mit anderen Hobbyköchen

sen. 23 Erstens erwarten Lead User und damit

zu teilen, muss er zurück zu seinem Rechner

User Innovatoren einen relativ hohen Nutzen

gehen und das Rezept aufschreiben und auf der

davon, eine Lösung für ihre Bedürfnisse zu ent-

Online-Plattform veröffentlichen. Allerdings ist

wickeln. Zweitens sind sie Vorreiter eines wich-

dadurch noch nicht garantiert, dass die anderen

tigen Trends in einem Markt und haben daher

Nutzer verstehen, wie die neue Kreation genau

Bedürfnisse, die später auf viele Nutzer zutref-

schmeckt. Der OSS-Entwickler dagegen kann

fen

während des gesamten Innovationsprozesses

werden. 24

Innerhalb

innovativer

U-

ser Communities bilden Lead User eine Kern-

am Rechner sitzen bleiben, seine Neuentwick-

gruppe, die sich aktiv um Innovationen bemüht

lung sofort ausprobieren, anderen Usern das

und sich auf verschiedene Weise an der Ent-

Produkt und sogar den Entwicklungsprozess in

wicklung beteiligt. Dabei kann man die Mitglie-

Form eines Protokolls zur Verfügung stellen.

der mit Lead User-Eigenschaften in zwei Grup-

Aus diesen Gründen, die den Fall der OSS so

pen unterteilen, die sich überschneiden. Zum

interessant und einfach dokumentierbar ma-

einen gibt es die User Innovatoren, die selber

chen, ist er als untypisch und daher problematisch anzusehen, um generelle Ansätze der

23

22

24

Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 61.

43

Vgl. Franke/ von Hippel/ Schreier 2006, S. 3f., Morrison/ Roberts/ von Hippel 2000, S. 1518f., Lüthje/ Herstatt/ von Hippel 2002. Lüthje/ Herstatt/ von Hippel 2002, S. 3.

Innovationen entwickeln. 25 Diese werden von

zum User Innovator. Zusätzlich zu den eigenen

der zweiten Gruppe mit Ideen und Verbesse-

Ressourcen nutzen User Innovatoren – wieder-

rungsvorschlägen

unterstützt,

26

wobei

um zu sehr geringen Kosten – das Wissen und

einer

die Ideen Gleichgesinnter in der Community.

Studie von Franke/Shah folgend mehr als zwei Drittel der assistierenden Gruppe selber auch

2.2 Informationstransfer in innovativen User-

User Innovatoren darstellen. 27

Communities

Die Erwartung eines relativ hohen Nutzens,

Wie in jedem sozialen Netzwerk gibt es auch

beispielsweise eine entscheidende Verbesse-

innerhalb von User Communities unterschiedli-

rung bei der Ausübung der bevorzugten Sportart

che Kommunikationswege. Hierzu gehören die

und dadurch möglicherweise Vorteile bei Wett-

Face-to-Face-Kommunikation, schriftliche Kom-

bewerben, 28 führt dazu, dass Lead User hoch

munikation, Telefonate und das Internet mit

motiviert sind, Problemlösungen zu entwickeln.

seinen

Zudem wissen sie genau, was sie mit der Inno-

unterschiedlichen

Möglichkeiten

wie

Nutzerforen, E-Mail und Chatfunktionen.

vation erreichen wollen. Ökonomisch gesehen Gerade im Bereich physischer Produkte und

haben sie hier also einen Kostenvorteil gegen-

ihrer Nutzung ist das persönliche Treffen jedoch

über Herstellern, die nicht von der Nutzung son-

nach wie vor von großer Bedeutung. Oft ist es

dern vom Verkauf profitieren, da hier die kosten-

für User Innovatoren viel einfacher, ihre Innova-

und zeitintensive Akquisition von Bedürfnisin-

tionsideen zu demonstrieren als sie mit Worten

formationen entfällt. Obwohl User Innovatoren

zu umschreiben oder Informationen anderweitig

ihre Bedürfnisse genau kennen, benötigen sie

aufzubereiten. Auch das entsprechende Feed-

oftmals weitere Informationen, um eine konkrete

back ist einfacher zu geben. Ein Beispiel aus

Problemlösung zu entwickeln. Durch Erfahrung

dem Sport soll das Problem, das dem Bereich

und intensive Beschäftigung mit ihrem Bereich,

„sticky information“

der bei Endkunden meist ein intensiv betriebe-

Kajakfahrer einen Kajak-Typ, der an das Kör-

eine Art Expertenwissen aufgebaut. Innerhalb

pergewicht des Fahrers individuell angepasst

der Community verbringen sie üblicherweise 29

zuzuordnen ist, veran-

schaulichen. In den 1980er Jahren entwickelten

nes Hobby ist, haben sie sich über längere Zeit

deutlich mehr Zeit als andere Mitglieder.

30

werden konnte. 31 Dieser neue Typ bot Vorteile

Die

beim Fahren von Tricks, war aber für weniger

größten Kosten, die einem User Innovator bei

erfahrene Sportler schlechter zu beherrschen,

der Ideengenerierung entstehen, sind also der

da das Boot weniger stabil im Wasser lag als

eigene Zeitaufwand und die damit verbundenen

herkömmliche Kajaks. Diese Vor- und Nachteile

Opportunitätskosten. Überschreitet der erwarte-

für einzelne Nutzer ließen sich am einfachsten

te Nutzen der Innovation die Opportunitätskos-

durch reale Testfahrten, beispielsweise bei

ten, so wird der Lead User aktiv und beginnt –

Wettkämpfen und Treffen mit anderen Kajakfah-

bewusst oder unbewusst – mit dem Entwick-

rern, herausfinden. Schriftlich oder telefonisch

lungsprozess, wenn er auf dem Markt keine für

wäre die Erfahrung wesentlich schwieriger zu

ihn passende Lösung gefunden hat und wird so

vermitteln gewesen und vor allem weitere Ver25 26 27 28

29

besserungen kaum möglich gewesen.

Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 162f. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 164. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 165. Auf die möglichen Negativ-Auswirkungen von Wettbewerb innerhalb von User Communities wird in Abschnitt 3 dieses Beitrags eingegangen. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 164.

30 31

44

Siehe auch Abschnitt 2 dieses Beitrags. Vgl. Baldwin/ Hienerth/ von Hippel 2006, S. 6.

Das Internet und besonders die immer schnelle-

frei verbreitet werden. 36 In der Fachliteratur

ren Breitbandverbindungen erleichtern heutzu-

findet sich hierzu das Stichwort „free revealing“

tage den Informationsaustausch und die Kon-

– freie Preisgabe von Information. Allen be-

takterhaltung unter Nutzern außerhalb von per-

schreibt dieses Phänomen für Unternehmen im

sönlichen Treffen. Das World Wide Web ermög-

Zusammenhang mit der „Collective Invention“ 37

licht den Aufbau von sozialen Strukturen unter

der Hochöfen in der Zeit der Industrialisierung.

Nutzern mit speziellen, vielleicht seltenen Inte-

Offenkundig entstehen User Innovatoren Vortei-

ressen über große geographische und gesell-

le, wenn sie Informationen der Gemeinschaft frei

schaftliche Entfernungen. Erfahrungsaustausch

zur Verfügung stellen.

kann zunehmend über Bilder und Videos erfol-

Innovatoren haben abgesehen von der Offenle-

gen, ohne dass dadurch nennenswerte Kosten

gung ihrer Ideen zwei Alternativen. Sie können

entstehen. 32 „Für fast alle Produktkategorien

sie komplett für sich behalten oder durch Paten-

(z. B. Wein, Kameras und Autos), Hobbies (z. B.

te bzw. Lizenzen schützen lassen. Im ersten Fall

Klettern, Musik und Schach) und Lebenssituationen

(z. B.

Ruhestand,

Schwangerschaft)

Krankheiten

können sie ihre Idee in Isolation weiterentwi-

und

existieren

ckeln, profitieren aber nicht vom Austausch mit

Onli-

anderen Nutzern. Letzteres ist relativ kostspie-

ne Communities, die einen großen Pool an Wissen und Nutzungserfahrung darstellen.“

33

lig, zumal der daraus resultierende finanzielle

Für

Nutzen eher gering und unsicher ist. Patente

die freiwilligen Software-Entwickler der OSS-

und Lizenzen lassen sich zu einfach umgehen,

Szene bieten die Online Communities Arbeits-

um einen wirksamen Schutz für den Innovator

platz, Werkzeug und Treffpunkt zugleich. Physi-

zu bieten.

sche Produkte können dagegen nicht online

38

Zudem sind User Innovatoren zu-

nächst weniger daran interessiert, ihre Idee zu

produziert und verbreitet werden. 34 Deren Nut-

vermarkten und so finanzielle Gewinne zu erzie-

zer verwenden vor allem Internetforen (sog.

len. Vielmehr geht es darum, von der Nutzung

Message Boards) und Chat Rooms, um Kontakt

der eigenen Innovation zu profitieren, da der

miteinander aufzunehmen, zu kommunizieren

Nutzer mit den vom Markt verfügbaren Lösun-

und Informationen in Form von Beschreibungen,

gen nicht zufrieden ist. 39

Skizzen, Videos oder Ähnlichem. Einige OnliDie Mitgliedschaft in einer Community bietet den

ne Communities organisieren auch Treffen in

Innovatoren laut Franke und Shah zwei Schlüs-

der realen Welt, damit die Mitglieder sich per-

selvorteile:

sönlich kennen lernen. Laut Füller zeigt dies, wie stark die sozialen Bindungen unter Nutzern auch in der virtuellen Welt sein können.

35

„(1) other community members offer assistance

Ein

directly; and

weiterer Grund für den Weg in die reale Welt

(2) other community members refer the innova-

könnte das Bedürfnis oder die Notwendigkeit

tor to individuals they know outside of the com-

direkten Austauschs sein.

munity.” 40

Für Ökonomen etwas überraschend war die

Wenn die User Innovatoren Angaben über den

Erkenntnis, dass Informationen innerhalb von

Fortbestand ihrer Innovation offenlegen, setzen

User Communities grundsätzlich kostenlos und 36 32 33 34 35

37

Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 61. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 61. Vgl. Abschnitt 2 dieses Beitrags. Füller/Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 64.

38 39 40

45

Vgl. von Hippel 2004, S. 12f. Vgl. Allen 1983, S. 11. Vgl. Lüthje/ Herstatt/ von Hippel 2002, S. 4f. Vgl. Lüthje 2000, S. 5. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 164.

Wertgewinn gegenüber steht. Beispiele für zu

sie das vorläufige Ergebnis damit dem Lob und 41

Diese tragen

kostenintensive Kommunikation könnten unan-

aber zumeist konstruktiv zum Innovationspro-

gemessen hohe Mitgliedsbeiträge für formelle

zess bei und verhelfen dem Innovator mit Ideen

User Communities oder hohe Sprachbarrieren

und eigenen Erfahrungen zu weiteren Produkt-

sein. Zum anderen verringert Konkurrenz zwi-

verbesserungen. Bei der Untersuchung ver-

schen den Mitgliedern die Wahrscheinlichkeit

schiedener

entdeckten

der Preisgabe von Informationen. Franke und

Franke und Shah, dass zwei Drittel der „assistie-

Shah zeigen am Beispiel verschiedener Sport-

renden“ Community-Mitglieder selbst Innovato-

ler-Communities, dass die Bereitschaft Informa-

ren waren und von den Innovatoren fast die

tionen frei zur Verfügung zu stellen und anderen

der Kritik anderer Nutzer aus.

Sportler-Communities

42

Insge-

bei Innovationen zu assistieren in Gruppen mit

samt unterstützten in der Studie fast 40 Prozent

stärkerem Wettbewerb weniger ausgeprägt ist

der Community-Mitglieder andere bei Innovatio-

als in Gruppen, in denen wenig Konkurrenz-

nen, und die Zufriedenheit mit der Hilfeleistung

druck herrscht.

war äußerst hoch. 80 Prozent der befragten

eine

Innovatoren gaben an, die Hilfe derselben „As-

ser Communities anstreben, sollten sich im Vor-

sistenten“ gerne wieder in Anspruch zu neh-

feld mit deren Eigenschaften und Spielregeln

Hälfte anderen Innovatoren weiterhalf.

men.

43

46

Hersteller-Unternehmen, die

Zusammenarbeit

mit

privaten

U-

vertraut machen.

Beide Seiten – also Innovatoren und die „assis-

3

tierenden“ User – erhoffen sich durch die Mitar-

Inspiration für die Hersteller

Eines der größten Probleme innovativer Herstel-

beit an Innovationen auch eine Verbesserung

ler ist die mangelnde Nähe zum Markt. 47 Innova-

ihres Ansehens bei anderen Mitgliedern der

tive Bedürfnisse der Nutzer sind oft nicht be-

Community. Sie wollen sozusagen in der sozia-

kannt und werden daher spät oder gar nicht mit

len Rangfolge ein Stück höher klettern und ge-

neuen Produkten oder Dienstleistungen bedient.

nießen die Anerkennung, die ihnen von anderen

Von Hippel sieht die Gründe dafür im Informati-

Nutzern zuteil wird. 44 Neben diesen sozialen

onstransfer zwischen Nutzern und Herstellern:

Faktoren, zu denen auch die Vorstellungen von

„When information is sticky, innovators tend to

Fairness und Solidarität in einer Gemeinschaft

rely largely on information they already have in

zählen, stehen für viele Innovatoren Spaß und

stock.” 48 Als Konsequenz dieser Informationsa-

Freude am Problemlösen und an der Aufgabe

symmetrie gibt es einen qualitativen Unterschied

selbst im Vordergrund. 45 Bei Endkunden gehört

zwischen User- und Manufacturer-Innovationen.

das Erweitern und Ergänzen bestehender Lö-

Nutzer entwickeln eher Innovationen, die neuar-

sungskonzepte oft zum Hobby.

tig in ihrer Funktionalität sind und eine große

Zwei Faktoren können eine fruchtbare Zusam-

Menge Nutzerbedürfnis-Informationen und Nut-

menarbeit bezüglich der Innovationen in der

zungskontext-Informationen erfordern. Im Ge-

Community jedoch unterminieren. Zum einen

gensatz dazu tendieren Manufacturer dazu,

sollte die Kommunikation keine zusätzlichen

Innovationen zu entwickeln, die bereits bekann-

Kosten verursachen, denen kein adäquater

te Bedürfnisse besser befriedigen und vor allem

41 42 43 44 45

Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 66. Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 165. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 166. Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 65. Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 66.

46 47 48

46

Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 169. Siehe Abschnitt 1 dieses Beitrags. Von Hippel 2004, S. 70.

Informationen zur Problemlösung erfordern. 49

Lead User-Eigenschaften nutzen Franke et al.

Neuartige Funktionen, die neuartige Bedürfnisse

die ressourcenbasierten Variablen „technical

der Nutzer befriedigen, dürften für Hersteller

expertise“ und „availability of support from a

also am ehesten bei User Innovatoren zu finden

user community“. 53 Abhängig davon, was genau

sein. Diese lassen sich über User Communities

man herausfinden möchte, empfehlen sie unter-

ausfindig machen, in denen sie aktiv sind. U-

schiedliche Kombinationen und Schwerpunkt-

ser Communities sind nicht nur leichter zu fin-

setzungen bei den Suchkriterien. Um besonders

den als isolierte Innovatoren oder Erfinder, sie

attraktive User Innovationen aus einem be-

bieten auch den Vorteil, mehrere Nutzer mit

grenzten Feld von innovativen Usern zu ermit-

gleichen oder wenigstens ähnlichen Bedürfnis-

teln, empfehlen sie nach zukünftigen Markt-

sen zu vereinen

50

trends Ausschau zu halten. 54 Es ist jedoch frag-

und somit schon einen klei-

nen Markt darzustellen.

lich, inwieweit sich diese Instrumente als praxistauglich herausstellen werden. Insbesondere

Hersteller, die sich an Innovationen aus U-

Markttrends sind im Vorhinein nicht leicht zu

ser Communities wagen, sollten das Marktpo-

identifizieren.

tenzial möglichst genau abschätzen, bevor sie

Die

Beobachtung

von

U-

ser Communities und deren Entwicklung kann

mit der Innovation an den Markt gehen. Ein Vor-

aber zumindest erste Orientierungsansätze bie-

teil der etablierten Hersteller gegenüber U-

ten.

ser Manufacturers liegt darin, dass sie bereits über kapitalintensive Technologien – also bei-

Das Internet eröffnet neue und vor allem kos-

spielsweise automatisierte Produktionsmaschi-

tengünstige Möglichkeiten für Hersteller, inte-

51

ressante User Communities online ausfindig zu

Allerdings muss der Markt mit zahlungswilligen

machen und zu beobachten. Schon eine Stich-

potenziellen Nutzern entsprechend groß sein,

wortsuche nach dem entsprechenden Produkt-

damit sich die Massenproduktion lohnt und die

bzw. Aktivitätsfeld dürfte eine Auswahl von In-

Herstellerunternehmen mit User Manufacturers,

ternetplattformen als Ergebnis haben, die in

die „nebenher“ kleinere Stückzahlen herstellen

einem nächsten Schritt näher untersucht und

und an Gleichgesinnte verkaufen, konkurrieren

dann gemäß ihrer Attraktivität beurteilt werden

können. Franke et al. versuchten auf Grundlage

kann. Eine erste Analyse kann dabei von außen

ihrer Studie über Innovationen bei Kitesurfern

– also ohne Einverständnis der Plattform-

eine Methode zu entwickeln, mit der sich kom-

Betreiber und ihrer Mitglieder – über die Eigen-

merziell besonders attraktive User Innovationen

schaften der gesamten User Community vorge-

nen – für die Massenproduktion verfügen.

52

Zu diesem Zweck zeigen

nommen werden. Alternativ bzw. in einem weite-

sie vier Suchkriterien auf, nach denen U-

ren Schritt kann das Einverständnis der Betrei-

ser Communities bzw. deren Mitglieder selek-

ber und Nutzer eingeholt werden, so dass indi-

tiert werden sollen. Zum einen sollen die

viduelle Eigenschaften beispielsweise anhand

Lead User-Eigenschaften

von Nutzerprofilen analysiert werden können.

identifizieren lassen.

„ahead

of

market

trends“ und „high expected benefits from innova-

Wenn nicht nur nach den neuesten Trends am

tion“ auf eine erhöhte kommerzielle Attraktivität hindeuten. 49 50 51 52

Ergänzend

zu

den

Markt geforscht werden soll, steht im Anschluss

klassischen

an eine Analyse der potenziell in Frage kommenden Online Communities die Entscheidung

Vgl. von Hippel 2004, S. 70. Vgl. Baldwin/ Hienerth/ von Hippel 2006, S. 3. Vgl. Baldwin/ Hienerth/ von Hippel 2006, S. 22. Vgl. Franke/ von Hippel/ Schreier 2006, S. 3.

53 54

47

Franke/ von Hippel/ Schreier 2006, S. 22. Franke/ von Hippel/ Schreier 2006, S. 22.

über eine mögliche Zusammenarbeit mit einer

schaft sich auflöst und ihr Potenzial damit verlo-

oder mehrerer solcher User Communities. Füller

ren geht.

et al. unterscheiden zwei Möglichkeiten der In-

Im Fall der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit

tegration von User Communities: „(1) the virtual

User Communities ist die Gefahr einer Commu-

integration of community members for specific

nity-Auflösung auf Grund von Konkurrenzdruck

innovation tasks from time to time, and (2) the

ebenfalls sehr gering. Da eine konsequente und

continuous collaboration with online communi-

umfassende Beobachtung und Auswertung des

ties as a permanent source of new ideas and

Geschehens innerhalb der Gruppe von dem

co-developers of new products”. 55 Um spezielle

beteiligten Unternehmen große personelle und

Aufgaben von User Innovatoren lösen zu las-

finanzielle Ressourcen in Anspruch nehmen

sen, können Hersteller-Firmen Anreize setzen.

würde, schlagen Füller et al. vor, einen perma-

Beispielsweise können sie virtuelle Toolkits (A-

nenten Link auf den virtuellen Plattformen der

sel/ Steinmetz, 94ff.) zur Verfügung stellen, die

betreffenden Communities zu etablieren. 56 Die

die Entwicklung von Innovationen erleichtern

Mitglieder der Community können dadurch bei

und möglicherweise auch den „Spaßfaktor“ auf

Bedarf unkompliziert Kontakt mit dem Hersteller-

Seiten der Nutzer erhöhen können. Mit sog.

Unternehmen aufnehmen und sich aktiv einbrin-

Innovations- oder Designwettbewerben können interessierte

User Innovatoren

zu

gen. Bei diesem Vorgehen besteht allerdings die

kreativen

Gefahr, dass wichtige Entwicklungen verpasst

Höchstleistungen angespornt werden. Herstel-

werden, weil sie nicht von Usern an das Unter-

ler-Unternehmen, die mit User Communities

nehmen weitergeleitet wurden. Es empfiehlt sich

zusammenarbeiten, müssen sich jedoch im

also zusätzlich eine regelmäßige Beobachtung

Klaren darüber sein, dass sie in diesem Moment

der Aktivitäten innerhalb der Community.

einen Eingriff in die Community vornehmen, der ihre

Eigenschaften

entscheidend

Längst nicht alle User Communities – auch nicht

verändern

alle virtuellen – dürften so leicht zugänglich sein,

kann. Ein Wettbewerb oder allein das Bewusst-

wie die von Füller et al. beschriebenen Basket-

sein, dass ein renommierter Hersteller den Ent-

ball-Communities. In bestimmten Produktberei-

wicklungsprozess beobachtet, kann zu einem

chen legen Nutzer großen Wert auf Unabhän-

verstärkten Konkurrenzdruck unter den Mitglie-

gigkeit und reagieren möglicherweise sehr miss-

dern führen. Konkurrenz wiederum verringert die

trauisch gegenüber kooperations-willigen Her-

Bereitschaft, sein Wissen mit anderen freiwillig

stellerfirmen. Ein Beispiel könnte der Bereich

und kostenlos zu teilen. Damit gehen die ent-

Bio-Lifestyle sein, in dem Nutzer große Vorbe-

scheidenden Synergieeffekte der Gruppe – kon-

halte gegenüber bestimmten Konzernen hegen.

struktive Kritik, kein redundantes Suchverhalten

Dennoch gibt es auch in solchen Bereichen ein

von einzelnen Innovatoren usw. – verloren, und die Fruchtbarkeit der Zusammenarbeit sinkt und damit verbunden die Attraktivität der entwickel-

Kommerzialisierungspotenzial.

Hersteller-

Unternehmen

mit

können

hier

ser Manufacturern kooperieren und bestimmt

ten Lösungen. So lange allerdings nur ein Teil

Produktionsschritte übernehmen oder Teile zu-

der Community beteiligt ist und Wettbewerbe

liefern.

nicht ausufernd ausgefochten werden, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Gemein-

55

U-

56

Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 70.

48

Vgl. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007, S. 70.

4

Begrenzte Demokratisierung von

ternet sollte man jedoch nach wie vor auf

Innovationen im Internet

Schwierigkeiten bei der Suche nach einer repräsentativen User Community mit hohem Senio-

Zusammenfassend kann man feststellen, dass

renanteil stoßen. Die ältere Generation ist bei

durch die stetig zunehmende Verbreitung des

den so genannten „Onlinern“ weiterhin unterrep-

Internet große Potenziale im Bereich der innova-

räsentiert. 61 Der Trend geht jedoch zum „Silver

tiven User Communities entstanden sind. Der

Surfer“, da immer mehr über 60-Jährige das

Wissenschaft steht nun ein weites Feld zur Er-

Internet für sich entdecken. 62 Auch die weibliche

forschung von User Communities im WWW

Bevölkerung scheint bisherigen Studien zu Fol-

offen. Bisher sind allerdings erst wenige Studien

ge nicht besonders innovationsfreudig zu sein.

bekannt 57 , die sich mit der Verbindung von Online User Communities

und

In der Studie von Franke und Shah liegt der

Hersteller-

durchschnittliche

Unternehmen im Internet außerhalb der OSS-

23 Prozent.

Problematik befasst. Da sich die Forschung zu

63

Frauenanteil

bei

nur

Auch hier wären Vergleichsstu-

dien aus anderen Bereichen, wie beispielsweise

innovativen User Communities bisher vor allem

Hand-, Haus- oder Bastelarbeiten vermutlich

auf Sportenthusiasten konzentrierte, ist eine

aufschlussreich.

Vergleichsstudie aus anderen Produktbereichen dringend notwendig, um die Übertragbarkeit der

Selbst wenn in der Forschung alle Bevölke-

bisherigen Erkenntnisse auf andere Bereiche zu

rungsgruppen in Bezug auf ihre Beteiligung an

prüfen. Zu diesem Vergleichbarkeitsproblem

innovativen User Communities untersucht wä-

gesellt sich mit dem Internet die Problematik des

ren, würde sich wahrscheinlich zeigen, dass

Digital Divide. In Deutschland sind derzeit knapp

insbesondere bei den User Innovatoren ver-

61 Prozent der Bevölkerung online, 58 weltweit

schiedene demographische Merkmale sehr un-

nur etwa 19 Prozent.59 Von einer echten De-

gleich verteilt sind. Wer sich innovativ betätigt

mokratisierung, die alle Bevölkerungsteile und

braucht Ressourcen wie Zeit und Geld, die nicht

damit alle potenziellen Kunden einbezieht, kann

allen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Zu-

also keine Rede sein.

dem ist es gut möglich, dass User Innovatoren sich von eher passiven Nutzern in bestimmten

Eine für die Zukunft zumindest der westlichen

Charaktereigenschaften unterscheiden,

Märkte äußerst bedeutsame Zielgruppe fällt bei

64

ähn-

lich wie manche Theorien dies von Entrepre-

der User Community-Forschung bisher durch

neur-Persönlichkeiten behaupten.

alle Raster: die Gruppe der Älteren, bisweilen als 55Plus bezeichnet. Bei den von Franke und

Unternehmer, die Kooperationen mit innovativen

Shah untersuchten vier User Communities aus

User Communities anstreben, sollten sich be-

dem Sportbereich lag das Durchschnittsalter der

wusst sein, dass nicht alle relevanten Zielgrup-

Befragten stets unter 40 Jahren, in zwei Fällen

pen in solchen Netzwerken vertreten sein wer-

mit etwa 25 Jahren und knapp 23 Jahren sogar

den. Dennoch macht es Sinn das innovative

Dies könnte mögli-

Potenzial, das sich insbesondere durch die

cherweise am Produktbereich Sport liegen. Eine

Ausbreitung des Internet erschließt, auszu-

Vergleichsstudie wäre also angebracht. Im In-

schöpfen. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu

sehr deutlich darunter.

57 58 59

60

60

Z. B. Füller/ Jawecki/ Mühlbacher 2007. Vgl. van Eimeren/ Frees 2007, S. 364. http://www.internetworldstats.com/stats.htm (letzter Abruf: 31.11.2007) Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 162.

61 62 63 64

49

Vgl. van Eimeren/ Frees 2007, S. 364. Vgl. van Eimeren/ Frees 2007, S. 363. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 162. Vgl. Lüthje 2000, S. 21.

bleiben ist eine Orientierung an den potentiellen

communities, in: Journal of Business Re-

Kunden

search 60 (2007), S. 60-71.

notwendig,

wobei

innovative

U-

ser Communities dabei zumindest Anhaltspunk-

Hamerly, J./ Paquin, T./ Walton, S. (1999): Free-

te liefern, wenn nicht sogar „vollwertige Koope-

ing the Source: The Story of Mozilla, in:

rationspartner“ sein können.

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Innovation creation by online basketball

55, S. 63-78. 50

Kurt Uwe Stoll Collective Invention als Imperativ für moderne Innovationstätigkeit 1

Innovation als Quelle der Prosperitäton Unternehmen

2

Collective Invention – Definition und Abgrenzung

3

Theoretische Erklärungsansätze für das Auftreten der CI

4

Software-Development-Kits und Crowdsourcing als moderne Treiber der CI

5

CI als Bestandteil einer „Balanced Scorecard“ moderner Innovationstätigkeiten

1

Innovation als Quelle der Prosperität

onsprozess angereichert werden kann: Kunden,

von Unternehmen

Lieferanten, unabhängige Forschungsinstitute und andere, sogar konkurrierende Unternehmen

Zur Erreichung der Kundenorientierung, die als

werden in den Innovationsprozess einbezogen.

zentrale Maxime im Marketing fungieren sollte, 1

Das Paradigma "Offene Innovation" und die

stellt die Herausarbeitung komparativer Konkur-

dahinterstehenden Überlegungen und Konzepte

renzvorteile durch innovative Produkte oder

sind dabei jedoch, ungeachtet des in der jüngs-

Dienstleistungen die zentrale Handlungsanfor-

ten Zeit gestiegenen Bedeutungszuwachses,

derung an Unternehmen dar. 2 In einer unter-

der sich in einer großen Zahl an Publikationen

nehmerischen Wirklichkeit, die sich aufgrund

und Spezialausgaben renommierter Wissen-

exponentiell wachsender Geschwindigkeit tech-

schaftsmagazine widerspiegelt, alles andere als

nologischer Entwicklungen mit immer kürzer werdenden

Produktlebenszyklen

neu. Bereits Anfang der achtziger Jahre wurde

konfrontiert

eine Ausprägung offener Innovationstätigkeit

sieht, sind Innovationen Kernbestandteil des

von Robert Allen im Rahmen der "Collective

Marketing als Unternehmensfunktion. 3 So er-

Invention" (CI) beschrieben. 5

kannte Schumpeter bereits 1939 eine bis heute

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, im folgen-

gültige betriebswirtschaftliche Wahrheit:

den das Phänomen der CI flankiert von realen

"Innovationen bilden die Basis für ökonomischen

Beispielen zu definieren und entscheidende

Wandel und Wohlstand und stellen deshalb den

Wirkmechanismen aufzuzeigen. Im dritten Teil

hervorstechenden Faktor zur Sicherung der

der Arbeit wird sodann versucht die CI theore-

Überlebensfähigkeit von Unternehmen dar. Sie

tisch zu fundieren. Dabei werden neben Erklä-

liegen allen anderen Erfolgsfaktoren wirtschaftli-

rungsmodellen aus der Spieltheorie Konzepte

chen Handelns zugrunde."

4

der Netzwerkökonomie sowie evolutionäre An-

Nun erfolgt die Innovationstätigkeit in einer klas-

sätze integriert. Hiernach erfolgt eine Diskussion

sischen Betrachtungsweise ausschließlich an-

von Vorteilen und Gefahren die aus einer Betei-

hand

In

ligung an Prozessen der CI erwachsen. Im vier-

einem strukturierten Prozess werden Leistungen

ten Abschnitt erfolgt eine Betrachtung des Phä-

generiert mit dem Ziel Preisbereitschaft beim

nomens kollektiver Innovationen aus aktueller

Nachfrager

Sicht.

unternehmensinterner

abzuschöpfen.

Ressourcen:

Eine

modernere

Sichtweise eröffnet dem Unternehmen aber auch externe Quellen, mit denen der Innovati1 2 3 4

Weiber 2002, S. 17. Weiber 2002, S. 17. Weiber 2002, S. 7. Vgl. Schumpeter 1939, S. 86.

5

51

Allen 1983, S. 12.

gen, die zu verschmelzenden Teile wurden ver-

2 Collective Invention - Definition und

wechselt. Magritte will auf die Gefahren und

Abgrenzung

Schwierigkeiten hinweisen, die entstehen, wenn Collective Invention als "kollektive Erfindung" zu

Innovation nicht durch einen einzelnen Erfinder

übersetzen führt nur über Umwege zum Ziel.

mit dem Blick für den Gesamtkontext geschieht,

Der deutsche Terminus „Offene Innovation“ trifft

sondern auf der Zusammenarbeit mehrerer Er-

am ehesten das, was in der Literatur darunter

finder beruht.

verstanden wird. Wichtige Anmerkung: Offene

Aus betriebswirtschaftlicher Betrachtung um-

Innovation sei hier ausdrücklich vom Begriff

fasst Collective Invention im Wesentlichen die

„Open Innovation“ abgegrenzt, der in seiner

Offenlegung technischer Fortschritte in einem

engeren Definition vor allem den Einbezug von

Produktverbesserungs- oder Erfindungsprozess.

Konsumenten in den Innovationsprozess be-

Dies umfasst dabei neben der Bereitstellung von

schreibt. 6

Output- oder Ergebnisgrößen wie Effizienzwer-

Eine über die Ökonomie hinaus gehende Be-

ten bzw. Leistungsspezifika auch und in beson-

trachtung führt dazu, dass die Erstverwendung

derer Weise die Inputseite, also Angaben zur

des Begriffs „Collective Invention“ dem Surrea-

Erstellung der entsprechenden Lösungen.

listen René Magritte zuzuordnen ist. Er stellt in

Allen führt 1983 den Begriff Collective Invention

seinem 1935 entstandenen Werk „L’invention

als vierte erfindende Institution neben nicht

collective“ eine an den Strand gespülte Chimäre

kommerziellen Institutionen wie Universitäten

aus Mensch und Fisch dar.

oder staatlichen Forschungseinrichtungen, Forschungsabteilungen in Firmen oder dem Erfinder als Person in die Literatur ein. 7 Als Beispiel verweist er auf die historische Zusammenarbeit der Stahlindustrie im englischen Distrikt Cleveland Mitte des 18. Jahrhunderts, wobei damals primär die Steigerung der Effizienz von Hochöfen durch Verringerung des erforderlichen Werkstoffeinsatzes bzw. eine Verbesserung der

Bei der Betrachtung dieses Bildes springt vor

Brenneigenschaften im Innovationsfokus stand. 8

allem ins Auge, dass Magritte sich von der gän-

Für das Entstehen von Collective Invention wa-

gigen Konvention der Darstellung der Meerjung-

ren damals zwei Besonderheiten entscheidend,

frau mit menschlichem Oberkörper und einem

die diese Entwicklung begünstigten: Zum einen

aus einer Fischflosse bestehenden Unterkörper

ist die Funktionsweise des Produktionsprozes-

lossagt und die Kombination umdreht: Seine

ses nicht deterministisch abzubilden, es gibt

Meerjungfrau hat menschliche Beine und eine

also keine physikalische Beschreibung der me-

fischartigen Oberkörper. Ein Interpretationsver-

tallurgischen Prozesse, die sich beherrschbar

such könnte sich hier wie folgt ergeben: Magrit-

9 und zielführend optimieren ließe. Effizienzstei-

tes Anliegen ist die Darstellung der Komplikatio-

gerungen sind also nur im Trial-and-Error Ver-

nen, die beim gemeinsamen Erfinden entstehen

fahren zu erreichen, welches unternehmensin-

können. So ist in diesem Fall etwas beim Zu-

tern weniger dynamisch und fruchtbar ist als

sammensetzen der Meerjungfrau schief gegan7 8 6

9

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 96.

52

Allen 1983, S. 1. Allen 1983, S. 3. Vgl. Allen 1983, S. 12.

unter Beteiligung vieler Firmen. Darüber hinaus

Speziallösungen Open Source zu ihrem KKV

war das Verfahren nicht patentierbar, sodass

gemacht haben. 16 Das Neue an OSS ist, dass

eine Nicht-Offenlegung von Fortschritten Pio-

sich die Entwicklung derselben durch das Auf-

nierunternehmen keine oder nur kurzfristige

kommen des Internets globalisiert hat: Durch

monetäre Vorteile verschafft hätte.

10

moderne Kommunikationsformen und die Imma-

Der zweite populäre Fall betrifft die Entwicklung

terialität des Produktes zerschmelzen geogra-

des Personal Computer im Silicon Valley wäh-

phische Hindernisse, die Entwicklergemeinde ist

rend der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahr-

international verstreut. 17

hunderts. 11 Der initialen Erfindung des Mikro-

Zusammenfassend erscheinen folgende Kern-

prozessors folgte die Bildung einer Community

aspekte für Collective Invention charakteris-

um das Thema herum: Der „Homebrew Compu-

tisch: 18

ter Club“. 12 In vereinsartiger Manier trafen sich

Eine neue Technologie oder Erfindung entsteht

Interessierte und tauschten sich, unter dem

um diese Technologie herum bildet sich eine

Vorzeichen allgemeinen Teilens der Fortschritte

Interessengemeinschaft unterschiedlicher Ak-

beim Experimentieren mit Computertechnologie,

teure, wobei diese nicht zwingend wirtschaftlich

aus. In diesem Fall geht es nicht um das Erzie-

motiviert sein muss

len von Kostenvorteilen durch Effizienzsteige-

in einem informellen Prozess wird die Technolo-

rungen, sondern um den festen Glauben an eine

gie weiterentwickelt und sowohl Input- als auch

neue Technologie und ihr Potential. Hervorzu-

Outputdaten offengelegt durch die Offenheit des

heben ist hierbei, dass gerade die Unsicherheit,

Prozesses wird eine höhere Innovations- oder

in welche Richtung sich die Technologie entwi-

Inventionsdynamik realisiert

ckeln würde, hierbei konstituierend für das Auf-

Collective Invention erfordert zumindest bei

treten von CI war.

13

einem treibenden Teil der Akteure reziproke

Das dritte Beispiel beschäftigt sich mit einem

Austauschbeziehungen

Phänomen, das heutzutage weite Verbreitung

das Auftreten von CI kann man häufig in Zu-

gefunden hat und mehr denn je im Betrach-

sammenhang mit der Schaffung einer Basis-

tungsfokus von Wissenschaft und Unterneh-

technologie bringen, die einen Paradigmen-

menspraxis

wechsel einläutet

steht:

Open

Source

Software

(OSS). Ausgehend von einem rechtlichen Rah-

Zu Stufe 1: „Eine bestimmte Technologie ent-

men, der die freie Weitergabe und -entwicklung

steht“.

14

ent-

Das Auftreten der neuen Technologie stellt bild-

standen in jüngerer Zeit Produkte, welche kom-

lich gesprochen die Initialzündung dar. Eine

merziellen Lösungen in vielfacher Hinsicht e-

patentrechtliche Beschränkung würde weitere

benbürtig sind. Zentral ist hier das produktive

offene Entwicklungen im Keim ersticken. Die

Nebeneinander

nicht

Unsicherheit über den Fortgang des Innovati-

zwangsläufig nur altruistisch motiviert an der

onsvorhabens wird im Fall 2 als entscheidend

von Softwarequelltext fördert und fordert,

von

Individuen,

die 15

und

angesehen: Würden klare Lösungsspezifikatio-

Firmen, welche mit dienstleistungsorientierten

nen bestehen, so ist eine "geschlossene" Ent-

Weiterentwicklung der Software arbeiten

wicklung wirtschaftlich sinnvoller. 10 11 12 13 14 15

Allen 1983, S. 2. Meyer 2003, S. 12. Meyer 2003, S. 12. Meyer 2003, S. 15. Henkel 2003, S. 6. Meyer 2003, S. 21; Hars/ Ou 2003; Rossi 2006

16 17 18 19

53

Henkel 2003, S. 2. Meyer 2003, S. 6. Vgl. Meyer 2003, S. 15. Vgl. Meyer 2003, S. 15.

19

Zu Stufe 2: „Um sie herum bildet sich eine Inte-

zu betreten, dürfte frühe "Kollektive Innovatoren"

ressengemeinschaft von Firmen oder Perso-

beseelt haben. Ähnlich stellt sich die Beantwor-

nen“. Die sich darum bildende Gemeinschaft

tung der Frage nach der Motivation im "Ho-

von Interessierten ist durch die Offenlegung

mebrew Computer Club" dar: Eine gemeinsame

prinzipiell zwar nicht beschränkt, wird jedoch

Faszination für Technologie und die Auslotung

durch den Fokus der Teilnehmenden definiert.

der sich daraus ergebenden Möglichkeiten führ-

Als interessanten Aspekt ist hierbei weiterhin zu

te zu einem gemeinsamen "Spirit", der die wei-

nennen, dass die Globalisierung der Zusam-

tere Entwicklung beflügelte. 23

menarbeit erst durch Senkung der kommunikati-

Zu 4: „in einem informellen Prozess wird die

ven Transaktionskosten, die durch die Fort-

Technologie weiterentwickelt“

schritte der modernen Kommunikationstechno-

Die eigentliche Offenlegung macht den Kern von

logie, ermöglicht wurde. Abbildung 1 erläutert

CI aus. Wichtig hierbei ist, dass CI keinen insti-

den Zusammenhang: Während die Transakti-

tutionellen Rahmen erfordert, sondern auch frei

onskosten für Informationsübertragung im spä-

ablaufen kann. Hier sind auch klare Grenzen zu

ten 20. Jahrhundert noch hoch waren, ist seit-

verwandten Themen aus dem Bereich anzu-

dem eine kontinuierliche Abnahme festzustellen.

merken. "Open Innovation" als Metabegriff zu CI

Diese erfuhren einen weiteren dramatischen

anzusehen wäre sodann zulässig, wenn deren

Einbruch mit dem Aufkommen des Internets,

enge Definition in der Literatur dahingehend

welches Daten- und damit zuerst Nachrichten-

erweitert würde, dass anstatt Kunden nun auch

sowie heute auch Sprachübermittlung quasi

verschiedene andere Akteure den Innovations-

20

Gerade die nahezu kosten-

prozess aktiv begleiten und der Fokus vom Un-

lose globale Kommunikation über das Internet

ternehmen auf den Innovationsprozess an sich

schaffte die Voraussetzung, auf denen die Ar-

richtet.

kostenlos macht.

beit von Open-Source-Communities beruht.

21

Zu 5: „durch die Offenheit des Prozesses wird

Die Motivationen, an einem CI-Prozess teilzu-

eine höhere Innovations- oder Inventionsdyna-

nehmen, sind heterogen auseinanderzuhalten.

mik realisiert“

Zum Einen lässt sich am klassischen Beispiel

Dieser Punkt bekommt beim Betrachten der bei

von Allen der augenfällige Vorteil erkennen, den

CI potentiell auftretenden Risiken ein Profil: Man

Unternehmen haben, wenn sie Zugriff auf Er-

sollte mögliches illoyales Verhalten von Teil-

kenntnisgewinne

nehmern

anderer

Unternehmen

be-

einkalkulieren,

Transaktionskosten,

kommen. Weiterhin steigert eine maßgebliche

welche durch die interinstitutionale Kommunika-

Rolle in einem solchen Prozess als "primus inter

tion entstehen, berücksichtigen. Grundsätzlich

pares" oder an der technologischen Spitze Ste-

ist aber leicht ersichtlich, dass bei einem zielof-

hender Akteure das Selbstwertgefühl, was nicht

fenen, kreativen Prozess die Dynamik durch die

nur auf Einzelpersonen sondern auch auf Un-

Beteiligung vieler Akteure verbessert werden

ternehmen bzgl. der Selbstwahrnehmung zu-

kann.

22

Ein Aspekt, der auch nicht zu vernach-

Zu 6: Wenn sich Firmen oder Personen an CI

lässigen ist, ist mit einem entrepreneurhaften

beteiligen, erwarten sie von anderen Teilneh-

Antrieb verbunden: Das Gefühl, technologisches

mern eine Gegenleistung für das von ihnen of-

Neuland zum Wohle der Nation oder der Region

fengelegte Wissen. Damit kann man zusam-

trifft.

20 21 22

menfassend sagen, dass CI ein Prozess ist, Weiber 2002, S. 285. Lerner/ Tirole 2004, S. 6. Meyer 2003, S. 21.

23

54

Meyer 2003, S. 13.

welcher auf Gegenseitigkeit beruht. Befürchtet

dung 1 dargestellt wird. Die Betrachtung setzt

eine teilnehmende Institution übervorteilt zu

die Annahme voraus, dass die Einführung mo-

werden, so wird sie sich aus dem Prozess der

derner Kommunikationsmittel einen, die Trans-

Offenlegung zurückziehen bzw. das Engage-

aktionskosten für CI senkenden Einfluss hat.

ment reduzieren.

Durch die Möglichkeiten dieser „modernen“

Zu 7: „das Auftreten von CI kann man häufig in

Kommunikationsformen wurde der Aktionsradius

Zusammenhang mit der Schaffung einer Basis-

von CI stark ausgedehnt. In der in dieser Heuris-

technologie bringen, die einen Paradigmen-

tik dargestellten Phase 1, der vortelekommuni-

wechsel einläutet“

kativen Phase, sind die Transaktionskosten für

Dieser Sachverhalt ist in Bezug auf den Fall

CI hoch und CI findet vornehmlich lokal statt.

"Personal Computer" naheliegend. Die moderne

Phase 2 bildet die Ausbreitung des Telefons ab,

Informationstechnologie kann als "Schrittma-

durch welche die Transaktionskosten für CI

cher" der heutigen Wirtschaftssysteme sowie als

schon erheblich gesenkt wurden und die Be-

Basistechnologie und Ausgangspunkt für viele

schränkung des Phänomens auf lokale Zusam-

24

Das

menarbeit abgeschwächt wurde. Phase 3 mar-

Aufkommen von Open Source Software bildete

kiert nun den Eintritt in das „globale Dorf“ ver-

die Basis einzelner bedeutender Technologien,

netzter Zusammenarbeit, die Phase der Inter-

auf denen unsere Kommunikation über das In-

net-Kommunikation. Diese Phase, in der wir uns

weitere Innovationen angesehen werden.

25

Auch der Stahlindustrie

zur Zeit befinden, führt zu einer radikalen Ver-

kann eine solche Bedeutung zugeschrieben

einfachung von Zusammenarbeit durch gesun-

werden: Sie legte das Fundament für den Aus-

kene Transaktionskosten. Beispielhaft sei hier

bau des Bahnverkehrs, der die Warenströme

das Potential kostengünstiger globaler Video-

des frühen 20. Jahrhunderts beförderte.

konferenzen im Vergleich zu früher anzutreten-

ternet heute beruht.

den Geschäftsreisen erwähnt. Insgesamt ergibt sich hieraus durch verbesserte KommunikatiAbb. 1: 3-Phasenmodell der bei CI auftretenden Transaktionskosten

onstechnologien ein sich im Zeitverlauf vergrößernder Aktionsradius für CI bei gleichzeitig sinkenden

Transaktionskosten.

Ein

weiterer

zentraler Punkt der Einflüsse von Kommunikationstechnologie auf CI ist das Aufkommen des Internets seit Ende der 1980er Jahre. Kein anderes Medium hatte so eruptive Auswirkungen auf die Geschäftswelt.

26

Der augenfällige Knick

hin zu einer stark beschleunigten Abnahme der Transaktionskosten bzw. der Globalisierung von CI wird durch den Einzug des Internets in die Geschäftswelt

ausgelöst.

Geschäftsmodelle,

Ein weiterer Aspekt im Rahmen der Schrittma-

welche den Geist der kollektiven Erfindung ver-

chertechnologien ist die Auswirkung von Kom-

sprühen, machen einen vielversprechenden

munikationstechnologie auf CI, welche in Abbil-

Eindruck.

24 25

Weiber 2002, S. 272. Henkel 2003, S. 3.

26

55

Vgl. Weiber 2002, S. 287.

Gewinn (hier kein Haftantritt) belohnt werden

3 Theoretische Erklärungsansätze für

kann. 28

das Auftreten der CI

Übertragen auf die Situation bei CI lassen sich Beim Versuch, das Phänomen Collective Inven-

folgende Parallelen ziehen: Teilnehmer im CI-

tion theoretisch zu untermauern, stößt man dar-

Prozess sollten eine loyale Strategie verfolgen:

auf, dass sich ein klassisches Theorem aus der

Sämtliche Fortschritte werden offengelegt. Eine

Entscheidungs- bzw. Spieltheorie anwenden

illoyale Strategie ließe sich folgendermaßen

lässt: Das Gefangenendilemma. Von Hippel

konstruieren: Ein Teilnehmer am CI-Prozess

diskutiert dieses ausführlich in seinem Beitrag

vereinnahmt Fortschritte von anderen zu seinen

zum angrenzenden Thema „Informal Know-

Gunsten, behält jedoch seine eigenen Fort-

How-Trading. 27 Die Übertragbarkeit auf CI ist

schritte für sich. Diese Konstellation ist so aus-

aufgrund der Ähnlichkeit beider Phänomene

zuwerten: Auf kurze Sicht kann das illoyale Ver-

gegeben. In der klassischen Form stellt sich das Gefangenendilemma

folgendermassen

halten zwar Vorteile bringen, langfristig untermi-

dar:

niert es aber den ganzen Prozess und entzieht

Zwei Verbrecher werden nach einer Tat festge-

ihm die Dynamik. Beispielhaft sei dies nun er-

nommen und einer Tat beschuldigt. Sie können

klärt an einer Open-Source-Software, deren

sich nicht absprechen, und haben jeweils 3 er-

Lizenz es erlaubt, sie zu kommerzialisieren

gebnisbekannte Verhaltensmöglichkeiten: Sie

(BSD-Lizenz

können den Anderen belasten und selbst leug-

29

): Dadurch, dass das Unterneh-

men beschließt, die Software fortan nur noch

nen oder zur Tat schweigen. Dafür drohen ihnen

intern weiterzuentwickeln, schließt es alle exter-

Haftstrafen der folgenden Länge:

nen Entwickler aus. Die bis dahin offen entwickelte Software bekommt so den Charakter eines extern zugekauften Produktes, und unter-

Abb. 2: Klassisches Gefangenendilemma und Übertragung auf CI

liegt nicht mehr den Vorteilen, die Open-SourceEntwicklung mit sich bringt. Hier kristallisiert sich ein Kernproblem von CI heraus: Loyale Weitergabe von Fortschritten ist eine Prämisse für faire Umsetzung. Abbildung 2 stellt den Sachverhalt dar: Die möglichen Strafen für die verschiedenen Verhaltensweisen im Gefangendilemma und die Übertragung auf den Fall der CI. Eine weitere theoretische Erklärungsmöglichkeit für CI stellt die Netzwerkökonomie dar. Weiber

Entscheidend für unsere Betrachtung hier ist,

stellt dabei heraus, dass in einer netzwerkba-

dass Kooperation (beide geben die Tat zu) bei

sierten Informationsgesellschaft vom Paradigma

mehrmaliger Wiederholung des Spiels die auf

abnehmender Grenzerträge, welches die Indust-

Dauer beste Alternative für die Tatverdächtigen

riegesellschaft prägte, Abstand zu nehmen ist.

ist, den anderen zu belasten jedoch bei einmali-

Die

ger Durchführung des Spiels mit dem größten

Basistechnologie

„Informationstechnik“

schafft die Voraussetzung für empirische Ge-

28 27

29

Hippel 1987, S. 18.

56

Vgl. Mankiw 2001, S. 379 Vgl. Henke 2003, S. 5.

setzmäßigkeiten, 30

dazu

desto weniger Energie braucht es prozentual zur

führen, dass die Netzwerkökonomie Gesetzmä-

Erhaltung seiner Lebensfunktionen. Nun über-

ßigkeiten zunehmender Grenzerträge unter-

prüft er diese Erkenntnis an den „Organismen

liegt.

31

welche

schließlich

In einer idealtypischen Betrachtung folgt

hieraus,

dass

die

Funktion

der Moderne“, den Großstädten, wobei er auch

Inputgröße-

hier zu dem Ergebnis gelangt, dass ein loga-

Outputgröße exponentiell verläuft. Ungeachtet

rithmischer Zusammenhang zwischen Größe

der Kritik, die man an solch einem „Traumbild“

und Ressourcenbedarf vorliegt. Bei der Betrach-

betriebswirtschaftlicher Realität äußern könnte,

tung sozialer Phänomene in Städten stellt er

haftet diesem Standpunkt ein hoher Reiz an. Als

darüber hinaus fest, dass die Stadtgröße und

Voraussetzung für die folgende Überlegung sei

die relative Innovationsrate, also die Zahl der

nun der Analogieschluss zwischen „Wirtschafts-

Innovationen pro Kopf, einem exponentiellen

system Netzwerkökonomie“ und „Sozioökono-

Zusammenhang gehorcht. Dies unterstreicht die

misches System Collective Invention“ erlaubt.

anfängliche Behauptung, Innovation korreliere

Auf dessen Grundlage folgt: In einem innovativ-

positiv mit der Größe der betrachteten Innovati-

kreativen Prozess steigt die Dynamik mit der

onsstruktur. Diese Erkenntnis weist in dieselbe

Anzahl der Teilnehmer.

Richtung wie der oben angesprochene Analogieschluss zur Netzwerkökonomie. Eine große Zahl beteiligter Individuen führt zu einer Steige-

Abb. 3: Innovation aus Perspektive der Netzwerkökonomie

rung der Geschwindigkeit und damit der Leistung des CI-Prozesses. Als letzten, vordergründig etwas abwegigen Erklärungsansatz für den Erfolg von CI soll ein evolutionärer Erklärungsansatz herangezogen werden. Aus einer entfernten Betrachtung erweisen sich Gemeinsamkeiten zwischen der Schumpeterischen "kreativen Zerstörung", der Innovation, welche die Vitalkraft unseres Wirtschaftssystems darstellt, und der biologischen Evolution. Der zentrale Mechanismus der Evolution im Darwinschen Sinne sind natürliche Selektion aus einer durch Mutation und Rekombi-

Abbildung 3 veranschaulicht diesen Zusam-

nation entstandenen Gesamtheit genetischer

menhang: Die Geschwindigkeit des Innovati-

Vielfalt. Unter natürlicher Selektion das allge-

onsprozesses wächst mit steigender Anzahl der

mein bekannte Prinzip "survival of the fittest"

Teilnehmer exponentiell. Einen weiteren Beleg

und unter Mutation und Rekombination die

hierfür liefert West: Er stellt einen grundsätzli-

Durchmischung des Erbgutes bei Entstehen

chen Zusammenhang zwischen Größe einer

neuer Generationen zu verstehen.

Stadt und Innovationsrate fest. 32 So beginnt

33

Als Paralle-

le in der Innovation findet im Zuge der Entwick-

seine Erklärung bei der Beobachtung biologi-

lung eines Produktes ein ständiges Entwerfen

scher "economies of scale": Je größer ein Tier,

und Ergänzen von neuen Lösungskonzepten 30 31 32

statt (Mutation und Rekombination), welches Vgl. Weiber 2002, S. 275. Vgl. Weiber 2002, S. 287. Vgl. West 2007, S.35.

33

57

Sauermost/ Freudig 2000, S. 276

Aussortieren

den generativen Algorithmen innewohnenden

schlechter Ergebnisse zu dem gewünschten Ziel

Gesetzmäßigkeiten taucht eine "fundamental

führt ("survival of the fittest"). Dieses Beispiel

intuition of genetic algorithms" und damit eine

lässt sich gut an Allens Fall der Hochofenopti-

"innovative intuition" auf, 36 der bei der weiteren

mierung verdeutlichen: Der genaue Wirkungs-

Erforschung des Innovationsprozesses eine

mechanismus des Prozesses war unklar, das

große Bedeutung beizumessen ist. Denn je

Ziel war eine Ressourceneinsparung und damit

besser die innere Logik und damit die Funkti-

Kostenreduktion. Also wurden die Parameter

onsweise von Innovationsprozessen verstanden

(v. a. Höhe des Hochofens und Betriebstempe-

wird, desto effizienter können diese geplant und

ratur) solange variiert, bis sich nach und nach

gesteuert werden, was mit positiven Effekten

Hochofendesigns mit den gewünschten Leis-

sowohl für einzelne Unternehmen als auch dem

tungseigenschaften einstellten. Wenig fruchtba-

Fortgang ganzer Volkswirtschaften einhergehen

re Parameteränderungen wurden verworfen und

sollte.

langfristig

bei

gleichzeitigem

erfolgreiche Ansätze weiterverfolgt und fortent-

4 Software-Development-Kits und

wickelt. Als weiteres bekanntes Beispiel soll

Crowdsourcing als moderne Treiber

zusätzlich die Entwicklung des "Flugapparates"

der CI

der Gebrüder Wright anführt werden. Ohne die Gesetze der Aerodynamik, welche ein Flugzeug

Als aktuelle, der CI verwandte Form offener

fliegen lässt, präzise verstanden zu haben, wur-

Innovationen möchte ich die Bereitstellung von

den experimentell so lange verschiedene Lö-

Software Development Kits (SDK) durch Unter-

sungen variiert, bis ein flugfähiges Vehikel ent-

nehmen ins Feld führen. Dabei wird Kunden ein

34

Um den Zusammenhang zur CI

„Werkzeugkasten“ zur Hand gegeben, mit dem

wiederherzustellen: Ein der Evolutionstheorie

sie sich in beschränktem Maße an der Gestal-

immanenter Tatbestand ist, dass der Populati-

tung von Produkten beteiligen können (Asel/

onsfortschritt und damit die Dynamik mit der

Steinmetz, S. 94ff.). Bei SDK bieten Unterneh-

Anzahl der Individuen steigt, wobei dies unter

men Entwicklern nun eine umfassende Entwick-

bestimmten Rahmenbedingungen als ein weite-

lungsplattform an, auf deren Basis diese eigene

rer Beleg für die Vorteilhaftigkeit von offenen

Software entwickeln können. Der dynamische

Innovationsprozessen verstanden werden kann.

Prozess, den sich die Unternehmen zu Nutze

Dieser evolutionäre Ansatz erlangt auch in an-

machen, ist als „Crowdsourcing“ bekannt: Man

deren

benutzt die „Masse“ (Crowd) von interessierten

standen ist.

Wissenschaftsbereichen

zunehmende

Bedeutung. So werden formale Modelle zur

Entwicklern als externe Ressource (Source).

Optimierung von Problemen, welche sich gene-

Die Offenlegung von Quelltexten bis dahin ge-

rativer Algorithmen bedienen auch zur Be-

schützter Programmcodes stellt eine ähnliche

schreibung von Innovationsprozessen ange-

Vorgehensweise dar, mit der sich Unternehmen

35

Dabei werden die der Evolution

das Potential, welches in der (Weiter-) Entwick-

zugrundeliegenden Mechanismen computerba-

lung von Programmcodes durch die Program-

siert nachempfunden. Bei der Betrachtung der

mierer aus der Open-Source-Community liegt

wandt.

zunutze machen. Bekannte Beispiele aus der 34

35

Unternehmenspraxis sind hier die Entscheidung

Erstaunlicherweise führte die Recherche zum Thema zum Ergebnis, dass auch bei dieser Erfindung die Kräfte von CI am Wirken waren: Die Gebrüder Wright wurden bei ihren Flugexperimenten unentgeltlich von einer Koryphäe im Flugzeugbau unterstützt. (Wikipedia) Vgl. Goldberg 2002, S.1

von IBM, den Webserver Apache unter eine 36

58

Goldberg 2002, S.4

offene Lizenz zu stellen sowie die Überführung

Zukunft ein entscheidender Faktor bei der In-

des Webbrowserveteranen Netscape in das

formationsbeschaffung sein wird. Anstelle eines

Mozilla Project, aus dem seither verschiedene

eigenen Endgerätes, dessen Entwicklung au-

marktpotente

ßerhalb der eigentlichen Kernkompetenzen des

sind.

Internet-Browser

entstanden

37

Unternehmens gelegen hätte, wird eine Platt-

Der Unterschied bei der Bereitstellung von

form bereitgestellt, auf der Entwickler ein Mobil-

SDKs im Vergleich zur Offenlegung eines be-

telefon rund herum um Google Dienste entwer-

kannten Produktes besteht darin, dass es sich

fen können. Die strategischen Beweggründe

bei SDKs nur um eine Plattform für weitere Ent-

liegen auf der Hand. Ein Pool an interessierten

wicklungen handelt, die per se noch nicht auf

Entwicklern erzeugt das eigentlich avisierte

ein spezielles Produkt abzielen muss. Als Bei-

Zielprodukt, nämlich ein Mobiltelefon, das auf

spiel für ein SDK kann das jüngst vom Unter-

den Funktionen der von Google angebotenen

nehmen Google lancierte Projekt „Android“ an-

Dienste basiert und damit diesen Diensten wei-

geführt werden. Von seiner Gründung an konnte

tere Popularität verschafft. Der Bezug zu CI ist

Google

„Internet-

so zu verorten: Wurden früher eigene Technolo-

Suchmaschine“ einen kometenhaften wirtschaft-

gien zur Verbesserung geöffnet oder in einem

lichen Erfolg verbuchen. Die damalige Innovati-

kreativen Prozess gemeinsam entwickelt, so

on eines auf mathematischen Algorithmen ba-

geben Unternehmen heute strategisch „vorprä-

sierten „Page Ranks“, welcher die Verweise von

parierte“ Baukästen an Entwickler, aus denen

Webseiten auf andere als das für Suchergeb-

diese daraus im Idealfall kreativ innovieren.

mit

der

Kernleistung

nisse relevante Kriterium heranzog, verhalf

5 CI als Bestandteil einer „Balanced

Google innerhalb kurzer Zeit zu einem ausge-

Scorecard“ moderner Innovationstä-

zeichneten Ruf und damit zu einer marktbeherr-

tigkeiten

schenden Stellung. Unbeeindruckt von den Turbulenzen um die sog. „Internet-Blase“ gelang es

Offene Innovation in Form von CI ist kein Phä-

Google anschließend, durch eine dominante

nomen, das erst in jüngerer Zeit und auf Basis

Stellung im Markt für Internetwerbung exzellente

von moderner Kommunikationstechnologie ent-

Umsätze zu erzielen. Dies führte dazu, das

standen ist, sondern wurde schon zu Anfang der

Google heute aus einem Wirtschaftszweig her-

industriellen Revolution praktiziert. Jedoch bie-

aus, der vor 20 Jahren quasi noch nicht existier-

ten sich durch die Voraussetzungen, die das

te, heute unter den Unternehmen mit der größ-

Informationszeitalter mit sich bringt, neue Chan-

ten Marktkapitalisierung einen der oberen Plätze

cen, da die potenzielle Dynamik und Leistungs-

belegt. Um das Kernprodukt Suchmaschine

fähigkeit offener und vor allem kollektiver Inno-

gruppieren sich mittlerweile zahlreiche intern

vationsprozesse gestiegen sind. Aus den voran-

entwickelte Dienste wie Googlemail, Google

gegangenen Ausführungen wird deutlich, dass

Maps und Adsense sowie zugekaufte wie Blog-

Unternehmen externe Ressourcen in ihre Inno-

ger oder Youtube. Man kann von einer nahezu

vationsprozesse integrieren sollten. Die genaue

beängstigenden Dominanz von Google in der

Ausprägung der Öffnung, also die Wahl des

Informationswirtschaft sprechen.

richtigen Instrumentes oder einer Kombination

Google Android markiert nun Googles Eintritt ins

derselbigen, seien es CI, User Integration, Inno-

Geschäft mit mobiler Kommunikation, welche in

vation Toolkits, SDKs, Lead-User-Einsatz oder

37

Vgl. Henkel 2003, S. 3

59

Forschungskooperation 38 , ist genauso klug zu

Abb. 4: Integrierte Nutzung von Techniken „offener Innovation“

wählen wie die richtigen strategischen Betätigungsfelder: Eine „Balanced Scorecard“ moderner Innovationstätigkeiten sei hier vorgeschlagen, wie sie in Abbildung 4 dargestellt wird. Entscheidend ist hierbei eine ausgewogene und abgestimmte Komposition der einzelnen Maßnahmen zu treffen. Die genannten Konzepte moderner Innovationstätigkeiten müssen sich wie in einem Puzzle ergänzen. So ist davon

Literaturverzeichnis

auszugehen, dass ein erfolgreicher Einsatz dieser Konzepte nicht mit dem punktuellen, einma-

Allen, R. C. (1983): Collective Invention, in:

ligen Einsatz von bspw. Lead Usern getan ist.

Journal of Economic Behaviour and Or-

Vielmehr besteht die Forderung nach einer stra-

ganization, Vol. 4

tegischen Planung der Nutzung moderner Innovationsformen, welche die strategische Rah-

Goldberg, D. E. (2002): The Design of Innova-

menplanung der herkömmlichen Innovationstä-

tion - Lessons from and for Competent Ge-

tigkeit eines Unternehmens ergänzen sollte. Die

netic Algorithms, Illinios 2002 Hars, A./Ou, S. (2002): Working for free? Moti-

Werkzeuge zum Erfolg liegen bereit, nun sollten sich Führungskräfte daran machen, ihre Fähig-

vations for participating in Open Source pro-

keiten in deren Gebrauch zu schulen. Dem

jects, International Journal of Electronic

Themenfeld CI – hier sei noch einmal an eine

Commerce, 6, S. 25-39.

weitere Begriffsauffassung angeknüpft - fällt Henkel, J. (2003): Open Source Software from

hierbei ein besonderer Reiz zu. War es in der

Commercial Firms - Tools, Complements,

Vergangenheit schon möglich, unter Ausnut-

and Collective Invention, in: Zeitschrift für

zung kollaborativer Synergieeffekte ohne welt-

Betriebswirtschaft, 2004

weite Vernetzung durch das Internet Innovationen großer Tragweite aus der Taufe zu heben,

Hippel, E. von (1987): Cooperation Between

nährt das Potential des Informationszeitalters

Rivals: Informal Know-How Trading, Re-

die Hoffnung, dass durch evolvierte Formen

search Policy 16, S. 291-302.

menschlicher Zusammenarbeit die InnovationsHiebel, Hans H. (1999): Große Medienchronik,

dynamik und damit der Kern unternehmerischer

München 1999, S. 1061ff.

Prosperität auf ein neues Niveau gehoben wer-

Lerner, J. / Tirole, J. (2004): The Economics of

den könnte.

Technology Sharing: Open Source and Beyond, NBER Working Paper No. 10956, Cambridge 2004. Mankiw, N. G. (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, Stuttgart 2001. Meyer, P. B. (2003): Episodes of collective in38

Auf diese Methoden sei an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, ausführliche Darstellungen finden sich u. a. bei Reichwald/ Piller 2006.

vention, Working Paper 368, Office of Pro60

ductivity and Technology, U.S. Department of Labour, Bureau of Labour Statistics, August 2003. Reichwald, R. / Piller, F. (2006): Interaktive Wertschöpfung, 1. Auflage, Wiesbaden 2006. Rossi, M. A. (2006): Decoding the free/open source software puzzle: A survey of theoretical and empirical contributions, in: Bitzer, J. and Schröder, P. J. H. (Hrsg.): The Economics of Open Source Software Development, Amsterdam, S. 15-55. Schumpeter, J. A. (1939): Business Cycles, A Theoretical, Historical, and Statistical Analysis of the Capitalist Process, Bd. 1, New York u.a. 1939, S. 86 Sauermost, R. / Freudig, D. (Red.) (2000): Lexikon der Biologie: in fünfzehn Bänden, Bd. 5. Elektivitätsindex bis Flitterzellen, Heidelberg 2000. Weiber, R. (2002): Die empirischen Gesetze der Netzwerkökonomie, in: Die Unternehmung, 56. Jg. (2002) Heft 5, 2002, S. 269-294 Weiber, R. (2006): Was ist Marketing? Grundlagen des Marketing und informationsökonomische Fundierung, Trier 2006 West, Geoffrey B. (2007): Innovation and Growth: Size Matters, in: Harvard Business Review, Februar 2007, S.34-35

61

Karsten Hardick Potentiale und Risiken von Open Source aus Sicht der Unternehmenspraxis 1

Open Source ist bei Unternehmen beliebt

2

Grundlagen von Open Source

3

Vorteile und Potentiale von Open Source

4

Nachteile und Risiken von Open Source

5

Reifegrad und Einsatzstrategien von Open Source

6

Alternative Open Source Trotz der darauf folgenden Ernüchterung bei

1 Open Source ist bei Unternehmen

den Kursentwicklungen, war der Siegeszug von

beliebt

Open Source nicht mehr aufzuhalten. HeutzutaEine im Jahre 2004 durchgeführte Umfrage der

ge wird Open Source Software im Unterneh-

Meta Group unter 345 deutschen Unternehmen

mensbereich derart häufig genutzt, dass ein

ergab, dass 10 % der Betriebe mit 50 bis 99

Verzicht den Zusammenbruch der IT – Infra-

Mitarbeitern und sogar über 50% der Betriebe

strukturen

mit mehr als 1000 Mitarbeitern das Open Sour-

hätte.

ce Betriebssystem Linux nutzen. 1 Prognosen

in vielen Unternehmen zur Folge

5

rechnen für das Jahr 2010 zudem mit einer

Die Gründe für den Einsatz von Open Source

Marktführerschaft von Linux in Unternehmen. 2

Software, wie beispielsweise die geringen Kos-

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass quell-

ten, erscheinen dabei durchaus logisch. Die

offene Software auf dem Vormarsch ist und sich

Tatsache, dass kommerzielle Firmen Open

vor allem im Unternehmensbereich in Zukunft

Source Produkte entwickeln und vertreiben,

immer weiter etablieren wird.

mag jedoch auf den ersten Blick paradox wirken. Wieso sollte ein Unternehmen dessen Ziel

Die Verbreitung von Open Source Software war

das Erwirtschaften von Gewinnen ist, ein kost-

in den vergangenen Jahren von unterschiedli-

bares Gut wie hoch entwickelte Software prak-

chen Entwicklungsphasen geprägt. 3 So wurde

tisch verschenken? Dieser und weitere Aspekte

Open Source Ende der 90er noch als Kuriosum

von Open Source im Unternehmensbereich

betrachtet, dessen Möglichkeiten und Potentiale

werden im Folgenden näher beschrieben. Zu-

weitgehend unbekannt waren. Jedoch entwi-

nächst erfolgt eine kurze Übersicht, die die In-

ckelte sich in den Folgejahren schnell ein regel-

halte der weiteren Kapitel zusammenfasst.

rechter Hype um quelloffene Software und die Aktienwerte von Open Source Anbietern stiegen

Im zweiten Kapitel werden der Begriff Open

drastisch an. So konnte die Aktie des Unter-

Source und die dazugehörigen Lizenzen genau-

nehmens VA Linux im Jahr 1999 am Tag ihrer

er definiert. Darüber hinaus erfolgt eine kurze

Erstemission eine Steigerung von sagenhaften

Beschreibung der Entwicklung von Open Source

733 % aufweisen und damit einen Rekord unter

Software in den letzten Jahren. Das darauf fol-

den amerikanischen Erstemissionen aufstellen.

gende Kapitel beschäftigt sich mit den Vorteilen

4

und Potentialen von Open Source gegenüber 1 2 3

4

geschlossenen Systemen. In diesem Zusam-

Vgl. Computerwoche 2004. Vgl. ZwahlenDesign 2006. Vgl. Alexy 2006, S. 4, in Anlehnung an Driver et al. 2005. Vgl. Heise Online 1999.

5

62

Vgl. Alexy 2006, S. 4, in Anlehnung an Driver/ Weiss 2005.

menhang werden unter anderem das Kosten-

Richard Stallmann 1983 durch seine Free-

senkungspotential durch die Nutzung sowie der

Software-Kampagne prägte, wurde aus Marke-

Sinn einer aktiven Beteiligung an Open Source

tinggründen durch Open Source ersetzt, da mit

nachgewiesen.

Aufmerksamkeit

dem Begriff „frei“ oft „kostenlos“ anstatt „quellof-

erfährt dabei die Zusammenarbeit der beteilig-

fen“ assoziiert wurde. Stallmann sprach mit sei-

ten Unternehmen im Entwicklungsprozess von

ner Kampagne eher Hobby-Programmierer an,

Open Source Software. Darüber hinaus wird in

wohingegen die OSI es sich zur Aufgabe mach-

Kapitel drei ein Geschäftsmodell beschrieben,

te Open Source im Wettbewerb mit proprietärer

welches Open Source sowie kommerzielle Pro-

Software auch für die Wirtschaft interessant zu

dukte miteinander kombiniert und somit Gewin-

machen. Nach der Definition der OSI muss eine

ne ermöglicht.

Softwarelizenz im Wesentlichen folgende Ei-

Besondere

genschaften haben um als Open Source aner-

Kapitel vier thematisiert die Nachteile und Risi-

kannt zu werden:

ken von Open Source. Auch hier wird zwischen



Nutzung und aktiver Beteiligung unterschieden.

7

Der Quellcode der Software muss in einer

Dabei spielen die Unsicherheit von Open Sour-

für den Menschen verständlichen Form vor-

ce Software in Bezug auf Support und Weiter-

liegen, d.h. in Form einer Programmierspra-

entwicklung sowie der mögliche Verlust von

che und nicht als binärer Code.

intellektuellem Eigentum eine besondere Rolle.



Im fünften Kapitel wird der Reifegrad von Open

Die Software darf von jedermann kopiert, verteilt und genutzt werden. Eine Forderung

Source Software im Vergleich zu kommerziellen

von Lizenzgebühren ist dabei nicht erlaubt.

Produkten näher untersucht. Darüber hinaus •

wird die Frage geklärt, in welchen Bereichen

Der Quellcode der Software darf verändert

eine Nutzung oder Beteiligung an Open Source

und in der veränderten Form weitergegeben

sinnvoll ist.

werden. Darüber hinaus darf die Lizenz nicht auf einer

2 Grundlagen von Open Source

bestimmten Technologie oder einem Standard Zunächst soll die Entstehung und Definition des

basieren und keine Personen sowie Gruppen

Begriffes Open Source erläutert werden. Dar-

vom Nutzerkreis einer Anwendung ausschlie-

über hinaus werden im Weiteren die wichtigsten

ßen. Zu den bedeutendsten, der mittlerweile

Lizenzen sowie die bisherige Entwicklung von

über 60 von der OSI anerkannten,

Open Source vorgestellt.

Lizenzen

gehört die General Puplic Licence (GPL), die

Open-Source (engl. quelloffen) ist Software mit

bereits 1989 von Richard Stallman entworfen

frei veränderbarem Quellcode, der für jeder-

wurde. Sie ist diejenige Lizenz, die die Quellof-

mann zugänglich ist. Ihr gegenüber steht prop-

fenheit von Software am effektivsten sicher-

rietäre Software deren Quellcode geheim ist und

stellt. 8 Neben den Anforderungen durch die OSI

für die eine Lizenzgebühr bezahlt werden muss.

trägt das sog. Copyleft-Prinzip maßgeblich dazu

Der Begriff Open Source entstand im Jahre

bei. Das Prinzip besagt, dass jeder der Software

1998 als Eric Raymond und Bruce Perens die

unter einer GPL verändert, sie nur unter dersel-

6

Die

ben Lizenz weiter verbreiten darf. Damit wird

ursprüngliche Bezeichnung „Freie Software“, die

das Ziel verfolgt, die Quelloffenheit einer Soft-

Open Source Initiative (OSI) gründeten.

7 6

8

Vgl. Perens 2007, S. 133.

63

Vgl. Open Source Initiative 2006. Vgl. Henkel 2003, S. 5.

ware auch nach der Weiterentwicklung von an-

nur die Nutzung von Open Source Alternativen

deren zu gewährleisten. Da die Lizenz somit die

rasch voran. In den letzten Jahren gelangten

private Aneignung von Software unmöglich

auch viele kommerzielle Firmen zu der Über-

macht, stellt die GPL praktisch die Geburtsstun-

zeugung, dass neben der Nutzung eine aktive

9

de von Open Source dar. Bekannte Vertreter

Beteiligung an Open Source lohnenswert ist. So

von Software unter einer GPL sind Linux oder

investierte im Jahr 2004 der Chiphersteller AMD

OpenOffice. Eine weitere bedeutende Open-

5 Mio. US-Dollar in die Open Source Develop-

Source-Lizenz ist die Berkeley Systems Distri-

ment Labs, eine Vereinigung die gegründet

bution (BSD). Sie kann jedoch im Gegensatz zur

wurde um Linux zu fördern. Hauptkonkurrent

GPL in eine proprietäre Lizenz umgewandelt

Intel oder auch Firmen aus anderen Branchen

werden, die dann die Kommerzialisierung einer

wie Unilever sind ebenfalls Mitglieder der Open

Ein Beispiel hierzu ist

Source Development Laps. 12 Darüber hinaus

das hauseigene kommerzielle Betriebssystem

entwickeln aber auch immer mehr Firmen Open

Mac OS X der Firma Apple, welches unter ande-

Source Software und vertreiben sie kostenlos

rem auf BSD - lizenzierten Softwareprodukten

per Download im Internet. Bekannte Beispiele

basiert.

hierzu sind die börsennotierten Unternehmen

Software ermöglicht.

10

Sun Microssystems mit der Programmierspra-

In den Anfangszeiten von Open Source beteilig-

che Java 13 und die schwedische MySQL AB mit

ten sich größtenteils Hobby-Programmierer an

ihrer Open Source Datenbank MySQL. 14

Open Source Projekten. Sie schlossen sich in Entwicklergemeinschaften zusammen und motivierten

sich

durch

den

Spaß

am

3

Code-

Vorteile und Potentiale von Open Source

Schreiben und die Verbesserung der Software 3.1 Die Nutzung von Open Source ist nicht

für die eigene Nutzung. Besonders durch das

nur kostengünstig

quelloffene Betriebssystem Linux wurde aber auch das Interesse der breiten Öffentlichkeit an

Die einfachste Möglichkeit von Open Source

Open Source geweckt. Zum ersten Mal gab es

Software zu profitieren liegt sicherlich in deren

eine Alternative zu Microsofts Betriebssystem

Verwendung. So bietet quelloffene im Vergleich

Windows, die dazu noch kostenlos erhältlich

zu proprietärer Software ein enormes Kosten-

war. Aber auch auf anderen Gebieten konnte

senkungspotential. Es fallen weder Lizenz- noch

sich Open Source Software etablieren. So be-

Upgradekosten an, da die Software und mögli-

sitzt der Open Source Internetbrowser Firefox

che Upgrades kostenlos per Download erhältlich

nach Schätzungen in Europa bereits einen

sind. Darüber hinaus sind die Ausgaben für

Marktanteil von 27,8 %, was als beachtlicher

Administration nach Schätzungen ca. 25-50 %

Teilerfolg im Wettbewerb mit dem Internet Ex-

geringer als bei proprietärer Software.

plorer von Microsoft (66,5%) gewertet werden

Open Source Software in der Regel ressourcen-

kann.

11

15

Da

schonender ist, sind auch die Kosten für die

Der Open Source Webserver Apache

konnte sogar proprietäre Produkte weitgehend

Anschaffung von Hardware niedriger.

verdrängen und ist momentan der meistgenutzte

Dieses Kostensenkungspotential wurde von

Webserver im Internet. Jedoch schreitet nicht

vielen Studien belegt. So untersuchte das Com12

9 10 11

13

Vgl. Osterloh/ Rota/ Lüthi 2006, S. 69. Vgl. Henkel 2003, S. 5. Vgl. XitiMonitor 2007.

14 15

64

Vgl. Heise Online 2004. Vgl. Golem.de 2007. Vgl. Heise Online 2007. Vgl. Dürr/ Weske 2004, S. 75.

petence Center Electronic Business am Fraun-

Standards. 18 Eben diese Alternative zu den

hofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisa-

Produkten von Microsoft war für den Mitbegrün-

tion im Jahr 2005 in einer Studie die Migration

der der OSI Bruce Perens der Hauptgrund,

von Mitarbeiterrechnern mit aktueller Software

weshalb die Initiative in den Jahren nach ihrer

von Microsoft auf Open Source Software. Hierzu

Gründung solchen Erfolg hatte. 19

wurden

auf

Basis

Ownership-Analyse

einer

Total-Cost-of-

Ein großer Nachteil von kommerzieller Software,

(TCO-Analyse) alle rele-

die für den Vertrieb konzipiert wurde ist die Tat-

vanten Kostentreiber ermittelt und monetär be-

sache, dass sie immer ein Massenprodukt ist.

wertet. Man gelangte zu dem Ergebnis, dass die

So muss die Software einen breiten Nutzerkreis

TCO der Open Source Software um 6,9 % nied-

ansprechen, um hohe Verkaufszahlen zu errei-

riger waren als die der Windows Software. 16

chen und damit die Entwicklungskosten zu de-

Cybersource stellte sogar in einer Vergleichs-

cken. Dementsprechend ist sie nicht speziell auf

studie ca. 19 bis 36 Prozent niedrigere TCO von

ein Unternehmen zugeschnitten, so dass ca.

Linux gegenüber Windows fest. 17 Angesichts

50% der über den Handel erworbenen Software

der Schwankungen in den Ergebnissen hängt

nicht vollständig und effizient genutzt werden

die Wirtschaftlichkeit von Open Source somit

und die Anschaffung sich als Fehlinvestition

stark vom jeweiligen Einsatzgebiet ab. So sind

herausstellen kann.

die Vorteile insbesondere dann sehr hoch, wenn

20

Ein möglicher Weg, um

eine speziell an das Unternehmen angepasste

geringe Schulungskosten für die neue Open-

Software zu erhalten, ist eine unternehmensin-

Source Software anfallen und gleichzeitig hohe

terne Neuentwicklung oder eine externe Auf-

Lizenzkosten gespart werde können.

tragsentwicklung. Beide Lösungen sind jedoch

Ein weiterer Vorteil von quelloffener gegenüber

mit hohem Aufwand und Kosten verbunden.

proprietärer Software ist die in der Regel höhere

Falls die Mitarbeiter eines Unternehmens über

Stabilität und Sicherheit. Der Grund hierfür liegt

die technischen Kenntnisse verfügen Software

im offenen Quellcode den jedermann einsehen

selbst zu entwickeln, ist die Modifikation von

kann, so dass Probleme oder Sicherheitslücken

Open Source Produkten oft der einfachste und

von vielen Testern erkannt und schnell behoben

kostengünstigste Weg die benötigte Software zu

werden können. Die höhere Stabilität und Si-

erhalten. Durch die Quelloffenheit und meist

cherheit hat zur Folge, dass der Aufwand für die

gute Dokumentation von Open Source Software,

Entwicklung, Optimierung und Verwaltung einer

kann sie an die eigenen Bedürfnisse angepasst

Anwendung gesenkt werden kann.

werden und lässt sich so effektiver nutzen. Dabei muss die Lösung nicht komplett neu entwi-

Ein weiterer Grund weshalb viele Firmen Open

ckelt werden, sondern baut auf der Vorarbeit

Source Software nutzen ist die dadurch sinken-

anderer Entwickler auf.

de Abhängigkeit von proprietärer Software. So stellte der deutsche Bundestag im Jahr 2005 die

3.2 Die gemeinsame Entwicklung schafft

Server in der Verwaltung auf das Betriebssys-

neue Standards

tem Linux um und senkte damit nicht nur die

Neben der reinen Nutzung von Open Source

Abhängigkeit von Microsoft, sondern setzte

Software kann ein Unternehmen aber auch aktiv

auch ein Zeichen für die Unterstützung offener

an deren Entwicklung und Förderung teilneh18

16 17

19

Vgl. Renner et al. 2005, S. 167. Vgl. Cybersource 2002, S. 5 f.

20

65

Vgl. Deutscher Bundestag 2005. Vgl. Perens 2007, S. 135. Vgl. Krass 2002.

men. Dabei widerspricht die Quelloffenheit der

tausch von Softwareentwicklern fördern. Dar-

Software

traditioneller

über hinaus veröffentlicht Google auf der Websi-

ökonomischer Thesen, welche besagen, dass

te Informationen zu eigenen Tools und hofft

Firmen ihr innovatives Wissen vor den Konkur-

durch externen Entwicklungssupport Wege auf-

renten geheim halten oder es durch Patente

gezeigt zu bekommen, wie der eigene Quellco-

schützen lassen sollten. Überall dort wo dies

de zu verbessern wäre. 23

dem

Grundgedanken

nicht möglich ist, sei es schwierig Gewinne

Die Zusammenarbeit von Firmen auf diese Wei-

durch die Innovationen zu erzielen, so dass

se wurde bereits 1983 von Robert C. Allen be-

Anreize für neue Innovationen langfristig sin-

schrieben. Er erklärte den raschen Fortschritt in

ken. 21

der Hochofentechnologie im 19 Jhdt., durch die

Die immer weiter fortschreitende Verbreitung

Kooperation der beteiligten Firmen. 24 Dieses

von Open Source beweist jedoch das Gegenteil.

Innovationsmodell, das von ihm als Collective

Durch die weit reichenden Lizenzen unter denen

Invention bezeichnet wurde, fand ebenfalls bei

Open Source Software steht wird das intellektu-

der Entwicklung von Flachbildschirmen in den

elle Eigentum welches in die Entwicklung der

Jahren 1969 bis 1989 Anwendung. Hier erziel-

Software mit einfließt für jedermann sichtbar.

ten die Firmen, die ihr Wissen publizierten, e-

Die einzelnen Softwareanbieter entwickeln so

benfalls eine höhere Innovationsleistung als

eine neue Beziehung zueinander, da sie nun

diejenigen, die es geheim hielten.

über das Wissen ihrer Konkurrenz verfügen und

schied zu den historischen Beispielen, ist jedoch

gemeinsam an Open Source Projekten arbeiten,

der Open Source Bereich selbst nach der Ent-

um sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Ko-

wicklungsphase noch oft durch Collective Inven-

operation bringt für die beteiligten Firmen ein

tion gekennzeichnet. 26 Dies wird maßgeblich

immenses Entwicklungspotential mit sich. Die

durch das Copyleft-Prinzip der GPL ermöglicht,

Zahl der Entwickler für ein Produkt wird erhöht,

da es sicherstellt, dass quelloffene Software

wobei jeder von den Verbesserungen des ande-

auch nach mehreren Entwicklungsstufen für

ren profitiert. Innovationen erfolgen dabei se-

jedermann quelloffen bleibt. Eine Kommerziali-

quenziell, d.h. jede Innovation baut auf der In-

sierung der Software wird so nicht mehr mög-

22

25

Im Unter-

Diese gegensei-

lich. Nach Franck & Jungwirth kann Coplyleft

tige Unterstützung führt so zu niedrigeren Kos-

deshalb als geniale institutionelle Innovation

ten und kürzeren Entwicklungszeiten. Darüber

bezeichnet werden. 27

novation des Vorgängers auf.

hinaus achten alle Teilnehmer darauf den Quell-

Ein weiterer Grund für die Beteiligung von vielen

code derart zu schreiben, dass Erweiterungen

Unternehmen an Open Source, ist die Senkung

leicht möglich sind. Dies hat einen strukturierten

der Transaktionskosten bei Geschäften. 28 Da

Quellcode und eine gute Dokumentation zur

die Software kostenlos angeboten wird, gibt es

Folge, was bei Projekten an denen nur ein Un-

keine Verträge über Kaufbedingungen oder

ternehmen arbeitet oft vernachlässigt wird. Ein

Zahlungsabwicklungen. Darüber hinaus fallen

Beispiel für eine derartige Kooperation liefert der Suchmaschinengigant Google. Seine Website

23

Google Code dient als Entwicklungsplattform für

24

Open Source Projekte und soll den Wissensaus-

25

26 21 22

27

Vgl. Henkel 2003, S. 4. Vgl. Bessen/ Maskin 2000, S. 2.

28

66

Vgl. PC-Welt 2005. Vgl. Osterloh et al. 2006,S. 66 in Anlehnung an Allen 1983. Vgl. Osterloh et al. 2006, S. 67 in Anlehnung an Spencer 2003. Vgl. Osterloh/ Rota/ Lüthi 2006, S. 65. Vgl. Frank/ Jungwirth 2003, S. 19. Vgl. Henkel 2003, S. 8.

auch die Distributionskosten sehr niedrig aus.

das größte Hemmnis, sodass sich nur durch

Open Source Software kann im Internet, mittels

eine offene Plattform herstellerübergreifend die

Download, günstig und sehr schnell verbreitet

passenden Produkte entwickeln lassen. 30

werden, wohingegen proprietäre Software in der

Amigo profitieren letztendlich nicht nur die End-

Regel immer noch in einer Verpackung und über

nutzer, sondern auch die Hersteller aller Güter

einen Händler den Weg zum Endabnehmer

die an der Heimvernetzung beteiligt sind.

findet.

An

Ein durchaus beachtenswerter Grund weshalb

Diese Art der Verbreitung ist nicht nur teuerer,

viele Firmen Open Source Software entwickeln

sondern dämpft auch die Innovationskraft von

und verbreiten, ist der Imagegewinn der dadurch

Entwicklungen. So sind viele Softwareprodukte

erlangt werden kann. Open Source wird, im

für den kommerziellen Vertrieb ungeeignet, weil

Gegensatz zu proprietärer Software, von vielen

ihr Markt nicht groß genug wäre, um die Ent-

Programmierern als „cool“ angesehen, sodass

wicklungskosten zu decken. Viele Unternehmen

eine Firma die sich an Open Source Projekten

lehnen diese Produkte ab, weil es nicht gelingt

beteiligt mit attraktiven Stellenbeschreibungen

Investoren davon zu überzeugen, dass der

aufwarten kann. Dies war für die Investment

betreffende Markt entwicklungsfähig ist oder

Bank Dresdner Kleinwort Wasserstein einer der

29

Im Zuge des

Hauptgründe wieso sie ihr Integrations-Tool

Collective Invention Prozesses bei Open Source

Open Adaptor, das 5 Mio. Dollar Entwicklungs-

Software, werden hingegen die Risiken und

kosten verschlang, zu einer quelloffenen Soft-

Kosten unter den beteiligten Firmen aufgeteilt,

ware machte.

so dass Investitionen in die betreffende Soft-

sache, dass die Beteiligung an Open Source

ware attraktiver sind.

den Firmen ein hohes Renommee bezüglich der

weil die Risiken zu hoch sind.

31

Ein weiterer Vorteil ist die Tat-

technischen Fähigkeiten verleiht und sie so als

Durch die gemeinsame Entwicklung sowie die

produktive Mitglieder der Open Source Gemein-

schnelle und weite Verbreitung von Open Sour-

schaft geachtet werden. 32

ce Software können darüber hinaus neue Technologiestandards geschaffen werden, die für

Durch Open Source Software kann letztendlich

Softwarehersteller eine wichtige Entwicklungs-

nicht nur die Abhängigkeit von proprietären Pro-

basis darstellen. Eine Bedingung hierzu ist je-

dukten gesenkt, sondern auch wirtschaftlicher

doch, dass die Software für einen Großteil des

Druck auf deren Hersteller ausgeübt werden. So

Marktes von Interesse ist. Ein aussagekräftiges

beschloss das Unternehmen Sun seine Büro-

Beispiel ist die Open Source Software Amigo.

software OpenOffice quelloffen und kostenlos zu

Die Europäische Union unterstützt seit Oktober

vertreiben, um so gezielt die Marktposition von

2007 die Entwicklung dieses Standards für die

Microsoft und seiner Office-Software anzugrei-

Heimvernetzung

fen.

von

Hausautomatisierung,

33

Darüber hinaus gelang es durch die Ver-

Unterhaltungselektronik, mobilen Geräten und

öffentlichung von OpenOffice, die Marke Sun

Computern. Beteiligt sind Hersteller von Unter-

einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen

haltungselektronik sowie Universitäten und For-

und somit nachhaltig das Unternehmensimage

schungseinrichtungen. Die Inkompatibilität der

zu steigern. Da auch heutzutage die Vormacht-

bereits zahlreich vorhandenen Ansätze und Technologien zur Hausvernetzung war bisher

30 31 32

29

33

Vgl. Perens 2007, S. 141.

67

Vgl. Diedrich 2007. Vgl. Howe 2002. Vgl. Henkel 2003, S. 10 f. Vgl. Dürr/ Weske 2004, S. 75.

stellung von Microsoft in den meisten Software-

dem komplementären Gut verknüpft sein. Nur

bereichen sehr hoch ist, eifern viele Unterneh-

dann führen Verbesserungen der Software zu

men dem Vorbild Sun nach und veröffentlichen

höheren Absatzzahlen beim Gut. Ist diese Be-

ihre Software quelloffen. Diese Unternehmen

dingung erfüllt, stellt die Kombination von Open

verzichten dabei bewusst auf mögliche Einnah-

Source und kommerziellen Produkten ein inte-

men durch den Verkauf der Software, um sich

ressantes Konzept dar, welches offene und

auf dem hart umkämpften Softwaremarkt neben

geschlossene Systeme vereinigt.

Microsoft einen Namen zu machen.

4

3.3 Gewinne durch Open Source sind

Nachteile und Risiken von Open Source

möglich 4.1 Open Source gibt keine Garantie Wie bereits beschrieben bietet Open Source Den zahlreichen Vorteilen von Open Source,

viele Möglichkeiten im Bereich der Kostensen-

stehen jedoch auch Nachteile gegenüber. So

kung. Dies gilt sowohl für die lizenzfreie Nutzung

lässt sich Software erst durch das Zusammen-

als auch für den günstigen Vertrieb. Jedoch ist

spiel mit dem entsprechenden Humankapital,

es darüber hinaus auch möglich durch Open

d.h. mit einem versierten Anwender, effektiv

Source Software Gewinne zu erwirtschaften.

nutzen. 36 Durch den täglichen Umgang mit der

So ist es oft zu beobachten, dass Firmen Open

Software lernt der Nutzer diese immer besser

Source Software in Kombination mit kommer-

kennen und steigert so die Produktivität der

ziellen Produkten anbieten. Ein Beispiel hierzu

Software. In vielen Geschäftsbereichen fehlt

liefert die Firma IBM, die seit 1998 ihre proprie-

jedoch das nötige Humankapital für den Um-

täre Software, den WebSphere Application Ser-

gang mit quelloffener Software. Die meisten

ver, zusammen mit dem Open Source Webser-

Anwender haben Windows Know-how, während

ver Apache anbietet. 34 Der Grund hierfür liegt

beispielsweise Linux Kenntnisse noch ver-

darin, dass IBM damals einen Webserver benö-

gleichsweise selten sind.

tigte um sein Angebot zu vervollständigen. Der

Wechsel von proprietärer zu Open Source Soft-

eigene Webserver hatte jedoch nur noch einen

ware in einem Unternehmen hohe Schulungs-

35

Deshalb kann der

so

kosten verursachen. Da die Umstellung auf O-

dass man sich dazu entschied, den populären

pen Source Software einen Großteil der Mitar-

Apache Webserver und seine weitere Entwick-

beiter betrifft, können Netzwerkeffekte darüber

lung zu unterstützen.

hinaus zu erheblichen kollektiven Wechselkos-

IBM beteiligt sich demzufolge an Open Source

ten führen, die durch die Kombination der indivi-

Software, um mit dem Verkauf eines komple-

duellen Wechselkosten eines jeden Anwenders

mentären Gutes Gewinne zu erwirtschaften.

entstehen.

Dieses Gut kann wie im genannten Beispiel

ter im Umgang mit Open Source Software ist

Software sein, aber auch Hardware oder eine

ebenfalls darauf zu achten, dass die neue

Serviceleistung wie etwa Benutzersupport.

Technologie allgemeine Akzeptanz im Unter-

Marktanteil von weniger als einem Prozent,

Damit

dieses

Geschäftsmodell

35

Neben der Schulung der Mitarbei-

nehmen findet. Häufig sind die Mitarbeiter nicht

funktioniert,

offen für die Einführung neuer Softwareproduk-

muss die Open Source Software jedoch eng mit

34

37

te, weil sie den Lernaufwand bedingt durch die 36

Vgl. Moody 2002, S. 205 ff. Vgl. Moody 2002, S. 206.

37

68

Vgl. von Engelhardt 2006, S. 16. Vgl. Farrell/ Klemperer 2006, S. 91.

Umstellung fürchten. Die genannten Nachteile

Nachteil als auch ein Vorteil von Open Source

können jedoch teilweise entkräftet werden, da

Software sein kann.

die Mehrheit aller Open Source Produkte sich in

Ein gravierendes Problem bei der Nutzung von

ihrer Bedienbarkeit von kommerziellen Produk-

Open Source Software kann hingegen die

ten, wie etwa denen von Microsoft, kaum unter-

schlechte Kompatibilität zu proprietärer Software

scheidet. Die Wechselkosten können demnach

sein. Kommerzielle Softwareanbieter haben in

stark schwanken und sind somit kein generelles

der Regel kein Interesse an einer Zusammenar-

Problem von Open Source Software.

beit mit Open Source Produkten und veröffentli-

Bezüglich der Supportleistungen bei offener

chen weder Spezifikationen von Formaten noch

Software ist eine differenzierende Betrach-

von Schnittstellen. Dadurch kann der Datenaus-

tungsweise ebenfalls notwendig. So sind Hilfe

tausch zwischen proprietären und quelloffenen

und Beratung bei manchen Open Source Pro-

Systemen schwierig oder auch unmöglich wer-

dukten schwierig zu erhalten und keinesfalls

den. Diese Inkompatibilität ist jedoch ein Prob-

garantiert. Bei anderen hingegen wird durch die

lem, welches in der Regel nur von proprietärer

Entwicklungsgemeinschaft in Internetforen eine

Software ausgeht. Viele Open Source Produkte

breite Unterstützung gewährleistet, die im Ge-

haben keine Probleme proprietäre Dateiformate

gensatz zum offiziellen Support eines kommer-

zu lesen, so dass in den meisten Fällen von

ziellen Softwareentwicklers oft kostenlos ist. Ein

einer einseitigen Inkompatibilität gesprochen

ähnliches Bild liefert die Weiterentwicklung von

werden kann. Ein bekanntes Beispiel, welches

Open Source Produkten. Wie auch beim Sup-

dieses Problem verdeutlicht, sind die Microsoft

port ist die Wartung, Pflege und Weiterentwick-

Office und OpenOffice Dateiformate. So ist es

lung dauerhaft nicht sichergestellt und kann

nicht möglich mit der Software von Microsoft das

jederzeit eingestellt werden. Jedoch kann dies

Open Office Dateiformat zu lesen. Andererseits

auch für kommerzielle Software zutreffen. Die

hat OpenOffice keinerlei Probleme die Dateifor-

Gefahr ist besonders hoch, wenn ein Nachfol-

mate von Microsoft zu verarbeiten. Obwohl die-

geprodukt auf dem Markt erscheint, denn dann

ses Problem demnach nur durch proprietäre

werden die Weiterentwicklungen und der Sup-

Software verursacht wird, ist es dennoch ein

port für das ältere Produkt oft vernachlässigt

Nachteil mit dem Nutzer von Open Source Soft-

oder eingestellt. So endete beispielsweise der

ware im alltäglichen Gebrauch konfrontiert wer-

Mainstream Support für Windows 2000 bereits

den.

vier Jahre nach Markeinführung.

38

Bei promi-

Ein weiteres Problem, welches nicht vernach-

nenten Open Source Projekten ist die Gefahr

lässigt werden sollte, ist die Tatsache, dass der

einer Einstellung der Leistungen hingegen sehr

geplante Einsatz von Open Source Software

gering, weil eine breite Entwicklergemeinschaft

nicht immer zu realisieren ist. Beispielsweise

beteiligt ist und wie im Fall von Open Office oder

kann ein Unternehmen, welches Linux als Be-

MySQL renommierte Unternehmen den Support

triebssystem einsetzen möchte, Probleme be-

sichern. Es lässt sich also folgern, dass der

kommen, weil bestimmte dringend benötigte

Bereich Support und Weiterentwicklung im Ein-

Anwendungen nur auf Windows abgestimmt

zelfall betrachtet werden muss und sowohl ein

sind. Das Unternehmen wird somit praktisch gezwungen das Betriebssystem von Microsoft

38

Vgl. Renner et al. 2005, S. 174.

69

einzusetzen und von Open Source Lösungen

Wettbewerb geführt wird. Wenn es außerdem

Abstand zu halten.

kaum alternative Software auf dem Markt gibt, ist die Veröffentlichung unter einer Open Source

4.2 Verlust von Ertragsströmen und

Lizenz nicht immer die beste Lösung.

intellektuellem Eigentum

Das Teilen von intellektuellem Eigentum bietet,

Unternehmen die Open Source Software entwi-

wie bereits erläutert, viele Möglichkeiten. Unter

ckeln und vertreiben sehen sich ebenfalls mit

bestimmten Bedingungen kann es jedoch auch

einigen Nachteilen konfrontiert. Der offensicht-

nachteilig

lichste Nachteil ist dabei die Tatsache, dass für

sein.

Wenn

eine

Firma

BSD-

lizenzierte Software in einen Collectiv-Invention-

Open Source Software keine Lizenzgebühr ver-

Prozess gibt, besteht die Gefahr, dass ein Kon-

langt werden kann. Firmen die vor der Entschei-

kurrent die Lizenz in eine proprietäre umwandelt

dung stehen, ob sie entwickelte Software prop-

und so die Software gegen eine Gebühr verkau-

rietär oder quelloffen verbreiten, sollten daher

fen kann. Um dies zu verhindern, sollte die Ba-

den möglichen Profit gegen die Vorteile von

sissoftware die weiterentwickelt wird unter einer

Open Source abwägen.

GPL stehen. Darüber hinaus sind viele UnterFür Firmen, die Software ursprünglich zur eige-

nehmen immer noch verunsichert, wenn es um

nen Nutzung entwickelt haben und daraufhin

die Veröffentlichung des Quellcodes ihrer Soft-

veröffentlichen wollen, ist Open Source oft die

ware geht. Trotz der Vorteile wird das Teilen von

beste Wahl. So ist es schwierig Software die für

Wissen oft auch als Verlust interpretiert. Jedoch

den Eigengebrauch gedacht war zu verkaufen,

sind die Regelungen zur Offenlegung des Quell-

da der Rollenwechsel vom Nutzer zum Verkäu-

codes weniger streng als allgemein angenom-

fer nicht ohne weiteres möglich ist. 39 Oft fehlt es

men. Die GPL besagt zwar, dass der Quellcode

an nötigen Verkaufskanälen, Service oder kom-

jedem zugänglich gemacht werden muss, je-

plementären Gütern. 40 Daher sind die Transak-

doch muss dies nicht auf Eigeninitiative gesche-

tionskosten um einen Absatzmarkt zu finden in

hen. So ergab eine Umfrage unter Herstellern

den meisten Fällen zu hoch. Darüber hinaus ist

von „Embedded Linux“, dass 45 % der Firmen in

nach Raymond 90 % des Quellcodes sehr spe-

einigen Fällen den Quellcode nur dann veröf-

ziell und nur für die unternehmensinterne Nutzung und nicht für den Verkauf bestimmt,

41

fentlichen, wenn danach verlangt wird.

so

geheim zu halten, wenn keine Anfrage erfolgt,

einer Open Source Lizenz in diesem Fall keine

jedoch widerspricht es auch den grundlegender

Ertragsströme gefährdet.

Intention von Open Source.

Allerdings besteht die Gefahr, dass eine Firma

Bei der Verbreitung von Open Source Software

wettbewerbsorientierte Vorteile verliert, da die

sollten außerdem die möglichen Kosten berück-

Funktionen der Software nun auch von der Kon-

sichtigt werden. So sind im Vergleich zu proprie-

kurrenz genutzt werden können. 42 Diese Gefahr

tärer Software die Distributionskosten von Open

ist umso größer, desto höher der Konkurrenz-

Source Software zwar geringer, jedoch nicht

grad ist und desto stärker die Software mit dem

gleich null. Die Veröffentlichung sollte gut vorbe-

Geschäftsbereich verbunden ist in dem der

40 41 42

Dieses

Vorgehen bietet die Möglichkeit den Quellcode

dass die Veröffentlichung von Software unter

39

43

reitet sein, sonst ist schlechte Publicity die Folge. So muss der Quellcode strukturiert und gut

Vgl. von Hippel 1988, S. 45. Vgl. Teece 1986, S. 288. Vgl. Raymond 1999, S. 142. Vgl. Henkel 2003, S. 12.

43

70

Vgl. Henkel 2006, S. 11.

dokumentiert werden. Außerdem ist darauf zu

der Befragten zur Reife von Open Source Soft-

achten, dass der Quellcode keine Anteile enthält

ware ermittelt. Die Befragten konnten anhand

44

einer fünfstufigen Ratingskala den Reifegrad für

Darüber hinaus sollte die Website auf der die

einen bestimmten Softwarebereich, relativ zu

Software zum Download verfügbar ist, immer

kommerziellen Produkten, bewerten (1 = Reife-

auf dem neuesten Stand sein, was ebenfalls

grad sehr gering, 5 = Reifegrad sehr hoch).

Kosten verursacht.

Darüber hinaus wurden die einzelnen Software-

die unter einer proprietären Lizenz stehen.

bereiche ihrer Bedeutung nach mit einer Rele-

Die Möglichkeit Software bewusst unter einer

vanzkennzahl versehen (1 = sehr niedrige Rele-

Open Source Lizenz zu veröffentlichen um

vanz, 5 = sehr hohe Relevanz), welche darüber

Druck auf einen Wettbewerber auszuüben wur-

Auskunft gibt, wie wichtig ein bestimmter Soft-

de bereits beschrieben. Jedoch geschieht diese

warebereich für die Nutzer ist. Anhand von bei-

Maßnahme nicht immer ganz freiwillig. Oft sind

den Charakteristika, lässt sich ein Relevanz-

Firmen gezwungen ihre Software quelloffen zu

Reifegrad-Portfolio ableiten, welches es ermög-

verbreiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So

licht Empfehlungen bezüglich des Einsatzes und

erging es beispielsweise IBM. Das Unterneh-

der Beteiligung an Open Source Software zu

men bekam immer mehr Schwierigkeiten bei der Vermarktung

seiner

geben.

Entwicklungsumgebung

VisualAge. Daraufhin beschloss man das Open Source Projekt Eclipse zu starten, um nicht vollständig die Kontrolle am Markt für Entwicklungsumgebungen an die Konkurrenz zu verlieren.

45

Dieses Beispiel zeigt, dass die Veröffent-

lichung von Software unter einer Open Source Lizenz in einigen Fällen der letzte Ausweg ist, um im Bewusstsein der Kunden zu bleiben.

5

Reifegrad und Einsatzstrategien von Open Source

Angesichts der Vorteile von Open Source gegenüber geschlossenen Systemen stellt sich die Frage, ob der Reifegrad von kostenloser Software mit dem eines kommerziellen Produktes vergleichbar ist. Darüber hinaus soll diese Kapitel Aufschluss über mögliche Softwarebereiche geben, in denen eine Nutzung bzw. aktive Beteiligung an Open Source sinnvoll ist. Um die Qualität von Open Source im Vergleich zu proprietärer Software zu bewerten, wird erneut die Studie des Fraunhofer Institutes herangezogen. In der Studie wurden die Meinungen 44 45

Vgl. Hamerly/ Paquin/ Walton 1999, S. 199. Vgl. Dürr/ Weske 2004, S. 75.

71

Abb. 1: Relevanz-Reifegrad-Portfolio von Open Source Software

.

nicht – differenzierende Standartsoftware

Chance auf Erfolg, da genügend quelloffene Alternativen vorhanden sind und die Monopol-

Open Source Software, die im oberen, rechten

stellung von Microsoft gerade im Bereich der

Quadrant angesiedelt ist, zählt größtenteils zu

Betriebsysteme oder Officeanwendungen zu

nicht – differenzierender Standartsoftware. Ver-

stark ist. Darüber hinaus würde das Unterneh-

treter aus diesem Bereich sind beispielsweise Betriebssysteme,

Officeanwendungen

men keine neue oder herausragende Technolo-

oder

gie anbieten, so dass kaum ein Nutzer bereit

auch Grafiksoftware. Diese Art der Software ist

wäre, für ein solches Produkt Lizenzgebühren

von allgemeinem Interesse und besitzt eine

zu zahlen. Bei nicht differenzierender Software,

hohe Relevanz, da sie die grundlegenden IT –

zu der etwa 90 % aller Software gehört,

Bedürfnisse eines jeden Unternehmens erfüllt.

46

sind

die Interessen der einzelnen Unternehmen oft

Jedoch kann ihr Einsatz einem Unternehmen

ähnlich und der Konkurrenzkampf gering, so-

keinen Vorteil gegenüber einem anderen ver-

dass eine Beteiligung an einer gemeinsamen

schaffen. So können weder Betriebssysteme

Entwicklung oft lohnenswert ist. Deshalb ist es

noch Grafiksoftware dazu beitragen ein Unter-

nicht verwunderlich, dass beispielsweise HP

nehmen von anderen zu differenzieren, da sie

und IBM gemeinsam an Software arbeiten, die

jedem zur Verfügung stehen.

beiden Unternehmen dabei hilft ihre Produkte zu Unternehmen, die sich auf dem Softwaremarkt

verkaufen, und in anderen Bereichen weiterhin

etablieren wollen, werden davon Abstand halten

Konkurrenten sind. 47

für diese Art der Software eine Lizenzgebühr zu verlangen. Dieses Vorhaben hätte nur wenig

46 47

72

Vgl. Perens 2007, S. 138. Vgl. Perens 2007, S. 138.

Die hohe Relevanz von Open Source Software

qualitativ hochwertige Software mit geringer

in diesem Bereich führt dazu, dass sich viele

Relevanz

Entwickler an der Verbesserung der Software

Der obere, linke Quadrant in dem sich bei-

beteiligen und somit qualitativ hochwertige und

spielsweise Content- oder Dokumentenmana-

benutzerfreundliche Produkte entstehen. Die

gementsysteme befinden, kennzeichnet sich

Verwendung der Software ist deshalb zu emp-

einerseits durch einen hohen Reifegrad der

fehlen und durch ihre hohe Einsatzhäufigkeit

Software, andererseits jedoch auch durch eine

wird das Einsparpotential zudem erhöht. Dar-

geringe Relevanz, so dass aufgrund der einge-

über hinaus sollte die weitere Entwicklung ge-

schränkten Verbreitung der Software kaum Ein-

fördert werden, um noch benötigte Funktionen in

sparpotentiale vorhanden sind. Unternehmen

die Software zu integrieren.

können die vorhandene Open Source Produkte

differenzierende Individualsoftware

aus diesem Bereich nutzen, sollten sich aber mangels Perspektiven nicht aktiv an deren Wei-

Der untere, rechte Quadrant zeichnet sich zwar

terentwicklung beteiligen. 50

durch eine hohe Relevanz aus, jedoch fehlen ausgereifte Open Source Produkte. Dieser Be-

qualitativ schlechte Software mit geringer Rele-

reich kann zu differenzierender Individualsoft-

vanz

ware gezählt werden. Ein Beispiel hierzu ist die

Ein ähnliches Bild gibt der untere, linke Quad-

Collaborative Filtering Funktion 48 , die speziell

rant wieder, in dem Produkte wie Video- oder

für den Online-Shop Amazon angefertigt wurde.

Sprachsoftware angesiedelt sind. Aufgrund der

Sie sorgt dafür, dass Amazon sich von seinen

niedrigen Relevanz der Software, ist hier eine

Konkurrenten abheben kann und so für den

Förderung von Open Source Projekten nicht zu

Kunden ansprechender wird. Differenzierende

empfehlen. Darüber hinaus sollte ein Unterneh-

Software ist in der Regel nicht quelloffen zu

men in diesem Bereich weiterhin proprietäre

erhalten, da sonst jedes Unternehmen von ihren

Software verwenden, da quelloffene Software zu

technologischen Vorteilen profitieren könnte. Die

unausgereift ist.

Softwarehersteller haben in diesem Bereich Zusammenfassend lässt sich folgern, dass es

wenig Interesse ein Produkt quelloffen zu ver-

aus Unternehmenssicht durchaus sinnvoll ist in

treiben, da die exklusive Entwicklung für ein

bestimmten Bereichen Open Source Software

Unternehmen hohe Gewinne ermöglicht, welche

zu nutzen aber auch zu fördern und zu entwi-

mit Standardsoftware nicht zu erreichen wären.

ckeln. So verdeutlicht das NIVADIS Projekt der

Deswegen veröffentlichen die meisten Soft-

Polizei in Niedersachsen, dass quelloffene

warehersteller lediglich nicht - differenzierende

Software ein vollständiger Ersatz zu proprietä-

Software unter einer Open Source Lizenz. In

ren Lösungen sein kann.

diesem Bereich sparen sie dann durch die Zu-

In dem Projekt wer-

den sämtliche EDV-Prozesse ausschließlich

sammenarbeit mit anderen Unternehmen Kos-

durch Open Source Produkte realisiert. Gerade

ten und investieren die so frei gewordenen Mittel

auch für kleinere Firmen bieten sich der Einsatz

in die Entwicklung von differenzierender Software.

51

und die Beteiligung an Open Source Software

49

an, da keine teueren Lizenzen erworben werden müssen und kostenloser Entwicklungssupport 48

49

Empfehlungssystem: "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, haben auch jenen gekauft." Vgl. Perens 2007, S. 147.

50 51

73

Vgl. Renner et al. 2005, S. 178. Vgl. Polizei Niedersachsen 2007.

sowie billige Marketing Kanäle für die Verbrei-

insbesondere auf Microsoft Produkte. Den zahl-

tung vorhanden sind. Dennoch kann von einer

reichen Vorteilen zum Trotz, scheint der Quasi-

generellen Empfehlung für Open Source nicht

standard von Microsoft noch zu tief im Bewusst-

gesprochen werden. Je nach Einsatzgebiet und

sein der Nutzer zu sein. Hauptsächlich dadurch

Art des Unternehmens macht der Einsatz und

ist es zu erklären das Open Source Produkte

die Beteiligung an Open Source Sinn oder nicht,

wie das sehr gelungen OpenOffice sich nur

so dass eine Einzelfallbetrachtung notwendig

schwer durchsetzen können.

ist.

Nachteile wie etwa mögliche Schulungskosten,

52

Denn selbst

die aufgrund der hohen Ähnlichkeit von Open

6 Alternative Open Source

Source zu proprietärer Software meist geringer Die Zeiten in denen der Begriff Open Source nur

zu Buche schlagen als angenommen, sind nicht

mit Hobby-Programmierern und kleinen Entwick-

so gravierend, dass dadurch die Nutzung von

lergemeinschaften in Verbindung gebracht wur-

Open Source unmöglich wäre.

de sind zu Ende. Die Nutzung und aktive BeteiUm die Verbreitung von Open Source weiter

ligung an Open Source Software ist auch für

voran zu treiben, müssen die Nutzer von der

kommerzielle Firmen lohnenswert geworden.

Qualität und der Benutzerfreundlichkeit infor-

Sie profitieren dabei nicht nur vom Kostensen-

miert und überzeugt werden. Außerdem müssen

kungspotential sondern auch von stabilen, si-

die Softwareentwickler ihre Ängste in Bezug auf

cheren Systemen, die sich an die individuellen

den Verlust von Ertragsströmen und intellektuel-

Bedürfnisse anpassen lassen und somit die

lem Eigentum überwinden. Ob quelloffene Soft-

Unabhängigkeit von proprietärer Software si-

ware letztendlich proprietäre Produkte dauerhaft

chern. Auf Seiten der Entwicklung bietet das

verdrängen kann, lässt sich zu diesem Zeitpunkt

Prinzip der Collective Invention darüber hinaus

nur schwer voraussagen. Marktführer Microsoft

ein enormes Innovationspotential gegenüber

wird mit seiner monopolistischen Einstellung

geschlossenen Systemen. Die Firmen unterstüt-

auch in Zukunft versuchen die Verbreitung von

zen sich gegenseitig und teilen die Risiken und

Open Source zu erschweren. Es bedarf somit in

Kosten der Entwicklung untereinander auf. Es

den nächsten Jahren weiterhin einer breiten

werden Standards geschaffen von denen alle

Unterstützung und einer geschlossenen Open

beteiligten Unternehmen profitieren und durch

Source Gemeinschaft, um den Erfolg von Open

die Kombination von Open Source Software und kommerziellen Produkten,

Source und die dadurch resultierenden Vorteile

lassen sich sogar

für alle Beteiligten zu sichern.

Gewinne erwirtschaften. Open Source bietet

Literaturverzeichnis

demnach nicht nur Vorteile für einzelne Firmen, sondern auch für alle an einer Softwareentwick-

Alexy, O. (2006): Promoting the Penguin: Who

lung beteiligten Unternehmen und trägt somit

is advocating Open Source Software in

positiv zur Gesamtwohlfahrt bei.

commercial settings?, TUM Business

Darüber hinaus zeigt die Studie des Fraunhofer

School, Technische Universtität München

Institutes, dass Open Source Software quali-

2006.

tätsmäßig proprietären Produkten, zumindest im Bereich der nicht differenzierenden Software, in nichts nach steht. Dennoch vertrauen viele Unternehmen weiterhin auf proprietäre Lösungen,

52

74

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76

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(Stand 20.06.2006, Abfrage:

03.12.2007).

77

Rebecca Woll Potentiale und Grenzen der Lead-User-Analyse zur Neuproduktentwicklung 1

Die Bedeutung der Lead-User-Analyse bei der Entwicklung von Innovationen

2

Ablauf eines Lead Usern gestützten Innovationsvorhabens

3

Umsetzung des Lead-User-Konzepts in der Praxis

4

Potentiale der Lead-User-Analyse

5

Grenzen der Lead-User-Analyse

6

Lead-user-Analyse als Voraussetzung erfolgreicher Innovationen?

1

dürfnisse und Trends können mit ihnen nicht oder

Die Bedeutung der Lead-User-Analyse

nur sehr eingeschränkt prognostiziert werden. 2

für die Entwicklung von

Aus dem Wunsch heraus, auch zukünftige Be-

Innovationen

dürfnisse des Marktes voraussagen zu können

Innovationen sind heute, da in vielen Branchen

und diese Erkenntnisse in den Innovationspro-

ein hoher Konkurrenzdruck und geringe Wachs-

zess einzubinden, hat Eric von Hippel 1986 das

tumsraten vorherrschen, ein wesentlicher Faktor

Konzept der Lead-User-Analyse entwickelt. 3 Es

für den Erfolg eines Unternehmens. Auf vielen

gründet auf der Tatsache, dass sich Bedürfnisse

Märkten bieten zahlreiche Hersteller ähnliche

nicht gleichmäßig auf einem Markt entwickeln,

Produkte oder Dienstleistungen zu vergleichbaren

sondern dass es immer Marktteilnehmer gibt, die

Preisen an. Um in diesen Branchen konkurrenz-

solche Bedürfnisse zuerst verspüren und somit

fähig zu bleiben, ist es unabdingbar, neue Pro-

dem Markttrend voraus sind. 4 Diese Individuen

dukte zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen

oder Firmen werden als Lead User bezeichnet.

der Kunden orientieren. 1 Da in einigen Branchen

Lead User zeichnen sich dabei laut von Hippel

mehr als 90% aller Produktneuentwicklungen

durch zwei Kernmerkmale aus, die sie von ge-

nicht auf dem Markt bestehen und ein großer Teil

wöhnlichen Usern unterscheiden:

der Innovationsprojekte bereits in der Entwicklungsphase scheitert, versuchen Hersteller ver-

„Lead users face needs that will be general in a

mehrt, die Bedürfnisse potentieller Kunden genau

market place – but face them month or years be-

zu untersuchen, um die Erfolgschancen ihrer Pro-

fore the bulk of that market place encounters

dukte zu erhöhen. Handelt es sich bei den Inno-

them – and

vationen lediglich um weniger revolutionäre Pro-

Lead users are positioned to benefit significantly

duktveränderungen, so stehen den Firmen zahl-

by obtaining a solution to those needs.” 5

reiche erprobte Marktforschungsinstrumente zur

Die Eigenschaft, dass Lead User dem allgemei-

Verfügung, um die Bedürfnisse des Marktes zu

nen Trend voraus sind, ermöglicht es, anhand

evaluieren. Strebt ein Unternehmen jedoch eine

deren heutiger Bedürfnisse die zukünftigen Be-

„bahnbrechende“ Innovation an, so ist das Vorge-

dürfnisse des Marktes zu prognostizieren. So

hen der klassischen Marktforschung mittels Nach-

können Unternehmen Produkte entwickeln, die

fragerbefragung wenig geeignet. Herkömmliche

den Bedürfnissen des zukünftigen Marktes ent-

Erhebungsmethoden sind auf die Analyse beste-

sprechen und sich somit frühzeitig einen Wettbe-

hender Bedürfnisse beschränkt, zukünftige Be-

2 3 4 1

5

Vgl. Nagel 1993, S. 2.

78

Vgl. Lüthje/ Herstatt 2004, S. 554. Vgl. Urban/ von Hippel 1988. Vgl. Schreier/ Oberhauser/ Prügel 2007, S. 17. Urban/ von Hippel 1988, S. 569.

werbsvorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen

Phasen untergliedert. Die Benennung der Schritte

verschaffen.

differiert bezüglich den Darstellungen der einzelnen Autoren, inhaltlich stimmt die Struktur jedoch

Lead User erwarten einen Nutzen durch eine

weitgehend überein: 7

Innovation, deshalb zeigen sie eine hohe Motivation, bei der Entwicklung eines Innovationskon-

In der ersten Phase gilt es einen dominanten

zepts mitzuwirken. Häufig haben sie bereits Lö-

Trend zu identifizieren. Daraufhin werden dann

sungsansätze entwickelt, die in die Produktent-

die Lead User dieses Trends identifiziert und de-

wicklung eingebunden werden können.

6

ren Bedürfnisse in der dritten Phase in die Entwicklung einer Innovation eingebunden. Zuletzt

Anhand dieser beiden zentralen Merkmale kön-

wird dann die Übertragbarkeit des Neuproduktes

nen Lead User klar von anderen Usern abge-

bzw. des Konzeptes auf die Marktbedürfnisse

grenzt werden. Dabei ist es wichtig zu beachten,

geprüft.

dass Lead User nicht zwangsläufig Endverbraucher sein müssen. Häufig handelt es sich um

2.1 Identifikation eines bedeutsamen techno-

Unternehmen, die ein Produkt oder eine Dienst-

logischen oder marktbezogenen Trends

leistung zur Erstellung ihres eigentlichen Produk-

Wie bereits im ersten Abschnitt erläutert, sind

tes nutzen.

Lead User Nachfrager, die dem allgemeinen

In diesem Beitrag soll nun zunächst der Ablauf

Markttrend in ihren Bedürfnissen voraus sind. Da

einer Innovation unter Einbeziehung von Lead

es auf jedem Markt in der Regel mehrere Trends

Usern schematisch dargestellt werden. Im nächs-

gibt, die sich nebeneinander entwickeln, muss

ten Schritt sollen dann mehrere praktische Um-

sich ein Unternehmen zu Beginn einer Lead-User-

setzungen des Konzepts einer gegenübergestellt

Innovation auf einen oder mehrere Markttrends

und verglichen werden. Der Fokus liegt dabei auf

festlegen. Dazu muss zunächst untersucht wer-

den Methoden, die zur Identifikation der Lead

den, welche unterschiedlichen Trends auf einem

User Anwendung finden, da dies der wichtigste

Markt vorherrschen. Zur Identifikation der Markt-

Bereich und maßgeblich für den „Erfolg“ der An-

trends stehen üblicherweise zwei Erhebungsme-

wendung des Lead User Konzeptes ist. Ziel ist es

thoden zur Verfügung:

dabei herauszufinden, ob sich aus den Praxisbei-

1. Sekundärerhebung:

spielen typische und bewährte Vorgehensweisen In eine Sekundärerhebung können externe und

ableiten lassen. Im nachfolgenden Abschnitt sol-

betriebsinterne

len dann anhand der Ergebnisse Potentiale, aber

Informationen

einfließen.

Die

Trends werden dann durch die Aufbereitung, Ana-

auch Grenzen des Lead User Konzepts sowohl

lyse und Interpretation bestehender Daten etwa

die Theorie als auch die praktische Umsetzung

aus Publikationen, Datenbanken oder auch dem

betreffend dargestellt werden. Abschließend wer-

Internet gewonnen. Dies ist häufig sinnvoll, da auf

den die Ergebnisse zusammengefasst und eine

vielen Märkten zahlreiche Marktforschungsstudien

Gesamtbewertung des Konzepts vorgenommen.

und Trendforschungen bereits durchgeführt wur-

2

Ablauf

eines

von

Lead

Usern

den. Zudem ermöglicht das Internet heute einen

gestützten Innovationsvorhabens Der Innovationsprozess unter Einbeziehung von Lead Usern wird in den meisten Studien in vier 7

6

Vgl. Urban/ von Hippel 1988, S. 570.

79

Vgl. Lüthje/ Herstatt 2004, S. 561; Urban/ von Hippel 1988, S. 570f.; Springer et al. 2006, S. 6ff; Herstatt/ von Hippel 1992, S. 216ff.

schnellen und kostengünstigen Zugriff auf viele dieser Informationsquellen.

2.2 Identifikation der Lead User

8

Dieser Schritt bildet den Betrachtungsschwer-

2. Experteninterviews

punkt des dritten Abschnitts, weshalb er hier nur kurz skizziert werden soll.

Bei dieser Methode werden Experten zu bestehenden Markttrends befragt. Entscheidend für

Bevor die Lead User eines Trends ausgemacht

den Erfolg dieser Methode ist die richtige Auswahl

werden können, müssen zunächst Indikatoren zur

der Experten. Als Experten kommen dabei prinzi-

Auswahl der Lead User festgelegt werden. Wie in

piell auch Normalanwender oder Extremanwen-

Abschnitt 1 erläutert, zeichnen sich Lead User

der, neben ausgemachten Fachexperten in Frage.

durch eine führende Position im jeweiligen Trend

Um möglichst umfassende Ergebnisse zu erhal-

und die Erwartung eines hohen Nutzens durch die

ten, sollten alle dabei möglichst aus jeder der drei

Innovation aus. Da diese Merkmale nicht direkt

Kategorien Personen in die Untersuchung einbe-

erhoben werden können, müssen Indikatoren

zogen werden, da sie aufgrund ihrer unterschied-

ermittelt werden, die diese beiden Merkmale wi-

lichen Erfahrung verschiedene Erkenntnisse und

derspiegeln. Dabei müssen diese Indikatoren die

Sichtweisen liefern. Die Experten sollten darüber

allgemeinen Charakteristika von Lead Usern mit

hinaus aus mehreren Wissensfeldern ausgewählt

den spezifischen Trends verbinden. Mögliche

werden. Zudem können neben dem vorliegenden

Indikatoren sind z. B. eigene Produktenwicklun-

Zielmarkt auch analoge Märkte berücksichtigt

gen eines Users, Unzufriedenheit mit bestehen-

werden. Die Expertise sollte also möglichst breit

den Produkten und die Geschwindigkeit der A-

angelegt werden, um sicher zu stellen, dass keine

daption von Innovationen. Anhand der ausge-

wichtigen

konkurrierende

wählten Indikatoren werden dann durch verschie-

Ideen und neue erwachsende Märkte übersehen

dene Erhebungsmethoden mögliche Lead User

werden.

Entwicklungen,

wie

9

identifiziert.

11

Die beiden Methoden der Expertenbefragung und

Nach der Identifikation möglicher Lead User er-

der Analyse von Sekundärdaten schließen sich

folgt die Endauswahl geeigneter Lead User. Da-

gegenseitig nicht aus. Häufig führen Unterneh-

bei sind folgende Kriterien von zentraler Bedeu-

men zunächst eine Sekundäranalyse durch, um

tung:

sich einen Überblick über die Entwicklungen des

ƒ Motivation des Lead User, an einer Konzept-

Marktes zu verschaffen und überprüfen bzw. kon-

entwicklung mitzuwirken

kretisieren ihre Ergebnisse dann durch Expertenƒ Bereitschaft, konkrete Lösungskonzepte beizu-

interviews. Anhand der erhobenen Informationen

steuern bzw. Informationen und Wissen weiter-

werden dann verschiedene Trends identifiziert,

zugeben

die durch Experten und/oder interne Firmenteams bewertet werden. Abschließend werden ein oder

ƒ offene Kommunikation im Team

mehrere Trends ausgewählt, für die ein innovati-

ƒ Einhalten

ves Produktkonzept entwickelt werden soll.

10

Im

von

Geheimhaltungs-/

Schweige-

pflichten

nächsten Schritt werden dann die Lead User zu Ein Lead User ist nicht zwangsläufig zur Einbin-

den entsprechend selektierten Trends gesucht.

dung in den Innovationsprozess geeignet. Hat ein Unternehmen nicht die Kapazitäten für die Teil8 9 10

Vgl. Pötz et al. 2005, S. 24f. Vgl. Lüthje/Herstatt 2004, S. 562. Vgl Pötz et al. 2005, S. 26ff.

11

80

Vgl. Springer et al. 2006, S. 6.

nahme oder aber bereits ein eigenes Lösungs-

menarbeit zur Verfügung. Diese lassen sich in

konzept entwickelt, das es nicht vermarkten will,

vier Gruppen unterteilen: 15

kommt es nicht in Frage. Auch Privatpersonen,

ƒ Anwenderbeobachtung

die als Lead User identifiziert wurden, sind nur ƒ Anwenderbefragung

dann als Partner geeignet, wenn sie bereit sind,

ƒ gemeinsame Arbeitsgruppen und Kreativitäts-

ihre Erfahrungen und Ideen in den Innovationsprozess einzubringen. Darüber hinaus muss der

workshops

Lead User vertrauenswürdig sein, da ein Innova-

ƒ Mitarbeiteraustausch zwischen Hersteller und

tionskonzept unbedingt vor der Konkurrenz am

Anwender

Markt geheim gehalten werden muss. Solche Eigenschaften der Lead User müssen daher von

Welche Methode am sinnvollsten ist, ist von der

den Interviewern bei der Befragung mit berück-

Branche und den speziellen Merkmalen einer

sichtigt werden.

Innovation abhängig. In der Praxis zeigt sich je-

12

doch folgender Zusammenhang: Je höher der 2.3 Entwicklung eines Innovationskonzeptes

Investitionsgrad, also je neuartiger das Produkt

In diesem Schritt sollen aus den Erfahrungen und

ist, desto enger ist in der Regel die Zusammenar-

Bedürfnissen der Lead User Produktkonzepte

beit mit den Lead Usern bzw. fruchtbarer er-

entwickelt werden, die für den Markt geeignet

scheint eine intensive Zusammenarbeit.

scheinen. In manchen Fällen haben die Lead

16

Eine häufig genutzte Form der Zusammenarbeit

User bereits eigene Konzepte entwickelt, die in

ist der Workshop. Da diese Methode auch in den

die Konzepterstellung einfließen können. 13

in Abschnitt 3 untersuchten Praxisbeispielen von

Bei der Erstellung eines Produktkonzeptes kann

besonderer Bedeutung ist, soll sie hier kurz erläu-

das Unternehmen entweder aus den erhobenen

tert werden. Teilnehmer des Workshops sind in

Daten im Team selbstständig Konzepte entwi-

der Regel ausgewählte Lead User, Mitarbeiter

ckeln oder aber die Lead User aktiv in die Ent-

des firmeninternen Teams, externe Experten und

wicklung einbeziehen. Der Vorteil einer unter-

in einigen Fällen Mitarbeiter des Unternehmens,

nehmensinternen Produktentwicklung ist die bes-

die nicht direkt in die Produktentwicklung invol-

sere Absicherung der Geheimhaltung. Dagegen

viert sind. Die Entwicklung von Produktkonzepten

spricht, dass die Teilnahme der Lead User an der

erfolgt dann üblicherweise in vier Schritten:

Konzeptentwicklung und die Interaktion zwischen

17

1. Problemdefinition

den Lead Usern häufig zur Gewinnung relevanter 2. Definition der Bedürfnisse hinsichtlich der

Informationen erforderlich sind. Zudem sind diese

Problemlösungen

selbst am besten in der Lage, ihre konkreten Erwartungen an ein Produkt zu formulieren bzw. umzusetzen.

3. Konkretisierung der Anforderungen an das

14

Produkt

Entscheidet sich ein Unternehmen für die Einbe-

4. Generierung von Ideen und Lösungskonzep-

ziehung der Lead User in die Produktkonzeption,

ten

stehen ihm zahlreiche Möglichkeiten zur Zusam-

12 13 14

2.4 Test des generierten Produktkonzepts

15

Vgl. Pötz et al. 2005, S. 40f. Vgl. Urban/ von Hippel 1988, S. 571. Vgl. Pötz et al. 2005, S. 41.

16 17

81

Vgl. Springer et al. 2006, S. 8. Vgl. Springer et al. 2006, S. 8. Vgl. Pötz et al. 2005, S. 41ff.

Die Lead-User-Methode basiert auf der Grundla-

3.1 Projektauswahl der Meta-Analyse

ge, dass Lead User bereits Bedürfnisse haben,

Im Folgenden sollen zehn Projekte in einer Tabel-

die der Markt in Zukunft entwickeln wird und sich

le dargestellt werden, in denen die Lead-User-

somit zukünftige Trends an den Bedürfnissen der

Methode praktisch umgesetzt wurde. Die Tabelle

Lead User ablesen lassen. Inwieweit der Markt

1 beschränkt sich auf die Darstellung der Identifi-

tatsächlich diese Bedürfnisse entwickelt, ist je-

kation von Trends und der Identifikation der Lead

doch zu Beginn des Innovationsprozesses nicht

User mit den Unterpunkten: verwendete Lead-

eindeutig zu erfassen. Daher muss das mit den

User-Indikatoren, Methode zur Identifikation und

Lead Usern erarbeitete Produktkonzept auf seine

beachtete Stichprobe. Die Fallbeispiele stammen

Markttauglichkeit getestet werden. Dazu stehen

aus verschiedenen Branchen und stammen auch

verschiedene Methoden wie Score-Tests, Mini-

aus verschiedenen Jahren, um einen möglichst

market-Tests und Testmarkt-Simulationen mit

differenzierten Überblick über bisherige For-

Anwendergruppen zur Verfügung, die eine struk-

schungsergebnisse zu gewährleisten. Allerdings

turelle Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit mit den

stellen die untersuchten Studien nur eine kleine

Lead Usern aufweisen. Bestätigen die Tests die

Auswahl der existierenden Studien dar, weshalb

Attraktivität des Konzeptes für den gesamten

kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden

Markt, so kann der Unternehmer mit einem Erfolg

kann. Dennoch lässt sich anhand der durchge-

seines generierten Produktes am Markt rechnen.

3

führten Analyse ein Muster im Vorgehen bei der

18

Identifikation der Lead User ermitteln.

Umsetzung des Lead-User-Konzepts in

3.2 Methoden zur Identifikation von Lead U-

der Praxis

sern

Anhand mehrerer konkreter Anwendungsbeispiele

Alle untersuchten Fallstudien haben zur Identifika-

des

verschiedenen

tion der Lead User zunächst einen Trend ausge-

Branchen soll nun die praktische Umsetzung der

wählt. In einigen Studien wurde der Trend mit

im zweiten Abschnitt dargestellten Vorgehenswei-

Hilfe von Expertengesprächen identifiziert, in an-

se näher beleuchtet werden. Dabei sollen in ers-

deren wurde vorab Sekundäranalyse durchge-

ter Linie die Identifikation von Trends und die

führt. Zur Identifikation der Lead User wurden

Methoden der Lead-User-Identifikation dargestellt

dann zunächst Indikatoren entwickelt, die sie be-

werden, da diese Schritte zentral für die Erstel-

züglich des ausgewählten Trends charakterisie-

lung eines erfolgreichen Produktkonzeptes sind.

ren. Für den Suchprozess selbst stehen zwei

Zunächst wird das Vorgehen einzelner Studien in

Instrumente zur Verfügung, die in den untersuch-

Lead-User-Konzepts

aus

19 ten Studien häufig kombiniert wurden :

einer Übersicht dargestellt. In einem zweiten Schritt soll dann untersucht werden, ob bestimmte Muster im Vorgehen der einzelnen Untersuchungen existieren. Ziel ist es zu überprüfen, in wieweit die theoretischen Vorgaben in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden (können) und welche konkreten Methoden in der Praxis zur Identifikation von Lead Usern angewendet werden.

19

18

Vgl. Franke/Shah (2003), S. 161f; Lüthje/Herstatt/von Hippel (2002) S. 10ff; Herstatt (2003), S. 9f; Pötz et al. (2005), S.37.

Vgl. Springer et al. 2006, S. 9.

82

Studie

Produktbereich

Identifikation

Identifikation der Lead User

von Trens Urban/von Hippel (1988)

CAD Software (USA)

Indikatoren

Expertenbefragung

Entwicklung eigener Konzepte

Diskussionsgruppen

Zufriedenheit mit bestehenden Systemen

Methode Telefonische Befragung

Rohraufhängungen Hilti AG (Schweiz, Deutschland, Österreich)

Expertenbefragung

Trendführerschaft Hoher erwarteter Nutzen Innovationstätigkeit

Morrison/ Roberts/ von Hippel (2000)

Bibliotheksysteme (Australien)

Keine Angaben

Zufriedenheit mit bestehenden Lösungen Innovationsbarrieren Leading-edgeStatus

Zufallsstichprobe anhand einer Kundenkartei und Liste potenzieller Kunden N=136

Adoptionsverhalten Herstatt/von Hippel (1992)

Stichprobe

Befragung der Verkaufsabteilung Telefoniterview mit qualifizierten Experten

Firmen die Rohraufhängungen einsetzen

Prescreening per Telefoninterview

Zufallsstichprobe aus öffentlichen und privaten Bibliotheken

Halbstrukturierte Interviews Schriftliche Befragung

N=74

N=102

Meinungsführerschaft Einzigartigkeit der Bedürfnisse Adopstionsverhalten Lüthje (2000)

Franke/Shah (2003)

Outdoorsport, Klettern, Wandern, Ski, Moutnainbiking (Deutschland)

Sportequipment für Segelfliegen, Canyoning, Boardercross, Behindertensport (Deutschland)

Keine Angaben

Expertenstatus (Wissen und Erfahrung)

Keine Angaben

Schriftliche Befragung

Bestehende Kunden

Pretest mit innovativen Nutzern

N=158

Erwarteter Nutzen Erwarteter kommerzieller Erfolg

Persönliches Interview

Aktive Rolle in der Community Beziehung zu anderen Mitgliedern

Befragung von Communityadministratoren und Auswahl geeigneter Communities

Zeit in der Community

Qualitative Interviews

Mitglieder der 4 Communities N=197

Schriftliche Befragung Lüthje/ Herstatt/ von Hippel (2002)

Mountainbiking (USA)

Literaturrecherche

Maß an Erfahrungen

Expertenbefragung

Technisches Wissen Innovationsverhalten

83

Expertenbefragung Internetrecherche Schriftliche Befragung

Mitglieder der MountainbikeClubs und Internetforen N=291

Studie

Produktbereich

Identifikation

Identifikation der Lead User

von Trens Franke/ von Hippel (2003)

Apache Security Software (International)

Indikatoren

Keine Angaben

ProgrammierFähigkeiten Zufriedenheit mit Apache Lösungen

Methode

Stichprobe

Identifikation aktiver CommunityMitglieder

Registrierte Nutzer der Apache-Community

Online Befragung

N=138

Vorauswahl bereits bekannter Experten

Ärzte und Wissenschaftler

Zahlungsbereitschaft für verbesserte Lösungen Herstatt (2003)

Chirurgische Produkte (Deutschland)

Expertendiskussion

Innovationsführer

Internetrecherche

Probleme mit bisherigen Lösungen

Befragung von Extremanwendern

Hoher erwarteter Nutzen

N=50

Internetrecherche Weiterempfehlung durch Lead User Semi-strukturierter Fragebogen

Tiez et al. (2004)

Kite Surfing (Australien)

Expertenbefragung

Spezifisches Wissen

Schriftlicher Fragebogen

Maß an Erfahrungen

Interviews mit potenziellen Lead Usern

Mitglieder der Australian Kite Surfing Association N=157

Bewertung der Innovationen durch Experten Franke / von Hippel/ Schreier/ (2006)

Kite Surfing (International)

Literaturrecherche

Trendführerschaft

Expertenbefragung

Hoher erwarteter Nutzen Technisches Wissen

Online-Befragung zur Identifikation innovativer Kunden

Mitglieder mehrerer OnlineCommunities

Bewertung der Konzepte mittels Experten

N=456

Verfügbare Kontakte

1. Der Screening-Ansatz

2. Der Pyramiding-Ansatz (Networking-Ansatz)

Bei diesem Vorgehen werden Lead User inner-

Im Gegensatz zum Screening-Ansatz geht der

halb einer Stichprobe anhand der festgelegten

Pyramiding-Ansatz nicht von einer festgelegten

Lead-User-Indikatoren durch eine Art Rasterfahn-

Stichprobe aus. Ausgangspunkt für die Identifika-

dung identifiziert. Häufig geschieht dies durch

tion der Lead User sind hier eine oder mehrere

einen standardisierten Fragebogen, wie er auch in

Startpersonen, in der Regel Experten. Diese wer-

den analysierten Fallstudien verwendet wurde.

de aufgefordert, Marktteilnehmer zu benennen,

Die Befragung mit dem standardisierten Fragebo-

die ihrer Meinung nach die Kriterien eines Lead

gen geschieht in der Regel persönlich, via Internet

Users erfüllen. Die so ermittelten Lead User wer-

oder per Telefon. Dieses Vorgehen ermöglicht es,

den wiederum nach weiteren Lead Usern befragt.

viele User in kurzer Zeit zu befragen. Besonders

So werden in einer Art Schneeball-Prinzip die

empfehlenswert ist dieses Vorgehen bei einer

Lead User eines Trends ermittelt. Dieses Vorge-

überschaubaren Zahl von Anwendern, da so ein

hen ermöglicht die Identifikation von Lead Usern

Sceening aller User möglich ist.

20

in Zielmärkten, die für ein Screening zu groß sind. Weiterhin sind Lead User auf vielen Märkten aufgrund ihrer Reputation bereits bekannt, weshalb

20

sie durch wenige Befragungen ressourcenspa-

Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2001, S. 8; Pötz et al. 2005, S. 36ff.

84

rend identifiziert werden können. Ein weiterer

ergeben sich zahlreiche Potentiale und Grenzen

Vorteil ist die Möglichkeit, durch die Befragung

des Vorgehens. Diese sollen in den nächsten

einzelner Experten auch Hinweise auf analoge

beiden Kapiteln näher untersucht werden.

Märkte zu erhalten. Voraussetzung für die An-

4

Potentiale der Lead-User-Analyse

wendbarkeit des Pyramiding-Ansatzes sind enge Verbindungen zwischen den Marktteilnehmern.

4.1 Verbesserung der Marktposition

Dies ist Bedingung dafür, dass Marktteilnehmer in

Wie bereits in Punkt 1 erläutert, kann sich der

der Lage sind, Lead User zu identifizieren.

21

Großteil der Produktinnovationen nicht am Markt

Die beiden Ansätze schließen einander nicht aus,

durchsetzen. Dies ist häufig darauf zurückzufüh-

sondern werden in der Praxis häufig kombiniert.

ren, dass die Produkte nicht ausreichend auf die

Stellt sich ein Ansatz im konkreten Fall als unge-

Bedürfnisse des Marktes abgestimmt sind. Um

eignet heraus, kann der jeweils andere eingesetzt

dieses Risiko zu senken, werden Lead User in

werden. Des weiteren kann es sinnvoll sein, die

den Innovationsprozess eingebunden. Diese kön-

beiden Methoden nacheinander anzuwenden.

nen die besten Informationen liefern und sind in

Dabei kann sowohl mit dem Screening- als auch

der Lage, das Potential von Innovationen am bes-

mit dem Pyramiding-Ansatz begonnen werden.

ten einzuschätzen, weil sie schon reale Erfahrun-

So ist es möglich, durch ein Screening potentielle

gen mit neuen Bedürfnissen haben. 23 Durch die

Lead User und Experten zu identifizieren und

Einbindung der Lead User in den Innovationspro-

diese dann, gemäß des Pyramiding-Ansatzes,

zess kann somit die Qualität und Einzigartigkeit

nach weiteren Lead Usern zu befragen. Dieses

eines Produktes gesteigert werden, was zu einer

Vorgehen wählt Herstatt (2003) in seiner Studie

Steigerung der Marktchancen des Produktes

zu chirurgischen Produkten. Zunächst identifiziert

führt. 24 Somit wird das Marktrisiko gesenkt und

er durch ein Screening die Lead User unter den

der Hersteller verschafft sich idealerweise einen

bekannten Experten. Diese werden dann per E-

Wettbewerbsvorsprung gegenüber seinen Kon-

Mail gebeten, Hinweise auf andere Lead User,

kurrenten. Weiterhin kann durch das Verfahren

Experten oder analoge Suchfelder zu geben.

eine Zeit- und somit Kostenersparnis erreicht

Weiterhin kann mittels Pyramiding zunächst die

werden. 25 Ein weiterer möglicher positiver Effekt

Stichprobe evaluiert werden, die dann per Scree-

der Einbindung von Lead Usern hält über die ein-

Dieses

zelne Produktentwicklung hinaus an. Da bei ei-

Vorgehen wurde zum Beispiel in den Studien von

nem Lead-User-Projekt in der Regel ein firmenin-

Franke/Shah (2003) zu Sportequipment und von

ternes Team gebildet wird, das aus Mitarbeitern

Lüthje/Herstatt/von Hippel (2002) zum Mountain-

verschiedener

biking verwendet. Zunächst wurden Experten

Lead-User-Projekt die Zusammenarbeit zwischen

nach Gruppen/Communies befragt, die einen

einzelnen Unternehmensabteilungen (z. B. tech-

hohen Innovationsgrad aufweisen. Mit Hilfe eines

nische Abteilung und Marketingabteilung) nach-

Fragebogens erfolgte dann ein Screening der

haltig verbessern.

Stichprobe zur Identifikation von Lead Usern.

User-Integration im Innovationsprozess also zu

ning auf Lead User untersucht wird.

22

Abteilungen besteht, kann ein

26

Insgesamt kann die Lead-

einer Verbesserung der Marktposition eines UnAus den untersuchten Fallstudien und den theore-

ternehmens beitragen.

tischen Ausführungen zur Lead-User-Analyse 23 21

22

24

Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2001, S. 8. und Pötz et al. 2005, S. 36ff. Vgl. Pötz et al. 2005, S. 38.

25 26

85

Vgl. Schreier/ Prügl 2006, S. 27. Vgl. Lüthje/ Herstatt 2004, S. 553ff. Vgl. Pötz et al. 2005, S. 14. Vgl. Herstatt/ von Hippel 1992, S. 221.

Entwicklung von Innovationen nutzen. Lead User

4.2 Lead User als Opinion Leader

können zudem aufgrund ihrer Vorreiterrolle im

Der theoretische Ansatz der Lead-User-Analyse

Produktmarketing eingesetzt werden, um die

gründet auf der Annahme, dass Lead User bereits

Verbreitung eines Produktes zu beschleunigen.

heute Bedürfnisse haben, die der Markt erst in Zukunft entwickeln wird. Empirische Studien

5

scheinen diese Annahme zu bestätigen, da Inno-

Grenzen der Lead-User-Analyse

5.1 Grenzen der Lead-User-Theorie

vationen, die in Zusammenarbeit mit Lead User entwickelt wurden, durchschnittlich erfolgreicher

Zur Identifikation von Lead Usern wird zunächst

waren als herkömmliche Produktinnovationen. 27

ein Trend ausgewählt, in dem die Lead User eine

Es stellt sich nun die Frage, ob dies tatsächlich

führende Position einnehmen. Dies setzt jedoch

ausschließlich auf die Übertragbarkeit der Bedürf-

voraus, dass sich ein Markt entlang dominanter

nisse der Lead User auf den Markt zurückzufüh-

Trends entwickelt und dass die Position einzelner

ren ist. Viele Autoren weisen darauf hin, dass

Mitglieder messbar sein muss. Diese Vorausset-

dieser höhere Markterfolg auch aus der Tatsache

zungen werden in der Realität nicht immer er-

resultieren könnte, dass Lead User häufig auch

füllt. 30 Weiterhin ist nicht voraussehbar, wie sich

Opinion Leader eines Marktsegmentes sind.

Substitutionsprodukte und

28

–technologien entwi-

31

Das Konzept des Opinion Leaders basiert auf

ckeln.

dem Wissen, dass eine Innovation nie von allen

Da sich der Lead-User-Status eines Unterneh-

Teilnehmern eines Marktes gleich schnell und in

mens in der Regel auf eine Produktfacette be-

gleichem Maße angenommen wird. Es existieren

schränkt, steigt mit zunehmender Produktkomple-

stets Schlüsselfiguren, deren Verhalten Vorbild-

xität zudem die Gefahr, „falsche“ Lead User zu

charakter hat und die so auch andere User zur

identifizieren. Ändert sich im Laufe der Untersu-

Übernahme der Innovation animieren. 29 Diese

chung die Zielsetzung, besteht somit die Gefahr,

Schlüsselfiguren werden als Opinion Leader oder

dass die Anwender ihren Lead-User-Status verlie-

auch Meinungsbildner bezeichnet. Sie sind die

ren. 32

ersten, die eine Innovation im Verlauf des Diffusi-

Sind die Lead User erfolgreich identifiziert, ergibt

onsprozesses annehmen.

sich eine weitere Problematik, die in der Theorie

Da Lead User Bedürfnisse vor dem Markt verspü-

nicht erwähnt wird. In der Realität findet ein Wett-

ren, profitieren sie in besonderem Maße von In-

bewerb konkurrierender Anbieter

novationen, weshalb sie häufig die ersten Markt-

User statt, d. h. ein Lead User wird mit dem Her-

teilnehmer sind, die Innovationen annehmen.

steller kooperieren, der seinen Erwartungen be-

Weiterhin haben sie mehr Erfahrungen und damit

züglich technologischer Kompetenz und Qualität

ein höheres Wissen als andere User, weshalb sie

am besten entspricht.

diesen als Vorbild dienen, d. h. User orientieren

nicht immer erfüllt ist, stellt die Übertragbarkeit

Fällen erfüllen die Lead User also die Funktion

der Bedürfnisse und Lösungen von Lead Usern

von Opinion Leaders. Firmen können somit die

auf den gesamten Markt dar. In der Regel sind die

Zusammenarbeit mit Lead Usern nicht nur bei der

28

29

33

Ein letzte theoretische Annahme, die in der Praxis

sich an den Lead Usern ihres Marktes. In diesen

27

um die Lead

Lead-User-Innovationen nicht ohne Veränderun30

Vgl. Lüthje/ Herstatt 2004, S.553; Sturmann 1997, S. 51. Vgl. Schreier/ Oberhauser/ Prügl 2007, S. 19; Hauschild 2007, S. 267. Vgl. Hauschildt 2007, S. 267.

31 32 33

86

Vgl. Schreier/ Oberhauser/ Prügl 2007, S. 28. Vgl. Strumann 1997, S. 49. Vgl. Springer et al. 2006, S. 12. Vgl. Strumann 1997, S. 50.

gen auf den Markt übertragbar, da sich die Be-

6

dürfnisse des Marktes normalerweise nicht komplett mit denen der Lead User decken.

34

Lead-User-Analyse als Voraussetzung erfolgreicher Innovationen?

Ein Teil Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die

dieses Risikos wird durch die Funktion der Lead

Lead-User-Anlyse sowohl Potentiale als auch

User als Opinion Leader wieder aufgefangen, d. h

Grenzen aufweist. Das Konzept ermöglicht eine

es setzen sich z. T. Innovationen am Markt nicht

bessere Anpassung der Innovationen an die Be-

deshalb durch, weil sie den Bedürfnissen des

dürfnisse des Marktes und erhöht somit den

Marktes entsprechen, sondern weil die Lead User

Markterfolg der neuen Produkte. Als Opinion Lea-

als Opinion Leader als Vorbilder fungieren.

der können Lead User zudem in das Produktmar5.2 Grenzen in der Lead-User-Analyse in der

keting involviert werden und als Vorreiter für eine

praktischen Umsetzung

schnellere Verbreitung des Produktes sorgen.

Wie die Untersuchung der Fallstudien gezeigt hat,

Die Grenzen der Lead-User-Analyse liegen vor

verwenden viele Forscher zur Identifikation von

allem in der zum Teil eingeschränkten Übertrag-

Lead Usern den Screening-Ansatz. Da dieser nur

barkeit der Theorie auf das konkrete Marktge-

eine Stichprobe des Marktes untersucht, ist er für

schehen. Reale Märkte sind sehr vielschichtig und

große Märkte jedoch ungeeignet. Ist die Grund-

weisen zahlreiche Wechselwirkungen auf, die in

gesamtheit zu groß, besteht die Gefahr, dass die

der Theorie nicht beachtet wurden.

Stichprobe nicht mehr repräsentativ ist und Lead Dennoch ist der Lead-User-Ansatz insgesamt als

User von Anfang an ausgeschlossen werden. 35

fruchtbar zu bewerten. Bei gewissenhafter, strukEin weiterer kritischer Punkt betrifft die Auswahl

turierter Umsetzung des Konzepts wirkt sich die

der Lead User und Experten, die an der Entwick-

Integration der Lead User in den Innovationspro-

lung von Lead-User-Konzepten mitwirken. Häufig

zess positiv auf den Markterfolg des Produktes

erfolgt die Auswahl nicht aufgrund besonderer

aus. Auch die untersuchten Fallstudien haben

Merkmale, sondern es werden die Lead User und

bestätigt, dass eine Lead-User-Analyse bei der

Experten eingesetzt, die bereit sind, sich daran zu

Entwicklung von Innovationen sinnvoll ist.

beteiligen. Stehen zu viele Lead User oder ExperZudem ermöglichen moderne Informations- und

ten zur Verfügung, erfolgt die Auswahl häufig

Kommunikationstechniken es Anbietern, schnell

anhand zweifelhafter Merkmale. So werden bei-

und kostengünstig mit mehreren Kunden gleich-

spielsweise in der Studie von Urban/von Hippel

zeitig zu interagieren. 37 Dabei können sowohl

(1988) die fünf Experten ausgewählt, deren Firmen einen Sitz in der Nähe des MIT haben.

36

nicht-interaktive Methoden wie Ideenwettbewerbe

Die

und Feedbackformulare, als auch interaktive Me-

Auswahl erfolgte also aufgrund logistischer Vortei-

thoden wie virtuelle Börsen und Herstellerforen

le, was kein zulässiges Kriterium ist.

zur Identifikation von Lead Usern genutzt werInsgesamt ist das Vorgehen in der Praxis häufig

den. 38 Diese Möglichkeiten werden voraussicht-

als unstrukturiert zu charakterisieren und Ent-

lich in Zukunft noch stärker bei der Lead-User-

scheidungen werden primär aufgrund finanzieller

Analyse eingesetzt werden.

und logistischer Aspekte getroffen werden.

34 35 36

Vgl. Strumann 1997, S. 50. Vgl. Pötz et al. 2005, S. 39. Vgl. Urban/von Hippel 1988, S. 574.

37 38

87

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89

90

Nadine Asel − Dennis Steinmetz User Innovation Toolkits – Wenn Kunden Produkte entwickeln und verbessern 1

„Toolkits für User Innovation“ als Instrument des modernen Innovationsmarketings

2

Problembereiche des konventionellen Innovationsprozesses

3

User Innovation als Antwort auf unzureichende Innovationsleistungen

4

Toolkits für User Innovation

5

Abgrenzungsmöglichkeiten verschiedener Toolkit-Varianten

6

Chancen und Problemfelder der Toolkits für User Innovation

7

Entwicklungsbereiche im Toolkit-Konzept

1

„Toolkits für User Innovation“ als In-

Formen der Anwendung dieses Ansatzes. 5 Al-

strument des modernen Innovations-

lerdings gibt es im Business to Customer (B2C)

marketings

Marketing erst einige Studien, die sich mit der Möglichkeit der Implementierung dieses Modells

Als eine Reaktion innovativer Unternehmen auf

beschäftigen. Der nachfolgende Beitrag wird die

die Schwächen ihrer eigenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten,

die

den

bestehenden Ansätze im B2B Bereich darstellen

Marktan-

und Wege für eine Umsetzung des Konzepts im

forderungen, zu akzeptablen Kosten, nicht aus-

B2C Segment aufzeigen. Dabei soll auf die

reichend gerecht werden können, und sich in

Spezifika der beiden Bereiche eingegangen

hohen Flopraten von Neuprodukten äußern,

werden, um abschließend zu klären unter wel-

findet ein Paradigmenwechsel im Marketing

chen Rahmenbedingungen der Einsatz von

statt. 1 Dadurch werden Innovationen nicht mehr

Toolkits zur Erlangung von Wettbewerbsvortei-

nur als Ergebnis von geschlossenen Prozessen

len angezeigt ist.

in der Unternehmensdomäne angesehen, son-

2 Problembereiche des konventionellen

dern versucht, innovative Kunden auf unterschiedliche

Weise

in

die

Innovationsprozesses

Neuprodukt-

entwicklung und Vermarktung zu integrieren

Obwohl teilweise hohe Summen für die Gewin-

was gemeinhin unter dem Terminus Open Inno-

nung

von

nachfragerseitigen

Bedürfnis-

2

vation diskutiert wird. Den Anstoß dazu gaben

informationen (z. B. im Rahmen der Markt-

zahlreiche Beispiele, von Produkten, die sich am

forschung) investiert werden ist der Erfolg von

Markt durchsetzen konnten und von unzufriede-

Neuprodukten eher die Ausnahme. 6 Dafür zei-

3

nen Kunden entwickelt wurden. Ein Instrument,

gen sich zwei zentrale Problembereiche verant-

welches diesem Paradigmen-wechsel folgt, ist

wortlich: Informations- und Reibungs-verluste

der „Toolkit für User Inno-vation“-Ansatz, der

bei

Lösungsmöglichkeiten für die genannten Prob-

informationen vom Kunden zum Unternehmen

leme bieten soll und heutzutage bereits vielfach

und eine hohe Heterogenität der Kunden-

und überaus erfolgreich in der Unternehmens-

bedürfnisse, die die Marktchancen von Stan-

praxis an-gewandt wird. 4 Im Business to Busi-

dardlösungen nach dem Prinzip "one type fits

ness (B2B) Marketing finden sich schon länger

all" einschränken.

1 2 3 4

Vgl. Henkel/ von Hippel 2005, S. 73ff. Vgl. Quinn 2000, S. 13ff. Vgl. von Hippel 2005, S. 20. Vgl. Franke 2003, S. 365f.

5 6

91

der

Übertragung

von

Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, S. 74ff. Vgl. Henkel/ von Hippel 2005, S.73ff.

Bedürfnis-

2.1 Grenzen des traditionellen Neuprodukt-

schungsaufwand des Herstellers führt. 8 Eine

entwicklungsprozess

weitere große Herausforderung der sich die

im

Manufacturer-

klassische Marktforschung gegenübersieht ist

Active-Paradigm

das Problem der sog. „Sticky Information“ dar,

Um dem Problem hoher Neuproduktflopraten entgegenzuwirken,

versuchen

"Manufacturer-Active-Paradigm"

Hersteller

auf die im Folgenden näher eingegangen wer-

im

den soll.

Produktinno-

vationen, basierend auf den Bedürfnissen ihrer

2.2 Probleme beim Informationstransfer

potentiellen Kunden, zu generieren. Eine Markt-

Unternehmen benötigen zwei grundlegende

analyse die sowohl die eigenen Leistungen als

Arten von Informationen um Produkte, den Kun-

auch die Konkurrenzangebote umfasst dient

denbedürfnissen entsprechend, zu konzipieren

dann zur Identifikation interessanter Markt- und

und die Konzepte produktions-technisch zu rea-

Zielsegmente. Die durchschnittlichen Bedürfnis-

lisieren: 9

se des attraktivsten Marktsegments dienen dann ƒ Bedürfnisinformation

als Vorgabe für die Produktentwicklung. Auf

(“need

information”)

über die Kunden- und Marktbedürfnisse, d. h.

diesen Erkenntnissen aufbauend wird versucht,

Informationen über die Präferenzen, Wün-

Konzepte, entsprechende Prototypen und an-

sche, Zufriedenheitsfaktoren und Kaufmotive

schließend das serienreife Produkt zu entwi-

der aktuellen und potentiellen Kunden bzw.

ckeln, welches bestmöglich die Bedürfnisse des

Nutzer einer Leistung. Zugang zu Bedürfnisin-

Zielsegments erfüllt.

formation beruht auf einem intensiven VerIn den einzelnen Prozessschritten muss dabei

ständnis der Nutzungs- und Anwendungsum-

immer wieder die Meinung des Kunden, sein

gebung der Abnehmer.

Zwischenfeedback, eingeholt werden. Dadurch ƒ Lösungsinformation (“solution information”)

verläuft der Entwicklungsprozess nicht linear,

beschreibt die technologischen Möglichkeiten

sondern in häufigen Iterationen - eine Art Ping-

und Potenziale, Kundenbedürfnisse möglichst

Pong zwischen Kunde und Hersteller entsteht,

effizient und effektiv in eine konkrete Leistung

bei welchem der Kunde das noch nicht zufrie-

zu überführen. Lösungsinformation ist die

denstellende Produkt immer wieder testet, be-

Grundlage für die entwerfenden Aktivitäten

wertet und Verbesserungsvorschläge unter-

von

breitet. Dieser Prozess dauert so lange, bis aus

Produktentwicklern

prozess.

Herstellersicht das Produkt ein hinreichendes Erfolgspotential aufweist, um in den Markt eingeführt zu werden, wobei der Kunde in der letzten Phase eine eher passive Rolle einnimmt.

7

Ein Kernproblem dieser Art von Produktentwicklungsprozessen ist in dem hohen Zeit- und damit verbunden Kostenaufwand zu sehen. Darüber hinaus differenzieren sich die Kundenwünsche immer stärker und schneller aus, was wiederum zusätzlich zu einem höheren Marktfor-

8 7

9

Vgl. Franke 2003, S. 3.

92

Vgl. Franke 2003, S. 7. Piller 2006, S. 86.

im

Innovations-

Abb. 1: Prozessablauf im „Manufacturer-Active-

expenditure required to transfer that unit of in-

Paradigm“

formation to a spezial locus in a form usable by a given information seeker.“ 12 Hinzu kommt der Umstand, dass dem Informationsträger manches Wissen selbst kaum bewusst ist, und entsprechend nicht von ihm artikuliert werden kann. Diese Form von Wissen wird als „tazit“ bezeichnet. 13 Verdeutlicht werden kann dies an dem Umstand, dass es einem normalen Menschen kaum bewusst ist, inwiefern bspw. ein Sofa bequem ist. Des Weiteren besteht das Problem der „absorptive capacity“. 14 Diese tritt auf, wenn Informationen schwer zu transferieren sind, weil der Empfänger den Sender nicht versteht. In diesem Fall fehlen komplementäre Informationen, z. B. das Wissen um die Sprache des Senders. Die

Kunden

werden

als

Ort

der

Bedürfnis-

Kommunikation kann, in einem einfachen Fall,

information, Unternehmen als Ort der Lösungs-

schon alleine daran scheitern, dass einer Partei

information angesehen. Im Innovationsprozess

entsprechend erforderliche Fachterminologien

soll der Hersteller Bedürfnisinformation der

gar nicht bekannt sind.

Kunden in innovative Lösungen umsetzten. Em2.3 Heterogenität der Kundenbedürfnisse

pirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Innovationen nicht nur internen Prozessen der

Um ein differenziertes Marketing betreiben zu

Hersteller entspringen, sondern in interaktiven

können wird der Markt in Kundengruppen von

Prozessen mit dem Markt. Dabei sollen externe

relativ homogener Präferenzstruktur segmen-

Quellen kreatives Potenzial, darunter auch Lö-

tiert, die dann gezielt bearbeitet werden können.

sungsinformationen, liefern, wobei Kundenbei-

Sind die Segmente in sich homogen, so können

träge mitunter sogar zu radikalen Innovationen

sie mit einem spezifischen Produkt bedient wer-

führen können. 10

den. Dies ist jedoch zumeist nicht der Fall, was eine Metaanalyse von Franke und von Hippel

Eines der Hauptprobleme, die einem effizienten

eindrucksvoll belegt. Sie zeigen, dass bei veröf-

Informationsstrom im Wege stehen, bezeichnet

fentlichten Anwendungen von Cluster-analysen

von Hippel als „Sticky Information“. 11 Dabei

eine Fehlinterpretation von durch-schnittlich ca.

lassen sich Informationen, die von der Kunden-

50% verbleibt.

seite zum Unternehmen transferiert werden

15

Diese ca. 50% der Personen

die einem Segment fälschlicher-weise zugeord-

sollen, nicht, oder nur zu unwirt-schaftlich hohen

net werden, werden durch die, an die Anforde-

Kosten vom Kunden lösen.

rungen des Segments angepassten, Produkte „We define the stickiness of a given unit of in-

nicht befriedigt.

formation in a given instance as the incremental 12 13 10 11

14

Vgl. Piller 2006, S. 88. Vgl. von Hippel 1994, S. 431.

15

93

Vgl. ebenda. Vgl. Nelson 1982, S. 76ff. Vgl. Cohen/ Levinthal 1990, S. 141f. Vgl. Franke/ von Hippel 2003, S. 1200f.

Die Segmentierung könnte zwar bis hin zu

Abb. 2: Ausgewählte Studien zum Anteil von

„Segments-of-one“ verfeinert werden, das ginge

Kundeninnovationen an allen Innovationen in

aber, im „Manufacturer Active“ Paradigma, bei

dieser Branche.

dem der Hersteller als einzige aktive Partei im Innovationsprozess agiert, mit extrem hohen Kosten einher. 16 Der Misserfolg, der, trotz hoher Aufwendungen, aus der Anwendung konventioneller

Marktforschungsmethoden

resultiert,

zeigt, dass diese mitunter weder sehr effizient noch effektiv sind. Mit dem Betrachtungsschwerpunkt B2C vergrößert sich die Problematik, Produkte herzustellen, die die Bedürfnisse der Kunden bestmöglich befrie-digen dadurch, dass hier der zu bearbeitende Markt aus einer sehr großen Zahl an Einzelnachfragern besteht. Unter dem Kosten- druck entstehen schließlich auf der einen Seite Kompromisslösungen in Form von relativ günstigen Standardprodukten, die die Kundenbedürfnisse nur bedingt befriedi-

3 User Innovation als Antwort auf unzu-

gen, und auf der anderen Seite teure Maßanfer-

reichende Innovationsleistungen

tigungen. Effizienz und Effektivität lassen sich „User Innovationen“

kaum vereinen. Auf Märkten mit problematischer

treten immer dann auf,

wenn Nutzer ein großes Bedürfnis nach spezifi-

Informationsübertragung und heterogenen, so-

schen Lösungen aufweisen, und dabei die Zu-

wie dynamischen Kundenbedürfnissen führt dies

friedenheit mit den am Markt erhältlichen Lö-

vermehrt zu Unzufriedenheit seitens der Kun-

sungskonzepten, und die Erwartung, dass sich

den, dementsprechend auch zu einem Anwachsen der

17

dieser Zustand alsbald ändern könnte gering

Flopraten von Neuprodukten. In der

ist. 18 In der Unternehmenspraxis finden sich

letzten Konsequenz führt die Nichterfüllung der

eine ganze Reihe an Beispielen für Innovationen

Nachfragerbedürfnisse durch am Markt verfüg-

die von Kunden bzw. Nutzern entwickelt wurden

bare Lösungen dazu, dass einige Akteure selbst

und dabei auch nennenswerte Erfolge verbu-

innovieren und eigene Lösungen speziell für die

chen konnten. Abbildung 2 zeigt einen Aus-

Bedürfnisstruktur entwickeln.

schnitt ausgewählter Studien, die den Anteil von Kundeninnovationen in unterschiedlichen Branchen aufführen. Mit Blick auf die Innovationen im Bereich Mountainbiking, ist anzumerken, dass das Mountainbike selbst auch eine Innovation ist, die nicht aus der Unternehmensdomäne stammt, sondern von Radfahrern, die ihre Räder auch abseits der

17 16

18

Vgl. Franke 2003, S. 360ff.

94

Vgl. Franke 2003, S. 364. Vgl. ebenda, S. 365.

befestigten Wege nutzen wollten. Die Idee wur-

Einbindung des Kunden in den Innova-

de bis zur völligen Marktreife ausschließlich von

tionsprozess aktiv befördern können.” 22

einer kleinen Gruppe Enthusiasten weiter ge-

Neben diesen bestehen noch weitere Definitio-

trieben. Große Fahrradhersteller stiegen erst,

nen, die im Kern vor allem auf die Arbeiten von

nachdem sie den hier erwachsenden Trend

Hippel’s zurückgehen. Allen gemein sind be-

erkannt hatten, in die Produktion von Mountain-

stimmte Kernmerkmale, wobei es sich bei einem

bikes ein. 19 Auch die Innovationstätigkeit im

TUI um ein Werkzeug handelt, das den Kunden

Bereich von Kompo-nenten und Zubehör wird

mit lösungsbezogener Kompetenz des Herstel-

nach wie vor, auch von Nutzern, vorangetrieben.

lers ausstattet, die sonst den Forschungs- und

Ein gutes Beispiel dafür bietet die Freiburger

Entwicklungsabteilungen vorbehalten ist. 23 An-

Bike-Szene, die als Silicon Valley der deutschen

statt die oft schwer zu lösenden Bedürfnisinfor-

Bike-Branche gilt. 20

mationen in die Unternehmen zu übertragen,

Nur wenige Nutzer haben auch die Lösungs-

sollen die Kunden, mit der lösungsbezogenen

information, um aus ihren Ideen Innovationen

Kompetenz des Herstellers ausgestattet, ihre

werden zu lassen. An diesem Punkt bietet sich

Ideen, in konkrete Konzepte umsetzen können,

den Unternehmen die Chance, ihre Kunden, in

und in „learning-by-doing“ Prozessen testen und

einem interaktiven Prozess, mit ihrer lösungsbe-

konkret-isieren.

zogenen Kompetenz auszustatten, damit diese

neue Technologien, wie Rapid-Prototyping und

ein, für ihre individuellen Bedürfnisse, optimales

Computer

Produkt entwerfen können, das die Hersteller

entwicklung beschleunigen und günstiger ma-

anschließend für sie produzieren. Das notwen-

chen. Im Gegenzug für die Bereitstellung der

dige Werkzeug dazu stellen Toolkits für User

Lösungskompetenz überlassen die Nutzer die

Innovation dar.

Vermarktungsrechte

24

Dazu unterstützen Toolkits

Simulationen,

ihrer

die

die

Produkt-

Innovationen

den

Herstellern. Ein TUI ist somit eine Art virtueller

4 Toolkits für User Innovation

Werkzeugkasten, „meist in Form einer OnlineIn den nächsten Abschnitten wird erläutert, was

Software, die dem Kunden die Gestaltung sei-

der Begriff Toolkits für User Innovation (TUI)

nes eigenen Produkts“ 25 ermöglicht. Nach der

beschreibt, welche Bestandteile ein TUI aufweist

Spezifikation der Leistung erfolgt die Auftrags-

und wie sich verschiedene Formen von TUI

übermittlung und der herstellerseitige Produkti-

abgrenzen lassen. Die Literatur existieren unter-

onsprozess beginnt. 26

schiedliche Definitionen für den Begriff Toolkit, Es gibt aber auch wichtige Merkmale, die nicht

z. B.

allen Toolkits gleich sind, und deshalb bei der „Toolkits for user innovation are coordi-

Betrachtung unterschiedlicher Literaturquellen

nated sets of “user-friendly“ design tools

für Unklarheiten sorgen können, besonders

that enable users to develop new prod-

wenn von Toolkits für Open Innovation im All-

uct innovations for themselves.” 21

gemeinen gesprochen, im Speziellen aber eine

„Toolkits for User Innovation stellen eine

bestimmte Ausprägung dieser betrachtet wird.

neue Methode dar, mit der Hersteller die

22 23 24 25

19 20 21

29

Vgl. Scheele 2005, S. 144. Vgl. Lesewitz 2007, S. 122f. von Hippel/ Katz 2002, S. 821.

95

Franke 2003, S. 358. Vgl. ebenda, S. 366. Vgl. Piller 2006, S. 93. Schreier/ Mair am Tinkhof/ Franke 2006, S. 186. Vgl. Franke 2003, S. 365.

Diese unterscheiden sich stark in der Zielset-

menswachstum

zung und Begrenztheit des Lösungs-raums ent-

chenführerschaft. Zwischen 1980 und heute

sprechender Toolkits, welche durch die Formu-

wuchs dieser Markt auf ca. 15 Milliarden US $

lierung der Anforderungen an TUIs variieren

an, wobei der Schlüssel zu diesem Erfolg auf

können. Im folgenden Abschnitt werden die

die TUI zurückzuführen ist. 29

Anforderungen an TUIs be-schrieben, bevor

zur

heutigen

Bran-

4.2 Anforderungen an ein Toolkit

eine Unterscheidung der Typen von TUIs geGrundsätzlich zeichnet sich eine "echte" Toolkit-

macht wird.

lösung durch verschiedene An-forderungen aus. 4.1 Historische Entwicklung des Toolkit

Die Anforderungen, welche auch als Kernele-

Konzeptes

mente des Toolkits angesehen werden können,

Die Grundidee der Toolkits for User Innovation

bestimmen wesentlich die Möglichkeiten der

(TUI) stammt ursprünglich aus den 80er Jahren.

Leistungsgestaltung für den Kunden. Durch

Während den späten 70ern befanden sich die

unterschiedliche Ausprägungen der Kernele-

Anbieter kundenspezifischer Computerchips in

mente ändern sich aber auch die Ansprüche an

einer

den Kunden. Von Hippel unterscheidet dabei die

misslichen

Lage. Das

Marktsegment

schrumpfte und die Kundenwünsche gingen

nachfolgenden fünf Kernelemente:

stark in Richtung individuellerer Produktion. Da

30

Trial-and-Error Funktionalität

der Produktentwicklungsprozess kompliziert und Nutzer sind mit einer Problemlösung tendenziell

teuer war, konnten nur Aufträge mit großen

zufriedener wenn sie den kompletten Problem-

Stückzahlen angenommen werden. Darüber

lösungszyklus vom Design einer ersten mögli-

hinaus erreichten die Kosten aufgrund spät er-

chen Lösung bis hin zur tatsächlichen Problem-

kannter Designfehler und des damit verbunde-

lösung durchlaufen können. 31 Dabei soll das

nen Zeitverlustes für die Hersteller problematische Ausmaße.

27

Toolkit in der Lage sein, dem Kunden ein simu-

Junge Start-unternehmen wie

liertes Feedback zu geben, damit dieser aus

LSI Logic Corporation und VLSI Technology

seinen Fehlern lernt, und sein Produkt in iterati-

erkannten die unter-nehmerische Gelegenheit

ven Prozessen verbessern kann. Während des

und boten sowohl größeren als auch kleineren

Prozesses werden kognitive und affektive Lern-

Kunden die Möglichkeit der Auslagerung des

prozesse ausgelöst, die die Qualität der Lö-

Produkt-entwicklungsprozesses via TUI an. Dies

sungsfindung verbessern und auch tazites Wis-

führte zu einer „Win-Win“ Situation sowohl für

sen bewusst machen. 32 Dadurch sind, in Bezug

die Computerchip-Industrie als auch für deren

auf tazites Wissen, vor allem B2C Kunden be-

Kunden: Auf der einen Seite profitierten diese

vorteilt, da ihre Bedürfnisse nicht auf organisati-

von der Tatsache mit Hilfe der Toolkits bedürf-

onalen Strukturen basieren, und somit ein relativ

niserfüllende Lösungen zu erhalten, auf der

schwächeres Bedürfnisbewusstsein entwickeln.

anderen Seite profitieren die Unternehmen von

Zu den Anforderungen der Geschäftspartner

dem reduzierten Abstimmungs- und Informationsaufwand bei der Leistungs-spezifikation.

gibt es ansonsten kaum Unterschiede, abgese-

28

hen davon, dass diese in der Regel, im Wettbe-

Diese Neuorganisation verkürzte die Produkt-

werb, unter größerem zeitlichem Druck stehen,

entwicklungszeit deutlich, um etwa zwei Drittel und verhalf LSI Logic mit starkem Unterneh-

29 30

27 28

31

Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, S. 77. Vgl. ebenda.

32

96

Vgl. ebenda. Vgl. von Hippel 2001,S. 247ff. Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S. 826. Vgl. Reichwald/ Piller2006, S. 168.

als die Privatkunden

und auf verkürzte Pro-

Modulare Designvorlagen

duktentwicklungszeiten angewiesen sind. Die

Ausgehend von der Annahme, dass Nutzer nicht

verkürzte Produktentwicklungszeit ist, im Ver-

alle Elemente ihrer Erzeugnisse völlig neu ent-

gleich zu anderen Methoden der Neuprodukt-

werfen, wird es als hilfreich erachtet, dem Tool-

entwicklung, auch ein großer Vorteil von Tool-

kit eine Bibliothek an Designvorlagen und Stan-

kits, die „Trial-and-Error“ unterstützen.

dardkomponenten hinzuzufügen, die als Ausgangsdesign, ergänzende Elemente, oder nur

Benutzerfreundlichkeit

als Ideengeber fungieren. 36 Ausgangs-designs

Die Benutzerfreundlichkeit beschreibt die vom

können dabei besonders erfolgreiche Ergebnis-

Benutzer wahrgenommene Qualität der Interak-

se vergangener Designprozesse anderer Nutzer

tion mit dem Toolkit, die durch einen Kosten-

sein. Während des Design-prozesses helfen die

Nutzen Vergleich determiniert wird. Als Kosten

Vorlagen dem Nutzer sich auf die Entwicklung

werden in diesem Zusammenhang der zeitliche

derjenigen Komponenten zu konzentrieren, die

und intellektuelle Aufwand, den das Toolkit an

für ihn spezifisch bedeutsam sind.

den Nutzer stellt, angesehen. Der Nutzen resultiert aus der Zufriedenheit mit der selbst erstell-

Reichwald und Piller interpretieren die Module

ten Leistung und dem Spaß bei der Entwick-

als Einzelteile des Toolkits, wie z. B. Program-

lung.

33

miersprachen,

Der Spaß bei der Entwicklung ist dann

Hilfe-Menüs,

Zeichen-

am größten, wenn die Fähigkeiten des Nutzers

programme, Textfelder und Visualisierungen.

mit den Herausforderungen des Toolkits über-

Damit sehen sie in den Modulen und Kompo-

einstimmen. In solch einem Fall stellt sich ein

nenten den Lösungsraum des Toolkits abgebil-

„Flow-Gefühl“ ein, das als intrinsischer Lohn

det und die wesentliche Determinante der Be-

bezeichnet werden kann.

34

nutzerfreundlichkeit. 37 Dadurch zeigt sich auch eine Interdependenz zwischen den verschiede-

Hieraus ergibt sich aber auch eine besondere

nen Anforderungen, die an Toolkits gestellt wer-

Herausforderung an den Betreiber eines Tool-

den.

kits in B2C Beziehungen. Die Kunden zeigen nicht nur stark heterogene Bedürfnisse, sondern

Die Umsetzung dieser Anforderung spiegelt sich

bringen auch höchst unterschiedliche Fähigkei-

in besonderem Maße im „Chemiebaukasten“

ten in der Benutzung eines Toolkits mit. Möchte

Charakter der Toolkits für User Innovation wider

der Betreiber den Fähigkeiten aller Kunden ge-

(Vgl. Abb. 5), da die Nutzer mit verschiedenen

recht werden, müsste er ihnen auch zahlreiche

Elementen an der "Lösung" ihres Problems ar-

Toolkits zur Verfügung stellen, die mit unter-

beiten können. Angesichts der Schwerpunkt-

schiedlichen Anspruchniveaus, den unterschied-

betrachtung von Toolkits die die Innovativität der

lichen Fähigkeiten der Nutzer in so weit gerecht

Unternehmen steigern, sollte aber auch eine

werden, dass sich bei einem Großteil der Kun-

Kombination der Merkmale von Toolkits für User

35

Ist der Nut-

Innovation und Toolkits zum Ideentransfer dis-

zer hingegen über- oder unterfordert bleibt ein

kutiert werden, um die Vorteile beider zu nutzen.

Teil seiner Bedürfnisse unbefriedigt.

Die transferierten Ideen aus dem Toolkit zum

den dieses „Flow-Gefühl“ einstellt.

Ideentransfer können dann als Ausgangspunkt

33 34 35

Vgl. ebenda, S. 166. Vgl. Csikszentmihalyi 1997, S. 46f. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 166.

36 37

97

Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S. 828. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 166.

für Produktentwicklungen im Toolkit für User

anderen Feldern. 41 Mit diesen erweiterten Tool-

Innovation dienen.

kits konnten dann völlig neuartige Elemente, mit äußerst hohem Innovativitätsgrad, programmiert

Eine konsequente Umsetzung dieser Idee findet

werden, die auch unter den anderen Nutzern

sich in der Projektstudie von Adidas. Hier wurde,

viel größere Beliebtheit fanden, als die einfa-

als eine Anforderung an das Toolkit, Community-Funktionalität

formuliert.

chen Variationen bestehender Elemente, die mit

Commu-nity-

dem Hersteller Toolkit möglich waren. Des Wei-

Funktionalität beschreibt hierbei die Möglichkeit,

teren stieg durch diese Anpassung auch die

dass sich die Gemeinschaft aller Nutzer eines

Benutzer-freundlichkeit, da die weiterentwickel-

Toolkits gegenseitig austauschen kann. Dabei

ten Toolkits in ihren Anforderungen auch besser

können Innovationen gegenseitig bewertet und

den unterschiedlichen Fähigkeiten der Nutzer

verbessert werden, sowie Problemlösungen

gerecht wurden. Das Beispiel ist aber kaum

anderer Nutzer aufgegriffen. Unerfahrene Nut-

verallgemeinerbar, da es für Software keine

zer können dabei von der Unterstützung erfah-

produktionstechnischen Grenzen i. e. S. gibt.

rener Nutzer profitieren. Zum Abschluss der

Aber in der Softwareindustrie scheint sich durch

Studie wurden die eingereichten Konzepte von

die Möglichkeit, dass Nutzer die Toolkits auf ihre

einem Expertengremium auf ihre Innovativität

Bedürfnisse abstimmen können, die Chance zu

hin geprüft, wobei die Ergebnisse für Adidas überaus erfreulich waren.

bieten, jedem Kunden das optimale Toolkit be-

38

reitzustellen und damit die maximale InnovatiAngemessener Lösungsraum

onsfähigkeit aller Kunden zu nutzen.

Der Lösungsraum bestimmt die Gesamtheit der

Transformation der Kundenlösung in Pro-

Variationen und Kombinationen zulässiger Lö-

duktionsanweisungen

sungsmöglichkeiten und setzt damit die GrenZuletzt muss das User-Design in eine Produkti-

zen für die Aktivitäten der Nutzer. Er ist in ho-

onsvorgabe übersetzt werden. Das setzt einen

hem Maße von den produktionstechnischen

fehlerfreien und kostengünstigen Informations-

Kapazitäten und Fähigkeiten des Herstellers

transfer voraus. Treten bei der Informations-

abhängig. 39 Möchte man den Kunden einen

übertragung Fehler auf, wird in der Folge das

größeren Lösungsraum bieten, um den Marktan-

User-Design in der Produktion falsch umgesetzt.

forderungen besser gerecht zu werden, muss

Durch einen systematisch fehlerbehafteten In-

der Aufwand für die Produktion erhöht werden.

formationstransfer zwischen Toolkit und Herstel-

Es kommt zu einem Trade-off zwischen Produk-

ler kommt es zu einer drastischen Erhöhung des

tions- und Marktanforderungen. 40

Aufwands des Herstellers und die möglichen Eine erstaunliche Anpassung an einen zu gerin-

Effizienzvorteile des Toolkits kehren sich um.

42

gen Lösungsraum haben Nutzer eines Toolkits Erweiterung der Anforderungen eines Tool-

für Open Innovation, im Falle des Computer-

kits

spiels The Sims, durchgeführt. Dort wollten sich die Nutzer nicht auf Nutzung der bereitgestellten

Zum Ende der Betrachtung der Anforderungen

Toolkits beschränken und entwickelten selbst

an Toolkits, sollte man sich, im Hinblick auf die

eigene Toolkits oder adaptierten Module aus

Umweltbedingungen im B2C Geschäft, fragen, ob die Anforderungen vollständig formuliert sind.

38 39 40

Vgl. Piller/ Walcher 2006, S. 313ff. Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S. 826. Vgl. Franke 2003, S. 370.

41 42

98

Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 242. Vgl. Franke 2003, S. 371.

Ein Merkmal, dass die Toolkits von Adidas und

petenz der Community aus den kumulierten

EA Games gemeinsam haben, ist Community-

Problem-lösungskompetenzen ihrer Mitglieder

Funktionalität. Besonders im Falle eines Unter-

ergibt. Zudem können die Toolkits zur Lead

nehmens im B2C Geschäft macht es Sinn, über

User Identifikation genutzt werden (Woll, S.

den generellen Anspruch, das Toolkit communi-

81ff.). Die Studien von EA Games und Adidas

ty-funktional zu gestalten, nach-zudenken. Die

haben empirisch belegen können, dass die In-

Zahl an Einzelkunden ist hier in der Regel viel

no-vativität der Lösungen einzelner Nutzer, als

größer als im B2B Bereich, und dies wirkt sich,

Indikator für Lead User Merkmale dienen kön-

bei einer Annahme des Toolkits durch die Kun-

nen. Diese Lead User, können in der Folge vom

den, positiv auf den Nutzen des Toolkits aus.

Hersteller in noch anspruchsvollere Projekte

Aus den vorangegangen Ausführungen zu den

eingebunden werden. 45

beiden Beispielen lässt sich erkennen, dass

5

Lead User die Toolkits weiterentwickeln und in

Abgrenzungsmöglichkeiten verschiedener Toolkit-Varianten

der Community zur Nutzung bereitstellen, was sich positiv auf die Benutzerfreundlichkeit aus-

Der Schwerpunkt der Betrachtung, im Rahmen

wirkt, da nicht mehr nur ein einziges Toolkit für

dieser Arbeit, soll auf Toolkits liegen, die einen

eine große Zahl von Nutzern, mit unterschiedli-

wahren Beitrag zur Innovativität der Unterneh-

chen Fähigkeiten, bereitsteht. Auch auf die mo-

mung und ihrer Produkte leisten können. Durch

dularen Designvorlagen hat dies einen positiven

verschiedene Eigenschaften die Toolkits gege-

Effekt, da durch die Community noch mehr I-

ben sein können ergeben sich Unterschiede

deen, Module und Vorlagen in das Toolkit ein-

bezüglich der Lösungen die mit Toolkits erzeugt

gehen, die gegenseitig aufgegriffen und bewer-

werden können. Abbildung 5 macht die Unter-

tet werden können. Durch die gegenseitige Be-

schiede klar. Dem Kunden werden bei Toolkits

wertung und gegebenenfalls die Übernahme

für

von Innovationen in der Community, zeigen sich

Customization Instrumente, mit sehr beschränk-

Trends, die sich auf die Adoption im Gesamt-

tem Lösungsraum, zur Verfügung gestellt. Die

markt übertragen lassen. Eine hohe Diffusions-

Konsequenz sind veränderte Erscheinungsbil-

rate in der Community wird als Zeichen hoher

der, von nach wie vor technisch unveränderten

Innovativität der Lösung angesehen, und letzt-

Produkten, die aber keine wirklichen Innovatio-

endlich auch als Indikator des Erfolgs des Tool-

nen darstellen. Als Innovation aus Nachfrager-

kits, da das Ziel dessen Einsatzes eben genau

sicht wäre ein Produkt erst dann zu bezeichnen,

43

User

Co-Design

lediglich

Mass-

Der

wenn es in der subjektiven Wahrnehmung des

steigende Nutzen, den sowohl Hersteller, als

Kunden als neuartig empfunden wird und erheb-

auch Kunden aus einer wachsenden Zahl von

lich von den bisher am Markt angebotenen Leis-

Nutzern des Toolkits beziehen, lässt sich durch

tungen abweicht.

Netzeffekte begründen, die durch die Communi-

weichung, der bereits am Markt angebotenen

ty auf das Toolkit übertragen werden. 44 Übertra-

Leistungen, kann aber, angesichts einer Variati-

gen auf die Anwendung von Toolkits steigt der

on bereits bestehender Leistungsmerkmale,

Nutzen mit der wachsenden Größe einer Com-

nicht die Rede sein. Ein Beispiel, das gut zur

munity daher, da sich die Problemlösungskom-

Veranschaulichung dient, ist das eines Uhren-

43

45

Lösungen mit hoher Innovativität sind.

44

Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 247. Vgl. Katz/ Shapiro 1985, S. 424.

46

99

46

Von einer erheblichen Ab-

Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 247. Vgl. Weiber/ Pohl/ Kollmann 1999, S. 9f.

herstellers, der seinen Kunden mit einem De-

Lösungen, bereitstellt, die ein hohes Maß an

sign Toolkit die Möglichkeit gibt, aus einem Set

Kreativität und technischem Verständnis vor-

von Armbändern, Gehäusen und Ziffernblättern,

aussetzen, wird angenommen, dass dieses Tool

sein eigenes Design zu kreieren. Dieses Bei-

nur für ausgewählte Nutzergruppen (Lead User)

spiel basiert auf einer Studie von Franke und

geeignet sei. 48 Als Lead User werden solche

Piller, die auch darauf hinweisen, dass es sich

Nutzer verstanden, die in Bezug auf Consumer

um ein B2C Tool handelt welches wenig an-

Good Märkte, innovativ und trendsetzend sind. 49

spruchsvoll in der Nutzung ist, gleichzeitig aber

Sie adoptieren neue Güter früher als die norma-

auch keine wirklichen Inno-vationsaktivitäten

len Verbraucher und kommunizieren ihre Erfah-

zulässt. Diese Eigenschaft wird den anspruchs-

rungen damit aktiv in ihrem sozialen Netzwerk.

47

volleren B2B Toolkits zugeschrieben. Toolkits

Neben dem Charakter Vorreiter eines Trends zu

für User Innovation und Toolkits für Ideentrans-

sein, sind sie in der Lage, Produkte zu verbes-

fer haben diese Eigenschaften. Im weiteren

sern und Lösungen für funktionell neue Produk-

Verlauf wird der Text auch auf Aspekte einge-

te, zu formulieren.

hen, die für einen Einsatz von Toolkits für User

50

Das Toolkit hilft dem Nutzer Ideen für neue In-

Innovation und Toolkits für Ideentransfer im B2C

novationen zu entwickeln, oder innovative Leis-

Bereich sprechen.

tungseigenschaften zu generieren und sich damit aktiv am Innovationsprozess des Herstellers

5.1 Innovativitätssteigernde Toolkits

zu beteiligen. Zwei wesentliche Merkmale unter-

Mit Verweis auf Abbildung 3 sollen in dieser

scheiden diesen Prozess von einer autonomen

Arbeit die Toolkits für User Innovation und I-

Entwicklungstätigkeit, ohne Unterstützung eines

deentransfer im Schwerpunkt der Betrachtung

Toolkits.

stehen, da sie nicht nur ein Werkzeug einer

ƒ

Mass Customization Strategie darstellen, son-

Der Hersteller stellt den Kunden in Form

dern die Innovativität eines Unternehmens stei-

des Toolkits sein vorhandenes Lö-

gern können. Den Toolkits von EA Games und

sungswissen bereit, damit die Nutzer

Adidas lassen sich Eigenschaften dieser beiden

auf einem höheren Niveau innovativ tä-

Formen von Toolkits zuordnen, wie auch den

tig werden können.

Toolkits von STATA und Apache. Diese vier

ƒ

Beispiele werden noch näher betrachtet.

Nutzer bekommen in sämtlichen Phasen des Prozesses ein detailliertes (simuliertes) Feedback zu ihrem Lösungs-

5.2 Toolkits für User Innovation

konzept. 51

Diese Form des Toolkits bietet ganz im Gegensatz zu dem des Co-Designs einen in der Regel

Im Beispiel von EA Games, konnten Nutzer

unbegrenzten Lösungsraum. Die Nutzer können

schon ca. ein Jahr vor Markteinführung, mit Hilfe

in einem aufwendigen „Trial-and-Error-Prozess“

eines Toolkits eigene Elemente für das Spiel

ihre Ideen konkretisieren und mit bisher unbe-

entwickeln. Die Möglichkeiten der Nutzer streu-

kannten Lösungen für ihr Problem solange ex-

ten dabei sehr stark, von der einfachen Verän-

perimentieren, bis es gelöst ist. Da der Herstel-

derung des Aussehens der Charaktere bis hin

ler als Lösungsinformationen, z.B. Program-

zur Entwicklung völlig neuer Fähigkeiten oder

miersprachen, Zeichenprogramme oder CAD48 49 50 47

51

Vgl. Franke/ Piller 2004, S. 410.

100

Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 168. Vgl. von Hippel 1986, S. 791ff. Vgl. Piller/ Walcher 2006, S. 309. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 168.

52

Letztere unter-streichen

direkten Kontakt zum Endverbraucher einge-

den Beitrag zur Innovativität und die Gesamtheit

setzt. Die bereits in Ansätzen, in den vorange-

der vorhandenen Möglichkeiten verdeutlicht die

gangenen Beispielen, angesprochenen Funktio-

Größe des Lösungsraums. Des Weiteren veran-

nen der Toolkits ergeben sich aus einem Set

schaulicht das Beispiel auch die Anwendbarkeit

von Anforderungen, die für alle Toolkits gleich

des Toolkits im B2C Bereich.

sind

5.3 Toolkits zum Ideentransfer

6

Umweltelementen.

Toolkits

zum

Ideentransfer

(externes

Chancen und Problemfelder der Toolkits für User Innovation

Vor-

schlagswesen) setzen ganz zu Beginn des In-

Aus Sicht des Produzenten lassen sich einige

novationsprozesses, in der Phase der Ideenge-

Vorteilspotenziale aufzeigen, wobei hier zu-

nerierung ein. Sie bieten innovativen Nutzern

nächst die Reduktion der Kosten für die Markt-

einen offenen Kanal zu ihrem Unternehmen, der

forschung bzw. die Produktentwicklung zu nen-

eine strukturierte Eingabe von Verbesserungs-

nen sind. Diese können aufgrund des Toolkits

vorschlägen und neuen Verfahren unterstützen

vernachlässigt werden, da hier wie bereits erläu-

soll. Hierbei geht es sowohl um das breite Ab-

tert Kunden ihr eigenes Produkt selbst zusam-

greifen von Bedürfnisinformationen, als auch um

men- bzw. von Grund auf selbst erstellen kön-

die Möglichkeit für innovative Nutzer, Verfah-

nen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die „poten-

rens- oder Produktverbesserungen übermitteln

tielle Beschleunigung von Neuproduktentwick-

zu können.

53

lungsprozessen“ 55 . Die iterativen Prozesse wer-

Adidas hat das Toolkit eingesetzt, um einen

den verkürzt, da der Kunde nun direkt in den

Ideenwettbewerb unter den Kunden, die High-

Entwicklungsprozess mit eingebunden werden

end Produkte von Adidas gekauft haben, durch-

kann. Ein gutes Beispiel ist hierbei die Firma

zuführen. 54 Der Auswahl lag die Annahme zu

Nestlé Food Service aus den USA und ihr zent-

Grunde, dass die Käufer dieser Produkte ambi-

raler Geschäftsbereich der individualisierten

tionierte, oder sogar Wettkampfsportler seien,

Fertig-gerichte für den Gebrauch im Gastro-

die mehr Erfahrung im Gebrauch der Produkte

nomiebereich. Hier dauerte der iterative Ent-

haben als Gelegenheitssportler. Ziel war nicht

wicklungsprozess bis zu 26 Wochen. Heute, via

nur die Gewinnung von Bedürfnisinformationen,

Toolkit, kann die Entwicklungszeit auf drei Wo-

sondern auch die von Lösungsinformationen,

chen reduziert werden. 56

die Adidas helfen sollten die verschiedenen

Als weitere Chance der TUI lässt sich die Sen-

Phasen des Kaufprozesses der Kunden, von der

kung des Floprisikos nennen. Bekannte Beispie-

Vorkauf- bis zur Nachkaufphase, zu verbessern.

le für Fehleinschätzungen der Kundenwünsche

Durch Visualisierungen und Einsicht in bereits

sind hierbei der BetaMax von Sony oder CD-I

bestehende

Community-

von Philips. 57 Auf der Kundenseite kann sich der

Funktionalität, die erlaubte, die Beiträge anderer

User besser mit dem Produkt identifizieren,

Nutzer zur weiteren Bearbeitung aufzugreifen

schließlich hat er es selbst „geschaffen“.

Konzepte,

sowie

und zu bewerten, sollte zusätzlich die Kreativität gesteigert werden. Auch hier wird das Toolkit im

52 53 54

55

Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 243f. Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S.171. Vgl. Piller/ Walcher 2006, S. 311ff.

56 57

101

Franke 2003, S. 19. Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S.16. Vgl. Franke 2003, S. 3.

Abb. 3: Arten von Toolkits für Open Innovation

Ziel

Prinzip

Toolkits für User Innovation Generierung von Innovationsideen Generierung innovativer Leistungseigenschaften

Toolkits für User Co-Design Leistungsindividualisierung durch ProduktKonfiguration (Verkaufstool)

Toolkits zum Ideentransfer Transfer vorhandener Innovationsideen aus der Nutzerdomäne (externes Vorschlagswesen)

ƒ “Chemiebaukasten” ƒ Sehr großer Lösungsraum ƒ Hohe Nutzungskosten ƒ Vollständiges Trialand-Error

ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ ƒ

Nutzer

Nutzer mit Lead-UserEigenschaften

“Lego-Baukasten” Vordefinierter Lösungsraum durch technische Restrik- tionen des Herstel-lers Geringe Nutzungskosten durch Standartmodule Trial-and-Error nur teilweise möglich

alle Kunden

ƒ ƒ

“Black Board” Unbegrenzter Lösungsraum Geringe Nutzungskosten Kein Trial-andError (bzw. nur Feedback durch andere Nutzer)

Nutzer mit Lead-UserEigenschaften

Dieser Aspekt wirkt sich direkt auf die Leis-

zufriedener waren, als jene, die dies nicht getan

tungsseite aus. So besitzen Toolkits die Chance

hatten.

die Preisbereitschaft der Kunden zu erhöhen.

Bisher wurde noch nicht geklärt, wie der Herstel-

Dieser Sachverhalt wurde in einem Experiment

ler seine Kunden dazu motivieren soll sein Tool-

von Franke und von Hippel (2002) mit Usern der

kit zu nutzen. Die Anreize für die Benutzung

„Apache Security Software“ untersucht. Hier

sind immer kontextabhängig. Dabei spielt vor

wurden zum Einen User befragt, die die nötigen

allem die Art der Information die gewonnen wer-

technischen Fähigkeiten besitzen, um sich mit

den soll eine Rolle. Sollen Bedürfnisinformatio-

Hilfe des angewandten Toolkits ihre eigene

nen gewonnen werden, spielen extrinsische

Software zu entwickeln. Zum Anderen wurden

Motive eine Rolle. Der Kunde wird, in dem Zu-

jedoch auch jene Nutzer befragt, die sich auf-

sammenhang, durch die Erwartung, im An-

grund der fehlenden technischen Fähigkeiten,

schluss an die Preisgabe der Information, seine

einfach „nur“ das fertige Software-Grundgerüst

individuelle Lösung nutzen zu können, angetrie-

herunterladen. Dabei wurde deutlich, dass An-

ben.

wender, die technisch geschult sind und sich

gewonnen werden besteht diese Aussicht nicht

somit ihre eigene Software zusammenstellen

mehr, da diese eher für Prozessinnovationen

können, eine signifikant höhere Zufriedenheit

des Herstellers genutzt werden. Der Nutzer

mit dem Produkt aufweisen als die User, die

kann also nicht unmittelbar mit einer Gegenleis-

nicht dazu in der Lage sind. Daraufhin wurden

tung rechnen. In solchen Fällen muss der Her-

schließlich nur die User mit technischen Fähig-

steller eine Anreizstruktur schaffen, die die Kun-

keiten auf ihre Zufriedenheit hin befragt und es

den dazu bringt, das Toolkit zu nutzen.

58

Sollen allerdings Lösungsinformationen

stellte sich heraus, dass User, die die Software auch tatsächlich modifiziert hatten, wesentlich

58

102

Vgl. Piller 2006, S. 95.

Probleme ergeben sich durch den Einsatz des

als auch über fit-to-market das Innovationsrisiko

Toolkits insbesondere bei Unternehmen, in de-

gesenkt. 61 Unter bestimmten Bedingungen soll-

nen das „Manufacturer Active“ Paradigma fester

ten sich sogar die Vorteile von Toolkits für User

Bestandteil der Unternehmensphilosophie ist.

Innovation und Ideentransfer in einem Toolkit

Diejenigen Unternehmensabteilungen, die zuvor

vereinen lassen. Adidas und EA Games waren

für die Produktentwicklung zuständig waren,

mit den Ergebnissen ihrer Ansätze sehr zufrie-

werden ihre Entwicklungskompetenzen nicht

den. Beide Toolkits beinhalteten Funktionen, die

abgeben wollen. Zudem werden Wertschöp-

idealtypisch entweder in Tookits für User Inno-

59

Besonders

vation oder zum Ideentransfer zu finden sind,

in solch einem Fall, aber auch im Allgemeinen

z.B. zeigen beide sowohl „Chemiebaukasten“

empfiehlt sich daher, das Toolkit als komple-

und „Blackboardfunktion“. Möglicherweise wird

mentäre und nicht als substitutive Methode im

sich dieser Ansatz in Kombination mit Communi-

fungskompetenzen ausgegliedert.

Innovationsmanagement ein-zusetzen.

60

ty-Funktionalität als dominanter Toolkit-Typ im B2C Marketing durchsetzen können und in Zu-

Zusätzlich ist zu beachten, dass ein Unterneh-

kunft eine wichtige Rolle im Innovationsmarke-

men, das sich dazu entscheidet, seinen Innova-

ting aller Branchen spielen.

tionsprozess für seine Kunden zu öffnen, auch seinen Konkurrenten Einsicht in seine innovati-

Innerhalb der Märkte können Toolkits in zwei

ven Aktivitäten gibt. Durch die hohen Kosten die

unterschiedlichen Funktionen eingesetzt wer-

eine produktionstechnische Anpassung an den

den. Zum Einen dienen sie als Hilfsmittel zur

weiten Lösungsraum des Toolkits für User Inno-

Anpassung der Problemlösung an das nutzerin-

vation verursacht, bieten sich diese weiten Lö-

dividuelle Problem. Der Nutzer hat die Möglich-

sungsräume vorerst besonders für die Produ-

keit zur Individualisierung seines Produkts. Zum

zenten von immateriellen Gütern an, und Start

Anderen kann ein Toolkit mit dem nötigen Um-

Ups, die ihre Produktionstechnik von vornherein

fang hochinnovative Lösungen zum Vorschein

an die Anforderungen des Toolkits anpassen

bringen.

können.

7

Entwicklungsbereiche

Zwischen diesen beiden Funktionen besteht

im

jedoch keine „Entweder-Oder“ Situation, son-

Toolkit-

dern eine „Untermenge-Obermenge“ Beziehung.

Konzept

So kann jede Innovation zwar individuell sein, Der Einsatz von TUI im Innovationsprozess ist

aber nicht jede Individual-isierung ist auch gleich

ein relativ neues Phänomen. Festzuhalten

innovativ. Mit dieser Erkenntnis kann der Her-

bleibt, dass TUI vor Allem in Märkten Sinn

steller das Toolkit sowohl als Medium zur

macht, in denen die Bedürfnisse der Nutzer sehr

Leistungs-individualisierung für seine Kunden,

heterogen ausgeprägt sind und die Schwierig-

als auch als Marktforschungstool für Innovatio-

keiten der Übertragung bedürfnis-bezogener

nen einsetzen.

62

Informationen vom potentiellen Kunden zum Hersteller groß sind. Durch die effizientere Ges-

TUI sind kein Allheilmittel und nicht jedes Unter-

taltung des Innovations-prozesses und ausge-

nehmen wird von einer Investition in diese Form

dehnte Erprobung der Ideen durch die Nutzer,

der Produktentwicklung profitieren. Etablierte

werden sowohl costs-to-market, time-to-market,

Unternehmen haben meist aufgrund ihrer festen

59 60

61

Vgl. ebenda, S. 96. Vgl. Franke 2003, S. 376.

62

103

Vgl. Piller 2006, S. 94. Vgl. Franke 2003, S. 17f.

Unternehmensstrukturen Schwierig-keiten TUI

Csikszentmihalyi, M. (1997): Finding Flow, in:

einzuführen. Weitere Gründe hierfür rangieren

Psychology Today, Vol.30, Nr. 4, S. 46-48.

zwischen psychologischen Gründen wie simple

Franke, N. (2003): Toolkits for User Innovation:

Arroganz gegenüber neuen Technologien, Bü-

Die Einbindung des Kunden in den Innovati-

rokratie etc. bis hin zu ökonomischen Gründen

onsprozess, in: Hoffman, W.H. (Hrsg.): Die

wie beispielsweise hohen Fixkosten, die das

Gestaltung der Organisationsdynamik. Kon-

Unternehmen an größere Märkte bindet.

figuration und Evolution, Festschrift für Oskar

Im Gegensatz dazu besitzen junge Unterneh-

Grün zum 65. Geburtstag, S. 357-381.

men hohe Erfolgschancen, sollten sie sich dazu

Franke, N./ Piller, F. (2004): Value Creation by

entschließen Toolkits als Produktentwicklungs-

Toolkits for User Innovation and Design: The

prozess einzusetzen. New Ventures stecken

Case of the Watch Market, in: Journal of

noch nicht in betriebseigenen Strukturen fest,

Product Innovation Management, Vol. 21, Is-

sie können kurzerhand mit diesen als integrier-

sue 6, 2004, S. 401-415.

ten Teil des Businessmodells starten. Wenn das Franke, N./ Schreier, M. (2002): Entrepreneurial

Toolkit gut funktioniert und die Kunden ebenfalls

opportunities with Toolkits for User Innova-

diese neue Form der Interaktion akzeptieren, ist

tion and Design. In: The International Journal

das Unternehmen in der Lage, sich Marktanteile

on Media Management, 4, 4, 225-234

von führenden älteren Unternehmen anzueignen, die dann unter hohem Druck stehen zu

Franke, N./ von Hippel, E. (2003): Satisfying

reagieren.

Heterogeneous User Needs via Innovation Toolkits: The Case of Apache Security Soft-

Darüber hinaus werden sich längerfristig auch

ware, in: Research Policy, Vol. 32, 2003,

die Toolkits in den einzelnen Marktbranchen

S.1199-1215.

verändern. Auf Druck der Kunden hin werden Unternehmen dazu tendieren, Toolkits zu erstel-

Henkel, J./ von Hippel, E. (2005): Welfare impli-

len, die unternehmensunabhängig sind. Dies

cations of user innovation, in: Journal of

bedeutet, dass die Kunden nicht nur an das

Technology Transfer, 30, 1-2, S. 73-88.

eigene Unternehmen gebunden und damit meh-

Katz, M./ Shapiro, C. (1985): Network external-

rere Anbieter ins Spiel gebracht werden, um den Wettbewerb zu steigern.

63

ities,

Um diese Arbeit ab-

competition,

and

compatibility,

in:

American Economic Review, 75, 1985, S.

zuschließen, soll der Ökonom John M. Keynes

424-440.

zitiert werden, der bemerkte: „The difficulties lie Lesewitz, H. (2007): Freiburger Tüftler, in: Bike

not in the new ideas, but in escaping from the old ones…“

2/07, S.122-125.

64

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105

Rieke K. Buning Innovationstreiber Community - Konzepte zur Potenzialerschließung 1

Virtuelle Communities: Kundeneinbindung auf einer neuen Ebene

2

Ansätze zur Systematisierung und Identifikation innovationstreibender Communities

3

Grundtypen des Informationstransfers zwischen Community und Hersteller

4

Schnittstellenprobleme zwischen Community und Hersteller

1

Virtuelle Communities: Kunden-

zu minimieren. 2 Um diese tiefer gehende Ausrichtung an heutigen oder zukünftigen Marktan-

einbindung auf einer neuen Ebene

forderungen zu realisieren, bedienen sich UnDas Phänomen 'Community' ist nicht neu. Im-

ternehmen zunehmend einer nahezu uner-

mer schon gab es Gruppen mit einem gemein-

schöpflichen Informations- und Innovationsquel-

samen Interesse: Menschen, die sich trafen,

le: den VC-Mitgliedern. 3 Dabei wird eine Einbe-

vielleicht

zusammenschlossen,

ziehung von Kunden angestrebt, die über die

fachsimpelten, die gleichen Fachzeitschriften

Orientierung an Kundenbedürfnissen oder die

lasen und sich enthusiastisch über ihr Hobby,

Teilnahme an Markttests hinausgeht: Bisherige

ein Produkt – Bier vielleicht – oder ein sonstiges

oder potenzielle Kunden sollen Innovations-

Thema austauschten. Im Rahmen einer Virtuel-

ideen, fertige Innovationskonzepte oder sogar

len Community (VC) geschieht das gleiche, nur

Prototypen in den PEP einbringen. 4 Solch inno-

virtuell im Internet. Leimeister/ Krcmar liefern

vative Kunden werden in VCs identifiziert und

einen guten Überblick über Definitionen aus

aktiv (z. B. als Lead User (Woll, S. 81ff.) oder

verschiedenen Disziplinen, 1 eine einheitliche

Nutzer von Toolkits (Asel/ Steinmetz, S. 94ff.)

Definition der "Virtuellen Communitiy" gibt es

sowie passiv (Netnography) in den Innovations-

nicht. Diesem Beitrag liegt folgende Vorstellung

prozess integriert. Doch auch wenn in den

einer VC zugrunde:

Communities die Innovationsideen vermeintlich

Eine VC ist eine Gruppe von Menschen, die sich

leicht zugänglich sind, bedarf es einiger Aufbe-

an einem bestimmten virtuellen Ort im Internet

reitung, um erfolgversprechende Ideen zu sam-

interaktiv, in Foren, Chats, Mailing-Listen o.ä.,

meln, zu strukturieren und in den Innovations-

über ein gewisses Themenspektrum austauscht.

prozess zu integrieren.

Dabei entstehen stärkere oder schwächere so-

Um die Methoden, derer es bedarf um Informa-

ziale Bindungen zwischen Menschen mit höhe-

tionen aus einer VC in ein Unternehmen zu

rem oder niedrigerem Expertenstatus.

transferieren, in ein Ordnungsgefüge zu bringen,

Virtuelle Communities sind eine wertvolle An-

werden in diesem Beitrag anhand der Aktivität/

laufstelle für Unternehmen, die im Produktent-

Passivität der Kommunikationsteilnehmer Kunde

wicklungsprozess (PEP) frühzeitig auf Impulse

und Hersteller drei Grundtypen solcher methodi-

bzw. konkrete Innovationsvorschläge von Kun-

2

in

Vereinen

den eingehen wollen, um das Floprisiko eines entstehenden Produktes zu reduzieren oder gar

3

1

4

Leimeister/ Krcmar 2004, S. 47f.

106

Die Zahlen zum Scheitern von Neuprodukten variieren je nach Branche und Autor zwischen 50% und 90%, Vgl. Reichwald/ Ihl/ Seifert 2004, S. 2; Ernst/ Soll/ Spann 2006, S. 4. Vgl. Ernst/ Soll/ Spann 2006, S. 4f. In dieser Arbeit die Begriffe (Community-) Mitglieder, User, Kunden synonym verwendet. Von allen Begriffen wird im Folgenden die männliche Form verwendet, wobei darunter selbstredend Frauen und Männer verstanden sind. Vgl. Reichwald/ Ihl/ Seifert 2004, S. 2.

schen Schnittstellen eingeführt: "Beobachtung",

2

Ansätze zur Systematisierung und

"Interaktion" und "Outsorcing". Als Schnittstelle

Identifikation innovationstreibender

werden dabei Methoden verstanden, die früh im

Communities

PEP einen Kontakt i. S. einer Verbindung zwiVirtuelle Communities, in denen Beschwerden

schen dem Hersteller und der ganzen VC oder

und Unzufriedenheiten, Konsum- und Produkter-

einzelnen Mitgliedern herstellen, um dort gene-

fahrungen oder Tipps und Verbesserungsvor-

rierte Ideen oder innovative User für den PEP zu

schläge über bestimmte Themen oder Produkte

gewinnen. 5

ausgetauscht werden, sind für Hersteller eine Als Anhaltspunkte, die bei der Suche nach er-

gute Quelle, um mehr über die Bedürfnisse ihrer

folgversprechenden VCs bzw. geeigneten Usern

Kunden und deren Innovationsideen zu erfah-

als Gegenpart für das Unternehmen im Innova-

ren. Doch es gibt zahllose VCs mit unzähligen

tionsprozess nützlich sein können, werden im

Usern, die eine unüberschaubare Anzahl an

folgenden Kapitel Systematisierungsmöglichkei-

Beiträgen verfassen. Wo kann das Unterneh-

ten vorgestellt. Der dritte Abschnitt führt die drei

men ansetzen? Wie kann es die Datenflut be-

genannten Grundtypen der Kommunikation an

wältigen und zum eigenen Nutzen auswerten?

Schnittstellen ein und nimmt eine Zuordnung der

Verschiedene Modelle helfen dabei, VCs von-

drei methodischen Schnittstellen (Netnography,

einander abzugrenzen oder ihr "Innenleben" zu

Lead-User-Konzept und Toolkit) vor. Dabei wer-

strukturieren. 6

den Chancen, Probleme und Kritikpunkte dieser An sich betrachtet grenzen sich VCs durch un-

Methoden aufgezeigt. Abschnitt vier gibt einen

Mitgliederverhalten, 7

terschiedliches

Einblick in die konkreten Kommunikationsprob-

schiedliche Mitgliedermotivation

leme, die an den jeweiligen Schnittstellen nicht

unterschiedliche

durch die Methode, sondern erst durch (man-

8

unter-

oder durch

Themenschwerpunkte 9

von-

einander ab. Hagel/Armstrong differenzieren

gelnden) Austausch oder Zusammenarbeit zwi-

verbraucherorientierte Communities von Bussi-

schen dem Unternehmen, seinen Mitarbeitern

ness-To-Business-Communities. Die Verbrau-

und der VC bzw. ihren Usern auftreten können

cherorientierten Communities differenzieren sie

und zeigt auf, welche Handlungsmöglichkeiten

weiter in geografische VCs (Trier, Eifel,...), de-

bestehen.

mografische VCs (Frauen, Rentner,...) und theDa eine vollständige Behandlung aller hier an-

menbezogene VCs (Sport, Technik,...). Für die

gesprochenen Methoden in diesem Rahmen

Untersuchung

nicht möglich ist, beschränkt sich die Betrach-

der

Kommunikation

an

den

Schnittstellen zwischen VC und Unternehmen

tung auf die relevanten Aspekte für die oben

ist es allerdings unerheblich, welcher Unterart

beschriebene Schnittstellenthematik.

die VC zuzurechnen ist, solange sie Innovationspotenzial besitzt und der Mitarbeit an einer Produktentwicklung mit einem Unternehmen zugetan ist.

10

Darüber hinaus kann die Unter-

scheidung zwischen verbraucherorientierter VC und Business-To-Business-Community bei der 6 7 5

8

Zur Einbindung von VCs in verschiedenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses siehe Hildebrand, S. 147ff..

9 10

107

Vgl. Herstatt/ Sander 2004b, S. 106. Figallo 1998, zitiert nach Beinhauer et al. 1999, S. 409f. Beinhauer et al. 1999, S. 413f. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 141 - 147. ebd.

Betrachtung der Schnittstellen weitestgehend

sowohl starke soziale Bindungen zur

vernachlässigt werden, da sich zwar aus der

Gruppe, als auch ein hohes Interesse am

unterschiedlichen Marktsituation unterschiedli-

Thema und sind daher oft Meinungsführer

che Voraussetzungen ergeben, die aber letzt-

in den VCs. Für die Untersuchung anhand

endlich nur minimale methodische Anpassungen

des Netnography-Ansatzes sind Devotees

mit sich bringen.

11

und Insider wegen ihres hohen thematischen Involvements die besten Informati-

Von innen her lassen sich VCs nach ihrer wert-

onsquellen.

vollsten Ressource strukturieren: VC-Mitglieder verschiedenen Rollen zuzuordnen ist sinnvoll,

Eine VC nach ihrer Art und ihre Mitglieder nach

um ihre Beiträge hinsichtlich der Verwendung im

Rollen zu systematisieren ist kein Selbstzweck.

Innovationsprozess zu bewerten oder die Inter-

Die Kriterien, nach denen sie untersucht wer-

aktion in einer VC zu verstehen. Ebenso wie für

den, sollen helfen, eine strukturierte Untersu-

VCs selbst gibt es über die Rollen in VCs sehr

chung vornehmen zu können. Hat eine Zuord-

unterschiedliche Ansichten.

12

nung stattgefunden, wird mit dem Ergebnis weitergearbeitet: Will das Unternehmen mit einer

An dieser Stelle seien die vier Rollentypen nach

Business-to-Business-VC, einer geografischen

Kozinets erwähnt. 13 Seine Einordnung berück-

oder einer themenbezogenen VC zusammenar-

sichtigt den Grad des sozialen und des themati-

beiten? Kann ein VC-Mitglied mit einem Tourist-

schen Involvements, beides wichtige Voraussetzungen

für

eine

funktionierende

oder einem Mingler-Status im Innovationspro-

VC.

zess hilfreich sein? Die hier genannten Möglichkeiten der Kategorisierung sind lediglich Bei1. Tourists: Ihr thematisches Involvement ist

spiele, sie sollen verdeutlichen, wie wertvolle

stärker ausgeprägt als das soziale, mögli-

Kooperationspartner von weniger bedeutsamen

cherweise sind sie einmalige Besucher.

unterschieden werden können.

Sie stellen viele Fragen und haben großes

14

Beispiele für

konkrete Vorgehensweisen liefert der nachfol-

Interesse am Thema, sind aber weniger

gende Abschnitt.

an sozialen Bindungen zu anderen Mit-

3

gliedern interessiert.

Grundtypen des Informationstransfers zwischen Community und Her-

2. Minglers: Sie führt weniger ihr Interesse am

steller

Thema oder am Konsum eines Produkts in die VC, als vielmehr ihr starkes Interes-

In diesem Kapitel werden drei Methoden der

se an sozialen Bindungen.

Beteiligung von Community Mitgliedern am Innovationsprozess den drei Grundtypen der

3. Devotees: Sie haben hohes Interesse am

Kommunikation an der Schnittstelle zwischen

Thema, aber eher schwache Bindungen

Hersteller und VC zugeordnet. Anschließend

zur Community.

werden die Methoden näher erläutert, wobei 4. Insider: Die Insider sieht Kozinets als einfluss-

neben den Chancen auch methodische Proble-

reichste Gruppe mit dem höchsten Anse-

me aufgezeigt werden. Die Grundtypen der

hen innerhalb der VC. Sie vereinen in sich

Kommunikation an Schnittstellen ergeben sich

11

12 13

aus der Aktivität bzw. der Passivität der Kom-

Vgl. v. Hippel 2005, S. 3f.; In diesem Beitrag werden die Begriffe Unternehmen und Hersteller synonym verwendet. Vgl. Meyer 2000, S. 53ff. Kozinets 2002, S. 6. Die folgenden Abschnitte beziehen sich auf diese Quelle.

14

108

Vgl. Bartl/ Holger/ Füller 2004, S. 150f.

munikationspartner. Ist der Hersteller aktiv, die

„Unter Netnography wird die Analyse der Onli-

VC-Mitglieder jedoch passiv, liegt der Grundty-

ne-Kommunikation von Community-Mitgliedern

pus "Beobachtung" vor: Beim Netnography-

und Konsumenten verstanden. Der Ansatz er-

Ansatz ist der User zwar Gegenstand einer Un-

laubt, sowohl die explizit formulierten als auch

tersuchung, nimmt an dieser aber lediglich pas-

die implizit vorhandenen Bedürfnisse, Wünsche,

siv als Objekt einer Beobachtung teil. Kommuni-

Erfahrungen, Motivationen, Einstellungen und

zieren beide Seiten aktiv, wird vom Grundtypus

Wahrnehmungen der Konsumenten und An-

"Interaktion"

wender hinsichtlich Produkten und Marken qua-

gesprochen:

Die

Lead-User-

litativ zu erforschen. [...]“. 16

Methode basiert auf einer Interaktion zwischen User und Unternehmen; zunächst, um über-

Dabei

haupt Lead User zu identifizieren, und um an-

werden

vorrangig

Konsumenten-VCs

untersucht, um Trends und Tendenzen in ano-

schließend mit den identifizierten Lead Usern

nymen Massenmärkten festzustellen. Kozinets

eine Innovation zu entwickeln. Der Grundtypus

hält ein Vorgehen in fünf Stufen für sinnvoll: 17

"Outsourcing" liegt vor, wenn ein Unternehmen Entrée: Die Forschungsfrage wird bestimmt und

mithilfe von Toolkits Teile des Innovationspro-

entsprechend eine oder mehrere virtuelle

zesses zum nun aktiven Kunden auslagert.

Communities anhand folgender Kriterien Ablaufbeschreibungen

sollen

einen

Einblick

untersucht: Liegt der Fokus der Gruppe

geben, wie der Informationstransfer gestaltet

auf untersuchungsrelevanten Themen?

wird, um so die jeweiligen Form der Kommuni-

Wenn ja, sind die Menge der Postings, die

kation in den VCs als Schnittstellen zwischen

Anzahl der aktiven Mitglieder (besonders

Kunde und Hersteller zu verstehen.

Insider oder Devotees) 18 , der Detailreich-

Abb. 1: Grundtypen der Kommunikation an

tum der Postings und der Grad der Inter-

Schnittstellen

aktion zwischen den Mitgliedern bezüglich des relevanten Themas entscheidende Faktoren dafür, inwieweit eine VC aus Unternehmenssicht interessant ist. Data Collection & Analysis: Einerseits werden ganze Texte oder Passagen aus der Kommunikationsflut übernommen, andererseits ist es wichtig, sich mit der Community und ihren Mitgliedern, ihrer Sprache, ihren Interessen, ihrem Verhältnis zum Markt oder zum Produkt gut vertraut

3.1

Netnography als Instrument der Beo-

zu machen. Eine gute Quelle für Werte

bachtung

und Ansichten der Online-Gemeinschaft

"Netnography" ist eine Wortschöpfung von Robert Kozinets

15

kann die ‚Netiquette’ sein.

Es werden

und verbindet die Begriffe "Inter-

net" und "Ethnografie". Bartl gibt hierzu eine

16 17

kurze, aber prägnante Beschreibung:

18 15

19

19

Vgl. Kozinets 2002, S. 1; vgl. Bartl 2007, S.1.

109

Bartl 2007, S. 84. Vgl. Kozinets 2002, S. 2ff. Der folgende Abschnitt bezieht sich überwiegend auf diese Literaturangabe. Wurden andere Literaturquellen verwendet, so ist dies gekennzeichnet. Siehe Kapitel 2 dieser Arbeit. Vgl. Kaiser et al. 2000.

explizite (Beschwerden, Empfehlungen,...)

werden den teilnehmenden Mitgliedern

wie auch implizite (Verhalten,...) Äuße-

vorgelegt, um diese von ihnen abschlie-

rungen erfasst.

ßend beurteilen zu lassen.

Trustworthy Interpretation: Für diesen Beitrag

Die Netnography ist eine sehr unaufdringliche

stellt die Interpretation der Postings den

Methode: Ohne selbst in der Gruppe aktiv zu

entscheidenden Aspekt dar: Informationen

werden, beobachtet der Marktforscher die un-

der Kundenseite werden in Schlussfolge-

verfälschte Kommunikation ("word-of-mouth")

rungen und Erkenntnisse auf Unterneh-

und Interaktion der Community-Mitglieder. Das

mensseite überführt. Natürlich sind auch

Umfeld der Untersuchung ist nicht vom Markt-

die

Arbeitsschritte er-

forscher künstlich gestaltet, die Konversation ist

folgsentscheidend, aber die Qualität der

meist in Alltagssprache abgefasst und gerade

interpretierenden Beobachtung - und da-

deswegen sehr nahe am Kunden. Diese Metho-

mit der "Erfolg" der gesamten Untersu-

de ist zwar nicht so kostenintensiv wie Fokus-

chung - hängt stark von der Urteilsfähig-

Gruppen oder persönliche Interviews, aber we-

keit und der Sensibilität des Forschers ab.

sentlich umfangreicher und zeitaufwendiger.

Nur wenn er fähig ist, den "Bedürfniscode"

Füller et al. berichten von einem Untersu-

des Users zu entschlüsseln und ihn in

chungszeitraum von sechs Monaten in ver-

Wunsch, Bedürfnis und Meinung aufzu-

schiedenen

schlüsseln, ist das Ergebnis der Net-

240.000 Postings in 18.000 Threads ausgewer-

nography verlässlich und kann im Innova-

tet wurden.

vorangehenden

tionsprozess verwendet werden.

Sport-Communities,

in

denen

20

Der Netnography-Ansatz dient als Basis für

Research Ethics: Der Forscher sollte seine In-

weitere Untersuchungsmethoden, beispielswei-

tentionen und seine Anwesenheit für die

se für die Community Based Innovation. Aller-

Dauer der Untersuchung im Forum be-

dings unterscheidet sich die Community Based

kannt geben. Auch an dieser Stelle ist es

Innovation wesentlich vom Netnography-Ansatz,

wiederum von zentraler Bedeutung, die

da die Forscher mit den Mitgliedern der VC in-

VC gut zu kennen, um abschätzen zu

teragieren: Sobald die geeignete Community

können, wie die Mitglieder auf "Eindring-

identifiziert ist, werden User in den Neuprodukt-

linge" reagieren. Es ist sinnvoll, zunächst

Entwicklungsprozess integriert. Der Forscher

beim Moderator, Webmaster oder bei an-

bzw. das Unternehmen bleibt also nicht der

erkannten Mitgliedern die Einstellung der

passive Beobachter im Hintergrund, sondern

Community bezüglich seines Vorhabens

nimmt aktiv am Gruppenleben z. B. durch Dis-

anzufragen. Der Forscher sollte Diskretion

kussionsforen, Online-Fragebögen oder Ideen-

und Anonymität zusichern, Feedback der

wettbewerbe teil.

untersuchten Mitglieder mit einbeziehen

21

Die Daten, auf die der Forscher in der Net-

und er sollte sich stets bewusst sein, dass

nography primär zurückgreift, sind öffentlich und

er sich in Online-Communities auf einem

frei zugänglich - was die Informationsbeschaf-

schmalen Grad zwischen Privatsphäre

fung für das Unternehmen vereinfacht. Aber

und Öffentlichkeit bewegt.

ebenso leicht sind die in den Foren geposteten,

Member Checks: Die Ergebnisse der Untersu-

20 21

chung oder einzelne Bestandteile daraus 110

S. Füller/ Javecki/ Mühlbacher 2005, S. 9. Vgl. Bartl/ Holger/ Füller 2004, S.; Genaueres zu Ideenwettbewerben siehe Abschnitt 3.2 dieses Beitrags.

innovativen Produktideen für andere Unterneh-

te. 23 Zu Beginn wurde die LU-Methode vorran-

men und deren Marktforschung verfügbar. Eine

gig in Industriegütermärkten angewendet, dort

weitere Schwierigkeit, die von Kozinets aufge-

ist die Anzahl der Kunden überschaubar. Au-

zeigt wird, ist bei reiner Beobachtung das Feh-

ßerdem besteht meist ein persönlicher Kontakt

len jeglicher Information zu Alter, Geschlecht,

durch Außendienstmitarbeiter, deren Hinweise

Wohnort, Einkommen etc. So lassen sich die

bei der Identifizierung von LUn in Industriegü-

gewonnenen Daten zu Bedürfnissen, Wün-

termärkten sehr hilfreich sein können. Die Identi-

schen, Erfahrungen, Motivationen, Einstellungen

fikation von Lead Usern nicht nur ins WWW,

und Wahrnehmungen der User nur schwer auf

sondern ganz gezielt in die dort angesiedelten

Märkte außerhalb des Internets übertragen.

VCs zu verlagern, begründet sich durch die Chance, nun auch in Konsumgütermärkten LU

Der Netnography-Ansatz ist insgesamt als neue

identifizieren zu können. Denn gerade in Kon-

Art der Marktforschung im Internet zu sehen, bei

sumgütermärkten gestaltet sich die Suche nach

der nicht bloß die altbekannten Methoden an-

LUn äußerst schwierig, da die Anzahl der Kun-

gewendet werden, sondern ein Instrument ent-

den für gewöhnlich sehr hoch ist und über die

wickelt wurde, das auf die neuartigen Gegeben-

einzelnen Kunden keine oder nur wenige Infor-

heiten des relativ jungen Mediums "Internet"

mationen vorliegen.

eingeht. Elemente des Netnography-Ansatzes

VCs bieten also momen-

tan die besten Voraussetzungen für eine erfolg-

werden auch bei der Identifikation von Lead

reiche Suche nach LUn in unüberschaubar gro-

Usern verwendet, was im folgenden Abschnitt

ßen Konsumgütermärkten.

erläutert wird. 3.2

24

Die Innovationsleistungen, die LU in verschie-

Lead-User-Methode als Variante des

densten Konsum- und Industriegütermärkten

interaktiven Zusammenspiels

erbringen, sind für Unternehmen von hohem Eric von Hippel benennt zwei Hauptcharakteris-

Interesse in Bezug auf die Entwicklung von radi-

tika von Lead Usern (LU): Zum einen haben sie

kalen Innovationen, sog. "Breakthroughs". 25

bestimmte neue Bedürfnisse früher als der

Beide Parteien, sowohl der Hersteller als auch

Großteil des Marktes und können diese auch

der beteiligte Kunde mit LU-Eigenschaften, kön-

benennen; sie sind also einem Trend weit vor-

nen erheblich von einer erfolgreichen, gemein-

aus. Zum anderen ziehen sie einen großen Nut-

samen Produktentwicklung profitieren. Der LU

zen aus der Befriedigung ihrer Bedürfnisse.

zieht seinen Nutzen aus der Erfüllung seiner

Je deutlicher diese Eigenschaften bei Kunden

Bedürfnisse bzw. aus der Lösung seiner Prob-

ausgeprägt sind, desto höher ist die Wahr-

leme, seltener aus monetären Anreizen. 26 Die

scheinlichkeit, dass sie vorhandene Produkte

Zusammenarbeit mit solchen Pionierkunden

ihren Bedürfnissen entsprechend modifizieren oder sogar neue Produkte entwickeln.

führt eher zu qualitativen Verbesserungen im

22

PEP, wie Reduzierung des Floprisikos, stärkere

Die Lead-User-Methode wurde schon praktiziert,

Kundenbindung und verbessertes Verständnis

als das World Wide Web (WWW) noch kein

der Marktpartner, als zu einer quantitativen Op-

öffentlich zugängliches Medium war, also lange bevor von VCs überhaupt die Rede sein konn-

23 24

25 26 22

Vgl. von Hippel 1986; von Hippel 2005, S. 22.

111

Vgl. von Hippel 1986, S. 8 ff. Vgl. von Hippel 1986, S. 8 ff.; Ernst/ Soll/ Spann 2006, S. 4 ff. Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2001, S. 103 ff. Vgl. von Hippel 2005, S. 93ff.; Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2003, S. 8.

timierung wie etwa Zeit- oder Geldersparnis. 27

und Unternehmen bieten. 30 Zur Identifikation

Zudem sind die Umsatzprognosen für Produkt-

von LUn in virtuellen User Communities bieten

entwicklungen mit LU-Beteiligung außerordent-

sich unterschiedliche Möglichkeiten an, von

lich gut.

28

denen hier die drei zentralen dargestellt seien.

Um jedoch in der Zusammenarbeit mit LUn ei-

Screening-Fragebögen

nen guten Erfolg zu erzielen, müssen einige

Screening-Fragebögen 31 werden auf der Websi-

Hindernisse bewältigt werden. Die LU-Methode

te einer virtuellen Community verankert, um aus

sieht vier Phasen vor: In der ersten Phase wer-

der Menge von interessierten und engagierten

den die personellen Vorrausetzungen geschaf-

Community Mitgliedern echte LU herauszufil-

fen und Ziele festgelegt, um in der zweiten Pha-

tern. Dazu müssen die beiden oben genannten

se eine Trendprognose mit beobachtenden Me-

Charakteristika operationalisiert werden, wie es

thoden, wie sie aus der Netnography bekannt

bspw. Franke/ Shah in einer Studie in vier Sport-

sind, durchzuführen. Diese Trendprognose wie-

Communities taten; sie haben das erste Charak-

derum gibt die grobe Richtung für Phase drei

teristikum "Trendsetter" wie folgt operationali-

vor, in der die geeigneten LU unter den Com-

siert: "Von neuen Produkten und Lösungen er-

munity Mitgliedern identifiziert werden sollen.

fahre ich für gewöhnlich früher als Andere."‚

Phase drei ist wegen ihrer Schnittstellenfunktion

"Von der frühen Übernahme und Nutzung neuer

zwischen VC und Unternehmen im vorliegenden

Produkte habe ich stark profitiert."‚ "Ich habe

Beitrag von besonderem Interesse. Eine beson-

Prototypen neuer Produkte für Firmen getestet."‚

dere Schwierigkeit stellt die korrekte Identifikati-

"In meiner Sportart werde ich als Vorreiter an-

on von LUn in Konsumgütermärkten dar. Wäh-

gesehen." und schließlich "Im [Sportart ...] habe

rend Investitionsgütermärkte meist kleiner und

ich alte Techniken verbessert und neue entwi-

überschaubarer sind, oft sogar persönlicher

ckelt.". Das zweite Merkmal "Hoher Nutzen

Kontakt besteht und die Klienten dem Unter-

durch Innovation" übersetzten sie in "Ich habe

nehmen gut bekannt sind, ist die Auswahl ge-

neue Bedürfnisse, die von existierenden Pro-

eigneter Kunden keine besondere Hürde. In

dukten nicht befriedigt werden können." und "Ich

anonymen Massenmärkten hingegen, wie sie im

bin unzufrieden mit der existierenden Ausrüs-

Konsumgüterbereich üblich sind, ist die Identifi-

tung.". Zusätzlich dazu untersuchten Franke/

kation wesentlich schwieriger, da nur in den

Shah auch weitere Indikatoren für LU wie die in

seltensten Fällen direkter Kontakt besteht oder brauchbare Daten über den Kunden vorliegen;

der Community verbrachte Zeit oder die Rolle

29

des Users in der Community.

doch erscheint dieses Problem basierend auf Community- bzw. Herstellerforen

virtuellen Communities lösbar. Zur Identifikation von LUn sind Online Communities besonders

Community- bzw. Herstellerforen ermöglichen

geeignet, da sie eine schnelle und kostengüns-

den Usern einer Community, unter der Steue-

tige Möglichkeit der Interaktion zwischen User

rung eines Moderators in themenspezifischen Foren interaktiv miteinander zu kommunizieren (z. B. ip-phone-forum.de). Dies geschieht zu

27 28

29

unterschiedlichen Themen (Unternehmen, MarVgl. Springer et al. 2006, S. 13. Sogar bis zu acht mal höher als Produkte, die nicht mit der Lead User Methode entwickelt wurden. Siehe Lilien et al. 2002, S. 1055. Ernst/ Soll/ Spann 2006, S. 5; Herstatt/ Sander 2004, S. 104.

30

31

112

Jedoch die Gestaltung dieser Interaktion ist nicht unbedingt kostengünstig. Franke/ Shah 2003, Tabelle 3, S. 13; der folgende Abschnitt bezieht sich auf diese Literaturangabe.

ken oder Themen) und auf unterschiedliche Art

gements kann die LU-Methode dabei nicht er-

und Weise (Mailing-Listen, Chats, Diskussions-

setzen. 33

foren). LU werden hier über die Qualität der

Die LU-Methode ist kein Garant für einen rei-

Beiträge und ihre Rolle in der Community identi-

bungslosen und erfolgreichen Innovationspro-

fiziert und können zu zugangsbeschränkten

zess. Es besteht trotz reduziertem Floprisiko die

Online-Fokusgruppen eingeladen werden, die

Gefahr, dass das frühe Bedürfnis des LUs nie-

vom Unternehmen moderiert und strukturiert

mals auf dem Massenmarkt bestehen wird. Da-

werden.

her muss das Unternehmen bereits bei der LU-

Ideenwettbewerbe

Identifizierung möglichst ausschließen, dass das

Ideenwettbewerbe 32 (z. B. Visionenkessel.de)

geäußerte Bedürfnis des LUs auf einen Nischenmarkt abzielt. 34 Ein weiterer Grund für

sind aus zwei Gründen in den frühen Phasen

einen möglichen Misserfolg in der Produktent-

der PE attraktiv: Einerseits liefern sie zusätzli-

wicklung ist das Problem der "Sticky Informati-

che Ideen, die den Ideengenerierungsprozess

on". 35 Um diese Hürde zu nehmen, kommen

im Unternehmen unterstützen; andererseits liegt

auch in Konsumgütermärkten immer öfter soge-

die Vermutung nahe, dass Kunden mit beson-

nannte Toolkits zum Einsatz, die im nun folgen-

ders guten, innovativen Ideen LU-Potenzial be-

den Abschnitt thematisiert werden. 36

sitzen. Um das zu überprüfen, lässt das Unternehmen den Einsendern von besonderen Ideen

3.3 Toolkits for User Innovation und

zur weiteren Segmentierung einen Screening-

ausgelagerte Unternehmensaktivitäten

Fragebogen zukommen. Die Durchführung er-

Ein Toolkit 37 (TK) ist ein virtuelles Werkzeug, mit

folgt dann zumeist in der oben beschrieben

dem durch Kombination vorhandener Module

Form.

und Elemente ein hochindividuelles Produkt

Wenn das Unternehmen die LU identifiziert hat,

gestaltet werden kann (z. B. spreadshirt.de).

folgt in Phase vier die Entwicklung von Produkt-

Nachdem der Designvorgang im WWW abge-

konzepten. In einem zumeist zwei- bis dreitägi-

schlossen ist, wird per Mausklick der Produkti-

gen Workshop werden die LU mit den Mitarbei-

onsauftrag abgeschickt. Durch die Einbindung

tern zusammengebracht. In Teams von drei bis

eines Toolkits in eine VC können die User über

fünf Personen entwickeln sie die ersten vagen

innovative Designs diskutieren, sich gegenseitig

Ideen weiter, die im Identifikationsprozess ge-

Tipps geben oder Kritik üben .

sammelt wurden. Nach dem Workshop werden

38

Nach dem Industriegütermarkt erobert das TK

die Ideen, die nun in Skizzen, Modellen oder

jetzt auch den Konsumgütermarkt. Es ermög-

Konzeptbeschreibungen vorliegen, den Ent-

licht den Unternehmen die Bearbeitung von

scheidungsträgern präsentiert. Gegebenenfalls

"Markets-of-One". 39 Das Unternehmen muss

schließt sich dann der normale Entwicklungsund Bewertungsprozess an, den jede Innovati-

33 34

onsidee durchläuft. Die traditionellen Methoden

35

der Marktforschung und des Innovationsmana36

37

32

Ernst/ Soll/ Spann 2006, S. 10 f. Der folgende Abschnitt bezieht sich überwiegend auf diese Literaturangabe. Wurden andere Literaturquellen verwendet, so ist dies gekennzeichnet.

38

39

113

Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2003, S. 6ff. Vgl. Enkel/ Kausch/ Gassmann 2005, S. 209. Vgl. von Hippel 1995, S. 14 ff.; Sticky Information sind schwer transferierbare Informationseinheiten, eine genauere Thematisierung erfolgt in Abschnitt 3.3. Zur eingehenden Betrachtung der Lead User Analyse siehe Woll, S. 81ff. Vgl. Schreier 2004. Der folgende Abschnitt bezieht sich überwiegend auf diese Literaturangabe. Wurden andere Literaturquellen verwendet, so ist dies gekennzeichnet. Näheres zur Einbindung von Toolkits in VCs siehe Kapitel 4. Keenan et al. 2002.

also nicht alle denkbaren Produkte den Kun-

kann das Produkt nicht mehr zu einem akzep-

denbedürfnissen entsprechend entwickeln, son-

tablen Preis anbieten.

dern der Kunde entwickelt unter bestimmten

Die Bedienoberfläche mit allen Anwendungen

u. a. produktionstechnischen Restriktionen sein

(z. B.

eigenes Produkt. 40 Der Einsatz von TK zur Pro-

Bezeichnungen

intuitiv nachvollziehbar und benutzerfreundlich

als die Beteiligung von LU: War bei der Zusam-

sein, damit keine Missverständnisse aufkommen

menarbeit mit LU das Unternehmen noch aktiv eigentlichen

und

(Darstellung aller Elemente und Module) muss

duktentwicklung geht noch einen Schritt weiter

am

"drag-and-drop")

und keine Einstiegsbarrieren vorherrschen, wie

Produktentstehungsprozess

etwa eine Fachsprache oder eine komplizierte

beteiligt, stellt es dem User jetzt 'nur noch' eine

Anwendung, die weniger involvierte Kunden

Sammlung von kombinierbaren Elementen be-

abschreckt.

reit und überlässt diesem das eigentliche DeDem User sollten modulare Designvorlagen zur

sign. Auf diese Art und Weise umgeht das Un-

Verfügung stehen, damit nicht jeder Kunde bei

ternehmen den fehleranfälligen Versuch, Kundenbedürfnisse im Detail zu verstehen.

41

null anfangen muss. Denkbar wäre eine Stan-

An

dardproduktpalette wie etwa verschiedene Arten

dieser Schnittstelle findet also eine indirekte,

von T-Shirts, auf denen sich der User mit kreati-

standardisierte Kommunikation über das Toolkit

ven Elementen 'austoben' kann.

statt: 'Der User erklärt nicht was er will, er baut es sich aus vorgegebenen Modulen gleich

Die Übersetzung der Designvorlage des Users

selbst.' Mit dem TK wird der Kunde aktiv, er

muss in der Produktion realisierbar sein. Das

wechselt sozusagen die Fronten: Von der passiv

bedeutet, dass die komplette Sammlung aller

konsumierenden Unbekannten 'Kunde' wird er –

nützlichen Module und Optionen vorher gründ-

mit einer Reihe von Werkzeugen ausgestattet –

lich geprüft und auftretende Fehler behoben

selbst zum Innovator. Damit aus dem Einsatz

werden müssen, damit der Kunde genau das

von TK eine "Win-Win-Situation"

42

entsteht,

sollte es fünf zentrale Anforderungen erfüllen:

Produkt erhält, das er sich zusammengestellt

43

hat.

Durch das Konzept "trial-and-error" bzw. "lear-

Der Einsatz von TK ist dann besonders sinnvoll,

ning-by-doing" soll der Kunde sein Design fin-

wenn in einem Segment sehr unterschiedliche

den, indem er während des Designprozesses

Bedürfnisse existieren, wenn die Weitergabe

über die Anzeige eines virtuellen Prototyps

produktionsrelevanter Informationen unbedenk-

Feedback erhält und so seinen Fortschritt ver-

lich ist und wenn bedürfnisbezogene Informatio-

folgen und jederzeit korrigieren kann.

nen, die sog. "Sticky Information" 44 schwer zu erheben sind. 45 Die 'Stickyness' einer bestimm-

Dabei ist die Größe des Gestaltungsspielraumes

ten Informationseinheit wächst mit den Kosten

sehr wichtig: Kann der Kunde zu wenig selbst

bzw. dem Aufwand, den es für den Forscher

gestalten, findet er vielleicht nicht, was er sucht;

bedeutet, diese Informationseinheit zu transfe-

muss/ darf er zu viel gestalten, überfordert ihn

rieren. 46 Da TKs die Kommunikation zur Suche

das möglicherweise oder das Unternehmen

nach dem Kundenbedürfnis überbrücken oder gar ersetzen, sind sie eine geeignete Methode, 40 41 42 43

Vgl. von Hippel/ Thomke 2002, S. 74. Vgl. von Hippel/ Thomke 2002, S. 76. Vgl. von Hippel/Thomke 2002, S. 77. Vgl. von Hippel 2001, S. 14. Die fünf folgenden Absätze beziehen sich auf diese Literaturquelle.

44 45 46

114

Vgl. von Hippel 1995, S. 14 ff.; Schreier 2004, S. 204. Vgl. von Hippel 1995, S. 14 ff.

tion besitzen, sondern auch dasselbe darunter

das Problem der Sticky Information zu umgehen.

47

verstehen. Der Transfer funktioniert bei Virtuellen Communities meist über das Medium Text,

Im Gegensatz zur Lead-User-Methode kann der

das weder Mimik, noch Gestik, noch den Tonfall

User mit einem TK nur schwerlich radikale Inno-

beinhaltet und so die korrekte Interpretation

vationen hervorbringen, da trotz aller Freiheit ja

einer Botschaft, wie sie beim Netnography-

letztendlich nur Elemente aus einer vorgegebe-

Ansatz üblich ist, erschwert. Auch Webmaster

nen d. h. vom Hersteller auch konkret umzuset-

sind sich dieser Schwierigkeit durchaus be-

zenden Menge zum Einsatz kommen können.

wusst, wie ein Auszug aus der NetNews-

Außerdem kann auf diese Art niemals ein tech-

Netiquette zeigt:

nisch so ausgereiftes Produkt entstehen, wie es von erfahrenen Ingenieuren entwickelt werden

„[...] Erst lesen, dann denken, dann noch mal

kann. Ingenieure werden also weiterhin hoch-

lesen, dann noch mal denken und dann erst

wertige Produkte entwickeln, die hohen techni-

posten! Die Gefahr von Missverständnissen ist

schen Anforderungen genügen aber vorgelagert

bei einem geschriebenen, computerisierten Me-

einen langen Entwicklungsprozess durchlaufen.

dium besonders hoch. Vergewissern Sie sich

Daneben existieren dann Toolkit-Produkte, die

mehrmals, dass der Autor des Artikels, auf den

genau den Kundenanforderungen entsprechen

Sie antworten wollen, auch das gemeint hat,

und in kurzer Zeit verfügbar sind.

4

48

was Sie denken. Insbesondere sollten Sie darauf achten, ob nicht vielleicht Sarkasmus oder

Schnittstellenprobleme zwischen

eine ähnliche Abart des Humors :-) benutzt wur-

Community und Hersteller

de, ohne ihn mit dem Smiley-Symbol „:-)“ zu

An der Schnittstelle zwischen Hersteller und

kennzeichnen. [...]“

User können neben den oben beschriebenen

49

Das Bewusstsein um die Tücken, welche die

methodischen Problemen auch kommunikative

Interpretation von Texten in VCs mit sich bringt

Probleme auftreten, die sich erst beim konkreten

und eine aufmerksame und sensible Auswer-

Austausch zwischen beiden Seiten zeigen. Das

tung sind für den "Netnographen" unerlässlich,

können bei der Netnography z. B. mangelnde

um die Botschaft des Users wirklich zu verste-

Informationen sein, die die Lesart bspw. eines

hen.

Postings erschweren, Unsicherheiten im Umgang mit Außenstehenden und deren Ideen wie

Eine andere Art der Kommunikation liegt beim

bei der Lead-User-Methode oder begrenzter

Einsatz von TK vor: 50 Anstatt explizite oder im-

Lösungsraum beim Design eines individuellen

plizite Kundenbedürfnisse exakt zu analysieren,

Produkts bei einem Toolkit.

wird dem Kunden eine Reihe von frei kombinierbaren Elementen zur Gestaltung eines indi-

Die Netnography kämpft mit einem zentralen

viduellen Produkts angeboten. Doch ist der User

Problem bei Schnittstellen, dem Überführen von

trotzdem nicht frei in seiner Wahl, denn er ist

spezifischen Informationen von einem System

zumeist an die vorgegebenen Möglichkeiten des

(Kunde) in ein anderes (Herstellerunternehmen),

TK gebunden. Neben dem Designvorgang, in

und zwar so, dass nach dem Informationstrans-

dem der Kunde nicht sagt was er will, sondern

fer beide Systeme nicht nur die gleiche Informa49 50 47 48

Vgl. von Hippel 2001, S. 16. Vgl. von Hippel/ Thomke 2002, S. 78. Zur eingehenderen Behandlung des Toolkits siehe Asel/ Steinmetz, S. 94ff.

115

Kaiser et al. 2000, S. 1. Vgl. Schreier 2004, S. 212 ff. Der folgende Abschnitt bezieht sich überwiegend auf diese Literaturangabe. Wurden andere Literaturquellen verwendet, so ist dies gekennzeichnet.

es bestmöglich anhand der vorhandenen Ele-

ckelt werden, dass auch die anderen User

menten zusammenstellt, ist keine weitere Ein-

davon profitieren. Damit wäre das TK

bindung des Users in die Weiterentwicklung

nicht mehr nur ein Mittel zum Zweck, um

bzw. Verbesserung des TK vorgesehen. Schrei-

dem LU seine innovativen Produkt-Ideen

er geht hier noch einen Schritt weiter indem er

samt "Sticky-Information" zu entlocken,

fragt, warum eigentlich LU nicht schon an der

dann wäre das TK selbst der Mittelpunkt

Entwicklung des TK beteiligt werden sollten.

der Innovationsanstrengung.

Diese Beteiligung würde zwei Komponenten

deen wurden von "spreadshirt.de" bereits

beinhalten:

in die Tat umgesetzt: User können ande-

51

Diese I-

ren Usern ihre selbst gestalteten Motive

I. Entwicklung des TK als virtuelles Werk-

zur Verfügung stellen, und damit eine

zeug

Provision pro verwendetem Motiv verdie-

Z. B. in LU-Workshops: Prototypen könn-

nen.

ten in ausgewählten Communities getestet und bei Bedarf gemeinsam verbessert

Die LU-Methode hat keine Probleme mit dem

werden. Als radikalste Variante könnte die

Fehldeuten von Textpassagen wie die Net-

Toolkit-Entwicklung als Ganzes an inno-

nography oder der Beschränkung auf inkremen-

vative, engagierte User ausgelagert wer-

telle Innovationen wie das TK, vorausgesetzt,

den, so könnten Communities laufend die

der oder die LU wurden bereits richtig identifi-

Eigenschaften den sich ändernden Anfor-

ziert. Trotzdem gibt es auch hier 'Mechanismen',

derungen anpassen. Der Hersteller wäre

die

dann 'nur noch' für die Machbarkeitsprü-

Schnittstelle blockieren: Selbst wenn mit Hilfe

fung bzw. die Umsetzung der Designs in

des LU gute Produktideen generiert werden,

die Produktion zuständig.

kann es zu Vorbehalten und sogar Widerstän-

das

reibungslose

Funktionieren

dieser

den aus den Reihen des Unternehmens kom-

II. Auswahl und Gestaltung der Design-

men. Wenn Mitarbeiter aus eingespielten Abtei-

Elemente

lungen dazu neigen, eigene Ideen und Techni-

Bisher werden die Design-Elemente vom

ken als überlegen anzusehen und dabei von

Hersteller bestimmt, wobei das wahre In-

vorne herein das Potenzial der Ideen unter-

novationspotential der User nur unzurei-

schätzen, die von außen beigesteuert werden,

chend genutzt wird. User könnten dem

spricht man vom "Not-Invented-Here"-Syndrom

Hersteller eigene Design-Elemente vor-

(NIH). Katz/ Allen sehen den Grund für das NIH-

schlagen, die nach einer Prüfung den an-

Syndrom in eingefahrenen Strukturen der Abtei-

deren Usern zur Verfügung gestellt wer-

lungen eines Unternehmens; Mobilität sei das

den könnten. So könnte neben der

geeignete Gegenmittel: ständige Bewegung in

Schnittstelle User – Hersteller eine weite-

der Besetzung aller Teams macht es möglich

re Schnittstelle User – User geschaffen

ausgetretene Pfade zu verlassen und vom fri-

werden. Wenn das TK auf diese Art radi-

schen Wind neuer Ideen zu profitieren.

kal weitergeführt würde, wären mit dem

52

TK auch radikale Innovationen möglich.

Je reibungsloser also in Zukunft die Kommuni-

Wenn mit der Zeit die ersten Benutzer an

kation an den Schnittstellen verläuft und je bes-

die Grenzen des TK stoßen, könnte dies

ser der Transfer von innovationsrelevanten In-

mit Hilfe von Lead-Usern so weiterentwi-

51 52

116

Vgl. Schreier 2004, S. 212 ff. Vgl. Katz/ Allen 1984, S. 14 f.

formationen aus der VC mit ihren Usern ins Unternehmen

Enkel, E./ Kausch, C./ Gassmann, O.: Managing

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Syndrom, früh zu erkennen und ihnen entge-

Möglichkeiten der Lead-User-Identifikation in

genzuwirken. Das kann bedeuten, dass sich die

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Mitarbeiter über Quellen von Missverständnis-

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sen bewusst werden müssen. Vor allem aber

fileadmin/pubs/LeadUser_Identifikation_

stellt sich die Frage, ob dass das Management

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Michael Bathen Virtuelle User- Communities als Mittel zur Unterstützung des Innovationsprozesses 1

Innovation als treibende Kraft der Wirtschaftswelt

2

Informationsgewinnung im Rahmen von Virtual Communities

3

Entwicklungen in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung

4

Ansätze zur unternehmensseitigen Steuerung von Community-Aktivitäten

1 Innovation als treibende Kraft der Wirtschaftswelt

Abb. 1: Bedeutung der Kundenorientierung in der Produktentwicklung

Innovationen sind der Motor der Wirtschaft und auf Grund von globalisiertem Wettbewerb, verkürzten Produktlebenszyklen und stetig wechselnden Konsumentenanforderungen nimmt ihre Bedeutung beständig zu. Das Internet bietet zwar einen vielseitigen Vertriebs- und Kommunikationsweg, doch reicht dies allein nicht aus, um hohe Flopraten bei Innovationen zu kompensieren.1 Aus diesem Grund ist es wichtig Innovationen so ausgereift an den Markt zu

Die Einbindung von Kunden in den Leistungser-

bringen, dass diese ohne große Nachbesserun-

stellungsprozess und vor allem die Integration

gen von den Kunden akzeptiert werden. Hierbei

von Virtual Communities ist besonders interes-

bietet vor allem die Einbindung von Kunden in

sant, da sie zum einen noch nicht vollständig

den Innovationsprozess ein hohes Potenzial

erforscht ist und darüber hinaus noch viele un-

Dieser Beitrag befasst sich damit, wie Kunden und im speziellen virtuelle User-Communities, oder auch Virtual Communities (VCs) genannt, unterstützend

in

den

unternehmensseitigen

Innovationsprozess eingebunden werden können und welche Vorteile hierüber zu erwarten sind. Unter Innovationsprozess wird dabei neben dem reinen „Erfinden“ neuer Leistungen bzw. Produkte auch die Erschließung neuer

erschlossene Entwicklungs- und Erfolgspotenziale bietet. An dieser Stelle sei bspw. das Betriebssystem Linux erwähnt, welches auf Open Source Basis durch eine User-Community entwickelt wird. Dieses Beispiel zeigt, zu welch innovativen Leistungen solche VCs fähig sind. Nun scheint es an der Zeit für Unternehmen, diese Fähigkeiten sinnvoll und vor allem regelmäßig und nicht nur in Einzelfällen zu nutzen.

Märkte und die Modifikation von Produkten

Der Mehrwert, den diese Virtual Communities

durch Kunden für Kunden verstanden. Die früh-

den Unternehmen stiften, wird im Zusammen-

zeitige Einbindung des Kunden hat sich dabei

hang mit dem typischen Ablauf des Innovations-

als ein wesentlicher Erfolgsfaktor herausgestellt,

prozesses herausgearbeitet. Dabei werden die

um Innovationen rechtzeitig, ausgereift und

einzelnen Bereiche auf das Integrationspotenzi-

2

marktgerecht einzuführen.

al von VCs überprüft und Unterschiede in der Eignung verschiedener Community-Typen herausgearbeitet. Der typische Innovationsprozess,

1 2

Vgl. Lüthje 2007, S. 41. Vgl. Lüthje 2007, S. 41.

119

1. Es

nach Weiber, Kollmann und Pohl, setzt sich

der

sich

um

ein

soziales

Gebilde.

aus den nachfolgenden vier Phasen zusammen. 1. Festlegung

handelt

2. Unter den Mitgliedern wird miteinander

strategischen

kommuniziert.

Suchrichtung (Stoßrichtung)

3. Diese Interaktion findet vorwiegend im

2. Ideenfindung (Produktidee)

Internet statt.

3. Forschung und Entwicklung (Invention)

Eine auf einen Aspekt fokussierte Betrachtung

4. Markterprobung (Markteinführung)3

ist für diesen Beitrag ungeeignet, da alle drei Die Festlegung der strategischen Stoßrichtung

Kernaspekte für den Einfluss auf den Innovati-

wird in diesem Beitrag nicht behandelt, da sie

onsprozess wesentlich sind. Aus diesem Grund

durch Virtual Communities nicht in dem Umfang

soll keiner dieser Aspekte im Rahmen dieses

beeinflusst wird wie die anderen Phasen des

Beitrages als Schwerpunkt herausgearbeitet

Innovationsprozesses. Eine Erweiterung des

werden, sondern die folgende Definition von

Modells scheint in diesem Zusammenhang

Virtual Communities als Grundlage dienen.

sinnvoll, so soll hier eine fünfte weitere Phase, Virtuelle Gemeinschaften sind Gruppen, die sich

die der Adoption, also der Marktentwicklung von

aus gemeinsamem Interesse, wie auch immer

Innovationen eine besondere Beachtung finden,

dieses aussehen mag, zusammenfinden und

da diese durch Virtual Communities in hohem

vorwiegend über das Internet miteinander kom-

Maßes stimuliert werden kann.

munizieren. 1.1 Charakteristika virtueller Communities 1.2 Typologisierung von Virtual Communities Virtuelle Gemeinschaften sind vielschichtig und Trotz dieser Gemeinsamkeiten unterscheiden

mindestens genauso unterschiedlich sind ihre

sich VCs untereinander doch erheblich. So ist

Definitionen. So gehen diese vom Fokus auf die

nicht nur das Interessensgebiet und das Kom-

soziale Komponente einer solchen Gemein-

munikationsverhalten der Mitglieder der ver-

schaft, „Virtual communities are social aggrega-

schiedenen Communities oft sehr unterschied-

tions that emerge from the Net when enough

lich, sondern auch die mit der Nutzung befriedig-

people carry on those public discussion long

ten Bedürfnisse variieren.

enough , with sufficient human feeling, to form webs of personal relationships in cyberspace.”4,

Als erstes Abgrenzungsmerkmal verschiedener

über den Betrachtungsansatz der Konsumab-

Community-Typen ist die Art der Entstehung zu

sicht, bis hin zum Fokus auf den Kommunikati-

betrachten. Hierbei kann in abhängige bzw.

onsfluss, wobei eine Virtual Community als ein

gelenkte und in unabhängige Communities un-

nicht radial strukturiertes, ego-zentriertes Netz-

terschieden werden, wobei hier unter abhängi-

werk im virtuellen Raum betrachtet wird, in dem

gen Gemeinschaften, VCs verstanden werden,

die Nutzer multidirektional und themenspezifisch

die von einem oder mehreren nicht konkurrie-

interagieren und so die Basis einer glaubwürdi-

renden Unternehmen organisiert werden, um sie

5

gen Kommunikation schaffen. Alle Definitionen

für Marketingzwecke einzusetzen. Dabei ist der

vereinen dabei jedoch drei Kernaspekte:

(oder die) Betreiber gleichzeitig auch Produzent oder Vermarkter des Community-Gegenstandes

3 4 5

Vgl. Weiber/ Kollmann/ Pohl 1999, S. 17. Rheingold 1993, S. XVI. Vgl. Weiber/ Meyer 2002, S. 348.

120

bzw. der zu vermarktenden Leistungen.6 Als

on common interests” zu verstehen sind.9 Bei

Beispiel für eine abhängige Community lässt

dieser Form steht der Aspekt des Lernens und

sich die eBay Community anführen. Dieser kön-

Entwickelns im Vordergrund. Das vorab ange-

nen nur eBay Mitglieder beitreten und sie wird

führte Beispiel der Linux- oder Open Source-

über die eBay-Plattform bereitgestellt. Besteht

Community stellt eine solche CoP dar. Diese

bei der unabhängigen Community nicht zwangs-

Communities bieten ein hohes Innovationspo-

läufig das Bestreben, bei Diskussionen ge-

tenzial und ihre Mitglieder zeichnen sich durch

schlossen von einer bestimmten Sache über-

starke, aktive Beteiligung innerhalb ihrer Com-

zeugt zu sein, es mag Ausnahmen, wie bspw.

munity aus.

bei Fan-Clubs geben, so ist bei einer abhängi-

Abb. 2: Fokus der Community-Typen

gen Community stets das Bedürfnis des Unternehmens, sein Image positiv zu beeinflussen oder wenigstens dies nicht zu beschädigen, gegeben.7 Auch ist der Zweck der Community, für die Typologisierung entscheidend. Hierbei sind drei Grundtypen von Communities für die folgenden Kapitel von besonderer Bedeutung. Zu beachten ist, dass die drei folgenden Community-Arten sowohl in Form von abhängigen sowie auch unabhängigen Communities auftreten können, was den generellen Charakter aber nicht beeinAls dritte Variante lassen sich grob die „kon-

flusst.

sumzweckbezogenen“

Als Communities of Interest (CoI) werden VCs

Communities

nennen.

Unter diese Kategorie sollen in diesem Fall

verstanden, deren Anliegen es ist, über Themen

mehrere Community-Typen eingeordnet wer-

zu diskutieren. „Communities of Interest" konsti-

den. Wird in der Literatur häufig weiter differen-

tuieren sich durch gemeinsame Interessen,

ziert, bspw. in Communities of Consumption,

Hobbies und Leidenschaften ihrer Mitglieder.“8

Communities of Transaction, etc. soll hier die

Sie stellen einen Großteil der Communities dar,

Verwendung der übergeordneten Kategorisie-

hierzu zählen bspw. Communities mit dem

rung genügen. Diese kann als Communities of

Schwerpunkt Kochen oder Sport. Es steht weni-

Purpose (CoPur) bezeichnet werden. Darunter

ger der Lern- oder Schöpfungsprozess im Vor-

fallen alle Communities, die das Ziel haben,

dergrund, sondern viel mehr der Gemein-

Verbraucher bezüglich Kaufentscheidungen zu

schaftsgedanke und die Möglichkeit, die eige-

unterstützen. Im Gegensatz zu CoI und CoP

nen Erlebnisse mit Gleichgesinnten zu teilen.

haben diese Communities den Charakter von

Eine weitere bedeutsame Form von Virtual

Zweckgemeinschaften, da weniger der soziale

Communities sind Communities of Practice

Kontakt oder das gemeinsame Lernen, sondern

(CoP). Wobei hierunter „groups whose members

eher die individuelle Informationsbefriedigung im

regularly engage in sharing and learning, based

Vordergrund steht. Insgesamt ist bei dieser Un6 7 8

Vgl. Weiber/ Meyer 2002, S. 351. Vgl. ebenda 2002, S. 350f. Kunz/ Mangold 2004, S. 74.

9

121

Vgl. Lesser/ Stork 2001, S. 831.

terteilung zu vermerken, dass, trotz der ver-

B2B Bereich der Fall ist. Dies liegt unter ande-

schiedenen

der

rem daran, dass diese Anpassung an die indivi-

einzelnen Community-Typen, Überschneidun-

duellen Wünsche mit höheren Kosten einher-

gen bestehen.

geht und sich der zusätzliche Aufwand auf ei-

Betrachtungsschwerpunkte

nem Massenmarkt mit vielen Einzelnachfragern

2 Informationsgewinnung im Rahmen

i. d. R. nicht rentiert. Eine Möglichkeit, diesem

von Virtual Communities

Problem zu begegnen, ist, einzelne Konsumen-

Im Folgenden werden drei Potenzialbereiche

ten stellvertretend für die Gesamtheit aller Kon-

von Virtual Communities aus Unternehmens-

sumenten an der Entwicklung neuer Produkte

sicht näher betrachtet. Wesentlich bei der Ein-

partizipieren zu lassen. Diese Konsumenten

bindung von Virtual Communities in den Unter-

können dann als Lead User bezeichnet werden,

nehmenskontext ist, dass nicht ein einseitiger

wenn sie folgende zwei Bedingungen erfüllen

Profit durch Ausbeutung der anderen Partei

(Woll, S 81ff.).

erzielt wird, sondern eine Art Win-Win-Situation

„1. Lead users face needs that will be general in

geschaffen wird, in der sowohl der wirtschaftli-

a market place - but face them months or years

che Erfolg des Unternehmens als auch die Be-

before the bulk of that marketplace encounters

dürfnisse der Community-Mitglieder berücksich-

them, and

tigt werden.10 Ziele für Unternehmen werden bei der Einbindung von VCs vor allem die Ideenge-

2. Lead users are positioned to benefit signifi-

nerierung für neue Lösungskonzepte, die Ge-

cantly by obtaining a solution to those needs.“12

winnung von Markt- und Nachfragerdaten sowie

Ein Beispiel für die Einbindung von Lead Usern

eine Verbesserung der Kundenansprache und

in den Produktentwicklungsprozess bei Kon-

Kundenbindung sein.11

sumgütern ist der Videospielehersteller Electro-

2.1 Gewinnung von Schlüsselinformationen

nic Arts. Bei diesem arbeiten die internen Ent-

mittels VCs

wicklungsabteilungen regelmäßig mit Konsumenten zusammen an neuen Spielen und Spiel-

Die Einbindung von Kunden in den Leistungser-

konzepten.13 Eine Einbindung von Lead-Usern

stellungsprozess erleichtert die spezifische An-

empfiehlt sich besonders, wenn es sich um Ziel-

passung des Produktes an die Kundenwünsche.

gruppen handelt, die sich von der Masse abhe-

Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der

ben. Bspw. wurde von Johnson & Johnson Me-

Kunde meist eine genauere Vorstellung als der

dical mit Hilfe von Chirurgen, OP-Schwestern

Hersteller davon hat, wie das Produkt im Endef-

und weiterem Krankenhauspersonal ein Projekt

fekt aussehen soll bzw. welche Eigenschaften

zur Entwicklung von chirurgischen Hygienepro-

es aufweisen soll. Im B2B Bereich ist diese

dukten gestartet. Auch in diesem Fall waren die

Form der Anpassung üblich, so werden bspw.

Anwender (Krankenhauspersonal) wesentlich

Industrie-Großanlagen nicht standardisiert, son-

für die Produktentwicklung, da sie auf Grund

dern auf Kundenwunsch gefertigt, wobei An-

ihrer Praxiserfahrung und ihrem Wissen über

sprüche und Wünsche Berücksichtigung finden.

ihre Bedürfnisse, J&J Medical Informationen zur

Auf Konsumgütermärkten gibt es diese Art der

Verfügung stellen und Entwicklungsvorschläge

Anpassung an die Kundenwünsche auch, sie ist aber nicht in dem Maße verbreitet, wie es im 10 11

12

Vgl. Panten 2005, S. 42. Vgl. Meyer 2004, S. 157.

13

122

von Hippel 1988, S. 117. Vgl. Garber 2007, S. 11.

machen konnten.14 Ist diese Vorgehensweise

Abb. 3: Überblick über Möglichkeiten zur Identi-

bei der Entwicklung von OP-Material verhält-

fikation von Lead Usern in Onlinemedien

nismäßig einfach, da die entsprechenden Zielgruppen mit Hilfe des Screening-Ansatzes auf Märkten mit überschaubarer Kundenzahl leicht zu lokalisieren sind, demgegenüber gibt es jedoch auch Märkte, auf denen dies erheblich

Für Projekte, bei denen Lead User eingesetzt

schwieriger ist.15 Gerade bei diesen weniger

werden sollen, sind Communities of Practice

zugänglichen Märkten bietet es sich an, auf

besonders geeignet, da die Mitglieder gar nicht

Virtual Communities zurückzugreifen. Diese

oder nur minimal stimuliert werden müssen, um

haben den Vorteil, das sonst schwierige Auffin-

kreativ Neuerungen voranzutreiben. Mitglieder

den von Lead Usern zu vereinfachen. In einer

einer CoP befassen sich schon aus Eigeninte-

VC finden sich Personen zusammen, die ähnli-

resse so intensiv mit ihren Themen, dass neue

che oder gleiche Interessen haben, da sie sich

und innovative Ideen sowie Lösungskonzepte

von den anderen Mitgliedern verstanden fühlen.

teilweise schon entwickelt wurden und lediglich

Dies führt dazu, dass der Kundenmarkt schon

von einem entsprechendem Unternehmen um-

themenspezifisch vorsegmentiert ist. Es müssen

gesetzt werden müssen.17 Um diese aktive und

nicht erst aufwendige Marktanalysen durchge-

äußerst wertvolle Beteiligung der Kunden auf

führt werden, um eine bestimmte Konsumen-

längere Zeit zu sichern, ist es sinnvoll, die „Kun-

tengruppe zu identifizieren, die für den Innovati-

den- Erfinder“ auch am Gewinn zu beteiligen.

onsprozess von Bedeutung sein könnte.

Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. So können Kunden für ihre Mitarbeit nachträg-

Die Identifikation der Lead User kann mit Hilfe

lich entlohnt werden, Erwähnung auf der Inter-

des Networking-Ansatzes erfolgen. Bei diesem

netseite des Unternehmens finden oder auch

werden zunächst einige wenige Kunden einbe-

die von ihnen geschaffenen Innovationen in

zogen und dabei gefragt, ob sie weitere Pro-

Form von Patenten an sie zurückgegeben wer-

duktanwender kennen, die neue Bedürfnisse

den.18 Diese Entlohnung ist auf jeden Fall emp-

haben oder bereits innovativ tätig geworden

fehlenswert für das Unternehmen, da es sich so

sind. Derartige Weiterempfehlungen führen übli-

besonders kreative Innovatoren sichern kann,

cherweise sehr schnell zu Personen mit den

deren Wert für das Unternehmen wesentlich

interessierenden Lead-User Merkmalen.16 Die-

höher ist als die damit verbundenen Kosten.

ser Vorgang wird durch die rege Kommunikation

Auch kann eine solche Entlohnung zu Motivati-

der Community-Mitglieder untereinander unter-

on und Anreiz für andere Konsumenten werden,

stützt. Auf diese Weise lassen sich Zeit- und

welche sich dann auch an der Produktentwick-

Kostenaufwand im Vergleich zu anderen Me-

lung beteiligen wollen.

thoden der Lead-User Identifikation reduzieren. Das Konzept des Networking-Ansatzes kann

2.2 Kundenbindung mittels Virtual Communi-

man in den Bereich der interaktiven Methoden

ties

ohne Leistungsanreize einordnen.

Neben dem Spezialwissen und den Lösungsvorschlägen innovativer Community-Mitglieder, welche die Grundlage für die Produktentwick-

14 15 16

Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2002, S. 60-68. Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2007, S. 67f. Vgl. ebenda, S. 67.

17 18

123

Vgl. Tomczak/ Schögel 2005, S. 1. Vgl. von Krogh 2006, S. 16-18.

lung bieten, sind Informationen über die poten-

Community und somit AFG anzusprechen. Dies

ziellen Verwender und ihre Bedürfnisse eben-

wäre ohne VCs auf Grund der Dislokalität der

falls von Bedeutung. Diese Informationen lassen

Affinitygroups nicht möglich. Diese Bündelung

sich auf verschiedenen Wegen erlangen, doch

der Nachfrager zieht eine Vereinfachung der

bieten gerade Affinitygroups (AFGs) und Brand

Organisationsabläufe

Communities (BCs) einen besonders guten Zu-

Marktforschungsdaten durch das Unternehmen

gang. Unter Affinitygroups werden dabei Grup-

leichter erhoben und Kunden gezielter ange-

pen von Personen mit ähnlichem Interessens-

sprochen werden.

gebiet (Affinität) verstanden. Diese Gruppen

mit

sich.

So

können

Ein weiterer, bedeutender Aspekt, den diese

müssen weder lokal zentriert sein, noch müssen

VCs unterstützen, ist die Erhöhung der Kunden-

ihre Mitglieder in Kontakt miteinander stehen.

bindung. Auf Grund themenspezifischer Struktu-

Dieser letzte Punkt unterscheidet sie wesentlich

rierung und der Bereitstellung von glaubwürdi-

von VCs. Brand Communities können als Spe-

gen, da von allen Mitgliedern einseh- und kom-

zialfall von AFGs verstanden werden, hier liegt

mentierbaren Informationsangeboten, sowie der

die Gemeinsamkeit in der Wertschätzung einer

Möglichkeit, schnell und unbürokratisch prakti-

bestimmten Marke. „Auch wenn sich Brand-

sche

Community-Mitglieder noch nie getroffen haben,

Hilfestellungen

zu

erlangen,

werden

Wechselbarrieren gegenüber konkurrierenden

glauben sie einander zu kennen, und betonen

Anbietern aufgebaut.20 Ziel des Affinitygroup-

damit den „Link Value“. Dieses geteilte Be-

und Brandmarketing ist es weniger, Produktin-

wusstsein ist auch dafür verantwortlich, dass

novationen mit Hilfe von Konsumenten zu ent-

sich, aus der Perspektive der Mitglieder einer

wickeln. Vielmehr steht die Ermittlung von Kun-

Brand Community betrachtet, Nutzer einer Mar-

denbedürfnissen und die Kundenakquisition-

ke klar von Nutzern einer anderen Marke unter-

und Bindung im Vordergrund. Dass solche

scheiden.“19

Communities ein enormes Potenzial bieten und

Von zentraler Bedeutung, sowohl bei Affini-

sich das Betreiben einer solchen Community für

tygroups als auch bei Brand Communities, ist,

ein Unternehmen lohnen kann, zeigt ein Expe-

dass ihre Mitglieder häufig VCs beitreten oder

riment von Algesheimer und Dolakia, bei dem

gründen, die ihren Interessen entsprechen. So-

eBay-Mitglieder durch kleine Anreize dazu be-

mit spiegelt sich eine AFG oder BC häufig in

wogen wurden, der eBay-Community beizutre-

einer VC wieder. Diese VCs können nach der in

ten. Diese, der Community beigetretenen Mit-

Abschnitt 1.2 vorgenommenen Typologisierung,

glieder, zeigten gegenüber der Kontrollgruppe,

den CoI zugeordnet werden. Dass sich AFGs

die aus eBay-Mitgliedern bestand, die nicht der

und BCs in entsprechenden Communities abbil-

Community beigetreten waren, eine deutlich

den hat zur Folge, dass Unternehmen ihre In-

höhere Beteiligung an Auktionen, sowohl beim

formationen nicht mehr mit Hilfe der AFGs oder

Kauf wie auch Verkauf, als auch eine höhere

BCs sammeln müssen, sondern diese über die

Preisbereitschaft für die erstandenen Produk-

entsprechenden CoI erhalten können. Dies bie-

te.21 In dem Zusammenhang sei auch noch der

tet den Vorteil, dass sowohl Informationen viel

soziale Nutzen erwähnt, der besonders inner-

kompakter vorhanden sind, als auch die Mög-

halb einer solchen Community zu einer stärke-

lichkeit, einzelne Mitglieder oder die gesamte

ren Kundenbindung führt. Dieser Nutzen besteht 20

19

21

Herrmann/ Algesheimer/ Heitmann 2005, S. 7.

124

Vgl. Meyer 2004, S. 159ff. Vgl. Algesheimer/ Dholakia 2006, S. 16.

darin, dass der Konsum oder Besitz von ver-

2.3 Erfahrungsberichte der Adoptoren als

schiedenen Gütern die Zugehörigkeit zu ande-

Basis der Kundenpflege

ren Gruppen ausdrücken kann. „Viele Kaufent-

In diesem Abschnitt soll die Bedeutung von Vir-

scheidungen sind daher bewusst oder unbe-

tual Communities im Zusammenhang mit der

wusst davon geprägt, die eigene Position inner-

Pflege von Kundenbeziehungen betrachtet wer-

halb des sozialen Kontinuums zu signalisie-

den. Das Customer Relationship Management

ren.“22 Gelingt es einem Unternehmen, einen

(CRM) hat zum Ziel, Kunden langfristig zu bin-

solchen Nutzen zu generieren, so führt dies zu

den. Im Gegensatz zur Akquisition sind die Kos-

einer besseren Kundenbindung. Auch dies lässt

ten der Beziehungspflege vergleichsweise ge-

sich am Beispiel eBay verdeutlichen. Durch den

ring.25 Hinzu kommt, dass eine Erhöhung der

Aufbau des Reputationssystems ist es eBay

Kundenzufriedenheit auch zu einer erhöhten

gelungen, diesen sozialen Nutzen herbeizufüh-

Kundenloyalität, sowie teilweise auch zu einer

ren. So signalisiert eine hohe Anzahl an Trans-

höheren Preisbereitschaft der Kunden führt.26

aktionen den Status unter den eBay-Mitgliedern.

Der Nutzen eines gut funktionierenden CRM für

eBay ist somit ein gutes Beispiel, wie es gelin-

ein Unternehmen ist somit hoch und die Einbin-

gen kann, durch die Einbindung von sozialem

dung von VCs zur Unterstützung vergleichswei-

Nutzen wirtschaftlich zu profitieren. Zusätzlich

se einfach. Darum ist es für ein Unternehmen

dazu weisen Communities „eine hohe Kommu-

sinnvoll, die durch VCs zu erwartenden Vorteile

nikationsintensität auf und versuchen oftmals

zur Verbesserung des CRM zu nutzen. Zu die-

neue Kunden für die Gemeinschaft zu begeis-

sem Zweck bieten sich die Communities of Pur-

tern. [...] Diese Art der Peer-Propaganda kann

pose in besonderer Weise an. Da ihr Sinn für

sehr effektiv sein.“23 Dieser Punkt ist allerdings

die Mitglieder darin liegt, produktbezogene In-

auch kritisch zu betrachten, so wirkt sich Mund-

formationen in Form von Erfahrungsberichten

propaganda oder auch Word-of-Mouth (WoM),

oder Bewertungen zu erlangen, sind diese In-

bei abhängigen, also von Unternehmen geleite-

formationen i. d. R. stark gebündelt und inhalt-

ten Communities, meist positiv aus, bei unab-

lich auf das Wesentliche komprimiert. Dies bie-

hängigen Communities kann es aber auch in die

tet Unternehmen einen entscheidenden Vorteil:

Gegenrichtung umschlagen und sich im Extrem-

Ist es häufig so, dass Kunden eher abwandern

fall eine Front verärgerter Community-Mitglieder 24

gegen das Unternehmen bilden.

als sich zu beschweren,27 so bieten CoPur

Generell aber

durch die Vielzahl an Berichten und Bewertun-

ist festzuhalten, dass das Betreiben von Brand

gen, den Unternehmen die Möglichkeit, sich

Communities für Unternehmen viele Vorteile

über negative Bewertungen, welche als indirekte

bietet. Es ist nicht nur leichter neue Produkte in

Beschwerden verstanden werden können, zu

den Markt einzuführen, sondern auch Kunden-

informieren. Dadurch ist es dem Unternehmen

wünsche zu ermitteln und Kunden direkt anzu-

möglich, besser die vom Kunden wahrgenom-

sprechen. Dies führt dazu, dass eine Nähe oder

menen Mängeln aufzudecken und im Idealfall zu

Verbindung zum Kunden geschaffen wird, die

beheben um das Ziel der Herstellung bzw. Wie-

sich positiv auf die Loyalität und z. B. das Wie-

derherstellung der Kundenzufriedenheit zu er-

derkaufverhalten auswirken sollte.

22

25

23

26

Herrmann/ Algesheimer/ Heitmann 2005, S. 9. Schögel/ Tomczak/ Wentzel 2005, S. 3. 24 Vgl. McWilliam 2001, S. 72.

27

125

Vgl. Kotler/ Keller/ Bliemel 2007, S. 60. Vgl. Homburg/ Krohmer 2003, S. 105ff. Vgl. Homburg/ Krohmer 2003, S. 105.

reichen.28 Ein weiterer positiver Effekt in allen

len und mitunter deren Loyalität sicheren. Be-

drei genannten Kategorien von VCs, aber spe-

günstigt wird dies auch durch die Weiterentwick-

ziell in den Communities of Purpose, ist das

lung

Word-of-Mouth. Ist in der Offline-Welt die Be-

Speziellen kann hier die Verbreitung des UMTS-

deutung von Mundpropaganda nicht zu unter-

Standards genannt werden, der es ermöglicht,

schätzen, so besteht die besondere Bedeutung

das Internet in vollem Umfang mittels eines Mo-

im Internet darin, dass die in einer Community

biltelefons zu nutzen und somit den Mitgliedern

abgegebenen Meinungen zu einem Thema oder

einer Community erlaubt, sich unabhängig von

zu einem Produkt für jeden einsehbar sind und

ihrem geografischen Standort zu integrieren. Im

bis zur expliziten Entfernung mitunter sehr lange

Gegenzug bietet diese Entwicklung Unterneh-

Zeit bestehen bleiben. Wird bspw. ein Produkt

men eine Vielzahl an Möglichkeiten, so können

bewertet, so ist für jeden erkennbar, was die

diese Kunden ortsunabhängig erreichen, lokali-

anderen Mitglieder über dieses Produkt ge-

sieren und individualisierte Marketingmaßnah-

schrieben haben, dies kann einen positiven

men im Sinne des One-to-One-Marketings

Effekt für das entsprechende Unternehmen ha-

durchführen.30 Heutige Communities können

ben, bei Kritik allerdings auch einen sehr negati-

somit als Grundstein für die zukünftige Entwick-

ven. Aus diesem Grund gilt es für ein Unter-

lung des Unternehmen-Kunden-Verhältnisses

nehmen möglichst schnell und angemessen auf

erachtet werden. Dadurch, dass Kunden sich

solche Kritik zu reagieren. In jedem Fall ist die

immer mehr an den Kontakt mit Unternehmen

Auswirkung langanhaltender als entsprechende

gewöhnen, eröffnet dies für die Zukunft neue

Aussagen in der Offline-Welt, da in diesen Aus-

Möglichkeiten. Auch lässt sich die Bedeutung

sagen zu Produkten, solange sie nicht in Zeit-

von Virtual Communities anhand der Beteiligung

schriften festgehalten werden, nach dem Aus-

Microsofts an der Internetplattform Facebook

sprechen für alle anderen, als für den speziellen

erkennen. Microsoft investierte 240 Millionen US

29

der

Kommunikationsmöglichkeiten.

Im

Dollar für einen Anteil von 1,6%. Microsoft ver-

Adressaten, nicht mehr verfügbar sind.

spricht sich zukünftig effektiv Werbung innerhalb

3 Entwicklungen in der Anbieter- Nach-

der Facebook-Community schalten zu können.31

frager-Beziehung

Dies soll Microsoft, aber auch anderen Firmen

Virtual Communities sind, wie in den vorherigen

wie Coca-Cola Informationen über die Interes-

Abschnitten gezeigt, heute ein wichtiger „Er-

sen einzelner Mitglieder sichern und darüber

folgsfaktor“ für moderne Unternehmen, sowohl

hinaus die Effekte des Viral-Marketings ausnut-

in der Produktentwicklung, wie auch bezogen

zen. So ist eine Variante, Community-Mitglieder

auf die Kundenbindung. Auch in Zukunft werden

über Produkte zu informieren und gleichzeitig

diese Faktoren weiterhin bestehen bleiben bzw.

die positive Wirkung des WoM auszunutzen.32

sich erweitern. Durch das gezielte Einsetzen

Mit Hilfe von Nachrichtensystemen können

von VCs besteht für Unternehmen die Möglich-

Freunde bzw. andere Community-Mitglieder

keit, sich von der Konkurrenz abzuheben, indem

darüber informiert werden, welche Produkte sich

es die durch die Community generierte Informa-

ein anderes Mitglied angesehen hat. Dies hat

tionspotenziale nutzt und mit Hilfe dieser Leis-

den Effekt, dass die Mitteilung den Charakter

tungen bereitstellt, die Kundenbedürfnisse erfül-

einer Empfehlung erhält und somit eine weitaus 30

28

31

Vgl. Günter 2006, S. 374. 29 Vgl. Weiber/ Meyer 2005, S. 42ff.

32

126

Vgl. Buse 2002, 92ff. Vgl. o.V. 2007, S. 1. Vgl. Weiber/ Meyer 2005, S. 42f.

höhere Stellung in der Wahrnehmung des Ande-

Um die Community-Mitglieder extrinsisch zu

ren erfährt als direkte Informationen des Anbie-

motivieren, gilt es, geeignete Anreize zu schaf-

ters, welcher die Werbung geschaltet hat.

4

Ansätze

zur

33

fen. Als Anreize können sowohl materielle, wie auch immateriell Faktoren verwendet werden.

unternehmensseitigen

Als materielle Faktoren wären das Entlohnen

Steuerung von Community-Aktivitäten

von Usern mit guten Ideen oder die Beteiligung

Die meisten Kundenaktivitäten, die später zum

an Erfindungen zu nennen. Immaterielle Fakto-

Nutzen des Unternehmens führen, finden auf

ren wären bspw. das Bereitstellen der Commu-

Seiten der Community statt (vgl. Abb. 4). Aus

nity-Plattform, Zusatzfunktionen auf dieser, Er-

diesem Grund gilt es, diese Aktivitäten auf ge-

wähnung auf der Homepage der an einem Pro-

eignete Weise zu unterstützen und zu fördern.

jekt beteiligten User, die Rückgabe von Paten-

Zwar können Communities auch ohne Einwirken

ten an die User-Community aber auch Tool-

von Unternehmensseite, wie bereits in Abschnitt

kits.34 „Toolkits for user innovation are coordi-

2.1 im Zusammenhang mit CoP beschrieben, für

nated sets of “user-friendly” design tools that

dieses von Nutzen sein, doch ist das Unterneh-

enable users to develop new product innova-

men dann auf die intrinsische Motivation der

tions for themselves.”35 Diese Anreizsysteme

Community-Mitglieder

mit

sollen weniger der dauerhaften extrinsischen

einem Thema zu befassen und mit dem Unter-

Motivation dienen. Vielmehr sollen sie die

nehmen zu kooperieren. Hinzukommt ergän-

Community-Mitglieder stimulieren, sich mit ei-

zend, dass, auch wenn diese gerade genannten

nem Thema zu beschäftigen, sodass sich eine

Punkte erfüllt sind, noch nicht gesichert ist, dass

intrinsische Motivation bildet.36 Als weiterer we-

es sich um ein, für das Unternehmen, attraktives

sentlicher Punkt für die effektive Nutzung von

Themengebiet handelt. Damit sich die Aktivitä-

VCs sollte eine hohe Interaktivität der Mitglieder

ten der Community-Mitglieder auf ein für das

vorhanden sein. Diese erleichtert die Identifika-

Unternehmen

lukratives

tion von Lead-Usern mit Hilfe des Networking-

Thema beziehen, gilt es, die Community in ge-

Ansatzes.37 Allerdings ergibt sich die Interaktivi-

eigneter Weise zu steuern und ihr Interesse für

tät der Mitglieder durch das Interesse, das sie

diese Themen zu wecken.

dem entsprechenden Thema beimessen bzw.

Abb. 4: Nutzen virtueller Communities für Unter-

indirekt von den gesetzten Anreizfaktoren. Diese

nehmen

Interaktivität und das eigene Interesse sollten

angewiesen,

interessantes

oder

sich

Startpunkt Anreizsystem

reziprokes Verhalten

intrinsische Motivation

Positive Einstellung Kooperation Interaktivität

Markentreue

Innovation

User-Nutzen

33

lassen sich Interaktivität, also der soziale Kontakt zu anderen Mitgliedern und Innovationen, also der kreative Lern- und Schaffensprozess,

Nutzen Unternehmen

Interesse

Information

einer Community darstellen. Zusammenfassend

als den entscheidenden Nutzen für die CommuCommunity-Aktivitäten

extrinsische Motivation

Unternehmens-Aktivitäten

wesentliche Faktoren für den Innovationsgrad

34

Vgl. von Krogh 2006, S. 16-18. von Hippel/ Katz 2002, S. 821. 36 Optimalerweise werden die Community-Mitglieder bei der Beschäftigung mit einem Thema gefordert, jedoch nicht überfordert. Dieses Niveau an Forderung kann zu einem Flow führen. Hierbei handelt es sich um einen sehr produktiven zustand. Dieses Phänomen wurde z. B. bei Sportlern beobachtet. Siehe Csikszentmihalyi 1975. 37 Vgl. Herstatt/ Lüthje/ Lettl 2007, S. 67. 35

reziprokes Verhalten

Vgl. Schmidt 2007, S. 21.

127

nity und ihre Mitglieder herausstellen. Auch der

Garber, T. (2007): Unsere Spiele bilden Mei-

sich aus der Interaktivität ergebende Informati-

nungen, in: Absatzwirtschaft 2007, S. 10-15.

onsaustausch ist ein für die User wichtiger Nut-

Günter, B. (2006): Beschwerdemanagement als

zenaspekt. Dadurch, dass die User der Com-

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munity, einen Nutzen aus der Teilnahme an

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einer Community erzielen, werden sie sich ge-

Konzepte – Methoden– Erfahrungen, 6.

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mit einer positiven Grundeinstellung begegnen. Herrmann, A./ Algesheimer, R./ Heitmann, M.

Hinzu kommt, dass speziell CoP allein aus Ei-

(2005): Brand Community Management –

geninteresse an das Unternehmen herantreten

Ansatz für eine netzwerkorientierte

werden um ihre Innovationen umsetzen zu las-

Perspektive im Marketing, in: Thexis,

sen, wenn sie sie nicht selbst realisieren kön-

3(2005), S. 6-10.

nen. Werden diese dann umgesetzt, so sollte sich dann hier eine positive Grundeinstellung

Herstatt, C./ Lüthje, C./ Lettl, C. (2002): Wie

etablieren. Voraussetzung jedoch ist, dass auch

fortschrittlich Kunden zu Innovationen

das Unternehmen sich reziprok verhält und die

stimulieren, in: Harvard Business Manager,

Mitglieder der Community nicht übervorteilt oder

1(2002), S. 60-68.

gar ausbeutet. Dann sollte sich eine für beide

Herstatt, C./ Lüthje, C./ Lettl, C. (2007):

Seiten fruchtbare Beziehung in Form einer Win-

Fortschrittliche Kunden zu Breakthrough-

Win-Situation einstellen.

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(2002), 7, S.

821-833. 129

Johanna Katharina Leite Ferreira Vorteilspotenziale virtueller User Communities aus Nachfragersicht 1

Der aktiv-moderne Kunde als Voraussetzung für Virtual Communities

2

Virtual Communities – Neue Möglichkeiten für den Kunden

3

Die Betrachtung des Kaufprozesses unter Berücksichtigung der Beurteilbarkeit des Leistungsangebotes

4

Der Einsatz von Virtual Communities im Kundenprozess

5

Nutzenstiftung für Mitglieder von Virtual Communities

6

Ausblick auf Potenziale und Chancen von Virtual Communities

1

Der aktiv-moderne Kunde als Vor-

vielen Bereichen. Das zentrale Merkmal ist da-

aussetzung für Virtual Communities

bei stets die Selbstbedienung oder Selbsthilfe, wie z. B. bei der Selbstorganisation von Reisen

„Zu allen Zeiten haben Menschen die für ihr Leben erforderlichen Güter gezielt produziert und aktiv ge- oder verbraucht. Insoweit hat es so etwas wie Konsum, gerade auch unter Einsatz aktiver Leistung der Betroffenen, in der Menschheitsgeschichte

schon

immer

gege-

ben“. 1 Jedoch entwickelte sich der moderne Konsum und unsere Konsumgesellschaft mit den Jahren weiter. Der Kunde von heute ist anders. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung liegt

oder das internetbasierte Er- und Versteigern von Produkten und Dienstleistungen. Vor allem aber ist die Suche von Selbsthilfe in Diskussionsforen und die aktive Teilnahme an Gemeinschaften im Internet, die gemeinsame Interessen teilen, erwähnenswert. Dabei sind gerade moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere das Internet, sinnvolle Hilfsmittel zur Stärkung der Selbstständigkeit des Kunden.

3

die Individualität, sein persönlicher Lebensstil. Er will sich von der Masse abheben und ist be-

Eine zentrale Voraussetzung für fortgeschrittene

reit Prozesse, selbst zu gestalten, sich aktiv in

Formen der Selbstbedienung auf Seiten der

diese einzugliedern. So ist es nicht verwunder-

Nachfrager ist eine hinreichende Kompetenz

lich, dass der erwerbende und konsumierende

und ein entsprechendes Selbstbewusstsein.

Kunde immer öfter in die betriebliche Arbeit

Kunden, die dem Paradigma der "Modern Con-

integriert wird. Es entwickelt sich ein neuer Kon-

sumption" folgen handeln verantwortungsbe-

sumententypus, der arbeitende Kunde.

2

wusst und informieren sich im Vorfeld der Kaufentscheidung intensiv über Produkte und Leis-

Erste Anfänge eines aktiven Kunden finden sich bereits in den 1950er Jahren, wo betriebliche Leistungen auf den Kunden ausgelagert wurden (z. B. Selbstbedienung in Kaufhäusern oder Automatenverkauf). Diese Entwicklung setzte sich verstärkt fort, so sind Konsumenten heute auch als Co- Produzenten in die (End-) Fertigung von Produkten involviert. Es entwickelt

tungen, Hersteller und sogar Preisentwicklungen werden ins Kalkül gezogen. 4 Das primäre Ziel ist dabei, Unsicherheiten im Kaufprozess zu verringern und Informationsvorteile zu sichern, wobei hier sog. User-Communities im Internet in der jüngsten Zeit eine zentrale und zunehmende Rolle beizumessen ist. Diese Form der Kundenbündelung, bei der Konsumenten miteinander

sich eine neue Form des aktiven Konsums in 1 2

Voß/ Rieder 2005, S. 42. Vgl. Voß/ Rieder 2005, S. 45ff.

3 4

130

Vgl. ebenda, S. 14f. Vgl. ebenda, S. 32.

interagieren und sich gegenseitig bzgl. Kaufent-

Bezeichnungen ist der nachfolgenden Abbildung

scheidungen unterstützen, ist elementar und für

1 zu entnehmen.

den einzelnen Konsumenten ein großer Vorteil.

Wurden VCs Anfang der 90er Jahre eher als

Meist durch Interessenschwerpunkte geleitet

soziologische

können die Kunden gemeinsam auch als ein

Phänomene

des

Zusammen-

schlusses verschiedener Individuen verstan-

großer Nachfrager auftreten und viele Vorteile

den 7 , so gelangten sie in der zweiten Hälfte der

(z. B. günstigere Preise) gegenüber Herstellern

90er Jahre durch das Aufkommen der New E-

und Verkäufern erzielen.

conomy in den Fokus kommerzieller Betrach-

Das Ziel dieses Beitrags besteht darin aufzuzei-

tungen. 8

gen, welcher Nutzen Kunden aus derartigen

Netzwerkgedanke und die Auswirkungen ent-

Gemeinschaften erwachsen kann, wobei hier

sprechender Strukturen stärker thematisiert.

der Kunde als ein arbeitender Kunde verstanden

Dabei wird ein Netzwerk laut Diaz-Bone als ein

wird, der sich selbst in die Leistungserstellung

abgegrenztes Set von Einheiten verstanden,

der

einer

welche in Verbindung zueinander stehen. 9 Mit

schematischen Aufteilung des Kundenprozes-

Verbindungen ist dabei die Beziehung, die zwei

ses, der in die Phasen Vorkauf, Kauf und Nach-

Akteure (Einheiten) zueinander aufweisen und

kauf strukturiert ist, werden phasenbezogen

die Transaktionen, die sie tätigen, verstanden.

Vorteile der Interaktion von Kunden im Rahmen

Diese Transaktionen können dabei sehr vielfäl-

von Virtual Communities (VCs) aufgezeigt.

tig sein und den Austausch von Gütern, Wissen,

Unternehmen

einbringt.

Anhand

Heute

wird

der

dahinterstehende

Kommunikation etc. betreffen. Bei der Betrach-

2. Virtual Communities – Neue Möglich-

tung von Netzwerken im Zusammenhang mit

keiten für den Kunden

VCs ergeben sich neue Geschäftsmodelle, bei

Das Internet bietet Konsumenten heutzutage

denen im Idealfall allen Beteiligten ein Mehrnut-

viele Möglichkeiten, Meinungen und Erfahrun-

zen aus der Teilnahme erwächst.

gen mit anderen Konsumenten auf virtuellen Meinungsplattformen oder im Rahmen von VCs Abb. 1: Die Geschichte der Communities

auszutauschen. Eine einheitliche Definition dieser Communities lässt sich in der Literatur allerdings nicht finden. 5 Vielmehr existiert eine Vielfalt an Bezeichnungen, so werden Begriffe wie User-Communities, Online-Communities, virtuelle Gemeinschaft, Cyber-Communities verwendet. Die Verwendung der Definitionen ist primär abhängig vom Untersuchungsgegenstand und umfasst daher viele Dimensionen. Die oftmals unterschiedliche Verwendung machte aus der virtuellen Gemeinschaft ein inflationär gebrauch6

Eine Typologisierung von VCs kann anhand

Community-

verschiedener Kriterien vorgenommen werden.

tes Modewort, das nur schwer abzugrenzen ist. Die

Entwicklung

verschiedener

Formen und entsprechender Zielsetzungen bzw. 7 5 6

8

Vgl. Schoberth/ Schrott 2001, S. 519. Vgl. Leimeister/ Krcmar 2004, S. 47.

9

131

Vgl. Rheingold 1994. Siehe Hagel/ Armstrong 1997. Vgl. Diaz-Bone 1997, S. 39.

Abb. 2: Die drei Phasen des Kaufprozesses

Alle Formen von VCs befriedigen stets in gewisser Weise folgende menschliche Bedürfnisse, auch wenn, abhängig vom Typ, das ein oder andere Kriterium überwiegen kann: 10 ƒ Das Verfolgen eigener Interessen (Information) ƒ Den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen (Kommunikation)

Die Vorkaufphase beginnt mit der Identifikation

ƒ Den Besitz bzw. Erwerb von Gütern, Dienst-

bzw. der Konkretisierung eines Bedürfnisses

leistungen, Wissen (Transaktion)

durch den Konsumenten.

ƒ Das Ausleben der eigenen Phantasie (Unter-

Abgängig vom Be-

dürfnis beginnt nun die Suche nach Informatio-

haltung)

nen, wobei Alternativen in Erwägung gezogen

Für die nachfolgenden Ausführungen sei eine

und relevante Entscheidungskriterien identifiziert

VC verstanden, als ein Netzwerk von Men-

werden. Die Suche nach Informationen soll das

schen, die sich auf einer sozialen, virtuellen

wahrgenommene Kaufrisiko reduzieren und im

Plattform treffen und beginnen, miteinander zu

Idealfall in einer als akzeptabel beurteilten Ent-

kommunizieren und zu interagieren.

scheidungsgrundlage münden. In der Kaufpha-

3

se erfolgt die Abwicklung des Kaufes. Diese

Die Betrachtung des Kaufprozesses

wird im Folgenden eher als rechtliche Handlung

unter Berücksichtigung der Beurteil-

gesehen und daher nicht näher in die Betrach-

barkeit des Leistungsangebots

tung einbezogen. Die nachfolgende Nachkauf-

Bevor der Nutzen, der für den einzelnen Kon-

und Nutzungsphase ist entscheidend für den

sumenten aus der Teilnahme an einer VC er-

Verlauf der Kundenbeziehung. Diese Phase

wächst, betrachtet werden kann, ist es zweck-

beginnt mit der Nutzung des Produktes. Hier

mäßig, zunächst eine detaillierte Betrachtung

kann der Kunde zum ersten Mal die erworbene

des Kundenprozesses vorzunehmen.

Leistung beurteilen.

Das moderne Kaufverhalten stellt i. d. R. ein

In jeder Phase des Kaufprozesses empfindet

überlegtes Handeln dar, welches auf die Befrie-

der Kunde Unsicherheiten über die Konsequen-

digung eines Bedürfnisses abzielt und das Er-

zen seiner Handlungen. Dabei kann aus infor-

11

Der

mationsökonomischer Sicht in zwei grundlegen-

eigentlichen

de Unsicherheiten unterschieden werden. Zum

Kaufakt vorgelagert und durch dessen Ergebnis

einen die Umweltunsicherheit, die auch als

determiniert. Nach der durch den Kaufakt erfolg-

technologische Unsicherheit bezeichnet wird,

ten Übertragung der Leistung folgt die Phase

welche dann vorliegt, wenn die Informationsde-

des Konsums, bei dem die eigentliche Nut-

fizite der Austauschpartner sich in der exogenen

zungsentfaltung seitens des Konsumenten er-

Umwelt befinden. Dagegen besteht Markt- oder

folgt.

Verhaltensunsicherheit, wenn die Austausch-

gebnis eines Entscheidungsprozesses ist. Entscheidungsprozeß

ist

dem

partner innerhalb der Beziehung asymmetrisch über die relevanten Marktbedingungen, wie 10 11

Vgl. Beier 2001, S. 250. Vgl. Müller-Hagedorn 1998, S. 328.

132

Preis oder Qualität informiert sind. 12 Die bedeu-

cherheit zu beurteilen. Es empfiehlt sich, gemäß

tendste Unsicherheit innerhalb dieser Kategorie

der Dynamik der Beurteilung, die Kategorie der

ist die Verhaltensunsicherheit, welche aus der

Sucheigenschaften noch weiter zu unterteilen in

Tatsache resultiert, dass in der Realität Informa-

vor dem Kauf beurteilbare Eigenschaften auf der

tionen unvollkommen, nicht kostenlos und auch

einen und bereits sicher beurteilte Merkmale auf

13

Für den Kunden ist es

der anderen Seite. Den Merkmalen, die bereits

überaus schwierig, mit vertretbarem Aufwand an

sicher beurteilt werden können, kommt eine

neutrale und unabhängige Informationen zu

Sonderstellung zu. Eigenschaften, die der Nach-

gelangen, welche nicht mit opportunistischen

frager bereits mit einer als hoch empfundenen

Verhalten der Anbieter in Zusammenhang ge-

Verlässlichkeit beurteilt, nennt man Wissensei-

bracht werden. VCs bieten da ein großes Poten-

genschaften. Sie sind eine Teilmenge der Su-

tial, die Unsicherheit des Nachfragers zu senken

cheigenschaften 18

nicht gleichverteilt sind.

und damit das wahrgenommene Kaufrisiko zu

Erfahrungseigenschaften:

minimieren.

Die

Beurteilbarkeit

des Leistungsniveaus eines Transaktionsobjek-

„Die Beurteilung eines Leistungsangebotes und

tes ist aus Sicht des Kunden erst nach dem

die damit verbundene Verbesserung des Infor-

Kauf möglich, da der Kunde erst in der Nut-

mationsniveaus ist in entscheidendem Maße

zungsphase eine Beurteilung der Leistung vor-

von den Beurteilungsmöglichkeiten des Nach-

nehmen kann.

fragers bezüglich der einzelnen Leistungseigen-

Vertrauenseigenschaften: Die Beurteilung der

schaften abhängig.“ 14 Die Beurteilbarkeit eines

Leistungseigenschaften

Merkmals ist eine dynamische Größe, denn im

ist

dem

Nachfrager

weder vor, noch nach dem Kauf möglich. Um

Zuge von veränderten Erfahrungen kann die

eine Kaufentscheidung treffen zu können, muss

Wahrnehmung der Beurteilbarkeit jedes einzel-

der Kunde auf Informationssubstitute (z. B. Re-

nen sich verändern. 15 Das Ausmaß der Beur-

putation eines Anbieters) ausweichen, die als

teilbarkeit ist somit abhängig von der Natur des

Indikator für die Bereitstellung einer adäquaten

Merkmals, des Beurteilers und der jeweiligen

Leistung dienen.

Situation und damit stark subjektiv. EntscheiDie drei Eigenschaftskategorien gehen aus ei-

dend ist hierbei lediglich, ob ein Nachfrager

nem individuellen Beurteilungsvermögens jedes

meint, eine Eigenschaft beurteilen zu können.

Kunden hervor und werden bestimmt durch das

Unwichtig ist dabei, wie er sie beurteilt oder ob

individuelle

er objektiv überhaupt in der Lage ist, dies zu

Anspruchsniveau

Informationsstandes.

tun. 16 In Anlehnung an Weiber/Adler oder

19

bezüglich

des

Jedoch kann man davon

ausgehen, dass jeder Kaufakt immer alle drei

Schönborn ergeben sich drei Typen der Eigen-

Eigenschaftskategorien aufweist. So kann man

schaftsbeurteilung von Leistungsbündeln: 17

einen Kauf, der überwiegend SucheigenschafSucheigenschaften: Aus Sicht des Nachfragers

ten aufweist, auch als Suchkauf bezeichnen,

ist es möglich, bspw. durch Informationssuche

wobei auch hier zumeist auch Erfahrungs- und

die Leistungseigenschaft vor dem Kauf mit Si-

Vertrauenseigenschaften, wenn auch in untergeordnetem Maße, vorhanden sind.

12 13 14 15 16 17

Vgl. Hirshleifer/ Riley 1979, S. 1377. Vgl. Akerlof 1970, S. 489ff. Weiber 2006, S. 96. Vgl. Schönborn 2001, S. 85. Vgl. ebenda, S. 87. Vgl. Weiber/ Adler 1995a, S. 54; Schönborn 2001, S. 87.

18 19

133

Vgl. Schönborn 2001, S. 88f. Vgl. Weiber 2006, S. 102.

VCs bieten grundsätzlich Hilfestellungen zur

auch in der Nachkaufphase nützlich sein für den

Beurteilung von Leistungseigenschaften. Durch

Abbau von Unsicherheiten. In dem Fall können

eine Vielfalt an unabhängigen und leicht zu-

VCs Hilfestellungen bei der Nutzung und Hand-

gänglichen Information kann der prozentuale

habung des Produktes bieten. Betreibt ein Un-

Anteil an Sucheigenschaften der Leistung er-

ternehmen eine eigene VC, so ist davon auszu-

höht werden. Dadurch wird das wahrgenommen

gehen, dass besondere Angebote oder ein er-

Kaufrisiko aus Sicht des Käufers gemindert, da

weitertes Serviceangebot den Mitgliedern gebo-

er durch die Meinung und Erfahrungen Dritter

ten wird.

die Leistung vor dem Kauf subjektiv besser be-

4

urteilen kann. 20 Als Beispiel kann hier der Kauf von

Unterhaltungselektronik

dienen.

Der Einsatz von Virtual Communities im Kundenprozess

Dieser

weist in unseren heutigen Zeit einen großen

Auf der Grundlage der vorangegangenen Ab-

Bedarf an Sucheigenschaften auf. Internetsei-

schnitte soll nun der Einsatz von virtuellen Com-

ten, wie günstiger.de oder idealo.de helfen mit

munities im Kaufprozess betrachtet werden.

Erfahrungsberichten von Community-Mitgliedern

Dabei soll verdeutlicht werden, dass der Kunde

oder Preisübersichten der Anbieter bis hin zu

durch die Teilnahme an VCs viele Vorteile reali-

technischen Daten der Hersteller. Der Anteil an

sieren kann. Dabei wird die Vorkauf- und die

Erfahrungseigenschaften beim Kauf von Unter-

Nachkaufphase einzeln betrachtet, da es hier,

haltungselektronik kann somit reduziert werden.

wie bereits angedeutet, die meisten Potenziale

Denn bereits bei der Suche nach Informationen

gibt. Der Kaufakt selbst, also die rechtliche

zur Beurteilung des Leistungsangebotes wird

Handlung, wird nicht betrachtet. Während in der

man hier auf Erfahrungen anderer Community-

Vorkaufphase VCs überwiegend eine Hilfestel-

Mitglieder stoßen, die wiederum die Kaufent-

lung zur Reduktion des Kaufrisikos bieten, liegt

scheidung des Einzelnen beeinflussen können.

der Nutzen in der Nachkaufphase eher in der

Der Einzelne wird in seiner subjektiven Wahr-

Gestaltung der eigenen Individualität.

nehmung der Beurteilung der Leistung gestärkt

4.1 Betrachtung des Einsatzes von Virtual

und mag für sich persönlich den darauffolgen-

Communities in der Vorkaufphase

den Kauf als nur mit geringen Unsicherheiten Der Entscheidung für oder gegen den Kauf ei-

behaftet empfinden. Damit kann für einzelne

nes Produktes oder einer Dienstleistung geht

Personen ein Kauf mit ausgeprägten Erfah-

ein mehr oder weniger intensiv durchlaufener

rungseigenschaften zu einem Suchkauf werden.

Kaufentscheidungsprozess in der Vorkaufphase

Das Beispiel zeigt deutlich, dass die Wahrneh-

voran.

mung der einzelnen Eigenschaften nicht zementiert ist und somit sich bspw. Erfahrungseigen-

Jedoch muss man hier zwei unterschiedliche

schaften zu Sucheigenschaften wandeln kön-

Ausgangsituationen einzeln betrachten. Einmal

nen.

die Vorkaufphase, in welcher der Kunde von einem Unternehmen begleitet wird. Durch die

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Beur-

Institution der VC kann das Mitglied seine Be-

teilbarkeit einer Leistung bzw. verschiedener

dürfnisse direkt an das Unternehmen weiterlei-

Leistungsmerkmale vor dem Kauf wichtiger ist

ten. Der Kunde kann hier in die Produktentwick-

als diese nach dem Kauf, jedoch können VCs

lung involviert werden. Die Suche nach einem Produkt, das seine Bedürfnisse deckt, fällt somit 20

Vgl. Ludwig 2000, S. 32.

134

weg. Durch die Mitentwicklung steigt das Invol-

erst in der Markterprobungsphase ergeben. 22

vement und die Verbundenheit für das Produkt

Kunden haben keine unreifen Produkte mehr,

und das Unternehmen. Ein Produkt, welches der

denen sie misstrauen könnten.

Kunde selbst entwickelt hat, bindet diesen be-

Der klassische Kaufprozess beginnt gemäß der

reits in der Entwicklungsphase an das Unter-

Informationsökonomie mit der Informationssu-

nehmen. 21 Die klassischen Eigenschaften von

che, bei der die schlechter informierte Seite

Kaufunsicherheiten, die den Kunden zur Infor-

versucht, dieses Defizit vor der Transaktion zu

mationssuche normalerweise animieren, wie

vermindern. VCs bieten hier einen guten Aus-

Such-, Erfahrungs-, Vertrauenseigenschaften,

gangspunkt zur leistungsbezogenen Informati-

fallen hier weg. So gesehen sind Produkte, die

onssuche. Kaufentscheidungen von Leistungen

der Kunde mitentwickelt hat, Produkte mit Wis-

mit starken Sucheigenschaften können durch

senseigenschaften, also Produkte, über die der

VCs vereinfacht werden, da in einer VC die leis-

Kunde Bescheid weiß und die gebotene Leis-

tungsbezogenen Informationen meist themen-

tung einschätzen kann. Das Bewusstsein über

spezifisch gebündelt werden. So hat der einzel-

die Leistung erfolgt durch die Anteilnahme an

ne Kunde, neben Informationen der Hersteller,

Informationen, die über den üblichen Informati-

auch Testberichte und vor allem die Möglichkeit

onsstand eines klassischen Käufers hinaus ge-

der direkten Rückkopplung auf persönliche An-

hen. Der Kunde sieht sich mit höchster Wahr-

fragen in Diskussionsforen. Gerade bei Erfah-

scheinlichkeit nicht als benachteiligte Person im

rungskäufen ist diese Form des Erfahrungsaus-

Transaktionsprozess an, sondern fühlt sich

tausches wichtig, denn insbesondere hier ach-

gleichberechtigt, vielleicht dem Unternehmen

ten die Kunden in der Entscheidungsphase auf

sogar überlegen, da er das entsprechende Wis-

die Meinung Dritter, da sie selbst keine Möglich-

sen über die Leistung eingebracht hat. Der

keit zur Beurteilung der Kaufalternativen vor

langwierige und zeitintensive Prozess der Infor-

dem Kauf haben.

mationssuche und -Verarbeitung kann über-

23

Die Reputation, die durch

die Kommunikation innerhalb der VC entsteht,

sprungen werden. Dies führt zu Einsparung von

kann

Transaktionskosten, insbesondere von Zeit aber

als

substitut

auch von Geld, bspw. für den Kauf von Fach-

24

leistungsbezogenes

(z. B. Garantien oder Rückggabe-

recht) dienen. Der Anbieter versucht Unsicher-

zeitschriften, wie der Stiftung Warentest. Durch

heiten potenzieller Nachfrager durch das Aus-

die Teilnahme an einer VC fallen Kontaktbarrie-

senden von Signalen zu reduzieren. Die Garan-

ren, wie die geografische Ferne oder auch die

tie dient neben der (scheinbaren) Sicherheit zur

Kosten der Kontaktaufnahme, wie etwa der Kon-

Vermeidung unerwünschter Kauffolgen vor al-

takt per Brief zum Unternehmen, weg. Vor allem

lem als Zeichen für die Qualität der Leistungen,

ist der Zeitaufwand hierfür gering, denn wenn

da für einen Anbieter minderer Qualität das An-

eine VC existiert, so kann schnell über Foren

gebot einer Garantie, welches dann häufig in

und Chats Kontakt aufgenommen werden. Jeder

Anspruch genommen würde, ruinös wäre. In

Kunde kann klar seine Bedürfnisse formulieren

VCs kann der Einzelne von den kumulierten

und wird so immer früher in den Wertschöp-

Erfahrungen aller Mitglieder Gebrauch machen

fungsprozess der Unternehmen integriert. Wenn

und erspart sich somit eigene schlechte Erfah-

der Kunde aktiv mitwirkt, können von Anfang an Fehler frühzeitig behoben werden, die sich meist

22 23

21

Informations-

24

Vgl. von Krogh 2006, S. 16.

135

Vgl. Mcwilliam 2001, S. 73. Vgl. Schönborn 2001, S. 88. Vgl. Adler 1996, S. 105.

rungen. So kann die Kommunikation und der

Individuum einen eigenen Lebensstil und damit

Wissens- und Erfahrungsaustausch innerhalb

die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Der

25

dienen. Bei

Konsum wird nicht mehr verstanden als der

diesen Schlüsselinformationen handelt es sich

reine Ge- und Verbrauch von Gütern, sondern

um Informationen, die der Empfänger als be-

als kollektiver Konsum mit dem Ziel, ein Grup-

sonders wichtig einstuft, weil sie für ihn andere

penerlebnis zu erzeugen. Dabei möchte sich der

Informationen ersetzen oder bündeln können

Konsument gewisser Produkte und Marken klar

und damit die Informationsverarbeitung erleich-

von anderen Konsumenten unterscheiden. VCs

tern. Es sind „höherwertige Informationen“, die

besitzen in der Regel einen Interessenschwer-

einen Rückschluss auf entsprechende Leis-

punkt und werden bestärkt durch eine Gruppen-

tungsmerkmale zulassen, weshalb sie als Sub-

identität, welche sich meist aus ähnlichen Ein-

stitut für verschiedene Einzelinformationen an-

stellungen und Verhaltensweisen ableitet. Sol-

der VC als Chunk Information

26

Gerade in der Phase der

che VCs, die in erster Linie das gemeinsame

Evaluation von Kaufentscheidungskriterien bzw.

Konsumerlebnis einer bestimmten Marke in den

Kaufalternativen und der darauf folgenden Al-

Vordergrund

gesehen werden.

stellen,

werden 27

als

Brand-

In der Konsumpha-

ternativenbewertung kann der Nachfrager auf

Communities bezeichnet.

das kumulierte Wissen der Community zurück-

se bieten diese die Möglichkeit, den Nutzungs-

greifen. Erfahrungen und Beurteilungen zahlrei-

prozess zu erweitern. Durch Austauschmöglich-

cher Individuen werden gebündelt und schaffen

keiten mit Gleichgesinnten kann man sich bei

so einen erheblichen Mehrwert für den Nachfra-

Problemen helfen und neue Anregungen bezüg-

ger, der weit über die Informationen des Herstel-

lich der Nutzung erlangen. Dabei ist der Herstel-

lers oder bspw. der Stiftung Warentest hinaus-

ler des Produktes daran interessiert, dass der

geht.

Kunde sich mit seinem Produkt identifiziert und wird daher Maßnahmen treffen zur Stabilisie-

4.2 Betrachtung des Einsatzes von Virtual

rung und Erhaltung der Marke. Ziel dabei ist es,

Communities in der Nachkaufphase

über den funktionalen Nutzen des Produktes Die Nachkauf- oder Nutzungsphase ist maßge-

hinaus einen emotionalen und sozialen Nutzen

bend für den weiteren Verlauf der Geschäftsbe-

für den Konsumenten zu bilden.

ziehung zwischen Kunde und Anbieter. Jedoch

28

Ein erfolgrei-

ches Beispiel ist hier die Marke Maggi. Diese

wird gerade hier dem Kunden von Unterneh-

bietet auf ihrer Homepage Kunden die Möglich-

mensseite kaum Aufmerksamkeit entgegenge-

keit sich auszutauschen. Es gibt eine Rezept-

bracht. In dieser Phase wird die Nutzung des

börse mit vielen Anregungen rund um das Mag-

gekauften Produktes vollzogen. Erst jetzt lassen

gi-Sortiment. Die Kunden werden dazu animiert,

sich die Leistungseigenschaften der Erwerbung

Rezepte zu kreieren. Das tun sie auch und

tatsächlich beurteilen. Der Kunde bildet sich

schaffen immer wieder neue Möglichkeiten, das

unmittelbar eine Meinung über das Produkt und

Maggi-Sortiment in die Nutzung der anderen

den Hersteller.

Hobby Köche zu integrieren. Brand-Communties

In der heutigen Gesellschaft kann das Konsum-

sind in der Regel kommerzielle unternehmens-

verhalten als Ausdruck der eigenen Persönlich-

betriebene Communities, in die der Betreiber ein

keit angesehen werden und ermöglicht dem

investiert und sogar Events und Treffen für die 27

25 26

28

Vgl. Weiber/ Adler 1995b, S. 50. Vgl. Kroebel-Riel/ Weinberg 2003, S. 286.

136

Siehe McAlexander/ Schouten/ Koenig 2002, S. 38ff. Siehe auch Hermann/ Algesheimer/ Heitmann 2005, S. 10.

Mitglieder organisiert. Bezogen auf das Beispiel

ƒ Vergeltung: Absicht des Konsumenten durch

Maggi werden hier Nachmittage im Maggi Koch-

bewusste Äußerungen dem Unternehmen zu

studio oder Kurse mit berühmten Fernsehkö-

schaden, um so einen Ausgleich zu der als

chen initiiert.

unfair empfundenen Behandlung zu erzielen.

Doch auch für die Bewertung von Leistungen

5

sind VCs für den Nachfrager sehr nützlich. War

Nutzenstiftung für Mitglieder von Virtual Communities

in der Vorkaufphase gerade der Informationsas5.1 Virtual Communtities als Instrument der

pekt von hoher Relevanz, besteht hier die Mög-

Nachfragerbündelung

lichkeit, seine Meinung zu äußern und damit denjenigen Mitgliedern, die sich in der Vorkauf-

Nachfragebündelungen treten dann auf, wenn

phase sich befinden, Nutzungs- oder Nachkauf-

Konsumenten ihren Bedarf in zeitlicher oder

informationen bereitzustellen. VCs vereinfachen

inhaltlicher Hinsicht vereinheitlichen und somit

die Kommunikation der einzelnen Verbraucher

gegenüber Unternehmen als ein Nachfrager

untereinander und ermöglichen so durch virtuel-

auftreten. 30 VCs werden in dieser Arbeit als

le Meinungsplattformen eine reibungslose Kun-

Nachfragerbündelungen verstanden, da sie als

denartikulation. Dabei lassen sich sechs we-

Kundengruppen 31 hinsichtlich eines Interessen-

sentliche Motive der Kundenartikulation identifi-

schwerpunktes bereits gebündelt sind und daher

29 zieren :

dem Anbieter gegenüber als ein Nachfrager auftreten könnten. Auf diese Weise sind sie in

ƒ Altruismus durch Empfehlungen/ Warnungen:

der Lage, eine Machtverlagerung von der Anbie-

Der einzelne kann durch seine Schilderungen

ter- zur Nachfragerseite zu bewirken, in deren

den anderen Konsumenten bei Kaufentschei-

Verlauf der Mehrwert von den Anbietern zu-

dungen helfen. Er kann sie vor negativen Er-

nehmend auf die Kunden übergeht. Hagel und

fahrungen bewahren.

Armstrong sprechen in diesem Kontext von um-

ƒ Abbau positiver/negativer Spannung: Konsu-

gekehrten Märkten. 32 Dies bringt nachfragersei-

menten artikulieren sich, um anderen ihre

tig zwei wesentliche Vorteile mit sich. Zum einen

Freude/Frust über einen gelungenen oder

können durch Bündelungen Preisvorteile reali-

misslungenen Kauf mitzuteilen und auf die-

siert werden. Dies war bspw. der Fall bei der

sem Weg, die mit dem Kauferlebnis verbun-

transaktionsorientierten

denen Spannungen, abzubauen.

buyit.com,

ƒ Selbstwertsteigerung: Artikulation erfolgt, um

33

Community

lets-

jedoch war dieses Modell in der

Praxis aus unterschiedlichen Gründen wie z. B.

das eigene Bild bei anderen Personen zu

dem Nichterreichen von kritischen Teilnehmer-

verbessern und als Konsumexperte angese-

zahlen, rechtlichen Problemen oder zu geringen

hen zu werden.

Preisnachlässen, die seitens der Hersteller ge-

ƒ Ratsuche: Artikulation von Konsumenten, um

währt wurden, nicht erfolgreich.

Hilfe zu erfahren bei negativen Kaufentschei-

Zum anderen, und hier sind wesentlich mehr

dungen. ƒ Unterstützung des Unternehmens: Auf Grund

Potenziale vorhanden, sind verschiedene Leis-

seiner Zufriedenheit über die erworbene Leis-

tungsvorteile für Kunden realisierbar. So ist es

tung möchte der Kunde dazu beitragen, dass

möglich, dass für einzelne Gruppen mit speziel-

das Unternehmen am Markt bleibt.

30 31 32

29

33

Vgl. Henning-Thurau/ Hansen 2001, S. 565.

137

Vgl. Voeth/ Klein 2002, S. 115. Vgl. Tomczak/ Schögel 2005, S. 1. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 31f. Vgl. Panteon 2005, S. 47.

len Bedürfnissen bestimmte Produkte durch den

men so individualisierte Rückmeldung auf ihre

Anbieter zur Verfügung gestellt werden. Hier hat

persönliche Anfrage. Die Auswirkungen solcher

der Kunde die Möglichkeit, individuelle Produkte

Beiträge auf die Kaufentscheidung des Einzel-

zu fordern, wobei dies vom Kernprodukt bis hin

nen sind in der Regel von großer Bedeutung. 36

zum erweiterten Produkt, wie bspw. Events oder

Denn es wird von den Mitgliedern unterstellt,

Treffen gehen kann. In der Praxis wird dies

dass

schon von verschieden erfolgreichen Communi-

glaubwürdig und vor allem nicht opportunistisch

tiy- Betreibern realisiert (z. B. ebay).

handeln. Zusammenfassend lässt sich sagen,

die

anderen

Mitgliedern

unabhängig,

dass in Zukunft der größte Anreiz, sich einer

Ein weiterer Vorteil ist in der Einflussnahme auf

virtuellen Gemeinschaft anzuschließen, darin

die Produktgestaltung zu sehen. Das innovative

bestehen wird, mehr Informationen zu besitzen

Potenzial von VCs wird zunehmend auch von

und somit mehr Profit von den Anbietern abzu-

den Anbietern erkannt. So werden gezielt

ziehen.

Communities bzw. deren Teilnehmer in die Gestaltung und Entwicklung neuer Produkte integ-

6

riert, was in der Konsequenz zu markt- und

37

Ausblick auf Potentiale und Chancen von Virtual Communities

nachfragergerechteren Lösungen führt. Die prinzipiellen Vorteile und Potenziale der 5.2 Kundenmacht durch Informationsvorteile

neuen Informations- und Kommunikationstech-

VCs ermöglichen den Mitgliedern verschiedene

nologien, insbesondere des Internet, ermögli-

Arten von Informationen und verbessern damit

chen die Vernetzung einzelner Akteure und

deren Informationsstand. Die Besonderheit ist,

bieten den Beteiligten nahezu unbegrenzte

dass Informationen bereitgestellt werden, die in

Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten.

der realen Welt nicht oder nur durch hohe Kos-

Gerade die Kommunikation zwischen den Nach-

ten zugänglich sind. Es ist den Mitgliedern nun

fragern, also das Konzept von VCs, verändert

auch möglich, ihr Urteil zusätzlich zu den anbie-

die traditionellen Spielregeln erheblich. In Zu-

terorientierten Informationen durch das gesamte

kunft werden Nachfrager-Communities immer

Wissen der Mitglieder in Form von Meinungen

stärker den Charakter von ad hoc Netzwerken 38

und Erfahrungsberichten zu erweitern.

34

annehmen und die diskutierten Themen werden

In VCs

kann eine enorme Vielfalt an Sachkenntnis kon-

immer spezifischer. 39

zentriert werden, die von einem einzelnen, un-

VCs nicht nur bedarfsfallspezifisch Verbraucher

abhängig davon, ob er erfahren oder geübt ist,

miteinander, sondern statten diese auch mit

sprich Expertenwissen besitzt, nie erreicht wer-

immer mehr Informationen aus, an die sie sonst

den kann. Der Mehrwert liegt also nicht so sehr

nur unter großem Aufwand gelangen könnten.

in den Erfahrungen und dem Wissen jedes ein-

Dies führt zu einem Verschiebung der traditio-

zelnen, sondern in den Erfahrungen und Per-

nellen Macht- und Informationsverhältnisse zwi-

Dennoch versammeln

Zusätzlich

schen Anbieter und Nachfrager, die sich als

wird in vielen VCs ein Dialog, in Form von Dis-

umgekehrte Märkte konstituieren, in denen die

kussionsforen, zwischen den Mitgliedern ermög-

Macht nun stärker auf den Nachfrager verlagert

licht. Die einzelnen Mitglieder können also viel

ist. Durch die ständig wachsende Kundenartiku-

spektiven zahlreicher Individuen.

35

deutlicher ihr Anliegen darstellen und bekom-

36 37 38

34 35

Vgl. Panteon 2005, S. 48. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 45.

39

138

Vgl. Weiber/ Meyer 2005, S. 42f. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 32. Ad hoc Netzwerke sind spontane, kurzfristige, für einen Zweck gebildete Verbindungen einzelner Personen. Vgl. Weiber/ Fälsch 2007, S. 38.

lation im Netz werden Kaufentscheidungen immer stärker durch die Meinung anderer Nach-

Literaturverzeichnis

frager bestimmt. Auf lange Sicht verlagert sich also der Wettbewerb von der Produkt- auf die

Adler, J. (1996): Informationsökonomische Fun-

Kommunikationsebene. 40 Trotz der vielen unbe-

dierung von Austauschprozessen: eine

grenzten Möglichkeiten, die geboten werden,

nachfrageorientierte Analyse, Wiesbaden.

darf man nicht vergessen, dass der Nutzen, der

Akerlof, G. A. (1970): The market for „Lem-

dem einzelnen Nachfrager daraus erwächst,

mons“: Quality Uncertainty and the Market

stark vom entsprechenden Involvement deter-

Mechanism, The Quartely Journal of Eco-

miniert wird. Laut einer Allensbacher Computer-

nomics, 84 (1970), S. 488-500.

und Technik-Analyse ist die Web-Nutzung stark Bauer, H./Brünner, D./Grether, M./Leach, M.

altersgebunden. Die Kriterien waren hier unter

(2001): Die virtuelle Gemeinschaft als In-

anderem das Einstellen von Videos auf Video-

strument des Customer Relationship Mana-

portalen, der Besuch von Chatrooms oder das Erstellen

von

Profilen

auf

gement, in: Fritz, Wolfgang (Hrsg.): Internet-

Community-

Marketing, 2. Auflage, Stuttgart 2001, S.

Plattformen. Die Nutzung solcher Angebote war

325-371.

mit steigendem Alter sinkend. Die Partizipation der jüngeren Bevölkerung (14-20 Jährige) war

Beier, M. (2001): Virtual Communities- eierle-

knapp 13 mal so hoch, wie die der 55-64 Jähri-

gende Wollmilchsäue für das One-to-One

gen.

41

Marketing, in: Hermanns, Arnold/Sauter, Mi-

Gerade bei diesen Communities ist er-

sichtlich, dass der Nutzen stark abhängig ist von

chael. (Hrsg.): Management Handbuch e-

den jeweiligen Bedürfnissen der einzelnen Al-

lectronic Commerce, München 2001, S.

tersstufen. Die Dimension des Nutzens liegt

246-263.

eher im jugendspezifischem Dialog und dem

Billen, P. (2003): Unsicherheit des Nachfragers

Erstellen von Beiträgen, sowie der Selbstdar-

bei Wiederholungskäufen- Ein informations-

stellung. Ganz anders sieht es bei der Nutzung

ökonomischer und verhaltenswissenschaftli-

von Communities aus, wo im Vordergrund die

cher Ansatz, Wiesbaden.

Kundenartikulation steht und der Nutzen vorBruhn, M. (2001): Relationship Marketing,

wiegend aus der Informationsbeschaffung und -

München.

verarbeitung generiert wird. Hier sind die Unter-

Bullinger, H.-J. (2002): Business Communities-

schiede zwischen Jung und Alt nur noch im Verhältnis von 2 zu 1. Dies zeigt, dass die Moti-

professionelles Beziehungsmanagement

vation sich an Kundenartikulation im Internet zu

von Kunden, Mitarbeitern und B2B-Partnern

beteiligen, Erfahrungen mit anderen zu teilen

im Internet, Bonn.

und Bewertungen über Marken, Produkte und

Chesbrough, H. W. (2006): Open Innovation-

Dienstleistungen zu verfassen, einen hohen

The new imparative for creating and Profit-

Wert über alle Altersstufen darstellt. VCs sind

ing from Technology, Massachusetts.

somit nicht, wie oft kritisiert, nur für jüngere ZielDiaz-Bone, R. (1997): Ego-zentrierte Netzwerk-

gruppen interessant, vielmehr bergen sie ein

analyse und familiäre Beziehungssysteme,

hohes Potenzial für alle Nachfrager.

Wiesbaden 1997. 40 41

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141

Christian Hildebrand Produktentwicklung mit Virtual Communities - kritische Reflexion und prozessuale Fundierung interaktiver Wertschöpfungsprozesse 1

Die Permeabilität unternehmerischer Grenzen in der Produktentwicklung

2

Der Einsatz von Virtual Communities im Marketing

3

Prozessorientierte Analyse community-basierter Entwicklungsleistungen

4

Revision moderner Produktentwicklungsprozesse durch Virtual Communities

1

Die Permeabilität unternehmerischer

ermöglichen. Dies auf den Forschungsgegens-

Grenzen in der Produktentwicklung

tand hin konkretisierend, zeigt sich demnach die implizite Herausforderung und Chance zugleich,

Während die betrieblichen Forschungs- und

externe Wissenspotentiale zu internalisieren5

Entwicklungsabteilungen bisweilen ihre originäre

und somit die Nutzung nachfragerspezifischer

Aufgabe in der unabhängigen Entwicklung inno-

Bedürfnisinformationen in der Produktentwick-

vativer Produkte und Kundenlösungen sahen,

lung um nutzerzentrierte Lösungsinformationen

wird seit nunmehr einigen Jahren ein neues

zu erweitern.6

Feld ökonomischer Forschung zunehmend erschlossen. Im Fokus der Betrachtung steht hier-

Daraus ergibt sich jedoch ein grundlegend ver-

bei eine kundenorientierte Produktentwicklung

ändertes Verständnis des Nachfragers in der

als

unternehmerischen

Betriebswirtschaft. Potentielle Nachfrager be-

Markterfolgs1 und der zugleich wirksamen Mög-

trieblicher Leistungen und Produkte sind zu-

lichkeit zur Reduktion oftmals hoher Misserfolgs-

nehmend herausgelöst aus dem begrenzten

raten in der Produktinnovation.2 Somit steht in

Bezugsrahmen des originären Informationsträ-

zunehmenden Maße weniger die Betrachtung

gers

innovativer, technisierter Entwicklungen, als

unternehmerischen

Produkt ingenieurwissenschaftlicher Leistungen

werden vielmehr in erweiternder Weise als Mit-

im Vordergrund, sondern vielmehr die Frage,

entwickler, „Co-Produzent“7 und „Prosumer“8

wie in dynamischen Wirtschaftssystemen, kon-

zugleich betrachtet. So spricht Chesbrough in

stituiert durch global organisierte Märkte, ver-

diesem Zusammenhang vom Bruch traditioneller

kürzte Produktlebenszyklen3 und moderne For-

Closed-Innovation-Prozesse und der Öffnung

men des Consumer Empowerment,4 eine maxi-

unternehmerischer Grenzen, hin zum Open-

male Kongruenz nachfragerspezifischer Bedürf-

Innovation-Ansatz,9 in dessen Rahmen jene

nisse und anbieterseitiger Leistungsbündel er-

Grenzen der Unternehmung zunehmend durch-

zielt werden kann. Hierbei kommt den modernen

lässig werden und externe Wissenspotentiale

IuK-Technologien eine zentrale Bedeutung zu.

(z. B. durch Kunden) in einer symbiotisch ge-

Unternehmungen werden nunmehr in die Lage

prägten Beziehung betriebsintern genutzt wer-

versetzt, in gezielter Art und Weise eine aktive

den.10 Diesen Aspekt zeitlich gesehen bereits

Kundenintegration in die betrieblichen Ent-

früher aufgreifend, wies von Hippel in ähnlicher

Voraussetzung

des

wicklungs- und Leistungserstellungsprozesse zu

5 6

1 2 3 4

7

Vgl. Lüthje 2007, S. 41. Vgl. Christensen/ Raynor 2003, S. 73. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 95. Vgl. Shankar/ Cherrier/ Canniford 2006, S. 1014.

8 9 10

142

respektive

Untersuchungsobjektes Marktforschung,

Vgl. Boutellier/ Gassmann 1996, S. 290. Vgl. Urban/ von Hippel 1988, S. 569. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 95. Vgl. Toffler 1980, S. 273. Vgl. hierzu den Beitrag von Adlunger (S. 27ff.) Vgl. Chesbrough 2003, S. 29f.

der

sondern

Weise auf die zunehmenden Veränderungspro-

leistungen ausgeweitet. Insbesondere jene Pro-

zesse und Tendenzen zum sog. Customer-

zessperspektive erlaubt es somit den differen-

11

Diese grundsätzliche

ziert zu betrachtenden Möglichkeitsraum virtuel-

Hinführung zu den derzeitigen Umgestaltungs-

ler Gemeinschaften abzubilden, denn von ent-

prozessen in Wissenschaft und Praxis sei nun

scheidender Bedeutung ist weniger die An-

illustratorisch pointiert und der bisherige Gedan-

sammlung vernetzter Partizipienten, als viel-

kengang in Anlehnung an Chesbrough zusam-

mehr das komplexe Wirkungsgefüge ihrer Inter-

mengefasst.

aktion und der ihnen inhärenten, voneinander

Active-Paradigm hin.

verschiedenen Fähigkeiten als Grundlage er-

Abb. 1: Vom Closed-Innovation-Paradigma zum

folgreicher, kollaborationsgestützter Produktent-

Open-Innovation-Paradigma

wicklungsprozesse.

2

Der Einsatz von Virtual Communities im Marketing

Nachdem nun der konkrete Bezugsrahmen des Beitrags kritisch motiviert sowie die manifesten Veränderungen der betrieblichen Umwelt dargeBevor nun jedoch eine sich inhaltlich ausweiten-

stellt und durch die klassischen Ansätze von

de Thematisierung von virtuellen Gemeinschaf-

Chesbrough und von Hippel sublimiert wurden,

ten, als mögliche Form dieser i. S. Chesbroughs

erfolgt nun eine einführende Darstellung und

externen, gruppenbasierten Entwicklungspartner

Theorieübersicht zum Forschungsobjekt virtuel-

erfolgt, stellt sich zu Beginn mithin die Frage

ler Gemeinschaften, bevor die sich daraus er-

welchen wissenschaftlichen Beitrag vorliegende

gebenden Vorteilspotentiale herausgearbeitet

Arbeit zu leisten im Stande ist. Eine mögliche

und im weiteren Verlauf um eine spezifische

Antwort lässt sich hierbei im Besonderen aus

Betrachtung der Individualebene jeweiliger Teil-

den bisherigen Erklärungsansätzen herleiten,

nehmer ergänzt wird.

denn obgleich seit nunmehr einer Dekade die

2.1 Genese und Systematisierung des Com-

Anzahl publizierter Beiträge im Kontext virtueller

munitybegriffs

Gemeinschaften stetig gestiegen ist, gilt dies

Die begriffliche Prägung und den thematischen

nicht gleichsam für deren explikative Aussagekraft.

Die

wesentlichen

Anfang einer zunächst nicht-wissenschaftlichen

modelltheoretischen

Betrachtung von Virtual Communities (VC’s)

Leitlinien finden sich zwar im Rahmen des vor-

findet sich bei Rheingold. Rheingold beschreibt

liegenden Beitrages, doch werden sie stärker

dabei in allgemeiner Form die persönlichen Er-

als zuvor miteinander verbunden und in einen

lebnisse in der privaten Community „The Well“.

schlüssigen Gesamtkontext eingebettet. Somit

Er umschreibt virtuelle Gemeinschaften hierbei

werden einerseits systematisch bestehende

als soziale Zusammenschlüsse, die auf compu-

Vorteilspotentiale im Rahmen der betrieblichen

tervermittelnder Kommunikation beruhen und

Produktentwicklung herausgearbeitet und im

ein Geflecht persönlicher Beziehungen entste-

weiteren Verlauf um eine prozessorientierte Analyse 11

community-basierter

hen lassen.12 Die Anzahl wissenschaftlicher

Entwicklungs-

Publikationen im Kontext virtueller Gemein12

Vgl. von Hippel 1979, S. 83f.

143

Vgl. Rheingold 1994, S. 16.

schaften stieg darauf folgend insbesondere im

können die von u. a. Hagel/Armstrong und Mu-

Anschluss an die publizierten Beiträge von Ha-

niz/O’Guinn beschriebenen Merkmale virtueller

13

gel/Armstrong

Gemeinschaften letztlich auf die in dem nachfol-

und der ab Mitte der 90er Jahre

zunehmenden

Erweiterung

Kommunikationsmittel,

wie

genden

internetbasierter Bulletin

Systematisierungsansatz

illustrierten

Kernelemente reduziert werden.

Boards,

Chats, Newsrooms oder bspw. IRC’s an. Die

Abb. 2: Kernelemente virtueller Gemeinschaften

Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen zeichnet sich hierbei erwartungsgemäß durch eine ebenso hohe Vielzahl verschiedenartiger Perspektiven und Gegenstandsbereiche aus. Ein möglicher Systematisierungsansatz der Kernelemente verschiedenartiger Ansätze sei daher an dieser Stelle aufgezeigt. So zeigen Ha-

Nachdem nun die für die weitere Betrachtung

gel/Armstrong14 und Muniz/O’Guinn15 insbeson-

wesentlichen Kernelemente virtueller Gemein-

dere allgemeingültige, eine virtuelle Gemein-

schaften herausgearbeitet wurden, ist nun der

schaft grundsätzlich konstituierende, Merkmale

mögliche, konkrete Beitrag von VC’s für den

auf. Diese Kernelemente lassen sich hierbei

unternehmerischen Innovationserfolg aufzuzei-

zunächst, global betrachtet, auf grundlegende

gen.

Basiseigenschaften virtueller Gemeinschaften

2.2 Immanente Vorteilspotentiale der „Com-

reduzieren,16 wie gemeinsames Interesse und

munity Based Innovation“

eine Art innerer Verbundenheit, definiert über einen spezifischen Kontext, sowie technologi-

Aufgrund der einführend erläuterten Problematik

sche Basisfunktionen, die wiederum auf die

verkürzter

Möglichkeit

der

und

Marktsättigungstendenzen und hohen Misser-

endogenen

Informationsdiffusion

rückwirken.

folgsraten in der Produktinnovation, gilt es nun

Darüber hinaus soll weiterhin zwischen einer

die Überlegung anzustellen, welche möglichen

Community- sowie Individualebene unterschie-

Vorteilspotentiale sich aus community-basierten

den werden. So wird Erstere insbesondere

Innovationen ergeben können. Zur Abbildung

durch intertemporal aus der Community gene-

der konkreten Vorteilsdimensionen wird an die-

rierte Traditionen und Normen konstituiert und

ser Stelle z. T. auf bestehende Ergebnisse em-

umfasst in einem weiter gefassten Sinne ein für

pirischer Forschungsarbeiten sowie insbesonde-

das Bestehen von Gemeinschaften notwendiges

re theoretische Ansätze zurückgegriffen und

Zusammengehörigkeitsgefühl.

Individual-

diese nun nachfolgend in eine Art „Conceptual

ebene konkretisiert sich demgegenüber das

Framework of Advantage“ (siehe Abbildung)

Verhalten der jeweiligen Partizipienten. Die Be-

integriert. Der Betrachtungsfokus ist hierbei

reitschaft zur Verantwortungsübernahme und

stark anbieterorientiert und somit an insbeson-

Informationsweitergabe17 kann hierbei als not-

dere ökonomische Beurteilungskriterien ange-

wendige Bedingung angesehen werden. Somit

lehnt. Eine teilnehmerbasierte Untersuchung

Informationsweitergabe

Auf

Produktlebenszyklen,

erhöhten

erfolgt jedoch ergänzend im Rahmen des 13 14 15 16 17

Vgl. Hagel/ Armstrong 1995, S. 127ff.; Dies. 1997, S. 3ff. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 8ff. Vgl. Muniz/ O'Guinn 2001, S. 413. Vgl. Hagel/ Armstrong 1997, S. 8ff. Vgl. Muniz/ O'Guinn 2001, S. 413.

nächsten Unterkapitels.

144

Zu Beginn eröffnet sich infolge moderner IuK-

seren Bedürfnis-Leistungs-Fit, eine deutliche

Technologien und netnographischen Methoden

Reduktion jeweiliger Misserfolgsraten möglich.25

zunächst die Möglichkeit, bereits frühzeitig et-

Im Hinblick auf die erfolgskritische Phase der

waige Marktchancen und -potentiale durch eine

Markteinführung können darüber hinaus öko-

systematische

Content-

nomische Erfolgspotentiale derart realisiert wer-

Informationen, z. B. bestehender Brand Com-

den, dass die jeweiligen Community-Mitglieder

munities oder Communities of Consumption, zu

als Innovationspromotoren im Diffusionsprozess

18

Untersuchung

von

bei gleichzeitig geringen Kommu-

agieren.26 McAlexander/Schouten/Koenig wei-

nikations- und Informations-verarbeitungskosten

sen ebenso darauf hin, dass der marktliche Er-

im Vergleich zur klassischen Marktforschung.19

folg zugleich infolge einer steigenden Produkt-

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich

bzw. Markenloyalität erzielt werden kann.27 Jep-

hieraus ebenso erhöhte Anforderungen an effi-

pesen/Molin zeigen zusätzlich auf, dass Com-

ziente Selektions- und Identifikationsalgorithmen

munities ebenfalls dazu beitragen können, die

realisieren,

20

Prahalad/Ramaswamy weisen dar-

Länge bestehender Produktlebenszyklen deut-

über hinaus auf die zunehmende Bedeutung

lich auszuweiten.28 Etwaige Auswirkungen auf

von Communities als „Experience Environ-

die Reputation und das Image der Unterneh-

ergeben.

21

und betonen somit die immanente

mung sowie mögliche Konsequenzen hinsicht-

Bedeutung spezifischen, userzentrierten Pro-

lich der liquidatorischen Anerkennung auf Kapi-

duktwissens als möglicher Katalysator innovati-

talmärkten könnten letztlich weitere interessan-

ver Produktlösungen. Zugleich zeigt von Hippel

te, moderierende Größen darstellen. Die darge-

die Absorption nur schwerlich zugänglicher Be-

stellten Ausführungen sind abschließend in ei-

dürfnisinformationen bzw. sticky information

nem entsprechend aufbereiteten Bezugsrahmen

potentieller Nachfrager auf und zeigt ebenso auf

präsentiert.

ments“ hin

22

empirischer Ebene,

dass eine frühzeitige Er-

fassung zu den im Weiteren erläuterten Vorteilen eines höheren fit-to-market führen kann.23 Die bisher beschriebenen Vorteilsdimensionen zielen hierbei insbesondere auf die externe Effektivität der jeweiligen Entwicklungsprozesse ab. Demgegenüber ergeben sich jedoch ebenso intern orientierte Effizienzpotentiale, die somit betont kostenorientiert sind. So kann infolge der Reduktion iterativer Prozesse insbesondere die Zeit bis zur Markteinführung (time-to-market) erheblich reduziert und somit ebenso Kostenvorteile im Entwicklungsprozess (cost-to-market) erzielt werden.24 Gleichsam ist, infolge des bes18 19 20 21 22 23 24

Vgl. Kozinets 2002, S. 61f. Vgl. Bartl/ Ernst/ Füller 2004, S. 143. Vgl. Herstatt/ Sander 2004, S. 116. Vgl. Prahalad/ Ramaswamy 2003, S. 15. Vgl. von Hippel 1994, S. 429ff. Vgl. Brown/ Eisenhardt 1995, S. 366. Vgl. Reichwald/ Piller 2006, S. 150ff.

25 26 27 28

145

Vgl. Thomke/ von Hippel 2002, S. 76f. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 166f. Vgl. McAlexander/ Schouten/ Koenig 2002, S. 48. Vgl. Jeppesen/ Molin 2003, S. 378.

Abb. 3: „Conceptual Framework of Advantage“ virtueller Gemeinschaften

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die

tierten Ansätzen.29 Demzufolge sind die gängi-

Berücksichtigung individueller wie gruppenbe-

gen Erklärungsansätze zur Teilnahmemotivation

zogener Teilnahmemotive letztlich unerlässlich

einerseits an perspektivisch stärker betriebswirt-

für die differenzierte Beurteilung und Realisie-

schaftlich rationalen Kosten-Nutzen-Vergleichen

rung von Vorteilspotentialen erscheint. Eine

und diversen Formen von materieller Belohnung

komprimierte Übersicht erfolgt daher nachfol-

bzw. spezieller Incentives ausgerichtet30 oder

gend in ergänzender Weise.

aber an psycho- und soziologisch geprägte Sichtweisen angelehnt, wonach eher kollektiv normorientierte bzw. Aspekte zwischenmensch-

2.3 Implikationen und zentrale Problemfelder

licher Beziehungen sowie Gemeinschaftsaspek-

im Anreiz-Beitrags-Gefüge aus Individu-

te im Fokus der Betrachtungen stehen.31 Dar-

alperspektive

über hinaus finden sich ebenso Ansätze, die

Nachdem nun aus unterschiedlich geprägten

einen kondensierten Zusammenschnitt anstre-

Dimensionen relevante Vorteilspotentiale com-

ben und soziale wie ökonomische Faktoren in

munity-basierter Innovationen aufgezeigt und

einem entsprechenden Gesamtkontext aufzei-

deren Beitrag für den – nicht nur – ökonomi-

gen.32 Somit stellt sich für die Unternehmung die

schen Erfolg der Unternehmung hervorgehoben

grundsätzliche Frage nach der Adäquanz der

wurde, sei nun ein kompakter Überblick hinsicht-

Anreizstiftung, denn so kann der falsche Stimu-

lich der zu berücksichtigenden Implikationen

lus sowohl die falschen Community-Mitglieder

und möglichen Hemmnisse aus Individualper-

attrahieren (z. B. sog. Lurker33), als auch abträg-

spektive dargestellt.

lich auf das erwünschte Ergebnis rückwirken.

Zunächst gilt es herauszustellen, welche implizi-

Zugleich ergibt sich für die in die Entwicklungs-

ten Anreize jeweilige Mitglieder letztlich dazu

prozesse involvierten User jedoch ebenfalls die

bewegen können, an einem durch eine beliebige

Problematik potentieller, psychologischer Kos-

Unternehmung initiierten Entwicklungsprozess

ten. Kaplan et al. zeigen in diesem Zusammen-

zu partizipieren. Der theoretische Bezugsrah-

29

men ergibt sich in diesem Zusammenhang zu-

30

meist aus der Motivationsforschung und somit 31

im Allgemeinen eher ex- oder intrinsisch orien32

33

146

Vgl. Bitzer, 2004, S. 3; Lakhani/ Wolf 2005, S. 4ff. Vgl. Lüthje 2002, S. 5f.; Shah 2004, S. 4f.; von Hippel 2001, S. 85; Reichwald/ Piller 2006, S. 135f.; von Krogh/ Spaeth/ Lakhani 2003, S. 1234. Vgl. Klandermans 1997, S. 25f.; Hemetsberger/ Pieters 2001, S. 275f. Vgl. Bonaccorsi/ Rossi 2003, S. 5; Rossi/ Bonaccorsi 2005, S. 5. Vgl. Stegbauer/ Rausch 2006, S. 121.

nomisch erfolgreichen Innovation und dessen

hang aus einer prozessorientierten Sichtweise 34

mögliche Problemfelder auf,

die ebenso in

Auslobung beeinträchtigt wird.

virtueller Hinsicht als mögliche Störgröße auf die

3

Prozessorientierte Analyse communi-

Phase der Produktentwicklung einwirken können.

So

könnten

attraktive

ty-basierter Entwicklungsleistungen

Community-

Teilnehmer infolge eines erhöhten Leistungsrisi-

Nachdem nun die konzeptuellen Leitlinien im

kos

Kontext

bereits

zu

Beginn

der

Community-

virtueller

Gemeinschaften

inhaltlich

Integration von einer Teilnahme absehen, auf-

spezifiziert und die derzeitigen Anforderungen

grund persönlicher Bedenken einen möglichen

an das betriebliche Management hervorgehoben

Innovationsbeitrag leisten zu können. Darüber

wurden, erfolgt nun eine prozessbezogene Ana-

hinaus sind ebenfalls soziale und psychologi-

lyse

sche Risiken zu berücksichtigen, die sich letzt-

leistungen. Es stellt sich hierbei mithin die Fra-

lich in der Befürchtung ausbleibender Anerken-

ge,

nung durch Dritte und einer steigenden Alltags-

kostentheoretisch grundsätzlich effizienten Or-

belastung manifestieren. Daher sollte möglichst

ganisation der Closed-Innovation die Inkauf-

frühzeitig der durch die User zu leistende Ent-

nahme steigender Unsicherheit und Koordinati-

wicklungsumfang bestimmt werden, denn an-

ons- sowie Abstimmungskosten37 zugunsten

sonsten können sich die subjektiv empfundenen

einer community-basierten Entwicklung als för-

Interaktions- und Opportunitätskosten explizit

derlich für den Innovationserfolg der Unterneh-

erfolgskritisch auf die Teilnahmemotivation aus-

mung erweist. Es erfolgt daher nun eine diffe-

wirken.35 Überlegungen hinsichtlich etwaiger

renzierte und kritische Betrachtung in welcher

Aufwandsentschädigungen

Art und Weise hierbei mögliche Innovationspo-

sind

demzufolge

community-basierter

wann

sich

aus

einer

Entwicklungs-

transaktions-

ebenfalls vor dem Hintergrund eines finanziellen

tentiale und -beiträge evoziert werden können.

Risikos anzustellen.

3.1 Prozessuale Interaktionsoptionen com-

Bevor nun im Weiteren eine prozessorientierte

munity-gestützter Entwicklungsprozesse

Untersuchung community-basierter Innovatio-

Um eine möglichst generalisierbare Untersu-

nen durchgeführt wird, sei abschließend auf die

chung zu erzielen, orientiert sich hierbei die

bedeutsame Problematik der Intellectual Proper-

Zweckdienlichkeit eines adäquaten und aussa-

ty Rights (IPR) für Unternehmen wie Communi-

gefähigen Prozessmodells zunächst am Kriteri-

36

Letztlich könnten

um eines optimalerweise geringen Detaillie-

einerseits Unternehmen von weiteren Koopera-

rungs- und Spezialisierungsgrades. Hierzu fin-

tionen absehen, da empfindliches Unterneh-

den sich in der Literatur verschieden umfangrei-

menswissen über interne Prozesse und Verfah-

che jedoch inhaltlich zumeist ähnliche Prozess-

ren transferiert werden müsste und andererseits

modelle.38 Aufgrund der vereinfachten Prozess-

die Attraktivität der Teilnahme auf User-Ebene

orientierung dient als Grundlage der weiteren

insbesondere durch das mögliche Missverhält-

Betrachtungen eine Modifikation des klassi-

nis des kreativen Eigenbeitrages zu einer öko-

schen Stage-Gate-Modells nach Cooper.39

34

37

ty-Mitglieder hingewiesen.

35

36

Vgl. Kaplan et al. 1974, S. 287ff. Vgl. Hui/ Bateson 1991, S. 181f.; Lerner/ Tirole 2002, S. 197ff. Vgl. West/ Vanhaverbeke/ Chesbrough 2006, S. 285ff.; Nambisan 2002, S. 410ff.

38

39

147

Vgl. Sawhney/ Prandelli 2000, S. 24; Coase 1937, S. 388. Vgl. hierzu bspw. Herstatt 1999, S. 73; Cooper 1996, S. 479; Pleschak/ Sabisch 1996, S. 24; Hughes/ Chafin 1996, S. 93. Vgl. Cooper 1996, S. 478f.

Nutzung global-reziproker Kreativitätspotentiale Abb. 4: Generalisierte Phaseneinteilung im In-

infolge der Austauschprozesse zwischen den

novationsprozess

jeweiligen Usern. So tragen hierbei Formen des kreativen Lernens zur eigentlichen Neuartigkeit möglicher Konzeptvorschläge bei,42 entgegen den klassischerweise auf das Potential des Ein-

Es gilt sogleich zu Beginn deutlich darauf hin-

zelnen beschränkten Ideenwettbewerben. Die

zuweisen, dass eine differenzierte Betrachtung

größte Schwierigkeit ergibt sich jedoch während

des Community-Einsatzes auf prozessorientier-

dieser Anfangsphase potentiell aus der Identifi-

ter Basis bisher keine oder eine nur unzurei-

kation geeigneter Communities, den dabei anfal-

chende Beachtung in wissenschaftlichen Publi-

lenden Suchkosten sowie der gezielten Auswahl

kationen findet. Obgleich diverse Autoren mögli-

jeweiliger Konzeptvorschläge.43 Ein systemati-

che Ansätze entlang des Innovationsprozesses

sches Monitoring und methodengestützte Aus-

40

aufzeigen,

wahlprozesse sind daher insbesondere in dieser

fehlt weithin eine fundierte empiri-

sche Untersuchung und es werden vielmehr

frühen Phase unabdingbar.

z. T. bekannte Konzepte in den virtuellen Kon-

In der sich daran anschließenden Entwicklungs-

text transferiert. Eine entsprechende empirisch

phase erfolgt sodann die funktionale Bestim-

orientierte Untersuchung des Möglichkeitsrau-

mung und Entwicklung des Produktes und somit

mes von Communities und den notwendigerwei-

die Realisierung der im Vorfeld zu bestimmen-

se zu unterscheidenden Fähigkeiten ihrer jewei-

den, konkreten Ausprägungen von Kern- und

ligen Mitglieder fehlt indes vollends. Eine Be-

Zusatznutzen. User-Designs und virtuelle Tool-

rücksichtigung des Vernetzungscharakters und

kits44 können hierbei einen wertvollen Beitrag zu

der daraus resultierenden Implikationen wird

innovativen Inventionen leisten. Die Bereitstel-

somit zumeist systematisch vernachlässigt. Es

lung von Toolkits sowie die Zugänglichkeit bis-

erfolgt daher nun eine differenzierte Darstellung

heriger Designs sind, ähnlich wie im Falle der

der jeweiligen konzeptuellen Ansätze entlang

Ideengenerierung, aus lerntheoretischer Sicht

der generalisierten Phasen des Innovationspro-

potentiell dann vorteilhaft, wenn sie die Möglich-

zesses und eine darauf hin kanalisierte, mögli-

keit der gegenseitigen Inspiration eröffnen und

che Darstellung ihrer spezifischen Wirkungs-

somit den oftmals begrenzten Kreativitätspoten-

zusammenhänge.

tialen des Einzelnen den Möglichkeitsraum der

Eine Betrachtung der anfänglichen Ideenfin-

Gemeinschaft eröffnen. Spätestens während

dungs- und Ideenbewertungsphase konzentriert

dieser Phase sollten für eine intensivere Zu-

sich zunächst auf die umfangreiche Sammlung

sammenarbeit nun diejenigen User-Typen iden-

kreativer Beiträge über eine möglichst hohe

tifiziert werden, die sich über innovative Beiträge

Anzahl an Usern hinweg. Die Selektion zahlrei-

und ein hohes Objekt- und Verwendungswissen

cher Konzeptvorschläge kann dabei auf einem

auszeichnen (siehe hierzu die eng zulaufende

Kontinuum von bereits vorhandenen, betriebsin-

Trichterform in Abb. 5). In Anlehnung an Kozi-

tern wie -extern entwickelten Beiträgen erfol-

nets könnte man hierbei von Devotees und In-

gen.41 Der zentrale Vorteil in dieser Frühphase

sidern sprechen, aufgrund ihres erhöhten Pro-

des Innovationsprozesses entsteht durch die 42 40 41

43

Vgl. Bartl et al. 2004, S. 3; Nambisan 2002, S. 393ff. Vgl. Lengnick-Hall 1996, S. 798f.

44

148

Vgl. Prandelli/ Verona/ Raccagni 2006, S. 111. Vgl. Brockhoff 2005, S. 873. Vgl. von Hippel/ Katz 2002, S. 821ff.

könnten somit zugleich zu neuen Co-Sellern im

dukt- und Verwendungswissens sowie ihrer zumeist hohen Problemlösungs-kompetenz.

45

Vertriebssystem werden. Eine Fallunterscheidung je Produktkategorie und eindeutige Auslo-

Obgleich nun einige Restriktionen hinsichtlich

bungsmodalitäten wären hierbei jedoch zwin-

der Testphase und Markterprobung im Falle von

gend notwendig.

insbesondere tangiblen Gütern bestehen, ist dennoch eine virtuelle Darstellung von Funkti-

Nachdem nun aus insbesondere prozessorien-

onszusammenhängen und zentralen Produktei-

tierter Perspektive mögliche Anwendungsfelder

genschaften möglich sowie etwaige Anwen-

aufgezeigt wurden, schließt sich nun eine Dar-

dungsprobleme frühzeitig erfass- und um aus

stellung der in wissenschaftlichen Publikationen

der Community generierte Lösungsvorschläge

diskutierten Methoden der virtuellen Kundenin-

46

ergänzbar.

Während dieser Phase sollte die

tegration

Kollaboration nun wieder großflächig auf die

im

Neuproduktentwicklungsprozess

an.

gesamte Community ausgeweitet werden (siehe

3.2 Methodenbasierte Fundierung und in-

wiederum die nun breite Trichterform im An-

strumentelle Umsetzung der virtuellen

schluss an die Entwicklungsphase gemäß Abb.

Kundenintegration

5), denn entgegen diverser Publikationen47 ist

Im Anschluss an die aufgezeigten Community-

davon auszugehen, dass eben nicht Insider und

Beiträge in der Neuproduktentwicklung, erfolgt

Launching Customers in adäquater Weise der

nun eine Einführung in die Methodik hinsichtlich

Vielzahl an Anwendern und späteren Adoptoren

der konkreten Entwicklungskollaboration.

entsprechen, sondern eine gemeinsame, community-basierte Diskussion von bspw. Anwen-

Insbesondere während der frühen Phasen des

dungsproblemen usw. hierbei wesentlich zweck-

Innovationsprozesses können die von Kozinets

mäßiger erscheint und gleichsam die Potentiale

beschriebenen

49

der Community berücksichtigt.

angewandt werden.

dürfnis- und Motivationsstrukturen sowie der

Entwicklungskosten angefallen sind und betrieb-

Erfassung von Verwendungsgewohnheiten und

liche Ressourcen aufgewandt wurden. Als zent-

innovativen Beiträgen zu neuartigen Produkt-

ral sollte hierbei eine aktive Nutzung von besteals

konzepten. Somit ist insbesondere während der

Innovations-

Anfangsphase eine methodisch fundierte Unter-

promotoren48 angesehen werden. Um nun eine

suchung von Bulletin Boards, News- und U-

möglichst breite und schnelle Bekanntheit sowie

sergroups oder Blogs möglich und eine entspre-

den erwünschten Markterfolg zu erzielen, sind

chende Kategorisierung nach Insidern und De-

bspw. mögliche Entlohnungssysteme und Ver-

votees i. S. Kozinets realisierbar. Nachdem so-

kaufsförderungen denkbar, die von konkreten Umsatzbeteiligungen

der

Diese qualitativ und in-

bei im virtuellen Kontext der Analyse von Be-

als hoch erfolgskritisch anzusehen, da bereits

Communities

Methoden

haltsanalytisch geprägten Ansätze dienen hier-

Die letzte Phase der Markteinführung ist mithin

henden

netnographischen

dann relevante Communities und deren User

Community-

ausgewählt wurden, bspw. durch Kriterien wie

Teilnehmer bis zur Partizipation an exklusiven

Hit-Rates oder Qualität der Posts, erfolgt die

Events hinreichen. Bisherige Co-Produzenten

eigentliche Entwicklungsleistung. Im Rahmen 45 46 47 48

des inderdisziplinär ausgerichteten Forschungs-

Vgl. Kozinets 2002, S. 61ff. Vgl. Jeppesen/ Molin 2003, S. 374. Vgl. Ulhøi 2004, S. 1107f.; Brockhoff 2005, S. 864. Vgl. Witte 1973, S. 15f.; Jeppesen/ Frederiksen 2006, S. 45f.

49

149

Vgl. Kozinets 2002, S. 61ff.

projektes der Virtual Customer Initiative des

verschiedenartigen Fähigkeiten, zu unterschei-

MIT, schlagen hierzu Dahan/Hauser nun sechs

denden Community-Mitglieder entlang der spe-

50

zifischen Phasen des Innovations-prozesses

Dabei erfolgt im ersten Schritt die Durchführung

zumeist ausbleibt. Doch ergeben sich eben aus

eines sog. Informationpump, zur Reduktion der

der Vielfalt jener Mitglieder die zu Beginn des

oftmals komplexen und hoch unsicheren Fuzzy

Beitrags genannten Vorteilspotentiale und ent-

nacheinander

anwendbare

51

Methoden

vor.

Die Methode basiert letztlich

falten hierbei ihre eigentümliche Innovativität im

auf dem Konzept virtueller Fokus-Gruppen und

Wirkungsgefüge reziproker Interaktionsprozes-

des interaktiven Austausches mehrerer Com-

se. Dies zeigt sich nunmehr pointiert anhand der

munity-Teilnehmer. Dies zeigt sich hierbei ex-

bereits erwähnten Abbildung, denn so ist neben

emplarisch anhand der breiten Trichterform zu

einem phasenspezifischen Einsatz jeweiliger

Beginn

Methoden eine Orientierung an der Breite des

Front End Phase.

der

Ideenfindungs-

und

-

bewertungsphase in der nachfolgenden, die

Such- und Lösungsraumes unabdingbar.

bisherigen Ausführungen nun zusammenfas-

Es gilt darüber hinaus insgesamt darauf hinzu-

senden Abbildung. Daran anknüpfend kann im

weisen, dass die dargestellten Methoden an

weiteren Verlauf eine Web-Based Conjoint Ana-

diesem Punkt lediglich einen Ausschnitt mögli-

lysis sowie Fast-PACE52 je User angewandt

cher Anwendungen abzubilden vermögen und

werden, zur zügigen und differenzierten Erfas-

sich insbesondere im Rahmen aktueller Trans-

sung individueller Präferenzen, für die weitere

formationsprozesse hin zu verstärkt interaktiven

Gestaltung des Kernprodukts und immanenten

Internettechnologien zukünftig potentiell weitere

Zusatznutzens. Die daran anknüpfende, konkre-

Interaktionsmöglichkeiten und

te Umsetzung im Entwicklungsprozess kann

neue Methoden der virtuellen Kundenintegration

schließlich durch spezielle User-Designs und

und

Toolkits erfolgen, bevor in der zum Ende statt-

community-basierten

Entwicklungs-

kollaboration eröffnen werden.

findenden Phase der Markterprobung letztlich 3.3 Anwendungsbeispiele community-

virtuell gestaltete Produkttests durchgeführt und

basierter Innovationsleistungen

diese im Anschluss auf virtuellen Markt- bzw. Börsenplätzen gehandelt werden,53 um bereits

Im Anschluss an die nun bisher eher modellhaft

frühzeitig über einen Preismechanismus mögli-

und

che Präferenzen und Forecasts auf User-Ebene

schließt sich nachfolgend eine Übersicht aktuel-

ex ante abbilden zu können.

ler Anwendungsbeispiele tangibler und intan-

konzeptuell

geprägten

Ausführungen

gibler Güter an.

Es gilt an dieser Stelle jedoch explizit darauf hinzuweisen, dass entgegen der Vielzahl der

Im Besonderen sollen hierbei zunächst die

bisher dargestellten Ansätze eine differenzierte

Community-Aktivitäten der Lego Group sowie

Betrachtung und Nutzung der, hinsichtlich ihrer

Electronic Arts Inc. (EA) im Falle der Entwicklung des Computerspiels „The Sims“ aufgezeigt

50 51 52

53

Vgl. Dahan/ Hauser 2001, S. 332ff. Vgl. Reid/ de Brentani 2004, S. 171f. Die sog. Fast-PACE (Fast Polyhedral Adaptive Conjoint Estimation) gehört zu den neueren Methoden der Präferenzmessung. Im Kern können hierbei durch adaptive Fragensets und moderne Algorithmen relativ robuste Parameter bei geringerem Befragungsaufwand geschätzt werden, im Vergleich zu den klassischen Ansätzen der Conjoint-Analyse. Vgl. hierzu ausführlich Toubia et al 2003, S. 273ff. Vgl. Spann/Skiera 2003, S. 1310ff.

werden. Eine systematische Zusammenstellung dieser und weiterer Beispiele erfolgt sodann anschließend in übersichtlicher, tabellarischer Form.

150

Abb. 5: Intertemporale Abfolge community-basierter Entwicklungsleistungen

bildet die EA-Community57 den eigentlichen Nuc-

Die Aktivitäten der Lego Group sind hierbei im

leus der Gemeinschaft. Dabei gilt indes deutlich

Hinblick auf community-gestützte Entwicklungs54

prozesse ebenso umfangreich wie fortschrittlich.

hervorzuheben, dass sich der Erfolg des Compu-

So finden sich über alle Phasen des Innovations-

terspiels nahezu direkt aus der Community er-

prozess hinweg zahlreiche Instrumente zur Ges-

gibt,58 da über lokal zu installierende Toolkits die

taltung aktiver Austauschprozesse zwischen den

eigentliche Entwicklungsarbeit der Spielewelt über

Usern. Neben Foren, Messageboards und Com-

alle User hinweg erfolgt. Die User sind zugleich

munity-Blogs sind ebenso Club-Pages verfügbar,

über eine Exchange Schnittstelle miteinander

auf denen aktive Mitglieder ihre eigene, communi-

vernetzt und können aus dem Spielgeschehen

ty-basierte Homepage einrichten können. Zahlrei-

heraus Objekte und Designs anderen Usern zur

che Videos von speziellen Lead-Usern, sog. Lego

Verfügung stellen, die wiederum durch die Com-

55

Certified Professionals, finden sich auf den In-

munity bewertet und ggf. „awarded“ werden kön-

ternetseiten und motivieren gleichsam zur Nut-

nen. Entwickler-Blogs und Offline Events tragen 56

zung des CAD-Toolkits „Lego-Digital-Designer“.

zusätzlich zur Vernetzung der Community bei und

Die damit entworfenen Objekte können anschlie-

erhöhen die ohnehin hohe Bindungsqualität zwi-

ßend unmittelbar an Lego gesandt, im Shop an-

schen bestehenden sowie potentiellen Mitentwick-

geboten sowie in der Community diskutiert wer-

lern und Electronic Arts.

den. Insgesamt schafft die Lego Group mit ihren

Im Anschluss an diesen kurzen Zusammenschnitt

umfangreichen community-basierten Interaktions-

der beiden Anwendungsbeispiele sei nun eine

optionen somit eine breite Basis für community-

extensive Darstellung weiterer Praxisbeispiele

getriebene Entwicklungsprozesse.

vorgenommen. Hierbei wird zunächst in tabellari-

Im Falle von „The Sims“ findet sich demgegen-

scher Form eine knappe Kurzbeschreibung voll-

über eine ebenso komplexe wie umfangreiche

zogen, woran sich eine Abgrenzung der Prozess-

Community-Struktur. Neben zahlreichen Fansites

phasen, den eingesetzten Methoden sowie deren ökonomischer

54 55 56

Vgl. Schultz/ Hatch 2003, S. 8. Vgl. Lego Group 2007a. ebenda.

57 58

151

Konsequenz

Vgl. Electronic Arts Inc. 2007. Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 240.

anschließt.

Unternehmung

59

60

61

62

User als Promotoren der lateralen Diversifikation (Becks Lifestyle, Fashion, Musik) steigende User-Zahlen und Hit-Rates; über Logo-Entwicklung hinausgehende Effekte jedoch spekulativ und nicht belegt

User Designs, Toolkit (online) sowie anschließende Workshops

Ideenwettbewerb

Ideenwettbewerb (via Online Toolkit und/oder userspezifische Applikationen)

Ideenwettbewerb

Ideenwettbewerb

Ideen- und Designwettbewerb zur Generierung neuer MotivVorlagen

„Beck’s it!“ Designwettbewerb

(Open) Logo Designwettbewerb

Erschließung neuer Goldvorkommen

Vgl. Lego Group 2007b. Vgl. Prügl/ Schreier 2006, S. 240. Vgl. Füller/ Mühlbacher/ Rieder 2003, S. 40. Vgl. Tapscott/ Williams 2006, S. 9.

152

Initiative „Innovate with Kraft“ (Ideenwettbewerb hinsichtlich neuer Produkte, Prozesse und Verpackungen)

nicht bekannt; es fehlt jedoch Vernetzung zu existierenden Kraft-Communities (z. B. über bereits bestehende „My Recipe Exchange“)

Identifikation 110 neuer Goldvorkommen 62 und zunehmende Marktkapitalisierung

Generierung 263 neue Designs sowie Erfassung neuer Trends (z. B. TierMotive)61

weltweit erfolgreichstes Computerspiel60

User Designs, Toolkits, Conventions und spez. Workshops

Inventionen und neue Produktlinien / -varianten;59 Cross-Selling via Lego Mindstorms

ökon. Konsequenz / wirtsch. Erfolg

Entwicklung innovativer Spielobjekte

Methoden User Designs, Toolkits (offline), Lead-User-Integration

Prozessphasen

Identifikation 110 neuer Goldvorkommen und zunehmende Marktkapitalisierung62

Produktentwicklung via CADToolkits und systematische Lead-User-Entwicklung

Kurzbeschreibung

Inventionen und neue Produktlinien /-varianten;59 weltweit erfolgreichstes Computerspiel60 Generierung 263 neue Designs sowie Erfassung neuer Trends (z. B. Tier-Motive)61

Die deskriptiv orientierte Übersicht der Fallbei-

und virtuelle Gemeinschaften hierbei ein mögli-

spiele fällt somit erwartungsgemäß heterogen

ches Instrument darstellen, zur Verwirklichung

aus und bestätigt sogleich die Tendenz der häu-

intensiver Kundenbindung und somit ceteris

fig nur mäßigen Nutzung community-basierter

paribus längerfristigem Markterfolg.

respektive interaktiver IuK-Technologien.

63

Es

4

gilt darüber hinaus zusätzlich im Besonderen zu

Revision moderner Produktentwicklungsprozesse durch

beachten, dass eine aktive Nutzung von Com-

Virtual Communities

munities im Rahmen der Produktentwicklung nicht mit temporär stattfindenden Ideen- oder

Nachdem nun aus insbesondere prozessorien-

Designwettbewerben gleichzusetzen ist. Denn

tierter Perspektive eine Untersuchung communi-

es wird hierbei nicht an den Potentialen einer

ty-basierter Innovations-potentiale nebst prakti-

vernetzten Community angesetzt, sondern viel-

kabler Umsetzung anhand der zuvor dargestell-

mehr eine kurzfristig orientierte Abschöpfung

ten Unternehmensbeispiele erfolgte, schließt

geistigen Eigentums vollzogen und somit gleich-

sich nunmehr eine kritische wie differenzierte

sam die Fülle an weiteren Erfolgspotentialen

Rück- und Vorschau zum Betrachtungsobjekt

virtueller Gemeinschaften vertan. Darüber hin-

virtueller Communities in der Produktentwick-

64

aus sei entgegen empirischer Ergebnisse

lung an und beschließt gleichsam vorliegenden

an-

Beitrag.

gemerkt, dass die kommerzielle Orientierung von jeweiligen Nachfragern und Community-

4.1 Diskurs zur Anwendungseignung virtuel-

Mitgliedern als potentiell nicht zu vernachlässi-

ler Communities in der Produktentwick-

gende, moderierende Variable berücksichtigt

lung

und zwischen verschiedenen Branchen differenDie bisherigen Ausführungen machten letztlich

ziert betrachtet werden sollte. So eröffnen die

eines besonders deutlich: die markt- und be-

jeweiligen Anbieter, insbesondere im Fall physi-

trieblichen Bedingungen moderner Unterneh-

scher Konsumgüter, in steigendem Maße die

mungen verändern sich zusehends. Technologi-

Option der Angebotseinstellung auf entspre-

sche

chenden Shop-Seiten sowie die etwaige Auslo-

Transformationsprozesse,

dynamische

Konkurrenzgefüge und die Genese eines bis

bung spezifischer Produktideen. Problematisch

dato unbekannten Consumer Empowerments

ist hierbei jedoch ebenfalls die z. T. praktizierte

forcieren gleichsam die implizite Notwendigkeit

Aberkennung von Verfügungsrechten sowie

einer adäquaten Reaktion und Anpassung des

oftmals der Abtretung aller Ansprüche geistigen

betrieblichen Managements. Doch so stellt sich

Eigentums.

mithin die Frage, welchen Beitrag virtuelle Zusammenfassend zeigt die kompakte Über-

Communities hierbei zu leisten imstande sind.

sicht derzeitiger Anwendungsbeispiele, dass

Einerseits zeigte sich, dass eine Integration und

sich infolge community-basierter Entwicklungs-

Zusammenarbeit mit virtuellen Communities

gemeinschaften insbesondere für diejenigen

entlang aller Phasen des Innovationsprozesses

Unternehmungen bedeutsame Vorteilspotentiale

explizite Vorteilspotentiale eröffnet.65 Die effi-

realisieren lassen, die sich in Märkten stetig

ziente Absorption nur schwerlich zugänglicher

steigender Wettbewerbsintensität bei gleichzei-

„sticky information“, die Reduktion hoher Misser-

tiger Multioptionalität der Konsumenten befinden 63 64

folgsraten in Innovationsprozessen bei gleich-

Vgl. Prandelli/ Verona/ Raccagni 2006, S. 124. Vgl. Franke/ Shah 2003, S. 158ff.

65

153

Vgl. Paustian 2001, S. 15.

zeitiger Erhöhung des individuellen Bedürfnis-

onsbereiche stärker als zuvor hin zu einem inte-

Leistungs-Fit mit Hilfe von User Designs und

grativen Entwicklungsprogramm auszu-richten,67

spezieller Toolkits, die Realisierung erhöhter

da Programmierer von Plattformen und Toolkits

Kundenloyalität oder die breite, community-

die technische Machbarkeit mit den Mitarbeitern

getriebene Diffusion neuer Produkte waren hier-

der Produktion abstimmen müssen, zugleich gilt

bei lediglich ein Ausschnitt dieser Möglichkeiten.

mit den Abteilungen des operativen Marketing zu prüfen, welche Schnittstellen mit der Unter-

Doch wäre eine ausschließliche Fokussierung

nehmung rückgekoppelt werden (z. B. direkte

dieser Potentiale ebenso einseitig, wie den Er-

Preisausgabe i. S. d. Pricing oder ad hoc Selek-

folg der Unternehmung gefährdend. Denn ob-

tionsmechanismen zur Bildung innovativer User-

gleich jene dargestellten Methoden eine z. T.

Cluster) und letztlich Rechtsabteilungen, welche

effiziente Option bieten, konsumentenorientierte

die Freigabe des unternehmensinternen und

bzw. konsumenteninduzierte Produkte zu entwi-

Nutzung des userspezifischen, externen geisti-

ckeln, so fallen dennoch zu Beginn nicht uner-

gen Eigentums beurteilen müssen. Andererseits

hebliche Suchkosten an, im Hinblick auf die

ist jenes interne, funktional orientierte Schnitt-

Auswahl adäquater Communities und deren

stellenmanagement ebenso an den externen

User, es werden zugleich Personalkapazitäten

Schnittstellen der Community auszurichten. Die

und betriebliche Ressourcen gebunden sowie

Community insgesamt, nicht nur aus techni-

oftmals hohe Investitionen66 in die jeweiligen

scher Sicht, bedarf hierbei der stetigen Pflege,

technischen Infrastrukturen notwendig. Darüber

des Monitorings und der Analyse von Content-

hinaus stehen vermeintlich geringeren Entwick-

Informationen sowie Motivation besonders wert-

lungskosten neben anfallenden Investitionen

voller Mitentwickler. Darüber hinaus sind techni-

zusätzlich erhöhte Koordinations- und Abstim-

sche, methodische und funktionale Kompeten-

mungskosten im Entwicklungsprozess gegen-

zen wiederum um motivatorische Aspekte der

über. Unternehmungen sehen sich somit zu-

betrieblichen Mitarbeiter aus formeller wie in-

sammenfassend einem zu Beginn beträchtli-

formeller Hinsicht zu prüfen. So gilt es ebenfalls

chen Unsicherheitsfaktor gegenüber. So stehen

bewährte Unternehmensstrategien, die Bedeu-

den zu leistenden Investitionen und erhöhten

tung der betrieblichen Kultur und Struktur auf die

Aufwendungen ein nur schwerlich abschätzba-

notwendige Kongruenz dieser neuen Anforde-

rer Erfolg und eben genannte Vorteilsdimensio-

rungen und eines etwaigen Veränderungsma-

nen entgegen. Zu berück-sichtigende Schnitt-

nagements zu hinterfragen.68 Interne Wider-

stellenaspekte werden daher nun nachfolgend in

stände i. S. d. „not-invented-here Syndroms“69

abschließender Weise betrachtet.

sind dabei insbesondere in den frühen Phasen 4.2 Anforderungen und Implikationen für das

der Entwicklungsarbeit zu prüfen und Lösungs-

betriebliche Schnittstellenmanagement

strategien abzuleiten. Dieser grundsätzliche

Falls nun infolge spezifischer Kooperationsgefü-

Gedankengang manifestiert sich ebenso in der

ge mit virtuellen Communities letztlich steigende

Umgestaltung derzeitiger Unternehmensfunktio-

Abstimmungs- und Koordinationskosten resultie-

nen. So ist es u. a. eine Konsequenz der vorhe-

ren, hat dies wiederum fundamentale Konse-

rigen Beschreibungen, dass Unternehmungen

quenzen für die Organisation der Unterneh-

wie Procter & Gamble ein Rebranding bisheriger

mung. So sind einerseits die jeweiligen Funkti-

67 68

66

69

Vgl. Franke/ Piller 2003, S. 584.

154

Vgl. Lagrosen 2005, S. 431. Vgl. Wecht 2006, S. 126ff. Vgl. Katz/ Allen 182, S. 7.

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