Vokalismus

January 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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1. Das Grimmische Gesetz, Akzentverschiebung. Zu den wichtigsten Neuerungen im phonologischen System des Urgermanischen gehцren die Akzentverschiebung und die I. germanische Lautverschiebung. 1) Die erste oder germanische Lautverschiebung ( das Grimmsche Gesetz ) ist ein durchgreifender Wandel im Konsonantensystem, Diese phonetische Erscheinung wurde 1882 von dem deutschen Wissenschaftler Jakob Grimm erforscht. Unter dem Terminus " Verschiebung " verstand J. Grimm die teilweise Verдnderung der Artikulationsstelle der indoeuropдischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (Explosivlaute ). Man unterscheidet drei Akte in der I. germanischen Lautverschiebung : - 1. Die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden im Urgermanischen zu stimmlosen Frikativlauten f, p, h; z.B. lat. pater - ahd. fater. - 2. Die i/e stimmhaften Explosivlaute b, d, g wurden im Urgermanischen zu stimmlosen p, t, k, z.B. lat. duo, русс. два- got. twai, e. two lat. jugum, русс. иго - got. juk, aisl. ok "Joch " - 3. Die i/e stimmhaften behauchten Explosivlaute bh, dh, gh wurden im Urgermanischen zu stimmlosen unbehauchten Frikativlauten ( b, d, g.) oder zu stimmhaften unbehauchten Explosivlauten b, d, g, dh. bh> b> b, dh> d> d, gh>g> g z. B. : sanskrit= ai. bhratar, русс. брат - got. bropar, as. brothar, e. brother, ahd. bruodar Eine wichtige Neuerung des Urgermanischen war auch der Wandel der Akzentverhaltnisse. Das Indoeuropдische hatte einen freien, beweglichen Akzent. DaЯ auch das дlteste Urgermanisch einen freien Akzent haben muЯte, geht aus dem Vernerschen Gesetz hervor. Doch vermutlich noch wдhrend des Ablaufs der germanischen Lautverschiebung hat sich im Urgermanischen der Ьbergang zur Anfangsbetonung vollzogen, die alle altgermanische Sprachen aufweisen ( haben ). Die Festlegung des Akzents auf die erste ( Wurzel -)silbe des Wortes hatte weitgehende Folgen fьr die weitere Entwicklung des phonologischen Systems und der morphologischen Struktur der germanischen Einzelsprachen. Die Festlegung des Akzents auf die erste Silbe fuhrte im Deutschen : - zu der Abschwдchung der verschiedenen unbetonten Vokale zu [ 8 ] - zu der Reduzierung der Silbenanzahl in der Wortstruktur, zu der Vereinfachung der Kasusflexionen der Substantive und der Personalendungen der Verben. Beispiele fьr die Abschwдchung der unbetonten Vokale ahd. machota > mhd. machete nhd. machte. 2. Phonologische Merkmale des deutschen Konsanantismus. Es können im deutschen Vokalismus fünf phonologische Merkmale differenzierend wirken: 1) lang / kurz (reine Unterschiede in der Quantität), 2) geschlossen lang / offen kurz (Gegensätze in Qualität und Quantität zugleich), 3) gleitend / nicht gleitend (Gegensätze in veränderlicher und unveränderlicher Qualität), 4) gerundet / ungerundet (Gegensätze in der Lippenartikulation, die Gegensätze in der Qualität zur Folge haben), 5) kompakt / diffus (Gegensätze, die sich durch verschiedene Resonanzräume mit verschiedenen Eigentönen ergeben). Durch reine Quantität — 1ang /kurz —sind zwei Oppositions-paare differenziert: [a:] — [a] und [ε:] — [ε]. Vgl. [∫ta:t] Staat — [∫tat] Stadt, ['∫tε:lən] stählen — ['∫tεlən] stellen.Sechs

Oppositionspaare unterscheiden ihre Glieder durch das differenzierende Merkmal geschlossen lang / offen kurz: [i:] — [i]: ['mi:tə] Miete — ['mitə] Mitte [у:] — [ү] ['fy:lən] fühlen — ['fүiən] füllen [e:] — [ε]: [be:t] Beet —[bεt] Bett [ø:] — [œ]: ['h ø:lə] Höhle —['hœla:] Hölle [u:j — [υ]: [mu:s] Mus — [mυs] muß [ o: ] — [‫]כּ‬: ['zo:nə'] (dem) Sohne — ['z ‫כּ‬n ə] Sonne. Durch das differenzierende Merkmal g1eitend/nicht gleitend können voneinander Diphthonge und ähnlich klingende Monophthonge unterschieden werden: [ae] — [a:]: [kaen] kein — [ka:n] kahn [ao] — [a:]: [kaom] kaum — [ka:m] kam [oø] — [о:]: [boøtə'] Beute— ['bo : tə'] Boote Das differenzierende Merkmal gerundet / nicht gerundet dient zur Unterscheidung der Glieder folgender Oppositionspaare: [y:]— [i:]: ['tsy:gə'] Züge — ['tsi:gə'] Ziege [ү] — [i]: ['kүsən] küssen — ['kisən] Kissen

[ø:] — [e:]: ['lø:zən] lösen — ['lе:zən] lesen

[œ] '—[ε]: ['kœnən] können — ['kεnən] kennen Außerdem entstehen vokalische Oppositionspaare durch verschiedene Resonanzräume mit verschiedenen Eigentönen. Man spricht dann von dem differenzierenden Merkmal kompакt/diffus. Das Merkmal kompakt entsteht dadurch, daß die Eigentöne (Formanten) eines Vokals eng (kompakt) beieinander liegen. So hat das deutsche [a:] z. B. drei Formanten, die ihrer Höhe nach nicht weit voneinander entfernt sind: 1) 600—840, 2) 960— 1200, 3) 1792—2012 Hz. Dagegen sehen wir einen großen Unterschied zwischen den Formanten des diffusen deutschen [i:]: 1) 220—360, 2) 1100—1320, 3) 3040—3400 Hz. Besonders merkbar ist deshalb das Merkmal kompakt/diffus bei dem Oppositionspaar [a:] — [i:] (Zahl — Ziel) und bei [a] — [i] (Last — List). In geschwächter Form kommt dieses differenzierende Merkmal in folgenden Oppositionspaaren vor: [a:] —[e:]: ['ra:bə'] Rabe — ['rе:bə'] Rebe

[i:]— [e:]: [vi:r] wir — [ve:r] wer

[a] — [ε]: ['hatən] hatten — ['hεtən] hätten

[Ι] — [ε]: [∫liçt] schlicht — [∫lεçt] schlecht

[a:] —[u:]: [fa:r] fahr —[fu:r] fuhr

[u:] — [o:]: [gru:s] Gruß — [gro:s] groß

[a] —[υ]: [vaxt] Wacht —[vυxt] Wucht

[υ] — [‫]כּ‬: [hυlt] Huld —[h‫כּ‬lt] hold

[a:]— [o:]: [va:l] Wahl — [vo:l] Wohl

[e:] — [ε]: ['bе: rən] Beeren — ['bε: rən] Bären

[a] — [‫]כּ‬: [kam] Kamm — [k‫כּ‬m] komm

3. Das Vernersche Gesetz. Dieses Gesetz, indem es als eine Art Einschränkung für Grimmsches Gesetz gilt, wurde vom dänischen Linguisten Karl Verner im Jahre 1875 entdeckt. Es besagt Folgendes: Die germanischen stimmlosen Reibelaute [f], [Ċ], [μ] wurden, ebenso wie der stimmlose Reibelaut [s], unter bestimmten Bedingungen zu den stimmhaften Reibelauten [ė], [ñ], [˱] bzw. [z] und fielen so mit den aus indoeuropäischen [b h ], [d h ], [η h ] entstandenen [ė], [ñ], [˱] zusammen. Dieser Vorgang trat ein, wenn ein dem Verschiebelaut unmittelbar vorausgehender Vokal im Indoeuropäischen nicht den Akzent trug. Lag der Akzent unmittelbar auf einem vorausgehenden Vokal, blieben dieLaute stimmlos. [f] > [ė] – GOT. Ďarf [εarf] ‘(ich) brauche’ – Ďarba [┐εarba] ‘Bedarf’; [þ] > [ñ] – SS. pitár – AGR. pătŵr ( p¼t/r ) – (L. páter) – G. *faĎár > *fadár – GOT. fadar (fáñar) [faðar] – AE. fæder [fæder]; GOT. alĎeis [alερs] – alds [alds] ‘alt’; [μ] > [˱] – L. socrūs – GwR. свекрóвь – GOT. swaíhro [sňΣhro] – AHD. swigur [sňigur] ‘Schwiegermutter’ – AE. sweŲer [sňejer]. [s] > [z] (> [r] in germanischen Sprachen bis auf Gotisch) – L. *ausis > auris – GwLI. ausis – GOT. auso [ʯso] – AHD. ōra [πra] ‘Ohr’ – AE. Ēare [ςare] ‘ear’. Schematisch kann das Vernersche Gesetz wie folgt veranschaulicht werden: 1) ∩ f ↕, ∩ Ċ ↕, ∩ μ – (stl.) > ∩ f ↕, ∩ Ċ ↕, ∩ μ ↕ (stl.); 2) ↕ f ∩, ↕ Ċ ∩, ↕ μ ∩ (stl.) > ↕ ė ∩, ↕ ñ ∩, ↕ Ė ∩ (sth.); 3) ∩ ↕ f ↕, ∩ ↕ Ċ ↕, ∩ ↕ μ ↕ (stl.) > ∩ ↕ ė –, ∩ ↕ ñ ↕ , ∩ ↕ Ė ↕ (sth.). 4. Begriff des Phonems. Der Phonembegriff ist nur im Zusammenhang mit der Zweiteilung in Sprach- und Redesystem nur auf künstliche Weise getrennt werden kann, so ist das Phonem – die kleinste Einheit des Sprachsystems von dem kleinsten Element des Redesystems theoretisch zu scheiden. Unter Phonem verstehen wir einen Sprachlaut mit differenzierender Funktion, der aus der Rede, in welcher er in vielen situativ bedingten Varianten auftritt, herausgelöst werden kann. An jedem Phonem ist eine materielle und eine funktionale Seite zu unterscheiden. Das Phonem ist nur insofern eine Abstraktion, inwiefern aus der Gesamtheit der konkreten Zusammenhänge in der Rede herausgelöst ist Die Varianten eines Phonems sind positionsbedingte Äußerungen eines einheitlichen Sprachlautes mit differenzierender Funktion. Jede Variante ist Vertreter eines Phonems und deshalb funktional wirkbar in Bezug auf die Vertreter eines anderen Phonems. Alle Varianten eines Phonems haben eine äquivalente Funktion und einen einheitliche physiologisch-akustische Eigenschaften in starken Positionen. In den schwachen Positionen können die Varianten eines Phonems mit Varianten eines anderen Phonems zusammenfallen, neutralisiert werden, wie z.B. das d in Rad mit in Rat.

Die Selbstständigkeit der Phoneme einer Sprache wird durch Oppositionspaare bestimmt. So zeigt z.B. die Opposition Fall- fahl, dass Länge/ Kürze im Deztschen differenzierende Merkmale sind und deshalb a und a als selbständige Sprachlaute mit differenzierender Funktion, d.h. als Phoneme gelten.Nur durch Verallgemeinerungen kommt man zum Begriffen wie Stimmhaftigkeit/ Stimmlosigkeit. Reell existieren nur konkrete Laute mit konkreten differenzierenden Merkmalen, die auf materielle Weise erzeugt werden. Zum Phonem gehört sein volles Klangbild, aus dem die differenzierenden Merkmale herausgeschält werden können. Zur Bestimmung der Varianten eines Phonems, die ausschließlich in schwachen Positionen auftreten, ist nicht unbedingt ein Vergleich von Morphemen in verschiedener Position nötig. Es genügt ein Vergleich von ähnlich lautenden Silben.

5. Die morphologische Struktur des Althochdeutschen. Das Althochdeutsche bleibt wie das Urgermanische eine flektierende Sprache. Sein morphologisches System evoluiert ziemlich langsam und bewahrt die meisten Kennzeichen des Urgermanischen. Substantiv. Das Substantiv bewahrt im Althochdeutschen die grammatischen Kategorien des Genus, des Numerus und des Kasus Gemeinindoeuropäische Charakterzüge der Flexion der Substantive im Althochdeutschen sind: 1. die durch die ide. Stammbildung bedingte Vielfalt der Deklinationstypen der Substantive: 1. Vokalische Stämme: a-Deklination (m. tag 'Tag', kuning 'König'; n. wort 'Wort', houbit 'Haupt' u. a.) ja-Deklination (m. hirti 'Hirt'; n. kunni 'Geschlecht' u. a.) wa-Deklination (m. sneo 'Schnee'; n. kniu 'Knie' u. a.) i-Deklination (m. gast 'Gast', scrit 'Schritt'; f. kraft 'Kraft', fart 'Fahrt', 'Wanderung' u. a.) « o-Deklination (f. erda 'Erde', zala 'Zahl', geba 'Gabe' u. a.) jö-Deklination (f. suntea 'Sünde', redia, reda 'Rede' u. a.) II. Konsonantische Stämme: n-Deklination (m. namo 'Name', garto 'Garten', boto 'Bote'; n. herza 'Herz', ouga 'Auge', öra 'Ohr'; f. zunga 'Zunge', sunna 'Sonne', wituwa 'Wit¬we' u. a.) nt-Deklination (m.friunt 'Freund', substantiviertes Partizip zu got. friön iie-ben', fiant 'Feind' zu fien 'hassen', heilant 'Heiland' zu heilan 'heilen', 'retten') r-Deklination (m. bruoder 'Bruder',fater 'Vater'; f. muoter 'Mutter', tohter 'Tochter', und andere Verwandtschaftsnamen) Ir-Deklination (n. lamb 'Lamm', kalb 'Kalb', huon 'Huhn', blat 'Blatt' u. a.) III. Wurzelnomina, d. h. Substantive, deren Stamm kein stammbildendes Suffix hatte: (fem. bürg 'Burg', naht 'Nacht', brüst 'Brust' u. a.; masc. man 'Mann', 'Mensch') 2. die enge Verflechtung von Genus und Stammbildung 3. der synkretische Ausdruck von Kasus und Numerus in einem Flexionsmorphem: ahd. tag 'Tag' Sg. N. tag- PI. N. tag-ä(-a) G. tag-es G. tag-o D. tag-e D. tag-um A. tag- A. tag-ä (-a) I. tag-u {-o) Die beginnende Umwandlung des Flexionstyps hängt mit der in allen indoeuropäischen Sprachen fortschreitenden Verwitterung der stammbildenden Suffixe der Substantive zusammen. Im Althochdeutschen ist dieser Prozess schon so weit gediehen, dass die stammbildende Suffixe den Status eines selbständigen Morphems verlieren. Sie verschmelzen mit den Kasusendungen des Substantivs oder verschwinden ganz. Somit weicht die dreimorphemige Struktur der ide. und urgerm. Kasusform einer vereinfachten zweimorphemigen Struktur der Kasusform: Stamm 1

Stamm 2 3

1

2

Wurzelmorphem + stammbildendes + Flexion > Wurzel+ Flexion Suffix morphem Vgl. dazu die Deklination des Substantivs ahd. tag. 'Tag' (s. o.). Das stammbildende Suffix ist hier nur im N. A. PI. erhalten geblieben, indem es die Kasusendungen N. -s, A. -ns verdrängt und ihre Funktion übernom¬men hat. Trotz der Verwitterung der stammbildenden Suffixe und der Verein¬fachung der Struktur der Kasusform bleibt der Einfluss der ide. Stammbildung auf die Flexion der Substantive im Althochdeutschen noch sehr stark. Ein Rest der stammbildenden Suffixe sind nicht nur die Kasusen¬dung des N. A. PI. der a-Deklination ahd. tag-ä(-a), sondern auch die des N. A. PI. der /-Deklination ahd. gest-i. Im N. A. Sg. behalten das alte stammbildende Suffix-w die ehemaligen !/-Stämme ahd. sunu 'Sohn', situ 'Sitte', fridu 'Frieden' u. a., doch wird hier das -u ebenfalls zur Kasusen¬dung umgedeutet. Auch die stammbildenden Suffixe ja-, wa- sind noch erhalten. So erscheint; als i im Wortauslaut N. A. Sg. hirt-i, das im Paradigma neben G. hirt-es, D. hirt-e, I. hirt-iu, -u auch als Kasusendung empfunden wird. Der Halbvokal w erscheint intervokalisch in allen Kasusformen in ahd. sneo 'Schnee' seo 'See' u. a., z. B. N. A. Sg. sneo, G. sne-w-es, D. sne-w-e, doch wird sne-w-es im Lichte des gesamten alt¬hochdeutschen Deklinationssystems zu snewes umgedeutet. In allen obliquen Kasus bewahren das alte stammbildende Suffix -n, das ebenfalls zur Kasusendung umgedeutet ist, auch die Substantive der /j-Deklination. Vgl. die Kasusformen des Substantivs ahd. boto 'Bote': N. Sg. boto, G. D. Sg. boten (-in), A. Sg. boton (-im), N. A. PI. boton (-un), G. PI. botöno, D. PI. botöm. Auf den nachhaltigen Einfluss der ide. und urgerm. Stammbildung ist nicht nur die Vielfalt der althochdeutschen Deklinationstypen zurückzuführen, sondern auch viele Eigenheiten der Formenbildung der Substantive in der deutschen Gegenwartssprache wie die sog. „schwache" Deklination der Substantive, die auf die altgermanische «-Deklination zu-j rückgeht, die Vielzahl der Pluralsuffixe, die ungleichmäßige Verteilung des Umlauts in den Pluralformen der Substantive (Tag - Tage, Gast -Gäste). (Näheres s. S. 221) Ein neuer Entwicklungsansatz im Bereich des Substantivs ist die im Althochdeutschen beginnende Entwicklung des Artikels. Es handelt sich dabei um die Herausbildung einer neuen grammatischen Kategorie des Substantivs, der Kategorie der Bestimmtheit und der Unbestimmtheit und um diej Einbeziehung des Artikels in das Paradigma des Substantivs, was ein erstes Element des analytischen Sprachbaus im Deutschen ist. Diese Prozesse kom men aber erst im Spätalthochdeutschen und im Mittelhochdeutschen zur vollen Geltung; Adjektiv. Pronomen. Das Althochdeutsche bewahrte die reich entwickelte Flexion der Pronomen und der Adjektive, die für das Ide. und das Urgerm. charakteristisch war, sowie die doppelte (starke / schwache) Deklination der Adjektive, eine Neuerung der urgermanischen Zeit.). Verb. Das Verb bewahrt im Althochdeutschen im wesentlichen den urgerm. Entwicklungsstand der grammatischen Kategorien und den Flexionstyp (vgl. S. 44 f.). Gemeinindoeuropäische Charakterzüge der Verbalflexion im Althochdeutschen sind: 1. die Stammbildung mit Hilfe von stammbildenden Suffixen. Eines davon ist der sog. Themavokal im Präsensstamm der starken Verben, der die dreimorphemige Struktur der Präsensformen der einfachen starken Verben bedingt: Präsensstamm 1 2 3 Wurzel- + Suffix des Präsens+ Flexion (Personalendung) morphem Themavokal

Vgl. die Konjugation des Verbs ahd. bintan ahd. bintan 'binden' Präsens Singular Plural 1. bint-u bint-a-mes 2. bint-i-s(t) bint-et 3. bint-i-t bint-a-nt Ein stammbildendes Suffix haben auch die schwachen Verben, z. B. ahd. (lag-e-m '(ich) schweige', ahd. salb-6-m '(ich) salbe', ahd. salb-ö-ta '(ich) salbte', gi-salb-ö-t 'gesalbt' (s. § 43). 2. die aus dem Ide. ererbten Flexionsmorpheme. Vgl. die ide. Personal-cndung I. Sg. *-mi im ahd. bi-m '(ich) bin', tuo-m '(ich) tue', ge-m '(ich) gehe',ste-m '(ich) stehe', bib-ö-m '(ich) zittere', salb-ö-m '(ich) salbe'. Auch die anderen Personalendungen weisen weitgehende Übereinstimmung mit den ide. Personalendungen auf. Desgleichen die Suffixe der Partizipien, das Suffix des Optativs / Konjunktivs (vgl. S. 45). Das Althochdeutsche bewahrt auch die Neuerungen aus der urgermanischen Zeit. Gemeingermanische Neuerungen in der Verbalflexion, an denen das Althochdeutsche festhält, sind: 1. die regelmäßige Verwendung des Ablauts als Bildungsmittel der Tempuslormen starker Verben. Das Althochdeutsche hat 7 Klassen von starken Verben, die an die 150 einfache starke Verben und dessen zahlreiche Derivate umfassen; 2. die weitausgebaute schwache Konjugation der Verben. Das Althochdeutsche hat 3 Klassen von schwachen Verben. Im wesentlichen stimmen auch die grammatischen Kategorien des Verbs im Althochdeutschen mit denen des Urgermanischen überein. Doch sind einige für das Urgermanische rekonstruierte kategorielle Formen des Verbs im Althochdeutschen nicht nachweisbar. Zugleich beginnt im Althochdeutschen die Herausbildung neuer kategorieller Formen. Das althochdeutsche Verb besitzt die Kategorien der Person, des Numerus (Singular Plural), des Tempus (Präsens - Präteritum), des Modus (Indikativ - Imperativ - Optativ / Konjunktiv). Das Mediopassiv, das im Urgermanischen Gegenglied zum Aktiv im Rahmen der Genera verbi war, fehlt im Althochdeutschen. Dafür beginnt im Althochdeutschen wie in den meisten germanischen Sprachen die Entwicklung des analytischen Passivs. Im Spätalthochdeutschen beginnt auch die Entwicklung der analytischen Vergangenheitstempora (Perfekt, Plusquamperfekt). Das Mittelhochdeutsche verwendet das analytische Passiv sowie die analytischen Vergangenheitsformen schon ganz regelmäßig. Ihre Einbeziehung in das Paradigma des Verbs hat entscheidende Bedeutung für die Umwandlung des synthetischen Sprachbaus des Althochdeutschen in den kombinierten, synthetisch-analytischen Sprachbau der deutschen Gegenwartssprache. 6. Grenzstellung des Phonems. Am Ende der phonetischen Silbe werden die stimmhaften Geräuschlaute stimmlos. Dieses sog. Auslautsgesetz gilt in der deutschen Sprache als absolut. Auf diese Weise entstehen stimmlose Schattierungen der stimmhaften Phoneme z.B. |haos| Haus, vgl. |hoйzer| Häuser, |metcen| Mädchen

Im Russischen werden die stimmhaften Geräuschlaute am Ende der Silbe nicht immer stimmlos, vgl. z.B. (koxtи) koгти, (кагда) когдa. Im Russischen werden die stimmhaften Geräuschlaute am Ende der Silbe und des Wortes nur dann stimmlos, wenn sie nicht vor einem stimmhaften Geräuschlaut der folgenden Silbe oder des folgenden Wortes stehen. Im Wortanlaut unterscheiden sich die deutschen stimmhaften Geräuschlaute auch etwas nach ihrer Qualität von den deutschen stimmhaften Geräuschlauten mitten im Wort. Wenn man z.B. das Wort dann spricht, so ist der Anfang des Konsonanten |d| stimmlos, weil die Stimmbänder mit einer kleinen Verspätung zu vibrieren beginnen. Dagegen ist das |d| im Wort edel ganz stimmhaft, denn es steht zwischen zwei "stimmhaft Halb stimmhaft klingen die deutschen stimmhaften Geräuschlaute im Wortanlaut, wenn das entsprechende Wort isoliert gesprochen wird, im Satz nach einer Pause und im Sprechtakt nach einem stimmlosen Konsonanten, z.B. Die 35 Sache mit Kneisel war also schon in der ganzen Klasse bekannt geworden (J.R.Becher)

7. Die Althochdeutsche Lautverschiebung. Im Bairischen und Alemannischen wird diese seit dem 6. Jh. registriert. Unter der 2. (althochdeutschen) Lautverschiebung werden folgende phonetische Änderungen verstanden: 1) Der Übergang der stimmlosen Verschlusslaute [p], [t], [k] in die stimmlosen Spiranten [f], [ʼn], [h], die nach dem kurzen Vokal und ch verdoppelt werden – ff, ₣₣, hh, z.B.: AS. opan – AHD. offan; GOT. brikan – AHD. brehhan. 2) Der Übergang der stimmlosen Verschlusslaute [p], [t], [k] in die Affrikaten [pf]/[ph], [ʼn]/[ʼnʼn], [ch]/[kh] im Wortanlaut, in der postkonsonantischen Stellung oder bei Verdoppelung, die sich meist vor dem j vollzieht, z.B.: [t] > [ʼn]/[ʼnʼn]: AFR. GOT. twai – AHD. zwei; GOT. haírtō – AHD. herza; 3) Der Übergang der stimmhaften Verschlusslaute [b], [d], [η] in die entsprechenden stimmlosen Laute [p], [t], [k], z.B.: [b] > [p]: GOT. giban – AHD. kepan; AS. ribba – GwR. ребро – AHD. rippa; [d] > [t]: GOT. aldus – AHD. alt; Als Ausnahme gelten die Konsonantenverbindungen sk, sp, st, tr, ht, ft, in denen stimmlose Verschlusslaute unverändert bleiben. Beispiele dazu: AFR. skelda – AHD. sceltan; GOT. nahts – AHD. naht; AE. cræft – AS. kraft – AHD. craft. In der Konsonantenserie der stimmhaften Explosivlaute [b], [d], [η] wurde von der zweiten Lautverschiebung nur der dentale Konsonant [d] betroffen, der zum stimmlosen [t] geworden ist ([d] > [t]). Die Verschiebung des bilabialen [b] und des postdorsalen [η] ist nur im Oberdeutschen vollzogen: GOT. dags – AHD. tag; AS. dohter – AHD. tochter. Also, das Lautsystem der deutschen Sprache, genauer – das Konsonantensystem – enthält die Spuren zweier Lautverschiebungen: der ersten (germanischen) und der zweiten (althochdeutschen) Konsonantenverschiebung. Solche Konsonanten wie die Affrikaten [Φ] und [Χ] sind nur dem hochdeutschen Konsonantismus eigen, weil sie erst als Resultat der 2. Lautverschiebung entstanden sind. Die Auswirkungen der AHD Lautverschiebung bestehen in Folgendem: In einem großen Teil des gesamten deutschen Sprachgebietes vertiefen sich die zwischen den einzelnen Sprachräumen bereits bestehenden Unterschiede durch deren ungleichartiges Verhalten gegenüber der Lautverschiebung. Zugleich ergab sich eine deutliche Trennung zwischen dem hochdeutschen (HD) und dem von der Lautverschiebung nicht betroffenen niederdeutschen (ND) Gebiet.

Die Grenzlinie (ein Linienbündel) zwischen dem HD und ND, die ik/ich-Linie oder die Benrather Linie (линия Бенрата), hat sich im Laufe der Jahrhunderte wiederholt verschoben. Karte des deutschen Sprachraums: Die obere (dicke) Linie (Benrather Linie) trennt Niederdeutsch von Mitteldeutsch und Oberdeutsch, die untere (dünnere) Linie (MainLinie) trennt Mitteldeutsch von Oberdeutsch. Heute beginnt sie westlich von Krefeld, überschreitet bei Ürdingen den Rhein und verläuft dann weiter in Richtung Wupper – Rothaargebirge – Vereinigung von Fulda und Werra zur Weser – Eichsfeld – Oberharz – Saalemündung – Mündung der Schwarzen Elster – Nordrand des Spreewalds. Der Zeitpunkt des Beginns der AHD Lautverschiebung ist umstritten. Die genaue Datierung stößt auf Schwierigkeiten. Die ältesten Belege stammen aus dem Ende des 6. Jhs und sind mit dem Namen Attila verbunden, demnach gilt heute diese Zeit als Beginn der AHD Lautverschiebung. Gegen 800 u.Z. war sie in ihren Hauptzügen abgeschlossen. 8. Starke Positionen der deutschen Vokalphoneme. Vokale sind reine Stimmtonlaute. Bei ihrer Hervorbringung streift der Luftstrom durch das Ansatzrohr, ohne auf ein Hindernis in Form einer Enge oder eines Verschlusses zu stoßen Deshalb entsteht ein kein Geräusch. Im Ansatzrohr werden mit Hilfe der beweglichen Sprachorgane Resonanzräume verschiedener Form gebildet. Jeder Resonanzraum hat seinen Eigenton und bewirkt einen entsprechenden Klang. Das deutsche Vokalsystem ist ziemlich kompliziert. Es besteht aus 18 Phonemen 15 Monophthongen und 3 Diphthongen. In der Rede tritt jedes Phonem in verschiedenen Varianten auf, wodurch das System noch komplizierter wird. Unter starken Positionen verstehen wir dabei Positionen, in denen das Phonem dem geringsten Einfluss der Umgebung ausgesetzt wird.In den starken Positionen klingen die Phoneme am deutlichsten und bringen ihre physiologisch-akustischen Merkmale am vollständigsten zum Ausdruck.

9. Die Entwicklung des Umlauts. Der Umlaut (Metaphonie) kann im Allgemeinen wie folgt definiert werden: Der Wechsel der Stammvokale, der gewöhnlich durch den Einfluss des Vokals einer folgenden Silbe entsteht und als Mittel der Bildung neuer grammatischer Formen dient. Unter dem Umlaut im AHD versteht man den kombinatorischen Wechsel der Vokale a/e (ä), o/ö, u/ü, au/äu in Stammsilben: Die hinteren Vokale a, o, u, au in den Stammsilben wurden zu vorderen Vokalen Ŧ (ä), ö, ü, äu unter der Einwirkung von i (j) in darauf folgender unbetonter Silbe. Der Umlaut begann bereits in germanischer Zeitperiode, im AHD vollzog er sich um 750 und war im 9. Jh abgeschlossen. Er betraf vor allem das kurze a, das sich zu e umwandelte, z.B.: AHD. gast – gŦsti ‘Gast’ – ‘Gäste’, AHD. lamb – lŦmbir ‘Lamm’ – ‘Lämmer’, AHD. faran – fŦris, fŦrit ‘fahren’ – ‘fährst’, ‘fährt’ u.a. Konsonantenverbindungen hs, ht, rw traten zu dieser Zeit umlaut- verhindernd auf: AHD. maht – mahtig ‘Macht’ – ‘mächtig’, AHD. wahsan – wahsit ‘wachsen’ – ‘wächst’, AHD. garwen – garwita ‘gar machen’. Der Umlaut fehlte noch in solchen Fällen, wo die i und j in unbetonten Silben durch eine oder zwei Silben von dem Stammvokal getrennt waren, z.B. AHD. mágatin ‘Mädchen’, ‘Mägdelein’, AHD. máhal(j)en ‘vermählen’ usw. Dieser frühere Umlaut wird in der deutschen Sprachgeschichte als primäre r Umlaut oder i i- Umlaut bezeichnet 1 . Der im MHD nach der Aufhebung der Hindernisse entstandene Umlaut trägt den Namen sekundärer Umlaut 2 . Seit dem Anfang des 10. Jhs wird der Umlaut des langen ū orthographisch bezeichnet. Er wird iu geschrieben, da zu dieser Zeit der alte Diphthong iu durch Monophthongierung zu [ό] wurde, wobei die alte Schreibung geblieben war. So entstand das neue Phonem [ό], teils durch Monophthongierung des Diphthongs iu, teils durch den Umlaut des langen ū, z.B.: AHD. hūs (Sing.) – hūsir (Pl.) > (seit dem 11. Jh) hiusir[hόsir] > (um die Mitte des 13. Jhs) [hόzir] ‘Haus – Häuser’. 10. Physiologische Merkmale des deutschen Vokalphoneme. Zu den wichtigsten physiologischen Merkmalen des deutschen Vokalsystems gehören folgende Eigenheiten : erstens eine starke Muskelspannung des ganzen Sprechapparats bei der Hervorbringung aller Vokale. zweitens eigenartiger Beginn der Vokale am Anfang der betonten Präfix und Stammsilben) neuer Einsatz, drittens ein eigenartiges Ende der kurzen Vokale starker Absatz; viertens eine vorgerückte Zungenlage bei der Bildung der meisten Vokale. Beim Vergleich des deutschen Vokalismus mit dem russischen weist man gewöhnlich nur auf die starke Muskelspannung der deutschen Vokalphoneme hin.

In der fließenden Rede verändern die deutschen Vokale ihre Qualität gewöhnlich nicht, während die russischen Vokale in allen unbetonten Silben großen qualitativen Veränderungen unterliegen. Das ist ein Beweis für ihre exakte Artikulation, die nur durch eine starke Muskelspannung zu erzielen ist. Geschwächte Muskelspannung führt zu verschiedenen Vorklängen, Nachklängen, Veränderungen der Qualität des Hauptteils der Phoneme usw. Der Unterschied in dem Grad der Muskelspannung lässt sich an solch einer Wortreihe beobachten wie wehen Wetter . Einen besonderen Charakter verleiht den deutschen Vokalen der sog. Neue Einsatz. Mit neuem Einsatz spricht man im Deutschen alla Vokale im Anlaut der betonten Präfix und Stammsilben. Auch bei der isolierten Aussprache der Vokale spricht man sie stets mit dem festen Einsatz. Der neue Einsatz wird von manchen Phonetikern als selbständiger Laut angesehen und als „Knacklaut“ bezeichnet. Vom Standpunkt der Phonologie aus ist weder der neue Einsatz noch der mit stärkerem Sprenggeräusch gebildete Knacklaut ein selbständiges Phonem. Vokale mit dem neuen Einsatz betrachten wir als Schattierungen von den Vokalphonemen in bestimmten Positionen. Die Kürte allein genügt bei der Aussprache der kurzen Vokale nicht. Von besondere Bedeutung ist der eigenartige starke Absatz der deutschen kurzen Vokale. Man spricht deshalb auch von „gestutzten „ Vokalen. In den offenen Silben kann der starke Absatz nur in Ausnahmefällen vorkommen, z.B. Na, da hört ja alle auf! In der geschlossenen Silbe äußert sich der starke Absatz des kurten Vokals darin, dass sich der folgende Konsonant eng an den vorhergehenden kurten Vokal anschließt, z.B. mit, Lust, sitzen. In diesem Fall spricht man von einem festen Anschluss, zum Unterschied von dem losen Anschluss, der im Deutschen nur zwischen langem Vokal und folgendem Konsonanten auftritt) lesen, Miete, reden. Es könnte im deutschen Vokalismus fünf phonologische Merkmale differenzierеnd wirken.

11. Die Konjugation des starken Verben im Prasens (AHD). Im AHD gehörten vier Verben zu der Gruppe der athematischen Verben, die so genannt wurden, weil sie zwischen der Wurzel, und der Flexion keinen thematischen Vokal hatten (während alle anderen Ver-ben dreiteilig waren: Wurzel + Themavokal + Flexion, hatten diese Ver-ben nur eine zweiteilige Struktur: Wurzel + Flexion). 1. Das Verb sīn, wesan‘sein’ (verbum substantivum). Das Paradigma dieses Verbs wird suppletiv aus drei Wurzeln zu-sammengestellt: aus der Wurzel sīn (IE. *es), der Wurzel IE. *bhuund der germanischen Wurzel wesan(vgl. GwR. есть– быть– был). Das Verb wesan war ein regelmäßiges starkes Verb der 5. Ablaut-reihe: AHD. we₣an (wesan) – wa₣ (was)– wārum– (Part. II fehlte im AHD und erschien im MHD gewesen, gesīn). Das heutige Paradigma des Verbs sein hat von dem Paradigma des AHD starken Verbs wesan die präteritalen Formen des Indikativs und des Konjunktivs geerbt: war – wäre – gewesen. Die Wurzel sīn (IE. *es) funktioniert in der 3. Person Sg. und in allen Personen Pl. Indikativ und im Präsens Konjunktiv, die Wurzel IE. *bhuist nur in der 1. und 2. Person Sg. erhalten geblieben.Als Infinitivform dient auch die Wurzel sein (auch in der Ableitung das Sein, daneben existiert auch die alte Infinitivform im Substantiv das Wesen). 2. Die Verben gān– gēn‘gehen’ und stān– stēn‘stehen’. Die kurzen Formen des Infinitivs dieser Verben gān– gēn und stān– stēn dienten zur Bildung des Präsens, wobei zur Bildung aller anderen Formen die vollen Infinitivformen der starken Verben gangan und stantan verwendet wurden: AHD. gangan– gieng– giengum– gigangan(7. Ablaut-reihe); AHD. stantan– stuont– stuontum– gistantan(6. Ablautreihe); Dadurch lässt sich der scheinbare Konsonantenwechsel in verschie-denen Formen dieser Verben im heutigen Deutsch erklären: ich stehe/stand ; stehen – stand – gestanden; ich gehe/ging; gehen – ging – gegangen. 3. Das Verb tuon ‘tun’. Die Unregelmäßigkeit dieses athematischen Verbs im Neuhoch-deutschen äußert sich darin, dass es in präteritalenFormen ein schein-bar dentales Suffix -taufweist. Die präteritale Form tat ist mit Hilfe der Reduplikation gebildet worden: AHD. tuon – teta– tātum– gitan. Alle athematischen Verben hatten in ihrem Paradigmaein Unter-schiedsmerkmal: Sie hatten in der 1. Person Sg. dieFlexion -m, wo an-dere Verben die Endung -nhatten: z.B. AHD. 1. Pers. Sg. bim– gēm– stām– tuom(GwR. есть– я ем); AHD. 2. Pers. Pl. birum– gēmēs– stāmēs– tuomēs.

4. Das Verb wellen ‘wollen’. Dieses unregelmäßige Verb nimmt eine besondere Stelle unter den Verben dadurch, dass das Präsens des Verbs wollen aus dem alten Kon-junktiv entstanden ist (vgl. GwR. я хотел бы anstatt я хочу). Später ist diese Konjunktivform als Indikativ umgedeutet worden. Das Präteritum volta, volti, ī wurde bei schwachen Verben konjugiert. Später wurdeder Stammvokal des Präteritums auf das Präsens übertragen, so haben wir die heutigen Formen ohne Vokalwechsel: wollen – wollte – gewollt. 12. Die Silbe als phonetische Einheit. Im Wort ist der Akzent immer mit einer bestimmten Silbe verbunden. Ebenfalls in der rhythmischen Gruppe, im Sprechtakt und im Satz. In all diesen Einheiten gibt es eine Silbe, die den Wort- oder Satzakzent, den Akzent der rhythmischen Gruppe oder des Sprechtaktes bezeichnet. Wir werden diese Silbe weiterhin als Kernsilbe bezeichnen. Die Kernsilbe -sikhat den höchsten Ton, sie ist dynamisch die stärkste, hat also die größte Intensität und ist länger als die übrigen Silben. Die Silbe mu-ist kürzer, hat einen tieferen Ton und ist intensiv schwächer. Die Silbe -ein ist intensiv stärker als die Silbe mu-, jedoch schwächer als die Kernsilbe -sik- usw. Kennzeichnend für die deutsche Sprache ist, daß die Grenzen von Stämmen und Präfixmorphemen in der Regel mit den Grenzen der phonetischen Silben zusammenfallen (An-lritts-rede, Aus-gleich-ver-fahren). Auch die Suffixe werden meistenteils durch Silbengrenzen vom Stamm getrennt, auch von einem anderen Suffix (Les-bar-keit, Frei-heit, Bau-er). Nur wenn der Stamm oder das erste Suffix auf einen Konsonanten auslautet und das folgende Suffix mit einem Vokal anlautet, fallen Silbengrenze und Morphemgrenze nicht zusammen (Leh-rer, Leh-re-rin), Es können Silbengrenze und Morphemgrenze auch verschieden sein, wenn die Morphemgrenzen verblaßt sind (phonetische Silben: be-o-bachten, Morphemgrenzen: beob-achten). Das geschieht jedoch in" Ausnahmefällen. Bedeutend komplizierter ist das Problem der phonetischen Silbengliederung im einfachen deutschen Wort.

13.Die Konjugation der schwachen Verben im Prasens und Prateritum. I. Klasse von schwachen Verben. Das Präsens der schwachen Verben der I. Klasse wird gleich dem Präsens der starken Verben gebildet, d. h. durch Anfügung des Themavokals und der Flexion an das Wurzelmorphem, z. B. das Verb teilen 'teilen': Präsens Singular Plural 1 teil-u teil-e-mes 2 teil-i-s(t) teil-it 3 teil-it teil-e-nt Das stammbildende Suffix der 1. Klasse erscheint nicht im Präsens als ein selbständiges Morphem. Es verschmilzt mit dem Themavokal und den Vokalen der Flexion. In der 2. und 3. P Sg. verschmilzt es vollständig mit dem Themavokal -/-; in der 1. und 3. P. PI. beeinflusst es den Themavokal, indem a zu e wird (vgl. bint-a-mes, aber teil-e-mes). Im Präteritum hängt das Schicksal des stammbildenden Suffixes -i- von der Quantität des Wurzelmorphems ab: a) bei den Verben mit einem leichten Wurzelmorphem bleibt das Suffix -i- erhalten. (Als leichtes Wurzelmorphem gilt das Morphem mit einem kurzen Vokal und einem Konsonanten im Morphemauslaut, z. B. ahd. leggen 'legen' - Prät. leg-i-ta, zellen 'zählen' - Prät. zel-i-ta, nerren 'retten' - Prät. ner-i-ta u. a.) b) bei den Verben mit einem schweren Wurzelmorphem wurde das Suffix in der vorliterarischen Zeit reduziert. (Als schwere Wurzelmorpheme gelten Morpheme mit einem langen Vokal oder Diphthong und Morpheme, die auf eine Konsonantenverbindung ausgehen, z. B. hören 'hören' - Prät. hör-ta, teilen 'teilen' - Prät. teil-ta, dursten 'Durst haben' Prät. durs-ta). Dementsprechend bilden die schwachen Verben der I. Klasse das Präteritum nach zwei Modellen: 3 + -t(Suffix des Präteritums) 1. Modell + Flexion (Personalen-dung) 1 2 Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix 2. Modell + Flexion (Personalendung) 1 2 Wurzelmorphem + -t(Suffix des Präteritums)

Personalendungen des schwachen Präteritums Plural -um -ut -un teilen 'teilen' Präteritum Plural Person 1. 2. 3. leg gen 'legen' Präteritum Plural leg-i-t-um leg-i-t-ut leg-i-t-un Singular -a Singular 1. leg-i-t-a 2. leg-i-t-ôs{f) 3. leg-i-t-a -ôs(t) -a Singular teil-t-a teil-t-um teil-t-ös{t) teil-t-ut teil-t-a teil-t-un II. und III. Klassen von schwachen Verben. Die schwachen Verben der II. und III. Klassen haben in allen Formen die stammbildenden Suffixe -6 bzw. -e. Das Präsens dieser Verben wird nach folgendem Modell gebildet: + Flexion 1 2 folgen 'folgen' Präsens Singular Plural folg-ё-т folg-e-mes folg-e-s(t) folg-e-t folg-e-t folg-e-nt Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix off anón 'öffnen' Präsens Singular Plural 1. offan-ô-m offan-ô-mês 2. offan-ô-s{f) offan-ô-t 3. offan-ô-t offan-ô-nt Die schwachen Verben der II. und III. Klassen haben im Präsens in der 1. P. Sg. die Personalendung - m, die den athematischen Verben eigen ist (vgl. S. 113). Das Präteritum der schwachen Verben der II. und III. Klassen wird nach folgendem Schema gebildet:

+ Flexion + -t-(S uff ix des Präteritums) 1 2 folgen 'folgen' Präteritum Wurzelmorphem + stammbildendes Suffix Plural folg-ê-t-um folg-ê-t-ut folg-ê-t-un Singular 1. offan-ô-t-a 2. offan-ô-t-os(t) 3. offan-ô-t-a 2. Partizip gi-offan-ô-t Singular folg-ê-t-a folg-ê-t-os{t) folg-ê-t-a 2. Partizip gi-folg-ê-t offanön 'öffnen' Präteritum Plural offan-ô-t-um offan-ô-t-ut offan-ô-t-un 14. Physiologische Merkmale der deutschen Konsonantenphoneme. Ein wichtiges physiologisches Merkmal des deutschen Konsonantensystems ist die starke Muskelspannung und die starke Expiration (der starke Atemdruck). Deshalb werden die stimmlosen Verschlußlaute behaucht und die stimmlosen Engelaute mit einem starken Reibegeräusch gesprochen. Auch die stimmhaften Geräuschlaute bekommen durch die starke Muskelspannung und den starken Atemdruck ein stärkeres Geräusch als die entsprechenden russischen Konsonanten. Ein zweites wichtiges physiologisches Merkmal des deutschen Konsonanten Systems ist eine verhältnismäßig geringe Aktivität der Stimmbänder bei der Bildung der stimmhaften Konsonanten. Während im Russischen die Stimmbänder schon vibrieren, bevor, noch das t Spreng- oder Reibegeräusch erklingt, und auf diese Weise den sog. Blählaut erzeugen, beginnen die Stimmbänder im Deutschen erst dann zu vibrieren, wenn schon das Geräusch zu hören ist. Im Russischen entsteht somit der Stimmton vor dem Geräusch, im Deutschen gleichzeitig mit dem Geräusch. Ein drittes wichtiges Merkmal des deutschen Konsonantensystems ist das Fehlen der Gegenüberstellung von nicht palatalisierten und palatali-sierten Konsonanten. Beim Vergleich des deutschen und russischen Konsonantismus ist es allgemein angebracht, die deutschen Konsonanten als nicht palatalisiert zu bezeichnen. Es gibt jedoch einen bedeutenden Unterschied zwischen den russischen nicht palatalisierten Konsonanten und

den entsprechenden deutschen Konsonanten. Die deutschen Konsonanten klingen nicht so tief wie die russischen nicht palatalisierten Konsonanten. Sie stehen nach ihrem Eigenton zwischen den entsprechenden nicht palatalisierten und palatalisierten russischen Konsonanten.

15. Das phonologische System des Althochdeutschen. Das althochdeutsche phonologische System wird durch die Überschneidung von altüberkommenen phonologischen Charakteristiken und von Lautwandelserscheinungen gekennzeichnet, die in der vorschriftlichen Zeit einzelne Areale von altgermanischen Stammesdialekten erfassten und den Lautstand der einzelnen altgermanischen Sprachen verschieden prägten sowie von phonologischen Prozessen aus der jüngeren Zeit, die die Eigenart des deutschen phonologischen Systems auf Jahrhunderte hinaus bestimmten. Gemeingermanische phonologische Charakteristiken des althochdeutschen phonologischen Systems. Das Althochdeutsche erbte vom Altgermanischen: 1. den festen Wortakzent auf der Stammsilbe: 'geban 'geben' 'zwifalön 'zweifeln', ar'slahan 'erschlagen', bi'bot 'Gebot' (vgl. S. 48); 2. den Ablaut (vgl. S. 45), der sowohl im Althochdeutschen als auch der deutschen Gegenwartssprache die Formenbildung der starken Verben prägt: ahd. bintan - baut buntum - gibuntan 'binden' ahd. ziohan - zöh - zugum - gizogan 'ziehen' Vgl. auch die Wortbildung: ahd. bintan 'binden' - ahd. bant 'Band', 'Fessel' ahd. ziohan 'ziehen' - ahd. herizogo 'Heerführer' ('Herzog') 3. den auf dem Vemerschen Gesetz beruhenden grammatischen Wechsel d/t, h/g,f/b, s/r in der Flexion der starken Verben (vgl. S. 48): ahd. snidan - sneid - snitum - gisnitan 'schneiden' ahd. ziohan - zöh - zugum - gizogan 'ziehen' ahd. farliosan -farlös - farlurum farloran 'verlieren' Vgl. auch die Wortbildung: ahd. snidan 'schneiden' - ahd. snitäri 'Schnitter' Lautwandel in der vorliterarischen Zeit. 1. In den nord- und westgermanischen Sprachen entwickelte sich das altgermanische e(e,) durch die Zwischenstufe x zu ä: got. slepan - as. släpan, ahd. släfan 'schlafen' got.jer- as., ah&.jär. 'Jahr' 2. In allen germanischen Sprachen entwickelte sich ein neues Phonem e2: got. her Es ist anzunehmen, dass sich e2 dem Charakter des Klanges nach von e, unterschieden hat, da sein weiteres Schicksal von dem des
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