wehringhausen - ardenkuverlag

February 16, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Elisabeth May

WEHRINGHAUSEN – ZEUGNIS EINER AUFSTREBENDEN INDUSTRIESTADT UM 1900 „Zwischen den Polen der Mühe und des Lohns lebt die Bevölkerung. […] Wie im Innern ihrer Menschen, so sieht es auch in der Landschaft der westfälischen Industriestadt aus. Trübes Arbeitsmüssen im ummauerten Bezirk, eingeteilt, unentrinnbar […], der Kohlenruß läßt den Waldgeruch nicht in die Stadt dringen.“ 1

Einhundert Jahre nach dieser trefflichen Beschreibung in der Zeitschrift „Der Tag“ ist das schmutzige Grau der Industriestadt im Stadtteil Wehringhausen vollkommen verschwunden. Geblieben ist eine unerschöpfliche Vielfalt architektonischer Zeugnisse von der Kaiserzeit bis zur Weimarer Republik. Die wachsende Stahl- und Textilindustrie in Hagen, die den Anstieg der Bevölkerungsdichte bedingte, zog seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine wachsende Bau-

Detail eines Stuckornaments, Lange Straßen 47

konjunktur nach sich. Anschaulich für eine schnell wachsende Industriestadt und die turbulente wie krisengeprägte Zeit stehen in Wehringhausen die gründerzeitlichen Prunkfassaden in Kontrast zu den sachlich-schlichten Bauten der 20er Jahre. Unbeschadet die Kriegsereignisse überdauert haben ganze Straßenzüge mit Industriellenvillen und Beamtenhäusern sowie Blockbebauungen, deren Innenhöfe heute teilweise einer grünen Oase gleichen.

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DAS BUSCHEY-VIERTEL – VISUALISIERTES REPRÄSENTATIONSBEWUSSTSEIN

Historische Ansicht der Villa von Theodor jun. Springmann, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde

Rudolf Springmann-Villa während der Bauzeit

Das vom Flusslauf der Ennepe topographisch ansteigende Terrain findet ein städtebauliches Pendant in dem gesellschaftlichhierarchischen Aufbau des Wohnviertels. Ein exponiertes Baugebiet entstand nach den Gründerjahren an den Stadtgarten grenzend und oberhalb des von Industrie, Verkehrswegen und verdichtetem Wohnen geprägten Tals. Im Buschey-Viertel zeugen prächtige Villen von einer glanzvollen Zeit. Selbst Karl Ernst Osthaus, der seine Villenkolonie im durchgrünten Hohenhagen auf Emst begründete, schrieb begeistert an seine Kusine Paula Deetjen, der Schwester Theodor jun. Springmanns: „[…] Gestern war van de Velde hier. Ganz inkognito. Er hat sich den Platz für Theo auf dem Goldberg besehen. Wir waren beide überrascht, ihn so schön zu finden. Er denkt sich das Haus in der Achse der Koloniestrasse hoch auf dem Berge oberhalb des Stadtgartens. Der Blick nach beiden Seiten ist prachtvoll.“ 2 Die für Osthaus’ Vetter Theodor jun. Springmann 3 geplante Villa (Am Waldhang 4) war Henry van de Veldes letztes Werk in Hagen und wurde durch den Ersten Weltkrieg nicht fertig gestellt. Nach starken Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg abgerissen, erinnert heute nur noch die Torsituation an das ehemals repräsentativ angelegte Anwesen. 4 Die bereits 1909/11 von dem belgischen

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Künstler-Architekten errichtete Rudolf-Springmann-Villa (Christian-Rohlfs-Straße 49) weist heute noch herausragende Details auf wie beispielsweise das Relief über dem Türsturz der Eingangstür oder das original erhaltene Gitter des Treppenaufgangs. Auch verraten Fragmente in der Innenausstattung heute noch die Handschrift des prominenten Jugendstilkünstlers. Insbesondere fand das Gebäude die Anerkennung Osthaus’, was aus einem Brief an den Berliner Fotografen Dr. Franz Stoedtner hervorgeht: „Es ist recht schade, dass die Villa Springmann von van de Velde, die m. E. sein bestes bisheriges Werk wird […] noch nicht fertig [ist, d.V.].“ 5 Unweit der Rudolf-Springmann-Villa steht die Villa Oskar Funcke (Stadtgartenallee 1), die 1925 von dem Architekturbüro Gebr. Ludwigs erbaut wurde. Durch seine Lehrer Peter Behrens und J.L.M. Lauweriks inspiriert, hat Leopold Ludwigs die am Berghang situierte und auf repräsentative Wirkung angelegte Villa durch eine sachliche Formgebung mit plastisch ausgeprägten, geometrischen Elementen monumental inszeniert. Insbesondere das Kreis-QuadratDreieck-Motiv erinnert an die Architektur der Lehrer. Gemeinsames Anliegen des Hagener Geldadels äußerte sich damals in dem Streben nach Repräsentation, was die architektonische Vielseitigkeit dokumentiert. Neben innovativen, gesellschaftlich noch nicht etablierten Bauformen, finden sich ebenso konventionelle Bauten, deren Legitimation

Treppenaufgang mit Originalgitter nach dem Entwurf von Henry van de Velde

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oben: Historische Ansicht mit original Dachform links: Blick auf die Funcke-Villa in der Stadtgartenallee 1 unten: Laterne an der Funcke-Villa

aus vergangenen Epochen herrührt. Die von dem Architekten Ernst Kohlhage 1908 entworfene Villa der Fabrikantenfamilie Otto Elbers (Buscheystraße 45) beispielsweise zeigt eine individuelle Fassadengestaltung gepaart mit traditionellen Architekturelementen. Mit den giebelseitig gestalteten Ecksituationen, die das Hauptgebäude überragen, erinnert das Gebäude in seiner formalen Gestaltung an eine Schlossanlage. Den gewichtigen Charakter des Gebäudes lockern die reichen, ornamentalen Steinmetzarbeiten auf, die den Eingangsbereich zieren. Effektvoll über einer zentralen Trep-

links: Villa Rudolf Springmann an der Christian-RohlfsStraße mit erneuter Fassadenfassung

penanlage erreichbar, wirkt die Villa prächtig und erhaben. Ein Blick links und rechts entlang der Buscheystraße verrät, dass sich hier talabwärts der Übergang von der Villen- zur Mietblockbebauung vollzieht. Durch die topographische Nähe zum historischen Stadtkern bot das Buschey-Viertel adäquat ein großbürgerliches Wohnen im Grünen. Dies dokumentiert auch die städtebauliche Entwicklung im industriellen Zeitalter, indem sich im Laufe des 19. Jahrhunderts Arbeits- vom Wohnraum getrennt hatten, bis sie schließlich an unterschiedlichen Orten angesiedelt waren.

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