ABSCHLUSSBERICHT Bonn, Campus Poppelsdorf

February 1, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Architektur
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ABSCHLUSSBERICHT zur archäologischen Ausgrabung

Bonn, Campus Poppelsdorf

im Auftrag der Bau- und Liegenschaftsbetriebe NRW

Aktivitätsnummer OV 2012/1031

Alexandra Schubert M. A. Redaktion: Ute Becker M.A.

August 2014

Schlickstr. 15 47138 Duisburg Tel.: 0203-4492327 Fax: 0203-4492328

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INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG

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GEOLOGISCHER UND BODENKUNDLICHER ÜBERBLICK

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BISHERIGER KENNTNISSTAND

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VORGEHENSWEISE

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ERGEBNISSE

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ZUSAMMENFASSUNG

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LITERATUR

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Abbildung 1: Deutsche Grundkarte 1:5000 mit roter Markierung des Untersuchungsbereichs. (DGK 5)

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EINLEITUNG Die Bau- und Liegenschaftsbetriebe NRW planen die Erweiterung der Universität Bonn auf dem Campus Poppelsdorf. Im Zuge dieser Erweiterung sollen drei Neubauten auf den ehemaligen Versuchsfeldern der Landwirtschaftlichen Fakultät errichtet werden. Südlich der Bibliothek ist außerdem ein Geothermiefeld geplant. Da auf dem Gelände ein römischer Fundplatz vorliegt, wurde eine bauvorgreifende Ausgrabung auf den Flächen angeordnet, in denen Bodeneingriffe geplant sind. Dieses Areal wird begrenzt durch die Nußallee und die Endenicher Allee, im Südwesten durch die BAB 565 mit der Anschlussstelle Poppelsdorf und im Südosten durch die ehemaligen Versuchsfelder der Universität Bonn. Die Ausgrabungen fanden zwischen dem 10.12. 2012 und dem 16.04. 2013 statt, mit witterungsbedingten Unterbrechungen. Am 05. und 06. September 2013 fand eine kleine Untersuchung einer weiteren Fläche statt, auf der ein Kran errichtet werden sollte. Mit der Ausgrabung auf dem Campus Poppelsdorf wurde die Firma archaeologie.de beauftragt. Als Grabungsleiterin war Michaela Löwe M. A. vor Ort, die Vermessung oblag Andreas Bromberger VT, der auch für die Erstellung der Pläne verantwortlich zeichnete. Zusätzlich waren je nach Befundaufkommen ein kleines Team aus Grabungshelfern und Technikern vor Ort.

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GEOLOGISCHER UND BODENKUNDLICHER ÜBERBLICK Das Untersuchungsgebiet „Campus Poppelsdorf“ liegt im Süden des Bonner Stadtgebietes auf ebener Lage. Die Höhe über NN liegt bei etwa 60 Meter. Die Niederterrasse des Rheins wurde im Laufe der Eiszeit als mächtiges Sand- und Kiespaket angeschüttet. Der damalige Flusslauf war weit verzweigt und voller Senken und Rinnen. Im Zeitraum der letzten Wiedererwärmung schnitt der Rhein ein weiteres Mal in die Niederterrasse ein und bildete sein eigentliches Flussbett. Die Niederterrasse wurde im Folgenden großflächig von Hochflutlehm überdeckt, aus dem sich dann fruchtbare Parabraunerden und Braunerden bildeten. Auf dem Areal entstand somit ein hochwasserfreier, fruchtbarer Standort mit besten Siedlungsbedingungen.

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BISHERIGER KENNTNISSTAND Mitte der 20er Jahre wurde bei Rodungsarbeiten ein römisches Brandgrab freigelegt (OA 0579/002), dessen Fundmaterial eine Datierung in die 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus erlaubt. Daher wurde das Plangebiet im Vorfeld durch die archäologische Fachfirma artemus durch Sondagen untersucht (OV 2011/1039). Im Anschluss daran fanden durch dieselbe Firma weitere Untersuchungen im Vorfeld der das Gelände erschließenden Kanalbaumaßnahmen statt. Bei diesen Untersuchungen konnten trotz der schmalen, größtenteils nur 2 m breiten Schnitte in dichter Folge Besiedlungsspuren aufgefunden werden. Neben etlichen Befunden, die undatiert bleiben mussten, ließen sich die meisten als römisch einordnen. Zusätzlich konnte der Nachweis von metallzeitlichen und wenigen mittelalterlichen Aktivitäten geführt werden. Erkannt wurde im Südosten der Fläche ein weiteres römisches Grab, sowie auf der gesamten Untersuchungsfläche etliche Fundamentstickungen, Pfosten- und Siedlungsgruben1. Die Fundamentstickungen konnten nicht zu Grundrissen ergänzt werden, allerdings sah Sondage Stelle 12 so vielversprechend aus, dass dort von der Universität Bonn eine Lehrgrabung stattfand (OV 2012/1029), die die aufgedeckten Befunde als gallo-römischen Umgangstempel interpretierte2. Das Plangebiet liegt heute etwa 2 km vom Rhein entfernt. Im weiteren Umfeld der Untersuchungsfläche lassen sich mehrere antike Straßenverbindungen nachweisen, die mit großer Wahrscheinlichkeit die verschiedenen Siedlungsstellen des römischen Bonn miteinander verbanden. Keine dieser Straßen führte in direkter Nachbarschaft am Ausgrabungsareal vorbei. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass von dort aus eine Anbindung an die zentralen Verkehrsverbindungen bestand.

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J. Englert 2012.

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F. Rumscheid/U. Mania 2012.

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Der römerzeitliche Siedlungsbeginn im Bonner Zentrum wird in die Zeit zwischen 30 und 20 v. Chr. gesetzt. Eine kleine Ansiedlung konnte Anfang der achtziger Jahre in der Nähe des Theaters ergraben werden. Unter anderem befand sich dort ein kleiner Keramikbrennofen, in dem bereits romanisierte Keramik produziert wurde3. Bei den verschiedenen bisherigen Baumaßnahmen der Bonner Universität nahe des Plangebietes wurden bereits immer wieder römische Siedlungsreste beobachtet4, außerdem fand sich 1996 römischer Ziegelbruch bei der Anschlussstelle Poppelsdorf5.

Abbildung 2: Flurkarte von 1893 mit eingeblendeten Befunden der Ausgrabung und dem Feldweg (rot markiert).

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Horn 2002, 364.

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OA 0579/003: römische Münze. OA 0579/026: römische Gefäße

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OA 0579/048.

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Auf alten Flurkarten wird das Plangebiet immer als landwirtschaftlich genutzte Fläche dargestellt. Auf der Flurkarte von 1893 ist ein Feldweg zu erkennen, dessen Reste beim Humusabtrag oberhalb des ersten Planums als Stelle 144 erfasst wurden.

VORGEHENSWEISE Das Untersuchungsgebiet wurde in annähernd streifenförmige Arbeitsbereiche unterteilt. Meist wurde zwischen zwei Streifen ein Arbeitsbereich vorübergehend frei gehalten, um den Aushub lagern zu können. Die Ausgrabungen ergaben dennoch keine zusammenhängende Fläche, denn die als Straßen ausgewiesenen Flächen wurden nicht bearbeitet: dort hatte die Firma Artemus bei Kanalarbeiten Sondagen durchgeführt6. Der Oberboden sowie die kolluviale/fluviatile Schicht wurden maschinell abgetragen, ebenso wie die Auftragsschicht Stelle 21, die den befundführenden Horizont in allen Arbeitsbereichen flächig überdeckte. Auf Grund der in der archäologischen Maßnahme OV 2011/1039 angelegten Geoprofile wurde die Planumshöhe 1,30m unterhalb der Oberkante des Humus angelegt. Dies bestätigten auch die weiteren Geoprofile (Stellen 12, 43 und 44), die zur Sicherheit in Arbeitsbereich 3 angelegt wurden. Nach Erreichen der befundführenden Schicht wurde diese bis zum Sichtbarwerden der Befunde zentimeterweise abgetragen. Die erkannten Befunde wurden im Planum fotografiert und beschrieben sowie durch tachymetrische Dokumentation zeichnerisch erfasst. Im Anschluss daran wurden alle Befunde geschnitten und die Profile sowohl fotografisch erfasst als auch zeichnerisch im Maßstab 1:20 dokumentiert. Die beiden Brunnen wurden in mehreren Plana aufgenommen und anschließend die restliche Tiefe abgebohrt. Unterhalb der Baubefunde wurde in einem 6

Englert 2012.

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zweiten Planum weiteren Befunden gesucht und diese ebenfalls in der beschriebenen Weise dokumentiert. Diese Vorgehensweise wurde zum Teil dynamisch an die gelegentlich recht schwierigen Wetterbedingungen angepasst. Es wurde darauf geachtet, die Befunde möglichst nicht bei Frost offen liegen zu lassen.

ERGEBNISSE Insgesamt konnten in dem untersuchten Gebiet über tausend Befunde erkannt werden. Darunter befanden sich neben Gruben, Pfostengruben und Gräben auch zwei Brunnen, ein Brandgrab und Kiesstickungen, die als Fundamente angesprochen werden können. Die Erdbefunde zeichneten sich im Planum eher schlecht ab und waren schwierig zu erkennen, die Ränder der Befunde meist verwaschen. Häufig wurden bei Pfostengruben mit Standspuren nur einer der Befunde bereits im Planum erkannt, so dass ein größerer Anteil der Befunde erst im Profi definiert werden konnte. Eine Konzentration an Befunden zeichnete sich vor allem im südlichen Bereich der Untersuchungsfläche in den Arbeitsbereichen 5, 7, 9 und 11, eine weitere in den Arbeitsbereichen 16 und 18 ab.

Vorgeschichtliche Befunde Verstreut über die Grabungsfläche zeigten sich immer wieder Befunde mit deutlich eisenzeitlichem Gepräge. Es handelt sich dabei sowohl um größere Gruben, wie auch Pfostenstellungen. Etliche der Pfostenstellungen lassen sich zu Grundrissen ergänzen, wie sie für die Eisenzeit im Rheinland typisch sind und bereits häufiger erfasst wurden. Das Fundmaterial setzt jedoch einige dieser Siedlungsspuren bereits in römische Zeit, diese werden weiter unten besprochen.

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Im AB 16 im Südosten der Untersuchungsfläche liegt das erste zu besprechende Gebäude, bestehend aus den vier Stellen 772 – 775. Alle vier Stellen zeichneten sich im Planum als ca. 0,2 m breite rundliche Flecken ab. Die Profile zeigten eine ähnliche Form und Erhaltungstiefe mit ebener Sohle und steilschrägen Wände sowie einer gemeinsamen Erhaltungstiefe von 0,12 – 0,15 Metern. Die vier Pfostengruben bilden ein Rechteck von 2,3 x 2,5 Metern und damit einen für das Rheinland typischen kleinen Vierpfostenbau. Aus der Pfostengrube Stelle 772 stammen einige Bruchstücke handgemachter Irdenware, die die chronologische Einordnung stützen. Da es sich jedoch lediglich um kleinformatige Wandscherben handelt, kann die Datierung nicht weiter eingegrenzt werden. In den beiden südöstlichen Arbeitsbereichen 16 und 18 konnten neben diesem Gebäude zahlreiche weitere Pfostenbefunde aufgedeckt werden. Bei etlichen wird die Interpretation als Pfosten auch deshalb gestärkt, weil in den Profilen nachträglich noch entweder die Pfostenstandspur oder die Pfostengrube erkannt und mit dokumentiert werden konnte. Die Pfostengruben in beiden Arbeitsbereichen liegen sehr eng beieinander. Dieser Umstand dürfte auf eine längerfristige Besiedelung mit mehreren Bauphasen hindeuten. Drei weitere Grundrisse lassen sich ausscheiden, aus deren Pfostengruben eisenzeitliches Keramikmaterial stammt. Zu erkennen ist ein weiterer Vierpfostenbau (Stellen 838, 839, 842, 843, 854, 855, 859). Bei den anderen Grundrissen handelt es sich vermutlich um einen Sechspfosten- und einen Achtpfostenbau. In einem Fall (Stellen 983, 985, 988, 989, 1000) wurden lediglich fünf Pfostengruben dokumentiert, zu anderen Gebäude dürften die Stellen 752, 753, 755, 758, 803, 806, 807, 879, 893, 895, 897, 917 und 924 gehören.

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Abbildung 3: Rekonstruierte Gebäudegrundrisse in den Arbeitsbereichen 16 und 18. In grün die eisenzeitlichen Befunde.

Markant ist in diesem Bereich der Untersuchungsfläche vor allem die große Grube Stelle 978, deren Füllung ausschließlich handgemachte Irdenware enthielt. Es handelt sich ausnahmslos um kleinformatige Wandbruchstücke, die sich einer genaueren Datierung entziehen. Auch wenn in der Verfüllung dieser Grube relativ wenig Keramik zutage kam, bleibt eine Interpretation als Materialentnahmegrube im Bereich des Möglichen. Weitere eisenzeitliche Befunde stammen aus den Arbeitsbereichen 3, 4 8 und 10. Neben Resten von Gebäuden handelt es sich um die Spuren von Gräben, die über mehrere Arbeitsbereiche auf einer Strecke von etwa 40 Metern verfolgt werden konnten. Zwei von ihnen laufen in einem Abstand von etwa 12 Metern

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parallel von Südwesten nach Nordosten7, der südlichere der beiden Gräben biegt in AB Stelle 3 leicht Richtung Osten um, in diesem AB wurde der nördlichere Graben nicht mehr erfasst. Die Breite beider Gräben schwankt im Planum zwischen 0,5 und 0,8 Metern, die Erhaltungstiefe liegt bei 0,2 – 0,3 Metern. Rechtwinklig zum nördlichen Graben setzt in AB 10 ein weiterer, ähnlicher Graben Stelle 469 an, im Profil der Schnittstelle liegen beide Gräben dicht nebeneinander, eine Gleichzeitigkeit ist somit wahrscheinlich, aber nicht sicher belegbar. Alle drei Gräben sind relativ arm an Funden. Während aus den beiden parallelen Gräben wenige Wandbruchstücke vorgeschichtlicher handgemachter Keramik geborgen werden konnten, enthielt Graben Stelle 469 ein Bruchstück römischen Estrich. Dennoch ist eine ungefähre relative chronologische Einordnung möglich, da der südliche der beiden Gräben im Osten von AB 3 von zwei Pfosten eines weiteren Grundrisses geschnitten wird. Es handelt sich um einen annähernd quadratischen Bau aus 3 x 3 Pfosten, von denen komplett die Pfostengruben und die Standspuren erfasst werden konnten (Stellen 35 – 41, 49 – 54, 56, 57, 68, 69). Die Seitenlänge liegt bei etwa 3,8 Metern. Das Gebäude ist mit einer Ecke relativ genau nach Süden ausgerichtet, und schneidet mit dieser Ecke den Graben Stelle 55, der Rest des Gebäudes liegt nördlich des Grabens. Zwar wurden keine Funde aus dem Gebäude geborgen, jedoch muss es jünger sein als der Graben. Knapp 20 Meter südwestlich dieses Gebäudes befand sich mit Stelle 464 eine größere, annähernd rechteckige Grube mit etwa 3,5 m Seitenlänge. Jeweils in der Mitte der Längsseiten befindet sich eine kleine Ausbuchtung, die sich möglicherweise als Pfostenbauten identifizieren ließen. Die Profile zeigen an dieser Stelle eine noch etwa 0,4 m tiefe Grube, die an den beiden Randbereichen noch einmal muldenförmig ausbuchtet, ohne dass eine Pfostengrube oder Standspur eindeutig zu identifizieren wäre. Das Längsprofil zeigt eine weitere mögliche Pfostenspur in der Mitte, so dass möglicherweise

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Nördlicher Graben: Stellen 64, 470, 472.

Südlicher Graben: Stellen 55, 70, 471, 617.

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ein Grubenhaus zu rekonstruieren sein könnte. Das Fundinventar ergab handgemachte Irdenware, allerdings nur wenige Randbruchstücke.

Abbildung 4: Profilschnitte durch das mögliche Grubenhaus Stelle 464.

Weiter östlich wurden in den Arbeitsbereichen 6 und 13 unterhalb römischer Fundamentstickungen im Planum 2 weiter Reste eines Pfostenbaues entdeckt, dessen Pfostengruben dem beschriebenen Neunpfostenbau gleichen (Stellen 498 – 505, 896). Der Durchmesser der Pfostengruben beträgt 0,2 – 0,3 Meter, die Befunde sind noch etwa 0,2 Meter hoch erhalten. Die Orientierung des Gebäudes ist mit dem anderen Grundriss vergleichbar, jedoch handelt es sich bei diesem Bau um ein Rechteck von etwa 4 x 3 Metern. Auch hier wurden drei Reihen aus je drei Pfostengruben erfasst. Standspuren konnten bei diesem Gebäude nicht ermittelt werden und die Befunde waren fundleer. Jedoch gibt die Lage unterhalb der sicher römisch anzusetzenden Fundamentstickung einen chronologischen Fingerzeig. Zwei weitere Gebäude wurden am östlichen Rand der Untersuchungsfläche in den Arbeitsbereichen 15 und 17 erkannt. Für einen der beiden Pfostenbauten wurde bereits auf der Grabung die Stellennummer 872 vergeben; es handelt sich um ein rechteckiges Gebäude aus acht Pfosten (Stellen 862 – 867, 869,

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870), das im 2. Planum erfasst werden konnte. Das Gebäude ist in Richtung SW-NO ausgerichtet, etwa 4,6 m lang und 3,2 m breit. Die einzelnen Pfostengruben sind etwa 0,3 m breit, allerdings nur noch relativ flach erhalten. Funde wurden keine geborgen. Etwa 10 Meter nordöstlich liegt in NW-SO-Richtung ein weiteres rechteckiges Gebäude, von dem sechs Pfosten erfasst wurden (Stellen 723, 724, 726 – 729). Weitere Pfosten Richtung Südosten jenseits der Schnittgrenze sind denkbar. In den Profilen zeigte sich bei fast allen Pfosten nur noch eine sehr geringe Erhaltung, es konnten auch keine Funde geborgen werden, die eine genauere zeitliche Einordnung ermöglichten. Da die Befunde jedoch relativ isoliert liegen, lässt sich der Grundriss leicht ausscheiden. Insgesamt ergibt sich eine locker gestreute eisenzeitliche Bebauung auf der Untersuchungsfläche, bei der nur wenig Hinweise auf eine zeitliche Einordnung der Befunde untereinander aufzufinden sind8. In den Arbeitsbereichen 16 und 18 dürfte ein Hofareal zu definieren sein, zumal hier relativ nah beieinander sowohl die als Speicher zu deutenden Vierpfostenbauten, als auch Wohnbebauung erkennbar ist. Ein weiteres Hofareal lässt sich unterhalb des römischen Risalitbaus und westlich davon erschließen. Das eisenzeitliche Fundmaterial besteht größtenteils aus Wandbruchstücken handgefertigter Irdenware. Nur wenige Randbruchstücke sind erhalten. Ausscheiden lassen sich einige Fässer mit nach außen gebogenem Rand und einer Verzierung mit Fingertupfen, sowie einige breite Schüsseln. Diese Formen datieren nach A. Simons eher in Ha D/Lt A-Horizonte, ein Phänomen, das auch P. Kießling in ihrer Arbeit über eine Villa Rustica im Hambacher Forst feststellen konnte9. A. Simons merkt allerdings auch an, dass es im Rheinland aus unterschiedlichen Gründen extrem schwierig ist, Keramik der Stufe Lt D wirklich auszuscheiden10.

8

Die genaue Lage der einzelnen Grundrisse kann dem angehängten Phasenplan

entnommen werden. 9

P. Kießling 2008, 65.

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A. Simons 1989 72f: Datierungsprobleme jüngerlatènezeitlicher Keramik im Rheinland.

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Römische Befunde Ebenfalls in ansehnlicher Zahl konnten Befunde römischer Zeitstellung erfasst werden. Auch die beiden Brunnen gehören ausweislich ihrer Verfüllung in römischen Kontext. Die genaue chronologische Einordnung der einzelnen Befunde lässt sich dem Phasenplan im Anhang entnehmen. Einer der beiden Brunnen befindet sich im südlichen Bereich des Untersuchungsgebietes, in Arbeitsbereich 11 an der Grenze zu Arbeitsbereich 9 (Stelle 596). Im Planum zeichnete er sich als unregelmäßige rundliche Verfärbung von etwa 3 Meter Durchmesser ab. Aus der Verfüllung stammen Funde, die sich ins 1. Jahrhundert n. Chr. datieren lassen.

Abbildung 5: Brunnen Stelle 596 im 2. Planum.

In diesem und den umliegenden Arbeitsbereichen ( 5, 7, 9) konnten neben den zahlreichen Störungen durch Pflanzgräben der Versuchsfelder der Universität

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Bonn auch häufig Pfostenstellungen und Gruben dokumentiert werden. Die Pfostenspuren lassen sich zum Teil zu Grundrissen ergänzen. Einige Grundrisse zeigen dabei trotz der in römische Zeit zu datierenden Funde Konstruktionsprinzipien einheimischer Prägung. Ganz im Süden des Plangebietes zeigt sich in AB 7 ein Sechspfostenbau (Stellen 318, 320 – 324) in SW-NO-Ausrichtung. Die Breite lässt sich mit etwa 3 Metern, die Länge mit etwa 4,8 Metern angeben. Direkt nordwestlich davon liegt ein Vierpfostenbau (Stellen 308, 314, 594, 595, 604, 605), dessen Pfostengruben noch bis zu einem halben Meter tief erhalten geblieben sind. In zwei der Gruben konnte noch die Standspur dokumentiert werden, die Pfosten waren etwa 0,4 Meter breit. Der Abstand zwischen den Pfosten beträgt etwa 3 Meter.

Abbildung 6: Pfostengrube 605 mit Standspur 604 im Profil.

Ein weiterer Vierpfostenbau lässt sich etwa 20 Meter weiter nordöstlich dokumentieren, allerdings in wesentlich schlechterem Erhaltungszustand (Stellen 237/545, 238, 247, 554). In den Arbeitsbereichen 16 und 18 ließen sich zusätzlich zu den bereits beschriebenen Gebäuden noch drei weitere Pfostenbauten rekonstruieren, aus deren Pfostengruben römisches Material stammt. Es ergeben sich die Grundrisse von zwei Vierpfostenbauten (Stellen 737, 749, 763, 874, 879, 804, 887, 910 sowie Stellen 941 – 943, 945, 954, 956 und 957) und einem Sechspfostenbau. Ein weiterer Achtpfostenbau lässt sich in das Ensemble der

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Grundrisse einfügen, aber mangels Funden aus den Pfostengruben nicht sicher datieren (vgl. Phasenplan Blatt 10). Weiter nördlich wurden weitere mächtige Pfostengruben erfasst, die sich zu einem Rechteck aus 15 Pfosten ergänzen lassen (Stellen 98, 101 – 104, 335, 348, 349, 357 – 360, 362 – 364). Es ergibt sich ein zweischiffiger Bau, dessen Mittelachse nach Südwesten verschoben ist. Die Breite liegt bei etwa 5, die Länge bei 10 Metern.

Abbildung 7: Rekonstruierter Grundriss des Gebäudes.

In sechs der Pfostengruben konnte noch die Standspur dokumentiert werden. Eine wird durch einen Graben geschnitten und konnte lediglich in einem kleinen Ausschnitt erfasst werden. Aus mehreren Pfostengruben konnten Funde geborgen werden. Es handelt sich meist um eher kleinformatige Keramikbruchstücke, die sich in das 1. Jahrhundert datieren lassen, in zweien fanden sich auch noch Fragmente handgeformter Ware. Weitere Pfostenbauten lassen sich in den beiden Arbeitsbereichen (AB 16, AB 18) im Südosten der Untersuchungsfläche rekonstruieren. In diesem Areal

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liegen die Pfostengruben relativ dicht beieinander und deuten eine längere Besiedlungsphase an. Auch hier wurde aus den Pfostengruben zum Teil römisches Material geborgen. So ergeben sich neben dem weiter oben beschriebenen Vierpfostenbau einer weiterer kleiner Vierpfostenbau und zwei etwas größere Gebäude aus sechs, sowie ein weiteres aus acht Pfosten. Neben den Pfostenstellungen, die sich mehr oder weniger deutlich zu Grundrissen ergänzen lassen, konnten, wie schon bei den Sondagen durch die Firma Artemus 2011 und der Lehrgrabung der Universität Bonn 2012 Fundamentstickungen dokumentiert werden. Vor allem in den Arbeitsbereichen 6 und 13 wurden mehrere aneinander anschließende Stickungen erfasst, die sich deutlich zu einem mehrräumigen, symmetrisch angelegten Gebäude fügen (Stelle 167).

Abbildung 8: Grundriss der Stelle 167 mit herausgestellten fotogrammetrischen Planumsaufnahmen der Stickungen.

Die Stickungen bestehen einheitlich aus großen Flusskieseln und Natursteinbruch, sowie kleineren Kieseln als Füllmaterial. Die Breite der Stickungen liegt meistens zwischen 0,35 und 0,5 Metern. Die Tiefe der

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erhaltenen Fundamente ist nicht mehr sehr beeindruckend, in einigen Fällen ist nur noch eine Lage erhalten. Das Gebäude liegt in SW-NO Orientierung, die Gesamtlänge beträgt 23,50 m, die Breite liegt bei 16,30 m. Im Nordwesten, Nordosten und Richtung Süden wurde das Gebäude vermutlich vollständig erfasst, im Südwesten dagegen wird es von der Schnittkante der Grabungsfläche begrenzt, ist aber in seinen Gesamtmaßen zu rekonstruieren. Der Hauptteil des Gebäudes besteht aus dem quer gelagerten Raum Stelle 168, der ein großes Rechteck mit den Innenmaßen 18,30 m x 11,20 m bildet. Im Nordosten wird das Gebäude aus den Stickungen Stellen 685 und 686 gebildet, zwischen denen eine Unterbrechung von etwa 4,40 m dokumentiert wurde. Im Süden, in der Südwand des Hauses setzt mit Stelle 687 eine weitere Stickung rechtwinklig an. Von West nach Ost gemessen teilt sie die Südwand des Raumes Stelle 168 in eine Strecke von 11 m und eine von 7 m.

Abbildung 9: Übersichtsfoto der in AB 13 freigelegten östlichen Gebäudehälfte. Blick Richtung Osten.

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Raum Stelle169 liegt südlich von Raum Stelle 166 und zeigt sich als ein quer gelagerter, schmaler Gang von ca. 3,60 m Breite, der dem Raum Stelle 168 mittig, vorgelagert ist. Sowohl im Westen als auch im Osten verbreitert sich Raum Stelle 169 rechteckig auf eine Breite von 5,50 m. Die Vorsprünge werden gebildet von den Stickungen Stelle 689 und 174. Im Südwesten leitet dieser Vorsprung nach 2 Metern über zu Raum 170, der die Südwestecke des Raumes Stelle 167 bildet. Der Raum wurde nicht komplett erfasst, lässt sich aber annähernd quadratisch mit einer Seitenlänge von 5,50 m Innenmaß rekonstruieren. Im Westen springt dieser Eckraum vor die durch Stickung Stelle 145 gebildete Flucht der Westwand von Raum Stelle 168 vor. Erfasst wurde eine Strecke von 1 m. Da dieser Vorsprung axial symmetrisch im Osten bei den Stickungen Stelle 684 und 688 wiederholt, kann ein Vorsprung von etwa 2,50 m rekonstruiert werden. Ein weiterer Raum, wie Stelle 170 im Osten ist sicher zu ergänzen, auch wenn, wie bei Stelle 688, nur die vorspringende Außenmauer erfasst wurde, nicht die Trennung zu Stelle 168 und die südliche Fundamentstickung der Außenfront. Dennoch ergibt sich deutlich erkennbar ein Risalit-Gebäude des Hallentyps.

Nur wenige Meter südöstlich des Gebäudes wurde mit Stelle 966 ein weiterer Brunnen erfasst. Er zeichnete sich im Planum als rundliche Verfärbung mit ungefähr 4 Metern Durchmesser ab. Insgesamt wurden vier Plana dokumentiert und die Resttiefe des Brunnens anschließend durch eine Bohrung ermittelt, so dass sich die erhaltene Tiefe des Brunnens mit 4,85 m angeben lässt. Darüber hinaus wurden in der Nähe des Gebäudes mehrere große Gruben dokumentiert, deren Verfüllungen jeweils große Mengen an Funden, vor allem Keramik erbrachte (Stellen 646, 690, 704, 968, 969, 972, 1037). Der größte Prozentsatz an Funden mit weit über 80 kg Keramik stammt dabei aus Grube Stelle 646. Da die Fundamente des Gebäudes recht schmal sind, liegt die Vermutung nahe, die dokumentierten Stickungen nicht als Fundament für einen komplett aus Steinen errichteten Bau zu sehen, sondern für einen auf ein Sockelmauerwerk aufgesetzten Pfostenständerbau mit Fachwerkwänden. Die

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erfassten Gruben wären dann die Lehmentnahmegruben für die Ausgestaltung der Wände, die dann in Zweitnutzung mit dem anfallenden Abfall verfüllt worden sind. Rekonstruieren lässt sich für die römische Zeit eine mehrphasige ländliche Besiedlung, vermutlich eine Villa rustica. Da die Befunde und Funde des 1. Jahrhunderts eher im Südwesten, die des 1. - 2. Jahrhunderts eher im Nordosten des Planareals zu finden sind, ist auch zu vermuten, dass jeder Besiedlungsphase einer der Brunnen zuzuordnen ist, zumal die Verfüllungen diese Interpretation stützen. In der ersten Phase lässt sich ein Hauptgebäude nicht definieren, die komplette Ausdehnung der Besiedlung wurde wohl nicht erfasst. Für die zweite Phase dürfte das Risalitgebäude Stelle 167 als Hauptgebäude gedient haben und der zweite Brunnen Stelle 966 als Wasserquelle. Nicht eindeutig nachweisen lässt sich dagegen die Begrenzung des Villenarareals. Möglich ist der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Graben Stelle 468, allerdings stimmt die Ausrichtung von Gebäude und Graben nicht exakt überein, was sich in anderen Fällen römischer Villenarchitektur im Rheinland gut belegen lässt11.

Fundmaterial Das umfangreiche Keramikspektrum aus den Gruben umfasst vor allem Haushaltskeramik. Es überwiegen rauwandige Kochgefäße, sowie glattwandige Krüge und rauwandige Kannen. Terra Sigillata ist nur in geringem Umfang vorhanden und ergibt vor allem Teller der Form Drag. 18/31 sowie Schälchen Drag. 27. Die Innenböden der Gefäße zeugen von langer Verwendung, erhaltene Stempel sind oft unleserlich und abgerieben. Verzierte Sigillata ist lediglich in Form einer Bilderschüssel Drag. 37 mittel-ostgallischer Provenienz nachweisbar, was den Herstellungszeitraum in die Mitte des 2. Jahrhunderts setzt. Auch die glatte Sigillata dürfte zum Teil aus dem mittelgallischen Raum stammen. Lediglich ein Tintenfässchen zeigt in seinem Profil deutlich den Aufbau claudischer Zeit.

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Kießling 2008, Schuler.

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Jedoch spiegelt die Terra Sigillata nicht den Siedlungszeitraum von Bonn wieder. Die anderen Warenarten belegen eine Nutzung des Areals in römischem Kontext bereits in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Dazu sind zum einen die in geringer Stückzahl vorhandenen Bruchstücke sogenannter „Belgischer Ware“ zu rechnen, zum anderen aber auch der glattwandige Krug Gose 359 oder die ebenfalls glattwandige Kleeblattkanne Gose 390. Auch die in claudische Zeit zu setzende Saucenamphore Gose 435 deutet in diese Richtung. Ebenfalls in claudische Zeit gehört wohl das Mortarium mit getreppter Wandung Gose 450. Material aus der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts und dem Anfang des 2. Jahrhunderts ist erwartungsgemäß häufig vertreten. In diesen Zeitraum lässt sich auch die Dolchfibel einordnen, die jedoch leider aus der flächig die meisten Befunde überdeckenden Schicht 21 geborgen wurde. Sie lässt sich gut vergleichen mit Stücken aus Xanten12. Darüber hinaus deckt vor allem das in zahlreichen Stücken vertretene rauwandige Geschirr fast die gesamte Bandbreite des 1. – 2. Jahrhunderts ab. Spätere Formen, wie zum Beispiel die kalottenförmigen Teller des 3. oder gar 4. Jahrhunderts, die späten Kielschüsseln mit den verdickten einziehenden Rändern oder die späten Kannen fehlen komplett. Gleiches gilt für die Gesichtstöpfe, hier wurden ebenfalls nur die früheren Varianten geborgen. Bei der Firnisware fehlen Formen ab der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts ebenso wie bei der Terra Sigillata. Das römische Keramikspektrum auf dem Camus Poppelsdorf deckt somit keinen allzu langen Zeitraum ab, es lassen sich Formen bis ins zweite Jahrhundert nach Christus nachweisen. Es gibt keine Hinweise auf ein gewaltsames Ende der Besiedlung, so dass mit einer freiwilligen Aufgabe der Ansiedlung zu rechnen ist. Die Gründe dafür sind nicht zu erschließen.

Neuzeitliche Befunde

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U. Boelicke 2002 72.

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Auch wenn die vorgeschichtlichen und römischen Befunde den Löwenanteil der Grabungsergebnisse einnehmen, wurden doch auch ein paar wenige neuzeitliche Hinterlassenschaften erfasst. Zu nennen wäre hier vor allem der auf der Flurkarte von 1893 verzeichnete Weg (Stelle 144), der sich in westöstlicher Richtung durch die Fläche der Arbeitsbereiche 6, 13, 15 und 19 zieht und mit dem Verlauf in der alten Karte hervorragend überdecken lässt (vgl. Abb. 2) Neben zwei Bombentrichtern im Südwesten der Ausgrabungsfläche (Stelle 143 und 791), die vermutlich der Zeit des 2. Weltkrieges zuzuordnen sind, lassen sind ansonsten noch zahlreiche annähernd in Nord-Süd Richtung verlaufende kurze Gräbchen erkennen, die vermutlich aus der Zeit stammen, in der auf dem Areal die Versuchsfelder der Universität Bonn lagen (Stellen 115 134). Mehrere weitere in SO-NW-Richtung verlaufende Gräben (Stellen 65, 344, 178, 975) dürften als Drainagegräben jüngeren Datums zu interpretieren sein, zumal einer dieser Gräben alle anderen Befunde, auch die vermutlichen Pflanzgräben schneidet.

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ZUSAMMENFASSUNG Auf dem Gelände der Versuchsfelder der Universität Bonn wurden in den Sondagen der Firma Artemus, bei der Lehrgrabung der Universität Bonn und bei der archäologischen Untersuchung der Firma archäologie.de zahlreiche Siedlungsspuren dokumentiert. Abgesehen von Störungen verschiedener Art lassen sich die Befunde vor allem in eisenzeitlichen und römischen Kontext setzen. Rekonstruieren lässt sich eine mehrphasige Besiedlung ländlichen Charakters. Die ältesten Gebäude sind Pfostenbauten, wie sie in ihrer Konstruktion für die Eisenzeit im Rheinland typisch sind. Es handelt sich um kleinformatige Pfostenbauten, von denen sich in der Regel mehrere zu einem Gehöft gruppieren. Vor allem in den beiden südöstlichen Arbeitsbereichen 16 und 18 lässt sich eine Art Bauabfolge von Pfostenbauten rekonstruieren. Aus den Pfostengruben von vieren dieser Gebäude stammt eisenzeitliche Keramik, drei Gebäude lassen sich mit römischen Funden in Verbindung bringen, eines bleibt undatiert. Zieht man die Größe der Pfostenspuren in Betracht, könnte es sich auch noch um ein eisenzeitliches Gebäude handeln. Nicht in jedem Fall erlauben Funde aus den erfassten Pfostengruben eine genauere zeitliche Einordnung in die Bauabfolge. Einige der Pfostenbauten lassen sich jedoch ausweislich der Funde aus den Pfostengruben bereits in römische Zeit datieren. Somit ergibt sich vor allem für die südlichen Bereiche der ergrabenen Flächen eine locker gestreute Bebauung des ersten Jahrhunderts nach Christus. Die Pfostenbauten dieser Besiedlungsphase zeigen sowohl bekannte eisenzeitliche Grundrisse aus vier, sechs, acht oder neun Pfosten, als auch ein zweischiffiges Gebäude aus 15 Pfosten mit verschobener Mittelachse. Die nächste Siedlungsphase ist geprägt durch einen fast vollständig erfassten Grundriss, der gebildet wird durch streifenförmige Stickungen aus Kieseln und Natursteinbruch. Das sich aus den Fundamentstickungen ergebende Gebäude ist symmetrisch aufgebaut und mit zwei risalitartig vorspringenden Räumen an

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der nach Südosten ausgerichteten Frontseite versehen. Damit ergibt sich ein Villengebäude nach dem Hallentyp13. Die schmalen Fundamente und die zahlreichen um das Gebäude angeordneten großen Gruben machen eine auf Sockelmauerwerk errichteten Fachwerkbau wahrscheinlich. Das 2012 in einer Lehrgrabung der Universität Bonn freigelegte Gebäude dürfte angesichts der ähnlichen Konstruktion in dieselbe Siedlungsphase gehören. Weitere in Ausschnitten freigelegte Stickungen belegen14, dass das nicht die einzige Bebauung des Areals war, ohne dass sich Siedlungsphasen oder weitere Grundrisse erschließen lassen. Sowohl die Streuung der bekannten eisenzeitlichen Gebäudetypen auf dem Gelände, als auch die Art des dokumentierten römischen Grundrisses mit Risaliten wie die Zusammenstellung der Keramik deuten auf ländliche Wohnbebauung. Der in der Lehrgrabung erfasste Grundriss wurde als gallo-römischer Umgangstempel interpretiert. Dies geschah zum Einen auf der Grundlage des Grundrisses, der zu zwei quadratischen, ineinander liegenden Stickungen ergänzt wurde, zum anderen wegen der Bruchstücke von Räucherkelchen, die dort geborgen werden konnten. Die Fläche der Lehrgrabung liegt innerhalb der Arbeitsbereiche 9 und 11. Die direkte Umgebung wurde vollflächig untersucht, die Grabungsflächen reichen in alle Richtungen mindestens 9 Meter, Richtung Südwesten bis zu 50 Meter über die Fläche der universitären Lehrgrabung hinaus. Außer diesem einen, stark ergänzten Grundriss und der zugehörigen Keramik gibt es keine weiteren Indizien, die eine solche Interpretation stützen können. Weder wurden weitere ähnliche Grundrisse erfasst, noch deuten die in der Umgebung geborgenen Funde einen größeren Pilgerbetrieb an. In keiner der ergrabenen Flächen fanden sich Hinweise oder Bruchstücke von Weihesteinen, Inschriften, weiteren Räucherkelchen oder Gegenständen, die als Votivgaben interpretiert werden könnten. Will man an der Interpretation als Umgangstempel festhalten, wäre 13 14

U. Heimberg 2011, 25. v. a. In den Sondagen der Firma Artemus.

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allenfalls ein privater kleiner Tempel möglich, der zu dem Gebäude Stelle 167 gehört. Wirft man jedoch einen detaillierteren Blick auf die rekonstruierten Mauerverläufe, so ergeben sich starke Unregelmäßigkeiten in der Breite des postulierten Umgangs, der generell sehr schmal ausfällt. Im Nordosten lässt sich eine Breite von knapp 0,7 Metern rekonstruieren, die ergänzte Umgangsbreite im Südwesten beträgt jedoch nur noch 0,36 Meter. Besonders im Südwesten des Befundes ist deutlich erkennbar, dass Teile der Stickung durch Pflugspuren verschoben sind, dazu kommt eine Störung, die Teile des Befundes verunklärt. Denkbar wäre, dass die rekonstruierten zwei ineinander geschachtelten Mauern ursprünglich nur eine Mauer bildeten und der Befund eigentlich ein kleiner Turmspeicher oder ein anderes kleinräumiges Nebengebäude darstellt, dass in den Kontext einer Villa rustica besser zu integrieren wäre15. Das gesamte Areal bleibt aufgrund der Ausschnitthaftigkeit der Befunde schwierig zu interpretieren. Normalerweise wäre zu erwarten, dass eine villa rustica ein klar umrissenes Hofareal besitzt, wie es unter anderem im Hambacher Forst immer wieder dokumentiert werden konnte16. Ein solches konnte hier jedoch nicht eindeutig festgestellt werden, vielmehr deuten Stickungsreste, die an den Rändern der Schnittkante oder in den Sondagen der Firma Artemus festgestellt werden konnten darauf hin, dass sich die Bebauung in lockerer Folge vor allem Richtung Südosten über die Grabungsgrenzen hinaus erstreckte. Sollte diese Interpretation stimmen, wäre das Areal der Villa Rustica als groß einzustufen und das ergrabene Risalit-Gebäude möglicherweise nicht einmal das Haupthaus, sondern ein Wohnhaus für das Gesinde. Wie schon an anderen Fundorten römischer Villen im Rheinland, vor allem in den Gebieten des Braunkohletagebaus gibt es zwar vorrömische Bebauungsreste, die dort gefundene vorgeschichtliche Keramik lässt sich 15

Heiligtümer auf dem Gelände von Villen sind in Niedergermanien selten, aber nicht

unbekannt. Die Dokumentierten Beispiele wurden jedoch nicht als Umgangstempel ausgeführt. Vgl. www2.rgzm.de/transformation/home/frames.htm 16

Kießling 2008, Schuler 2000.

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jedoch am ehesten in den Zeithorizont Ha D/Lt. A einordnen17 und deutet nicht auf eine Siedlungskontinuität zwischen der Eisenzeit und der römischen Siedlungsphase. Gleichzeitig fällt es im Rheinland schwer, Siedlungen der Spätlatènezeit zu identifizieren, da die für diese Zeitstufe typische Keramik im Untersuchungsgebiet fast vollständig fehlt18. Die Vermischung von älterer laténezeitlicher Keramik und römischer Keramik in einigen Befunden wird dann gern als Vermischung von Materialien während römerzeitlicher Baumaßnahmen interpretiert19. In Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr Fundplätze erfasst werden, die eine Vermischung von Funden zeigen und unter deren sicher römisch zu identifizierenden Gebäuden nicht genauer zu datierende Vorgängerbauten auftauchen und unter Einbeziehung der Seltenheit eindeutiger Spälatènekeramik im Rheinland sollte diese Position möglicherweise überdacht werden. Die mehrphasige eisenzeitliche Siedlung und die vielleicht unmittelbar zeitlich anschließende villa rustica des 1. bis 2. Jahrhunderts n. Chr., deren Spuren auf dem Poppelsdorfer Campus nachgewiesen werden konnten, bilden somit einen weiteren wichtigen Baustein zur Erforschung der Übergangszeit von der späten Eisenzeit zur römischen Phase im Rheinland.

17

Siehe unter anderem bei P. Kießling 2008 65.

18

A. Simons 1989, 72.

19

P. Kießling 2008, 75.

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LITERATUR · U. Boelicke, Die Fibeln aus dem Areal der Colonia Ulpia Traiana, Xantener Berichte 10, Mainz 2002. · J. Englert, Archäologische Sachstandsermittlung Campus Poppelsdorf, 1. Bauabschnitt. OV 2011/1039 Abschlussbericht, 2012. · H. G. Horn (Hrsg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Hamburg 2002. · E. Gose, Gefäßtypen der römischen Kermik im Rheinland, Kevelaer 1950. · U. Heimberg, Villa Rustica. Leben und Arbeiten auf römischen Landgütern, Darmstadt 2011. · P. Kießling, Die Villa Rustica HA 412 und das römische Gräberfeld HA 86/158, unveröff. Diss. Bonn 2008. · F. Rumscheid / U. Mania, Vorbericht zur Lehrgrabung der Universität Bonn auf dem Gelände des Campus Poppelsdorf, 1. Bauabschnitt (OV 2012/0029), 2012. · A. Schuler, Abschlussgrabung in Hochneukirch: Von der “Protovilla” zur villa rustica, Archäologie im Rheinland 2000, 69 ff. · A. Simons, Bronze- und eisenzeitliche Besiedlung in den Rheinischen Lößbörden. Archäologische Siedlungsmuster im Braunkohlegebiet, BAR Int. Ser. 467, 1989. · Verschiedene Autoren: Transformation. The emergence of Common Culture in the Northern Provinces of the Roman Empire from Britain to the Black Sea up to 212 AD. Internationales Forschungsprojekt, gfödert von der EU, 2000. Publiziert im Internet unter: www2.rgzm.de/transformation/home/frames.htm

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