(B3) Projektthema Agrammatismus im Türkischen. Zur Rolle von

January 14, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Grammatik
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(B3) Projektthema Antragsteller:

Agrammatismus im Türkischen. Zur Rolle von funktionalen Kategorien für die Verarbeitung von Satzstrukturen Prof. Dr. Helen Leuninger, Universität Frankfurt a.M.

Stellung des Projekts im Gesamtkonzept Da dieses Projekt sich der Verarbeitung syntaktischer Strukturen durch agrammatische türkische Sprecher widmen soll, ist es mit den Schwerpunkten Theoretische Linguistik und Typologie vernetzt. Stand der Forschung Die Erforschung des Agrammatismus bei türkischen Sprechern ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: 1. wissenschaftlicher Aspekt: Agrammatische Störungen sind gut erforscht für das Englische, Deutsche, aber auch für semitische Sprachen wie das Hebräische. Neben anderen Ansätzen werden vor allem die Bindungs- und Rektionstheorie (Chomsky,1981,1995) von Grodzinsky (1995a,b: Hebräisch) und im Detail die Theorie funktionaler Kategorien und ihrer Projektionen von Ouhalla (1993: Englisch) oder Hiragawa (Japanisch) bzw. das Logogenmodell von de Bleser (vgl. bspw. de Bleser & Bayer, 1991: Deutsch) oder die (minimalistische) Morphologie und Morphosyntax (Penke, 1998; Höhle, 1992: Deutsch) zugrundegelegt. Die Befunde sind recht unterschiedlicher Art. Während in Grodzinskys Theorie, grob gesprochen das Zusammenspiel von Spuren und θ-Theorie als agrammatisch beeinträchtigt gesehen wird geht Ouhalla von einem Ausfall funktionaler Kategorien und ihrer Projektionen aus, so dass bspw. Serialisierungen im Agrammatismus beliebig sind. Hagiwara (1995) zeigt demgegenüber für das Japanische, dass nur höhere funktionale Projektionen (CP’s etwa) beeinträchtigt sind. Penke allerdings konnte zeigen, dass bei deutschen Agrammatikern sowohl in der Spontansprache also auch in rezeptiven Tests z.B. die Kasuszuweisung von in Spec,CP bewegten NP’s nicht gestört ist. Morphologische Kenntnisse spielen bei der Verarbeitung von Satzstrukturen eine erhebliche Rolle. In der vorerwähnten Studie von Penke zeigte sich etwa für den deutschen Plural, dass nur der reguläre, nicht aber der irreguläre Plural beeinträchtigt ist, ein Befund, den sie mithilfe der minimalistischen Morphologie erklärt. In diesem Modell werden ja die regulären morphologischen Bildungen durch mehrere Paradigmen erzeugt, während die irregulären Bildungen aus einem Paradigma „abgelesen“ werden können. In den Arbeiten von de Bleser wird das Logogenmodell für die Einzelwortverarbeitung durch eine erweiterte morphologische Komponente angereichert, so dass selektive morphologische Defizite modular erklärt werden können. Welche grammatischen Komponenten bei türkischen Agrammatikern beeinträchtigt sind, ist Gegenstand des vorliegenden Projekts. 2. sozialpolitischer Aspekt: Mittlerweile kommen vermehrt auch türkische Schlaganfallpatienten in neurologische Rehabilitationskliniken. Diese angemessen zu diagnostizieren und zu therapieren ist zweifellos eine wichtige Aufgabe, die eine enge Kooperation zwischen Linguisten und klinischen Linguisten erfordert. Eigene Vorarbeiten Die Antragstellerin hat sich in den vergangenen Jahren wegen des bildungspolitischen Auftrags der Installierung von Gebärdensprache in die Forschung und Ausbildung

(einschließlich Dolmetscherausbildung) in der Forschung auf die Linguistik und Psycholinguistik der Deutschen Gebärdensprache konzentrieren müssen. In der Lehre hingegen hat sie in Kooperation mit den unten aufgeführten Institutionen eine Vielzahl von klinischen Linguisten ausgebildet und entsprechende Magister- und Promotionsarbeiten betreut. Gegenwärtig betreut sie bspw. eine Magisterarbeit, in der Spontansprachdaten von türkischen Aphasiepatienten analysiert werden. In den Daten der Agrammatiker zeigen sich tendenziell Ausfälle in der Morphosyntax des Türkischen, die mit den Leistungen türkischer Wernicke-Aphasiker deutlich kontrastieren. In Leuninger (i.D. d) werden darüber hinaus methodische Fragen der Neurolinguistik thematisiert. Ziele und Aufgaben des Projekts Dem gemäß soll in dem vorliegenden Projekt der Zusammenhang von morphologischer und syntaktischer Struktur thematisiert werden. Als Satztypen sollen Fragesätze (Konstituentenund Entscheidungsfragen mit der Fragepartikel mI und ihrer je nach Position unterschiedlichen vokalharmonischen Realisierung), aber auch Sätze mit nicht-overt gefüllten C-Positionen (Kornfilt, 2001) (wie Relativsätze, Konditionalsätze) untersucht werden. Bspw. ist nach Kornfilt bei Subjektrelativsätzen die erste Position durch eine leere Kategorie (Operator) besetzt, die mit dem entsprechenden Suffix am Verb koindiziert ist, und keine Kongruenz vorliegt, während bei Akkusativ-Sätzen Kongruenz herrscht bzw. ein pro durch die Morphologie lizensiert wird. Der Zusammenhang zwischenθ-Struktur und Morphosyntax soll anhand der Verarbeitung von Passivsätzen überprüft werden. Methode In dem beantragten Projekt sollen sowohl Produktions- als auch Perzeptionsdaten erhoben werden, und zwar sowohl spontansprachliche als auch experimentell induzierte Daten. Denn eine Beschränkung auf eine Modalität kann die Symptomatik verfälschen. Kontakte Es bestehen enge Kontakte zu den umliegenden Rehabilitationskliniken, an denen nahezu ausschließlich klinische Linguisten arbeiten, die an der linguistischen Abteilung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Linguistik, Neuro- und klinische Linguistik studiert haben. Bad Camberg Bad Schwalbach Otto-Fricke-Krankenhaus, Lindenalleeklinik Falkenstein Bad Orb Darüber hinaus besteht enger Kontakt mit der Neurologie der Universitätsklinik (Prof. Dr. Steinmetz) und mit neurologischen Institutionen in der Türkei, insbesondere mit der Universitätsklinik der Universität Hacettepe, Fachbereich Audiologie (Prof. Dr. Bilgin, Ankara) Zur Diagnostik liegt eine Übersetzung des Aachener Aphasietests in das Türkische vor. Darüber hinaus sind bereits Daten in der Türkei erhoben worden, die gegenwärtig ausgewertet werden. Tendenziell zeigt sich, dass bestimmte Flexionsmorpheme (Person und Numerus) störanfälliger sind als andere, so dass gerade eine Untersuchung von Kongruenz, wie o.a., besonders aufschlussreich sein sollte.

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Externe Kontakte: Prof. Dr. M. Rothweiler, Dysgrammatismus-Projekt (türkische Kinder) im Rahmen des SFB Mehrsprachigkeit an der Universität Hamburg Prof. Dr. R. de Bleser: Neurolinguistik, Universität Potsdam Prof. Dr. F.-J. Stachowiak, Universität Gießen Literatur Chomsky, N. (1981): Lectures on government and binding. Dordrecht: Foris Chomsky, N. (1995): The minimalist program. Cambridge, MA.: MIT Press de Bleser,R. & Bayer, J. (1991): On the role of inflectional morphology in agrammatism. In: Hammond, M. (Hrsg.): Theoretical morphology: Approaches in modern linguistics. San Diego: Academic Press Grodzinsky, Y. (1995a): A restrictive theory of agrammatic comprehension. Brain and Language 50, 27-51 Grodzinsky, Y. (1995b): Trace deletion, θ-Roles, and cognitive strategies . Brain and Language 50, 469-497 Hagiwara, H. (1995): The breakdown of functional categories and the economy of derivation. Brain and Language 50, 92116 Höhle, B. (1992): Morphosyntaktische Beeinträchtigungen in der Aphasie: Eine Untersuchung zur Produktion flektierter Wortformen bei Broca- und Wernicke-Aphasikern. Tübingen: Niemeyer Kornfilt, J. (2001): Functional projections and their subjects in Turkish clauses. In: Taylan, E. (Hrsg.): The verb in Turkish, Linguistik aktuell. Bd. 44: Amsterdam Müller, H.-G. (2000): Funktionale Kategorien und ihre Realisierung im Türkischen. Magisterarbeit. Universität Tübingen Ouhalla, J. (1993): Functional categories, agrammatism and language acquisition. Linguistische Berichte 143, 3-36 Penke, M (1998): Die Grammatik des Agrammatismus. Eine linguistische Untersuchung zu Wortstellung und Flexion bei Broca-Aphasie. Tübingen: Niemeyer

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