Bewertung von flüchtigen Schadstoffen im Boden

January 17, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Leichtflüchtige Schadstoffe im Boden - orientierende Hinweise zur Bewertung von Stoffkonzentrationen in der Bodenluft beim Wirkungspfad Boden-InnenraumluftMensch für Wohngebiete Andreas Zeddel, Monika Machtolf, Dietmar Barkowski, Antje Sohr Einleitung Bewertung von Bodenluft Toxikologische Grundlagen Übergang Bodenluft-Raumluft (Transferfaktoren) Berechnungsgrundlagen Vorschlag zur Bewertung Aussagekraft Anforderungen an die Messung von Bodenluftkonzentrationen bei der Bewertung Art der Probennahme Ort der Probennahme Praxiserfahrungen auf der bewohnten Altablagerung Barsbüttel Nr. 78 Diskussion Verwendung von Hinweiswerten in der Orientierenden Untersuchung Argument für Bodenluftbewertungen Literatur Zusammenfassung Bei der Untersuchung von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten auf Lösungsmittel und leichtflüchtige Schadstoffe kann sich die Frage der Bewertung von Konzentrationen in der Bodenluft ergeben. Für diese Stoffe existieren keine Prüf- oder Maßnahmenwerte in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), jedoch orientierende Hinweise auf Prüfwerte in Form von Schadstoffgehalten im Feststoff in mg/kg. Auf der Grundlage von vorliegenden toxikologischen Wirkdaten und in Anlehnung an das Vorgehen nach der BBodSchV werden für verschiedene leichtflüchtige Schadstoffe (u.a. BTEX-Aromaten, LHKW, Vinylchlorid) für das Expositionsszenario von Boden- bzw. Bodenluftkontamination in Wohngebieten Orientierungsbereiche aufgezeigt, die Anhaltspunkte für eine Belastung darstellen. Die Wahl eines geeigneten Transferfaktors zwischen Bodenluft und (Keller-) Innenraumluft im Bereich 1:100 bis 1:1000 wird diskutiert, Hinweise für methodische Randbedingungen werden genannt sowie der Zusammenhang von Bodenluftund Feststoffmessungen aufgezeigt. An Hand von Praxiserfahrungen auf der bewohnten Altablagerung 'Barsbüttel Nr. 78' werden Ergebnisse von Bodenluftmessungen aus stationären Gasmessstellen sowie das Vorgehen unter Vorsorgegesichtspunkten dargestellt.

2 Einleitung Nach § 3 Abs. 6 der BBodSchV können im Rahmen der Untersuchung von Verdachtsflächen oder altlastverdächtigen Flächen Bodenluftmessungen zur Bewertung und Prüfung weiterer Sachverhaltsermittlungen beim Pfad Boden-Mensch herangezogen werden. Liegen auf Grund solcher Messungen Anhaltspunkte für die Ausbreitung von flüchtigen Schadstoffen aus dem Boden in Gebäude hinein vor, soll eine Untersuchung der Innenraumluft erfolgen. Anders als bei der Untersuchung der Feststoffgehalte des Bodens existieren keine einzelstoffspezifischen Maßstäbe, um das Vorliegen solcher Anhaltspunkte für die Bodenluft zu konkretisieren. Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie hat 1999 mit fachlicher Unterstützung der Arbeitsgruppe "Prüfwerte" des Altlastenausschusses (ALA) einen Versuch der Ableitung von Orientierungswerten für flüchtige organische Substanzen in der Bodenluft unternommen. Als Vorschlag ergaben sich daraus summarische Prüfwerte für die Summe der LHKW, der kanzerogenen LHKW, der BTEX-Aromaten und ausschließlich Benzol als Einzelstoff (HLUG 1999). Nach § 4 Abs. 5 der BBodSchV sind, soweit in der BBodSchV für Schadstoffe keine Prüfoder Maßnahmenwerte festgesetzt sind, die im Bundesanzeiger aufgeführten 'Methoden und Maßstäbe' zu beachten (BAnz. 1999). Das Umweltbundesamt hat mit der in Kap. 1 der 'Methoden und Maßstäbe' angekündigten Dokumentation der Einzelstoffableitung gleichzeitig Hinweise für die Bewertung flüchtiger Schadstoffe vorgelegt (Umweltbundesamt 1999), denen damit eine relativ hohe Bedeutung zuzumessen ist. Die dort ausgeführte Ableitung beschränkt sich aber im Ergebnis auf die Berechnung und Plausibilisierung orientierender Hinweise für Bodenfeststoffgehalte 1 der betreffenden Schadstoffe. Grundlage dieser Hinweise war ein Forschungsvorhaben des Forschungs- und Beratungsinstituts Gefahrstoffe, Freiburg, (FoBiG 1997), das zwischenzeitlich auf der gleichen Ableitungsmethodik weitere Vorschläge für orientierende Hinweise für die flüchtigen Stoffe Naphthalin, Ethylbenzol und Benzol vorgelegt hat (FoBiG 1999, FoBiG 2000b). Obwohl bei diesen Arbeiten explizit keine Bodenluftvergleichswerte aufgeführt sind, wird mit der Ableitungsmethodik auf eine Reihe von Abschätzungen und Expositionsannahmen eingegangen, auf die eine Ableitung von Orientierungswerten für die Bodenluft aufbauen kann. Bewertung von Bodenluft Die Bewertung von flüchtigen Verbindungen hat gegenüber schwerflüchtigen Verbindungen das grundsätzliche Problem, dass durch die Flüchtigkeit erhöhte Unsicherheiten über mögliche Migrationswege und Expositions- und Kontaktmöglichkeiten bestehen und gleichzeitig die Messverfahren zur Bestimmung von Bodenluft- und Feststoffgehalten im Boden mit verschiedenen Problemen versehen sind. 1

Semantische Verkürzung: wenn im folgenden 'Bodenfeststoffgehalte', 'Feststoffwerte', 'Feststoffkonzentrationen' oder 'Bodenluftkonzentrationen' genannt sind, so muss gedanklich jeweils die korrekte Bezeichnung 'Schadstoffkonzentration im Feststoff' [in mg/kg] oder 'Schadstoffkonzentration in der Bodenluft' [in mg/m 3] ergänzt werden.

3 Einführend sei daher ausdrücklich auf die Einleitung von UBA 1999 verwiesen und zitiert: "Die für flüchtige Stoffe berechneten orientierenden Hinweise auf Prüfwert-Konzentrationen sind in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit nicht mit Prüfwerten nach BBodSchV Anhang 2 Nr. 1.4 gleichzusetzen. Die Quantifizierung der Exposition des Menschen bei diesen Stoffen ... enthält Unsicherheiten, die es in der Sache vertretbar erscheinen lassen, lediglich von orientierenden Hinweisen zu sprechen. Die Verlässlichkeit der Ableitung dieser Werte ist gering, da der Eintrag von flüchtigen Stoffen aus dem Boden in die Raumluft weitgehend von standortspezifischen Faktoren abhängt. Insofern ist der Charakter dieser Werte als Konvention auf der Basis des bestehenden Wissens zu betrachten." Gleiches gilt für die Ableitung von Orientierungswerten bzw. -bereichen für die Bodenluft. Toxikologische Grundlagen Die toxikologischen Daten der Stoffe, die in Tabelle 1 aufgeführt sind, werden hier nicht im Einzelnen dargelegt, sondern aus den bestehenden Veröffentlichungen oder hier vorliegenden Entwürfen übernommen (UBA 1999, Eikmann et al. 1999, FoBiG 1999, FoBiG 2000a, IFUA 2001). Angegeben ist jeweils nur die Wirkung ('kanz' für kanzerogene und 'nk' für nicht kanzerogene Wirkung), die bei der vergleichenden Berechnung die niedrigsten Orientierungswerte ergab bzw. in die Plausibilitätsüberlegung einbezogen wurde (dann Angabe der verschiedenen Berechnungsdaten). Wegen der besonderen Bedeutung der Stoffe Vinylchlorid und Benzol werden deren Grundlagen hier kurz erläutert: Vinylchlorid: Expositionsberechnungen auf der Grundlage der kanzerogenen Wirkung von Vinylchlorid führen für den Pfad Boden-Bodenluft-Innenraumluft zu den relativ niedrigsten Prüfwerten (IFUA 2001). Vom Umweltbundesamt werden wie auch von der U.S. EPA für die inhalative Aufnahme unit risk-Werte (UR) von 6,5*10-7 bis 8,8*10-6 (pro 1 µg/m³) abgeleitet. Daraus ergibt sich unter der Annahme eines zusätzlichen tolerierbaren Krebsrisikos von 10 -5 (s. BAnz. 1999) eine Luftkonzentration von minimal 1 µg/m3 (entspricht 0,116 µg/kg*d bei 40 % Resorption, s. IFUA 2001). Hierbei ist durch einen Faktor von 2 bereits berücksichtigt, dass der kindliche Organismus gegenüber kanzerogenen Wirkungen empfindlicher reagiert als der von Erwachsenen. Benzol: Expositionsberechnungen auf der Grundlage der kanzerogenen Wirkung von Benzol führen für den Pfad Boden-Bodenluft-Innenraumluft zu den relativ niedrigsten Prüfwerten (FoBiG 2000b). Für die inhalative Exposition liegen verschiedene quantitative Krebsrisikobewertungen der U.S. EPA, WHO, DKFZ und RIVM vor, die als gleichermaßen geeignet (UR+) für die Risikobewertung bewertet wurden (FoBiG 2000a). Da die neuere Abschätzung nach U.S. EPA (UR von 2,2-7,8*10-6 pro 1 µg/m³) die Risikoquantifizierung auf der gleichen Datengrundlage wie WHO und DKFZ vornimmt, die Ableitung des DKFZ aber weitere

4 Studien berücksichtigt, wird hier entsprechend dem DKFZ der gegenüber der U.S. EPA-Abschätzung ungünstigere unit risk von 9,210-6 (pro 1 µg/m³ entspricht 1,1 g/m3 bei 10-5 bzw. 0,16 µg/kg*d bei 50 % Resorption, übernommen auch von LAI 1993) der Ableitung zu Grunde gelegt. Die anzunehmende erhöhte Empfindlichkeit von Kindern wird bei diesem Stoff durch den Standardfaktor von 10 berücksichtigt. Übergang Bodenluft-Raumluft (Transferfaktoren) Die Grundannahme der Berechnung von Bodenluftwerten ist das Modell eines Übergangs von Bodenluft in Gebäude hinein. Diesem Übergang können verschiedene Mechanismen zu Grunde liegen. Neben der Diffusion durch Fehlstellen (Durchgängen von Versorgungsleitungen durch Fundamente und Kellerwände) und Risse sind druckgesteuerte Transportprozesse zu beachten. Unterdruck im Gebäude kann sich dabei im wesentlichen durch Unterschiede zwischen Außen- und Raumtemperatur sowie unterschiedlichen Druckverteilungen infolge Windeinfluss bilden (siehe Abbildung 1, näheres s. HLUG 1999). Bei der Abschätzung von Gefährdungen aus Altablagerungen ist die Bildung von Deponiegas und der sich bei Versiegelungen oder bindigen Bodenhorizonten bildende Überdruck zu beachten. Hier ist die Migration von Spurengasen mit dem Deponiegas in der Regel kaum abschätzbar oder berechenbar, da Inhomogenitäten gerade auch im Nahbereich von 'Störungen' wie Gebäuden zu bevorzugten Wegigkeiten führen (z.B. auch über Drainageleitungen u.a. speziell zur Entwässerung angelegten Kies- oder Sandschichten). Da bei diesen Altablagerungen meist auch Setzungsprobleme hinzukommen, ist Fehlstellen in Versorgungsleitungen u.a. setzungsbedingten Eintrittmöglichkeiten von Deponiegas/Spurenstoffen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ein 'allgemeines' Expositionsszenario kann bei Altablagerungen erst dann verwendet werden, wenn über eine Gasabsaugung die Bildung von Deponiegas mit Überdruck unterbunden wird (s. beispielhaft Abbildung 2 für Barsbüttel Nr. 78).

Abbildung 1: Unterdruckgesteuertes Eindringen von Bodenluft in Innenräume infolge unterschiedlicher Temperaturen: Ta: Außentemperatur; T I: Innentemperatur; mk: konvektiver Massenstrom (nach HLUG 1999)

Abbildung 2: Schema zu Messpunkten und zur Verdünnung von Bodenluft in begehbare Räume am Beispiel der bebauten Altablagerung Barsbüttel Nr. 78, bei der das Deponiegas durch Gasbrunnen abgesaugt wird. Für ein allgemein anwendbares Expositionsszenario ist es notwendig, die Größenordnung der Verdünnung der Bodenluft in die Kellerinnenraumluft - d.h. den Transferfaktor - unter den

5 denkbar ungünstigsten Randbedingungen (konservativ) abzuschätzen. Neben theoretischen Berechnungen des diffusiven und konvektiven Transportes (s. HLUG 1999) müssen worstcase-Annahmen über Luftwechselraten und Bausubstanz als auch experimentelle Befunde in eine solche Abschätzung einfließen. Es liegen von verschiedenen Autoren unterschiedliche Abschätzungen des Transferfaktors vor. Übereinstimmend bezeichnen alle Autoren diese Abschätzung als schwierig und die Datenlage als schlecht interpretierbar.  FoBiG (1997 und 2000a/b) verwendet nach Berücksichtigung einer Reihe von Untersuchungen zum Eintritt von Radon in die Raumluft, zu experimentellen Untersuchungen und Erfahrungen aus Praxisfällen der Altlastenbewertung einen Transferfaktor von 1:1000, der als hinreichend konservativ bezeichnet wird.  Fresenius/focon 1997 verweisen auf Untersuchungen mittels eines in den Boden eingegrabenen Modellgebäudes und stellen die Bedeutung des advektiven Transports heraus. Sie legen einen Transferfaktor von 1:100 fest, wobei dieser Faktor für die meisten Schadstoffe als extrem konservativ eingeschätzt wird.  HLUG 1999 diskutiert für ungünstige Szenarien sehr niedrigen Verdünnungswerte von bis zu 1:25, 1:40 und 1:80.  Ältere Abschätzungen (Selenka 1989, VwV Baden-Württemberg 19902) verwenden für den ungünstigsten Fall wiederum den Faktor von 1:1000, wobei in der VwV BadenWürttemberg dazu ausgeführt wird: “Der ungünstigste Fall ist definiert als eine Situation mit wenig oder ganz ohne Luftwechsel und ungehindertem Zugang zu kontaminiertem Bodenmaterial wie sie z.B. in Innen-, insbesondere Kellerräumen mit undichten Wänden oder Fußböden durch schadhafte Ver- und Entsorgungsanschlüsse auftreten.”  IFUA (1995 und 2001) schlägt als worst-case-Faktor der Verdünnung von Bodenluft in die (Keller-) Raumluft von (Wohn-) Gebäuden den Faktor von 1:200 vor. Bei der Wahl eines allgemeinen Transferfaktors ist zu berücksichtigen, dass eine Verdünnung von Bodenluft in Gebäude hinein niemals zeitlich konstant ist und Situationen, die den ungünstigsten Fall beschreiben, nicht über längere Zeiträume zu unterstellen sind. In der Abschätzung muss daher mit Faktoren gearbeitet werden, die konservativ die durchschnittliche Verdünnung einer Gasvolumeneinheit beim Übertritt Bodenluft/Raumluft beschreiben. Daher ist es gerechtfertigt, bei einem Spektrum von Verdünnungsfaktoren zwischen 1:25 und über 1:1.000.000 einen Faktor von 1:100 bis 1:1000 für die Ableitung von Orientierungswerten zu verwenden, der auch bei defekten Kellerwänden als ausreichend konservativ anzusehen ist. 2

Siehe 'Prüfwerte zum Schutz von Menschen auf kontaminierten Böden - fachliche Begründung der Ableitung der Prüfwerte Baden-Württemberg', in Handbuch Bodenschutz 3560. Der von Baden-Württemberg für Benzol aufgeführte Faktor von 0,1 kg/m3 [1 mg/m3 (Raum-) Luft pro 10 mg/kg Boden] setzt sich aus dem Transferfaktor Bodengehalt [mg/kg]  Bodenluftgehalt [mg/m3] und dem hier betrachteten Transferfaktor Bodenluftgehalt [mg/m3]  Raumluftgehalt [mg/m3] zusammen. Für ersteren Transfer verwendet FoBiG den Faktor 100 kg/m3 (10 mg/kg Boden entspricht etwa 1000 mg/m3 in der Bodenluft, so dass sich als Transferfaktor in die Raumluft bei der Ableitung nach Baden-Württemberg implizit der Faktor 1:1000 ergibt [1000 mg/m3 Bodenluft entspricht 1 mg/m3 Atmosphären (Raum-) Luft].

6 Da mit der Übernahme der Ableitungsmethodik nach FoBiG (1997, 2000b) in die Berechnung der orientierenden Hinweise auf Prüfwerte nach UBA (1999) der Faktor 1:1000 faktisch eingeführt ist, bietet es sich an, diesen Faktor einer Ableitung von Bodenluftwerten zu verwenden. Auf Grund des Hinweischarakters der Messungen bei leichtflüchtigen Verbindungen und den im Altlastenbereich oft nicht intakten Bausubstanzen halten wir es aber für angebracht, eine weitere Abschätzung mit dem Transferfaktor von 1:100 durchzuführen. Orientierungswerte mit Transferfaktoren zwischen 1:100 und 1:1000 werden den unterschiedlichen Bedingungen des Einzelfalls am ehesten gerecht und liefern unseres Erachtens Anhaltpunkte für eine Ausbreitung von flüchtigen Schadstoffen aus dem Boden in Gebäude hinein. Die Wahl des geeigneten Transferfaktors und damit die konkrete Bewertung einer Bodenluftkontamination trifft ein Sachverständiger in Abhängigkeit von den Randbedingungen (Konvektion, Diffusion, Gebäudezustand, Boden) im Einzelfall. Von der hier vorgeschlagenen Größenordnung kann beispielsweise bei starker Konvektion (aktive Gasbildung) oder besonders gesicherten Gebäuden nach unten oder oben auch deutlich abgewichen werden. Kann kontaminiertes Grundwasser mit der Bausubstanz in Kontakt treten, sind Kapillareffekte zu berücksichtigen, die auf Grund des anders gearteten Transportprozesses zu weit höheren Innenraumkonzentrationen führen können als durch den Eintritt von Bodenluft in das Gebäude. Berechnungsgrundlagen Für nicht kanzerogene Stoffe ist die Formel 1 (gemäß Formel 10 nach UBA, 1999) ohne Kas zu verwenden. Für nicht kanzerogene Stoffe, für die wegen lokaler Wirkung auf den Atemtrakt kein TRD-Wert, sondern eine Referenzkonzentration (RK) abgeleitet wurde, gilt entsprechend Formel 2 und für kanzerogene Stoffe die Formel 3 (gemäß abgeänderter Formel 11 nach UBA, 1999). Bei Stoffen mit anzunehmender heterogener oder unbekannter Wirkungsstruktur wie z.B. Kanzerogene mit vermuteten nicht gentoxischem Wirkmechanismus (s. BAnz. 1999, Punkt 2.3.1.10) soll zu der Dosis, bei der Krebs im Tierversuch mit Signifikanz belegt werden kann (cancerogenic effect level, CELmin), ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden (CELmin/10000). Die Berechnungen werden hier gemäß Formel 3 mit 'CELmin/10000' statt 'Dosis bei Risiko 10-5' durchgeführt. Gemäß dem Bundesanzeiger (BAnz. 1999) werden für die Abschätzungen Gefahrenfaktoren (F(Gef) in Tabelle 1) verwendet, die die Verwendung der berechneten Werte im Rahmen der Gefahrenabwehr nach BBodSchG sicherstellen sollen. Durch die Gefahrenfaktoren und unter Berücksichtigung der Hintergrundbelastung bei nicht kanzerogener Wirkung (80% Ausschöpfung des TRD-Wertes) ergeben sich aus den toxikologischen Ausgangsdaten gefahrenbezogene Innenraumkonzentrationen, die nach den Maßgaben des BBodSchG tolerierbar sind (Tabelle 1, Spalte 8). Diese Werte entsprechen nicht Beurteilungswerten für

7 Innenraum, wie sie von der Innenraumkommission erarbeitet werden (Robert-Koch-Institut 1996). Sie stellen gefahrenverknüpfte Ausgangswerte für die Ableitung der Hinweiswerte in Bodenluft und Boden dar; am ehesten korrespondieren sie daher mit den RW II - Werten. Die abschließende Bewertung der Innenraumluft aus Innenraumluftmessungen hat nach den Maßstäben des öffentlichen Gesundheitswesens zu erfolgen (s. BBodSchV § 3, Abs.6, letzter Teilsatz). Durch Multiplikation der gefahrenbezogenen Innenraumkonzentration mit dem Transferfaktor TF(BR) =100 wird eine rechnerische Bodenluftkonzentration als Grundlage der Plausibilisierung und Rundung ausgewiesen (vgl. Tabelle 1). Soweit für die Stoffe bei der Ableitung der Feststoffwerte im Rahmen der Plausibilitätsprüfung unterschiedliche toxikologische Daten verglichen wurden, sind die entsprechenden Bodenluftkonzentrationen parallel angegeben. Der Orientierungsbereich zur Bewertung der Bodenluftkonzentrationen für einen Stoff ergibt sich daraus in Anlehnung an das Vorgehen bei den Feststoffgehalten durch Rundung und Plausibilisierung (hier Vergleich mit Geruchsschwellen) der Werte. Bewertungsvorschlag Unter Verwendung der o.g. Randbedingungen wurden orientierende Hinweise auf Bodenluftwerte ermittelt und zu einem Orientierungswertebereich zusammengefasst, entsprechend Tabelle 1. Alle berechneten Orientierungswerte über 250 mg/m3 bei einem TFBR von 100 wurden auf einen Maximalwert von 250 mg/m3 gesetzt. Bei dieser Größenordnung einer Belastung der Bodenluft sind unabhängig von den toxikologischen Grunddaten Untersuchungen zur weiteren Sachverhaltsermittlung angezeigt. Es liegen dann deutliche Hinweise für 'hohe' Kontaminationen am Beprobungsbereich vor, so dass weitere Untersuchungen über die lokale Verbreitung und die lokalen Unterschiede wie auch zur Absicherung des untersuchten Stoffspektrums zu empfehlen sind. Weiter ist ggf. mit Feststoffuntersuchungen zu prüfen, ob eine Schadstoffquelle (Lösungsmittelphase) im Boden oder Grundwasser vorhanden ist. Der Substanz Benzol fällt bei typischen Kontaminationen mit BTEX-Aromaten auf Grund des niedrigen Orientierungswertes die Rolle der toxisch relevanten Leitsubstanz für die Praxis zu. Der orientierende Hinweis auf den Feststoff-Prüfwert für Benzol wurde nach FoBiG (2000b) auf Grund analytischer Bestimmungsprobleme um fast den Faktor 20 angehoben, so dass die Bestimmung von Benzol in der Bodenluft die einzige Möglichkeit darstellt, Hinweise für Belastungen in der Größenordnung der toxischen Bedeutung des Stoffes zu erhalten. Vinylchlorid ist als Abbauprodukt bei Kontaminationen mit den Kaltreinigern Trichlorethylen und Tetrachlorethylen unter anaeroben Bedingungen - d. h. insbesondere bei gleichzeitigem Vorhandensein leicht abbaubarer organischer Substanzen, so auch bei entsprechenden Altablagerungen - regelmäßig und teilweise in erheblichen Konzentrationen anzutreffen. Für den

8 flüchtigen Stoff lassen sich keine praktikablen orientierenden Hinweise auf Feststoff-Prüfwerte angeben (s.a. IFUA 2001), so dass die Bestimmung des Stoffes in der Bodenluft die einzig mögliche Abschätzung der Gefährdung von entsprechend Exponierten darstellt. Für Stoffe mit einer Geruchsschwelle unterhalb des Orientierungsbereiches wurde gemäß dem Vorgehen bei UBA 1999 die Geruchsschwelle zur Ableitung des Orientierungsbereiches verwendet, um geruchliche Beeinträchtigungen beim Arbeiten im Boden auszuschließen. Keiner der vorgeschlagenen Orientierungswerte-Bodenluft liegt unter oder im Bereich von bekannten Hintergrundgehalten der entsprechenden Stoffe in der Bodenluft. Es ist jedoch anzumerken, dass die Datenlage über Hintergrundgehalte leichtflüchtiger Stoffe in der Bodenluft bei vielen Stoffen unzureichend ist. Zur Vervollständigung wurden in Tabelle 1 die von FoBiG (aus UBA 1999, FoBiG 1999, 2000b) und IFUA (2001) berechneten orientierenden Hinweise auf Prüfwerte für Wohngebiete ergänzt. Die mit (V) gekennzeichneten Werte sind Entwurfsvorschläge für die weitere Diskussion. Aussagekraft Liegen keine Erfahrungen mit Transferfaktoren Bodenluft-Raumluft (TF) vor, so kann der Orientierungswertebereich auf der Stufe der orientierenden Untersuchung Anhaltspunkte für einen weiteren Handlungsbedarf (Detail-, Innenraumuntersuchung) ergeben. Durch die gewählten Annahmen ist bei Unterschreitung der unteren Bereichsgrenze (TFBR 100) der Verdacht auf erhebliche Belastungen mit den untersuchten Stoffen auszuschließen3. Bei Überschreitung der unteren Bereichsgrenze liegt ein hinreichender Gefahrenverdacht, bei Überschreitung der oberen Bereichsgrenze (mit Obergrenze TFBR 1000) ein dringender Gefahrenverdacht vor3. Hinreichender bzw. dringender Gefahrenverdacht machen weitere Untersuchungen, d.h. bevorzugt Innenraumluftmessungen notwendig. Kann der Gutachter den Transferfaktor für den Einzelfall abschätzen, so sind ausgehend von der gefahrenbezogenen Innenraumkonzentration mit diesem Faktor orientierende Hinweise für Bodenluft zu ermitteln. Werden diese Werte überschritten, ist ein hinreichender Gefahrenverdacht gegeben. Eine alleinige Bewertung der Verdachtsfläche im Sinne der Feststellung einer Gefahrensituation oder Festlegung eines Sanierungsbedarfs ist auf der Grundlage von Bodenluftkonzentrationen nicht zulässig.

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soweit keine anderen Erkenntnisse über die Randbedingungen des Einzelfalls dem entgegen stehen!

9 Anforderungen an die Messung von Bodenluftkonzentrationen bei der Bewertung Art der Probennahme Im Anhang 1 der BBodSchV werden Anforderungen an die Untersuchung von Bodenluft in 2.2 erwähnt, wobei auf die VDI-Richtlinie 3865, Blatt 1 und 2 verwiesen wird. Mit diesem Verweis ist keine Festlegung auf eine Entnahmemethode vorgenommen worden, vielmehr werden in der Richtlinie verschiedene Konventionsverfahren beschrieben, die in unterschiedlicher Art und Qualität den Gehalt von Schadstoffen in der Bodenluft darstellen können. Die geringe Konkretisierung ergibt sich daraus, dass die Verteilung der Stoffe im Drei-Phasen-System Boden / Bodenluft / Bodenwasser erheblich von bodenphysikalischen Kenngrößen wie Wassergehalt, Porenform und -größe sowie von meteorologischen Bedingungen beeinflusst wird. Insofern sind für die Beurteilung von Messergebnissen die Angaben zur standortspezifischen Situation im Untergrund und zu Witterungsdaten zu beachten. Daher weisen alle Empfehlungen im Zusammenhang mit der Bodenluft nachdrücklich darauf hin, dass Bodenluftuntersuchungen Relativ-Aussagen zulassen, aber nicht die tatsächlichen Schadstoffgehalte wiederspiegeln (A-QS 2000, OFD 2001): Generell ist festzustellen, dass Bodenluftuntersuchungen nur orientierenden Charakter haben und für eine Beurteilung der Verdachtsflächen allein nicht ausreichen (s. einführender Abschnitt unter Grundlagen). Diese Problematik ist durch Nennung spezieller technischer Randbedingungen der Probennahme nicht aufzuheben, im Gegenteil wird hier ein prinzipielles Bewertungsproblem deutlich: theoretische Ableitungen von Beurteilungsgrößen, die auf toxikologischen Basisdaten aufbauen, weisen erst einmal keinen Bezug zu messtechnisch erfassten Größen vor Ort auf. Phasenverteilungen und Interaktionen von Stoffen untereinander oder mit unterschiedlichen Matrices können bei allgemein gültigen Abschätzungen nur bedingt - und dann allenfalls als worst-case-Abschätzung - eingeführt werden. Dieser Problematik unterliegen die bei UBA 1999 genannten orientierenden Hinweise auf Prüfwerte (Feststoffwerte) in gleicher und besonderer Weise, da eine Verteilung der Stoffe im Drei-Phasen-System Boden / Bodenluft / Bodenwasser unabhängig von vor Ort-Parametern durch einen stoffspezifischen Verteilungskoeffizienten Bodenluft-Bodenfeststoff (Kas)4 angenommen wird - Bodenluft4

So muss praktikablerweise für die Verteilung eines Schadstoffes zwischen Bodenluft (air) und Feststoff (solid) ein Koeffizient (Kas) angegeben werden, auch wenn sowohl aus der Literatur als auch aus den beeinflussenden Randbedingungen folgt, dass dieser Koeffizient über Größenordnungen schwanken kann (z.B. IFUA 2001). Als beeinflussende Größe sind die Temperatur und der Kohlenstoffgehalt (%OC) zu nennen, der in die Berechnung des Kas direkt eingeht (nach UBA 1999): Kas = Kh/Kd (Kh=H/RT mit H: Henry-Konstante für die Verteilung zwischen wässriger Phase/Bodenluft und T: Temperatur; Kd: Bodenadsorptionskoeffizient für die Verteilung wässrige Phase/Bodenfeststoff), wobei Kd = KOC * %OC/100. Der Kohlenstoffgehalt (%OC) wird für B- und C Horizonte pauschal mit 1% org. Kohlenstoff angenommen. Im Einzelfall müssten auf moorigen Standorten oder bei Marschen in relevanten Tiefen auch höhere organische C-Gehalte berücksichtigt werden. Ggf. ist die Art des vorliegenden organischen Materials für eine genauere Abschätzung zu beachten, da die K d-Werte sich auf Huminstoffe des Oberbodens beziehen, während für die Freisetzung bzw. Bindung von leichtflüchtigen Verbindungen im tieferen Untergrund andere Bedingungen vorliegen können (Grathwohl & Eisele 1991). Für wenig zersetztes Material von Ablagerungen oder Material aus junger Bodenbildung sind trotz hoher Kohlenstoffgehalte deutlich geringere Sorptionskapazitäten zu erwarten als bei entsprechenden Gehalten aus fossilen organischen Materialien.

10 gehalte also Grundlage der Bodenfeststoffwerte sind. Auf dieser theoretischen Grundlage haben die orientierenden Hinweise auf Prüfwerte aus UBA (1999) die gleiche Qualität wie die hier aufgeführten Orientierungswerte-Bodenluft. Ein vertretbarer Bezug zu Messergebnissen kann nur hergestellt werden, wenn eine Abschätzung von jeweils ungünstigen Vorraussetzungen ausgeht und damit eine Größenordnung aufgezeigt wird, unter der Wirkungen unwahrscheinlich oder über der Wirkungen wahrscheinlich sind. Nur mit diesem orientierenden Ansatz können vor Ort erzeugte Bodenluft-Messergebnisse in einen Zusammenhang mit dem in Tabelle 1 genannten Bereich gestellt werden. Um diesem Kriterium zu entsprechen, wurden auch bei unsicherer Datengrundlage die jeweils ungünstigsten Wirkdaten und mit der Wahl des unteren Transferfaktors von 1:100 eine weitere sehr konservative Randbedingung gewählt. Als Messverfahren ist vor diesem Hintergrund dasjenige zu wählen, welches am ehesten eine Beeinflussung der entnommenen Bodenluft mit Umgebungsluft ausschließen kann und im Vergleich am ehesten als robust zu bezeichnen ist. Aus der genannten Relativität ergibt sich als grundsätzliche Empfehlung, Bewertungen von Bodenluft nicht an ein Messdatum zu knüpfen, sondern zumindest zwei, besser drei zeitunabhängige Messungen durchzuführen. Von diesen Messungen wird die jeweils höchste Konzentration eines Schadstoffes mit den Orientierungswerten-Bodenluft verglichen. Stationäre Bodenluftmessstellen - siehe VDI-3865 Bl.2 unter Punkt 4.3.3 - sind daher einfachen Bohrlochmessungen in jedem Fall vorzuziehen. Soweit möglich, sollten auch ungünstige Situationen erfasst werden, wie beispielsweise Versiegelungseffekte nach anhaltenden Regenfällen, wenn auf Grund des Bodenaufbaus bei oberflächlicher Versiegelung durch wassergesättigte Schichten eine Anreicherung von Spurengasen möglich erscheint. Um die Auswirkung einer Versiegelung durch gefrorenen Boden abzuprüfen, können Messungen ggf. auch in den Wintermonaten vorgenommen werden, soweit Kondensationseffekte in der Probennahme- und Messapparatur durch entsprechende Isolierung ausgeschlossen werden. Die Randbedingungen nach Punkt 4.2 der VDI-3865 Bl.2 sind zu beachten. Weiter ist für eine sinnvolle Bewertung sicherzustellen, dass der die Messstelle umgebende Untergrund eine ausreichende gasdurchlässige Textur aufweist. Bodenluftkonzentrationen aus bindigen Schichten können nicht interpretiert werden, speziell, wenn im Bereich inhomogener Schichtenfolgen oder Auffüllungen das betrachtete Gebäude mit gut gasdurchlässigen Schichten in Verbindung steht. Als Probennahmeverfahren ist die Anreicherung auf Aktivkohle (mit Einschränkungen Tenax, XAD-Harz) zu empfehlen, wobei Aktivkohle für die meisten der genannten Verbindungen viele Vorteile bezüglich des Analyseverfahrens aufweist (A-QS, 2000, TT2.5). Das Probennahmeverfahren ist auf das zu entnehmende Volumen abzustimmen (s.a. LfU 2001). Bei der Anreicherung von Vinylchlorid ist zu beachten, dass hierfür wegen der spezifischen

11 Sorptionseigenschaften spezielle Aktivkohlen zu verwenden sind. Entsprechende Blindwert-, wie aufgestockte Blindwertkontrollen sind unabdingbar. Vor der Entnahme einer Probe für die Messung ist die Bodenluftmessstelle bis zur Einstellung von Gleichgewichtsbedingungen der Permanentgase (CO2) abzusaugen. Die eigentlichen Messverfahren sind gegenüber der Probennahme robuster, wenn auch hier bei Probentransport, -lagerung und Aufarbeitung der Proben die spezifischen Probleme der flüchtigen Verbindungen zu berücksichtigen sind (A-QS, 2000, TT2.3). Die aktuellen Entwicklungen und Empfehlungen für eine möglichst standardisierte Entnahme von Bodenluft sind zu beachten. Ort der Probennahme Wichtig für die Anwendung der Orientierungswerte ist eine Probennahme von Bodenluft aus einem bewertungsrelevanten Bereich. Aus dem Expositionsszenario ergibt sich als Ort der Probennahme der Nahbereich des Bodens zum betrachteten Gebäude in der für den Eintritt von Bodenluft in das Gebäude relevanten Tiefe. Es muss daher sowohl bei der Bodenluftmessung, als auch bei der Bestimmung von Feststoffgehalten von der in Anhang 1 der BBodSchV genannten Beprobungstiefe für den Pfad Boden-Mensch (Wohngebiet: 0-35 cm unter GOK) abgewichen werden. Die relevante Tiefe definiert sich aus der Tiefe der Fundamentunterkante - die Probennahme muss darüber hinaus mindestens 1 m unter GOK erfolgen, um einen Einfluss atmosphärischer Luft auszuschließen. Die Filterstrecke einer stationären Messstelle sollte erst ab 1,5 m unter GOK beginnen, der obere Meter ist mit einer Tondichtung gegenüber Umgebungsluft abzudichten. Um einen möglichst direkten Bezug zu Bodenluft im Gebäude-Nahbereich zu erhalten, sollte die Länge der Filterstrecke auf ca. 1-2 m begrenzt werden. Bei der Wahl eines Messortes mit Bezug zu einem Gebäude ist die Möglichkeit von Anreicherungen unter Auffahrten, Terrassen u.a. versiegelten Freiflächen zu beachten. Hier sind Messpunkte bevorzugt zu positionieren, soweit dies ohne zu große Schäden der Versiegelung möglich ist. Sind Hausseiten mit und ohne Drainagen vorhanden, sind die Seite(n) ohne Drainagen zu wählen, da hier Schadstoff-Anreicherungen eher möglich sind. Praxiserfahrungen auf der bewohnten Altablagerung Barsbüttel Nr. 78 Die Altablagerung Nr. 78 in der östlich Hamburgs gelegenen Gemeinde Barsbüttel ist eine ehemalige Sand-/Kiesgrube, die in den 1950er und 1960er Jahren insbesondere durch die Hamburger Stadtreinigung zur Ablagerung von Müll (Haus-, Gewerbe-, Industrie- und Sperrmüll) sowie Boden und Bauschutt genutzt wurde (Einzelheiten s. LANU 1999). Wie für Hausmülldeponien dieser Zeit typisch, können im Deponiegas neben Methan verschiedene Spurengase nachgewiesen werden. Da die auf dieser Ablagerung errichteten und vom Land Schleswig-Holstein 1987/88 aufgekauften Wohngebäude nach Boden- und Gassanierung wieder verkauft werden sollten, wurden nach Bereitstellung verschiedener Datengrundlagen

12 (FoBiG 1992, CAU 1992) im Mai 1993 unter Vorsorgegesichtspunkten auf der Grundlage von Fachgesprächen Zielwerte für die Gasabsaugung für BTEX-Aromaten und Vinylchlorid im µg-Bereich (0,05-0,4 mg/m3) festgelegt (BRP 1993). Bei langfristiger Einhaltung dieser Zielwerte soll unter Bezug auf das Umwelt-Survey IIIc (Krause 1991) sichergestellt sein, dass die Bewohner auf der Altablagerung Nr. 78 Barsbüttel keinen höheren Belastungen ausgesetzt sind als Bewohner anderer Flächen in Barsbüttel. Diese Zielwerte liegen naturgemäß unter dem hier vorgeschlagenen Orientierungsbereich Bodenluft, da für das Flächenrecycling auf den Vorsorgeaspekt abgestellt wurde und statt toxikologischer Grunddaten auf 'üblichen Belastungen' abgestellt wurde. Messort sind über 140 Gasmessstellen (i.d.R. bei 2-3 m unter GOK, gelegentlich bis 5 m unter GOK) meist im Nahbereich der Wohngebäude (s. Abbildung 2). Zur Überprüfung und Einordnung der Zielwerte wurde im Jahr 1995 vom Institut für UmweltAnalyse (IFUA) in Bielefeld und in Ergänzung vom LANU 1997 für die Spurengase eine Ableitung tolerabler Keller-Raumluftkonzentrationen sowie ein Rückschluss auf tolerable Bodengaskonzentrationen vorgelegt. Bei der Ableitung wurde mehrfach von sehr ungünstigen Randbedingungen ausgegangen (TFBR 1:200, keine Gefahrenfaktoren). Die so abgeleiteten Werte liegen über den Zielwerten, aber auf Grund des nicht vorhandenen Gefahrenbezuges unterhalb des Orientierungsbereiches nach Tabelle 1. Unter Vorsorgegesichtspunkten und im Flächenrecycling können entsprechende tolerable Bodenluftkonzentrationen ohne Gefahrenbezug ggf. zur weitergehenden Absicherung verwendet werden. Anhand der umfangreich durchgeführten Kontrollmessungen (mehr als 65 Messkampagnen) kann die Interpretation von Bodenluftmessungen an diesem Praxisbeispiel grundsätzlich diskutiert werden. Die hier ermittelten Daten zeigen nach Einsetzen der Bodenluftabsaugung für den Großteil der Gasmessstellen keine Spurengase und Deponiegasfreiheit an; Bereiche mit erhöhten Spurengaskonzentrationen in der Bodenluft (teilweise auf der zentralen Grünfläche und an Messstellen im tieferen Untergrund) können aber über die gesamten Messreihen mit Konzentrationen in vergleichbarer Größenordnung regelmäßig identifiziert werden. Die Sanierungsanlage wurde für verschiedene Teilbereiche der Fläche zwischen 1994 und 1995 schrittweise erweitert. Die meisten Gasmessstellen wurden ca. viermal vor Beginn der jeweiligen Absaugung der Teilbereiche beprobt, einige Gasmessstellen im Zentralbereich wurden jedoch Anfang 1994 gesetzt und gerieten erst Ende 1994 in den Einflussbereich des Gasabsaugsystems. Für diese Messstellen liegen daher zwischen Februar und August 1994 12 Messwerte vor, die einen Eindruck der Stetigkeit und Schwankungsbreite von Bodenluftwerten unter diesen besonderen Verhältnissen vermitteln. Auf Abbildung 3 und 4 sind die Konzentrationsentwicklungen der BTEX-Aromaten und Vinylchlorid an zwei Gasmessstellen dieses Zentralbereiches dargestellt. Abbildung 3: Analytische Messreihe leichtflüchtiger Schadstoffe in der Bodenluft an einer deutlich belasteten Gasmessstelle auf der Altablagerung Barsbüttel Nr. 78

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Abbildung 4: Analytische Messreihe leichtflüchtiger Schadstoffe in der Bodenluft an einer gering belasteten Gasmessstelle auf der Altablagerung Barsbüttel Nr. 78 Die Gasmessstelle GM003N gehört zu den Messstellen mit den höchsten Spurengasnachweisen auf der Deponie, die Messstelle GM006N wies demgegenüber deutlich geringere Maximalgehalte auf. Bei der Messstelle GM003N ist zu erkennen, dass die BTEXAromaten deutliche Schwankungen aufweisen, aber bis August maximal im Rahmen einer Größenordnung schwanken. Davon abweichend weist Vinylchlorid Schwankungen zwischen minimal 224µg/m3 und maximal 127000 µg/m3 auf - ein Hinweis darauf, dass der unter Normalbedingungen gasförmige Stoff in der Deponie mit dem Deponiegas migriert und entsprechenden Schwankungen unterliegt. Theoretisch ist auch eine Beeinflussung der Konzentration durch temperaturgesteuerte mikrobielle Abbauprozesse denkbar, die im Sommer zu erhöhten Vinylchloridgehalten führen können. Ggf. sollten in ähnlich gelagerten Fällen Messungen im Sommer/Herbst das erhöhte Auftreten von mikrobiellen Abbauprodukten (z.B. Vinylchlorid) ausschließen. Trotz der Schwankungen ist erkennbar, dass bei Messungen an dieser Messstelle die meisten Vinylchloridwerte durch Überscheitung des Bereichs von 0,4-4 mg/m3 eine weitere Sachverhaltsermittlung ausgelöst hätten. An der Gasmessstelle GM006N ist zu erkennen, dass Spurengase im niedrigen Konzentrationsbereich (
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