Das Dilemma mit der Drüse - Cimeli

January 13, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Onkologie
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Perspektive DAS SCHWEIZER MAGAZIN FÜR MENSCHEN MIT KREBSDIAGNOSE UND IHRE ANGEHÖRIGEN

LEBEN AUSGABE 2

JULI 2014

Dr. Google und Dr. Wikipedia Medizinische Beratung aus dem Internet?

Immuntherapie setzt auf körpereigene Abwehr Länger leben dank neuer Medikamente

Auch die Seele braucht Hilfe Wie Psychoonkologie unterstützen kann

Gesund essen mit Krebs

hutz Sonnensc

Prostatakrebs

Das Dilemma mit der Drüse

Fotos: thinkstock (2)

Tipps vom Ernährungsberater

Die Sprache des Lebens in lebenswichtige Medikamente umsetzen. Wir bei Amgen glauben, dass die Antworten auf die dringendsten Fragen der Medizin in der Sprache unserer DNA formuliert sind. Als Pioniere der Biotechnologie setzen wir unser tiefes Verständnis dieser Sprache für die Entwicklung lebenswichtiger Medikamente ein, besonders für diejenigen Patienten, für deren spezifische Erkrankungen bis heute nur wenige oder keine effektiven Therapien zur Verfügung stehen – um deren Gesundheit und Lebensqualität entscheidend zu verbessern. Weitere Informationen über Amgen finden Sie unter: www.amgen.ch

AMGEN SWITZERLAND AG Dammstrasse 21 Postfach 1459 6301 Zug www.amgen.ch ©03-2014 AMGEN SWITZERLAND AG

VORWORT · PERSPEKTIVE LEBEN

Lassen Sie sich Zeit für eine Entscheidung Liebe Leserin, lieber Leser, Prostatakrebs ist wohl so alt wie die Menschheitsgeschichte. Forscher haben 2012 in einer ägyptischen Mumie in den Überresten eines Mannes Absiedelungen eines Prostatakrebses in den Knochen nachweisen können. Bei jedem sechsten Mann über 50 wird heute Prostatakrebs festgestellt. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an Prostatakrebs zu erkranken.

Informationen, die eingeholt werden, dürfen und sollen ganz in Ruhe bedacht werden. Und mit der Partnerin, dem Bruder, den Kindern oder sonst einer Person des Vertrauens diskutiert werden. Es lohnt, die Entscheidung in sich reifen zu lassen, für sich festzulegen, was Vorrang hat, und das mit den Ärzten zu besprechen.

Die Krebsmedizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Einige Dr. med. Formen der Erkrankung können geheilt, Der zuletzt in Lugano lebende SchriftTheo Constanda, andere zumindest in chronische Leiden steller Jürgen Thorwald brachte 1994 Verlagsleiter Medizin umgewandelt werden. Eine wesentliche sein Buch «Der geplagte Mann. Die Prosswissprofessionalmedia AG Rolle dabei spielt die Radiotherapie. Unser tata, Geschichte und Geschichten» auf Beitrag «Meilensteine der Radiotherapie» den Markt. 20 Jahre später hat dieser Tigibt einen Überblick über die vielfältigen Einsatzmögtel nichts an Aktualität verloren, wie der Berliner Arzt lichkeiten einer Bestrahlung und erklärt wichtige Begriffe. Michael de Ridder in seinem autobiografischen Textbeitrag ab Seite 12 aufzeigt. Seine persönliche Entscheidung «Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker» wird bei jeder nach jahrelangem PSA-Diktat: «Das Ding muss raus.» Dass Werbung für frei verkäufliche Medikamente betont. Ein das längst nicht für jeden Fall gilt, können Sie in unserem ähnlicher Warnhinweis müsste eigentlich auch bei vielen Themenschwerpunkt zum Prostatakarzinom erfahren. Internetseiten zu Gesundheitsthemen stehen. Dr. Google und Dr. Wikipedia stehen zwar rund um die Uhr zur Verfügung, unterliegen aber keiner Zensur (s. Beitrag Das grosse Problem der Jede Information ab Seite 18). Auf den Absender zu achten und Arzt und Mediziner mit dem Prosin Ruhe Apotheker zu fragen, schützt vor falschen Heilsverspretatakrebs ist, dass es bis bedenken chungen und das Portemonnaie. dato keinen Marker gibt, der darauf schliessen lässt, ob ein bestimmtes Karzinom harmlos oder lebensbedrohlich ist. Das Prostatakarzinom zählt zu den bösartigen Tumoren, wächst aber in der Regel langsam. Der PSA-Wert ist ein Baustein in der Entscheidungsfindung, welche Vorgehensweise und Behandlung im Einzelfall richtig ist. Besonders bei Männern im fortgeschrittenen Alter kann ein Verzicht auf eine die Lebensqualität einschränkende Behandlung ein guter Dr. med. Theo Constanda Weg sein. Für alle Entscheidungen ist Zeit vorhanden, Verlagsleiter Medizin swissprofessional swissprofessionalmedia AG beim Autokauf lässt Mann sich auch nicht drängen. Die

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PERSPEKTIVE LEBEN · INHALT

5 Mit dem Alter kommen die ProstataProbleme

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Fragen Sie auch Dr. Google und Dr. Wikipedia?

Sexuelle Probleme bei Patienten mit Lungenkrebs

THEMENSCHWERPUNKT PROSTATAKREBS 5 Mann bleibt Mann Erstaunliche Fortschritte beim häufigsten Männerkrebs

8 Neue Diagnoseund Behandlungsansätze Akuelles aus Forschung und Medizin

12 Was der Arzt Michael de Ridder erlebte Ein Prostatakarzinompatient erzählt

Fotos: thinkstock (9), fotolia/Gloria Groziak

Nicht nur der Körper ist gefordert – auch die Seele braucht jetzt Hilfe

30 Woher kommt dieser Krebs? Auf der Suche nach einem unbekannten Tumor

32 Die Darmspiegelung ist der beste Schutz Krebsvorstufen im Dick- und Enddarm rechtzeitig erkennen

45 «CyberKnife» im Inselspital Bern Neues Bestrahlungsgerät kann die Behandlung verkürzen

RAT UND HILFE 36 Leser fragen – Ärzte antworten Häufige Fragen an den Krebsinformationsdienst

38 Krebsliga zur Hautkrebsprävention

MENSCHEN UND ERFAHRUNGEN 16 Meine Arbeit macht mich glücklich Interview mit Corinne Ullmann, Leiterin Krebsliga Schaffhausen

18 Gesundheitsthemen im Internet Von guten und schlechten Informationsquellen

20 Plötzlich waren die Werte im Keller Warum regelmässige Blutkontrolle wichtig ist

MEDIZIN UND FORSCHUNG 22 Immunbehandlung nimmt Fahrt auf Neue Medikamente gegen Hautkrebs

24 Meilensteine der Strahlentherapie Schonender und genauer denn je

28 Weltkongress Lungenkrebs in Genf Lebensqualität trotz Tumorleiden



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Neue Botschaften dank aktueller Erkenntnisse

LEBEN UND GESUNDHEIT 40 Selbsthilfegruppen Eine Anleitung zum Selber-Suchen – und Finden

42 Auch die Seele braucht Hilfe! Wie Psychoonkologie unterstützen kann

46 Sport und Bewegung während der Therapie Erlaubt ist, was Spass macht!

48 Was mich die Patienten gelehrt haben Ernährungsberatung bei Krebserkrankungen Interview mit Tomaso Cimelli

SERVICE-RUBRIKEN 3 Vorwort 51 Wissenschaftlicher Beirat 51 Impressum

Möchten Sie uns Ihre persönliche Frage stellen? [email protected]

PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

Prostataleiden treten erst im Alter auf: die gutartige Vergrösserung und der Prostatakrebs. Foto: thinkstock

Häufigste Krebserkrankung des Mannes

Vom grossen Dilemma mit einer kleinen Drüse Die Vorsteherdrüse ist ein kleines, 20 bis allenfalls 40 Gramm leichtes Organ von der Grösse einer Kastanie. Sie liegt versteckt unterhalb der Harnröhre und macht jungen Männern ganz selten Probleme. Das kann sich aber mit dem Alter ändern. Neben den unangenehmen Symptomen einer gutartigen Vergrösserung ist der Prostatakrebs mit 30 % die häufigste Krebsdiagnose beim Mann.

GUTE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN.

und nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Gute Chancen Mit rund 6000 Neuerkrankungen pro Jahr Dilemma deshalb, weil z. B. bei der Frage beim Prostata- nach der Früherkennung mit der PSA-Unist Prostatakrebs die häufigste Tumorkrebs erkrankung des Schweizer Mannes. Da es tersuchung (s. Kasten Seite 6) oder der Frage sich häufig um ein «Niedrig-Risiko-Prostatanach dem Beginn einer Behandlung selbst in karzinom» handelt und es auch für fortgeder Fachwelt Uneinigkeit herrscht. schrittene Erkrankungen gute BehandlungsmöglichkeiBeschwerden verursacht ein Krebs in der unsichtbaren ten gibt, steht der Prostatakrebs nach Darm und Lunge und unscheinbaren Drüse im Anfangsstadium keine. aber erst an dritter Stelle, was die Krebstodesfälle beim Ganz anders als die gutartige Vergrösserung der Prosmännlichen Geschlecht betrifft. Das Dilemma mit der tata (benigne Prostatahyperplasie, BPH), an der viele Drüse kann schon in den besten Mannesjahren beginnen Männer ab dem mittleren Lebensalter zu leiden be- » AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · PROSTATA-KREBS

ginnen. Bei Problemen oder Schmerzen mit dem Wasserlassen oder Blut im Urin oder sonstigen ungewöhnlichen Entwicklungen gilt auch für «tapfere Männer», sich lieber unverzüglich einem Arzt anzuvertrauen.

Bloss nicht zu sehr überbehandeln

sames Beobachten in bestimmten Fällen die klügere Strategie. Zu den Raubtieren zählen der Hoch-Risiko-Krebs und das Prostatakarzinom mit Metastasen. Wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, weil der Tumor schon gestreut hat, verfolgt die Behandlung zwei Ziele: das Leben zu verlängern und die Lebensqualität möglichst zu erhalten. Wenn es aber nötig ist, mit Operation, Bestrahlung oder Medikamenten vorzugehen, dann sind die Erfolgschancen am grössten, solange der Tumor noch nicht in umliegendes Gewebe hineingewachsen ist oder Metastasen gebildet hat. Das spricht für eine sorgfältige und umsichtige Früherkennung. Diese ist umso wichtiger, wenn nahe Verwandte bereits erkrankt sind. Zu den Risikofaktoren zählen denn auch: „ genetische Veranlagung „ mangelnde Bewegung „ Rauchen. Es gibt Hinweise auf eine vorbeugende Wirkung von bestimmten Nahrungsmitteln. Prostatagesund sollen sein: Broccoli, Curcuma, Grüntee, Granatapfelsaft, Knoblauch, Tomaten, Grünkohl, Weintrauben. Am besten: möglichst bunt und viel Obst und Gemüse essen. Für Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine, Selen, Lycopen, Betacarotin) fehlen dagegen Wirksamkeitsnachweise.

Haustier- oder Raubtierkrebs Längst nicht jeder Tumor der Vorsteherdrüse ist so bedrohlich, dass er sofort operiert oder bestrahlt werden müsste. Julius Hackethal, ein 1997 gestorbener streitbarer Arzt, hat bereits vor mehr als 40 Jahren sehr drastisch vor einer Überbehandlung beim Prostatakrebs gewarnt und die Begriffe «Haustierkrebs oder Raubtierkrebs» geprägt. Seine Überlegungen, dass bei einer Krebserkrankung bei einem gutartigen Verlauf nicht gleich alle Behandlungsoptionen ausgeschöpft werden müssen, gelten auch heute noch. Das Haustier wäre demnach ein Niedrig-Risiko-Krebs. Dank einer langsamen Wachstumsdynamik ist aufmerk-

Foto: thinkstock

Finger und PSA

TIPP!

So bereiten Sie sich auf das Gespräch mit dem Doktor vor: „Schreiben Sie sich vor dem Arztbesuch Ihre Fragen auf.

So vergessen Sie in der Aufregung keine Dinge, die Ihnen wichtig sind. „Bitten Sie Ihren Arzt in jedem Fall um eine Kopie Ihrer Behandlungsunterlagen. So können Sie im Zweifelsfall eine Zweitmeinung beanspruchen. „Nehmen Sie eine vertraute Person mit zum Gespräch. So haben Sie einen Partner, mit dem Sie die Gesprächsergebnisse noch einmal abwägen können. „Nehmen Sie sich etwas zu schreiben mit und notieren Sie die wichtigsten Informationen. So können Sie später in Ruhe noch einmal alles nachlesen. „Fragen Sie den Arzt, ob Sie das Gespräch aufzeichnen dürfen.



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Für die Untersuchung der Prostata auf Veränderungen kann die Drüse vom Enddarm aus ertastet werden. Die Grenzen der Finger-Tastmethode, mit der vor allem oberflächlich gelegene, grössere Tumore entdeckt werden, kann durch eine Ultraschall-Untersuchung erweitert werden. Die im Zusammenhang mit der Prostata am häufigsten gemachte Laboruntersuchung ist die Bestimmung des PSA-Wertes. PSA steht für prostataspezifisches Antigen. PSA wird in geringen Mengen von Zellen der

AUSGABE SCHWEIZ

WAS SIE DEN ARZT FRAGEN SOLLTEN: „In welchem Stadium befindet sich meine Erkrankung? „Wie viel Zeit habe ich, um eine Behandlungs-

entscheidung zu treffen? „Wie überwachen wir in dieser Bedenkzeit den Tumor, damit die Erkrankung nicht ausser Kontrolle gerät? „Welchen Verlauf wird die Krankheit wahrscheinlich nehmen, wenn ich nichts tue? „Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Welche kommen für mich infrage? „Empfehlen Sie mir, weitere Ärzte zu konsultieren? Quelle: Evidenzbasierter Patientenratgeber zur S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms (2. Auflage, April 2013).

PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

Prostata gebildet und steigt bei einer Tumorerkrankung an und tritt auch ins Blut über. Der Bluttest ist einfach durchführbar. Die Interpretation erhöhter Werte dagegen ist es nicht.

Biopsie muss sein Mit diesem Bluttest können Ärzte das Risiko für Prostatakrebs abschätzen und Frühstadien erkennen. Vom PSA-Test als generelles Früherkennungsprogramm raten neben der Krebsliga Schweiz auch Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) ab (s. Kasten). Der Weg vom Verdacht zur Diagnose führt heute in keinem Fall an der Entnahme von zehn bis zwölf kleinen Gewebeproben aus den verdächtigen Arealen mit einer Biopsie vorbei. Erst unter dem Mikroskop des Pathologen und im Labor des Molekularbiologen werden bösartige Zellen zweifelsfrei identifiziert. Aber 97 % der Prostatakarzinome sind Adenokarzinome mit relativ guter Prognose.

Behandlungsmöglichkeiten Für das Prostatakarzinom im Frühstadium existieren verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die den Tumor gut unter Kontrolle bekommen. Dabei gibt es diverse Massnahmen, die infrage kommen können: „Watchful Waiting (WW): Nur bei einem Fortschrei-

ten der Krankheit wird eine Behandlung in palliativer Absicht eingeleitet. „Sorgfältige Überwachung (active surveillance AS):

Der PSA-Test Das Eiweiss PSA (prostataspezifisches Antigen) wird in den Drüsenzellen der Prostata gebildet und ist im Prostatasekret enthalten. Es dient der Verflüssigung des Samens. Geringe Mengen gelangen auch ins Blut und können mit dem Labortest gemessen werden. Ein erhöhter PSA-Wert kann ein Hinweis darauf sein, dass der Patient unter Prostatakrebs leidet. Die Höhe des PSA-Wertes bei einmaliger Messung ist wenig aussagekräftig. Auch andere Gründe (z. B. Velofahren, sexuelle Aktivität, Infektionen, lokale Verletzungen beispielsweise durch Stossen) können kurzfristig zu einer Erhöhung führen. Auch werden mit dieser Früherkennungsmethode einige Tumoren übersehen. Und es kommt vor, dass Patienten mit hohem PSA-Wert unnötig in Sorge versetzt werden, weil Nachuntersuchungen den Krebsverdacht nicht bestätigen. Die Gefährlichkeit eines Karzinoms lässt der Test nicht erkennen. Für Verlaufskontrollen ist er hilfreich. Eine systematische Früherkennung von Prostatakrebs (Screening) wird von der Krebsliga Schweiz nicht empfohlen. Die aktuelle Datenlage sei nicht ausreichend, um eine systematische Früherkennung von Prostatakrebs mittels Bestimmung des prostataspezifischen Antigens oder mittels digitaler rektaler Untersuchung bei Männern ohne familiär erhöhtes Risiko zu rechtfertigen. Wenn ein Mann eine Früherkennungsuntersuchung durchführen lassen möchte, muss er vor der Untersuchung umfassend über die Vorund Nachteile informiert werden. Derzeit sollte jeder Mann selbst entscheiden, ob er einen PSA-Test machen möchte.

bei langsamer Wachstumstendenz. Umfasst PSA-Kontrolle und Verlaufskontrolle mit Biopsie. „Radikale Prostatovesikulektomie (rPVE): Operation, bei der die gesamte Prostata inklusive Kapsel und Samenblase chirurgisch entfernt wird. Das kann offen oder roboterassistiert laparoskopisch passieren, mit oder ohne Beckenlymphknotenentfernung.

webes. Dieses Ziel ist nur zu verwirklichen, solange der Tumor noch nicht gestreut hat. Ist ein Lymphknotenbefall oder sind Metastasen festgestellt worden, hat sich die Krankheit bereits im Körper aus„Externe perkutane Radiotherapie der gebreitet. Der Arzt sagt, sie ist systemisch Prostata (EPRP): eine weitere kurative, geworden. Dann werden Behandlungen Überwachen, auf Heilung zielende Behandlungsform. die den Tumor in seinem Fortabwarten oder eingesetzt, Bei der IMRT- (intensitätsmodulierte schreiten hemmen oder gezielt Beschwerbehandeln? Radiotherapie) Technik wird die Prosden bekämpfen. tata in verschiedene Segmente unterteilt Das Ziel solcher Massnahmen ist es, den und mit unterschiedlicher Strahlenintensität Krankheitsverlauf zu verzögern und die Bebehandelt. Mit komplizierten Berechnungen kann so schwerden zu lindern. Sie werden auch als «palliativ» das umliegende Gewebe geschont und Bewegungen bezeichnet. Dazu gehören: ausgeglichen werden. „die Hormontherapie „Brachytherapie: eine Form der inneren Radiothe„die Chemotherapie rapie. Es werden hierbei kleinste Strahlenquellen „die unterstützende Strahlentherapie (sogenannte Seeds) aus Titan und Jod-125 in die „ die Schmerztherapie. Prostata eingesetzt). Für ausgewählte Fälle (niedrig bis Quellen und weitere Informationen: mittelaggressiv). www.krebsliga.ch „Hochfrequenzablation.

Die sogenannten kurativen («heilenden») Behandlungsmöglichkeiten verfolgen das Ziel der Heilung, also die vollständige Entfernung oder Zerstörung des Tumorge-

www.prostatakrebs.ch www.leitlinien.de www.dkfz.de www.prostatazentrum.ch www.swisscancer.ch (Prävention/Krebsarten/Prostatakrebs) www.sprechzimmer.ch (Prostatakrebs) www.urologen.net

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Von Beckenbodengymnastik bis Rückfallgefahr

Neues zum Thema Prostatakrebs Forschung und Medizin liefern täglich Neues und Berichtenswertes. Die Forschung im Bereich der Krebsbehandlung geht mit grossen Schritten voran. Und geschrieben wird eine Menge darüber: Hier ist eine Auswahl von Themen zum Prostatakrebs, die in der letzten Zeit in der Publikums-Presse und im Internet zu lesen waren.

SICH SCHLAU LESEN. Der Online-Buchhändler Amazon liefert 1444 Ergeb-

nisse zum Suchbegriff «Prostatakrebs». Man findet Titel wie «Die Wahrheit über den Prostatakrebs», «Der richtige Umgang mit Prostatakrebs», «Eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Prostatakrebs», «Die medizinische S3Leitlinie des Prostatakrebs», «Ernährungstipps für Prostatakrebs», «Wege zu neuer Lust nach Prostatakrebs», usw. Internet, Tages- und Wochenzeitungen, Magazine und Zeitschriften sind schneller und bringen aktuellstes Wissen auf den Punkt.

Beckenbodengymnastik: Die häufigste Ursache eines Harnverlustes (Inkontinenz) beim Mann nach einer Prostataoperation ist das Versagen des Verschlussmechanismus am Blasenausgang. Die Inkontinenz äussert sich normalerweise dadurch, dass geringe Harnmengen unkontrolliert austreten, vor allem unter körperlicher Belastung, beim Husten, Niesen oder Pressen, also wenn der Druck im Bauchraum erhöht ist (Stress- oder Belastungsinkontinenz). In der Regel ist es möglich, diese Störung durch eine konsequente Beckenbodengymnastik nach der Operation zu beheben. Unter Anleitung eines Krankengymnasten können Übungen erlernt und später selbständig ausgeführt werden. Eine Wiedererlangung der Kontinenz wird so unterstützt.



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Beschneidung: Einer kanadischen Studie zufolge kann die Beschneidung, also die operative Entfernung der Vorhaut am Penis bei einigen Männern das Risiko für einen Prostatakrebs herabsetzen. Zu dieser Aussage kamen Wissenschaftler der Universität von Quebec in PROtEuS (Prostate Cancer and Environment Study). Die Forscher untersuchten 1590 Männer mit Prostatakrebs und verglichen die Angaben mit denen von 1618 Gesunden. Beschnittene Männer über 35 Jahre hatten eine Risikoabsenkung von 45 % für Prostatakrebs, bei schwarzen beschnittenen Männern waren es 60 %. Eine Beschneidung senkt das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen, die wiederum einen Risikofaktor für Prostatakrebs darstellen, deutlich.

Foto: thinkstock

Eine alphabetische Auswahl von Nachrichten rund um Prostatakrebs.

Blutgruppe: Dr. Yoshio Ohno von der Tokyo Medical University zeigte, dass Patienten mit der Blutgruppe Null (0) ein deutlich geringeres Risiko für ein Wiederauftreten des Tumors nach einer radikalen Prostataentfernung hatten. Die zweithäufigste Blutgruppe 0 (41% der Schweizer) kann offenbar vor einem Rückfall schützen. Diagnostik: Die Entnahme von Gewebe aus Bereichen der Prostata mit einem Krebsverdacht zur weiteren Abklärung ist sehr wichtig (Biopsie). Eine

PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

Methode, die heute den Urologen beim zielgenauen Ansetzen seiner Hohlnadel zur Gewebeentnahme unterstützt, hat sogar das Potenzial, die Entnahme von Gewebeproben eines Tages überflüssig zu machen: der Ultraschall. Denn neue Techniken machen die Sonografie vom Mastdarm aus von der Navigations- zur Diagnosehilfe. «In der Elastografie machen wir uns die Tatsache zunutze, dass Krebsgewebe in der Regel härter ist als normales Gewebe», erklärt Georg Salomon von der Martini-Klinik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Dort wurde die Methode, bei der auf dem Bildschirm Unterschiede in der Elastizität als Farbunterschiede erscheinen, in der weltweit grössten Studie an über 1000 Patienten erprobt. Wenn in der Elastografie nichts Hartes entdeckt wird, könnte in Zukunft auf Gewebeproben verzichtet werden. Eine weitere Entwicklung ist die kontrastmittelunterstützte Sonografie. Dafür wird vor der Untersuchung ein spezielles Kontrastmittel in die Vene gespritzt, das kleine Gasbläschen enthält und damit den Blutfluss in der Prostata sichtbar macht. Im Tumorgewebe bilden sich in chaotischer Art neue Blutgefässe, die so dargestellt werden können. Bei der Kernspintomographie (MRT) gibt es derzeit vier Ansätze, die MRT ebenfalls für die Steuerung einer Biopsie einzusetzen. Das Verfahren ist allerdings sehr komplex, zeitaufwändig und somit teuer. MRT-Ergebnisse können aber als Zusatzinformationen für die ultraschallgesteuerte Biopsie dienen. Ernährung: Die EPIC-Studie mit insgesamt 500 000 Teilnehmern in mehreren europäischen Ländern untersucht die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit. Wer sich den Grossteil seines Lebens pflanzlich ernährt und dabei auf viel Fett

und Zucker verzichtet, muss sich weniger vor Prostatakrebs fürchten, so ein Ergebnis. Grundlage waren hierbei die Ergebnisse von in Asien lebenden Männern, die sich oft pflanzlich ernährten, im Vergleich zu Männern mit der typisch westlichen Ernährungsweise. Das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken ist bei einer überwiegend pflanzlichen Kost um bis zu 27-mal geringer, so die Forscher. Fettleibigkeit: Es gibt Hinweise, dass Übergewicht die Aggressivität von Prostatakrebs befördert. Aber auch die Häufigkeit und die Rückfallgefahr steigen bei dicken Männern. Eine Studie der Gruppe um Stephen Freedland brachte den Forschern zufolge deutliche Resultate: In einem Zeitraum von vier Jahren entwickelten sich bei 29 von 205 übergewichtigen Männern neue Tumoren, zwölf Patienten starben. Im Vergleich zu den normalgewichtigen Patienten kehrte der Krebs bei Fettleibigen mit einer fünffach erhöhten Wahrscheinlichkeit zurück. Gezielte Therapie: Eine gezielte Ausschaltung des Krebsherdes unter Organ- und Funktionserhalt ist ein wichtiges Ziel. Vor allem bei Patienten, bei denen die Active Surveillance (aktive Überwachung) in Frage kommt, sind neue Methoden auf dem Weg.

Mit Hilfe von Seed-Implantation, Medikamenten-induzierter Lasertherapie (Tookad), Kryotherapie, LDR-Brachytherapie oder der hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU, s. unten) will man nur den vom Krebs betroffenen Teil der Prostata entfernen. Bei der Hemiablation wird beispielsweise eine Hälfte der Prostata entnommen. Der am stärksten begrenzte Eingriff ist die Indextumor-Ablation, bei der nur der Ersttumor entfernt wird. HIFU: HIFU ist die Abkürzung für hochintensiver fokussierter Ultraschall. Dabei werden sehr stark konzentrierte Ultraschallwellen auf das Tumorgewebe gelenkt mit dem Ziel, durch die entstehende Wärme die Krebszellen zu zerstören. Für die Wirksamkeit von HIFU beim lokal fortgeschrittenen Prostatakrebs gibt es bislang keine ausreichend gesicherten wissenschaftlichen Nachweise. HIFU soll nicht zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakrebs eingesetzt werden. Hormonablation: Der Hormonentzug (Androgen Deprivations Therapie ADT) stellt die wirksamste Behandlung beim fortgeschrittenen Prostatakrebs mit Metastasen dar. Hormone sind Botenstoffe, die in vielfältiger Weise in alle Körperfunktionen eingreifen. Die Geschlechtsentwick- »

Eine Ernährung reich an Gemüse und Früchten scheint vor Prostatakrebs zu schützen. Foto: thinkstock

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Hyper- und Kryotherapie: Bei der Hyperthermie (Hitzebehandlung) werden die Krebszellen auf über 42°C erwärmt. Dadurch sollen sie geschwächt oder abgetötet werden. Die Kryotherapie arbeitet mit dem gezielten Einsatz von Kälte.

Ausreichend gesicherte wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit beider Methoden beim Prostatakrebs fehlen, ein Einsatz beim lokal fortgeschrittenen Prostatakrebs ist nicht zu empfehlen. Immuntherapie: Unter einer aktiven zellulären Immunotherapie versteht man eine Behandlung, bei der Immunzellen des Patienten lernen, den Krebs als fremd zu erkennen und anzugreifen («Krebsvakzine», Sipuleucel-T). Dem Patienten werden bestimmte Blutzellen entnommen und diese werden dann ausserhalb des Körpers mit Krebszellmerkmalen (Prostataantigenen) «bekannt gemacht». Danach erhält der Patient sie zurück. Ein neuer Antikörper, Ipilimumab, setzt ebenfalls am Immunsystem an. Er verstärkt die T-Zell-vermittelte Immunantwort. Medikamente: Mit neuen Medikamenten für den fortgeschrittenen Prostatakrebs will

man Leben verlängern und Lebensqualität verbessern. Das Chemotherapeutikum Cabazitaxel, der CYP17 Inhibitor Abirateron, das 2. Generations Antiandrogen Enzalutamid, das Radionuklid Radium-223 und die Immuntherapie mit SipuleucelT sind bereits in klinischen Studien

Wegweiser durch die Behandlung

Diagnose: Prostata-Krebs (Tumorkategorie, Gleason-Score, Tumorausdehnung

Weitere Untersuchungen

Fotos: thinkstock (6)

lung und die Funktion der Prostata werden vor allem vom männlichen Geschlechtshormon, dem Testosteron, beeinflusst. Da auch das Krebswachstum beeinflusst wird, senkt man den Testosteronspiegel ab. Dies kann chirurgisch durch die operative Entfernung oder Ausschälung des hormonproduzierenden Hodengewebes oder medikamentös erfolgen. Daher spricht man auch von medikamentöser Kastration. Kommt es unter dem Hormonentzug zu einem Rückfall, so sprechen die Ärzte von einem kastrationsresistenzten Prostatakarzinom (CRPC). Für diese Situation gibt es neue Medikamente, die eine fast komplette Hemmung der Testosteronwirkung erreichen lassen.

Ja

Nein

Therapieentscheidung

Zusätzliche Untersuchung

Urologie/Strahlentherapeut

Radiologie/Nuklearmediziner

Intervention/Eingriff?

Nein

Abwartendes Beobachten

Aktive Überwachung

Operation

Urologe

Urologe

Urologe

Bei Fortschreiten der Erkrankung

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Nein

Ja

Bestrahlung

Brachytherapie

Strahlentherapeut Strahlentherapeut/ Urologe

Metastasiert?

Ja

Hormontherapie

Chemotherapie

Supportive Therapie

Urologe

Urologe/ Onkologe

Urologe/Onkologe/ Hausarzt

PROSTATA-KREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

untersucht worden. Die Daten sind meist an kleinen Fallzahlen erhoben worden. Eine Teilnahme an Studien wird empfohlen. Nachsorge: Regelmässige Untersuchungen sollen sicherstellen, dass Rückfälle rechtzeitig erkannt werden. Denn bei etwa drei von zehn Männern kommt es nach einer Prostatakrebs-Behandlung im Laufe der nächsten Jahre zu einer erneuten Tumorbildung, entweder am Ort der Operation («lokales Rezidiv») oder in anderen Körperregionen (Metastasen). Meist genügt es dabei, per Bluttest den PSA-Wert zu kontrollieren. Bleibt er stabil, sind keine zusätzlichen Untersuchungen wie z. B. Tastuntersuchung notwendig. Bei der Beurteilung der PSA-Werte in der Nachsorge muss unterschieden werden, welche Behandlung zum Einsatz gekommen ist. Nervenschonende Operation: Direkt neben der Prostata verlaufen Blutgefässe und Nervenstränge, die für die Harnblasenentleerung, Kontinenz und die Erektion unerlässlich sind. Nicht immer können sie bei der Operation geschont werden. Ausserdem wird einer der Schliessmuskeln des Harnleiters in der Regel Opfer der Operation. Viele Männer leiden daher nach einer Prostata-OP unter Inkontinenz oder Impotenz. Zu den Nachsorgebehandlungen gehört daher ein Training des Beckenbodens ebenso wie eine Aufklärung über Hilfsmittel oder Medikamente, die eine Erektion weiter ermöglichen. Auch bei der Strahlentherapie ist Impotenz eine der häufigsten Nebenwirkungen. Im Laufe der Zeit kann sich die Erektionsfähigkeit wieder bessern, es kann aber auch passieren, dass ein Mann dauerhaft impotent bleibt. Im vertrauensvollen Nachsorgegespräch wird der Arzt dem Patienten verschiedene Wege vorschlagen, die den Geschlechts-

verkehr wieder ermöglichen sollen. Dazu zählen sowohl medikamentöse Therapien, als auch mechanische Verfahren oder die Implantation einer Penisprothese. Radium 223: Für Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom gibt es mit Radium-223 eine neue Behandlungsmöglichkeit. Radium-223 wird wie das Kalzium in Knochen eingebaut. Dieser Einbau erfolgt in erhöhtem Mass innerhalb von Tumorabsiedelungen (Metastasen). Radium-223 bestrahlt dabei gezielt benachbarte Tumorzellen durch seine Alpha-Strahlung und hat so einen lokalisierten wirksamen zelltoxischen Effekt. Rückfallgefahr: Erstmals könnte es gelingen, bei Prostatakrebs-Patienten mit einer Genauigkeit von 80 % das Rückfallrisiko nach einer Operation oder Strahlentherapie zu berechnen. Das erklärten kanadische Wissenschaftler am Europäischen Strahlentherapiekongress in Wien. Robert Bristow vom Princess Margaret Cancer Center in Toronto (Kanada) stellte ein Prognosemodell vor, das auf der Analyse von DNA-Daten aus Tumorzellen und Sauerstoffmangel in Tumor-Gewebeproben beruht. Krebszellen und die aus ihnen entstandenen Tumoren leiden durch das ständige Wachstum an einem Sauerstoffmangel. Von den Männer mit Prostatakarzinomen, die nur geringe genetische Veränderungen und einen niedrigen Sauerstoffmangel im Tumor hatten, überlebten 93 % fünf Jahre, Männer mit einem schlechten Befund (viele genetische Veränderungen und starker Sauerstoffmangel) hatten hingegen nur eine Fünf-JahresÜberlebensrate von 49 %.

Quellen: Internet: www.aerzteblatt.de, www.idw.de

Swinging Prostata Songtext GEORG DANZER

wenn ich auf da strassen geh und an schönen hasen seh denk ich an mein blasentee weu mia tuat die nasen weh ja, ich hab's seit einem jahr leider an der prostata

früher war ich dauernd geil keine braut war mir zu steil ich war wie ein pfitschipfeil doch das geht jetzt nimmer, weil statt zu wachsen bleibt a kla wegen dera prostata oh, lieben's mich, weil ich bin harmlos gehn's bitte, lieben's mich, erlösen's mich dann werd ich meinen ganzen charme los ich küsse sogar hand schuld allein ist das milieu ich hab g'wohnt am attersee s'wasser is im winter kalt wamma schwimmt, dann spinnt er halt und schrumpft z'samm auf unsichtbar das geht auf die prostata und dann is ma als beamter ein zum sitzberuf verdammter weu ma knotzt im magistrat es is fad und ma wird blad und am klo, sie wissen's ja ärgert an die prostata oh, lieben's mich, weil ich bin harmlos gehn's bitte, lieben's mich, erlösen's mich denn ich gestehe ihnen schamlos ich küsse nur noch hand wenn ich auf da strassen geh und an schönen hasen seh denk ich an mein blasentee weu mia tuat die nasen weh ja, ich hab's seit einem jahr leider an der prostata Swinging Prostata Lyrics auf http://www.songtextemania.com

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PERSPEKTIVE LEBEN · PATIENTEN ERZÄHLEN

Prostatakrebs:

«Vergessen Sie Ihr PSA!» von Michael de Ridder – Was der Arzt Michael de Ridder erlebte, als ihn seine Angst ins Labyrinth der Prostatakrebs-Vorsorge trieb.

A

lles beginnt mit meinem Vater. 1977 wird bei ihm im Alter von 71 Jahren der hochgradige Verdacht auf ein Prostatakarzinom geäussert – nachdem er eineinhalb Jahre wegen Rückenbeschwerden orthopädisch behandelt worden war. Es stellt sich heraus, dass den Beschwerden keine verschlissene Wirbelsäule zugrunde liegt, sondern vielmehr dieser Tumor, der bereits ausgedehnte Metastasen gebildet hat, auch in die Wirbelsäule hinein.

«Je weiter das Expertenwissen voranschreitet, desto bedrohlicher erscheint es mir» MICHAEL DE RIDDER

Es ist zu spät für eine Heilung. Zwei Jahre später stirbt mein Vater nach Operation, Bestrahlung, Chemotherapie und einem lange dauernden Krankenlager, von seiner Familie begleitet. Als sein Sohn bin ich ein Risikopatient, denn neben dem Alter bildet die familiäre Belastung den Hauptrisikofaktor für Prostatakrebs. Eine Erkenntnis, der ich mich stellen musste, auch wenn man – gerade als Arzt – der Patientenrolle allzu gerne ausweicht. Aber als Arzt weiss ich auch, dass Krankheit und Gesundheit – in weiten Grenzen jedenfalls – von der persönlichen Lebensgestaltung abhängen. Achtsamkeit sich selbst gegenüber und ein besonnener Umgang mit Gefahren und Risiken haben einen grossen Einfluss auf Lebensqualität und Lebenszeit. 12 ·

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Zunächst einmal machte ich mir die Fakten klar. Erstens: Man weiss, dass jeder dritte Mann über 60 Jahre ein Prostatakarzinom hat. Zweitens: Die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA), die viele Urologen als Früherkennungsmethode anbieten, ist nicht sicher. Bei drei von vier Männern mit einem erhöhten PSA-Wert wird in einer anschliessenden Probenentnahme aus der Prostata kein Krebs gefunden. Drittens: Mehr als die Hälfte der Männer, bei denen ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird, stirbt nicht an ihm, sondern mit ihm. Ihr Krebs verläuft langsam und gutartig («Haustierkrebs») und nicht schnell und aggressiv («Raubtierkrebs»), sie versterben also an einer anderen Todesursache. Was folgt daraus, wenn «Mann» sich einer Früherkennung unterzieht? Zu den Vorteilen gehört, dass ein Krebs sehr früh erkannt werden kann und somit die Chance auf eine Heilung gross ist. Zudem kann der früh erkannte Tumor so klein sein, dass eine schonende Operation möglich ist. Doch nicht immer muss dieser Tumor überhaupt behandelt werden. Manchmal reicht es, ihn nur zu überwachen.

Mit grossem Einsatz leitet Dr. Michael de Ridder heute das Vivantes Palliativzentrum am Wenckebach-Krankenhaus in Berlin. Foto: zVg

Sorge um einen Tumor, gegen den man vielleicht nichts machen kann Zu den Nachteilen zählt, dass Tumoren entdeckt werden, die, weil sie keiner Behandlung bedürfen, ihren Träger belasten: mit einer Krebsdi-

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agnose und den möglichen Folgen einer Operation oder Bestrahlung (Blaseninkontinenz, Impotenz) – Konsequenzen, von denen er ohne Früherkennung nie erfahren hätte. Zudem kann das Testergebnis auf einen Tumor hindeuten, obwohl tatsächlich keiner existiert (es ist dann «falsch-positiv»). Umgekehrt kann beim Test ein Tumor übersehen werden, denn auch ein niedriges oder normales PSA schliesst einen Tumor nicht ganz aus (dann ist das Ergebnis «falsch-negativ»). Zuletzt könnte auch ein früh erkannter Tumor in einem schlimmen Fall nicht mehr heilbar sein – und sein Träger würde dann früher mit dem Wissen um eine unabwendbare Erkrankung belastet.

Was sagen die Experten? Es ist also nicht ganz einfach. Ich schaue mir Expertenempfehlungen an. Etwa die aktuelle Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms. Sie empfiehlt Männern, sich über die Möglichkeiten der Früherkennung aufklären zu lassen. Wünscht der Patient eine Untersuchung, soll ihm auch die Bestimmung des PSA angeboten werden. Die Gesellschaft für Urologie sieht im PSA-Test nach wie vor das wichtigste Instrument zur Früherkennung des Prostatakrebses; sie empfiehlt jedoch weder eine massenhafte Untersuchung gesunder Männer («Screening»), noch lehnt sie die PSA-Bestimmung als Früherkennungsmassnahme ab. Anders die amerikanische Gesellschaft für Urologie, sie spricht sich gegen ein Screening aus. Männern zwischen 55 und 69 Jahren wird eine gründliche ärztliche Aufklärung vor einem eventuellen PSA-Test empfohlen. Jenseits des 70. Lebensjahres halten US-Experten den PSA-Test generell nicht mehr für empfehlenswert. Und die Krankenkassen sehen in ihrem Leistungskatalog zwar für jeden versicherten Mann ab dem 45. Lebensjahr eine jährliche Untersu-

«Aufklären, anbieten, empfehlen ...? Ich fühle mich rat- und hilflos» MICHAEL DE RIDDER

Der Test für den MANN Der PSA-Test misst die Konzentration des prostataspezifischen Antigens (PSA), das die Samenflüssigkeit verdünnt und so die Spermien beweglicher macht. Ist der Wert erhöht, kann das auf Krebs hindeuten. Allerdings sind auch harmlosere Ursachen möglich: etwa eine gutartige Prostatavergrösserung oder schlichter Druck auf das Organ (etwa nach einer Tastuntersuchung oder durch Velofahren).

Der Test für die FRAU Ähnlich umstritten wie der PSA-Test ist das Mammografie-Screening, das bei Frauen Brustkrebs im Frühstadium aufspüren soll. Kürzlich stellte erneut eine – nicht unumstrittene – Studie zum Screening dessen Nutzen infrage. Es gilt: Dass die Mammografie mehr nützt als schadet, konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Sie führt aber zu falschen Alarmen, die Frauen ängstigen.

chung zur Früherkennung von Prostatakrebs vor, allerdings nicht durch die Bestimmung des PSA, die ist davon explizit ausgenommen. Aufklären, anbieten, empfehlen ...? Ich fühle mich rat- und hilflos. Je weiter das urologische Expertenwissen voranschreitet, desto unübersichtlicher und bedrohlicher erscheint es mir. Angst und Unruhe haben schleichend Einzug in mein Leben gehalten (ich bin mir meines «Risikovaters» immer bewusst), als ich mich dann vor 16 Jahren im Alter von 50 erstmals unter den Schirm der urologischen «Vorsorge» begebe: unauffälliger Tastbefund der Prostata, PSA 0,8. «Alles in Ordnung, kein Grund zur Sorge», so der Urologe, «kommen Sie in einem Jahr wieder.» Jährlich lasse ich nun meine Prostata untersuchen und mein PSA bestimmen, 2004 liegt der Wert bei 2,5 – mancher Urologe würde die Indikation zur Probenentnahme («Biopsie») schon jetzt stellen. Erstmals spüre ich tiefe Angst. Ein mir bekannter Urologe rät noch von einer Biopsie ab. Ein gutes Jahr vergeht; 2006 ist der Wert auf 3,6 gestiegen. Die Anzeichen, dass meine Prostata von einem Tumor befallen sein könnte, mehren sich: Die sogenannte PSA-Verdopplungszeit, ein weiterer Indikator für das Vorliegen eines Karzinoms, liegt nicht mehr im Normbereich. Bei der rektalen Tastung meiner Prostata sagt der Urologe zu mir: «Links, da ist was Derbes, etwas Verdächtiges, das gefällt mir nicht.» Mit dem kollegialen Rat, möglichst bald eine Gewebsprobe entnehmen zu lassen, verlasse ich die Praxis – erschrocken und in grosser Sorge.

Der Wert steigt, doch einen Tumor gibt es nicht Ende 2006 gehe ich ins Spital. Zwölf Gewebsstanzen entnimmt Doktor P., ein erfahrener Urologe, gesteuert und überwacht per Ultraschall. Befund: negativ. Ein seelischer Freudensprung – eine Last fällt von » AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · PATIENTEN ERZÄHLEN

mir! Kann es damit sein Bewenden haben und ich mich als frei von einem Prostatatumor betrachten? «PSA-Kontrolle in einem Jahr», so die Empfehlung des Kollegen – ein Dämpfer, der seine Wirkung nicht verfehlt: Die Angst in mir köchelt weiter. Während der kommenden Jahre folgen weitere PSA-Kontrollen und Biopsien bei Doktor P. Ein weiter ansteigender PSA-Wert (2010 liegt er bei 7,5) findet auch in der zweiten feingeweblichen Untersuchung keine Erklärung, denn weder eine (chronische) Prostataentzündung noch eine gutartige Vermehrung von normalem Prostatagewebe («Hyperplasie»), die beide ebenso zu einer Erhöhung des PSA führen können, sind bei mir erkennbar. Meine zweite Gewebeprobe wird von mehreren Pathologen begutachtet. Auch hier lautet der Befund übereinstimmend: kein Krebs.

doch dem würde – zu Recht – kein Urologe folgen wollen. Ich gebe nicht auf, ein Mehr an Klarheit zu gewinnen. Ich unterziehe mich dem erst seit kurzer Zeit auf dem Markt befindlichen PCA-3-Test, bei dem aus Urin gewonnene Prostatazellen molekulargenetisch analysiert werden. Gestützt auf diverse Studien, behauptet der amerikanische Hersteller, dass der Test spezifischer sei als die Bestimmung des PSA und für die Entscheidung zur Biopsie hilfreich. Das Testergebnis bescheinigt mir mit mittlerer Wahrscheinlichkeit ein Prostatakarzinom. Urteil eines der renommiertesten deutschen Urologen, Professor W.: PCA-3-Test falschpositiv!

Eine gewisse Beklommenheit und Ratlosigkeit greift allmählich auch unter meinen Ärzten um sich, weil mein steigendes PSA keine Erklärung findet. Die dritte Biopsie findet 2011 bei einem PSA von 9,8 statt. Sie zeigt in einer von zwölf Gewebsstanzen eine «high grade PIN» – eine Gewebsveränderung, aus der in 50 % der Fälle später ein Karzinom hervorgeht. Urteil des Pathologen: «derzeit kein Anhalt für Malignität», nichts Bösartiges also. Seine Empfehlung: Kontrolle in einem Jahr.

Vergessen Sie Ihr PSA!

Testmarathon für ein wenig Klarheit Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle ... Ich resümiere: Seit 13 Jahren steigt mein PSA; es gibt keinen Befund, der diesen Wert erklärt; ich habe keinerlei Beschwerden oder Symptome. Und doch bin ich der Verzweiflung nahe. Längst sehne ich die Diagnose eines Tumors geradezu herbei, denn dauerhafte Ungewissheit ist unerträglicher als eine klare und definitive Diagnose. Fast bin ich willens, mir dieses Schicksalsorgan auch ohne Tumornachweis entfernen zu lassen, 14 ·

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Nach einer vierten und erneut ohne positives Ergebnis verlaufenden feingeweblichen Untersuchung im Herbst 2012 – das PSA ist nun auf 14,7 angestiegen – murmelt Doktor P. während der Probenentnahme beiläufig: «Bei diesem Wert gehen manche Ärzte ja schon auf Metastasensuche!» Er ahnt wahrscheinlich nicht, was er bei mir damit auslöst: Ich fühle mich wie vom Schlag getroffen, bin zutiefst bestürzt. Metastasen?! Ohne einen Tumornachweis? Bin ich eine urologische Kuriosität? Bin ich der weisse Rabe der Diagnostik des Prostatakarzinoms – schon aussichtslos erkrankt und nur noch palliativ behandelbar? Wo ich doch hoffte und alles dafür tun zu können glaubte, meinen Krebs – wenn er denn nachgewiesen wäre – in einem Stadium dingfest zu machen, in dem man noch etwas gegen ihn ausrichten könnte!

«Vergessen Sie Ihr PSA! Nie mehr eine Biopsie!» MICHAEL DE RIDDER

Tags darauf teile ich Professor W. den Befund mit. Abends lese ich seine Antwort. Mit dem Wissen und dem Mut dessen, der wie kein zweiter Urologe die diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen seiner Fachkollegen beim (vermuteten) Prostatakarzinom infrage stellt, schreibt er mir zurück: «Ich hoffe, Sie leben im glücklichen Bewusstsein Ihrer Prostatagesundheit! Vergessen Sie Ihr PSA! Nie mehr eine Biopsie!» Ich traue meinen Augen nicht. Ich bin fassungslos und zugleich dankbar für diesen Lichtblick, fühle mich aber aufgerieben zwischen allen Fronten.

Ein Team aus Urologen, Fachärzten für Strahlentherapie und Strahlenphysikern behandelt einen Patienten mit Prostatakrebs.

Foto: © Wolfgang Thieme/dpa

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Ist es denn denkbar, dass Doktor P., ein erfahrener und technisch äusserst geschickter Urologe, bei meinen nunmehr vier Biopsien, die insgesamt 50 Prostata-Gewebsproben umfassen, einen bestehenden Tumor mit seiner Biopsienadel verfehlt hat? Ja, das ist vorstellbar, denn manche Prostatakarzinome, die in einer bestimmten Region wachsen, sind schwer zugänglich.

Was kann ich noch tun, um Gewissheit zu erlangen? Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist zwar kein sicheres bildgebendes Verfahren zum Nachweis eines Prostatakarzinoms. Gleichwohl bietet eine Biopsie, die per MRT kontrolliert wird, das derzeitige Maximum an diagnostischer Sicherheit. Sie ist nur an wenigen Zentren möglich. Professor W., obwohl selbst nicht überzeugt, erkennt meine Nöte und rät mir zu.

Aktive Überwachung – das verlangt Mut Der neuerliche Eingriff erfolgt während einer eineinhalbstündigen Vollnarkose in der Universitätsklinik H. Er bringt mir – endlich – die lange erwartete diagnostische Klarheit: In zwei von 30 Gewebsproben findet sich Tumorgewebe mittlerer Bösartigkeit. Empfehlung der Klinik: Bestrahlung oder Operation, also Entfernung der Prostata. Ich bin erleichtert. Professor W. hingegen ist überzeugt, dass ich die Kriterien für einen Patienten erfülle, der sich nicht operieren lassen, sondern einer «aktiven

Überwachung» unterziehen sollte – vor allem wenn man den Gesamtverlauf und alle Befunde einbeziehen würde. Er rät mir zu einer DNA-Zytometrie meiner in H. gewonnenen Gewebsproben; eine Untersuchung, die zusätzliche Informationen über den Bösartigkeitsgrad des Tumors erbringt und es so erlaubt, die Dringlichkeit einer Behandlung besser einzuschätzen. Aber auch dieses Ergebnis, obwohl eher günstig – Malignitätsgrad 2 auf einer Skala von 1 bis 4 –, gestattet aus Sicht des Pathologen keine eindeutige Zuordnung meines Tumors als «insignifikant» oder «signifikant». Professor W. hingegen legt sich fest: «Dieser Krebs bedroht nicht Ihr Leben. Dabei bleibe ich.» Bangen. Zweifel. Albträume. Es muss jetzt etwas geschehen. Zu einer «aktiven Überwachung» kann ich mich nicht entschliessen – durchlebe ich sie nicht bereits seit 15 Jahren? Welche Optionen bleiben mir aber? Da wäre zum einen die sogenannte intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT), die aber langwierig ist und mit diversen möglichen Nebenwirkungen behaftet. Oder die Protonentherapie: Ihr Nutzen wurde noch nicht nachgewiesen, sie wird heiss und unlauter beworben. Oder doch die sogenannte Brachytherapie? Dabei werden radioaktive Partikel in die Prostata eingepflanzt, und man wird zur wandelnden Strahlenquelle.

Operieren für die Gewissheit Nein. Nichts davon. Ich lasse mein Gefühl entscheiden: Operation! Das «Ding» muss raus! Wieder durchlebe ich eine

zweiwöchige Phase heftiger Angst wegen eines präoperativ erforderlichen Knochenszintigramms, in dem geschaut wird, ob ein möglicher Krebs bereits gestreut hat. Denn hätte ich schon Metastasen, käme eine Operation erst gar nicht infrage. In meinem Unglück wiederum ein kleiner Jubelschrei: Das Szintigramm zeigt keine Metastasen. Im September 2013 lasse ich mir komplikationslos die Prostata entfernen. Der Krebs hatte die Organkapsel noch nicht durchbrochen; damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Eingriff als «kurativ» zu klassifizieren ist, dass ich geheilt bin. Mehr denn je ist es heute ein zentrales Anliegen der Medizin, Krankheiten, zumal bösartige Tumoren, frühzeitig zu erkennen, um langfristiger Heilung eine optimale Chance zu geben. Die Früherkennung scheint auf den ersten Blick eine nahe liegende und plausible medizinische Vorgehensweise, ja geradezu der Königsweg der Medizin. Bei näherem Hinsehen indes erweist sie sich als Januskopf: Ihrem Nutzen für den Patienten steht ein schwer zu ermessendes Schadenspotenzial zur Seite. Jeder Mann muss letztendlich eine eigene Entscheidung treffen, die auch davon abhängt, mit welchen Unwägbarkeiten er bereit ist zu leben. Ich wollte wissen. Ich wollte eine Diagnose erzwingen, um jeden Preis. Ich wollte den möglichen, nicht mehr beherrschbaren Auswirkungen der Krankheit unbedingt zuvorkommen. Ob mir dies gelungen ist, bleibt zweifelhaft, denn die Krankheit Krebs kennt – bis heute – kein Plusquamperfekt. Dass sie nicht zurückkehren wird, kann niemand mit Sicherheit sagen. Würde ich – rückblickend und im Wissen um anderthalb Jahrzehnte durchlebte Ruhelosigkeit und Angst – noch einmal denselben Weg gehen? Trotz dieser extremen persönlichen Kosten und bei aller Ambivalenz lautet meine Antwort darauf: ja. Denn eine drückende Last ist von mir genommen. AUSGABE SCHWEIZ

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Regionale Krebsligen im Blick

«Es ist so eine schöne Arbeit» Die nördlichste Krebsliga-Geschäftsstelle der Schweiz in Schaffhausen wird von Corinne Ullmann geleitet. Die Räumlichkeiten liegen in der Altstadt nahe dem Rheinufer im ersten Stock eines Geschäftshauses. Vier Räume stehen den sieben angestellten Frauen für die vielfältigen Aufgaben zur Verfügung. Eine Besonderheit der Schaffhauser ist die spitalexterne Onkologiepflege, wie Corinne Ullmann im Interview mit Perspektive LEBEN erzählt.

MEIN PERSÖNLICHER RAT Corinne Ullmann, Krebsliga Schweiz, Leiterin der Geschäftsstelle Schaffhausen

«Gesunde Ernährung und die Work-Life-Balance im Griff zu haben, sind wichtige Bausteine für die Vorsorge»

Frau Ullmann, seit wann arbeiten Sie für die Krebsliga Schaffhausen? Was haben Sie vorher gemacht? ULLMANN: Ich bin seit dem 1. Juli

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2011 hier tätig. Dank meiner Funktion als Präsidentin des Vereins Frauenhaus Schaffhausen lernte ich Dr. Giannicola D’Addario, Präsident der Krebsliga Schaffhausen kennen. Als die Krebsliga für die Geschäftsstelle dringend eine Leiterin suchte, fragte er mich. Zwei Mitarbeiterinnen hatten gerade gekündigt und ich musste quasi neu anfangen. Von der Ausbildung her bin ich Kauf- und Personalfachfrau, war sieben Jahre bei der Swissair als Flight Attendant tätig und nach der Familienphase mit zwei Kindern elf Jahre bei einer Krankenkasse. An der Migros-Clubschule habe ich auch angehende Arzt- und Spitalsekretärinnen im Fach Sozialversicherungen unterrichtet. Arbeiten Sie Vollzeit? ULLMANN: Nein, ich arbeite

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mit einem Stellenpensum von 60 %. Wir sind hier sieben Angestellte und alle in Teilzeit. Bei den Krebsligen arbeiten sehr viele Frauen in Teilzeit, das lässt auch den Apparat grösser erscheinen, als er ist. Die Arbeit ist oft emotional anstrengend und in der Pflege auch körperlich sehr belastend. Was haben Sie zu Beginn der Arbeit für die Krebsliga als am anstrengendsten erlebt? ULLMANN: Dadurch, dass es in der

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Geschäftsstelle so einen grossen Wechsel gab, war die Problematik erst einmal, die Abläufe kennenzulernen, und die Neuorganisation der Geschäftsstelle. In den Beratungsteil bin ich langsam hineingewachsen. Vor den ersten Begegnungen mit Krebspatienten hatte ich grossen Respekt: Bin ich sensibel genug, reagiere ich adäquat, erkenne ich, was vorrangig gebraucht wird? Auch sollte

man in groben Zügen wissen, wie die Erkrankung verlaufen und was auf diese Menschen noch zukommen kann. Was ist heute die grösste Herausforderung? ULLMANN: Die Zusammenarbeit

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mit den einzelnen Gruppen, die Koordination von unterschiedlichen Vorstellungen und Zielsetzungen ist immer wieder spannend. Freiwillige, die ehrenamtlich in der Freizeit mitwirken, haben oft andere Vorstellungen als das professionelle Team. Die Leute im Vorstand sind nicht immer so nah dran an den Problemen wie wir in der Geschäftsstelle, die wir Sozialberatung machen, oder die Kolleginnen der spitalexternen Onkologiepflege. Da braucht es Verständnis von allen Seiten. Wie ist die Zusammenarbeit mit Bern, bekamen Sie von dort Hilfe? ULLMANN: Bern ist für mich ein

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wichtiger Partner in der Zusammenarbeit. Ich kann dort vieles nachfra-

MENSCHEN · PERSPEKTIVE LEBEN

gen und Informationen einholen. Wir beziehen viele Dienstleistungen von dort, z. B. EDV-Support oder auch alle Broschüren. Es gilt ja, die Spendengelder möglichst nutzbringend und sorgfältig einzusetzen. So kaufen wir dort ein, wo es qualitativ am besten und günstigsten ist, und die Angebote aus Bern sind da eine sehr grosse Hilfe. Sie sind auch im Vorstand der Krebsliga Schweiz, wie viel Zeit ist dafür aufzuwenden? ULLMANN: Die Vorstandsarbeit ist

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sehr spannend und ist zeitlich gut zu bewältigen. Für die kleineren Ligen wie die Krebsliga Schaffhausen ist diese Mitarbeit wichtig, da z. B. auch an der Umsetzung der nationalen Strategien gegen Krebs gearbeitet, Lobbying betrieben wird und vieles mehr. Zurück zur täglichen Arbeit. Wann kommen die Patienten zu Ihnen, werden Sie schon bei der Diagnose kontaktiert? ULLMANN: Die Information über

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unser Angebot erfolgt meist noch im Spital oder beim Besuch des Onkologen. Die Patienten bekommen unsere Broschüre von den Pflegefachpersonen oder dem Sozialdienst. Wann die Patienten auf uns zukommen, das ist sehr unterschiedlich. Der eine kommt direkt nach der Diagnosestellung, ein anderer erst im Verlauf eines Rückfalles nach einigen Jahren. Meist kommen sie, wenn ein Problem auftaucht, dass unlösbar scheint. Das kann versicherungstechnisch sein, finanziell. Patienten melden sich auch, wenn sie Pflege brauchen. Kommen auch Angehörige, wenn sie nicht mehr klar kommen? ULLMANN: Ja, das kommt auch vor.

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Wir sehen dann zu, dass alle an einem Tisch zusammenkommen. Das

Fotos: sms (3)

» soziale Gefüge ist nicht unendlich belastungsfähig, wir versuchen das System zu stützen. Was war da mal die grösste Gruppe? ULLMANN: Eine krebskranke Mut-

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ter und ihre Kinder, viele Kinder und die Mutter der Betroffenen, das war ein voller runder Tisch. Gibt es Unterstützung speziell für die Kinder von Krebspatienten? ULLMANN: Wir können alle An-

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gebote von allen Ligen nutzen. Da gibt es Zirkus- oder Kletterlager für krebsbetroffene Kinder oder für Kinder, wo ein Elternteil betroffen ist. Wir leisten auch finanzielle Unterstützung für Kinder von sozial schwachen Familien. Das kann ein Zuschuss für einen Ausflug oder für eine Klassenfahrt oder den Ferienpass oder eine Karte für das Hallenbad sein. Das ist sehr individuell, was da gebraucht wird. Wir springen subsidiär ein, wenn sonst kein Kostenträger verantwortlich ist. Ist Krebsprävention für Sie ein Thema und was machen Sie konkret? ULLMANN: Ich bin sehr viel in der

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Natur und versuche, mich gesünder zu ernähren als früher. Die WorkLife-Balance im Griff zu haben, ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Vorbeugung. Mammografie – gehen Sie dahin? ULLMANN: Ja, das erste Mal mit

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45 Jahren, als ich bei der Krebsliga anfing zu arbeiten, zu meiner Beruhigung. Es ist für mich auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich verstehe und resprektiere aber jede Frau, die sich anders entscheidet.

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Ist an Krebs zu erkranken immer noch ein Tabu, ein Ma-

kel? ULLMANN: Es ist kein Makel, son-

dern eine Krankheit. Leider ist es jedoch noch oft ein Tabuthema. Es ist die Angst vor der Begegnung mit dem Krebspatienten. Worüber soll ich mit ihm reden, was kommt da auf mich zu, kann ich dem Erkrankten gerecht werden? Small Talk über das Wetter, den letzten Urlaub oder das neue Auto – das wird angesichts einer möglicherweise lebensbedrohlichen Erkrankung alles banal. Ein einfaches «Auf Wiedersehen» kann plötzlich irgendwie falsch sein. Was sind die nächsten Ziele hier für die Krebsliga Schaffhausen? ULLMANN: Ich bin ja keine gelernte

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Sozialberaterin, ich kenne mich mit Versicherungen aus, habe Lebenserfahrung, aber bin kein Profi, was die Sozialberatungen betrifft. Es ist mein Ziel, dass wir die Sozialberatung bis Ende 2014 professionalisieren. Wir strukturieren intern um, der sozialberaterische Teil muss noch besser werden. Der bisherige Weg war aber gut und richtig. Ich weiss nun, welche Sorgen und Nöte die Betroffenen und deren Angehörige belasten. Es ist eine bereichernde und schöne Arbeit. AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · RAT UND HILFE

Internetnutzung bei Gesundheitsfragen

Fragen auch Sie Dr. Google un Die Internetnutzung in der Schweiz ist in den letzten zehn Jahren von etwa 50 % der Bevölkerung auf rund 80 % gestiegen. Zählt man Personen dazu, die sich von anderen bei der Informationsbeschaffung aus dem Internet helfen lassen, kommt man auf noch mehr Nutzer. Auch die meisten Ärzte recherchieren im Internet über Gesundheitsthemen oder neue Studien.

SUCHE IM NETZ. Ein Leben ohne Internet ist kaum mehr

vorstellbar. Immer häufiger kommen Patienten mit Informationen aus dem Netz zum Arzt und hoffen darauf, offene Fragen besprechen zu können. Auch 87 % der Ärzte recherchieren im Internet über Gesundheitsthemen, wie eine aktuelle Erhebung der Marktforschungsgruppe Kantar Media festgestellt hat. Ob Mediziner vorwiegend «googeln» oder gezielt nach Informationen suchen, wurde nicht mitgeteilt. Aufgrund des Zeitmangels werden in der Regel gezielte Recherchen in Nachschlagewerken und Datenbanken geführt. Bei Gesundheits- und Krankheitsthemen wird viel Sinnvolles getan, aber auch viel Schaden angerichtet. Das Internet hört jede Stimme:

Fotos: thinkstock (3)

«Auch die meisten Ärzte nutzen das Internet, um sich zu informieren»

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RAT UND HILFE · PERSPEKTIVE LEBEN

nd Dr. Wikipedia? Patienten machen sich immer unabhängiger von der Arzt- und Pharmabranche und diskutieren in Foren oder Blogs über Medikamente und ihre (Neben-)Wirkungen. Die meisten Einträge in Foren und Blogs sind gut gemeint und geben ein Stimmungsbild. Die Frage ist nur, ob man Nachbar X oder der Mieterin im dritten Stock unbedingt trauen würde, wenn es um die Gesundheit oder ernsthafte Erkrankungen geht. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist mit einem Problem, aber wenn es um Behandlungsentscheidungen geht, sollte der Arzt der erste Ansprechpartner sein. Beim Googeln regiert der Zufall und auf den will man sich im Falle einer schweren Erkrankung sicher nicht verlassen.

Nicht allen Web-Seiten vertrauen Als vertrauenswürdiger als Zufallstreffer beim Googeln werden Eintragungen in Wikipedia angesehen. Sehr gut sind die Informationen grosser anerkannter Institutionen wie der Krebsliga oder des Deutschen Krebsinformationsdienstes oder der Amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Wichtig: Immer die Quelle einer Homepage ansehen: das Impressum. Steht eine bekannte Organisation dahinter, eine Im Netz wird Fachgesellschaft, eine nationale oder interes schnell nationale Behörde, so ist die Wahrscheinlichunübersichtlich keit, dass es sich um gut geprüfte Nachrichten handelt, grösser als bei Briefkastenfirmen mit unklarem Absender. Pharmafirmen bieten zu Themen, die ihre Medikamente betreffen, häufig sehr gut gemachte, informative Seiten an. Ansehen lohnt oft, wenn man im Hinterkopf behält, dass es darum geht, auch über das eigene Produkt zu informieren. Auch Arztpraxen bieten medizinische Fachinformationen an, auch hier gilt, dass der Arzt die eigenen Angebote in den Vordergrund rücken will. Bei der Suche nach einem geeigneten Arzt, der nächsten Facharztpraxis oder Informationen zu einem bestimmten Medikament wird man rasch fündig. Toll aufgemachte Web-Seiten, deren offensichtliches Ziel es ist, etwas ganz Neues und Einmaliges zu verkaufen, sollten von vornherein kritisch betrachtet werden. Internethandel zu betreiben, ist erlaubt, aber Menschen in einer Notlage das Geld mit überteuerten Angeboten aus sultieren. Sie sind die richtigen Ansprechpartner, wenn der Tasche zu ziehen, unlauter. es um die Gesundheit geht, und in einem Gespräch kann man auch nachfragen. Immer die Quelle einer InformatiBesser Arzt und Apotheker um Rat fragen on zu hinterfragen, ist wohl der wichtigste Rat, den man Fazit: Das Internet liefert Anregungen, Entscheidungen für die Konsultation von «Dr. Google» geben kann – muss man selber treffen. In Fragen zu Krankheiten ist es und im Kopf haben, dass Wikipedia-Texte auch mal von immer noch besser, Arzt und Apotheker vor Ort zu konLohnschreibern geschönt sein können. AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · NEBENWIRKUNGEN DER THERAPIE

Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie

Warum die regelmässige Blut Wenn sich bei einem Patienten während oder nach einer Krebsbehandlung das Allgemeinbefinden verschlechtert und Fieber auftritt, ist dies immer eine Notfallsituation. Es könnte ein kritischer Abfall der weissen Blutkörperchen erfolgt sein – daheim erst mal abwarten ist dann kein guter Rat. Besteht der Verdacht auf eine gefährliche Infektionen mit Bakterien oder Pilzen ist eine Spitaleinweisung nötig.

KNOCHENMARK GESCHÄDIGT. Eine häufi-

Chemotherapie Bei den Blutzellen unterscheidet man rote ge und nicht ungefährliche Nebenwirkung Blutkörperchen (Erythrozyten), Blutplättschädigt die im Rahmen von Krebsbehandlungen ist chen (Thrombozyten) und weisse BlutkörBlutzellen die Schädigung des Knochenmarks. Strahperchen (Leukozyten). Diese Blutzellen lentherapie oder Chemotherapie, aber auch werden im Knochenmark gebildet. Werden zahlreiche andere Medikamente schädigen die blutbildenden Knochenmarkszellen durch nicht nur die Krebszellen, sondern auch andere Zellen, die Krebsbehandlung geschädigt, drohen Anämie (zu die z. B. für die Bildung von Haaren, Schleimhaut oder wenig Erythrozyten), Thrombopenie (zu wenig ThromBlut zuständig sind. Ein Haarverlust ist sichtbar, Durchbozyten) und Leukopenie (zu wenig Leukozyten). fall macht sich bemerkbar, ein Absinken der Zellen im Einen Teil der Leukozyten bilden die sogenannten Blut kann sehr langsam erfolgen und sich erst mit Leisneutrophilen Granulozyten. Diese Blutzellen schützen tungseinbusse, blauen Flecken oder Anfälligkeit für Entvor bakteriellen Infektionen. Sinken sie ab, kommt es zündungen bemerkbar machen. zu einer Neutropenie. Diese Neutropenie, die bei den

Fotos: thinkstock (2)

«Blutkontrollen gehören zu jeder Krebsbehandlung»

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NEBENWIRKUNGEN DER THERAPIE · PERSPEKTIVE LEBEN

utkontrolle so wichtig ist meisten Chemotherapien ihren Höhepunkt sieben bis zehn Tage nach Therapiebeginn erreicht, führt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Bakterien und Pilze können bei Patienten mit schwerer Neutropenie innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich werden.

«Schlechtes» weisses Blutbild Rote und weisse Blutkörperchen und Blutplättchen werden bei sehr vielen Behandlungen regelmässig kontrolliert, da ihr Absinken unter bestimmte Grenzwerte wegen der schwerwiegenden Folgen gefürchtet wird. Es kann sogar nötig werden, eine Behandlung zu pausieren oder abzubrechen. Daher sind häufige dieser Blutbildkontrollen eine entscheidende Massnahme, um frühzeitig einzugreifen.

Vorbeugen ist möglich Kann man vorbeugen? Was den Patienten selbst angeht, so sind als sinnvolle Massnahmen Mundspülungen, Zahnpflege mit weicher Bürste, milde Körper- und Hautpflege (eventuell mit medizinischen Seifen), Händedesinfektion und Achtsamkeit auf erste Zeichen wichtig. Schluckbeschwerden, Entzündungen im Mund, Schmerzen im Rachenraum, Brennen beim Wasserlassen oder Schmerzen beim Stuhlgang, unerklärlicher Husten, entzündete Wunden und vor allem erhöhte Körpertemperatur auf über 38 °C sind Alarmsignale.

Bei Temperatur über 38,5 °C zum Arzt Häufige Infektionen sind Mittelohrentzündungen, Mandelentzündung, Entzündungen der Mundschleimhaut oder der Darmschleimhaut und Hautabszesse. Jedes Fieber (Körpertemperatur über 38,5 °C) muss sehr ernst genommen und umgehend ein Arzt konsultiert werden. Fieber bei Patienten mit schwerer Neutropenie ist immer eine Notfallsituation, die einer sofortigen Aufnahme in ein Spital zur intravenösen Verabreichung von Antibiotika oder Antimykotika (Medikamente gegen Pilze) bedarf. Auch die Angehörigen im Familienverband können

mit einfachen Hygienemassnahmen und Wachsamkeit unterstützend sein. Ist ein Spitalaufenthalt nötig, so helfen Besucher dem Patienten am besten, wenn sie sich an die Anweisungen des Personals halten.

Medikamente, die helfen können Es gibt Medikamente, die das Ausreifen und die Freisetzung von Granulozyten aus dem Knochenmark fördern: der Granulozytenkolonie-stimulierende Faktor (G-CSF). Dieses hoch wirksame Medikament wird zur Behandlung einer Neutropenie verwendet und kann zur Vorbeugung eingesetzt werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: z. B. wenn die Dosis der Chemotherapie erhöht werden soll oder eine Chemotherapie die Anzahl der neutrophilen Granulozyten senkt oder aber wenn besondere Risiken vorliegen. Die vorbeugende Gabe d e s Me d i k a m e n t s bringt bei den meisten heute eingesetzten Chemotherapien zwar Vorteile, ist aber nicht bei jedem Patienten nötig. Denn meist sinken die weissen Blutkörperchen nur über einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen ab. Als häufigste Nebenwirkungen der GCSF werden leichte bis mässige Knochenschmerzen und andere Schmerzen genannt. Die Behandlung mit G-CSF alleine hat allerdings keinen Einfluss auf die roten Blutkörperchen oder die Blutplättchen. Es kann also trotzdem zu einer Anämie oder Thrombopenie kommen. In den letzten Jahren konnte die Sterblichkeit von Patienten mit fieberhafter Neutropenie zwar von über 50 % auf unter 10 % gesenkt werden, Wachsamkeit von allen Seiten und regelmässige Blutbildkontrollen sind jedoch immer noch gefragt. >> Hilfreiche Informationen unter: Broschüre Chemotherapie der Krebsliga: www.krebsliga.ch/de/leben_mit_krebs/therapien_/ chemotherapie/ AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · HAUTKREBS

Neue Behandlungen bei Hautkrebs

Die körpereigene Abwehr nu Wenn jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit im Kampf gegen den Krebs endlich Früchte trägt, ist die Freude gross. So ergeht es nun den Forschern, die sich mit der Immunbehandlung gegen Krebserkrankungen befassen. Patienten mit schwarzem und weissem Hautkrebs gehören mit zu den Ersten, die von den neuen Medikamenten profitieren können.

ERMUTIGENDE ERGEBNISSE. Krebsge-

Behandlung entwickeln zu können. Eine Bremse des schwülste vom körpereigenen ImmunsysImmunbehandlung wird voraussichtlich Immunsystems für Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs, tem wegschmelzen zu lassen, ist eine seit lösen Langem von der medizinischen Forschung Lymphome, Hirntumore, Eierstockkrebs verfolgte Idee. Der Weg von den ersten und Hautkrebs möglich sein. Überlegungen zur Tat und zu ersten ErgebSchwarzer Hautkrebs nissen war lang. Nach rund 20 Jahren stehen nun die ersten wirksamen Medikamente zur Verfügung, die beim Das Wissenschaftsmagazin Science hat die ImmunbehandMenschen Immunzellen befähigen können, Krebszellen lung bei Krebserkrankungen als den wissenschaftlichen zu erkennen. Professor Dr. Reinhard Dummer und seine Durchbruch des Jahres 2013 bezeichnet. Die ersten zellbaArbeitsgruppe am UniversitätsSpital Zürich behandeln sierten Behandlungen wurden vor drei Jahren erstmals an Patienten mit fortgeschrittenen Hautkrebstumoren mit Patienten eingesetzt. Für die Bekämpfung des gefährlichen den neuen Immunbehandlungen. «Die Ergebnisse sind schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) sind bereits wirklich erstaunlich und ermutigend», so die Erfahrunzwei neue Medikamente in der Schweiz zugelassen: gen des Professors.

Was bedeutet «Immunbehandlung»? Die Idee, das körpereigene Abwehrsystem, das Immunsystem, zur Krebsbekämpfung zu nutzen, kam bereits mit seiner Entdeckung auf. Mithilfe des Immunsystems wehren wir normalerweise die Erreger von Krankheiten ab und können eigenes von fremdem Gewebe unterscheiden. Auch Tumorzellen kann unser Immunsystem erkennen und beseitigen – normalerweise. Bei einer Krebserkrankung ist die Abwehr durch den Tumor ausgebremst worden. Die nun bei der Immunbehandlung von Tumoren neu eingesetzten Wirkstoffe sind Antikörper, die Immunzellen befähigen, Krebszellen anhand bestimmter Merkmale zu erkennen und zu zerstören. Der grosse Unterschied zu den anderen Behandlungsmöglichkeiten – Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie – ist, dass ein körpereigenes System genutzt wird. Da das Immunsystem ein Gedächtnis besitzt, können sogar Langzeitheilungen erreicht werden. Ein weiterer grosser Vorteil: Das Immunsystem findet seine Ziele überall im Körper, dadurch werden auch (versteckte) Absiedelungen mit erfasst und zum Schrumpfen gebracht. Ist das Grundprinzip nun erst einmal verstanden, so hofft man in Zukunft praktisch für jede Krebsart eine 22 ·

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«Dank der neuen Medikamente können Patienten mit Hautkrebs länger leben»

HAUTKREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

nutzen

Ein enormer Fortschritt beim Melanom

gezeigt, dass man von einem «Wunder» sprach. In ersten klinischen Studien mit diesen neuen Medikamenten konnte die Zahl der Patienten, die mehr als ein Jahr überleben, deutlich gesteigert werden. Das ist bei fortgeschrittenem Malignen Melanom ein enormer Fortschritt. Vorsichtig wird sogar von Heilung gesprochen: Von den Patienten, die sehr gut auf die Therapie angesprochen haben, das waren etwa ein Fünftel aller Behandelten, lebt der Grossteil (93 %) nach fünf Jahren noch. Ergebnisse, von denen man beim Malignen Melanom bisher nur träumen konnte. Bei aller Euphorie darf man aber nicht vergessen, dass eine wirksame Veränderung im Immunsystem auch dazu führen kann, dass sich die Abwehr nicht nur gegen Tumorzellen, sondern auch gegen gesunde Zellen richten kann. So kann eine Nebenwirkung einer Behandlung in Autoimmunreaktionen bestehen. Das heisst, dass eigenes Gewebe plötzlich als fremd angesehen wird und das Immunsystem beginnt, sich selbst anzugreifen. Für die behandelnden Ärzte heisst das, besonders genau auf Anzeichen zu achten und Gegenmassnahmen zu ergreifen. Hochwirksam bedeutet eben immer auch reich an Nebenwirkungen. Die Behandlungen sollten in oder in Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren wie dem UniversitätsSpital Zürich durchgeführt werden. Prof. Dummer konnte berichten, dass durch die guten Behandlungserfolge drei neue ambulante Infusionsplätze nötig wurden, um die Nachfrage befriedigen zu können.

„Das Mittel Ipilimumab stimuliert das körpereigene

Immunsystem und erzeugt so einen Antikörper, der den Krebs angreift. Das führt zwar nur zu einer Lebenszeitverlängerung von bis zu drei Monaten, aber langfristig rechnen die Forscher damit, dass sich die Zahl derer, die bis zu zehn Jahre überleben, verdoppeln wird. „Das Medikament Vemurafenib greift Krebszellen an, die mutiert sind, also eine veränderte Genstruktur haben. Dies ist etwa bei der Hälfte aller Patienten mit schwarzem Hautkrebs der Fall. Das Medikament lässt den Tumor innerhalb weniger Wochen wegschrumpfen. Die durchschnittliche Überlebenszeit kann damit deutlich verlängert werden. Weitere Medikamente zur Immunbehandlung wie Nivolumab, Pidilizumab oder Lambrolizumab werden im Rahmen von Studien an grossen Zentren in der Schweiz bereits ebenfalls eingesetzt. Auch die Kombination der neuen Medikamente wurde bereits untersucht und kann die Behandlungsergebnisse weiter verbessern. Auf Kongressen wurden so eindrückliche «Vorhernachher»-Bilder von Patienten mit ausgeprägten Hautbefunden und Absiedelungen eines schwarzen Hautkrebs

Weisser Hautkrebs Ein Grossteil, etwa 80 %, der bösartigen weissen Hautkrebsformen sind Basalzellkarzinome. Diese Tumore treten in der Mehrzahl auf von Sonnenlicht geschädigter Haut, häufig im Gesicht, auf. Sie können in der Regel gut entfernt werden, wenn sie rechtzeitig behandelt werden. Leider kann es in fortgeschrittenem Stadium zu Zerstörung wichtiger Strukturen wie Auge oder Ohrmuschel und sehr selten zu Absiedelungen kommen. Da fast alle Basalzellkarzinome eine genetische Veränderung haben, konnte eine Behandlung entwickelt werden, die dort ansetzt. Das Medikament Vismodegib ist bei bisher unheilbar kranken Patienten mit örtlich fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom auch in der Schweiz zugelassen. Es stoppt das Tumorwachstum und kann später eventuell eine operative Entfernung des Tumors ermöglichen. Auch dieses Medikament hat Nebenwirkungen, die zwar mild sind, die Lebensqualität aber doch einschränken können.

Foto: thinkstock

Übrigens: Falls Sie selber eine verdächtige Hautläsion haben, können Sie sich unter www.myskincheck.ch informieren. Quelle: Hautkrebstherapie: Neue Medikamente für den Kliniker. Dermatologische Klinik am UniversitätsSpital Zürich am 15. Mai 2014.

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PERSPEKTIVE LEBEN · MEILENSTEINE

Foto: Deutsches Röntgen-Museum

Meilensteine der Radiotherapie

Strahlentherapie – seit mehr als 100 Jahren im Einsatz WICHTIGER FORTSCHRITT. Die

Radiotherapie (Strahlentherapie, Radioonkologie) ist seit mehr als hundert Jahren in der Krebsheilkunde (Onkologie) im Einsatz. Die technischen Verbesserungen und die Kombination mit Chemothera-

pie und neuen zielgerichteten Medikamenten wie Antikörpern haben in den letzten 20 Jahren zu wichtigen Fortschritten geführt. Durch klinische Studien konnte bei vielen Krebserkrankungen festgestellt werden, welche Tumore auf welche

Behandlung und/oder Kombination besonders gut ansprechen. Bei manchen Tumoren reicht eine alleinige Strahlentherapie, bei anderen wiederum weiss man, dass sie nicht empfindlich auf eine Radiotherapie reagieren.

Als Single und Partner FÜNF SÄULEN. In der Krebsmedizin

bilden onkologische Chirurgie, zytotoxische Chemotherapie, neue zielgerichtete Medikamente, Immunbehandlung sowie die Radiotherapie die fünf wichtigsten Säulen. Eine enge Zusammenarbeit der medizinischen Fächer ist in allen Phasen einer Krebserkrankung sinnvoll. Ob und welche Radiotherapie einge-

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setzt werden kann, wird nach einer gemeinsamen Beratung von Fachärzten des jeweiligen Fachgebietes wie Urologen, Frauenärzten, Chirurgen, Onkopathologen, Radiologen, Palliativmedizinern, Psychoonkologen etc. im Tumorboard diskutiert und mit dem Patienten besprochen. Radiotherapien werden von Radioonkologen in Tumorzentren oder Praxen

fast immer ambulant ausgeführt. In der Schweiz gibt es 16 radioonkologische Therapiezentren, die fast alle mit modernsten konventionellen Strahlentherapiegeräten ausgerüstet sind. Pro Jahr werden in diesen Zentren heute rund 18 000 Krebspatientinnen und -patienten mit der sogenannten Photonen-Strahlentherapie behandelt.

MEILENSTEINE · PERSPEKTIVE LEBEN

Wie wirken Strahlen? ANGRIFF AUF DIE ERBSUBSTANZ.

Prinzipiell ist eine Radiotherapie auf den Ort der Anwendung begrenzt. Es kommt zu Wechselwirkungen der ionisierenden Strahlung mit den Strukturen im Gewebe. Eine alleinige Radiotherapie kann bei Tumoren, die auf Strahlen sehr empfindlich reagieren, beispielsweise manchen Hirntumoren, ausreichend sein. Der Hauptangriffspunkt von ionisierenden Strahlen ist die Erbsubstanz im Zellkern (DNA). Durch die Bestrahlung mit elektromagne-

Strahlen sind überall

tischen und Teilchenstrahlen entstehen Brüche und Schäden an der DNA, sodass die Zellen schliesslich absterben. Da auch gesunde, sich rasch teilende Körperzellen von der Radiotherapie geschädigt werden können, wird auf eine besondere Schonung des umliegenden Gewebes geachtet. Gesunde Zellen brauchen für die Reparatur von DNASchäden eine bestimmte Zeit, daher wird die gesamte Strahlendosis in mehrere Einzelsitzungen (Fraktionen) aufgeteilt.

IONISATION. Wir sind umgeben von

Strahlen, sie spenden Licht, Wärme und Energie. Die grösste Strahlenquelle ist die Sonne. Im physikalischen Sinn sind Strahlen elektromagnetische Wellen. Es gibt langwellige Strahlen wie den Wechselstrom oder Infrarotstrahlen, und es gibt kurzwellige Strahlen wie etwa die ultraviolette Strahlung der Sonne. Kurzwellige Strahlen sind energiereicher als langwellige und deshalb gefährlicher. Sehr kurzwellige Strahlen – auch Gamma- oder Röntgenstrahlen genannt – sind derart stark, dass sie chemische Bindungen lösen können. Das nennt man Ionisation, und man spricht von ionisierenden Strahlen. Diese Strahlen werden in der Krebstherapie eingesetzt.

Zeitpunkt der Radiotherapie den Tumor zu verkleinern, kann bereits vor einer Operation eine Radiotherapie durchgeführt werden. Nach einer Operation wird die Radiotherapie eingesetzt, um eventuell noch vorhandenes Restgewebe des Tumors zu treffen und Rückfällen vorzubeugen. Ist der Tumor bereits durch eine Chemotherapie komplett zurückgegangen, kann zusätzlich eine Radiotherapie zur Absicherung verabreicht werden. Im Falle von fortgeschrittenen Tumoren ist keine Heilung zu erwarten. Hier ist die Radiotherapie je-

doch ein sehr wichtiges Instrument, um die Lebensqualität zu verbessern und einen möglichst beschwerdefreien Zustand des Patienten aufrechtzuerhalten. So kann die Radiotherapie Tumoren verkleinern sowie Schmerzen und andere Symptome lindern. Die Entscheidung, wann, mit welcher Stärke, wie oft bestrahlt werden sollte, ist für viele Krebserkrankungen in Leitlinien festgelegt. Was im Einzelfall Erfolg verspricht, wird vom behandelnden Expertenteam im Tumorboard und mit dem Patienten diskutiert.

Foto: Paul-Scherrer-Institut

VOR ODER NACH OPERATION. Um

Blick in die Zukunft NOCH WIRKSAMER. Mithilfe gene-

tischer Untersuchungen will man Merkmale finden, die es ermöglichen, Voraussagen darüber zu treffen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Patient auf eine Radiotherapie ansprechen wird und wie hoch sein Risiko für Nebenwirkungen ist. Schon im Vorfeld Informationen über die zu erwartende Wirksamkeit und Verträglichkeit zu haben, wird für die Behandlungsentschei-

dung einen wichtigen Meilenstein darstellen. Beispielsweise ist eine schlechte Sauerstoffversorgung im Tumorgewebe mit einer geringeren Strahlenempfindlichkeit assoziiert. Durch eine höhere Dosis lässt sich bei diesen Patienten eine bessere Wirkung erzielen. Insbesondere für ältere Menschen bietet die Radiotherapie gegenüber der Chirurgie erhebliche Vorteile, da kein operativer Eingriff erfolgt,

und so Organe geschont werden können. So werden z. B. Patienten mit Prostatakarzinom – speziell in fortgeschrittenem Alter – immer seltener operiert und stattdessen bestrahlt. Bei Patientinnen mit Mammakarzinom kann heute in nahezu 90 % die Brust erhalten werden. Zunehmend passen Ärzte das Ausmass der Strahlentherapie auch an das individuelle Risiko jeder Frau an.

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PERSPEKTIVE LEBEN · MEILENSTEINE

Strahlentherapeutische Methoden WO SITZT DER TUMOR? In Ab-

hängigkeit von der Lokalisation der Strahlenquelle wird zwischen folgenden Therapieprinzipien unterschieden:

terhöhle, Scheide, Harnblase, Enddarm, Speiseröhre). „Interstitielle Therapie: Die Strahlenquelle wird unmittelbar in das Tumorgewebe implantiert (Prostata).

Teletherapie (perkutane Radiotherapie): Die Strahlenquelle befindet

Systemische Radiotherapie: Hierbei

sich ausserhalb des Körpers, der Abstand vom Zielorgan zur Haut beträgt mehr als 10 cm. Die Geräte sind meist Linearbeschleuniger oder seltener Kobaltgeräte. Brachytherapie (Kurzdistanztherapie): Die Bestrahlung erfolgt aus

unmittelbarer Nähe, der Abstand zwischen Zielvolumen und Strahlenquelle beträgt weniger als 10 cm. Zur Brachytherapie gehören: „Kontakttherapie: Die Strahlenquelle hat direkten Kontakt zum Patienten (z. B. Haut, Augapfel, Radiotherapie während einer Operation). „Intrakavitäre Therapie: Die Strahlenquelle wird in eine Körperhöhle eingebracht (z. B. Gebärmut-

wird der ganze Körper bestrahlt, indem eine radioaktive Substanz über den Blutkreislauf oder den MagenDarmtrakt aufgenommen wird. Dazu gehört auch die Behandlung des Schilddrüsenkrebs, bei dem sich radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichert. Neue Technologien: Hier werden statt Röntgenstrahlen (Photonenstrahlen), Strahlen mit günstigeren Eigenschaften bezüglich der Verteilung im Gewebe verwendet, wie z. B. Protonen und Kohlenstoff-Ionen. Sie sind zielgenauer und teilweise auch biologisch effizienter. Des Weiteren existieren zahlreiche Parameter, die vor der Durchfüh-

rung einer Radiotherapie individuell in Abhängigkeit von Tumorlokalisation und Tumorhistologie ausgewählt werden müssen. Hierzu gehören etwa: „Strahlenart „Feldgrösse „Feldbegrenzung „Fokus-Hautabstand „Filterung „Körperinhomogenitäten. Insgesamt sind die strahlentherapeutischen Methoden sehr vielfältig und stets an die individuellen Bedingungen des Patienten anzupassen. Unverzichtbar ist eine kompetente Zusammenarbeit zwischen Physikern, Medizinern und MTRA (medizinisch-technische Radiologieassistenten). Das Hauptziel ist die maximale Tumor-Zellschädigung bei gleichzeitig maximaler Gewebeschonung. Für jedes Organ bzw. jede Tumorart haben sich bereits individuelle Bestrahlungskonzepte etabliert.

Nebenwirkungen ORGANE. Die unerwünschten Folgen einer Bestrahlung sind abhängig von der Strahlen-Gesamtdosis und dem bestrahlten Körperbereich. Mit den aufwendigen Berechnungen und Planungen im Vorfeld einer Radiotherapie wollen Ärzte erreichen, dass der Tumor viel Strahlung erhält, das umliegende Gewebe jedoch geschont wird. Einige Organe reagieren auf die Bestrahlung empfindlicher als andere. Nebenwirkungen können, müssen aber nicht auftreten. Wird beispielsweise ein Tumor im Hals oder Mund bestrahlt, kann sich infolge der Strahlenwirkung die Mundschleimhaut entzünden. Die Speicheldrüsen liefern weniger Speichel, es kann ein Geschmacksverlust eintreten und das Schlucken wird beschwerlich. Besonders geschützt

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werden sollte die Haut. Jede zusätzliche Reizung durch Sonne oder Hautpflegeprodukte aller Art sollte

vermieden werden. Auch Magen und Darm sind empfindlich und Übelkeit, Erbrechen und Durchfall drohen. Im Brustraum sind Herz und Lunge strahlensensibel, noch nach vielen Jahren können sich Spätfolgen zeigen. Die meisten dieser Nebenwirkungen klingen ab, sobald die Radio-

therapie beendet ist. Darm, Lunge, Haut und Kopfhaar können auch etwas länger beleidigt sein. Spätreaktionen sind von Haut, Herz und Keimdrüsen bekannt. Mit neuen Methoden, z. B. mittels Stammzelltransplantation, versuchen Forscher, geschädigtes Gewebes wiederherzustellen. Im Tierversuch konnten bereits positive Ergebnisse bei der Ohrspeicheldrüse erzielt werden.

Die meisten Nebenwirkungen der Strahlentherapie klingen nach Beendigung schnell ab. Fotos: thinkstock (2)

EMPFINDLICHE

MEILENSTEINE · PERSPEKTIVE LEBEN

Keine Scheu vor Fragen ÄNGSTE BEWÄLTIGEN. Von einer

Krebserkrankung akut betroffen zu sein, macht bang, und Krebspatienten fühlen sich ihrer Krankheit oft ausgeliefert. Mehr als ein Drittel der Patienten, die eine Radiotherapie antreten, leidet zusätzlich unter Angst und depressiven Verstimmungen. Beide Symptome sind zu Beginn der Behandlung stark ausgeprägt, bessern sich jedoch im Verlauf der Radiotherapie deutlich. Entscheidend für die positive Angstbewältigung und den Umgang mit Trauer,

Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit ist eine ausführliche Aufklärung und Betreuung durch das Team der Radiotherapie. Es gibt keine Frage, die nicht schon gestellt und beantwortet wurde. Als Tumorpatient sollten Sie so lange fragen, bis ihre Angst abnimmt. Ängstliche oder depressive Personen können so früher erkannt und z. B. durch einen Psychoonkologen entsprechend unterstützt werden. Auch Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen können helfen.

Radiochemotherapie ANSPRECHEN ERHÖHEN. Die Kom-

bination einer Bestrahlung mit einer zelltoxischen Chemo- oder Hormontherapie wird seit rund 50 Jahren mit immer besseren Resultaten eingesetzt. Dazu kommen in den letzten Jahren die zielgerichteten Medikamente, die zu längeren Überlebenszeiten bei guter Lebensqualität führen sollen. Chemotherapeutika und zielgerichtete Medikamente können das Ansprechen auf eine Radiotherapie erhöhen und wirken auch auf Absiedelungen (Metastasen). Nicht nur bei den häufigsten Krebserkrankungen Brustkrebs und Prostatakrebs sind durch Studien die erfolgreichsten Abläufe gefunden worden. Auch bei Kopf-Halstumoren oder Darmkrebs wird daran gearbeitet, Behandlungen durch neue Kombinationen zu verbessern. Ob erst eine Bestrahlung oder Chemotherapie oder Operation erfolgt, hängt

von Art, Lage und Grösse des Tumors, Allgemeinzustand und nicht zuletzt den Vorlieben des Patienten ab. Dass bei der Kombination hoch wirksamer Medikamente auch mehr Nebenwirkungen auftreten können, begrenzt den Einsatz.

Die Strahlentherapie wird häufig auch mit einer Chemotherapie kombiniert.

>> Hilfreiche Informationen unter: www.krebsliga.ch – Patientenbroschüre Strahlentherapie www.radio-onkologie.ch – Übersicht über die Radioonkologie in der Schweiz www.degro.org – Website der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie www.estro.org – Website der Europäischen Gesellschaft für Radioonkologie www.rtanswers.org/index.aspx – American Society for Radiation Oncology Websites der Radioonkologien Basel, Zürich, Bern, St. Gallen, Berlin Charité

Meilensteine einer relativ jungen Fachrichtung „1895 – Wilhelm Conrad Röntgen

berichtet über die Entdeckung der Röntgenstrahlen „1896 – Der Wiener Arzt Leopold Freund führt die erste Bestrahlung eines grossen behaarten Muttermales bei einem Kind durch „1897 – Erste Berichte über Schmerzbeseitigung bei Rheuma und Nervenleiden „1898 – Marie und Pierre Curie entdecken die Elemente Polonium und Radium und prägen den Begriff «Radioaktivität» „1904 – Erstes Buch über Strahlenfolgen und Idee zu Kreuzfeuerbestrahlung mit schwenkbarer Röntgenröhre „1905 – Erste Strahlenbehandlung wegen eines Magenkarzinoms während der Operation „1907 – Bericht über die Radiotherapie des Gebärmutterkrebses „1910 – Erste Anwendung von Radiumstrahler als Brachytherapie „1915 – Erste lokale Therapie beim Prostata- und Muttermundkrebs „1920 – Mehrfeldertechnik, Vorläufer der heutigen Bestrahlungstechniken mit Linearbeschleunigern, etabliert sich „1930 – Bau des ersten Hochfrequenz-Linearbeschleunigers „1941 – Bau des ersten Betatrons „1950 – Entwicklung eines Pendelgeräts zur Bewegungs-, Kreuzfeuer- und Stehfeldbestrahlung, Einführung der stereotaktischen Strahlenbehandlung „1954 – In Berkeley in Kalifornien werden erstmals Patienten mit Protonen bestrahlt „1960 – Röntgenröhren werden durch Strahlenkanonen mit Quellen aus radioaktivem Cobalt-60 oder Cäsium-137 ersetzt „1968 – Entwicklung und erste radiochirurgische Behandlung mit dem «Gamma-Knife» in Schweden „1991 – Einführung des Facharztes für Radioonkologie in der Schweiz Quelle: Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid

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PERSPEKTIVE LEBEN · SEXUALITÄT

Ein lange ignoriertes Problem

Sexuelle Probleme bei Patien Obwohl vielen Patienten mit Lungenkrebs unter Schwierigkeiten in ihrem Sexualleben leiden, wurde dieses Problem von den Ärzten und Forschern während langer Zeit ignoriert. Im Rahmen der 4. Europäischen Konferenz für Lungentumore (European Lung Cancer Conference), die vor Kurzem in Genf stattgefunden hat, wurde dieses Thema nun endlich auf den Tisch gebracht. – von Therese Schwender PROBLEMBEWUSSTSEIN SCHAFFEN. Forscher schätzen,

dass zwischen 40 und 100 % der behandelten Lungenkrebspatienten unter Störungen in ihrem Sexualleben leiden. Studien haben zudem gezeigt, dass diese Probleme im Laufe der Zeit nicht etwa besser werden, sondern weiterhin bestehen bleiben.

Kaum Informationen bei Lungenkrebs Ein Grossteil an Wissen, das bisher zu diesem Thema vorliegt, basiert auf Erfahrungen mit Brustkrebspatientinnen und Patientinnen mit anderen gynäkologischen Tumoren sowie auf Patienten mit Prostatakrebs. «Es wird Zeit, dass Ärzte und Wissenschaftler diesem wichtigen Bereich auch bei Lungenkrebspatienten mehr Aufmerksamkeit schenken», sagte Professor Dr. Stéphane Droupy vom Universitätsspital in Nimes (Frankreich) im Rahmen der Veranstaltung. Grundlage dafür ist natürlich, über sexuelle Probleme zu sprechen und Möglichkeiten zu haben, diese zu erfassen. Die Ursachen können neben den Nebenwirkungen der Lungentumortherapie, die einen negativen Probleme mit Einfluss auf die Sexualität haben, der Sexualität auch in anderen körperlichen und ansprechen seelischen Belastungen durch die Krebserkrankung liegen. «Es muss noch viel getan werden, um das Bewusstsein gegenüber sexuellen Problemen bei Tumorerkrankungen – und im Besonderen bei Lungenkrebs – zu verbessern. Ich hoffe, die Veranstaltung, die wir im Rahmen der Lungenkrebs-Konferenz speziell diesem Thema gewidmet haben, hat dazu beigetragen, die Diskussion endlich ins Rollen zu bringen», sagte Prof. Droupy.

Sexualität im Abseits Sowohl emotionale und körperliche Folgen von Lungentumoren als auch die Behandlung selbst können die Sexualität der Betroffenen beeinflussen. So geht häufig die sexuelle Lust verloren, wenn jemand mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird. Gefühle wie Trauer und Nieder28 ·

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geschlagenheit können das Mit dem Krebs Verlangen nach Zweisamkeit verschwindet reduzieren. «Aber auch die die Lust körperlichen Veränderungen, die durch den Tumor oder durch Behandlungen wie Chirurgie, Chemo- oder Strahlentherapie ausgelöst werden, können die Sexualität negativ beeinflussen», erklärte Prof. Droupy. Im Falle einer Lungenkrebserkrankung können einige dieser Probleme eine besondere Herausforderung darstellen. «Im Gegensatz zu anderen Tumorarten, bei denen die Überlebenszeit zunimmt, konzentriert sich das Management bei Lungentumoren oft auf die kurzfristige Verbesserung der Lebensqualität und die palliative Pflege. In Situationen, in denen sich alle Anstrengungen auf das Überleben konzentrieren, ist es noch schwieriger, die Sexualität zu schützen oder kurzfristig wieder herzustellen.»

Offen miteinander sprechen Unter diesen Voraussetzungen ist es umso wichtiger, dass Patienten und Tumorspezialisten offen und ehrlich darüber sprechen, was der Betroffene gerade durchmacht oder womit ein Tumorpatient als Folge der Behandlung zu rechnen hat. Hier sind gerade auch die Ärzte gefordert, schon zu Beginn einer Tumorbehandlung dieses Thema anzusprechen, die Patienten dazu zu motivieren, ihre Sexualität weiterhin aktiv zu leben und ihnen bei Problemen entsprechende Hilfe, auch durch spezifische Therapien, anzubieten. Es sei wichtig, so betonte Prof. Droupy, dass auch die Partner in den gesamten Prozess miteinbezogen würden, da sich so die Chancen auf eine Verbesserung oder Wiederherstellung optimieren lassen. «Wie auch immer die klinische Situation aussieht, die Wiederherstellung eines gesunden Sexuallebens kann den emotionalen Zustand eines Tumorpatienten entscheidend verbessern und stellt oft einen entscheidenden Schritt dazu dar, die persönliche Identität als Frau oder Mann zu erneuern.»

SEXUALITÄT · PERSPEKTIVE LEBEN

nten mit Lungenkrebs

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Foto: thinkstock

«Bei Problemen mit der Sexualität sollte der Partner mit einbezogen werden»

PERSPEKTIVE LEBEN · FORSCHUNG

Suche nach einem unbekanntem Ersttumor

Woher kann dieser Krebs stammen? Der Beginn einer Krebserkrankung ist besonders dramatisch, wenn ohne Vorgeschichte eine Absiedelung in Leber, Lunge oder Gehirn gefunden wird und sich die Frage stellt, wo der ursprüngliche Tumor sitzt. Bleibt eine erste Suche erfolglos, liegt ein Krebs unbekannten Ursprungs (CUP, Cancer of unknown origin) vor. Diese Erkrankung ist eine besondere Herausforderung.

SYSTEMATISCH SUCHEN. Ein sehr kleiner Teil Krebser-

Krebserkrankungen entstehen meist an einer Stelle in krankungen macht sich als erstes mit einer oder mehreeinem Organ. Nachdem ein Ersttumor dort gewachsen ren Metastasen bemerkbar. Solch eine Ausgangssituatiist, kann er nach einer gewissen Zeit in das Blut- oder on ist zwar selten, aber umso dramatischer, weil Lymphsystem einbrechen und Absiedelunman weniger gezielt behandeln kann, wenn gen (Metastasen) bilden. Bei über der Hälfte der Ersttumor nicht bekannt ist. der Krebspatienten lassen sich bei der DiaWelcher Weg

Fotos: thinkstock (2)

führt zur Diagnose?

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FORSCHUNG · PERSPEKTIVE LEBEN

gnose Metastasen in mehr als einem Organ nachweisen. Betroffen sind in absteigender Reihenfolge Lymphknoten, Leber, Knochen, Lunge, Brustfell, Bauchfell, Gehirn sowie weitere Regionen. Metastasen bei einem unbekannten Ersttumor werden oft zufällig gefunden oder fallen auf, weil sie Symptome verursachen. Liegt ein ausgedehnter Befall vor, kann es zu Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Antriebsarmut, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme kommen. Sind nur einzelne Metastasen vorhanden, können Beschwerden im befallenen Organ auftreten. Das kann z. B. ein epileptischer Anfall bei einer Metastase im Gehirn sein, Schmerzen bei Knochenbefall oder eine Gelbsucht bei Befall der Leber.

chungen. Bei Männern und Frauen ist eine Computertomografie von Brust- und Bauchraum und Beckenorganen angezeigt. Abhängig von der vermuteten Tumorlokalisation werden weitere bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Magnetresonanztomografie durchgeführt. Direkte Hinweise auf den Ersttumor können auch die sogenannten Tumormarker geben wie beispielsweise das prostataspezifische Antigen (PSA) auf einen Prostatakrebs oder Alpha-1-Fetoprotein (AFP) auf ein Leberzellkarzinom. Auch wird eine Gewebeprobe aus der Metastase (Biopsie) entnommen und untersucht. Genetische Untersuchungen dieses Materials («molekulares Tumorprofil») können Hinweise auf die Herkunft geben und wegweisend für die Oft bleibt Weshalb findet man aber den ursprünglispätere Behandlung sein. Meist sind mehdie Suche chen Tumor nicht? Dafür gibt es mehrere rere Gene verändert, wie Forschungsergebohne Erfolg Gründe: Zum einen kann er so klein sein, nisse gezeigt haben. Je mehr Gewebe unterdass er mit den normalerweise eingesetzten sucht wird, umso erfolgreicher kann dieses Diagnoseverfahren nicht erkannt wird. Zum «Tumor-Profiling» sein. Ein Primärtumor mag anderen ist es möglich, dass der Tumor zum Zeitpunkt sich noch so gut verstecken, anhand seiner Absiedelungen der Metastasediagnose gar nicht mehr vorhanden ist, und der Eigenschaften der Krebszellen ist auch er charakweil er spontan durch den Organismus abgebaut wurterisierbar und wird damit angreifbar. de – vorher aber bereits in andere Organe Metastasen Behandlung geht vor Suche gestreut hat. Häufig bleibt die Suche nach dem Primärherd trotz alOft steckt ein Lungenkrebs dahinter ler Anstrengung erfolglos. Die Ärzte gehen in solchen Wo soll man suchen? Bei rund einem Drittel der unverzwickten Fällen ab einem bestimmten Zeitpunkt von bekannten Tumoren handelt es sich um Lungenkrebs, der wahrscheinlichsten Diagnose aus. Es ist wichtiger, vergleichsweise häufig steckt auch ein Krebs der Baucheine Behandlung zu beginnen, als den Primärtumor mit speicheldrüse dahinter. Aber die Ersttumoren können in grossem Aufwand und langwierig weiter zu suchen. Auch nahezu allen Organen vorkommen: Bei Frauen sind in ohne den Ersttumor zu kennen, kann mit einer Chemoerster Linie die Brust, Gebärmutter und Eierstöcke und therapie, die gegen die häufigsten Tumoren gerichtet ist, bei Männern Vorsteherdrüse und Hoden verdächtig. begonnen werden. Der Ort der Metastase kann bereits einen Hinweis auf den wahrscheinlichen Sitz des Primärtumors liefern: Bei Die Lebenserwartung ist wegen der vielen verschiedenen Lymphknotenmetastasen am Hals stecken beispielsweise Möglichkeiten individuell sehr unterschiedlich. Einige am ehesten Kopf-Hals-Tumoren dahinter, bei LebermetaPatienten mit unbekanntem Ersttumor können gezielt stasen Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, Brustbehandelt, manche sogar geheilt werden. Ob ein unoder Lungenkrebs. günstiger Verlauf droht, hängt neben den Eigenschaften des Tumors auch vom Allgemeinzustand und dem Ein Krebs unbekannten Ursprungs erfordert eine sysAlter ab. tematische Suche und den Einsatz modernster DiagnoQuellen und weitere Informationen: setechniken. Dazu gehören eine gründliche körperliche www.carislifesciences.com www.krebsgesellschaft.de/cup_syndrom,25088.html Untersuchung, Blut, Speichel-, Urin- und StuhluntersuAUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · DARMKREBS

Dickdarm- und Enddarmkrebs

Die Darmspiegelung ist der beste Schutz Patienten mit Darmkrebs haben heute gute Überlebenschancen, vor allem wenn der Krebs in einem frühen Stadium entdeckt wird. Mit regelmässig durchgeführten Darmspiegelungen können Krebsvorstufen frühzeitig erkannt werden und so eine Erkrankung wirksam verhindert werden.

fikation gibt an, wie weit sich ein Tumor Kolonoskopie kranken pro Jahr rund 4100 Menschen neu entwickelt hat. Dabei steht der Buchstabe bewahrt vor an einem Dickdarmkrebs. Mehr als 1600 T für die Ausdehnung und das Verhalten Darmkrebs. Menschen fallen jährlich dem Krebs zum des Tumors, N (nodes) dafür, ob und wie Opfer. Mit dem Alter steigt das Risiko zu erviele Lymphknoten befallen sind, und M für kranken stark an: 37 % der Patienten sind zum Metastasen. Der Darmkrebs ist fortgeschritten, Zeitpunkt der Diagnose 50–69 Jahre alt, 57 % sind 70 wenn Metastasen gefunden wurden. Aber auch in dieJahre oder älter. Aber es trifft – zwar sehr viel seltener – sem Stadium kann der Darmkrebs heute noch heilbar auch immer wieder Jüngere, darum ist Aufmerksamkeit sein. Bei 25 % der Fälle liegen bei der Diagnose schon für den Darm ein Thema für alle. Metastasen vor. Die französische Stiftung «Aide et Recherche en CancéKolonoskopie rologie Digestive» (ARCAD) verfügt über eine der weltdauert 30 Minuten weit grössten Datenbanken über klinische Studien zur Der Zeitbedarf für eine Darmspiegelung liegt bei ca. zwei Behandlung des fortgeschrittenen Darmkrebs mit über Stunden, die Untersuchung selbst dauert nur 30 Minuten, 20 000 Fällen. Dort zeigt sich, dass 3 % der Patienten unin der Regel kann der Patient dabei schlafen und spürt ter 40 Jahre alt waren. Die Behandlungsergebnisse bei nichts von der Untersuchung. Angst vor dem Eingriff Darmkrebs in jüngerem Alter sind häufig ungünstiger oder Schmerzen sind unbegründet. Bei der Kolonoskopie als bei älteren Patienten. kann der Gastroenterologe von auffälligen SchleimhautPersonalisierte stellen Gewebeproben entnehmen. Polypen kann er meist Medizin sofort entfernen. Polypen sind noch gutartige Wucherungen, die aber zum Krebs entarten können. Werden Bei der Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs bei einer Darmspiegelung gutartige Polypen gefunden sind in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt worund entfernt, finden Diagnostik und Therapie praktisch den. Bei den Operationsmethoden und in der Strahlengleichzeitig statt. therapie sind Verbesserungen erreicht worden und durch die Kombination mit Chemotherapie und modernen, Welches Stadium sogenannten zielgerichteten Medikamenten sind die hat der Krebs? Überlebenszeiten deutlich günstiger als früher. Ziel der Das Biopsie-Material wird feingeweblich von den HistoOnkologen ist es, die Lebenszeit zu verlängern, bei guter logen auf das Zellverteilungs- und Wachstumsmuster hin Lebensqualität. untersucht. Falls die Diagnose Krebs gestellt wird, folgen Heute gibt es Krebsmedikamente, die sich ganz gezielt weitere diagnostische Abklärungen, um das Stadium der an einer bestimmten Stelle auf der Krebszelle festsetzen Erkrankung genau bestimmen zu können; die Ärzte spreund damit beispielsweise das Weiterwachsen verhindern. chen von Tumorstaging. Der Onkologe kann sogar feststellen, ob der Patient von Um zu wissen, ob und welche Operation und weitere seiner genetischen Veranlagung für diese Therapie infrage Behandlung erfolgen kann, wird die Ausbreitung z. B. kommt oder nicht. Dadurch werden unnötige Behandmit Computertomografie festgestellt. Die TNM-Klassilungen erspart. FOKUS AUF DEN DARM. In der Schweiz er-

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DARMKREBS · PERSPEKTIVE LEBEN

Warnzeichen für Darmkrebs „Blut auf/im Stuhl „ungewohnte Ermüdbar-

„ungewollter Gewichts-

keit, Leistungseinbusse „Änderung der Stuhlgewohnheiten, Durchfall, Verstopfung, Blähungen

„Gefühl der unvollstän-

verlust, Appetitlosigkeit digen Stuhl-Entleerung, Bleistiftstuhl „Bauchschmerzen

Familiäres Risiko, ein Kolonkarzinom zu entwickeln

„Zwei zweitgradig

Verwandte mit einem Kolonkarzinom Dreifaches Risiko „Ein erstgradig Verwandter mit einem Kolonkarzinom unter 50 Jahren

„Zwei erstgradig

Verwandte mit einem Kolonkarzinom „Ein Kind mit einem

Kolonkarzinom „Ein erstgradig Ver-

wandter, ein zweitgradig Verwandter und ein drittgradig Verwandter mit einem Kolonkarzinom

Fotos: thinkstock (3)

Doppeltes Risiko „Ein erstgradig Verwandter mit einem Kolonkarzinom im Alter über 50 Jahre

Adaptiert nach: Taylor DP. Gastroenterology 2010; 138: 877–878.

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PERSPEKTIVE LEBEN · DARMKREBS

„Patienten mit chronisch-entzünd-

licher Darmerkrankung wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn „familiäre Darmkrebssyndrome.

Darmschleimhaut: von normal bis zum Krebs Dickdarmkrebs kann sich in allen Abschnitten des Dickdarms entwickeln. Häufiger als in den anderen Abschnitten entsteht er in den letzten 40 cm.

POLYPENKNOSPE

POLYP MIT ZELLVERÄNDERUNG

KREBS (KARZINOM)

Die Krebsliga Schweiz empfiehlt, dass heute mit jeder Person ab dem 50. Lebensjahr Sinn und Nutzen des Darmkrebs-Screenings besprochen werden sollte. Mit dem HaemoccultTest wird nach nicht sichtbarem Blut im Stuhl gesucht. Dieser Test ist einfach, kann aber falsche Ergebnisse anzeigen. Die Darmspiegelung ist sicherer.

Abb.: Rebacz (4)

NORMALE SCHLEIMAUT

Darmkrebs-Screening ab 50

Diese Risikofaktoren können Sie beeinflussen Was kann Mann und Frau als Vorbeugung tun? Vorbeugen heisst, Risikofaktoren meiden und Warnzeichen beachten in der Hoffnung, dass der Krebs früh entdeckt wird.

ren, Übergewicht und Bewegungsmangel. Diese Risiken sollten Sie meiden. FÜR WEN IST DIE VORSORGE BESONDERS WICHTIG? „Patienten mit Dickdarmpolypen

Seit 1. Juli 2013 übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Schweiz bei Frauen und Männern zwischen 50 und 69 Jahren die Kosten der zwei anerkannt wirksamen Arten der Vorsorgeuntersuchungen – auch dann, wenn im engen familiären Umfeld der zu untersuchenden Person keine entsprechende Erkrankung bekannt ist. Dies gilt für eine Darmspiegelung alle zehn Jahre oder für einen Test auf okkultes Blut im Stuhl alle zwei Jahre.

in der Vorgeschichte

«Je früher Darmkrebs entdeckt wird, umso besser sind die Heilungschancen» 34 ·

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„Darmkrebs oder Darmpolypen

bei Eltern oder Geschwistern, vor allem wenn diese vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten sind „über 50-Jährige

>> Quellen und hilfreiche Informationen unter: www.krebsliga.ch www.krebsgesellschaft.de

Foto: fotolia/Mike Uhlemann

Nachgewiesene Risikofaktoren für Darmkrebs sind das Rauchen, der Alkohol, eine ballaststoffarme Ernährung mit einem hohen Anteil an rotem Fleisch, verarbeitete Wurstwa-

Engagement für medizinische Innovationen Unsere Motivation in der Forschung, Entwicklung und Herstellung bei Merck Serono ist es, richtungsweisende Therapien zur Verfügung zu stellen. Wir investieren jedes Jahr mehr als 1 Mrd. EUR in die Erforschung vielversprechender neuer Moleküle und ihrer Weiterentwicklung zu Arzneimitteln. Im Fokus dieses Einsatzes stehen immer die Patienten und die Chance, einen Beitrag zu deren Gesundheit und Lebensqualität zu leisten.

Merck (Schweiz) AG Merck Serono Chamerstrasse 174 CH - 6300 Zug www.merckserono.com

Merck Serono is a division of Merck

PERSPEKTIVE LEBEN · WISSEN

Krebsinformationsdienst DKFZ Heidelberg

Häufig gestellte Fragen und die Antworten Trotz Brustimplantaten zum Mammografie-Screening, geht das? Hilft Ginseng bei Tumorerschöpfung? Was kann das Diabetes-Medikament Metformin beim Prostatakrebs? Lesen Sie hier einige der häufigen Fragen und Antworten der letzten Zeit an den Krebsinformationsdienst in Heidelberg. Was die Krebsliga in der Schweiz (www.krebsliga.ch), ist im Nachbarland der Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Dort wird täglich in Fachpublikationen, Presse- und Informationsdiensten nach Berichten zu Ergebnissen und Entwicklungen in onkologischer Forschung, Klinik und Versorgung gesucht. Die aktuellen Themen werden auf ihren wissenschaftlichen Hintergrund geprüft und ihr Stellenwert beleuchtet. Dabei tauchen immer wieder ähnliche Fragen auf. Die häufigsten, auf die der KID geantwortet hat, betrafen Brustkrebs, Prostatakrebs und tumorbedingte Fatigue.

Mammografie trotz Implantat? In Deutschland werden bis zu 20 000 kosmetische Brustvergrösserungen pro Jahr ausgeführt. Implantat-Trägerinnen sind oft unsicher, ob für sie die Brustkrebsfrüherkennung mit einer Mammografie möglich ist. Antwort: Generell sind Brutimplantate kein Hinderungsgrund für eine entsprechende Untersuchung. Wichtig ist, dass vor der Untersuchung über die Implantate und ob sie vor oder hinter dem Brustmuskel liegen, informiert wird. Stellt sich bei der Beurteilung der Aufnahmen heraus, dass das Brustgewebe nicht gut genug abgebildet wurde, kommen

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Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) in Betracht.

Fatigue und Ginseng Sowohl Asiatischer als auch Amerikanischer Ginseng werden heute vielfach meist zur Stärkung und Konzentrationssteigerung als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Es gibt zwar Untersuchungen dazu, dass Ginseng die Fatigue bei Krebspatienten (Tumorerschöpfung, Müdigkeit und Leistungseinbusse) bessern kann. In Leitlinien und Behandlungsempfehlungen wird aber bislang keine Empfehlung ausgesprochen. Besonders Patienten unter aktiver Krebstherapie berichten von einer Besserung. Weniger ausgeprägt waren die Effekte dagegen bei Patienten nach abgeschlossener Tumorbehandlung. Nebenwirkungen wurden nicht bemerkt. Allerdings können die Inhaltsstoffe den Abbau anderer Medikamente in der Leber beeinflussen. Ohne Rücksprache mit dem Arzt sollte Ginseng daher bei Krebserkrankungen nicht eingenommen werden.

Diabetes-Medikament Metformin und Prostatakrebs Männer, die an Diabetes (Zuckerkrankheit) leiden und das Diabetes-Medikament Metformin einnehmen, haben dadurch bei einer Erkrankung an einem lokal begrenzten Prostatakrebs eine ge-

ringere Sterblichkeit. Wurde der Diabetes bei Männern mit anderen Diabetes-Medikamenten behandelt, war dies nicht der Fall. Nachdem das aufmerksamen Ärzten aufgefallen war, gingen Forscher der Sache nach und sahen sich die Daten von über 3800 über 66-jährigen Patienten genauer an. Tatsächlich war in der Gruppe mit Metformin-Behandelten die krebsspezifische Sterblichkeit niedriger (24 % je sechs Monate Behandlungszeit). Der Effekt schwächte sich allerdings mit der Zeit ab. Die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie erlauben es allerdings nicht, daraus bereits Empfehlungen für eine Metforminbehandlung bei Prostatakrebs abzuleiten. Ob Männer ohne Diabetes das Medikament einnehmen sollten, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen, ist bislang nicht untersucht.

Immuntherapie bei Prostatakrebs Das Ziel einer Immuntherapie bei Krebserkrankungen ist es, die körpereigene Abwehr anzukurbeln. Immunzellen (T-Zellen) wird beigebracht, auf bestimmte Eigenschaften, die nur Tumorzellen besitzen, zu reagieren und die Tumorzellen zu zerstören. Beim Prostatakrebs sind dies z. B. die prostataspezifische saure Phosphatase (PAP) und das prostataspezifische Antigen (PSA). Sipuleucel-T ist ein Impf-

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stoff, der für jeden Patienten einzeln hergestellt wird und der gegen die prostataspezifische saure Phosphatase gerichtet ist. In den USA und Europa ist Sipuleucel-T für die Behandlung des Prostatakrebs mit Absiedelungen zugelassen, wenn dieser nicht auf eine Hormontherapie anspricht und eine Chemotherapie noch nicht indiziert ist. Bei diesen Patienten konnte in Studien eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden. Besonders Patienten mit wenig Metastasen und günstigen Prognosefaktoren scheinen von der Behandlung zu profitieren. Diese zeigen aber so-

wieso häufig einen milden Verlauf, sodass eine weitere Verbesserung durch eine Immuntherapie fraglich erscheint.

Kapselendoskopie zur Darmkrebsvorsorge Ab dem 50. Lebensjahr wird eine regelmässige Darmkrebsvorsorgeuntersuchung empfohlen. Die Darmspiegelung (Koloskopie) ist aber nicht gerade beliebt. Ob eine Untersuchung mit der Kapselendoskopie ebenfalls infrage komme und gleich gute Ergebnisse liefert, wird der KID auch immer wieder gefragt. Bei dieser Untersuchung

wird eine Minikamera in einer Kapsel geschluckt und es werden die Bilder ausgewertet. Die Empfindlichkeit ist nicht mit der einer Darmspiegelung vergleichbar. Laut einer im Juni 2013 veröffentlichten aktualisierten deutschen Leitlinie zum Dickdarmkrebs liegen für die Kapselendoskopie des Dickdarms keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten vor, um sie zur Darmkrebsfrüherkennung zu empfehlen. Ähnlich urteilt auch die Leitlinie der European Society of Gastroentestinal Endoscopy (ESGE). Quelle: Onkologe 2013, 19: 1080–1082.

Der Krebsinformationsdienst bietet Informationen zu allen krebsbezogenen Fragestellungen – aktuell, individuell, evidenzbasiert und unabhängig, für die allgemeine Öffentlichkeit und für Fachkreise.

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Telefondienst: +49 (0) 6221 999 8000, täglich 8–20 Uhr s E-Mail-Service: [email protected] Internet: www.krebsinformationsdienst.de s Facebook: www.facebook.de/krebsinformationsdienst

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Wenn aus Schutz Prävention wird.

Quellenangabe: Ulrich C et al. Br J Dermatol 2009;161:78-84.

PERSPEKTIVE LEBEN · VORSORGE

Vorsorgen ist besser als heilen

Sonnenschutz am besten schon zum Zmorge Zahlreiche Hautkrebserkrankungen könnten durch einen guten Sonnenschutz vermieden werden. Diese Botschaft kann nicht oft genug wiederholt werden. Aktuell erkranken in der Schweiz etwa 2000 Personen am schwarzen und 13 000 am weissen Hautkrebs – Tendenz steigend. Nicht nur für diese Patienten ist es wichtig, ihre Haut vor weiterem Schaden zu bewahren. Ein «offenes Geheimnis» des Erfolgs beim Sonnenschutz ist die tägliche Anwendung von guten Sonnenschutzmitteln, am besten schon als «Zmorge».

IMMER MEHR HAUTKREBS. Die Zahl der jährlichen

Neuerkrankungen an Hautkrebs (schwarzer und weisser) steigt laut Bundesamt für Statistik bei den Männern um 80 %, bei den Frauen um 50 %. Wird ein Hautkrebs in einem frühen Stadium erkannt, können die meisten Patienten erfolgreich behandelt werden. Mit 2000 Neuerkrankungen und 300 Todesfällen pro Jahr ist der schwarze Hautkrebs (Melanom) besonders gefürchtet. Um die Vorsorge, die im Wesentlichen im Schutz vor ultravioletten Strahlen besteht, verständlicher und eindringlicher darzustellen, hat die Krebsliga Schweiz das Thema Hautkrebs und Sonnenschutz und die Broschüre zu dem Thema überarbeitet (www.krebsliga.ch).

Sonnenschutz zu jeder Jahreszeit Was ist anders? Für den individuellen Sonnenschutz ist nicht mehr der Hauttyp (I–IV) massgebend, denn einer Untersuchung zufolge wird dieser Hauttyp meist falsch eingeschätzt. Stattdessen sollte sich der Sonnenschutz an

Erhöhtes Risiko für weissen Hautkrebs „heller Hauttyp und keine oder nur langsame Bräunung „häufige, langjährige Sonnenbestrahlung

der Haut in Beruf oder Freizeit

Im Sommer sollten Sie die Sonne nur mit einem guten Sonnenschutz geniessen.

„Abwehrschwäche/Immunsuppression durch Krankheit

(Krebs, Leukämie, Organtransplantation) oder Medikamente

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Foto: thinkstock

„höheres Lebensalter

VORSORGE · PERSPEKTIVE LEBEN

der Intensität der UV-Stahlen (UV-Index), der Art der Aktivität im Freien, der Dauer des Aufenthalts an der Sonne und der Sonnenempfindlichkeit der Haut orientieren. Im Winter braucht es im Mittelland kaum Sonnenschutz, in den Bergen aber zu jeder Jahreszeit. Nahezu das ganze Jahr ist die Sonne in der Mittagszeit stark genug, bei zu langem ungeschütztem Aufenthalt einen Sonnenbrand zu verursachen.

Erhöhtes Risiko für schwarzen Hautkrebs (Melanome) „mehr als 100 Pigmentmale am Körper „in Form und Farbe unregelmässige Pigmentmale „Hautkrebserkrankung in der Vergangenheit „Menschen mit einem geschwächten Immunsystem

Die wichtigsten Tipps: „zwischen 11 und 15 Uhr im Schatten bleiben „Hut, Sonnenbrille und Kleidung tragen „Sonnenschutzmittel auftragen „ nicht ins Solarium gehen.

Eltern sollten gerade hier ein Vorbild sein! Personen mit erhöhtem Risiko (s. Tabellen) sollten sich besonders gut vor der Sonne schützen und sich regelmässig selbst auf Hautveränderungen untersuchen. Zudem sollten sie mit einem Arzt besprechen, ob eine regelmässige Hautkontrolle nötig ist, und sich geeignete, eventuell medizinische Sonnenschutzmittel empfehlen lassen. Ein Tipp, damit man sich daran gewöhnt, Sonnenschutzmassnahmen dauerhaft und täglich anzuwenden: Am besten schon bei der Morgentoilette das Sonnenschutz-

mittel auf der Licht ausgesetzten Haut, also auf Gesicht, Ohren, Hals, Dekolleté und Handrücken aufzutragen. Quasi als Zmorge für die Haut. So, wie viele Frauen nie ungeschminkt aus dem Haus gehen, sollten Risikoträger nie ohne Sonnenschutz unterwegs sein. Quellen: Schweizerische Ärztezeitung 2014; 95: 16/17. Schweiz Med Forum 2013; 13 (41): 814–817.

>> Hilfreiche Informationen unter: www.meteoschweiz.ch: MeteoSchweiz erstellt täglich eine Prognose für den UV-Index für verschiedene Regionen und Höhenlagen: www.uv-index.ch www.krebsliga.ch: Broschüre Sonnenschutz der Krebsliga

1 von 3 erkrankt im Laufe des Lebens an Krebs. Darum braucht es die Krebsliga. Mehr denn je. www.krebsliga.ch Spenden PK 30-4843-9

PERSPEKTIVE LEBEN · RAT UND HILFE

Selbsthilfegruppen

Anleitung zum Selber-Finden Unsere Autorin Ingrid Meyer fragte sich nach ihrer Krebsbehandlung: Wie kann ich mir selbst noch weiter helfen? Lesen Sie ihren gelungenen Fahrplan zur Suche nach einer Selbsthilfegruppe, der Mut macht.

S

eit einigen Tagen plagt es mich schon: das schlechte Gewissen. Eher beiläufig, aber mit entsprechend mitfühlendem Blick, legt mir Schwester Simone den Flyer des psychoonkologischen Dienstes des Klinikums auf die Bettdecke. «Nur für den Fall, dass Sie es brauchen.» Ich? Etwas brauchen? Was soll ich bei einem Psychologen? Mir fehlt doch nichts im Kopf? Ja, ich habe gerade eine Krebsoperation überstanden, bin noch in der Nachsorge. Alles, was ich will, ist: möglichst schnell wieder zurück zur Normalität zu kommen. Das ist jetzt mein Ziel. Aber der kleine Nager sitzt im Hinterkopf: «Selbsthilfegruppen können vielen Patientinnen helfen», sagt

Schwester Simone, und: «Die Selbsthilfegruppe muss zum Patienten passen.» Ich schenke mir eine Tasse Tee ein und starte schliesslich meinen Selbstversuch.

Der Patient muss bereit sein für eine solche Gruppe Aller Anfang ist schwer: Meinen Wissensstand über Selbsthilfegruppen lückenhaft zu nennen, wäre noch übertrieben. Sagen wir so, ich weiss, dass es so etwas gibt. Alles andere muss ich herausfinden. Erste Auflaufstelle im digitalen Zeitalter: Google. Ich gebe «Brustkrebs Selbsthilfegruppe München» ein und die Suchmaschine meldet rund 252 000 Treffer. Toll – das hilft mir jetzt nicht direkt weiter. Wikipedia, der «Brockhaus im Netz» und Anlaufstelle Nummer zwei, sagt: «Selbsthilfegruppen sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen haben und gemeinsam etwas dagegen bzw. dafür unternehmen möchten.» Aha. Bringt mich konkret aber auch nicht weiter. Und nun? Für einen Moment überlege ich, die Suche einfach aufzugeben. Aber irgendetwas muss an der Sache ja dran sein, sonst gäbe es nicht so viele Selbsthilfe-Initiativen. Ich schenke mir eine weitere Tasse Tee ein: Mein Ehrgeiz ist geweckt.

Der Lebensmut wächst im Gespräch mit Betroffenen Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott:

Der Lieblingsspruch meiner patenten Oma, passend für alle Lebenslagen. Sie selbst hätte den Gedanken an Selbsthilfegruppen damit vermutlich beiseitegeschoben. Aber mir kommen Zweifel an dieser allzu resoluten Sicht: Warum sollte ich Hilfe ablehnen, die ich noch nicht einmal kenne? Warum nicht einander unterstützen und informieren, in einem Umfeld, das Vertrauen bildet und auch «dumme» Nachfragen zulässt? Die Erfahrungen anderer Menschen nutzen und dankbar dafür sein? Netzwerken nennt man das heute, ist modern und schick. Ich trinke die nächste Tasse Tee und mache mich gespannt auf die Suche nach einem Netzwerk, das zu mir passen könnte. Ich gebe, damit du gibst: Ich stelle fest, die Suche nach dem richtigen Netzwerk ist spannend. Über 100 000 40 ·

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RAT UND HILFE · PERSPEKTIVE LEBEN

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Selbsthilfegruppen gibt es geschätzt in Deutschland. Da wird sich sicher auch das Richtige für mich finden lassen. Aber was suche ich? Ich lerne mich ein Stück weit besser kennen, frage mich: „Wie soll meine Gruppe aussehen? Mit welchen Menschen möchte ich mich austauschen, zu wem kann ich Vertrauen aufbauen und bei wem fühle ich mich gehemmt? Männer und Frauen? In meinem Alter? Aber ich frage mich auch: „Was kann ich geben, was bringe ich ein? Wie weit will ich mich öffnen, über meine Probleme sprechen und meine Erfahrungen weitergeben? „Und ich frage mich, wie die Gruppe für mich funktionieren soll: Wie wichtig ist eine regelmässige Teilnahme? Macht es mir was aus, beim Besuch der Gruppe gesehen zu werden? Herrscht Optimismus vor oder gegenseitiges Bedauern? Gibt es auch ergänzende Angebote wie Vorträge und habe ich überhaupt die Zeit, daran teilzunehmen? Mit meiner Checkliste in der Hand fühle ich mich schon ein Stück weit sicherer. Ich schenke mir die nächste Tasse Tee ein und starte die grosse Suche von Neuem.

Im Wust der Angebote muss man das richtige herausfinden Ein guter Anfang ist die halbe Arbeit:

Auf meinem Schreibtisch stapeln sich mittlerweile Flyer, Notizen und Ausdrucke. In den letzten Tagen habe ich alles an Informationen mitgenommen und jeden gefragt, der mir über den Weg gelaufen ist. In der Klinik, bei Ärzten, bei Mitpatienten und Krankenschwestern, in Kirchen und im Netz. Ich nehme meine Wunschliste zur Hand und sortiere schon mal vor. Das bringt Klarheit im Kopf und füllt den Papierkorb. Bleiben immer noch genügend Angebote übrig. Jetzt heisst es, klug zu wählen: „Mein erster Blick gilt der Organisationsform der Gruppe. Ein eingetragener Verein garantiert ein Mindest-

Fotos: thinkstock (2)

«Eine Selbsthilfegruppe kann bei einer Krebserkrankung unterstützen»

mass an Recht und Sicherheit in den Finanzen, was für mich wichtig ist. „Mitgliederlisten nehmen Anonymität und zeigen, dass hier Menschen öffentlich für ihre Anliegen einstehen. „Ein Blick auf die Sponsorenliste gibt mir Aufschluss darüber, ob ein Unternehmen in der SelbsthilEin passendes fegruppe aktiv ist. Per se nichts Netzwerk gibt Schlechtes, aber sollte ein Unes für jeden ternehmen die Selbsthilfegruppe allzu deutlich dominieren, dann lässt das Rückschlüsse auf Ziele und Motive der Gruppe zu. „Mit einem Seitenblick prüfe ich noch, ob staatliche Mittel im Spiel sind. Bevor eine Selbsthilfegruppe eine Förderung vom Bund oder der EU bekommt, wird sie von Behörden geprüft. Besteht sie diese Prüfung, dann ist das ein gutes Zeichen und verdient einen Pluspunkt auf meiner Liste. „Zuletzt prüfe ich noch, ob eine renommierte Einrichtung wie Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen oder meine behandelnde Klinik die Selbsthilfegruppe empfiehlt. Auch das ist der Ausweis einer gewissen Seriosität. Ich koche mir eine neue Kanne Tee, schenke mir eine Tasse ein – lese, prüfe, wäge ab. Jetzt geht´s los:

Ich muss gestehen, ich bin stolz auf mich. Ich habe es tatsächlich geschafft, mich durch den Wust an Informationen durchzuwühlen. Mir wird klar, dass meine anfängliche Skepsis eher aus der Angst vor dem Unbekannten gespeist war. Und Schwester Simone hatte recht: Es gibt für jeden ein passendes Netzwerk – die Kunst ist nur dabei, es auch zu finden. Und nun will ich sehen, wer zu mir passt. Ich schenke mir keinen Tee mehr ein und mache mich auf zum ersten Treffen. AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · KÖRPER UND SEELE

Jetzt braucht die Seele Hilfe:

Plötzlich läuft das Leben wie im Zeitraffer ab ... Die Diagnose Krebs verändert für jeden Menschen das Leben. Nichts scheint mehr, wie es gestern war. Was hilft uns, aus dem einseitigen Gedanken- und Gefühlskarussell auszusteigen? Perspektive LEBEN sprach darüber mit Professor Dr. Stephan Zipfel.

MEIN PERSÖNLICHER RAT Prof. Dr. Stephan Zipfel, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Gesamtleitung der Psychoonkologie am Südwestdeutschen Tumorzentrum – CCC Tübingen

«Sprechen Sie Ihren Hausarzt auf Ihre seelische Belastung an. Er weiss genau, was zu tun ist.»

Warum reagieren Menschen gerade auf eine Krebsdiagnose so stark?

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Zwei Aspekte sind hier wichtig. Erstens: Über lange Zeit war eine Krebsdiagnose für die Betroffenen häufig verbunden mit Unheilbarkeit. Dieses Urteil ist noch heute in den Köpfen vieler Patienten und Angehörigen tief verankert. Zum Zweiten: Wenn wir uns Bilder von Krebspatienten machen, sind diese meist von der Krankheit oder von den Nebenwirkungen der Therapie gezeichnet. Auch diese Bilder sind bei uns tief verwurzelt. Daher reagieren viele so heftig, wenn sie eine Krebsdiagnose erhalten.

therapie deutlich zurückgegangen. Früher wurden z. B. Chemotherapien während mehrwöchiger Spitalaufenthalte verabreicht. Heute können Patienten oft ambulant oder in einer Tagesklinik behandelt werden. Sogar Strahlentherapien werden heute auch ohne Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit durchgeführt.

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Welchen Einfluss hat eine gute seelische Verfassung auf die Therapie?

Ohne Zweifel hat die seelische Stabilität der Patienten und Angehörigen einen sehr positiven Einfluss. Ein stabiler und innerlich gefestigter Patient mit Vertrauen in den Arzt und richtig gewählter Behandlung wird in aller Regel Therapien nicht abbrechen und aktiv dabei mitwirken. Und dies sind die besten Voraussetzungen, die Erfolge auch erleben zu können. Wissenschaftlich ist dieser positive Einfluss der seelischen Stabilität auf den Therapieverlauf längst anerkannt. In allen zertifizierten, also anerkannten, Tumorzentren sind Psychoonkologen feste Mitglieder im Behandlungsteam. Die Psychoonkologie ist Teil der Gesamttherapie.

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Bei welchen Anzeichen sollte der Psychoonkologe auf jeden Fall zurate gezogen werden?

Für den Patienten ist es nicht immer leicht, «Anzeichen» bei sich selbst gleich zu erkennen, die die Betreuung durch einen Psychoonkologen erfordern. Daher sollten Krebs ist und bleibt eine sehr ernste Erkrankung. Aber in den Tumorzentren Patienten mit erstmaliger Krebsdie alten Bilder gelten so nicht mehr. Viele Tumordiagnose einen frühen und dann regelmässigen Kontakt erkrankungen sind heute gut behandelbar. Insbesonmit der Psychoonkologie haben. Wir finden so rasch dere dann, wenn sie früh erkannt werden. Oft könheraus, ob eine seelische Belastung vorliegt oder der Panen die Patienten sogar dauerhaft von ihrem Leiden tient von sich aus eine Beratung wünscht. Darüber hinbefreit werden. Auch langjährige, chronische Verläufe aus kann in einem solchen frühen Erstkontakt geklärt der Krebserkrankungen sind häufig ohne allzu werden, wer zur weiteren Unterstützung grosse Einschränkungen der Lebensqualität gewünscht wird: der Psychoonkologe oder möglich. der Sozialdienst, vielleicht ein Seelsorger. Eine stabile Die Nebenwirkungen und Folgen einer Wenn Diagnosen oder Behandlungen ausSeele stützt Tumorbehandlung sind sowohl in der Chirserhalb von Tumorzentren stattfinden, rate die Therapie urgie als auch in der Strahlen- und Chemoich Patienten und Angehörigen: Sprechen Sind diese Bilder und Vorstellungen heute noch richtig?

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KÖRPER UND SEELE · PERSPEKTIVE LEBEN

Foto: thinkstock

«Die Psychoonkologie ist heute ein wichtiger Teil der gesamten Krebstherapie»

Sie Ihren Hausarzt an. Er ist gut ausgebildet, seelische Belastungen zu erkennen und die entsprechenden Behandlungen einzuleiten. Die Leistungen psychoonkologischer Beratungen sind für die Patienten immer kostenfrei.

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Wie läuft eine Behandlung ab?

Auch in der Psychoonkologie gilt: Keine Behandlung ohne Diagnose. Zuerst muss ermittelt werden, worin die seelische Belastung besteht und wo deren Ursachen liegen. Daraus wird der Therapieplan »

Welchen persönlichen Nutzen kann der Patient von der Psychoonkologie haben? Er gewinnt eine gute Vorbereitung auf die anstehenden Entscheidungen und Therapien. Das heisst: 1. Die Behandlung stärkt das Vertrauen des Patienten in die Therapie – und die Gewissheit, das Richtige zu tun. 2. Er findet Klärung und Hilfe bei Alltagsproblemen. 3. Er bekommt Hilfe dabei, versteckte Belastungen aufzuspüren und auszuräumen.

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PERSPEKTIVE LEBEN · KÖRPER UND SEELE

ermittelt. Das Besondere der Psychoonkologie ist: Wir müssen schnell und effektiv die Belastung in den Griff bekommen, um den Patienten gut auf die weitere Therapie vorzubereiten. Ganz wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist ein gezieltes Therapiegespräch. Hier werden mögliche persönliche Belastungsfaktoren erkannt und durch Information, Beratung und spezielle psychotherapeutische Techniken Ängste abgebaut sowie Stärken des Patienten aktiviert. Ergänzt werden kann dieses Gespräch durch gezielte Entspannungsverfahren. Oft reicht es zur Besserung der Belastungssituation

UND IMMER GILT: Der Patient ist sein bester Experte! Wir müssen dieses Expertenwissen hervorbringen und aktivieren.

schon aus, den Patienten darin zu versichern, dass sein seelisches Befinden auf einer sehr verständlichen Reaktion beruht, die er mit vielen Mitpatienten teilt. Eine kleine Intervention – mit grosser Wirkung.

„Niemals allein!

Gehen Sie nicht allein zu Besprechungen von Untersuchungsergebnissen oder Therapieplanungen. Erstens hören vier Ohren besser als zwei. Und zweitens: Der Partner oder Freund hört anders als Sie. Er ist indirekt betroffen, nicht direkt. Er hört auch die Zwischentöne und Chancen. Ihr Kopf und Ihre Seele sind momentan vielleicht zu sehr auf Risiko und Unglück programmiert. „Die Wiederholung

Das Sprichwort sagt: «Der Blick verengt sich.» Sie können nur einen Teil wahrnehmen. Vereinbaren Sie daher – von vornherein – einen zweiten Termin bei Ihrem Arzt und lassen Sie sich die Diagnose oder Behandlung nochmals erklären. „Hilfe annehmen!

Jedes onkologisch tätige Krankenhaus bietet psychosoziale Unterstützung. Nutzen Sie dieses Angebot. Sie sind nicht der Erste und auch nicht der Letzte, der dieses Angebot nutzt. Sie sind nicht allein mit Ihren Ängsten. Sie schaffen für sich seelische Stabilität und Kraft. Dies ist Teil der Therapie – auch bei Ihnen. „Ruhe bewahren!

In den allermeisten Fällen gilt: Ruhe bewahren. Wenn möglich gönnen Sie sich ein paar freie Tage. Denn es sind nun Entscheidungen zu treffen, die Sie noch nie in Ihrem Leben fällen mussten. Dies will vorbereitet sein!

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stimmte Medikamente helfen, die Ängste zu lindern und eine bessere Nachtruhe zu finden. Dies ist aber unbedingt mit dem Arzt vorher abzusprechen, da mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen Risiken bergen können.

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„Schutzräume aufsuchen!

Gehen Sie in Ihre Schutzräume. Zu dem Partner, zu Kindern, Freunden und Verwandten. Zu denen echtes Vertrauen vorhanden ist. An Orte, an denen Sie sich wohlfühlen. Gut geschützt vor der Hektik des Alltages.

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„Sicherheit schaffen!

Sicherheit, das Richtige zu tun, gibt Kraft und Überzeugung. Gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Treffen Sie Entscheidungen, wenn Sie überzeugt sind. Suchen Sie aktiv Rat bei Ihrem Arzt. Nehmen Sie Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe auf. Am besten eine, die das Zentrum oder das Krankenhaus gut kennt.

„Kraft finden!

Ob Sport oder der Hund. Musik oder Malen. Egal. Suchen Sie sich leicht erreichbare Kraftquellen, die Sie immer aufsuchen können. „Gut informieren!

Informieren Sie sich gut über den Stand der Erkrankung, mögliche Therapien und den Fortgang des Lebens mit der Erkrankung. Unwissenheit und Unsicherheit bieten den Raum für Spekulationen und Angst. Die Folge sind kreisende Gedanken. Informationen und Sicherheit über das, was geschieht, stoppen das Karussell. „Kritisch prüfen!

Wenn Sie sich sehr gestresst und belastet fühlen, können auch be-

„Freiheit nehmen!

Wenn die Nachricht verarbeitet ist, die wichtigen Entscheidungen getroffen sind: Nehmen Sie sich die Freiheit, das zu tun, was Ihnen wichtig ist. Stellen Sie sich in den Mittelpunkt Ihres Handelns im Hier und Jetzt. Sie werden sehen, das geht von mal zu mal besser. Keiner ist Ihnen böse. Und Sie fühlen sich wohler und zufrieden. „Sei wachsam!

Befund und Befinden ist oft nicht dasselbe. Sie fühlen sich gesund und munter, obwohl ein bösartiger Tumor Ihren Körper befallen hat. Das ist erfreulich. Beachten Sie aber immer die Vorsorgetermine! Sie geben Ihnen Sicherheit.

WISSEN · PERSPEKTIVE LEBEN

Inselspital Bern

Krebsbestrahlung mit dem neuesten CyberKnife Seit Mitte Mai behandelt das erfahrene Team der Universitätsklinik für Radio-Onkologie Krebspatienten mit dem neuesten Bestrahlungsgerät «CyberKnife». Der Roboterarm kann auch chirurgisch heikle oder sich bewegende Tumore wie z. B. im Hirn, in der Lunge, der Leber oder der Prostata schonender bestrahlen. Der Patient profitiert von einer verkürzten Behandlung.

Das CyberKnife am Inselspital verbindet die fortschrittlichste Robotertechnologie mit dem neuesten Bestrahlungsgerät. Professor Dr. Daniel Aebersold, Direktor und Chefarzt der Klinik: «Es ist ein Meilenstein in der Krebsbestrahlung, ausschlaggebend ist aber ein erfahrenes und eingespieltes Team, das dem Patienten in kürzester Zeit die beste und schonendste Behandlung bieten kann.»

Der Patient profitiert von einer deutlich kürzeren und schonenderen Behandlung Das CyberKnife kommt als weitere Behandlungsmethode neben einem operativen Eingriff, einer mehrwöchigen Bestrahlung oder einer Chemotherapie zum Einsatz. Jedoch nur, wenn der Tumor die strengen Bedingungen – z. B. in Bezug auf die maximale Grösse – erfüllt. Dieser wird ohne Spitalaufenthalt im Normalfall in ein bis fünf Sitzungen und innerhalb einer Woche bestrahlt. Nach der

Behandlung ist kein Rehabilitationsaufenthalt notwendig. Der Krebspatient wird somit weniger aus seinem Lebensund Arbeitsumfeld gerissen.

CyberKnife als hoch spezialisiertes Angebot am Universitären Cancer Center Aktuell entsteht am Inselspital das sogenannte Universitäre Cancer Center mit sämtlichen Disziplinen zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen unter einem organisatorischen Dach – begleitet von der Krebsforschung. Schon jetzt ist für jeden Krebspatienten des Inselspitals sichergestellt, dass seine Erkrankung von einem interdisziplinären Expertenteam beurteilt wird, gefolgt von der individuell abgestimmten Therapie, nach neusten Erkenntnissen. Die Beratung und Behandlung von Krebspatienten folgt dabei strengen Qualitätskriterien, die auch für den Einsatz des CyberKnifes gelten.

Foto: Inselspital

Bestrahlungsgerät der neuesten Generation: das CyberKnife

PERSPEKTIVE LEBEN · AKTIV BLEIBEN

Sport und Bewegung während der Therapie

Erlaubt ist, was Spass macht! Studien belegen es immer wieder: Körperliche Aktivität beugt Krebs vor. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg stellt beispielsweise fest: Menschen, die regelmässig Sport treiben, senken ihr Risiko, an Krebs zu erkranken um 20–30 %. Doch wie sieht es bei Erkrankten aus? Ist Sport auch für Krebspatienten sinnvoll? Perspektive LEBEN zeigt Ihnen, was Sie alles tun können.

SCHONUNG. Früher gingen Mediziner da-

Aktivität nach Rücksprache mit dem Arzt

von aus, dass sich Tumorpatienten erst einmal in Ruhe erholen müssen. «Als ich vor 40 Jahren meinen Hautkrebs auskurieren sollte, riet mir der Arzt unbedingt von körperlicher Belastung ab», erzählt Elmar Hartung, heute 84 und Rentner in Kiel. «Er sagte: ‹Jetzt gilt nur unbedingte Schonung!› Das war die alleinige Empfehlung damals!», erzählt der genesene Krebspatient. Die Folge: «Die meiste Zeit meiner Nachsorge verbrachte ich im Bett der Kurklinik – wie langweilig!»

Damals – gewiss. Heute aber sehen Experten das ganz anders: Eine angemessene sportliche Betätigung spielt für viele Krebspatienten eine wichtige Rolle, denn Folge erkrankungen können vermindert oder ganz vermieden werden. Zudem zeigt das richtige Mass an Bewegung noch folgende positive Effekte: „Die Beweglichkeit des Körpers wird aufrecht erhalten. „Erschöpfungszustände werden gelindert. „Depressionen wird vorgebeugt. „Die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit steigt. Sport stärkt Studien zufolge auch das persönliche Selbstbewusstsein – was die Lebensqualität enorm verbessern kann. Bewegung bringt den Energiehaushalt auf Touren und hilft, ein gesundes Körpergewicht zu halten. Er hat zudem positive Effekte auf die Psyche, was sich wiederum auf die allgemeine Befindlichkeit und auf das Immunsystem auswirkt. Und das besonders Schöne daran: Auch bislang eher inaktive Patienten können von einer Änderung ihres Lebensstils profitieren. Heute wissen die Ärzte auch schon, wie oft und in welcher Weise sich der Patient bewegen sollte. Als besonders vorteilhaft hat sich ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining erwiesen, mit zusätzlichen Elementen 46 ·

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zur Schulung von Flexibilität und Koordination. Idealerweise sollte man sich drei Mal pro Woche sportlich betätigen.

Sport – schon während der Therapie möglich

Aktuelle Studien bestätigen, dass Patienten, die während einer Chemotherapie unter ärztlicher Kontrolle ihren Körper trainieren, davon gut profitieren können. Sie sind leistungsfähiger und leiden weniger unter Nebenwirkungen der Therapie. Jedoch kann es keine pauschale Empfehlung geben: Zu unterschiedlich sind nämlich die individuellen Krankheitsbilder, die zu unterschiedlichen Therapien führen. Was einer Brustkrebspatientin gut tut, die über mehrere Jahre Hormone einnehmen muss, kann einem Leukämiepatienten, dessen Blutwerte während einer Chemotherapie stark absinken können, sogar schaden. Patienten sollten daher über ein Sportprogramm immer Rücksprache mit ihrem Arzt halten. Experten raten Krebspatienten während einer Behandlung auf jeden Fall davon ab, sich zu überfordern.

Wann ist Sport im Rahmen der Behandlung verboten? Unmittelbar nach einer Operation ist Sport für Krebspatienten fast immer tabu. Es spricht jedoch oft nichts dagegen, normale Aktivitäten nach dem Eingriff wieder möglichst schnell aufzunehmen. Wer in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt ist oder sich nicht fit fühlt, erhält oft noch im Krankenhaus Physiotherapie und kann unter Anleitung erste Bewegungsübungen durchführen. Dies dient dazu, Komplikationen durch zu langes Liegen zu vermeiden und die Beweglichkeit so früh wie möglich wieder zu trainieren. Einschränkungen gibt es auch bei Behandlungsformen, die heute von zu Hause aus durch-

AKTIV BLEIBEN · PERSPEKTIVE LEBEN

Auch Krebspatienten dürfen körperlich akiv sein – die Bewegung wirkt sich positiv auf Körper und Seele aus.

Fotos: thinkstock (3)

geführt werden können: Beispielsweise sind während einer ambulanten Chemotherapie selbst sehr sportliche Patienten meist nicht fit genug für ein normales Bewegungspensum. Patienten sollten daher gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt entscheiden, welche Art von Bewegung und wie viel körperliche Aktivität in ihrem Fall möglich ist.

Bei Infektionen und Beschwerden gilt: bitte langsam! Auch bei akuten Infektionen sollten Betroffene von übermässiger körperlicher Aktivität absehen. Wer Probleme

mit dem Gleichgewicht hat oder z. B. unter Gefühlsstörungen in Händen und Füssen leidet, sollte ebenfalls sorgfältig abwägen, wie viel er sich bewegt und welche Form der Bewegung gut für ihn ist. Besteht die Gefahr, zu stolpern oder zu stürzen, kann ein Physiotherapeut bei der Auswahl besonders geeigneter Trainingsmethoden helfen. Hat ein Patient schon viel Gewicht abgebaut, muss zuerst geklärt werden, ob der sportbedingte Mehrverbrauch an Energie über die Ernährung ausgeglichen werden kann oder Schonung sinnvoller ist. Auch wer Begleiterkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf-Beschwerden oder chronische Gelenkentzündungen hat, sollte mit den behandelnden Ärzten besprechen, ob körperliche Aktivität möglich ist. Das Gleiche gilt für Patienten mit einem Dauerkatheter zum Ableiten des Urins oder einer Ernährungssonde. AUSGABE SCHWEIZ

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PERSPEKTIVE LEBEN · RICHTIG ERNÄHREN

Ernährungsberatung für Krebskranke

Was die Patienten mich gelehrt haben Der Ernährungsberater Tommaso Cimeli hat mehr als zehn Jahre am UniversitätsSpital Zürich Krebskranke mit Ernährungsproblemen betreut und beraten. Bis heute berät er als freiberuflicher Ernährungsberater mit Praxis in Zürich Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen mehr Informationen über gesunde Ernährung wünschen. Daneben hat er am Kantonsspital St. Gallen einen Lehrauftrag und ist in der Erwachsenenbildung tätig. Perspektive LEBEN hat Tommaso Cimeli gebeten, von seinen 20 Jahren Erfahrung zu erzählen.

MEIN PERSÖNLICHER RAT Tommaso Cimeli, Ernährungsberater

«Wir sollten dem Körper die Nahrungsmittel in einer Zusammensetzung geben, wie die Natur es vorgesehen hat.»

Herr Cimeli, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Auf Ihrer Website haben Sie Fotos von Baumnuss, Knoblauch, Preiselbeere, Marroni, Melone, Ravioli und Olivenöl. Ist das Zufall oder steckt ein tieferer Sinn hinter dieser Auswahl? CIMELI: Die Fotos stammen alle von

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mir und es steckt meine Botschaft als Ernährungsberater darin. Die Menschheit und jeder Einzelne haben eine Ernährungsgeschichte. In der Überfülle des Angebotes, in der wir in der heutigen Zeit leben, haben viele von uns verlernt, intuitiv zu spüren, was ihnen gut tut und was nicht. Ich sehe meine Aufgabe darin, diese Unsicherheit zu nehmen.

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Wie machen Sie das? CIMELI: Gesund und unge-

sund definiere ich nicht über ein bestimmtes Nahrungsmittel. Würde ich einen Lebensmittelladen führen, so wäre der relativ klein. Es gäbe da nur zwei oder drei Brotsorten, ein Vollmilch-Naturjoghurt, Obst und Gemüse der Saison aus der Region und qualitativ hochwertige Grundnahrungsmittel. Dazu lokale Fleischsorten und Fische, ein paar Käse, auch aus der Schweiz. Mit dem Essen wollen wir Lust befriedigen und das können wir nur, wenn wir dem Körper die Nahrungsmittel in so einer Zusammensetzung geben, wie die Natur das vorgesehen hat. Es gibt Studien, die zeigen, dass Light-Produkte oder Lebensmittel mit Süssstoffen unsere Hungersät-

tigungsregulation stören können. Naturprodukte kennt der menschliche Körper seit Langem und kann damit umgehen. Alles, was wir uns schon immer zugeführt haben, hat seine Berechtigung. Zurück zu den Wurzeln ist für viele in der Situation wichtig. Krebs ist auch mit Schuld verbunden. «Fleischeslust» auf allen Ebenen macht Krebs. Patienten kommen und sagen: Ich darf keine Wurst und kein Fleisch mehr essen, oder? Ich antworte, vergiss es, besorge dir Fleisch von einem vertrauenswürdigen Produzenten. Wer sehr ängstlich ist, dem rate ich schon dann auch während einer Chemotherapie, keine mit Chemie belasteten Lebensmittel (meist Importprodukte) zu essen. Eine Schweizer Bio-Chasselastraube kostet das Doppelte, aber bietet die Sicherheit, dass keine Pestizide darauf sind. Leider sind aber nicht alle Patienten überzeugt, dass saisonal, lokal und Bio einfach die bessere Wahl ist. Zurück zu den Wurzeln – wann haben wir die Erdung beim Essen verloren? CIMELI: Die Entwicklung der Ernäh-

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rungswissenschaften begann mit den

RICHTIG ERNÄHREN · PERSPEKTIVE LEBEN

In «Ihrem Laden» gäbe es keine Qual der Wahl? CIMELI: Für viele Menschen wäre das

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vorgestellte Modell eine Entlastung. Ich denke an Eltern mit schwierigen Kindern oder auch Krebspatienten. Weniger Auswahl, aber mehr Sicherheit beim Kauf.

Sie betonen, Sie hätten ganz viel von Krebspatienten gelernt? Was? CIMELI: Ich komme aus dem Sport-

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bereich. Da ist es so, dass doch nur ganz Wenige nach ganz vorne kommen, obwohl sie gleich viel trainieren. Ich habe mich gefragt, was die Besonderen wohl auszeichnet? Eine ganz besonders starke Selbstintuition. Und im Krankheitsprozess gilt das auch. Wenn ein Mensch ganz stark auf sich hört und in sich selbst vertraut, dann entwickelt er Kräfte, um mehr zu schaffen als ohne. Eine lebensbedrohliche Krankheit meistern die am besten, die nicht nur auf Widerstand gehen, sondern Offenheit und Selbstverantwortung zeigen. Ich als Therapeut kann von solchen Leuten enorm viel lernen. Wenn ein Patient seit zehn Jahren Krebs hat, dann weiss er mehr über sich und die Krankheit als ich, da lerne ich von ihm. Ich kann einzelne offene Fragen beantworten. Ich habe im Spital gelernt zuzuhören und das

ist bis heute mein Grundprinzip. Selbsterfahrung ist wichtig in der Beratung, etwa zu sagen, das und das mache ich so und so oder will ich so und so ändern, das zählt. Oder sich Sachen aufschreiben mit der Hand, wiederholen, malen, fühlen in der Körpertherapie. Die kognitive Wahrnehmung ist nicht die einprägsamste. Welche Einzelinformationen geben Sie an andere weiter, welche Aussagen sind besonders hilfreich? CIMELI: Menschen wollen sich ge-

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sund erhalten. Wenn jemand vorbeugen will, spreche ich über wertvolle unbelastete Nahrungsmittel, über wirksame Inhaltsstoffe der Nahrung und Nahversorgung. Wichtig ist, die Patienten da abzuholen, wo sie gerade stehen. Mit welchem Ziel kommt ein Patient? In der Chemotherapiephase sind andere Themen im Vordergrund, als wenn ein Patient schon fünf Jahre therapiefrei und geheilt ist. Jemand unter Radioche- »

«Bei der Ernährung sollte man auf regionale, möglichst unbelastete Produkte achten»

Foto: thinkstock

Weltkriegen. Die Soldaten brauchten haltbar gemachte und angereicherte Nahrungsmittel. Die industriell verarbeiteten Lebensmittel sind in den 1960er-Jahren auch bei den privaten Verbrauchern angekommen. Es wurden immer mehr Produkte hergestellt, die wir nicht «zum Leben» brauchen – und das in zigfacher Ausführung. Wenn ich vor 60 Joghurts stehe, nehme ich meist gleich mehrere mit oder verzichte ganz. Der Bauch kann uns nicht sagen, dass ein bestimmter Joghurt jetzt genau richtig wäre. Wenn ich mit Patienten einkaufen gehe, üben wir, wieder intuitiver einzukaufen.

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motherapie, der keinen Geschmack mehr hat, braucht wiederum etwas ganz anderes. Was kann man da machen? CIMELI: Geschmacksverlust

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ist etwas vom Problematischsten bei Krebspatienten. Da sollten sie neutraler kochen. Je neutraler etwas ist, umso geringer ist die Gefahr, dass ein Chemiecocktail entsteht, der auf der Zunge fremd und unangenehm schmeckt. Machen Sie doch mal den Test und nehmen Sie ein kleines Stück Karton in den Mund und kauen Sie eine Weile darauf rum, dann werden Sie in etwa wissen, wie Fleisch einem Patient mit Geschmacksverlust schmecken kann: breiig und bitter. Das ist oft ein Thema, wenn Angehörige extra gut kochen und für den Patienten das Essen aber schon zweitrangig ist. Es kann der Moment kommen, wo eine Ernährung keinen Sinn mehr macht, nur noch die inneren Organe belastet. Es kommt zu Durchfall, und jede Mobilisierung des Betroffenen macht Schmerzen. Angehörige müssen wissen, warum etwas gemacht wird. Dass es zum Besten des Patienten ist, wenn er in einer bestimmten Phase nicht mehr essen muss. Wenn jemand stark an Gewicht verliert und die Nahrung angereichert werden soll, kann es da helfen, die Ernährungspyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung einfach auf den Kopf zu stellen? CIMELI: In gewisser Weise ja. Ich

ich sogar mit Junk-Food gearbeitet. Wenn sie drei Trinknahrungen akzeptierten, gab es danach Pizza oder Hamburger. Wenn Patienten es selbst schaffen stabil zu bleiben, bin ich sehr zurückhaltend geworden. Mit Druck kommt meist Widerstand, und körperliche Beschwerden sind garantiert. Auf die innere Stimme zu hören, wird in der Broschüre der Krebsliga empfohlen. Was aber, wenn jemand sagt, die sei verstummt? CIMELI: Wenn die innere Stimme

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verstummt, heisst das oft auch, dass ein Mensch nicht mehr essen und trinken kann oder will. Da ist man immer auf dem Holzweg, wenn

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Auf welche Lebensmittel verzichten Sie persönlich aus Gesundheitsgründen? CIMELI: Bei Früchten, Gemüse,

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Fleisch und Fisch habe ich den Grundsatz, je weniger Kilometer ein Produkt transportiert worden ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht mit Schadstoffen belastet ist. Die Gefahr ist immer dann am grössten, wenn Produkte von weither kommen. Das gilt übrigens auch für Salmonellen. Die meisten schweren Darminfektionen werden in der Schweiz über importierte Keime ausgelöst. Wann ist eine Beratung für Sie erfolgreich? CIMELI: Wenn es bei einem

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habe eine Energiepyramide zusammengestellt, die das im Wesentlichen macht. Bei Gewichtsverlust ist immer der Ausgangswert mit einzubeziehen. Ein Patient mit einem BMI 19 kg/m2, der auf 18 fällt, stellt keine Katastrophe dar. Wenn allerdings jemand von BMI 31 auf 18 abfällt, dann heisst es handeln, sonst droht eine Proteinmangelernährung mit Folgen auch für das Immunsystem, und die Therapie muss womöglich pausiert werden. Bei Kindern habe

cher Form. Die Menschheit besitzt ein Hunger-Gen, auf Fasten können wir uns einstellen. Was wir nicht haben, ist ein Überfluss-Gen. Kalorienüberfluss kombiniert mit Bewegungsmangel führt bei Übergewicht zu chronischer Entzündung und im Alter dann häufiger zu Krebs.

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man mit dem Kopf argumentiert. Ich habe vor Kurzem einen Freund verloren, der war bis ins hohe Alter eine Geniesser. Als letzte Mahlzeit habe ich für ihn Kartoffelstock mit Butter zubereitet, er hat zwei Löffelchen gegessen. Das war für mich eine Niederlage, aber das ist auch die Realität, die man zu akzeptieren hat. Ist die klassische Schweizer Küche eine gesunde oder kann sie Krebs verursachen? CIMELI: Schweizer Kost hat im Hin-

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blick auf krebsauslösende Stoffe kein Problem. Was unser Leben verkürzt, ist der generelle Energieüberfluss mit Übergewicht als Folge. Egal in wel-

Patienten Klick macht und er für sich einsteht und Entscheidungen selbst trifft. Das fördert die Selbstheilungskraft mehr als alles andere und damit auch die Wahrscheinlichkeit eines besseren Genesungsverlaufs. In der Praxis erlebe ich das immer wieder. Das ist sehr gut für die Patienten, es gibt keine Evidenz, aber plötzlich wirkt alles besser.

>> Fachliche Beratung: Tommaso Cimeli, Dipl. Ernährungsberater HF mit Praxis in Zürich >> Fachliteratur: Informationsbroschüre Ernährungsprobleme bei Krebs der Schweizerischen Krebsliga >> Buchtipps: Ulrike Gonder: Mehr Fett! Nicolai Worm: Syndrom X oder Ein Mammut auf den Teller! Mit Steinzeitdiät aus der Wohlstandsfalle Paolo Colombari: Fette Irrtümer

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Wissenschaftlicher Beirat Prof. Franco Cavalli

Dr. Stephan Eberhard

PD Dr. Christoph Rageth

Direktor des Oncology Institute of Southern Switzerland in Bellinzona sowie Professor an den Universitäten Bern und Varese

Onkologische Rehabilitation, Berner Klinik Montana

Brust-Zentrum, Zürich

Prof. Thomas Cerny

Leben wie zuvor, Kontaktstelle für Frauen nach Brustkrebs, Reinach

Chefarzt Onkologie Kantonsspital St. Gallen, Präsident der Krebsforschung Schweiz

Donatella Corbat Präsidentin Europa Donna Schweiz, Bern

Dr. Heidi S. Dazzi Leitende Ärztin Palliativmedizin an der Klinik für Onkologie am UniversitätsSpital Zürich und TUCARE, Ambulatorium für Tumor- und Bluterkrankungen

Susi Gaillard

Dr. Agnes Glaus Expertin Onkologiepflege Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, St. Gallen

Prof. Viviane Hess Leiterin klinische Forschung (CCRC), Universitätsspital Basel

Prof. Richard Herrmann Ehemaliger Chefarzt der Klinik für Medizinische Onkologie, Universitätsspital Basel

Prof. Christoph Renner Onkozentrum Hirslanden, Zürich

Dr. Marc Schlaeppi Leitender Arzt Onkologie/Hämatologie und Zentrum für Integrative Medizin, Kantonsspital St. Gallen

Dr. Christian Taverna Leitender Arzt Onkologie, Kantonsspital Münsterlingen

Prof. Frank Zimmermann Chefarzt Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsspital Basel

Dr. phil. Kathrin Kramis-Aebischer

Foto: thinkstock

Geschäftsführerin Krebsliga Schweiz, Bern

Impressum

Chefredaktion: Dr. med. Petra Genetzky, Winfried Powollik Redaktion: Dr. med. Susanne Schelosky, Prof. Dr. phil. Christoph Fasel, Jochen Schlabing, Dietmar Kupisch, Felix Schlepps, Sandro Most, Jonas Lisker, Jörg Schumacher

Perspektive LEBEN – Das Schweizer Magazin für Menschen mit Krebsdiagnose und ihre Angehörigen © 2014 Verlag: swissprofessionalmedia AG Geschäftsleitung: Oliver Kramer Verlagsleitung: Dr. med. Theo Constanda Projektleitung: Dr. med. Susanne Schelosky

Lektorat: Dr. phil. Regine Schricker Creative Director: Anette Klein Layout: Andrea Schmuck, Laura Carlotti Herstellung: Olivier Kilchherr Vertriebsleitung: Carolyn Piele, [email protected] Marketing und Anzeigenadministration: Daniela Uhl, [email protected]

Verkauf: Marc Philipp (Rx) Tel. 058 958 96 43, [email protected] Antonino Diaco (Rx) Tel. 058 958 96 17, [email protected] Biagio Ferrara (Rx) Tel. 058 958 96 45, [email protected] Rahel Saugy (OTC) Tel. 062 966 03 69, [email protected] Druck: PRINTEC OFFSET medienhaus, D-34123 Kassel Reproduktion nur mit schriftlichen Genehmigung des Verlags. Mit der Einsendung eines Manuskriptes erklärt sich der Urheber damit einverstanden, dass sein Beitrag ganz oder teilweise in allen Printmedien und elektronischen Medien der Medical Tribune Group, der verbundenen Verlage sowie Dritter veröffentlicht werden kann.

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Den Krebs zu besiegen ist unser Ziel. Mit vereinten Kräften. Wir arbeiten mit Leidenschaft an der Zukunft der Krebsmedizin, um den Patienten bestmöglich zu unterstützen. Unsere jahrzehntelange Erfahrung und innovativen Forschungstechnologien sind die Basis für neue, richtungsweisende Therapien in der Onkologie. Symptome nicht nur behandeln, sondern langfristig Krebs besiegen: Das ist für uns kein Traum, es ist das Ziel.

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www.roche-pharma.ch

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