Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933

February 1, 2018 | Author: Anonymous | Category: Geschichte, Geschichte Europas, Dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945)
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Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933 bis 1945

Geschichte der Gegenwart Herausgegeben von Frank Bösch und Martin Sabrow Band 3

Rüdiger Hachtmann

Das Wirtschaftsimperium Der Deutschen Arbeitsfront 1933 – 1945

WALLSTEIN VERLAG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 12

www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf Umschlagfotos: (o.) Am 2.5.1933 besetzen SA- und NSBO-Mitglieder die Berliner Hauptverwaltung der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten des ADGB. Bundesarchiv Berlin Bild 183-R70485. (u.) Robert Ley am 9.10.1940 vor Arbeitern (vermutlich) der Vulkan-Werft/Stettin. Fotograf: Heinrich Hoffmann. Bayerische Staatsbibliothek (hoff 33025). Druck und Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen isbn (Print) 978-3-8353-1037-7 ISBN (eBook, pdf ) 978-3-8353-2239-4

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Rahmen- und Ausgangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.1. Gesamtwirtschaftliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 1.2. Die Enteignung der linken Arbeiterbewegung – ein eigentumsrechtlicher Präzedenzfall . . . . . . . . . . . . .

47 57

2. Das Dach des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Die Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.1. Nationalsozialistische Bankenpolitik . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Banken, die aufgelöst, verkauft oder gar nicht erst gegründet wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Bank der Deutschen Arbeit – Arbeiter-Sparkasse und Instrument der »Arisierung« . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Die NS-Bewegung und das Geldinstitut der DAF . . . . . . . 3.5. Expansion über die Grenzen des »Altreiches« hinaus . . . . . . 3.6. Auch die Arbeitsbank: ein »Koloß auf tönernen Füßen« . . . .

93 100 105 122 152 182

4. Die Versicherungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.1. Rahmenbedingungen und die Stellung von Volksfürsorge und Deutschem Ring in ihrer Branche . . . . . . . . . . . . . 190 4.2. Eine Erbschaft der katholischen Gewerkschaften wird liquidiert: die kurze Geschichte der »Deutschen Lebensversicherung« unter dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.3. Die Volksfürsorge (bis 1938) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.4. Die Volksfürsorge ab 1938/39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4.5. Der Deutsche Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4.6. Die Expansion des Deutschen Rings ab 1938 . . . . . . . . . . 255 4.7. Die Gründung der »Deutsche Sachversicherungs AG« und der »Versicherungsring der Deutschen Arbeit GmbH« als Konzerndach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

5. Die Verlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5.1. Eine politiknahe Branche – die Rahmenbedingungen . . . . . . 268 5.2. Erbstücke des DHV: die Hanseatische Verlagsanstalt und der Langen-Mül­ler-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 5.3. Der Zentralverlag der DAF, die Büchergilde Gutenberg und weitere Organisationsverlage . . . . . . . . . . . . . . . . 297

inhalt

5.4. Konkurrenzen, Konflikte – und das Scheitern der Bemühungen um Verschmelzung der Verlage zu einem Konzern . . . . . . . 316 5.5. Expansion und »Fronteinsatz«: Die DAF-Verlage im Krieg . . . 322 5.6. Die Privatisierung des Langen-Müller-Verlages und der Hanseatischen Verlagsanstalt . . . . . . . . . . . . . . 356

6. Von den Konsumgenossenschaften zum Deutschen Gemeinschafts­werk . . . . . . . . . . . . . . . 369 6.1. Die Konsumgenossenschaften bis zum Mai 1933 . . . . . . . . 6.2. 1933 bis 1940: Vergebliche Versuche, die Hegemonie über die Verbrauchergenossenschaften zu erlangen . . . . . . . 6.3. Die Gründung des »Deutschen Gemeinschaftswerkes« . . . . . 6.4. Expansion und Untergang des »Deutschen Gemeinschaftswerkes« . . . . . . . . . . . . . . .

369 372 394 412

7. Wohnungsgenossenschaften, Bau- und Siedlungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 7.1. »Sozialisierung von unten« – die linke Wohnungs- und Baugenossenschaftsbewegung bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . 7.2. Die Wohnungs- und Baugesellschaften der Arbeitsfront bis Kriegsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3. »Sozialer Wohnungsbau« in der ersten Kriegshälfte . . . . . . . 7.4. Auf dem Weg zum marktbeherrschenden Baukonzern – Neugründung und Tätigkeitsfelder reichsweit aktiver Unternehmen (ab 1941) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5. Vergebliche Improvisation: der Baukonzern in den letzten Kriegsjahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6. Selbst im Wohnungsbau: Kriegsfordismus . . . . . . . . . . .

425 428 444 453 475 487

8. Fahrzeug- und Schiffsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 8.1. Das Volkswagenwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 8.2. Traktoren, Schiffe und Treibstoff . . . . . . . . . . . . . . . . 512

9. Das Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 9.1. Die ›einfachen‹ Belegschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 9.2. Zum spezifischen Typus des leitenden Managers in DAF-Unterneh­men . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

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inhalt

10. Selbstverständnis, Struktur und Praxis des Mammutkonzerns und seiner Protagonisten Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 10.1. Ein schwer überschaubarer Koloss . . . . . . . . . . . . . . . 10.2. Strukturelle Spezifika und politische Funktionen . . . . . . . . 10.3. Politik, Ökonomie – und Rassismus: zu den Markenzeichen des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . 10.4. Klassifizierung und kategoriale Einordnung . . . . . . . . . .

556 564 579 591

11. Spuren nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 11.1. Was blieb von den Unternehmen und ihren Protagonisten? . . 599 11.2. Keine Renaissance sozialistischer Milieus nach 1945 – auch ein Erfolg der DAF und ihrer Unternehmenspolitik . . . . 611 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687

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Einleitung

Fällt der Name »Deutsche Arbeitsfront« oder auch kurz »DAF«, denkt man an die riesige und mit 1942 schließlich gut 25 Millionen Mitgliedern mitgliederstärkste – und infolgedessen auch finanzkräftigste – Organisation des Dritten Reiches. Die Umstände der Gründung dieser NS-Massenor­ga­nisation sind einigermaßen bekannt: Am 2. Mai 1933 besetzten Schlägertrupps der SA und der »Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation« (NSBO) die Gewerkschaftshäuser und besiegelten damit das Ende der Weimarer Arbeiterbewegung. Wenige Tage später wurde die DAF aus der Taufe gehoben. Sie schien die Nachfolge der bis 1933 bestehenden, in politische Richtungen gespaltenen Arbeitnehmerverbände anzutreten, entwickelte sich dann jedoch in eine ganz andere Richtung. Ziemlich unbekannt ist hingegen, dass die DAF einen riesigen Unternehmenskom­plex besaß, der auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges ungefähr zweihunderttausend Arbeitnehmer beschäftigte und einen Umsatz von grob zwei Mrd. RM im Jahr machte. Wenn der gigantische Konzern der Arbeitsfront weitgehend unbemerkt geblieben ist, dann vor allem aus zwei Gründen: Zum einen war das Unternehmenskonglomerat über so viele Branchen verstreut und derart verschachtelt, dass selbst besser informierten Zeitgenossen die Gesamtdimensionen dieses Konzerns verborgen blieben. Zum anderen war die DAF eine politische Organisation und eine der Herrschaftssäulen der NS-Diktatur. Dass sie auch die Eigen­tümerin eines riesigen Wirtschaftsimperiums war, schien demgegenüber von untergeordneter Bedeutung zu sein. Dabei wirft gerade dieser Aspekt – eine herausragende politische Organisation, die über einen bereits in seinen quantitativen Dimensionen kaum überschaubaren Konzern verfügte – Fragen auf, die die NS-Forschung seit langem bewegen und auch die vorliegende Darstellung prägen: In welchem Verhältnis standen ab 1933 Politik und Privatökonomie zueinander? Warum beschränkten sich die Partei bzw. deren Vorfeldorganisationen wie die DAF nicht auf die politische Sphäre, warum wurden sie darüber hinaus in Unternehmerfunktionen tätig? Welche Folgen hatte dies für die gesamtwirtschaftlichen Konstellationen? Setzten die Arbeitsfront und andere NS-Organisationen und -institutionen, die sich gleichfalls privatwirtschaftlich engagierten, dadurch sukzessive marktwirtschaftliche Mechanismen außer Kraft – oder perpetuierten sie diese umgekehrt gerade dadurch, dass sie zum Eigentümer von Wirtschaftsunternehmen wurden, die sich privater Konkurrenz stellen mussten? Mit Blick auf die Arbeitsfront drängt sich außerdem z. B. die Frage auf, warum diese sich nicht darauf beschränkte, lediglich den Komplex an Unternehmen und Genossenschaften zu erhalten, der ihr aus dem Besitz der Gewerkschaften zugefallen war. Warum setzten die Protagonisten der DAF vielmehr alles daran, ihren Konzern gleich in einer ganzen Reihe von Branchen  – im Bau- und Wohnungs­

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wesen, im Bank- und Versicherungsgewerbe, im Verlagswesen und Buchhandel, im Einzelhandel, im Fahrzeug- und Schiffsbau sowie perspektivisch in weiteren Wirtschaftszweigen – in eine marktbeherrschende Stellung zu hieven? Der Verweis darauf, dass die DAF das Erbe der Unternehmen, der Immobilien und des sonstigen Vermögens der Weimarer Richtungsgewerkschaften und Angestelltenverbände antrat und dieses Erbe mit den scheinbar unerschöpflichen Geldquellen, über die die mitgliederstärkste Organisation des Dritten Reiches verfügte, mehren konnte, greift als Antwort auf die Frage nach dem Warum des privatwirtschaftlichen Engagements dieser Organisation zu kurz. Denn die Rivalen der Arbeitsfront und ihres Leiters Robert Ley, unter ihnen so hochkarätige Institutionen wie das Reichswirtschafts-, das Reichsarbeits- und das Reichsfinanzministerium oder auch der »Stellvertreter des Führers«, bestanden (wie zu zeigen sein wird) darauf, dass die DAF mindestens Teile ihres Konzerns an private Interessenten abgab oder liquidierte – und sich möglichst überhaupt jeglichen wirtschaftlichen Engagements enthielt. Ley und seine Arbeitsfront ließen all diese Versuche ungerührt an sich abperlen. Warum? Weshalb waren die Protagonisten der DAF so begierig, einen Konzern aufzubauen, der es an Größe schließlich mit der IG Farben, den Vereinigten Stahlwerken, den Siemens-Unternehmen oder auch den Hermann-Göring-Werken aufnehmen konnte? In der Führung der Gesamtorganisation Deutsche Arbeitsfront saßen keine ehemaligen Unternehmer und Industriemanager, die in ihrem alten Metier wieder aktiv werden wollten, sondern (so sahen sie sich selbst) »blutige Laien«. Die Protagonisten der Arbeitsfront waren Personen, die von einem ausgeprägten politischen Machtwillen getrieben waren. Welche politischen Ziele verfolgten sie mit ihrem wirtschaftlichen Engagement? Es ist evident, dass eine Darstellung des Konzerns der Arbeitsfront ohne eine Diskussion des Verhältnisses von Politik und Ökonomie im Dritten Reich nicht auskommt. Die Untersuchung von Funktion und Struktur des Wirtschaftsimperiums der DAF sowie des Selbstverständnisses seiner Protagonisten erlaubt es, diese zentrale Debatte der NS-Forschung in veränderter Perspektive aufzunehmen und neue Schlaglichter zu setzen. Die damit zusammenhängenden Fragen trieben im Übrigen bereits die Zeitgenossen um. Maßgebliche politische Akteure der Zeit waren höchst unsicher, wie sie mit den DAF-Unternehmen umgehen sollten. Nicht nur gesamtwirtschaftlich werfen Existenz und Expansion dieses schwer überschaubaren Unternehmenskomplexes im Besitz einer mächtigen NSOrganisation zahlreiche Fragen auf. Auch die Binnenkonstellationen des Konzerns und die Beziehungen der Unternehmensvorstände zum Eigentümer waren durch ein eigenartiges Spannungsverhältnis von Politik und Ökonomie geprägt. Das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront war in hohem Maße politiknah. Es ist geradezu der Prototyp eines ›Partei-Unternehmens‹. Wer die schiere Größe und das rasante Wachstum des DAF-Konzerns erklären sowie nachvollziehen will, warum konkurrierende Unternehmen auf diesen »mächtigen Block« und seinen »außerordentlichen Betätigungsdrang«1 mit scheelem Blick schauten, 1 Zitat aus einer kritischen Stellungnahme des Vorstandsmitglieds der Allianz und Leiters

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muss deshalb immer auch die politische Organisation Deutsche Arbeitsfront und Ambitionen wie Selbstverständnis ihres Leiters Robert Ley im Auge behalten. Bereits an dieser Stelle ist es unumgänglich, einen kurzen Blick auf Grundzüge, auf den Charakter der Arbeitsfront zu werfen. Denn es waren maßgeblich die eigentümlichen Strukturen, Handlungsmuster und Zielsetzungen des Eigentümers, die auch das Binnenleben des Konzerns und sein Auftreten auf den verschiedenen Märkten sowie Konkurrenten gegenüber erklären. Die Deutsche Arbeitsfront: ein charismatischer Verwaltungsstab Von der Masse ihrer Mitglieder her war die Arbeitsfront eine Arbeitnehmer­ organisation. Dennoch war sie keine Gewerkschaft, sondern politisch wie organisationsstrukturell etwas völlig anderes. Was aber war sie? Auf diese Frage hat die bisherige Forschung keine eindeutige Antwort gefunden. Sie hat erstaunt oder fasziniert die verschiedenen Aufgaben und Tätigkeitsfelder der Arbeitsfront aufgelistet, ist jedoch dabei gescheitert, die DAF selbst in ein konsistentes Organisationsmodell zu fassen und ihre Binnenstruktur wie die ihr eigene Dynamik plausibel zu erklären. Dies ging den im Dritten Reich lebenden Zeitgenossen kaum anders. Diese standen gleichfalls erstaunt, oft genug misstrauisch, manchmal erschrocken vor dem wild wuchernden Gebilde, das den Namen »Deutsche Arbeitsfront« trug.2 Die großen Schwierigkeiten, die DAF als Organisation mit den bekannten Kategorien der Verbandssoziologie und des Institutionenrechts zu fassen, ist einer der Gründe, warum es gewieften Ministerialbeamten und ebenso führenden Nationalsozialisten nicht gelang, ein seit 1936/37 heftig debattiertes »Gesetz über die Deutsche Arbeitsfront« zu ver­abschieden. Auch die Diskussion um den Konzern der DAF, die Schwierigkeiten, ihn in eine der herkömmlichen kategorialen Schubladen unterzubringen, ist von diesem Problem gekennzeichnet, wie denn der institutionelle Eigentümer eigentlich einzuordnen sei. Auch die NS-Historiographie tat und tut sich schwer, für die Arbeitsfront ein angemessenes Modell zu entwickeln. Dabei hat Max Weber im Rahmen seiner Theorie der »charismatischen Herrschaft« mit dem Modell des »charismatischen Verwaltungsstabs« ein Konzept bereitgestellt, das es erlaubt, viele der Eigentümlichkeiten der Arbeitsfront kategorial und begrifflich besser zu fassen. Folgt man Weber, fußt »charismatische Herrschaft« auf »charismatischen Verwaltungs­

der Reichsgruppe Versicherungen, Eduard Hilgard, zur DAF-Versicherungsgruppe von Anfang Dez. 1936. Hilgard war ab 1934 der wohl wichtigste Mann dieses europaweit größten Versicherungskonzerns und bis 1945 eine der wirtschafts­politisch einflussreichsten Persönlichkeiten während der NS-Diktatur. Zum Hintergrund des Zitats vgl. Kapitel 4, S. 194. 2 Vgl. Rüdiger Hachtmann (Hg.), Ein Koloss auf tönernen Füßen. Das Gutachten des Wirtschaftsprüfers Karl Eicke über die Deutsche Arbeitsfront vom 31. Juli 1936, München 2006, Einleitung: S. 9-94, hier bes. S. 18-25.

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stäben« oder »charismatischen Verbänden«,3 als der neben dem »charismatischen Herrn« und den »charismatischen Jüngern« dritten kategorialen Säule dieses eigentümlichen Herrschaftstypus. Charismatische Verwaltungsstäbe unterstehen (in Weber’schen Termini) »charismatischen Jüngern«, die ihrerseits dem »charismatischen Herrscher« in blindem Glauben verpflichtet sind und dessen Sendung mit missionarischem Eifer in ›die Welt‹ hinaustragen. Wie sehr sich Ley (ohne das Weber’sche Konzept zu kennen) in der Rolle des »charismatischen Jüngers« sah, der seinem charismatischen »Führer« bedingungslos folgte, machte er deutlich, als er sich und andere hochrangige Repräsentanten der Hitler-Diktatur als »fanatische Apostel« bezeichnete,4 die »auf dieser Erde allein an Adolf Hitler« glaubten, der vom »Herrgott berufen« sei, »unser Volk« zu führen, damit dieses seine »hohe Mission in der Welt erfüllen« könne.5 Die eigentümliche Figur des »charismatischen Jüngers« oder »fanatischen Apostels« prägt Struktur und Handlungsmuster des »charismatischen Verwaltungsstabes«, dem dieser vorsteht. So wenig wie der »Führer« und seine Apostel lassen sich auch die »charismatischen Verwaltungsstäbe« von bürokratischen Verfahrenszwängen und klassisch-verwal­tungs­tech­ni­schen Kontrollmechanismen bremsen. Sie stülpen, so Weber, »alle Heiligkeitsbegriffe geradezu um«; »alle Regel und Tradition« sind ihnen fremd und feind.6 Sie markieren das »gerade Gegenteil bürokratischer Herrschaft«. Ihre Existenz führe allerdings, folgt man Weber, »nicht etwa [zu] einem Zustand amorpher Strukturlosigkeit«. Sie 3 Was hier lediglich kurz umrissen wird, ist an anderer Stelle ausführlicher skizziert. Vgl. ebd., bes. S. 75-92; ders., Chaos und Ineffizienz in der Deutschen Arbeitsfront. Ein Evaluierungsbericht aus dem Jahr 1936, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VZG) 53/2005, Heft 1, S.  43-78, hier bes. S. 67-76; ders., »Neue Staatlichkeit« im NS-System – Überlegungen zu einer systematischen Theorie des NS-Herrschaftssystems und ihrer Anwendung auf die mittlere Ebene der Gaue, in: Jürgen John/Horst Möller (Hg.), Die NS-Gaue – regionale Mittelinstanzen im zentralistischen »Führerstaat«?, München 2007, S. 56-79, bes. S. 61 f.; ders., Elastisch, dynamisch und von katastrophaler Effi­ zienz – Anmerkungen zur Neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus, in: Wolfgang Seibel/Sven Reichardt (Hg.), Der prekäre Staat. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M./New York 2011, S. 29-73. 4 So z. B. in: Robert Ley, Hei lewet noch – der alte Feind! In: Der Angriff vom 26. Juni 1941. 5 Ders., Soldaten der Arbeit, Berlin 1938, S.  115 f. In ganz ähnlichen Formulierungen legte Ley dieses ›Glaubensbekenntnis‹ zum »Führer« und zum »nationalsozialistischen Glauben« häufig ab. So z. B. 1937, als er das Wohnungs- und Siedlungswerk der DAF ankündigte: »Auf dieser Erde glaube ich allein an Adolf Hitler und ich halte den Nationalsozialismus für den allein seligmachenden Glauben und glaube, dass Adolf Hitler vom Herrgott im Himmel, der uns führt und segnet, uns gesandt worden ist.« Ley, o.J. (1936/37), in: BA Berlin, R 3901, Nr. 20715, Bl. 136. 6 Zitate: Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Studienausgabe (fünfte, revidierte Ausgabe, besorgt von Johannes Winckelmann), Tübingen 1972, S. 657 ff. Vgl. außerdem ders., Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 1985, S. 475-488.

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seien vielmehr durch eine eigene, von gewöhnlichen Formen der Verwaltung grundsätzlich zu unterscheidende Struktur charakterisiert.7 Statt durch überpersönliche Amtswege, wie sie für die bürokratische Herrschaft typisch ist, sei charismatische Herrschaft durch eine starke Personalisierung der Politik gekennzeichnet, in den Worten Leys: »Erst der Mensch und dann die Akten«.8 Kennzeichnend für das Handeln charismatischer Verwaltungsstäbe ist außerdem – entsprechend der Willkür der Entscheidungen des »charismatischen Herrschers« – ein vom relativen Eigenwillen der »charismatischen Jünger« geprägter, »unkontrollierter Voluntarismus« der Verwaltungsstäbe, der deren Handeln tendenziell unberechenbar mache. Die internen Organisationsbeziehungen seien infolgedessen »jeweils ad hoc regelungs- und definitionsbedürftig«.9 Es ist eine Eigentümlichkeit »charismatischer Herrschaft«, dass sie nicht zu einem Dauerzustand gefrieren kann, sondern ihre Existenz durch fortdauernde politischgesell­schaftliche Dynamik und unerwartete Wendungen sichern muss. »Charismatische Herrschaft« hat sich in »außeralltäglichen« Ereignissen immer neu zu beweisen. Geschieht dies nicht, gelangen vielmehr »die Interessen des ökonomischen Alltags zur Übermacht«,10 verliert sie sukzessive ihren »charismatischen« Charakter. Sie wandelt sich zu »bürokratischer« oder »traditionaler« Herrschaft, sofern sie nicht durch Krieg oder einen revolutionären Umsturz verschwindet. Hinzu tritt, dass »charismatische Herrschaft« nicht voraussetzungslos ist. Sie basiert auf den vorgefundenen historischen Bedingungen, in Deutschland 1933 also auf einer hochindustrialisierten, kapitalistisch organisierten Volkswirtschaft, deren zentrale Bestandteile, die Unternehmen, auch nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten11 »rational« oder »bürokratisch« organisiert blieben, d. h. strukturell in gewisser Weise eine Art Gegengewicht zur »charismatischen Herrschaft« bildeten. Von den »kapitalistischen Betrieben«, nach Weber die »reinste« Form »legaler Herrschaft«,12 geht ein besonders starker Sog in Richtung »Veralltäglichung« und damit Aufhebung »charismatischer Herrschaft« aus. Damit ist ein Spannungsfeld zwischen der Arbeitsfront als politischer Organisation und ihren Unternehmen markiert. Welche Friktionen bildeten sich vor diesem Hintergrund zwischen beiden Seiten aus? Wie entluden sich diese Spannungen? Bildete sich vielleicht ein Unternehmenstypus heraus, der zumindest einige der 7 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 659. 8 Ley, Soldaten der Arbeit, S. 9. 9 So in Anlehnung an Weber: Maurizio Bach, Die charismatischen Führerdiktaturen. Drittes Reich und italienischer Faschismus im Vergleich ihrer Herrschaftsstrukturen, Baden-Baden 1990, S. 24. 10 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 660. 11 Tatsächlich handelte es sich bei der Installierung des Präsidialkabinetts Hitlers 1933 im Kern um eine Machtübergabe, die freilich von einer gleichzeitigen Machteroberung der Nazis begleitet war. Obwohl der Begriff »Machtergreifung« deshalb problematisch ist, wird er im Folgenden als inzwischen üblich gewordene stehende Redewendung benutzt. Zur Etymologie des Begriffes vgl. Norbert Frei, »Machtergreifung«. Anmerkungen zu einem historischen Begriff, in: VZG, 31/1983, S. 136-145. 12 Vgl. Weber, Drei Typen, S. 476.

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Merkmale aufwies, wie sie hier als typisch für »charismatische Verwaltungsstäbe« umrissen wurden? Oder waren sie wie ›normale‹ Wirtschaftsunternehmen, also vor allem »bürokratisch« organisiert? Die Art und Weise, wie sich die Nähe zur politischen Macht im Selbstverständnis, in der Struktur und im Handeln der Unternehmen niederschlug, konnte je nach den Spezifika der Branche, der politischen Funktion, die die Arbeitsfront-Führung dem jeweiligen Konzernteil zumaß, oder auch der Vorgeschichte des jeweiligen Unternehmens erheblich differieren. Dennoch lassen sich bestimmte Grundzüge mehr oder minder ausgeprägt für alle Säulen des DAF-Wirtschaftsimperiums feststellen. Einige wichtige Aspekte sind bereits an dieser Stelle anzureißen. Der DAF-Konzern als »volksgemeinschaftlicher Dienstleister« Nach dem Willen Hitlers sollte die Arbeitsfront eine »wirkliche Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen« aufbauen.13 Diese sybillinisch anmutende Formel zielte in erster Linie auf die Arbeiterschaft als Adressaten. Diese war nicht nur die mit Abstand stärkste Sozialschicht der deutschen Bevölkerung. Sie hatte darüber hinaus bis 1933 die Bataillone des politischen Hauptfeindes der Nationalsozialisten, der sozialdemokratischen und der kommunistischen Arbeiterbewegung, gestellt. Die zentrale Aufgabe der Arbeitsfront bestand nun darin, die dahinterstehenden potentiell systemgefähr­denden Einstellungen zu entschärfen und auch in den proletarischen Schichten sukzessive nationalsozialistische Werte zu verankern. Die NS-Organisation sollte unter dem Primat des Bellizismus möglichst alle Arbeitnehmer zu pflichteifrigen und leistungsstarken »schaffenden Volksgenossen« umerziehen. Das wäre kaum möglich gewesen, wenn sich die Arbeitsfront nur auf die Rolle eines »Sklaventreibers«14 beschränkt hätte. Die DAF wie das Regime generell setzten keineswegs nur auf Zwang und Einschüchterung, sondern mindestens ebenso auf unterschiedlichste Formen von Anreizen und ›positiven‹ Angeboten, in der Absicht, mit diesen Lockungen bisher eher distanzierte Bevölkerungskreise zu integrieren und zu korrumpieren. Die DAF wurde dadurch nicht zu einer »Dienstleistungsorganisation« im ›klassischen‹ Sinne, wie kirchliche Wohlfahrtsverbände oder auch die Gewerkschaften und deren Suborganisationen. Dazu waren die repressiven und selektierenden Seiten der Arbeitsfront gerade ihren Mitgliedern gegenüber – de facto 13 Verordnung Hitlers vom 24. Okt. 1934. Dieser Führer-Befehl wurde zwar nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckt; er findet sich im Wortlaut jedoch in der überregionalen Tagespresse sowie zahlreichen Zeitschriften und wurde auch in der Folgezeit wiederholt publiziert, nicht zuletzt in den einschlägigen Periodika der DAF. Vgl. außerdem Thomas Blanke u. a. (Hg.), Kollektives Arbeitsrecht. Quellentexte zur Geschichte des Arbeitsrechtes in Deutschland, Bd. 2: 1933 bis zur Gegenwart, Reinbek 1975, S. 67 f. 14 So Franz L. Neumann, Mobilisierung der Arbeit in der Gesellschaftsordnung des Natio­nalsozialismus (1942), in: ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie. Aufsätze 19301934, hg. von Alfons Söllner, Frankfurt a. M. 1978, S. 255-289, hier: S. 269.

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die gesamte deutsche Arbeitnehmerschaft – zu stark ausgeprägt sowie ihr autoritärer und entmündigender Charakter zu offensichtlich. Aber die Arbeitsfront wies auch Eigenschaften einer Dienstleistungsorganisation auf – genauer, Kennzeichen einer Konformität fordernden, gleichzeitig alle »Gemeinschafts-« und »Rassefremden« exkludierenden Dienstleistungsorganisation. Sie stellte selektive Anreize bereit, die jene beanspruchen konnten, die bereit waren, sich in den Dienst der »Volksgemeinschaft« zu stellen und den NS-Rassekriterien entsprachen.15 Bekannte ›Dienstleistungen‹, oder besser: ›Lockangebote‹, waren der von der »Nationalsozialistischen Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹« (KdF) offerierte Massentourismus und zahlreiche weitere, aus der Sicht der Zeitgenossen durchaus attraktive Kultur- und Freizeitangebote. Die Arbeitsfront hatte in ihrer Rolle als volksgemeinschaftlicher Dienstleister aber noch mehr im Köcher. Nicht zuletzt ihre Unternehmen nutzte die DAF, um dem Regime und auch der eigenen Organisation innerhalb der Arbeitnehmerschaft Resonanz zu verschaffen. Die vielfältigen sozialen Produkte und Dienstleistungen, wie sie der DAF-Konzern im ›Angebot‹ hatte, also gesunde Wohnungen, Versicherungen oder Konten zu günstigen Konditionen, preiswerte Bücher, der Volkswagen und vieles andere mehr, sollten den deutschen »Volksgenossen« für den Nationalsozialismus einnehmen. Ob und in welchem Maße der DAF als politischer Organisation eine solche zunächst »negative« und schließlich »positive Integration«16 der Arbeitnehmerschaft in die »Volksgemeinschaft« gelang, kann hier nicht ausführlicher thematisiert werden und muss einer geplanten Gesamtdarstellung der Geschichte der Arbeitsfront vorbehalten bleiben. Gleichwohl sind an dieser Stelle einige Hinweise auf neuere konzeptionelle Ansätze unabdingbar.17 Michael Wildt und 15 In dieser Hinsicht unterschied sich die DAF nicht grundsätzlich (bzw. im Wesentlichen ›nur‹ durch die Aufnahme des Exklusionskriteriums »Rasse«) von großen, auf dem Prinzip der Zwangsmitgliedschaft basierenden Gewerkschaften. Vgl. Mancur Olsen, Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppe (3. Aufl.), Tübingen 1992, S. 71 ff.; ferner Siegenthaler, Geschichte und Ökonomie, S. 276-301. 16 Der zum Verständnis der Arbeitnehmerpolitik des NS-Regimes wichtige Begriff ist in die NS-Geschichte durch Günther Morsch (Arbeit und Brot. Studien zur Lage, Stimmung, Einstellung und Verhalten der deut­schen Arbeiterschaft 1933-1936/37, Frankfurt a. M. usw. 1993, hier: S. 10 f.) eingeführt worden. Er geht zurück auf Dieter Groh, Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1973, S. 36 ff. Vgl. auch Hachtmann, Koloss, S. 15 f. (und die dort genannte ältere Literatur). 17 Dass es problematisch ist, den Terminus »Volksgemeinschaft« angesichts seiner eng mit dem Nationalsozialismus verknüpften Begriffstradition zur analytischen Kategorie der NS-Forschung zu machen, sei wenigstens angemerkt – so sehr an dem hier nur angedeuteten Konzept die Weiterung des analytischen Blickes über die Ideologie hinaus auf die soziale Praxis und die Affirmation des Nationalsozialismus durch breite Bevölkerungsschichten überzeugt. Zur Etymologie des Begriffs und seiner inflationären Verwendung bereits in der Weimarer Republik vgl. Michael Wildt, Volksgemeinschaft

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andere haben die »Volksgemeinschaft« in das Zentrum ihrer Untersuchungen gestellt – und zwar »Volksgemeinschaft« nicht in erster Linie als NS-Ideologem, sondern als Ordnungskonzept und als soziale Praxis. Die »Volksgemeinschaft« blieb bis 1945 zwar eine diffuse Vision, allerdings eine, die das soziale Ordnungsgefüge des Dritten Reiches prägte und »auf die Formierung einer leistungs­ orientierten und hierarchisch gegliederten Gesellschaft mit den Mitteln der Erziehung der ›Gutgearteten‹ und der ›Ausmerze‹ der angeblich ›Ungearteten‹« zielte, wie Detlev Peukert vor dreißig Jahren formuliert hat.18 Dieser Aspekt einer systematischen Inklusion der »Volksgenossen« und einer ebenso systematischen Exklusion von »Gemeinschaftsfremden« ist – gerade auch für unseren Untersuchungs­gegenstand – zentral. Das Kriterium »gemeinschaftsfremd« war variabel und konnte politisch oder rassistisch definiert werden. Menschen, die auf der politischen Ebene als »gemeinschaftsfremd« stigmatisiert wurden, blieb die Chance zur Konversion. Sofern sie sich dem NS-Regime gegenüber passiv verhielten, auf aktive Opposition verzichteten und als »rassisch rein« klassifiziert wurden, galten selbst sozialistische Arbeiter als integrationsfähig; ihre Exklusion war relativ. Sie konnten von »Gemeinschaftsfremden« zu »Volksgenossen« werden; dass sie oft weiterhin misstrauisch beäugt wurden, ändert daran grundsätzlich nichts. Dieser Aspekt, die relative Offenheit der »Volksgemeinschaft« selbst für (frühere) politische Gegner, war von erheblicher Bedeutung für die ehemals gewerkschaftlichen Unternehmen und Genossenschaften – und deren Vorstände, Angestellte, Mitglieder sowie Kundschaft. Antisemitismus und Rassismus als Grenzlinien der »Volksgemeinschaft« Nach rassistischen Kriterien als »gemeinschaftsfremd« klassifizierten Menschen, d. h. vor allem den deutschen Juden, war hingegen eine Aufnahme in die »Volksgemeinschaft« definitiv versperrt, gleichgültig zu welchen Anpassungsleistungen sie bereit waren. Dieser Aspekt bestimmte ebenfalls maßgeblich die Geschäftspolitik des DAF-Unternehmenskomplexes. Der Antisemitismus war dem Konzern seit Mai 1933 eingeschrieben. Denn die DAF als politische Organisation entwickelte sich – neben der SA und der NSDAP  – schon bald zu einem treibenden, aktivistischen Element, das maßgeblich verantwortlich dafür war, dass jüdische Angestellte und Arbeiter unter oft entwürdigenden Umständen auf die Straße gesetzt wurden, lange bevor der als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939, Hamburg 2007, S. 26 ff., 54 ff. Zur nationalsozialistischen Begriffstradition seit Anfang der zwanziger Jahre: ebd., S. 64 ff. Vgl. außerdem Frank Bajohr/Michael Wildt (Hg.), Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2009. 18 So Detlev Peukert, Volksgenossen und Gemeinschafts­fremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Köln 1982, S. 295. Auf ihn bezieht sich auch Wildt (Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung, S. 13).

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einleitung NS-Staat die Entlassung von Juden durch förmliche Gesetze oder Verordnungen vorschrieb. Ley und die DAF-Führung gehörten zu den aggressivsten anti-

semitischen Scharfmachern und setzten ihre Organisation dafür ein, dass Juden auch im gesellschaftlichen Raum systematisch entrechtet wurden.19 Die ehemals gewerkschaftlichen Unternehmen wurden von der Arbeitsfront schon bald auf diese, auf eine rassisch homogene »Volksgemeinschaft« hin orientierte Exkludierungspraxis verpflichtet  – so deren Protagonisten diese nicht bereits selbst, aus Überzeugung, vorweggenommen hatten. Es war nur logisch, dass jüdische Arbeitnehmer frühzeitig entlassen wurden. Wie aber gingen die DAF-Unternehmen mit ihrer jüdischen Kundschaft um? Schafften sie hier Präzedenzfälle, die andere Unternehmen zwangen nachzuziehen, wollten diese nicht als »Judenfreunde« stigmatisiert werden? Welche Rolle spielten Unternehmen der Arbeitsfront, z. B. die Bank der Deutschen Arbeit, bei der mit dem Euphemismus »Arisierung« umschriebenen Enteignung der Juden? War das DAF-Geldinstitut hier besonders aktiv, oder lassen sich im Vergleich zu anderen Banken kaum Unterschiede feststellen? Der nationalsozialistische Rassismus prägte Ökonomie wie Politik ­nachhaltig, weit über den Antisemitismus hinaus. Angehörige vor allem osteuropäischer Völker galten, abgestuft, gleichfalls als minderwertig. Spätestens nach dem Überfall auf Polen und mit dem Vorrücken der Wehrmacht weiteten auch die DAF-Unter­nehmen ihre Aktivitäten auf den »neuen Osten« aus. Wie gingen sie mit den Angehörigen der rassistisch diskriminierten Völker um, mit ihnen als Arbeitskräften, vor allem aber als (potentiellen) Kunden? Selektierten sie die europäische Bevölkerung in den besetzten Gebieten und verbündeten Staaten als (potentielle) Kundschaft entsprechend den ideologischen Konzepten der Nationalsozialisten? Oder waren vor dem Hintergrund des unternehmerischen Ziels einer Umsatzsteigerung und Profitmaximierung um jeden Preis letztlich alle gleich, unabhängig davon, welcher Nation sie angehörten? Auch das Dienstleistungs- und Integrationsmotiv ist im Zusammenhang mit der Okkupation immer größerer Teile Europas durch deutsches Militär in veränderter Perspektive aufzunehmen: Suchten sich die DAF-Unter­nehmen über die »Volksdeutschen« hinaus auch gegenüber anderen, etwa gegenüber den als »rassisch verwandt« geltenden Flamen und Niederländern, als ›Dienstleister‹ zu profilieren? In welcher Weise konfligierte das rassistisch und in den Anfangsjahren auch politisch segregierende ›Dienstleistungs‹-Motiv mit dem profanen Ziel der Gewinnmaximierung und Umsatzsteigerung? Kam es vor diesem Hintergrund zu Friktionen zwischen betriebswirtschaftlich denkenden Unternehmensvorständen und den in erster Linie auf politische Ziele orientierten DAF-Verantwort­ 19 Vgl. exemplarisch Dieter Ziegler, Die Verdrängung der Juden aus der Dresdner Bank 1933 – 1938, in: VZG 47/1999, S. 187-216, bes. S. 205; ders., Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, München 2006, bes. S. 60 ff. – oder auch, exemplarisch für zahl­ reiche Lokalstudien, Wolf Gruner, Judenverfolgung in Berlin 1933-1945. Eine Chronologie der Behördenmaßnahmen in der Reichshauptstadt, Berlin 2009, z. B. S. 97, 108 u.ö.

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li­chen? Oder waren die Spannungen zwischen politisch-rassistischen Prämissen und ökonomischen Zielsetzungen gar nicht so stark, weil der Rassismus und eine entsprechende Praxis – auch für ›Normalunternehmen‹ – in der nationalsozialistischen Marktwirtschaft zu einer Selbstverständlichkeit und damit auch zu einer Norm betriebswirtschaftlichen Handelns wurde? Diese Frage ist auf alle Facetten der Praxis der DAF-Unternehmen hin zu erweitern. Franz Leopold Neumann hat im 1944 verfassten zweiten Teil seines »Behemoth« festgestellt, dass vor dem Hintergrund der Besetzung weiter Teile Europas und den räuberischen Aktivitäten zahlreicher Unternehmen in den besetzten Gebieten »die Praktiker der Gewalt mehr und mehr Unternehmer und die Unternehmer Praktiker der Gewalt« geworden seien.20 Inwieweit brachen die DAF-Unternehmen mit überkommenen – seriösen – Formen der Geschäftspolitik? In welcher Hinsicht übernahmen sie die immer offener zutage tretende barbarische Praxis des Regimes auch in die ökonomische Sphäre? Wurden die DAF-Unternehmen hier zu Vorreitern, zu Pionieren einer NS-spezifischen Unternehmenskultur? Oder bewegten sie sich lediglich im Mainstream, d. h. waren Veränderungen im geschäftspolitischen Stil, im Habitus der Repräsentanten des Konzerns usw. ganz ähnlich auch bei den anderen (Privat-)Unternehmen zu beobachten? Ökonomischer Unterbau des politischen Machtstrebens der Arbeitsfront Darüber, dass das polykratische Herrschaftssystem des National­sozialismus ­durch immerwährende, sozialdarwinistisch aufgeladene Konkurrenzen der Hauptakteure und -institutionen um Befugnisse und Machtansprüche charakterisiert war, ist sich die historische Forschung seit langem einig. Robert Ley und seine Arbeitsfront standen nicht zufällig im Zentrum dieser Machtkämpfe. Typisch für die DAF und ihren Leiter war ein nicht zu stillender Allmachtsanspruch auf zahllosen gesellschaftlichen Feldern. Damit hielt Ley auch gar nicht hinter dem Berg. Am 7. September 1936, zwei Tage vor Verabschiedung des »Vierjahresplanes«, mit dem die Phase der forcierten Aufrüstung eingeleitet wurde, machte Robert Ley in einer Anordnung21 an die nach Zehntausenden zählen20 Neumann, Franz L., Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 19331944, Frankfurt a. M., (EA 1942/44), S. 660. 21 »Grundsätzliche Anweisungen« Leys, Anordnung 45/46, vom 7. Sept. 36, in: Informationsdienst der DAF, S. 146-150. In den DAF-Publikationen wurde diese Anordnung, in der die Termini »Totalitätsanspruch« bzw. »Totalitätsgedanke« mehrfach und an zentraler Stelle vorkamen, in der Folgezeit wiederholt abgedruckt. In Auszügen ferner in: Tilla Siegel, Rationalisierung statt Klassenkampf. Zur Rolle der DAF in der nationalsozialistischen Ordnung der Arbeit, in: Hans Mommsen (Hg.), Herrschaftsalltag im Dritten Reich, Düsseldorf 1988, S. 97-149, hier: S. 175 ff. Vgl. außerdem Matthias Frese, Betriebspolitik im ›Dritten Reich‹. Deutsche Arbeitsfront, Unternehmer und Staatsbüro­kratie in der west­deutschen Großeisenindustrie 1933-1939, Paderborn 1991, S. 220 ff.

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den hauptamtlichen DAF-Funktio­näre22 den »Totalitätsanspruch« ausdrücklich zur handlungsleitenden Richtschnur ›seiner‹ Organisation.23 Diese »Grundsätzlichen Anweisungen« Leys, eine Art Selbstermächtigungsgesetz, basierten auf einer Verordnung, die Hitler am 24. Oktober 1934 auf Veranlassung Leys herausgegeben hatte, und legten die in ihrem Wortlaut interpretationsfähige »Führer«-Ver­ord­nung eigensinnig und einseitig zugunsten der DAF aus. Mit der Verordnung vom Herbst 1934 hatte Hitler die Arbeitsfront zur »Organisation aller schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust« gemacht und ihr die Aufgabe der »Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen« übertragen.24 Dieser »Befehl« des »Führers«25 und noch stärker die »Grundsätzlichen Anweisungen« Leys knapp zwei Jahre später legitimierten einen maßlosen »Verbandsimperialismus« (Timothy Mason)26 der Arbeitsfront, der Auswirkungen auch auf das Selbstverständnis und die Politik ihrer Unternehmen haben musste. Es liegt vor diesem Hintergrund nahe anzunehmen, dass der DAF-Konzern das unausgesprochene politische Ziel der Führung um Robert Ley, die Arbeitsfront zu einem »Staat im Staate« zu machen und das »Dritte Reich« von innen heraus zu beherrschen,27 ökonomisch fundieren sollte. Aber in welcher Weise geschah dies genau? Die Arbeitsfront war ein umtriebiger Akteur auf den politischen Bühnen des Dritten Reiches. Sie begnügte sich nicht mit Befugnissen, die ihr irgendwann einmal zugewiesen worden waren, sondern versuchte, sich sukzessive weitere, quasi-staatliche Kompetenzen anzueignen. In einer Reihe von 22 Ende 1935 waren 29.513 Funktionäre hauptamtlich für die Arbeitsfront tätig; bis Kriegsbeginn wuchs ihre Zahl auf 43.796, Mitte 1942 lag sie nominell bei 48.791. Von diesen wurde vor allem seit 1941 allerdings ein rasch wachsender Prozentsatz zur Wehrmacht einberufen (Juni 1942: 33,4 %). Neben den Hauptamtlichen waren außerdem (1939:) zwei Millionen ehren­amtliche Funktionäre für die DAF aktiv. Vgl. Hachtmann, ­Koloss, S. 19, 349. 23 Konkret bezog sich der Totalitäts-Begriff u. a. auf das Gesamtgebiet der sozialpolitischen »Betreuung und beruflichen Weiterbildung«, auf das Sozialrecht, einschließlich des individuellen Arbeitsrechts, sowie auf die »Betreuung am Arbeitsplatz im Sinne der Leistungsgemeinschaft«. 24 Vgl. Anm. 13. Zum Rechtscharakter dieser Hitler-Verordnung vgl. Kapitel 2, S. 62. 25 »Führerbefehle« mussten zu diesem Zeitpunkt noch rechtsförmigen Charakter annehmen. Das änderte sich in den Vorkriegsjahren. Alles, was Hitler irgendwie – und gleichgültig vor welchem Forum – geäußert hatte, galt seitdem als »Befehl«. Vgl. Dieter Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. Verfassungsentwicklung und Verwaltungspolitik 1939-1945, Stuttgart 1989, S. 379; Bach, Die charismatischen Führerdiktaturen, S. 101. Die durch keinerlei (konkurrierendes) Recht eingeschränkte Verbindlichkeit der Hitler-Befehle begünstigte nicht zuletzt die Expansion des DAFKonzerns: Während des Krieges reichte ein formloses Schreiben Hitlers an den Reichswirtschaftsminister, um diesen zu veranlassen, die Reste der Konsumgenossenschaften der DAF zu übereignen, damit diese daraus ihr Deutsches Gemeinschaftswerk aufbauen konnte. Vgl. Kapitel 7, S. 396 f.. 26 Timothy W. Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich, Opladen 1977, bes. S. 175 ff. 27 Zu Leys Ziel, die DAF zu einem »Staat im Staate« zu machen, vgl. Hachtmann, Koloss, bes. S. 57 ff.

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Fällen gelang ihr dies auch tatsächlich. Welche Rolle spielten die Unternehmen der Arbeitsfront für die Aneignung quasi-staatlicher Befugnisse? Wurden die Unternehmen im Ringen um politische und staatliche Macht und Einfluss zum Argument, der Arbeitsfront neue Aufgabenfelder zuzuweisen? Brach die Existenz von DAF-Unternehmen auf bestimmten ökonomischen Feldern politischen Kompetenzansprüchen Leys überhaupt erst Bahn? Wenn die Arbeitsfront die angestrebten Befugnisse schließlich gewonnen hatte: Fungierten ihre Unternehmen dann als eine Art behördlicher Unterbau? Wie prägte der Ley’sche Totalitätsanspruch die Unternehmenspolitik und Unternehmenskultur des Konzerns? Das Wirt­schaftsimperium der Arbeitsfront war vielfältig verästelt, und in den einzelnen Branchen konnten die Konstellationen stark differieren. Ist deshalb und auch mit Blick auf die teilweise sehr unterschiedlichen Vorgeschichten der einzelnen Unternehmen eher im Plural von ›Unternehmenskulturen‹ zu sprechen? ›Unternehmenskultur‹ lässt sich zudem nicht einfach durch das Management von oben nach unten durchsetzen oder gar oktroyieren. Andere soziale Gruppen im Unternehmen, etwa die einfachen Beschäftigten, aber auch der Umgang mit den Kunden, beeinflussen gleichfalls die jeweilige ›Unternehmenskultur‹ und betriebliche Atmosphäre.28 Gerade in Genossenschaften sowie Unternehmen, die aus der Tradition der sozialistischen Arbeiterbewegung kamen, konnten derartige  – zumeist implizite  – ›Aushandlungsprozesse‹ ziemlich konfliktgeladen sein. Deshalb verbieten sich allzu pauschale Antworten. Das stete Streben der DAF-Führung nach Machterweiterung führt dennoch zu einer Reihe von Fragen, die vor allem auf die ›Kultur‹ der Vorstände zielen und letztlich alle Konzernteile betreffen: Zeigten sich die Unternehmen der Arbeitsfront aggressiver als ihre privaten Konkurrenten? Bedienten sie sich politischer Hebel, um ökonomische Zielsetzungen zu realisieren? Wenn ja: in welcher Weise? Die Nähe zur politischen Macht ist der Hauptgrund dafür, dass in der vorliegenden Untersuchung der Terminus »Wirtschaftsimperium« für den Gesamtkomplex der DAF-Unternehmen gehäuft verwendet wird. In Lexika, z. B. dem zeitgenössischen Volks-Brockhaus,29 wird »Imperium« schlicht mit »Großreich« gleichgesetzt. Tatsächlich war die Arbeitsfront ja auch einer von zahlreichen Herrschaftsträgern des nationalsozialistischen ›Großreiches‹. Großreiche wiederum sind in aller Regel nicht nur politisch und militärisch basiert, sondern auch ökonomisch. Die ökonomische Verankerung des Herrschaftsträgers DAF in der nach 1933 weiter bestehenden Marktwirtschaft über die dieser Organisation im Gefolge der NS-Machtergreifung angegliederten Unternehmen ist gemeint, wenn hier vom »Wirtschaftsimperium« der Arbeitsfront gesprochen 28 Vgl. dazu etwa Thomas Welskopp, Unternehmenskulturen im internationalen Vergleich – oder integrale Unternehmensgeschichte in typisierender Absicht?, in: Hartmut Berghoff/Jakob Vogel (Hg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivwechsels, Frankfurt a. M. 2004, S. 265-294, bes. S. 269 ff. 29 Der Volks-Brockhaus. Deutsches Sach- und Sprachwörterbuch für Schule und Haus, siebente, verbesserte Auflage, Leipzig 1939, S. 307.

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wird. Der Begriff verweist auf die diese Untersuchung tragende und für die Arbeitsfront exemplarisch aufgeworfene Frage nach den Verflechtungen von Wirtschaft und Politik in der Zeit des Nationalsozialismus – die sich nicht auf einen Primat der Ökonomie oder der Politik reduzieren und dann mit einem simplen Pro oder Contra beantworten lässt. Er zielt nicht zuletzt auf die mit politischer Herrschaft gepaarten und verflochtenen ökonomischen Praxen und Potenzen der in Rede stehenden Unternehmen. Welcher ökonomischen und politischen Mittel bediente sich der DAF-Kon­zern, um Marktanteile abzusichern und auszubauen? Auch die im Terminus ›Imperium‹ mitschwingende militärische Dimension spielt für die vorliegende Darstellung eine Rolle. Dass sich die DAFUnternehmen die Unterwerfung weiter Teile Europa durch das NS-Regime und die Wehrmacht zunutze machten, liegt auf der Hand. Aber wie unmittelbar folgten die DAF-Unternehmen den Spuren der Wehrmacht auf ihren Eroberungszügen durch Europa? Wie gestaltete sich ihr Verhältnis zu den Militärstellen und sonstigen Besatzungsbehörden im besetzten Europa, wie wurde es für die Unternehmensexpansion genutzt? Auch der Begriff »Konzern« findet im Folgenden Verwendung. Zu bedenken ist allerdings, dass das DAF-Wirtschaftsim­perium so wenig ein kompakter Konzern wie das Unternehmenskonglomerat war, das sich Friedrich Flick zusammenkaufte.30 Das wirtschaftliche Imperium, über das die DAF verfügte, war ein firmenrechtlich verschachteltes, politisch geführtes Geflecht an Unternehmen,31 die ansonsten ziemlich selbständig und in den unterschiedlichsten Branchen tätig waren. Auch diese Feststellung wirft Fragen auf, die im Folgenden ausführlicher diskutiert werden: Blieben die Unternehmen in den zwölf Jahren der NS-Diktatur so (relativ) unverbunden, wie sie die Arbeitsfront 1933 übernahm? Oder machte die politische Führung der DAF Anstrengungen, ihren über zahlreiche Industriezweige verstreuten Unternehmenskomplex, nach welchen Kriterien auch immer, zu einem Konzern im engeren Sinne umzubauen? Denkbar wäre auch eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung: Wirkten der ­polykratische Charakter des Regimes und ebenso die gerade auf der Leitungs30 Analogien des DAF-Unternehmenskonglomerats zum Flick-Imperium drängen sich auf bes. nach der Lektüre von: Werner Plumpe, Flicks Karrieren. Ein Kapitel deutscher Unternehmensgeschichte aus dem 20. Jahrhundert, in: Neue Politische Literatur 53/2008, S. 5-14, bes. S. 6 (Rezension zu: Kim Christian Priemel, Flick. Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, Göttingen 2007). 31 Der Unternehmensbegriff ist hier nicht ausführlicher zu diskutieren. Wichtig für das Folgende ist an dieser Stelle allerdings der Hinweis, dass alle Unternehmen  – in allen Systemen und modernen Gesellschaftsformationen  – in einem auch politischen Umfeld agieren. Es wäre grob irreführend zu behaupten, dass sich die Unternehmen erst ab 1933, und noch dazu unter Zwang, ›politisiert‹ hätten. Was sich änderte, waren die Formen und konkreten Qualitäten des Umfeldes, auf das die Unternehmen ihre Geschäftspolitiken auszurichten hatten. Zum Unternehmensbegriff vgl. z. B. den guten Überblick bei Michael C. Schneider, Unternehmensstrategien zwischen Weltwirtschaftskrise und Kriegswirtschaft. Chemnitzer Maschinenbauindustrie in der NS-Zeit 1933-1945, Essen 2005, bes. S. 19 f. (und die dort genannte ältere Literatur).

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ebene aufgesplitterte politische Organisation »Deutsche Arbeitsfront« mit ihren zahllosen Tätigkeitsfeldern zersetzend auch auf die innere Kohärenz des Konzerns? Zu fragen ist des Weiteren, ob die engen Beziehungen der DAF-Unternehmen zu ihrer Mutterorganisation tatsächlich vor allem von Vorteil waren – wie man zunächst anzunehmen geneigt ist. Welche Bereitschaft zeigten die Funktionäre der Arbeitsfront, sich konkret für die DAF-Unternehmen zu engagieren? Verschaffte die Nähe zur DAF einen Zugang zu Kundenpotentialen, den man auf ›normalem‹ Wege womöglich nicht erhalten hätte? Von der NS-Forschung ist wiederholt betont worden, dass der Ruf der Arbeitsfront in breiten Bevölkerungsschichten – nicht nur im Bürgertum und in den Mittelschichten, sondern auch in der Arbeiterschaft – keineswegs der beste war. Welche Nachteile hatte die Nähe zur Arbeitsfront für die einzelnen Segmente des Konzerns? Die Frage nach den Vor- oder Nachteilen des Umfeldes ist nicht nur mit Blick auf die Kundenpotentiale zu diskutieren. Welche Beziehungsnetze, die es erleichterten, Aufträge zu akquirieren, Lizenzen für Auslandsfilialen zu erhalten, ›Tochtergesellschaften‹ in den besetzten Gebieten zu erwerben usw., bauten die DAFUnternehmen über den engeren Rahmen der Arbeitsfront hinaus zu wichtigen Protagonisten des Regimes auf ? Denkbar wäre, dass die Verbindung mit der verbandsimperialistischen, ständig auftrumpfenden Arbeitsfront zu einer Isolierung der Vorstände oder Geschäftsführer ihrer Unternehmen innerhalb der reichsdeutschen Wirtschaftselite führte. Diese Frage wiederum schließt weitere ein, z. B.: Wie waren die DAF-Unternehmen in den Organen der ›Wirtschaftlichen Selbstverwaltung‹, also der Reichswirtschaftskammer, den Reichs-, Wirtschafts- und Fachgruppen vertreten? Und ganz generell: Wie reagierten die Konkurrenten auf die DAF-Unternehmen – namentlich, wenn diese zu deren Nachteil ihre Beziehungen zur Arbeitsfront spielen ließen? In diesem Zusammenhang sind die Befürchtungen zu thematisieren, die ein aggressives Auftreten von Arbeitsfront-Unternehmen unter privatwirtschaftlichen Konkurrenten hervorrief. Zwar wurde das Prinzip einer konkurrenz­ basierten Marktwirtschaft und mit jener der Grundsatz des Privateigentums an Produktionsmitteln von den Entscheidungsträgern der Hitler-Diktatur zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage gestellt.32 Aber galt dieses wirtschafts­ politische Credo auch für die DAF? Die Arbeitsfront und namentlich ihr Chef waren bekannt für populistische Phrasen. Sie waren schnell bei der Hand, wenn es darum ging, die Praxis des Hitler-Regimes und der Arbeitsfront als »sozialistisch« zu etikettieren. Waren derartige Attributierungen nur Rhetorik, oder wurden damit langfristige Zielperspektiven angedeutet? Wenn Konkurrenten um Macht und Einfluss Ley und der Arbeitsfront eine Neigung zur Verstaatlichung oder monopolistische Bestrebungen vorwarfen: Waren solche Kritiken ernst gemeint? Oder standen ganz andere Absichten dahinter? Verbargen sich dahinter Versuche von Rivalen, Robert Ley samt seiner gerade auch finanziell 32 Vgl. Kapitel 1, bes. S. 48, 54 f., und Kapitel 10, S. 573-579.

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und wirtschaftlich potenten Massenorganisation ins Abseits zu stellen? Suchte man nach Vorwänden, um den unternehmenspolitischen Expansionismus des DAF-Konzerns zu zügeln? Wollte man diesen, da man ihm ökonomisch nicht beikommen konnte, mit politischen Mitteln beschneiden? Eine Darstellung des DAF-Wirtschaftsimperiums kommt infolgedessen nicht umhin, Schlaglichter auch auf einige der relevanten politischen Bühnen des Dritten Reiches zu werfen und die Positionen der wichtigsten Kontrahenten der Arbeitsfront in groben Zügen zu umreißen, etwa die Haltungen von Heß, Schacht, Funk, Göring, Todt und Speer, aber auch die der zentralen Protagonisten in den Reihen der einschlägigen Wirtschaftsorganisationen. Öffentlich-rechtliches Unternehmen, Staatsbetrieb oder privater Konzern? Eine Trennung von »Partei« und »Staat« war schon bald faktisch kaum mehr möglich, und auch die Scheidung in staatlich-öffentlich und privatwirtschaftlich wurde auf vielen Feldern zunehmend schwieriger. Für den DAF-Konzern wirft dies eine Reihe von Fragen auf. Zu bedenken ist zunächst, dass die Trennung in staatlich-öf­f ent­li­che Auf­gaben einerseits und privatwirtschaftliche Aktivitäten andererseits ohnehin künstlich ist. Staatliche oder öffentlich-recht­liche Funktionen wurden immer schon an kommerziell agierende Unternehmen delegiert33 und werden dies heute mehr denn je. Gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigt sich in hochindustrialisierten Gesellschaf­ten in aller Deutlichkeit, wie porös hier die Grenze ist. Es bilden und bildeten sich Grauzonen, die weder der einen noch der anderen Sphäre eindeutig zuzuordnen sind. Es bleibt indessen die Frage, inwieweit spezifische Formen der Verknüpfung von staatlich-öffentlichen Funktionen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten zu einer Signatur des NS-Regimes wurden. Eine genauere Betrachtung des Unternehmenskomplexes, dessen Nähe zu politischstaatlichen Funktionsträgern unübersehbar war bzw. der sich gar, wie der DAFKonzern, im Besitz eines dieser Funktionsträger befand, wird hier genaueren Aufschluss bieten können. Öffentliche Unternehmen sind nicht zwingend mit Infrastrukturprojekten verbunden. Ob ein Betrieb als »öffentlich« oder »staatlich« zu klassifizieren ist, hängt ausschließlich von der Eigentümerstruktur ab. Teil des Staates war die DAF nicht – auch wenn die Organisation sich sukzessive staatliche Befugnisse anmaßte. Mindestens ebenso zweifelhaft ist, ob die Arbeitsfront als »öffentliche« Körperschaft zu klassifizieren ist. Ebenso wenig waren die DAF-Unternehmen 33 Z. B. an die Turnpike-Trusts, die englische Großgrundbesitzer und/oder »bürgerliche« Kapitalanleger ab dem 16. Jahrhundert gründeten. Sie übernahmen quasi-staatliche Funktionen, als sich in England eine räumlich arbeitsteilige Industrie zu entwickeln begann. Die Besitzer dieser Trusts mobilisierten umfangreiche Kapitalien für den Bau von Überlandstraßen und durften dann für deren Nutzung Gebühren kassieren. Übernommen wurde diese Variante privat-öffentlicher Kooperation unter dem Begriff »Mautsystem« später bekanntlich von vielen Staaten.

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»privat«, auch wenn sie firmenrechtlich als Aktiengesellschaften oder »Gesellschaften mit beschränkter Haftung« (GmbH) organisiert wurden. Wie also sind die Unternehmen der Arbeitsfront zu kategorisieren? Die Frage, ob das Unternehmenskonglomerat der Arbeitsfront als privatkapitalistischer Konzern anzusprechen sei oder ob es sich um Unternehmen der »öffentlichen Hand« handelte, war bereits unter den Zeitgenossen umstritten. Die wirtschaftsnahe »Berliner Börsen-Zeitung« konstatierte am 4. Oktober 1941, dass die DAF-Wirtschaftsunternehmen »in den Untersuchungen des Statistischen Reichs­amtes nicht als ›öffentlich‹ geführt [würden], da ihre Gesellschafts­kapitalien sich weder unmittelbar noch mittelbar in den Händen einer Gebietskörperschaft befänden«. Dieser Zuordnung der amtlichen Statistik, die darauf hin­auslief, den Konzern der Arbeitsfront als »privat« zu kategorisieren, wollte sich die Börsen-Zei­tung nicht anschließen. Denn »für die wirtschaftliche Praxis werden diese Gesellschaften dennoch zum öffentlichen Sektor gerechnet, nicht weil sie großenteils die Form von Aktiengesellschaften haben, sondern im Hinblick auf die Persönlichkeit des Besitzers und seine unternehmerische Haltung«. Eine solche Stellungnahme wirft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten bietet. Welche »unternehmerische Haltung« zeigte Robert Ley? Lässt sich die Zuordnung eines Unternehmens zu den genannten Grobkategorien an die Haltung ihres Besitzers binden (der Ley ja eigentlich nicht war – er besaß nur eine weitgehende Verfügungsgewalt über die Unternehmen ›seiner‹ Organisation)? Entsprach die »wirtschaftliche Praxis« der DAF-Unternehmen tatsächlich, wie die Berliner Börsen-Zeitung suggerierte, den öffentlich-rechtlichen Betrieben oder den Wirtschaftsunternehmen, die sich in staatlichem Besitz befanden? Oder agierten diese wie ganz gewöhnliche Unternehmen? Die Reihe an Fragen ließe sich fortsetzen. Deutlich wird jedenfalls, dass die gängigen Kategorisierungen unbefriedigend bleiben. Ein Gutteil der Schwierigkeiten, den DAF-Konzern in üblichen rechtlichen oder funktionalen Kategorien zu fassen, liegt im schillernden Charakter der Mutterorganisation begründet. Dass die Arbeitsfront keine Gewerkschaft war (und ebenso wenig eine Quasi- oder Pseudo-Gewerkschaft), dürfte inzwischen unbestritten sein. Aber was war sie stattdessen? Nicht zuletzt die politischen Rivalen Leys und der Arbeitsfront sahen sich immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Arbeitsfront wie ein Aal allen Versuchen einer eindeutigen Kategorisierung entwand. Eines allerdings war eindeutig: Zentrale Aufgabe der DAF war es, die breiten Arbeitnehmerschichten und hier nicht zuletzt die bis 1933 zu erheblichen Teilen antifaschistisch gesinnte Arbeiterschaft mit dem Nationalsozialismus zu versöhnen und in eine angestrebte deutsche »Volks- und Leistungsgemeinschaft« zu integrieren. Zu diesem Zweck wurde die Arbeitsfront auf allen möglichen gesellschaftlichen Feldern aktiv und maßte sich schon bald auch staatliche Befugnisse an. Es gab also durchaus gute Gründe, auch den Konzern dem »öffentlichen Sektor« zuzurechnen. Aber nahmen die DAF-Unter­ nehmen tatsächlich »öffentliche« Aufgaben wahr? Auf zentralen Feldern dessen, was im engeren Sinne gemeinhin unter »Infrastruktur« sub­sumiert wird (Bil-

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dungswesen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung, öffentliche Verkehrsmittel u.ä.), wurden die DAF-Unternehmen nicht tätig. Zwar konnte die Arbeitsfront als politische Organisation erheblichen Einfluss im Bildungs­bereich34 gewinnen  – vor allem in der beruflichen Bildung. Aber gerade auf diesen Feldern wurde der Konzern der Arbeitsfront nicht unmittelbar aktiv. In einem traditionellen Sinne wurde die DAF zwar nicht »öffentlich« tätig. Aber in einem veränderten, NS-spezifischen Sinne nahm sie durchaus politischöffentliche Aufgaben wahr. Die Führung der Arbeitsfront nutzte (auch) ihren Konzern, eine »Volks- und Leistungsgemeinschaft der Deutschen« zu errichten, und baute die enteigneten Genossenschaften und Gewerkschaftsunternehmen zu einem ›volksgemeinschaftlichen Dienst­leister‹ um. Über die bereits skizzierten Bedeutungen hinaus soll der Begriff ›volksgemeinschaftlicher Dienst­leister‹ auch auf die Pervertierung des ›Erbes‹ verweisen, das der DAF zufiel: Das Prinzip der klassenbezogenen Solidarität, das für die Gründung der gewerkschaftsnahen Unternehmen und Genossenschaften Pate gestanden hatte und keine Stigmatisierungen nach konfessioneller oder nationaler Herkunft kannte, wurde 1933 abgelöst durch eine rhetorisch auf das gesamte, rassistisch definierte ›Volk‹ ausgeweitete ›Vergemeinschaftung‹, die sozialpaternalistisch überwölbt war – und mithin ganz anderen, geradezu entgegengesetzten Organisationsprinzipien folgte als denen, die für Unternehmen und Genossenschaften der Arbeiter­ bewegung maßgeblich gewesen waren. Die Unternehmen der linken Gewerkschaftsbewegung waren  – mit klassenkämpferischer Akzentsetzung  – unter dem Aspekt der solidarischen Selbsthilfe gegründet worden. Sie arbeiteten zwar nach betriebswirtschaftlichen Kriterien kostendeckend und konnten durchaus auch ansehnliche Ge­winne erwirtschaften. Diese wurden jedoch nicht privat angeeignet. Ihrem Selbstverständnis und ihrer Funk­tionsweise nach waren sie Non-Profit-Unter­nehmen, die alle Gewinne sozialen (und politischen) Zwecken zuführten. Insbesondere für die Konsumgenossenschaften, aber auch für die Bauproduktiv- und die Wohnungsgenos­sen­schaften gehörte außerdem der Grundsatz der Selbstorganisation zum Kernbestand des Selbstverständnisses.35 Indem bei den Wohnungs34 Zu den Aktivitäten der DAF vor allem im Bereich der beruflichen Bildung vgl. vor allem Theo Wolsing, Untersuchungen zur Berufsausbildung im Dritten Reich, ­Ka­stel­laun 1977. Zu den Forschungseinrichtungen der Arbeitsfront und ihren Plänen für den Aufbau eines Wissenschaftsimperiums vgl. die Hinweise bei Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im Dritten Reich: Die Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 2, Göttingen 2007, S. 705, 927-930, sowie demnächst ders., Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie und die Deutsche Arbeitsfront, in: Hans-Ulrich Thamer/Theo Plesser (Hg.), Geschichte des KWI/MPI für Arbeitsphysiologie, des MPI für molekulare Physiologie und des Dortmunder Instituts für Arbeitswissenschaft, Stuttgart 2012. 35 Sie wurde durch das (genossenschaftstypische) Einstimmen-Prinzip der Mitglieder abgesichert, durch das einer Ungleichheit unter den Mitglieder (durch den Kauf zahlreicher Genossenschaftsanteile) vorgebeugt werden sollte. Zum (historischen) Begriff »Genossenschaft« vgl. Michael Prinz, Das Ende der Konsumvereine in der Bundes­

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genossenschaften Mieter und Vermieter, bei den Produktivgenossenschaften Arbeitgeber- und Arbeitnehmerfunktionen und bei Konsumgenossenschaften Einkäufer und Käufer, Produzent, Händler und Konsument in bestimmter Hinsicht »identisch« waren, transzendierten diese tendenziell kapitalistische Marktwirtschaften. Indem die Wohn- und Konsumgenossenschaften eine Art direkter Mieter- und Konsumentendemokratie praktizierten, verlagerten sie Funktionen und Mechanismen, die ansonsten gesamtwirtschaftlich über einen anonymen Markt vermittelt werden, in ihr Inneres und stellten vom Grundsatz her so etwas wie demokratische, basisnahe Planwirtschaften dar. Diese Zielstellung war Programm. Die Protagonisten der sozialdemokratischen Genossenschaftsbewegung wollten so »auf friedlichstem Wege zu der Überführung eines immer größeren Teils unserer Volkswirtschaft aus der Kapitalwirtschaft in die Sozialwirtschaft« gelangen.36 Folgerichtig waren sie den Repräsentanten der Marktwirtschaft in Staat und Arbeitgeber­verbänden ideologisch ein Dorn im Auge und im selbständigen Mittelstand verhasst. Aber nicht nur die Genossenschaften im engeren Sinne waren Non-ProfitUnter­nehmen und auf das Prinzip solidarischer Selbsthilfe geeicht. Auch z. B. die »Volksfürsorge« war bis 1933 diesen Prinzipien verpflichtet, wenn sie mit preis­ werten und gesicherten Kleinlebensversicherungen ­einkommensschwächeren Arbeitnehmerschichten ein Minimum an sozialer Sicherung anbot. Abgeschwächt gilt dies selbst für die »Deutscher Ring«-Versicherun­gen (DR-Versiche­rungen) des Deutsch­nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV), die Bedürfnissen ihrer Klientel, des neuen und alten Mittelstands, gerecht zu werden suchten, indem sie nicht gesetzlich versicherten Mitgliedern des DHV oder mit diesem Verband sympathisierenden (kleinen) Selbständigen erschwingliche private Krankenpolicen offerierten. Selbst für die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten«, die 1933 in »Bank der Deutschen Arbeit« (im Folgenden auch: Arbeitsbank) umbenannt wurde, war Gewinnorientierung bis zur NS-Machtergrei­ fung ein eher zweitrangiges Motiv; sie wollte den Mitgliedern der linken Arbeiterbewegung in erster Linie als eine Art Arbeiter-Spar­kas­se dienen, mit sicheren Kleinkonten zu günstigen Konditionen, und fungierte außerdem als Hausbank des ADGB und der Sozialdemokratie. Auch beim Langen-Mül­ler-Verlag, bei der Hanseatischen Verlagsanstalt, der Deutschen Hausbücherei des DHV und ebenso der Büchergilde Gutenberg der sozialdemokratischen Gewerkschaften, mit dem angeschlossenen Buchmeister-Ver­lag, weiteren Kleinverlagen sowie den Buchhandlungen und Druckereien, die sich die DAF 1933 angegliederte, stand Gewinnmaximierung nicht an erster Stelle. Allerdings wird man sie nur sehr eingeschränkt als eine Art kultureller ›Selbsthilfe‹ klassifizieren können, auch republik Deutschland. Traditionelle Konsumentenorganisation in der historischen Kon­tinuität, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1993/2, S. 159-188, hier: S. 160. 36 Jahrbuch des Zentralverbands Deutscher Konsumvereine 18/1920, Bd. 1, S. 139, nach: Christoph Buchheim, Die deutschen Konsumgenossenschaften in der Weimarer Zeit – eine scheiternde Bewegung für Wirtschaftsreform, in: Scripta Mercaturae. Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 16/1982, Heft 2, S. 51-69, Zitat: S. 52.

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wenn sie zum Teil anspruchsvolle Literatur zu erschwinglichen Preisen anboten. Sie sollten vor allem eine politisch-pä­dagogische Funktion erfüllen, nämlich die jeweilige Klientel des DHV bzw. des ADGB und der SPD im Sinne dieser Verbände politisch-weltanschaulich beeinflussen. Mit dem Prinzip solidarischer Selbsthilfe wurde 1933 rigoros gebrochen; das Selbstverständnis wie die Praxis insbesondere der freigewerkschaftlichen Unternehmen sowie die ihnen zugrunde gelegten zentralen emanzipatorischen Prämissen und Traditionen der organisierten Arbeiterbewegung wurden in ihr Gegenteil verkehrt. Dadurch, dass die Unternehmen einer nach dem Prinzip strikter Über- und Unterordnung aufgebauten, führerzentrierten und extremrassistischen Organisation übereignet wurden, verloren sie freilich nicht ihren politischen Charakter. Auch weiterhin waren alle Unternehmen, die der Arbeitsfront im Mai 1933 als ›Aussteuer‹ in den Schoß fielen, keine ›normalen‹ Unternehmen in dem Sinne, dass für sie die Erzielung eines möglichst hohen Profits alleiniger oder prioritärer Zweck gewesen wäre. Sie folgten weiterhin über­ geordneten Zwecken, nun allerdings ganz anderen als vor 1933. Dieser veränderten Dimension des ›Politischen‹ ist nachzugehen. Hier lediglich das Etikett »nationalsozialistisch« einzusetzen, reicht nicht. Denn der Nationalsozialismus war zu keinem Zeitpunkt eine konsistente oder gar geschlossene Ideologie. Er war vielmehr ein Konglomerat aus unterschiedlichsten politisch-weltanschau­lichen Ver­satzstücken, das sich um einen Kern an zentralen Ideologemen rankte,37 die wiederum elastisch unterschiedlichsten Konstellationen angepasst werden konnten. Fragen an das Innenleben des DAF-Wirtschaftsimperiums Formalrechtliche Zuschreibungen wie »öffentlich«, »staatlich« und »privat« sowie überhaupt tradierte politische wie ökonomische Kategorien verlieren für die Zeit der NS-Diktatur an heuristischer Kraft. Dieser Umstand ist auch für die Darstellung des Innenlebens des Unternehmenskonglomerats, das die DAF ihr Eigen nannte, zu berücksichtigen. Die Formulierung ›Innenleben‹ zielt dabei auf vier Ebenen. Erstens auf die Verhältnisse innerhalb der einzelnen Unternehmen: Wie lassen sich diese beschreiben und charakterisieren? Agierten die Unternehmensspitzen einvernehmlich, oder entwickelten sich unter den leitenden Akteuren ›geschäftsstörende‹ Rivalitäten? Auch die Veränderungen der Belegschaftsstrukturen und deren Folgeerscheinungen sind in den Blick zu nehmen. Kam es ab 37 Aller Inkonsistenz und relativen Pluralität zum Trotz lässt sich ein Weltanschauungsfeld des Nationalsozialismus identifizieren, dass von Anfang bis Ende handlungs­ leitend blieb und um drei zentrale Aspekte kreiste. Erstens war der Nationalsozialismus rassistisch. Zweitens war der unbedingte Wille zur Unterdrückung aller Varianten einer selbständigen Arbeiterbewegung fundamental handlungsleitend, nicht nur für die DAF, für diese allerdings in besonders starkem Maße, und drittens folgte der Nationalsozialismus seit 1933 einem Primat des Bellizismus.

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Mitte der dreißiger Jahre zu einer »Feminisierung« der Beschäftigten, in ähnlichen Dimensionen, wie sie in der gesamten Industrie bzw. der Finanzwirtschaft zu beobachten war? Wie stark wurde arbeitsorganisatorisch und fertigungstechnisch rationalisiert? Weiter ist zu untersuchen, ob es zu Friktionen zwischen alteingesessenen Beleg­schaftsteilen auf der einen und neu eingestellten »Alten Kämpfern« auf der anderen Seite kam und wie sich dies auf die jeweilige ›Unternehmenskultur‹ auswirkte. Inwieweit entwickelten sich Teilbereiche des DAF-Konzerns als ehemals freigewerkschaftliche Unternehmen vielleicht gar zu Refugien sozialdemokratischer oder kommunistischer Resistenz? Zweitens ist das Schlagwort ›Innenleben‹ auf das Verhältnis zwischen den einzelnen Unternehmen zu beziehen. Wie entwickelten sich z. B. die Beziehungen zwischen der Volksfürsorge und den Versicherungen des »Deutschen Ringes« oder die zwischen der Hanseatischen Verlagsanstalt (HAVA), dem Langen-Müller-Verlag (LMV) und dem Zentralverlag der DAF 38? Waren sie von ungeregelten Konkurrenzen und Eifersüchteleien geprägt, wie das für Teile des politischen Apparates der Arbeitsfront galt? Oder ging man arbeitsteilig vor, kam es zu Marktabsprachen über Kundensegmente und Regionen sowie zu anderen Formen einvernehmlicher Kooperation? Wenn Streitigkeiten ausbrachen: Wie reagierten die Dach­organisationen der Arbeitsfront darauf, also die »Zentrale für Finanzwirtschaft«, die Vermögensverwaltung der Arbeitsfront, der DAFSchatzmeister sowie vor allem (als ab Anfang 1938 wichtigste wirtschaftspolitische Kommandostelle innerhalb der Arbeitsfront:) die »Treuhandgesellschaft für die wirt­schaftlichen Unternehmungen der DAF« (TWU oder DAF-Treuhand), die später auch die Bezeichnung »Amt für die wirt­schaftlichen Unternehmungen« (AWU) trug? Wenn sie sich oft und massiv einmischten: Nach welchen Kriterien und zu wessen Gunsten intervenierten sie? Wenn sie sich zurückhielten: Geschah dies in der sozialdarwinistisch unterlegten Erwartung, dass sich das effizientere Unternehmen durchsetzen würde? Oder stand dahinter schlicht Inkompetenz oder Bequemlichkeit der zuständigen Akteure? Mit den vorgenannten Fragen ist bereits der dritte Aspekt des ›Innenlebens‹ des Wirtschaftsimperiums berührt: Wie lenkten die für die Aufsicht über das Wirtschaftsimperium zuständigen DAF-Institutionen und Protagonisten überhaupt die einzelnen Unternehmen? Nahmen sie diese an die kurze Leine oder ließen sie ihnen erhebliche Spielräume für eigenständiges Handeln? Kamen sich die Aufsicht führenden Institutionen und Zentralämter der Arbeitsfront dabei gegenseitig in die Quere – so dass die Vorstände der einzelnen Unternehmen als die ›lachenden Dritten‹ über erhebliche Handlungsräume verfügten? Fehlende Kompetenz­ abgrenzungen, institutioneller Wildwuchs, hochgradige Personalisierung politischer Entscheidungen, ein unkontrollierter Voluntarismus der Akteure wie der Institutionen und Organisationen kennzeichneten – von der NS-Forschung als 38 Nominell firmierte die dritte Säule des DAF-Verlagskonzerns als »Verlag der Deutschen Arbeitsfront GmbH«. Er wird hier, der besseren Unterscheidung wegen, als Zentralverlag der DAF bezeichnet.

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»Polykratie« bezeichnet – Binnenleben und Dynamik des Hitler-Regi­mes und ebenso der Arbeitsfront.39 Lässt sich Vergleichbares auch auf den hier interessierenden Kommandoebenen der Arbeitsfront beobachten? Die vierte Ebene zielt auf das Verhältnis von (allgemein-)politischer Führung der DAF und den wirtschaftspolitischen Lenkungsorganen der Organisation. Wie wirkten allgemein-politische Aufgabenstellungen, bestimmte, durch die Ver­ änderung der allgemeinen Rahmenbedingungen hervorgerufene Entwicklungen oder auch Skandale um Korruption und Nepotismus sowie die daraus gezogenen politischen und organisatorischen Konsequenzen auf Politik und Struktur des DAF-Wirt­schaftsimperiums zurück? Wenn es zu Konflikten zwischen der Führung der Gesamtorganisation und den für die DAF-Wirtschaftspolitik zuständigen Protagonisten kam: Woraus resultierten sie? Wa­ren Aufgaben und Befugnisse zwischen den einzelnen Ämtern und Aufsichtsorganen der DAF nicht genau abgesprochen? Wurden dadurch polykratische Rivalitäten provoziert, wie sie die Arbeitsfront als politische Organisation bis hinauf in die höchsten Leitungsebenen prägten?40 Welche Rolle spielte persönlicher Ehrgeiz? Lassen sich für die DAF-Unternehmen weitere Eigentümlichkeiten feststellen, die als Elemente der Praxis »charismatischer Verwaltungsstäbe« identifiziert werden können? Wieweit färbte das Milieu der politischen Organisation auf die Wirtschaftsunternehmen der Arbeitsfront und deren herausragende Akteure ab? So beobachteten Momm­sen und Grieger den »Zustand einer Dauerimprovisation«, aus dem ein DAF-Un­ternehmen wie das Volkswagenwerk nur schwer herausgekommen sei.41 Zu fragen ist, ob die von Mommsen und Grieger den einschlägigen DAF-Managern mit pejorativem Unterton attestierte »Hemdsärmeligkeit« und deren Fähigkeit zur »Dauerimprovisation« statt als Defizit nicht umgekehrt als ein Handeln gewertet werden sollte, das tatsächlich »charismatischer Herrschaft« – die ja durch einen ausgeprägten Voluntarismus und scheinbare Sprunghaftigkeit charakterisiert ist – und einer durch diese geprägten Ökonomie adäquat ist. »Alte Kämpfer« oder ausgewiesene Industriemanager – oder beides? Fragen an das führende Personal des DAF-Konzerns »Charismatische Züge« können noch weitere Facetten der DAF-Unternehmenspolitik aufgewiesen haben. So ist bekannt, dass die ganz anders geartete Struktur »charismatischer Verwaltungsstäbe« Kriterien und Formen der Rekrutierung mindestens des führenden Personals maßgeblich beeinflusste. Dieses würde (nach Max Weber) »ausgelesen nach persönlicher Hingabe« und nicht in ers39 Zur »DAF als Spiegel der charismatisch aufgeladenen Polykratie« vgl. Hachtmann, ­Koloss, S. 87-92. 40 Vgl. dazu ebd., bes. S. 45, 48, 61 ff., 87 f. 41 Hans Mommsen/Manfred Grieger, Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 1996, S. 36.

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ter Linie nach »Fachqualifikation«.42 Es existiere »weder eine Form noch ein geordnetes Verfahren der Anstellung oder Absetzung, noch der Karriere oder des ›Avancements‹«.43 Ob die verwaltungstechnische Funktionsfähigkeit seines Apparates durch Ab­be­rufungen und Umbesetzungen beeinträchtigt wird, sei für den »charismatischen Herrscher« und ebenso seine »fanatischen Apostel« nicht entscheidend.44 Ley als einer der gläubigsten »Apostel« Hitlers folgte bei der Gewinnung der höheren politischen Funktionsträger ›seiner‹ DAF diesem Muster. Für die Rekrutierung des Führungspersonals der Arbeitsfront waren Werte wie unbedingte persönliche Loyalität, »Bewährung« in vergangenen Zeiten, politisch-ideolo­gi­sche Linientreue usw. ausschlaggebend, ohne dass dies allerdings fachliche Kompetenz ausschloss. Die führenden Entscheidungsträger der Arbeitsfront waren in aller Regel der NSDAP vor 1930 beigetreten,45 nicht selten in den Freikorps und präfaschistischen Organisationen politisch sozia­lisiert worden und gleichzeitig oft sehr jung.46 Darüber hinaus wiesen die höchsten DAF-Funktionäre ein dezidiert bürgerliches Profil auf,47 mit kräftigen 42 Weber, Drei reine Typen, S. 482. 43 Maßgeblich sei allein der Wille des »charismatischen Herrschers«. Er entscheidet nach Gutdünken und von »Fall zu Fall«. Ders., Wirtschaft und Gesellschaft, S.  141. 44 Martin Broszat, Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, München 1969, S.  67. 45 91,0 % aller hochrangigen DAF-Funktionsträger können als »Alte Kämpfer« gelten, weil sie vor dem 30. Juli 1932, also vor dem offenkundigen Aufstieg der NSDAP zur größten reichsdeutschen Partei, in die NS-Partei eintraten. Immerhin 15,6 % traten der NSDAP noch vor dem Hitler-Putsch vom 9. November 1923 bei, 76,0 % vor den Reichstagswahlen vom September 1930. Diese und die folgenden Zahlen aus einer Erhebung des Verf., die sämtliche DAF-Gauobleute, sämtliche Leiter der Reichsbetriebsgemeinschaften sowie sämtliche Leiter der Berliner Zentralämter einschließt, alles in allem etwa 170 Personen. Ausführlicher dazu: Rüdiger Hachtmann, Kleinbürgerlicher Schmerbauch und breite bürgerliche Brust – zur sozialen Zusammensetzung der Führungselite der Deutschen Arbeitsfront, in: Ursula Bitzegeio/Anja Kruke/Meik Woyke (Hg.), Solidargemeinschaft und Erinnerungskultur im 20. Jahrhundert. Beiträge zu Gewerkschaften, Nationalsozialismus und Geschichtspolitik, Bonn 2009, S. 233-257. 46 Eine deutliche Mehrheit der höchsten DAF-Funktionäre (57,3 %) befand sich in den ›Dreißigern‹, als sie den jeweiligen Posten übernahmen. 14,6 % von ihnen hatten noch nicht einmal das 30. Lebensjahr erreicht. Lediglich 2,5 % waren zum Zeitpunkt der Übernahme ihres jeweiligen Amtes älter als fünfzig Jahre alt. Noch deutlicher tritt der Aspekt der Jugendlichkeit hervor, wenn man sich das Alter der später hohen DAFFunktionsträger bei ihrem Eintritt in die NSDAP anschaut: Lediglich ein gutes Drittel (35,4 %) hatte bereits das 30. Lebensjahr überschritten. D.h. knapp zwei Drittel gehörte in die Kategorie der ›jungen Erwachsenen‹, knapp zehn Prozent (8,4 %) sogar in die der ›Jugendlichen‹ (unter 20 Jahre). Die hochrangigen Arbeitsfront-Funktionäre waren damit innerhalb der – ab 1933 dann institutionalisierten – NS-Bewegung keine Ausnahme. Sie entsprach hinsichtlich ihrer Altersstruktur grob den von Wildt untersuchten Funktionären des SS-Reichssicherheitshauptamtes. Vgl. Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002, S. 24, 45. 47 Akademiker stellten ein gutes Fünftel (20,8 %), leitende Angestellte 11,4 %, Ingenieure 10,7 %, die in die Pauschalkategorie ›Selbständige‹ subsumierten Personen 7,4 % und

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kleinbürger­lichen Einsprengseln, während das proletarische Element ausgesprochen schwach ausgeprägt war.48 Das bürgerlich-kleinbürgerliche Profil der politischen Funktionsträger der Arbeitsfront kann als Folie dienen. Besaß das Leitungspersonal des DAF-Wirtschaftsimperiums ein ver­gleichbares soziales Profil? Waren sie ähnlich jung wie die politische Funktionselite der Arbeitsfront  – oder schon arriviert? Welche Rolle spielten politische Meriten? Angesichts der von Distanz und oft genug starker Abneigung geprägten Haltung der traditionellen Wirtschaftselite gegenüber den hohen Funktionären der Arbeitsfront als anmaßend auftretender politischer Organisation liegt die Vermutung nahe, dass auch die maßgeblichen Akteure auf Seiten des DAF-Konzerns von den etablierten Wirtschaftsführern nicht mit offenen Armen empfangen wurden. Aber wie genau entwickelte sich das gegenseitige Verhältnis? Wenn die Hypothese von der gegenseitigen Distanz zutrifft: Standen dahinter – auch – habituelle Differenzen? Der Hinweis von Mommsen und Grieger auf die »Hemdsärmeligkeit« der VW-Manager und deren Fähigkeit zur »Dauerimprovisation« ist hier ein wichtiger Fingerzeig: Bildeten die Protagonisten in den einzelnen Konzernteilen eine Mentalität und Praxis aus, die sich von derjenigen der alteingesessenen – vielfach noch während des Wilhelminismus sozialisierten – Manager und Unternehmenseigner signifikant unterschied? Lässt sich, kurz gesagt, ein spezifischer Typus des DAF-Mana­gers auskristallisieren? Die NS-Zeit war eine Phase hochgradiger Dynamik und Veränderungen. Welche Anpassungsprozesse lassen sich beobachten? Suchten die DAF-Manager habituell den Anschluss an die etablierten Manager und Unternehmer? Oder lassen sich wo­möglich umgekehrt bei den arrivierten Bankiers und Industriellen Wandlungen in Rich­tung auf die eher »hemdsärmlig« wirkenden, auf politische Dynamik und ökonomische Expansion bauenden Protagonisten des DAF-Wirtschaftsimperiums (und anderer parteinaher Konzerne) feststellen?

Lehrer aller Bildungseinrichtungen 2,7 % der genannten Gruppen höchster DAFFunktionsträger. Der Gesamtanteil dieser im weitesten Sinne als ›bürgerlich‹ zu klassifizierenden Schichten lag also bei insgesamt etwas mehr als der Hälfte (53,0 %) sämtlicher hochrangiger DAF-Funktionäre. Ihnen gesellten sich zahlreiche untere und mittlere Angestellte (34,2 %) zu, ferner ein kleiner Prozentsatz (3,4 %) an Landwirten. Besonders bürgerlich waren die mächtigen Leiter der Zentralämter. Sie können zu deutlich mehr als zwei Dritteln (71,0 %) im angedeuteten Sinne als bürgerlich gelten. Bemerkenswert ist der hohe Anteil an Akademikern (36,8 %), von denen wiederum fast alle (33,3 % aller Leiter der DAF-Zentralämter) promoviert waren. 48 Höchstens 9,4 % der höchsten DAF-Funktionäre können als Arbeiter gelten. Relativ hoch war mit 19,3 % der Arbeiter-Anteil unter den DAF-Gauwaltern, die zu einem erheblichen Teil noch aus der Schicht der NSBO-Funktionäre (Landesobmänner) rekrutiert worden waren. Unter den Leitern der Berliner Zentralämter der Arbeitsfront, die kontinuierlich an Macht gewannen, lag der Anteil der Arbeiter nur bei 1,7 % (unter den Fachamtsleitern bei 3,3 %).

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Forschungsstand Die vorliegende Darstellung fußt nur begrenzt auf älteren Studien. Weder in kleineren noch in größeren Untersuchungen ist das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront als Gesamtkomplex bisher ein Thema der NS-Forschung gewesen. Auch mir ist erst im Laufe der näheren Beschäftigung mit dem General­thema »Deutsche Arbeitsfront« bewusst geworden, welch riesige Dimensionen der Konzern der DAF besessen hat. Einige Hinweise zu den meisten wichtigeren Unternehmen der Arbeitsfront finden sich, additiv aneinandergereiht, in der LeyBiographie von Ronald Smelser.49 Die Überblicksdarstellung von Klaus Novy und Michael Prinz50 thematisiert zwar mehrere Säulen des DAF-Wirt­schafts­ imperiums, allerdings unter einer anderen Fragestellung, nämlich als eine Art Intermezzo in einer als historischer Längsschnitt angelegten Gesamtschau der Geschichte der deutschen Genossenschaftsbewegung, und zudem lediglich in groben Zügen. Während der Gesamtkomplex des Kon­zerns der Arbeits­front als eigenständiger Untersuchungsgegenstand für NS-Forscher bisher kein Thema war, sind einzelne Unternehmen teilweise recht gut erforscht, wenn auch oft nur für bestimmte Phasen und nicht den gesamten Zeitraum zwischen 1933 und 1945. Die Darstellung der stürmischen Expansion der Volksfürsorge seit 1933 kann sich auf die Magisterarbeit51 von Ingo Böhle sowie zwei Aufsätze stützen, in denen dieser die europäischen Aktivitäten der Volksfürsorge während des Zweiten Weltkrieges thematisiert.52 Zur Krankenversicherung des Deutschen Rings finden sich in der Dissertation von Böhle aufschlussreiche Passagen.53 Über die ab 1939 überwiegend unter dem Namen »Neue Heimat« zusammengefassten Wohnungs49 Ronald Smelser, Hitlers Mann an der »Arbeitsfront«. Robert Ley. Eine Biographie, Paderborn 1989, bes. S. 163-173. 50 Klaus Novy/Michael Prinz, Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft. Wirtschaft­ liche Selbsthilfe in der Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945, Berlin/Bonn 1985, bes. S. 204-229. Enttäuschend: Achim v. Loesch, Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen der deutschen Gewerkschaften. Entstehung – Funktionen – Probleme, Köln 1979. Der Anspruch einer substantiellen Überblicksdarstellung wird nicht eingelöst. Die Zeit des Dritten Reiches wird in den Skizzen der Geschichte der einzelnen gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen entweder völlig ausgeblendet oder in wenigen Zeilen (oft zudem unpräzise oder falsch) abgehandelt. 51 Ingo Böhle, Die Volksfürsorge Lebensversicherungs AG im Dritten Reich (Magister­ arbeit), Hamburg 1996. 52 Ders., Die Expansion der Volksfürsorge Lebensversicherung in den mitteleuropäischen Raum 1938-1945, in: Geld und Kapitel 4/2001 (Jahrbuch der Gesellschaft für mitteleuropäische Banken- und Sparkassengeschichte), S.  181-211 (Zitierweise: Böhle, Expansion); ders., Die Volksfürsorge Lebensversicherungs AG – ein Unternehmen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) im Dritten Reich, in: ZUG 2000, S.  49-78 (Zitierweise: Böhle, Lebensversicherung). 53 Ders., Private Krankenversicherung (PKV) im Nationalsozialismus. Unternehmensund sozialgeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Krankenversicherung (DKV), Frankfurt a. M. 2003; ders., »Die Fahne folgt dem Kaufmann«. Die private Krankenversicherung (PKV) in den »angeschlossenen« und annek-

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baugesellschaften der Arbeits­front54 sowie weitere Unternehmen wie die »Deutsche Bau AG (Deubau)«, die »Sonderbau GmbH« und die »Bauhilfe GmbH«, die für die innere Kohärenz des Konglomerats der mehr als fünfzig DAF-Woh­ nungs­bauunterneh­men sowie dessen Ausbau zu einem vertikalen Konzern wichtig waren, finden sich in den Untersuchungen von Tilmann Harlander und Gerhard Fehl sowie der Arbeit von Markus Fleischhauer und weiteren regionalhistorischen Studien wichtige Passagen.55 Aufschlussreich sind außerdem die Untersuchungen von Marie-Luise Recker sowie Karl-Christian Führer und die Abschnitte dort zur Wohnungspolitik der Arbeitsfront sowie des »Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau« (ab Herbst 1940), aus dem Ende 1942 der Reichswohnungskommissar wurde.56 Die Darstellung der Geschichte der von der DAF nach heftigen politischen Kämpfen schließlich 1940/41 unter die ›Fittiche‹ genommenen Konsumgenossenschaften profitierte von den materialreichen Arbeiten Erwin Hasselmanns, ­Ulrich Kurzers und Jan-Frederik Korfs,57 von einem instruktiven Überblick Karl

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tierten Gebieten Mitteleuropas während der NS-Zeit, in: Geld und Kapital 6/2002 (2004), S. 135-176. Lediglich die GEHAG, das größte Wohnungsunternehmen der Arbeitsfront, bestand unter ihrem alten Namen weiter. Vgl. Tilmann Harlander, Zwischen Heimstätte und Wohnmaschine. Wohnungsbau und Wohnungspolitik in der Zeit des Nationalsozialismus, Basel/Berlin/Boston 1995; außerdem ders./Gerhard Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau 1940-1945. Wohnungspolitik, Baugestaltung und Siedlungsplanung. Aufsätze und Rechtsgrundlagen zur Wohnungspolitik, Baugestaltung und Siedlungsplanung aus der Zeitschrift »Der soziale Wohnungsbau in Deutschland«, Hamburg 1986, bes. S. 16 ff., 29 ff., 110-120. Hinweise zum Baukonzern der Arbeitsfront wie überhaupt zur DAF-Siedlungspolitik bieten außerdem u. a. Markus Fleischhauer, Der NS-Gau Thüringen 1939-1945. Eine Struktur- und Funktionsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 240-247; ­Ulrike ­Hae­ren­del, Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und »Wohnraumarisierung« am Beispiel München, München 1999, S. 142-149, 407-415. Vgl. außerdem die Hinweise im entsprechenden Kapitel. Einen nur sehr knappen Überblick bietet Peter Kramper, Die Neue Heimat. Unternehmenspolitik und Unternehmensentwicklung im gewerkschaftlichen Wohnungs- und Städtebau 1950-1982, Stuttgart 2008, S. 66 ff. Marie-Luise Recker, Nationalsozialistische Sozialpolitik im Zweiten Welt­krieg, München 1985, S. 128-154; dies., Der Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau. Zu Aufbau, Stellung und Arbeitsweise ei­ner führerunmittelba­ren Sonderbehörde, in: Dieter Rebentisch/Karl Teppe (Hrsg.), Verwaltung contra Menschenführung im Staat Hitlers. Studien zum politisch administrativen System, Göttingen 1986, S.  333-350; Karl-Christian Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat und Wohnungsmarkt. Wohnungsmangel und Wohnungszwangswirtschaft in Deutschland 1914-1960, Stuttgart 1995, bes. S. 231-250, 335-344. Erwin Hasselmann, Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, Frankfurt a. M. 1971, bes. S. 496-508; Ulrich Kurzer, Nationalsozialismus und Konsumgenossenschaften, Pfaffenweiler 1997; ders., Konsumgenossenschaften im nationalsozialis­ tischen Deutschland 1933 bis 1936. Gleichschaltung, Sanierung und Teilliquidation, Göttingen 1995; ders., Konsumgenossenschaften im nationalsozialistischen Deutschland, in: IWK 27/1991, S.  429-453; ders., Zur Entwicklung der Konsumgenossenschaf-

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Ditts58 sowie ferner von der frühen Darstellung Kuno Bludaus.59 Allerdings beschränken sich die genannten Arbeiten vornehmlich auf den Zeitraum bis 1936 bzw. 1939, als die Verbrauchergenossenschaften noch nicht in den Besitz der DAF übergegangen waren und zum »Deutschen Gemeinschaftswerk« umgebaut wurden. Einen detaillierteren Überblick auch über die Geschichte des Deutschen Gemeinschaftswerkes bietet die 2010 erschienene Dissertation von JanFrederik Korf.60 Über den Verlagskomplex, d. h. die drei DAF-Großverlage, existiert gleichfalls keine kompakte Monographie. Dennoch kann auf eine Reihe von wichtigen Untersuchungen zurückgegriffen werden. Zu erwähnen sind hier insbesondere die vorzügliche Studie von Siegfried Lokatis zur Hanseatischen Verlagsanstalt (HAVA) während der NS-Zeit,61 außerdem die Untersuchung Andreas Meyers zum Langen-Müller-Verlag62 und das Standardwerk von Jan-Pieter Barbian zur nationalsozialistischen Literaturpolitik.63 Der Zentralverlag der Arbeitsfront, mitsamt der Büchergilde Gutenberg, ist demgegenüber von der NS-Forschung ausgesprochen stiefmütterlich behandelt worden.64 Für die Aktivitäten des Zen-

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ten in Deutschland nach 1936, in: IWK 33/1997, S.  477-499; Jan-Frederik Korf, Von der Kon­sumgenossenschaftsbewegung zu Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront. Zwischen Gleichschaltung, Widerstand und Anpassung an die Diktatur, Norderstedt 2008. Karl Ditt, Die Konsumgenossenschaften im Dritten Reich, in: IWK 23/1987, S. 82-111, zum Deutschen Gemeinschaftswerk und seiner Vorgeschichte: S. 104-109. Kuno Bludau, Nationalsozialismus und Genossenschaften, Hannover 1968. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 156-251. Diese Untersuchung, die von der Heinrich-Kaufmann-Stiftung des »Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften e.V.« gefördert wurde, basiert archivalisch wesentlich auf den Mitte letzten Jahrzehnts von der Hamburger Stelle für Zeitgeschichte übernommenen und verzeichneten Aktenbeständen (vor allem Personalakten) des ›historischen‹ ZdK (bis 1945), die für die vorliegende Darstellung deshalb nicht erneut gesichtet wurden. Siegfried Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im Dritten Reich, Frankfurt a. M. 1992. Andreas Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller. Zur Buchmarkt- und Kulturpolitik des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes in der Endphase der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1989. Die Darstellung endet zwar 1932/33, bietet jedoch auch einige instruktive Einblicke in die Geschichte dieses damals großen, heute völlig vergessenen belletristischen Verlages über die Zäsur 1933 hinaus. Jan-Pieter Barbian, Literaturpolitik im Dritten Reich. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt a. M. 1993. Vgl. auch die kaum veränderte Taschenbuchausgabe (München 1995). Einige Hinweise zum Zentralverlag der Arbeitsfront finden sich in den Arbeiten von Lokatis, Barbian und wenigen anderen. Die Büchergilde Gutenberg und ebenso die Exil-Gilde in Zürich sind in mehreren Studien ausführlicher thematisiert worden. Die Zeit des Dritten Reiches hat die Forschung zur (DAF-)Büchergilde allerdings bisher ausgespart. Einige Hinweise zur NS-Zeit finden sich in: Jürgen Dragowski, Die Geschichte der Büchergilde Gutenberg in der Weimarer Republik 1924-1933, Essen 1992. In der Überblicksdarstellung von Novy und Prinz (Illlustrierte Geschichte) ist die Büchergilde generell kein Thema (obwohl sie im weiteren Sinne des Wortes durchaus

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tralverlags während der Kriegszeit bietet allerdings die von Hans-Eugen Bühler verfasste quellenreiche Studie zum Frontbuchhandel wichtiges Material, da die im September 1939 gegründete  – und von DAF-Funktionären beherrschte  – »Zentrale der Frontbuchhandlungen« ihre verlegerischen Aktivitäten, die sie schon bald über ihre ursprünglichen Aufgaben hinaus entwickelte, in engster Kooperation mit dem Zentralverlag entfaltete.65 Obwohl in den zeitgenössischen Publikationen vor allem während des Krieges auf den Aufstieg der Bank der Deutschen Arbeit zur vierten reichsdeutschen Großbank immer wieder hingewiesen wurde, ist dieses Finanzinstitut von der NS-Forschung  – in auffälligem Unterschied zu den Auftragswerken über die Deutsche, die Dresdner und die Commerzbank – bis vor Kurzem ausgesprochen stiefmütterlich thematisiert, nämlich zumeist entweder völlig ignoriert oder nur beiläufig behandelt und vorschnell zur bloßen »Hausbank« der Arbeitsfront degradiert worden. Erst in einem 2005 erschienenen, von Christoph Kreutzmüller und Ingo Loose verfassten Aufsatz werden wesentliche Aspekte der Geschichte dieses DAF-Geldinstituts aufgehellt.66 Von den nach 1933 gegründeten Unternehmen der Arbeitsfront ist eines, das Volkswagenwerk, durch Hans Mommsen und Manfred Grieger so erschöpfend thematisiert worden, dass die Skizze seiner Geschichte während der Herrschaft der Nationalsozialisten sich auf wenige Seiten beschränken kann.67 Auch das von Ley in ähnlicher Größenordnung in seiner Heimatstadt Waldbröl geplante Volkstraktorenwerk ist auf größeres historisches Interesse gestoßen.68 Andere neu gegründete oder von der DAF aufgekaufte Unternehmen – genannt sei exemplarisch nur die Vulkan-Werft in Stettin69 – sind dagegen von der historischen Forschung bislang ignoriert worden.

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der »Gemeinwirtschaft« zuzurechnen ist). Dieses Desinteresse mag neben politischen Gründen (eine NS-Ge­schichte der Büchergilde wirft Schatten auf deren Geschichte überhaupt) auch darauf zurückzuführen sein, dass das Archiv dieser Buchgemeinschaft 1945 »durch Kriegseinwirkung zerstört« wur­de. Vgl. Bernadette Scholl, Die Büchergilde Gutenberg 1924-1933, in: Buchhandelsgeschichte 1983/3, S. B 89-B 109, hier: S. B 89. Hans-Eugen Bühler (in Verbindung mit Edelgard Bühler), Der Frontbuchhandel 19391945. Organisationen, Kompetenzen, Verlage, Bücher, Frankfurt a. M. 2002. Christoph Kreutzmüller/Ingo Loose, Die Bank der Deutschen Arbeit 1933-1945 – eine nationalsozialistische »Superbank«?, in: Bankhistorisches Archiv 31/2005, Heft 1, S. 1-32. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk; Klaus-Jörg Siegfried, Das Leben der Zwangsarbeiter im Volkswagenwerk 1939-1945, Frankfurt a. M./New York 1988; ders., Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit im Volkswagenwerk 1939-1945. Eine Dokumentation, Frankfurt a. M./New York 1987; Wolfgang König, Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. »Volksprodukte« im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn usw. 2004, bes. S. 151-181. Vgl. Birgit Rosendahl-Kraas, Die Stadt der Volkstraktorenwerke. Eine Stadtutopie im Dritten Reich. Die Planungen und Großbauten der Deutschen Arbeitsfront für die Stadt Waldbröl, Wiehl 1999; ferner Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 442 ff.; König, Volksprodukte, S. 236 ff. Die deskriptiv-affirmative, in die Details der einzelnen Schiffstypen verliebte Darstellung von Wulle, die die Geschichte der Vulcan-Werft bis Ende 1929 relativ ausführ-

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Den Kern des DAF-Wirtschaftsimperiums bildeten die im Frühjahr 1933 den Gewerkschaften geraubten Unternehmen. Deshalb ist es bemerkenswert, dass es seitens des DGB oder seiner Einzelgewerkschaften bisher kaum Anstrengungen gab, die Geschichte der Volksfürsorge, der Arbeitsbank, der Wohnungsbaugenossenschaften und anderer Unternehmen aufzuhellen, die bis zur Macht­ ergreifung der Nationalsozialisten im Besitz der Richtungsgewerkschaften oder Angestelltenverbände waren. Politische Skrupel können diese Zurückhaltung eigentlich nicht erklären. Oder doch? Vielleicht deckten die Gewerkschaften die Geschichte ihrer großen Unternehmen während der NS-Zeit bewusst mit dem »Mantel des Schweigens« (Ingo Böhle)70 zu. Dies lag weniger an personellen Kontinuitäten. Bemerkenswert ist vielmehr, dass der DGB einen Teil der Richtungsänderungen, die die Arbeitsfront in den geraubten Unternehmen nach 1933 vorgenommen hatte, nicht wieder rückgängig machte.71 Stattdessen ähneln die bisherigen Darstellungen von Gewerkschaftsseite in ihrem sprachlichen Duktus stark dem, was eine apologetische Unternehmensgeschichtsschreibung bis in die achtziger Jahre zu Papier gebracht hat: Es wimmelt auf den wenigen Seiten oder auch nur Zeilen, in denen das Dritte Reich überhaupt thematisiert wird, von dunklen Andeutungen. Es mutet schon befremdlich an, dass auch von Gewerkschaftsseite publizierte Jubi­läumsdarstellungen von einem krampfhaften Bemühen getragen sind, über »die schmachvolle Geschichte« und das »Geschick unseres Unternehmens« während des »zwölfjährigen Interregnums« hinwegzuhuschen. Der gewiss zutreffende Hin­weis, dass man damit als Gewerkschaft politisch nichts zu tun gehabt habe, kann kein Argument sein, hier auf genauere Aufklärung zu verzichten.72 Den Forschungsstand zur Gesamtorganisation »Deutsche Arbeitsfront«, der Geschichte ihrer Organisation und ihrer Politik, der verschiedenen politischen lich referiert, beschränkt sich für die Jahre des Dritten Reiches darauf, einige Schiffs­ neubauten, deren Bruttoregistertonnen (BRT), PS-Leistung, Bewaffnung und das Datum des Stapellaufs aufzulisten. Vgl. Armin Wulle, Der Stettiner Vulcan, Herford 1989, S. 108. 70 Böhle, Volksfürsorge, S. 2. Das Verdikt gilt u. a. auch für Loesch, Unternehmen der Gewerkschaften. Die folgenden Zitate: Vorstand der »Alten Volksfürsorge« (Hg.), Ein halbes Jahrhundert Volksfürsorge. Werden und Wirken eines Versicherungsunternehmens, Darmstadt 1962, S. 93. 71 Vgl. Kapitel 11. 72 Auch die nach 1945 für andere Konzernteile des vormaligen DAF-Imperiums angefertigten Jubiläumsschriften etc. wirken für die Zeit zwischen 1933 und 1945 merkwürdig unpolitisch. Die – rassistischen und politischen – Vergabekriterien für Neumieter z. B. sind in den entsprechenden Darstellungen etwa der Wohnungsbauunternehmen kein Thema. Überdies sind sie denkbar knapp gehalten. An diesem generellen Trend ändert der Tatbestand nichts, dass einige der Firmenschriften vergleichsweise sachlich gehalten sind und für die NS-Zeit manche wichtige Daten enthalten. Vgl. z. B. die noch ­vergleichsweise ausführliche Schrift: (o.V.) GEHAG. Gemeinnützige HeimstättenAktiengesellschaft 1924-1957. Entstehung und Entwicklung eines gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmens, Berlin 1957, zur NS-Zeit: S. 25-32. Möglicherweise markiert die Arbeit von Korf (Konsumgenossenschaftsbewegung) hier einen ­Paradigmenwechsel.

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und gesellschaftlichen Felder, auf denen sie aktiv wurde, hier im Einzelnen vorzustellen, würde zu weit führen. Es reicht festzustellen, dass eine Gesamtdarstellung dieser in zahllose gesellschaftliche Bereiche ausufernden Organisation bisher fehlt und nicht wenige Bereiche, in denen die Arbeitsfront tätig war – etwa die »Fremdarbeiterbetreuung«, die der DAF im Mai 1942 vom »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« Fritz Sauckel pauschal zugewiesen wurde –, nicht einmal ansatzweise systematischer untersucht worden sind. Immerhin bieten einige Aufsätze und Passagen aus Monographien einen ersten guten Überblick über das sehr weit gespannte Spektrum der Aktivitäten der DAF. Hinzuweisen ist über die Ley-Biogra­phie von Smelser sowie eigene Studien hinaus vor allem auf einen Aufsatz von Tilla Siegel73 sowie auf entsprechen­de Passagen in den bahnbrechenden Arbeiten von Timothy W. Mason,74 auf die handbuch­ artige Darstellung von Michael Schneider über Arbeiter und Arbeiterbewegung bis 193975 oder die wichtige Studie zur NS-Betriebspolitik von Matthias Frese.76 Die meisten Untersuchungen zur DAF haben sich freilich auf die Zeit bis Kriegsbeginn beschränkt.77 Verbrannt, vernichtet, verschollen – zur archivalischen Überlieferung Jede empirische Untersuchung steht unter dem Vorbehalt der Quellen, die ihr zugrunde ge­legt werden können. Dies gilt auch für die vorstehende Studie. Wenn das DAF-Wirt­schafts­imperium als Gesamtkomplex bisher noch nicht in den Fokus der NS-For­schung ge­raten ist – und ebenso eine Gesamtdarstellung der größten Massenorganisation des Drit­ten Reiches aussteht –, dann resultiert dies wesentlich aus der schwierigen und un­über­sichtlichen Quellenlage. Einen geschlossenen archivalischen Bestand zur Deutschen Arbeitsfront gibt es nicht. Es kann ihn nicht geben. Denn der größte Teil der Akten der Reichsführung der DAF wurde am 22./23. November 1943 während eines Bombenangriffs auf Berlin vernichtet.78 Hauptbetroffen war der Gesamtbestand des DAF-»Zentral­ 73 Siegel, Rationalisierung statt Klassenkampf. 74 Vgl. (neben diversen Aufsätzen) vor allem Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich, bes. S. 107-120, 174-206, 245-262. 75 Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999, bes. S. 102-106, 168-243, 723-726. 76 Frese, Betriebspolitik, bes. S. 73-113, 251-448. Vgl. außerdem die in den folgenden Kapiteln genannte Literatur. 77 Zu den Jahren ab 1939 vgl. bisher vor allem Rüdiger Hachtmann, Die Deutsche Arbeitsfront im Zweiten Weltkrieg, in: Dietrich Eichholtz (Hg.), Krieg und Wirt­schaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939-1945, Berlin 1999, S. 69-108; ders., Koloss, bes. S. 59 ff., 64 f. 78 Vgl. Bericht des ehemaligen Lektors und wissenschaftlichen Hilfsarbeiters des Arbeitswissenschaftlichen Instituts Marcel Mitschke, Berlin-Charlottenburg, über das ›Schicksal‹ der Archivalien der Berliner DAF-Zentrale, verfaßt für das Bundesarchiv Koblenz am 10. Juli 1953, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 237. 1944 wurde überdies das Gebäude, in welches das Zentralbüro der DAF inzwischen umgezogen war, durch Bombenangriffe

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amtes für Finanzwirtschaft« sowie die »Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmun­gen der Deutschen Arbeitsfront m.b.H.« (TWU) als das institutionelle Dach des DAF-Wirtschafts­imperiums und ebenso die separaten Aktenbestände über die einzelnen Unternehmen der Arbeitsfront, da das »Dienstgebäude der Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF« mitsamt allen Abteilungen durch den »Terrorangriff […] vollständig ausgebrannt« sei, wie Otto Marrenbach als Geschäftsführer der Arbeitsfront gegenüber Martin Bormann in einem Schreiben vom 31. August 1944 klagte.79 Einige Monate zuvor, im Juli 1943, war Hamburg von Bombenangriffen und Feuerstürmen schwer heimgesucht worden. In der Hansestadt aber hatten die Volksfürsorge, der Deutsche Ring, die Hanseatische Verlagsanstalt und die Deutsche Großeinkaufs-Gesellschaft mbH (Deugro) als der Kern des »Deutschen Gemeinschaftswerkes der DAF« – der Lebensmittelkette, die die Arbeitsfront aus den ehemaligen Konsumgenossenschaften aufbaute  – ihren Hauptsitz. Das Gros der archivierten Unterlagen dieser Unternehmen wurde durch Bomben und Brände vernichtet. So begründete der Vorstand der Deugro den Tatbestand, dass der Geschäftsbericht für 1942 erst knapp zwei Jahre später in einer sehr vorläufigen Fassung vorgelegt werden konnte, damit, dass »unsere Zentralgebäude in Hamburg schwer getroffen und ein großer Teil der Unterlagen unserer Zentralbuchhandlungen und der Anlagen zu diesem Jahresabschluß, der sich damals gerade in der Ausfertigung befand, vernichtet« wurde.80 Was an Akten nicht durch die Gewalt des Krieges zerstört wurde, konnte gegen Kriegsende dann zum Gegenstand bewusster Vernichtung durch die Angestellten der einschlägigen Unternehmen werden, wenn diese desavouierende Informationen in den verbliebenen Unterlagen fürchteten.81 Oder es verrottete, weil die vormagleichfalls »völlig zerstört«. Ein Teil der dort aufbewahrten DAF-Akten wurde freilich nur verschüttet; dieser wurde Anfang 1946 auf Anordnung des Ostberliner Stadtsowjets ausgegraben, nach Moskau gebracht und später – bis vor allem auf einen kleineren Bestand des DAF-Amtes »Information«, des organisationseigenen Geheimdienstes der Arbeitsfront – überwiegend dem Zentralen Staatsarchiv der DDR in Potsdam übergegeben. 79 In: BA Berlin (BDC) PK 0338. Vernichtet wurde außerdem offenbar der größte Teil der Aktenbestände des Arbeitswissenschaftlichen Instituts (AWI), dem die Archivierung des Schriftgutes der Organisation oblag, so dass auch von dieser Seite her eine Rekonstruktion der wirtschaftlichen Aktivitäten der DAF nicht möglich ist. Ein kleinerer Teil der Akten war allerdings bereits Ende 1942 nach München ins Braune Haus verlagert worden. Er fiel im Frühsommer 1945 in die Hände der Alliierten, verschwand danach jedoch spurlos. Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 2. Andere Aktenbestände, etwa die der Arbeitsbank für das »Wartheland« ab 1939, wurden nach 1945 als wertlos vernichtet. Vgl. ebd., S. 19, Anm. 103. 80 Geschäftsbericht und Jahresabschluß der Deutsche Großeinkaufs-Gesellschaft mbH, Hamburg, für 1942, vom 29. Sept. 1944, in: BA Berlin NS 5 III, Nr. 45. Vgl. auch Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 8. 81 So vermuten Kreutzmüller und Loose (Bank der Deutschen Arbeit, S. 2), dass »wichtige Teile der zentralen Überlieferung der Arbeitsbank in den letzten Kriegstagen vernichtet wurden«.

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ligen Angestellten Besseres zu tun hatten, als sich um die sorgsame Verwahrung der noch vorhandenen Akten zu kümmern.82 Auch von den reichsweiten Akten der Massenorganisation Deutsche Arbeitsfront, die auch Unterlagen zum Unternehmenskomplex enthielten, sind nur kleinere Teilbestände überliefert. Der vermutlich größte Teil des verbliebenen Restbestandes an zentralen DAF-Akten lagert heute im Bundesarchiv Berlin (Finckensteinallee), vormals Potsdam und Koblenz. Die im Bundesarchiv aufbewahrten Aktenbestände der Arbeitsfront (NS 5) mögen lediglich »Splitter« sein. Gleichwohl sind sie gerade auch mit Blick auf den DAF-Konzern in hohem Maße aufschlussreich und ein archivalischer Grundstock der vorliegenden Untersuchung. Darüber hinaus bieten die unter »NS 22« im Bundesarchiv zusammengefassten, überlieferten Akten des Reichsorganisationsleiters der NSDAP Aufschluss über die Entwicklung auch des DAF-Konzerns. Denn Ley war zugleich Chef der Arbeitsfront und NSDAP-Reichsorga­nisa­tions­leiter; er betraute einige der führenden Funktionäre der Arbeitsfront gleichzeitig mit zentralen Positionen innerhalb der Reichsorganisationslei­tung. Auch unabhängig von solchen Personalunionen wurden die Aktivitäten der DAF und der de facto spätestens ab 1936 nurmehr nominell vom Organisationsapparat der Arbeitsfront ge­trennten Reichsorganisationsleitung der Partei immer stärker miteinander verquickt. Hinzu treten als weitere Bestände die Restakten der Arbeitsbank selbst (R 8120) – die einige aufschlussreiche Schriftwechsel, ansonsten für die vorliegende Untersuchung überwiegend wenig interessante Hinweise zu einzelnen Unternehmen enthalten, die Konten bei der Arbeitsbank unterhielten – sowie die der Deutschen Revisions- und Treuhand AG (R 8135). Die polykratische Struktur des Hitler-Regimes – vermeintliches Ämterchaos und Kompetenz­wirr­warr sowie die daraus resultierenden politischen Rivalitäten als Dauerzustand ab 1933 – mag manchen Historiker verwirren. Für die archivalische Überlieferung ist sie angesichts der großen Lücken im eigentlichen DAFBestand ein Glücksfall. Der Schriftwechsel, den die Zentrale der Arbeitsfront auf Reichsebene mit den Ministerien sowie anderen staatlichen und quasistaatlichen Institutionen führte, ist in deren einschlägigen Beständen nicht vollständig, aber doch oft in größerem Umfange überliefert. Er erlaubt Aufschlüsse auch 82 Dies gilt gleichfalls nachweislich für die Berliner Zentrale der Arbeitsbank, die von kriegsbedingten Zerstörungen nicht so stark betroffen war wie die meisten anderen Unternehmen der DAF. In einem Bericht der Deutsche Revisions- und Treuhand AG über die nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes bei der Bank der Deutschen Arbeit AG Berlin durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.  Dez. 1944 sowie des Zwischenabschlusses zum 30. April 1945 (in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613) heißt es, dass ein Teil der Unterlagen, »Bankbestätigungen über Guthaben, Depots usw. […] sowie das lebende Depotbuch und die Hypothekenbriefe nach uns gemachten Angaben nach Thüringen verlagert worden« seien. Die in Berlin verbliebenen Unterlagen seien »schwer zu beschaffen«, dann »infolge mehrfacher Umlagerung ungeordnet und zum Teil wenig pfleglich behandelt« worden und infolgedessen sehr »lückenhaft« gewesen, so dass eine »restlose Aufklärung« ausgeschlossen gewesen sei. Aus den Niederlassungen »fehlendes Material« zu beschaffen, sei unmöglich gewesen. Zitate: S. 5 f.

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über die Entwicklung des DAF-Konzerns und die Politik, die die Führung der Arbeitsfront mit ihren Unternehmen verfolgte. Angesichts des Fehlens von EgoDoku­menten (Tagebücher, private Briefe u.ä.) bieten ferner die Schriftwechsel zwischen den Reichs­institutionen unterschiedlichster Couleur zahlreiche Anhaltspunkte, die Aufschluss über Struktur des DAF-Konzerns und interne Konflikte dort bieten. Auf Basis dieser Quellen lassen sich außerdem Überlegungen zu Mentalität und Verhaltensmustern der herausragenden Akteure plausibel formulieren. Die im Bundesarchiv Berlin gesammelten, sich ergänzenden Bestände der verschiedenen Ministerien sowie anderen Institutionen und Organisationen auf Reichsebene erlauben schließlich, die oft schönfärberischen Selbstdarstellungen der Arbeitsfront einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.83 Am ergiebigsten waren im Kontext der vorliegenden Untersuchung die Aktenbestände des Reichswirtschaftsministeriums (R 3101), das wirtschaftspolitisch der DAF und ihrem Konzern am entschiedensten Paroli bot, die Bestände des Reichsarbeitsministeriums als einem weiteren wichtigen, schließlich unterlegenen Konkurrenten der Arbeitsfront, dem u. a. bis 1940 nominell die Lenkung des Wohnungsbaues unterstand (R 3901), die Bestände des Reichsfinanzministeriums, das gleichfalls den Aufstieg des DAF-Wirtschaftsimperiums misstrauisch beäugte und zu zügeln suchte (R 2), die Bestände des »Stellvertreters des Führers«, der als eine Art ›Überminister‹ fungierte und mit Ley und seiner Arbeitsfront heftige politische Fehden ausfocht (NS 6), die Bestände der Reichskanzlei, die bis etwa 1942 mit den meisten allgemein-poli­tisch relevanten Fragen und infolgedessen auch mit etlichen Aktivitäten der Arbeitsfront befasst war (R 43 II), sowie die einschlägigen Akten des in der Forschung oft unterschätzten NSDAP-Reichsschatzmeisters, der von einem gefährlichen Kontrahenten der DAF im Krieg schließlich zu einem wichtigen Bündnispartner Leys heranwuchs (NS 1). Nicht zuletzt die politischen Auseinandersetzungen um den Konzern der Arbeitsfront lassen sich vor dem Hintergrund dieser Überlieferung meist relativ gut rekonstruieren. Über die konkrete Geschäftsentwicklung bieten die entsprechenden Jahres­ berichte der ein­zelnen DAF-Unternehmen manchmal reichliches, zumeist allerdings lediglich kärgliches Material. Aufschlussreich waren mitunter auch die – propagandistisch freilich oft geschönten – Rechenschaftsberichte in den von der DAF herausgegebenen Zeitschriften. Darüber hinaus wurden außerdem Publikationsorgane herangezogen, deren Herausgeber den organisations-»totalitären« 83 Mangels alternativer Daten konnte selbstverständlich nicht darauf verzichtet werden, diese systematisch auszuwerten. Ergiebig war (neben internen ­Rechenschaftsberichten) etwa die kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges von der Zentralstelle für Finanzwirtschaft herausgegebene, umfängliche Selbstdarstellung »Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront«. Der vom DAF-Geschäftsführer und Ley-Vertrauten Otto Marrenbach publizierte, auflagenstarke Überblick über die Tätigkeitsfelder der Arbeitsfront mit dem Titel: »Fundamente des Sieges. Die Gesamtarbeit der Deutschen Arbeitsfront von 1933 bis 1940« (Berlin 1940) enthält dagegen nur kurze, wenig aussagekräftige Angaben zum DAF-Konzern (S. 372-388).

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Ambitionen der Arbeitsfront kritisch gegenüberstanden (»Die Deutsche Volkswirtschaft«, »Der Deutsche Volkswirt«, »Soziale Praxis« usw.). Sie bilden ein wichtiges Korrektiv für die meist propagandistisch überhöhten Selbstdarstellungen der Arbeitsfront. Auch in den überregionalen Tageszeitungen fanden sich nicht wenige aufschlussreiche Artikel. Diese basierten freilich meist auf den Angaben der zuständigen Institutionen innerhalb der Arbeitsfront – und für die war ein mitunter recht großzügiger Umgang nicht zuletzt mit Zahlen typisch, die die eigenen Erfolge dokumentieren sollten. Dieses Faible der DAF fürs Quantifizieren, für die »gigantischen Zahlen«, wie die »Deutsche Bergwerkszeitung« vom 9.  Oktober 1936 ein wenig ironisch einen längeren Aufsatz über die Arbeitsfront titelte, muss selbstverständlich ebenso wie die zahllosen ideologischen Elaborate und Sentenzen eines Robert Ley und seiner Paladine quellenkritisch hinterfragt und kontextualisiert werden.84 Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass für wichtige Aspekte nur Mosaiksteinchen präsentiert und zum Gesamtbild manchmal lediglich Mutmaßungen angestellt werden können. Besonders schmerzlich ist dies mit Blick auf die Lage der ausländischen Zwangsarbeiter innerhalb des unübersichtlichen Unternehmenskomplexes der DAF. Fremdarbeiter spielten besonders in den Baubetrieben sowie den Fahrzeugwerken der Arbeitsfront, neben dem – gerade auch in dieser Hinsicht gut erforschten – Volkswagenwerk vor allem auf den Werften ab 1941 eine große Rolle. Beiläufigen Bemerkungen in den überlieferten Archivalien ist zu entnehmen, dass über das Volkswagenwerk hinaus namentlich in den Baubetrieben der Arbeitsfront neben Kriegsgefangenen auch Häftlinge aus Konzentrationslagern, darunter eine anscheinend nicht geringe Zahl von jüdischen Häftlingen, beschäftigt wurden. Nur für einen Teil der Unternehmen, etwa die Stettiner Vulcan-Werft, liegen indes überhaupt genauere Daten zur Zahl der Fremdarbeiter und ihren Anteilen an der Gesamtbelegschaft vor. Über ihre Lage in den DAF-Unternehmen ist – über das hinaus, was Mommsen und Grieger für das Volkswagenwerk ausführlich thematisiert haben  – kaum etwas bekannt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ihre Situation in den Betrieben der Arbeitsfront besser gewesen sein könnte als in ›normalen‹, privaten Unternehmen. Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil. Denn die Arbeitsfront war von Anfang an eine hochgradig rassistische Organisation. Je länger der Krieg dauerte, desto deutlicher zeigte sich dies. Angesichts der menschenverachtenden Skrupel­losigkeit, die DAF-Funk­tio­näre generell gegenüber Angehörigen vor allem vorgeblich »minderwertiger« Völker an den Tag legten, dürften die Arbeits84 Der Zahlenfetischismus, dem die Arbeitsfront huldigte, geht nicht zuletzt auf entsprechende Präferenzen des »Führers« zurück. Zu Hitlers Vorliebe, selbst gern mit »einer Fülle von statistischen Daten um sich zu werfen«, vgl. Ian Kershaw, Hitler, Bd. 2: 19361945, Stuttgart 2000, z. B. S. 288, 305, 396 u.ö., Zitat: S. 160. Diese Neigung wurde in seinem Umfeld genau registriert und namentlich von der Arbeitsfront zuweilen bis ins Absurde kultiviert. Dennoch klaffen in den teilweise mühselig aus unterschiedlichsten Quellen zusammengestellten Tabellen im Anhang mitunter größere Lücken.

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und Lebens­verhältnisse ausländischer Arbeiter in Unternehmen der Arbeitsfront weit schlimmer gewesen sein als in gewöhnlichen Betrieben. Alles in allem ist die archivalische Überlieferung zum DAF-Wirtschafts­ imperium für den Historiker eine Herausforderung.85 Sie ist dies vor allem dann, wenn es ihm nicht nur um eine Unternehmensgeschichte im engeren Sinne geht, sondern um eine historische Analyse, die zwar die Ökonomie im Kleinen wie im Großen im zentralen Fokus hat, jedoch auch sozialhistorisch und mentalitätsgeschichtlich argumentiert. Ein solch relativ weit gefasster Anspruch bei gleichzeitig hochgradig lückenhaften Überlieferungen zwingt den Historiker  – frei nach Droysen  – zum »Lockermachen und Auseinanderlegen dieses unscheinbaren Materials nach der ganzen Fülle seiner Momente« hin, um in der Darstellung endlich die »zahllosen Fäden« zu einer überzeugenden Argumentation zu verknüpfen.86 Ob dies gelungen ist, mag der Leser beurteilen. Gliederung Gegliedert ist die vorliegende Darstellung in insgesamt elf systematische Kapitel. Das folgende Kapitel 1 skizziert die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Unternehmen der Arbeitsfront entwickelten und geht auf die für die Entstehung des DAF-Konzerns konstitutive Enteignung der Gewerkschaften ein. Dargestellt wird außerdem der insgesamt komplexe sowie uneinheitliche Vorgang der Eigentumsübertragung der gewerkschaftsnahen Unternehmen und Genossenschaften auf die DAF. Im Anschluss daran werden im Kapitel 2 in einem Überblick die Formen der Lenkung des insgesamt ja sehr heterogenen, disparat wirkenden DAF-Konzerns skizziert. Es geht hier zum einen um die Institutionen, denen die Führung der Arbeitsfront die Lenkung des Konzerns übertrug. Zum anderen werden in diesem Kapitel die für die Leitung des Konzerns maßgeblichen Akteure auf Seiten des politischen Apparats der Arbeitsfront vorgestellt. Denn gelenkt wurde der Konzern nicht in erster Linie durch dafür eigens geschaffene größere Institutionen, sondern – wie zu zeigen sein wird – durch eine eigentümliche Variante der personeller Vernetzung, in der einzelnen Protagonisten ein hoher Stellenwert zukam. Danach folgen die Kapitel zu den einzel­nen Säulen des DAF-Wirtschafts­ imperiums. Im Kapitel 3 werden die Aktivitäten der Arbeitsfront im Bankensektor thematisiert. Dabei steht die ehemals freigewerkschaftliche Bank der Deutschen Arbeit im Vordergrund. Dieses Geldinstitut ist nicht nur deshalb zentral, weil es 85 Auch vor dem Hintergrund, dass nicht alle regionalen, städti­schen und betrieblichen Archive auf Unterlagen gesichtet werden konnten, die Aufschluss über die Unternehmen der Arbeitsfront geben könnten, stellt die vorliegende Untersuchung in einigen Passagen empirisch eher eine vorläufige Bestandsaufnahme dar. Zu wünschen ist, dass vor allem Lokal- und Regionalhistoriker den Verhältnissen in den DAF-eigenen Unternehmen ›vor Ort‹ künftig mehr Aufmerksamkeit widmen und die vorliegende Untersuchung dereinst um zusätzliche empirische Ergebnisse ergänzt werden kann. 86 Johann Gustav Droysen, Historik, Bd. I, hg. von Peter Leyh, Stuttgart 1977, S. 163.

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zur Hausbank der DAF avancierte und bis 1942 hinsichtlich seiner Bedeutung in die Reihe der Großen Drei – nach der Deutschen und der Dresdner Bank, aber noch vor der Commerzbank – einrückte. Die Arbeitsbank besaß unter den Unternehmen der Arbeitsfront außerdem deshalb eine besondere Stellung, weil ihr als fiskalischer Transmissionsriemen zwischen der Organisation Deutsche Arbeitsfront und den Unternehmen der DAF eine zentrale Rolle zufiel. Die Stufen der Expansion des Gesamtkonzerns und seiner Glieder sind ohne einen genaueren Blick auf dieses fiskalische Instrument Leys und der DAF-Führung nur schwer zu verstehen. Das Kapitel bietet ferner einen kurzen Überblick über kleinere Geldinstitute der Arbeitsfront, die im Rahmen einer Straffung des Konzerns allerdings bereits Mitte der dreißiger Jahre geschlossen bzw. verkauft wurden. Das anschließende Kapitel 4 widmet sich den Versicherungen. Im Zentrum stehen hier die Volksfürsorge und der Deutsche Ring (DR-Versicherungen) als die beiden großen Versicherungsgesellschaften, die der Arbeitsfront-Führung bei ihrer Gründung in die Hände fielen und sich in der Folgezeit zum nach der Allianz zweitgrößten reichsdeutschen Versicherungskonzern entwickelten. Dabei wird zu zeigen sein, dass die Arbeitsfront die »Suche nach Sicherheit« (Eckart Conze), die sich angesichts der Erfahrungen der Zeitgenossen mit Weltkrieg, Revolution, einer krisengeschüttelten Weimarer Republik und der Weltwirtschaftskrise zu einer Sucht nach Sicherheit auswuchs – und paradoxerweise mit gleichzeitigen Weltmachtträumen nicht kollidierte –, mit ihren überdurchschnittlich prosperierenden Versicherungsgesellschaften ganz profan-materiell zu befriedigen suchte. Zu fragen ist (auch) in diesem Kapitel, wie sie dies mit dem nationalsozialistischen Primat des Bellizismus und ihren radikal-rassistischen Zielen und ebenso mit ihrer Funktion als »volksgemeinschaftlicher Dienstleister« zu vereinbaren suchte. Die Entwicklung der Verlage und Buchgemeinschaften, die 1933 in den Besitz der Arbeitsfront übergingen, sowie derjenigen, die in der Folgezeit neu gegründet oder erworben wurden, wird in Kapitel 5 beschrieben. In dieses Kapitel gehören auch etwa die eigentümlichen Beziehungen, die die Arbeitsfront zum entstehenden Holtzbrinck-Verlag entwickelte. Der in zahlreiche größere und kleinere Unternehmen aufgefächerte Verlagskomplex der Arbeitsfront wurde, einschließlich Druckereien, Buchbindereien usw., neben dem Eher-Verlag zu einem Schwergewicht in dieser Bran­che. Dieses Kapitel schließt, wie alle anderen, eine Darstellung der Auslandsaktivitäten dieser Säule des DAF-Konzerns ein. Es bietet außerdem eine Skizze der Geschichte der Ende 1939 entstandenen »Zentrale der Frontbuchhandlungen«, die eng mit dem Zentralverlag der Arbeitsfront verbandelt war und im Krieg eigene verlegerische Aktivitäten entwickelte. Kapitel 6 ist mit Bedacht »Von den Konsumgenossenschaften zum Deutschen Gemeinschaftswerk« überschrieben. Die Verbrauchergenossenschaften gingen zwar erst 1940/41 in den Besitz der DAF über. Für die Geschichte der Konsumvereine spielte die Arbeitsfront jedoch bereits während des Zeitraumes 1933 bis 1935/36 eine wichtige Rolle. Und auch deren Geschichte ab 1936, als die DAF den Kampf um Konsumgenossenschaften zunächst verloren hatte, ist darzustellen. Denn die Führung der Arbeitsfront gab ihre Absicht, die Verbrauchergenossen-

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schaften dem eigenen Wirtschaftsimperium einzuverleiben, niemals auf und gelangte schließlich Ende 1940 ans Ziel. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird dann die Umwandlung der vormaligen Konsumgenossenschaften in das – für die Versorgung der Heimatfront mit Lebensmitteln zentrale – privatwirtschaftlich an­gelegte, auf die Hegemonie des Einzelhandels für Nahrungsmittel orientierte »Deutsches Gemeinschaftswerk« dargestellt, das nach seiner Gründung in erster Linie mit der Verteilung von Nahrungsmitteln befasst war – und in dieser Funktion wesentlich zur Aufrechterhaltung der ›Heimatfront‹, aber auch zur Versorgung der militärischen Fronten beitrug. Im Kapitel 7 geht es um einen weiteren, bedeutsamen Genossenschaftstypus: die Wohnungsgenossenschaften sowie die Bau- und Siedlungsgesellschaften, die vor der NS-Machtergreifung überwiegend den freien Gewerkschaften gehört oder ihnen zumindest nahegestanden hatten und 1933 in den Besitz der DAF übergingen. Auch deren Geschichte unterlag während der zwölf Jahre des Dritten Reiches einer rasanten Entwicklung, bis sie 1940 bzw. 1942 zu Instrumenten des »Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau« bzw. des Reichswohnungskommissars wurden. Nicht zuletzt ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg wird eingehender untersucht, darunter die gerade auf diesem Sektor des DAF-Konzerns zu beobachtenden, vielfältigen Rationa­ lisierungsanstrengungen. Die Darstellung der Geschichte des Volkswagenwerkes in Kapitel 8 kann vergleichsweise knapp gehalten werden, da Mommsen und Grieger eine an Detailreichtum kaum zu überbietende Gesamtdarstellung für dieses Unternehmen vorgelegt haben. Ähnliches gilt für das geplante Volkstraktorenwerk, während die Ausführungen zum Werftenkomplex, den die DAF aufbaute, wiederum auf archivalische Quellen basiert wurden. In sich sind die Kapitel über die verschiedenen Säulen des DAF-Konzerns87 chronologisch gegliedert. Sie beginnen mit der ›Vorgeschichte‹ in der Ägide der freien oder christlichen Gewerkschaften, oder des Deutsch­nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes. Anschließend werden die Felder, auf denen sie tätig wurden, sowie ihre bis 1943 zumeist von einem ungebremsten Expansionsstreben gekennzeichnete Geschichte und schließlich ihr Stellenwert innerhalb der einzelnen Branchen beschrieben. Neben der Phase der Systemetablierung (1933/34), der Systemstabilisierung (1934 bis 1936) und der forcierten Aufrüstung (ab Herbst 1936) wird dabei (soweit die Quellen dies zulassen) ein besonderes Gewicht auf die Darstellung der jeweiligen Unternehmenspolitiken der Phase ab 1938 gelegt, als sich das Deutsche Reich in immer rascherer Folge neue Gebiete einverleibte und sich die bereits zuvor überdurchschnittliche Expansion der meisten DAF-Unterneh­men noch einmal beschleunigte. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die eineinhalb Jahre zwischen Hochsommer 1940 und Spätherbst 1941, als sich die meisten Zeitgenossen in Deutschland, darunter 87 Nur am Rande thematisiert werden Einrichtungen der »Nationalsozialistischen Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹« , die nominell als Unternehmen, nämlich als AG oder GmbH firmierten. Zur Dianabad AG vgl. Kapitel 4, S. 119 Anm. 106; zur Deutsche National-Theater AG, die aus dem Theaterkonzern von Max Reinhardt hervorging, vgl. Kapitel 3, S. 119-122.

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nicht zuletzt sämt­liche maßgebliche DAF-Funktionäre, auf den scheinbar unmittelbar bevorstehenden »Endsieg« der braunen Diktatur einstellten. In dieser Zeit wurden seitens der Arbeitsfront alle möglichen Pläne für die künftige Stellung der Organisation und ihrer Unternehmen in einem nationalsozialistischen Europa geschmiedet. Vor allem aus den während dieses Zeitraumes abgefassten Denkschriften und Programmatiken lassen sich die Visionen der DAF-Führung für die künftige Rolle des eigenen Wirtschaftsimperiums und überhaupt deren Vorstellungen einer europäischen Volkswirtschaft auskristallisieren. Funktionäre und einschlägige Experten der Arbeitsfront schmiedeten jedoch nicht nur Pläne. Die Unternehmen der DAF gingen in der Absicht, sich eine möglichst starke Position für die Zeit nach dem scheinbar kurz bevorstehenden nationalsozialistischen »Endsieg« zu verschaffen, außerdem gezielt daran, in das angegliederte und besetzte Ausland, aber auch in die mit dem Dritten Reich verbündeten Staaten zu expandieren. In welcher Weise dies geschah, ist gleichfalls Thema der den einzelnen Konzernteilen gewidmeten Kapitel. Kapitel 9 widmet sich dem Personal des DAF-Konzerns. Dabei geht es zunächst in einem Überblick um die jeweiligen Gesamtbelegschaften und die Frage, inwieweit sich deren Zu­sammensetzung und die beobachtbaren Veränderungen in allgemeine Trends einfügen oder dazu querliegen. Im Zentrum dieses Kapitels steht das Personal der ober­sten Hierarchieebene der verschiedenen DAFUnterneh­men und die Thematisierung der oben bereits angesprochenen biographischen Fragestellungen (Alter, Qualifikation, berufliche Karriere, politische Sozialisation etc.). Diskutiert wird, inwieweit sich innerhalb des DAF-Konzerns ein neuer Typus des nationalsozialistisch-politiknahen Managers ausbildete, der sich – mindestens in den ersten Jahren der NS-Herrschaft – vom Typus des etablierten Industriellen und Bankiers deutlich abhob, und wie einvernehmlich oder spannungsgeladen das Verhältnis zwischen beiden Seiten war. Diese auch auf Mentalitäten und Habitus wie auf das konkrete Handeln zielenden Fragen schließen die Thema­tisierung weiterer Aspekte ein; so wird u. a. auf die Vernetzung der DAF-Manager in die gesamte reichsdeutsche Wirtschaftselite hinein oder auch auf ihre Beteiligung an der ab 1934 implementierten so genannten Wirtschaftlichen Selbstverwaltung (Reichsgruppen, Wirtschaftsgruppen, Fachgruppen) einzugehen sein. Kapitel 10 resümiert die Kapitel über die verschiedenen Konzernteile und diskutiert generelle, die eigentümliche Struktur des Gesamtkonzerns der Arbeitsfront betreffende Aspekte. So wird die Frage nach den Zielen, die die Führung der Arbeitsfront mit dem Wirtschaftsimperium verfolgte, nun in der Zusammenschau aufgenommen und ebenso der oben gestellten Frage nachgegangen, wie sich dieses eigentümliche Gebilde in das Gefüge der nationalsozialistischen Volkswirtschaft eingeordnet hat und wie es denn zu kategorisieren ist. Zwar brach mit dem Ende des NS-Regimes und der Arbeitsfront auch das DAFWirtschafts­im­pe­rium zusammen. Die Darstellung kann jedoch nicht einfach 1945 enden. Denn das Imperium der Arbeitsfront hinterließ kräftige Spuren in der deutschen Geschichte weit darüber hinaus. Sie werden in einem kursorisch

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gehaltenen Ausblick (Kapitel 11) angerissen. Dabei geht es zum einen um das Schicksal der institutionellen ›Trümmer‹, d. h. der verschiedenen Unternehmen des vormaligen DAF-Wirt­schafts­impe­riums, die nun mit neuen Besitzern und in einem veränderten Kontext weiter existierten. Wichtiger ist die Frage nach den eher indirekten sozialen Folgewirkungen, die namentlich mit der nachhaltigen Beschädigung genossenschaftlicher Traditionen durch die Wirtschafts­politik der Arbeitsfront verbunden waren. Zum Umgang in der vorliegenden Untersuchung mit zeitgenössischen Eigen­ namen bleibt anzumerken, dass die Firmennamen der DAF-Unternehmen, aber auch ungewöhnliche zeitgenössische Termini und Redewendungen übernommen und nicht in Anführungszeichen gesetzt werden, soweit sie nicht einen ideologisch-propagandistischen Charakter besitzen, der eine förmliche Distanzierung unumgänglich macht. Bestimmte, von den Na­tio­nalsozia­listen verwendete Begriffe wie »Vierjahresplan« oder »Drittes Reich«, die inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch der historischen Forschung eingegangen und vergleichsweise unverfänglich sind, werden lediglich beim erstmaligen Gebrauch in Anführungszeichen gesetzt. In Zitaten wird die zeittypische Rechtschreibung beibehalten, al­ler­dings wurden Tippfehler stillschweigend korrigiert; ergänzende bzw. erläuternde Bemerkungen in den Zitaten sind in eckige Klammern gestellt. Schließlich wird der Leser mit zahlreichen, ihn vielleicht verwirrenden Namen konfrontiert sein. Über die Personen- und Institutionenregister hinaus finden sich zur Orientierung deshalb Kurzbiographien, überwiegend in den Anmerkungen.88

88 Im Register sind die entsprechenden Seitenzahlen gesperrt hervorgehoben. Auf Literaturhinweise zu den einzelnen Personen in den Anm. wird aus Platzgründen verzichtet. Wichtige Arbeiten und Lexika sind in die Bibliographie aufgenommen.

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1. Rahmen- und Ausgangsbedingungen

1.1. Gesamtwirtschaftliche Voraussetzungen Das Prinzip Marktwirtschaft und der Primat des Bellizismus Welchen Stellenwert besaßen während des Dritten Reiches die politischen Rahmenbedingungen für die Geschichte der Wirtschaft und der Unternehmen? Wie stark überformten die Nationalsozialisten im Laufe der Jahre ihrer Herrschaft die Strukturen der vorgefundenen Volkswirtschaft? Welche Entfaltungsmöglichkeiten besaß das einzelne Unternehmen? Diese und ähnliche Fragen sind über viele Jahrzehnte kontrovers diskutiert worden. Die infolge der Frontstellungen des Kalten Krieges politisch hochgradig aufgeladene, bis in die achtziger Jahre apodiktisch geführte Diskussion darüber, ob während der NS-Herrschaft nun ein Primat der Politik oder der Ökonomie geherrscht habe, ist inzwischen obsolet geworden. Die gesamtwirtschaftlichen Konstellationen lassen sich nicht auf ein Entweder-oder reduzieren. Ähnliches gilt für die Unternehmensgeschichte. Mit der Epochenwende 1989/90 schien zwar eine Konjunktur einer apologetischen Unternehmenshistoriographie einzusetzen. Sie blieb jedoch ein Strohfeuer. Behauptungen, »die Möglichkeiten einer eigenständigen Unternehmenspolitik« seien »im Laufe der Zeit geringer« geworden, die »Ergebenheit« gegenüber der NS-Führung sei »unvermeidlich« gewesen,1 hielten der empirischen Überprüfung nicht stand.2 Neben weiterhin apologetischen Auftragsarbeiten entstand eine Reihe von kritischen Unternehmensgeschichten, die die bereitwillige ­Kooperation größerer und kleinerer Unternehmen mit den 1 So Feldenkirchen, Wilfried, Siemens 1918-1945, München 1995, S. 142, 212. Unmoralisches Handeln wird dann – in konsequenter Apologie – »einzelnen Mitgliedern der Unternehmensführung« und »einigen Führungskräften« angelastet. Zitate: ebd., S. 142, 204. Ähnlich auch z. B. James, unter dessen Feder Emil Ritter v. Stauß zum bösartigen Einzelgänger mutiert, dem letztlich alle Schuld für die »Verwicklungen« der Deutschen Bank in die NS-Diktatur zugeschoben wird. Vgl. Harold James, Die Deutsche Bank und die Diktatur 1933-1945, in: Lothar Gall u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, München 1995, S. 315-408, bes. S. 352 f., 356 ff., 363. 2 Zur Charakterisierung und Kritik der überkommenen Unternehmensgeschichtsschreibung, die lange im »protoprofessionellen Raum« (Werner Plumpe) verharrte, vgl. etwa Werner Plumpe, Perspektiven der Unternehmensgeschichte, in: Günther Schulz u. a. (Hg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. 100 Jahre Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 2004, S. 403425, Zitat: S. 407 f.; ders., Unternehmen im Nationalsozialismus. Eine Zwischenbilanz, in: Werner Abelshauser u. a. (Hg.), Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen. Neue Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte des Nationalsozialismus, Essen 2003, S. 243266, bes. S. 247, oder Toni Pierenkemper, Unternehmensgeschichte. Eine Einführung in ihre Methoden und Ergebnisse, Stuttgart 2000, S. 28-40, 64 ff.

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rahmen- und ausgangsbedingungen

braunen Machthabern und die Integration der Industrie samt ihrer Akteure in das komplexe NS-System nicht zu verharmlosen versuchten. Weitgehende Einigkeit herrscht unter NS-Historikern darüber, dass die Natio­nalsozialisten keine eigenständige Wirtschaftstheorie ausbildeten, die für sie handlungsleitend war.3 Tatsächlich agierte das NS-Regime, konzeptionell wie in der Praxis, überaus pragmatisch. Selbst wenn sich führende Funktionsträger der Hitler-Diktatur wie Robert Ley zeitweilig ernsthaft eine Art nationalsozialis­­ ti­schen »Kriegs­sozialismus« erträumt haben sollten  – was bei Ley mehr als zweifelhaft ist –, so waren sie sich doch immer des Tatbestandes bewusst, dass sich der vom NS-Re­gi­me angesteuerte europäische Krieg nur auf Basis einer funktionstüchtigen und möglichst effizienten Volkswirtschaft führen ließ. Die maßgeblichen Entscheidungsträger der Diktatur wussten, dass sie dabei auf die Industriellen und Bankiers als Experten und Ga­ranten einer dynamisch-kapi­ta­ li­s­tischen Volkswirtschaft angewiesen waren und diese – so sie nicht als »Juden« stigmatisiert und verfolgt wurden – behutsam behandeln mussten. Die Präferenz der führenden Nationalsozialisten für eine kapitalistisch grundierte Ökonomie war jedoch nicht allein pragmatisch begründet. Eine auf dem Prinzip der Konkurrenz basierte Markt­wirtschaft kam darüber hinaus den poli­ tisch-ideologischen Vorstellungen der Nationalsozialisten entgegen. Das Diktum, Hitler sei ein unbedingter Anhänger des »liberalen Konkurrenzprinzips« (Henry Ashby Turner) gewesen,4 ist kaum übertrieben. Denn es entsprach zweifelsohne Hitlers sozialdarwinistisch getöntem Weltbild, dass freier Wettbewerb auf Basis des Privateigentums an Unternehmen innerhalb der Wirtschaft eine zentrale Rolle zu spielen habe. Bei den meisten seiner Paladine war dies nicht anders. Albrecht Ritschl hat in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, dass die Präferenzen für Kampf, Konkurrenz und marktliberalen Wettbewerb einerseits und ein Denken in Kategorien der – volkswirtschaftlichen wie völkischen – Gemeinschaft andererseits bis 1945 für die Zeitgenossen kein Antagonismus war, sondern vielmehr beides oft zusammengedacht wurde, Hitlers wirtschaftspolitisches Denken also (auch) in dieser Hinsicht nur einen verbreiteten Zeitgeist spiegelte. Darüber hinaus war Hitler wirtschaftskonzeptionell an den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges orientiert, ohne jedoch einem der allzu planwirtschaftlich 3 Vgl. neben Ritschl (Anm. 4) auch z. B. resümierend Plumpe, Unternehmen im Nationalsozialismus, bes. S. 251, oder Jan-Otmar Hesse, Zur Semantik von Wirtschaftsordnung und Wettbewerb in nationalökonomischen Lehrbüchern der Zeit des Nationalsozialismus, in: Johannes Bähr/Ralf Banken (Hg.), Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus. Studien zur Entwicklung des Wirtschaftsrechts im Interventionsstaat des »Dritten Reiches«, Frankfurt a. M. 2006, S. 473-508. 4 So Henry Ashby Turner, Hitlers Einstellung zu Wirtschaft und Gesellschaft vor 1933, in: GG 2/1976, S. 89-117, hier: S. 95. Zu Hitlers wirtschaftspolitischen Auffassungen und zur Frage ›nationalsozialistischer Wirtschaftstheorie‹ vgl. bes. Albrecht Ritschl, Zum Verhältnis von Markt und Staat in Hitlers Weltbild, in: Uwe Backes u. a. (Hg.), Im Schatten der Vergangenheit, Frankfurt a. M. 1990, S. 243-264.

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anmutenden »Gemeinwirtschafts«-Mo­delle, wie es z. B. Wichard v. Moellendorff formuliert hatte, anzuhängen.5 Damit unterschied sich der Diktator nicht von breiten Schichten der reichsdeutschen Unternehmerschaft. Verstärkt wurden der ordnungspolitische Drive und die Hoffnung auf einen starken Staat durch die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise6 sowie durch einen Primat der Konditionierung auf einen erneuten Krieg, der die Schmach der Niederlage von 1918 auswetzen sollte. Über diesen Primat des Bellizismus, mit dessen praktischer Umsetzung das Präsidialkabinett Hitler bereits Anfang April 1933 begann,7 bestand zwischen den Nationalsozialisten und den – wie immer zu betonen ist: nicht-jüdi­schen  – Wirtschaftseliten ein weitgehender Konsens. Überraschen kann dies kaum. Denn deren Protagonisten waren zumeist noch während des Spätwilhelminismus sozialisiert sowie vom Diktum der »Hochschätzung des Militärischen« (Hans-Ulrich Wehler) geprägt und hingen einem imperialistisch grundierten Nationalismus nach. Der Wunsch nach einer »Neuordnung« Mitteleuropas, nach dem Wiederaufstieg Deutschlands zur unbestrittenen europäischen Großmacht und nach einem zweiten »Griff zur Weltmacht« wurde zum stärksten Band, das die Entscheidungsträger des NS-Regimes und die reichsdeutsche Wirtschaftselite einte. Der Primat des Bellizismus und ein ausgeprägter Pragmatismus der HitlerDiktatur in wirt­schaftspolitischen Dingen schlossen – mit den symptomatischen Ausnahmen der »Arisierung« und der Enteignung der organisierten Arbeiterbewegung – die grundsätzliche Anerkennung des Prinzips des Privateigentums an Produktionsmitteln sowie die Wahrung der Vertragsfreiheit ein. Zudem implizierte der wirtschaftspolitische Pragmatismus des NS-Regimes nur begrenzte, autarkiepolitisch und (damit) kriegswirtschaftlich motivierte Restriktionen marktwirtschaftlicher Mechanismen. Aller unter dem Primat des Bellizismus praktizierten staatlichen Interventionen zum Trotz konnten die Unternehmen 5 Ebd., S. 245 f., 257 ff. 6 Vgl. z. B. Werner Abelshauser, Modernisierung oder institutionelle Revolution? Koordinaten einer Ortsbestimmung des »Dritten Reiches« in der deutschen Wirtschafts­ geschichte des 20. Jahrhunderts, in: ders./Jan-Ot­mar Hesse/Werner Plumpe (Hg.), Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen. Neue Forschungen zur Wirtschafts­ geschichte des Nationalsozialismus, Essen 2003, S. 19-39, bes. S. 24. Dass die Kritik an einem entfesselten Konkurrenzkapitalismus während der Weimarer Republik weit verbreitet war und auch z. B. unter den Wirtschaftsjuristen ein starker Staat gewünscht wurde, der stärker regulierend in die Volkswirtschaft eingriff, hat Johannes Bähr (»Recht der staatlich organisierten Wirtschaft«. Ordnungsvorstellungen und Wandel der deutschen Wirtschaftsrechtslehre im »Dritten Reich«, in: ders./Banken [Hg.], Wirtschaftssteuerung durch Recht, S. 445-472, hier: S. 449 ff.) betont. Im Übrigen war die Forderung nach mehr staatlicher Regulierung keine deutsche Besonderheit. 7 Am 4. April 1933 nahm die Regierung Hitler per Kabinettsbeschluss die Reichswehr und damit die gesamten, rasch wachsenden Rüstungsausgaben pauschal von der Kontrolle durch das Finanzministerium aus und legte damit den Grundstein für die entfesselte Aufrüstung der folgenden Jahre. Vgl. Michiyoshi Oshima, Die Bedeutung des Kabinettsbeschlusses vom 4. April 1933 für die autonome Haushaltsgebarung der Wehrmacht, in: Finanzarchiv, N.F., 2/1981, S. 193-235.

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zwischen 1933 und 1945 »im wesentlichen weiterhin wie kapitalistische Unternehmen generell« agieren (Christoph Buchheim).8 Statt auf unmittelbare Repression setzte das Regime auf ein komplexes System von indirekten Anreizen.9 Während bestimmte Handlungsoptionen – namentlich solche, die den rüstungsund autarkiepolitischen Zielen entgegenstanden – unattraktiv gestaltet wurden, stimulierte und privilegierte das NS-Regime andere Varianten mög­lichen Unternehmerhandelns gezielt. In aller Regel konnte es bei der Verfolgung seiner kriegswirtschaftlichen Zielsetzungen auf die Gewinnerwartungen und Expansionsbestrebungen der Unternehmensleitungen setzen. Für den Fall, dass einzelne Unternehmer sich Investitionswünschen des Regimes entzogen, standen in den einzelnen Branchen Konkurrenten bereit, die in Erwartung zusätzlicher Marktanteile gern in die Bresche sprangen. Grundsätzlich war es ohne negative Konsequenzen möglich, staatlichen Vorstellungen, rüstungspolitisch gewünschte Erweiterungsinvestitionen zu tätigen oder Kapital für die Errichtung autarkie- oder kriegsrelevanter Unternehmen zur Verfügung zu stellen, nicht zu entsprechen, etwa wenn man fürchtete, der Ausbau von Produktionskapazitäten vor dem Hintergrund der Aufrüstung würde sich letztlich nicht amortisieren.10 Wenn sich die Beziehungen zwischen Unternehmern und politischen Funktionsträgern oft eng gestalteten, ist dies nicht unbedingt als besondere Affinität zum Nationalsozialismus zu werten. Enge Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft (sowie Militär) sind in Kriegszeiten die Regel  – und die nationalsozialistische Volkswirtschaft kann im Prinzip bereits seit dem Neuen Plan 1934, spätestens ab Herbst 1936 als Kriegswirtschaft zu Friedenszeiten gelten. In diesem Zusammenhang ist auch der Vorstellung zu widersprechen, Wirtschaftsunternehmen befänden sich ›normalerweise‹ außerhalb der politischen Sphäre, sie würden ›unpolitisch‹ agieren und seien erst ab 1933 ›politisiert‹ worden. Hinter solchen Prämissen steht ein enger und zudem normativ aufgeladener Begriff von ›Politik‹. Denn gleichgültig unter welchen Rahmenbedingungen müssen sich 8 Christoph Buchheim, Unternehmen in Deutschland und [das] NS-Regime 1933-1945, in: HZ 282/2006, S. 351-390, hier: S. 356. 9 Zum Gewinn als Anreizelement vgl. Mark Spoerer, Von Scheingewinnen zum Rüstungsboom. Die Eigenkapitalrentabilität der deutschen Industrieaktiengesellschaften 1925-1941, Stuttgart 1996, resümierend S. 166 f. 10 Vgl. Jonas Scherner, Das Verhältnis zwischen NS-Regime und Industrieunternehmen – Zwang oder Kooperation? In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte/Journal of Business History 51/2006, S. 166-190. Scherner bringt eine Reihe von Beispielen, die deutlich machen, dass die Bedrohungsfurcht der Unternehmer minimal war. Vgl. ebd., bes. S. 182-190; außerdem ders., »Ohne Rücksicht auf die Kosten«? Eine Analyse von Investitionsverträgen zwischen Staat und Unternehmen im »Dritten Reich« am Beispiel des Förderprämienverfahrens und des Zuschussverfahrens, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2004/I, S. 167-188, sowie Buchheim, Unternehmen in Deutschland. Obwohl das NS-Regime nach Kräften bemüht war, Kapital für die Finan­zierung der Aufrüstung und des Krieges zu mobilisieren, war auch der Kapitalmarkt weniger restringiert als gemeinhin angenommen wird. Vgl. Scherner, Verhältnis zwischen NSRegime und Industrieunternehmen, bes. S. 187 f. Vgl. allgemein auch z. B. Plumpe, Unternehmen im Nationalsozialismus. Zwischenbilanz, S. 251 f., 255.

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Unternehmen stets auf ihr gesellschaftlich-politisches Umfeld einstellen. Ihre Autonomie findet gesamtwirtschaftlich Grenzen in diesen Rahmenbedingungen.11 Für die Zeit von 1933 bis 1945 geht es mithin nicht um das ›Ob‹, sondern um das ›Wie‹ der Beziehungen zum politisch-gesellschaft­li­chen Umfeld. Zu fragen ist nach der Qualität und Intensität der übergeordneten politischen Einflussnahmen wie der unternehmenspolitischen Anpassungsprozesse. Mit Blick auf die NS-Herrschaft ist zu berücksichtigen, dass die deutsche Wirtschaft fast von Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft an unter dem Zeichen der Kriegsvorbereitung stand. Kriege, sowie die Vorbereitungen darauf, sind wiederum generell Zeiten, in denen staatliche Organe stärker intervenieren als ›normalerweise‹. Dass in Kriegswirtschaften die Handlungsräume von Unternehmen eingeschränkt wurden und werden, kann als selbstverständlich gelten. Den Zeitgenossen war dies noch aus dem Ersten Weltkrieg in lebhafter Erinnerung. Bemerkenswert ist, dass den Unternehmen selbst auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges erhebliche Entscheidungsräume verblieben. Zwar wurde die Lenkung durch den Staat angesichts der Kriegswende ab 1941 deutlich straffer. Nun aber gereichten das »ausfasernde Geflecht« und die »organisatorische Zerrüttung der Rüstungsorganisation« den Unternehmen zum Vorteil und eröffneten ihnen neue Freiräume.12 Die Reorganisation der Rüstungswirtschaft und die Implementierung der »Wirtschaftlichen Selbstverwaltung« kann als ein »Angebot des Regimes an die Industrie« interpretiert werden, »größeren Einfluss auf die Produktion, und als Nebenprodukt auch die Verfolgung eigener Interessen«, einzuräumen und »zu tauschen gegen eine massive Steigerung des kriegswichtigen Outputs«.13 Darüber hinaus gilt ganz generell, dass die polykratische Struktur des NS-Regimes es erlaubte, die verschiedenen Institutionen und NS-Orga­nisationen gegeneinander auszuspielen. Allerdings wurde der Primat des Bellizismus antisemitisch und überhaupt rassistisch über­f ormt. Die rassistische Überformung des Primats des Bellizismus wiederum stieß auf Seiten der maßgeblichen Funktionsträger in Industrie und Bankgewerbe kaum auf Widerspruch. Ihr »Regelvertrauen« (Hansjörg 11 Vgl. dazu etwa Schneider, Unternehmensstrategien, allgemein bes. S. 25-29, mit Blick auf den NS z. B. S. 316, ferner Plumpe, Unternehmen im Nationalsozialismus, resümierend S. 265. 12 Schneider, Unternehmensstrategien, S. 466. Erst ab 1942/43 »begannen die Unternehmen die Suspendierung ihrer Entscheidungsspielräume zu spüren«. Dennoch blieben sie selbst danach »in der Lage, strategische Planungen anzustellen, die ihre Zukunft betrafen«, und konnten in ihrem Handeln weiterhin den Kriterien einer klassischen privatkapitalistischen Rationalität folgen. Ebd., S. 491, 496. 13 So Buchheim, Unternehmen in Deutschland, S. 371. Erker will dagegen in der zweiten Kriegshälfte nurmehr »Reste des privatkapitalistischen Systems« entdeckt haben; selbst diese habe das NS-Regime zu »beseitigen gedroht«. Paul Erker, Einleitung: IndustrieEliten im 20. Jahrhundert, in: ders./Toni Pierenkemper (Hg.), Deutsche Unternehmer zwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau. Studien zur Erfahrungsbildung von Industrie-Eliten, München 1999, S. 1-18, hier: S. 7.

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Siegenthaler),14 d. h. die Sicherheit der nicht-­jüdischen Unternehmer, dass unter der Diktatur das Prinzip der Vertragssicherheit und das der Freiheit des Eigentums sowie der unternehmerischen Entscheidung grundsätzlich weiter gelten würde, wurde nicht beschädigt. Der Antisemitismus wurde von zahllosen nichtjüdischen Unternehmern umgekehrt vielmehr pragmatisch instrumentalisiert, nämlich unmittelbar für die Verfolgung eigener materieller Interessen genutzt. Die Beteiligung an »Arisierungen« wiederum, so hat unlängst Christoph Buchheim resü­mierend betont, ist nicht als Akt politischer Willfährigkeit oder gar der erzwungenen Anpassung zu werten; sie geschah vielmehr regelmäßig »aus dem Blick des Eigeninteresses« heraus.15 Die Beraubung der nach rassistischen Kriterien als »Juden« stigmatisierten Bankiers und Industriellen war zweifelsohne ein fundamentaler Bruch mit dem Prinzip der Freiheit und Sicherheit des Privateigentums. In der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft und der Marktwirtschaft, vor allem ihrer frühen Phasen, gab es freilich immer schon Zeiten, in denen Raub und ›ehrlicher‹ Handel eng, manchmal untrennbar miteinander verwoben waren. Die Kalt­herzigkeit, mit der die nicht-jüdische reichsdeutsche Wirtschaftselite auf die Enteignung und überhaupt auf das Elend, dem Juden in Deutschland ausgesetzt waren, im Allgemeinen reagierte und die uns retrospektiv so erschüttert, kann insofern nicht gänzlich überraschen. Hinzu tritt eine Art dynamischer Gewöhnungs­ 14 Hansjörg Siegenthaler, Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. Die Ungleichmäßigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Tübingen 1993; ders., Geschichte und Ökonomie nach der kulturalis­ tischen Wende, in: GG 25/1999, S. 276-301, bes. S. 291 ff.; außerdem z. B. Hartmut Berghoff, Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariable. Zur Theorie des Vertrauens und der Geschichte seiner privatwirtschaftlichen Produktion, in: Karl-Peter Ellerbrock/Clemens Wischermann (Hg.), Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics, Dortmund 2004, S. 58-71. 15 Es »bedurfte keiner na­tio­nalsozialistischen Überzeugung« und keiner Überredungskünste des Regimes, um die Unternehmen zu veranlassen, »sich an diesen Untaten zu beteiligen.« Da insbesondere für die Banken die Beteiligung an »Arisierungen« oft äußerst lukrativ war, »entbrannte um die Beteiligung an diesem Geschäft ein heftiger Wettbewerb.« Buchheim, Unternehmen in Deutschland, S. 376 ff., 388, Zitate: S. 375, 378, 388. Buchheim verweist dabei auf die empirischen Studien von Harold James, Die Deutsche Bank und die »Arisierung«, München 2001, bes. S. 64; Ludolf Herbst, Banker in einem prekären Geschäft: Die Beteiligung der Commerzbank an der Vernichtung jüdischer Gewerbetätigkeit im Altreich (1933-1940), in: ders./Thomas Weihe (Hg.), Die Commerzbank und die Juden 1933-1945, München 2004, S. 74-136; Hannah Ahlmann, Die Commerzbank und die Einziehung jüdischen Vermögens, in: ebd., S. 147-172; Gerald D. Feldman, Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft 1933-1945, München 2001, S. 316-327. Vgl. außerdem u. a. Ingo Köhler, Kredite für NS-Verbrechen. Die deutschen Kreditinstitute in Polen und die Ausraubung der polnischen und jüdischen Bevölkerung 1939-1945, München 2007, oder auch die im Ausstellungskatalog des Aktiven Museums »Verraten und Verkauft«. Jüdische Unternehmen in Berlin 1933-1945, bearb. von Christoph Kreutzmüller und Kaspar Nürnberg, Berlin 2008, geschilderten Beispiele, sowie die Passagen zur »Arisierung« in insbesondere in Kapitel 3, S. 115-119.

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effekt. Die meisten Unterneh­mens­eigener und Manager hatten sich schon frühzeitig auf die moralischen Zumutungen des Nationalsozialismus eingestellt. Sie hatten sich mit ihnen nicht nur abgefunden, sondern sie vielfach aktiv in ihr unternehmerisches Kalkül einbezogen, da sie ihnen ökonomisch versüßt wurden. ›Gewöhnung‹ heißt in diesem Zusammenhang, dass sie den von Hans Mommsen und anderen beschriebenen Prozess der kumulativen Radikalisierung des NS-Re­gimes ebenso hinnahmen wie den nicht zu ignorierenden Tatbestand, dass die nationalsozialistischen Verbrechen immer monströser wurden. Ökonomisch wussten sich viele Unternehmen dabei schadlos zu halten. Gegen Verstaatlichung und genossenschaftliche Selbsthilfe – wirtschaftspolitische Prinzipien Wichtig ist in unserem Kontext, dass der Bruch mit dem bürgerlich-recht­s­ staatlichen Prinzip der Wahrung des Privateigentums in den mit dem euphemistischen Begriff »Arisierungen« charakterisierten Enteignungen zwar seinen besonders barbarisch-markanten Ausdruck fand, diese jedoch nicht einzigartig dastanden. Prius des durch Willkür und Beutegier charakterisierten Bruchs mit diesem fundamentalen bürgerlich-rechts­staat­li­chen Prinzip war die Ausraubung der sozialistischen, kommunistischen und ebenso der konservativ-christlichen Arbeiterbewegung. Die von den nationalsozialistischen Zeitgenossen mit »Arisierung« bezeichnete Aneignung jüdischen Besitzes umschreibt, sofern sie sich auf selbständige Gewerbebetriebe bezieht, einen gewaltsamen und nach rassistischen Kriterien vorgenommenen Umverteilungsprozess zugunsten nicht-jüdischer Selbständiger und nicht selten auch vormaliger nicht-jüdischer Angestellter. Bei diesem Umverteilungsprozess traten staatliche Organe als Mitt­ler auf. »Arisierte« Unternehmen wurden in aller Regel nicht verstaatlicht. Obschon ein Bruch mit rechtsstaatlichen Eigentumsprinzipien, setzten die »Arisierungen« die Mechanismen einer fundamentalen, konkurrenz­basierten Marktwirtschaft nicht grundsätzlich außer Kraft. Vor das Rechtsprinzip der Freiheit des Eigentums wurde vielmehr ein rassistischer Filter gespannt. Auch die – den »Arisierungen« von Unternehmenseigentum vorausgehenden – Enteignungen der Immobilien und Unternehmen der Gewerkschaften und politischen Linken mündeten nicht in Verstaat­ lichungsprozesse. Sie führten (das wird in den folgenden Kapiteln ausführlicher thematisiert) zu eigentümlichen Formen einer herrschaftsnahen Privatisierung. Franz Leopold Neumann hat diesen Prozess als das Siegel unter ein Credo interpretiert, das die »freie Wirtschaft«, d. h. eine privatwirtschaftliche, konkurrenzbasierte Marktökonomie, letztlich zum Fetisch machte. Mit der Gründung des DAF-Konzerns, und ähnlich der Reichswerke Hermann Göring oder der Wilhelm-Gustloff-Werke, hätten sich die nationalsozialistischen Mörder, Räuber und Banditen kapitalistisch zivilisieren wollen. Die »Gründung [d]er Partei­ wirtschaft verläuft nach dem vertrauten Muster amerikanischer Gangster, die ihren Traum, ehrbar zu werden, durch den Eintritt in das rechtmäßige Geschäft

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verwirklichen, nachdem sie Geld durch Erpressung und ›Schutz‹ angehäuft haben.« Diesem Sog hätten sich gerade die NS-For­ma­tionen nur schwer ent­ ziehen können, da »ein Gangster nur überleben [könne], wenn er ehrbar wird«. Die parteinahen Unternehmen »beweisen«, so Neumann weiter, »dass selbst in einem Einparteienstaat, der sich des Primats der Politik über die Ökonomie rühmt, die politische Macht ohne ökonomische Macht […] stets gefährdet ist«.16 Hätte eine Staatswirtschaft, in der das Prinzip der Konkurrenz und der ungebundenen Privatinitiative aufgehoben gewesen wäre, im Denkhorizont der Nationalsozialisten gelegen, hätten sich die DAF oder andere Organisationen bzw. Funktionsträger des NS-Regimes gar nicht erst die Mühe gemacht, eigene Unternehmen zu gründen. Zu keinem Zeitpunkt haben die nationalsozialistischen Machthaber ernsthaft Pläne gehegt, einzelne Branchen oder gar weite Teile der Volkswirtschaft zu verstaatlichen. Charakteristisch für die Wirtschaftspolitik des NS-Regimes war vielmehr ein ausgeprägter Zug der Entstaatlichung.17 Der Verkauf der Aktien, die der Staat am größten deutschen Stahlkonzern, den Vereinigten Stahlwerken, hielt, und ebenso die Veräußerung der staatlichen Anteile an der Dresdner Bank Mitte der dreißiger Jahre werfen auf diese Politik der Privatisierung ein bezeichnendes Schlaglicht.18 Dabei blieb es nicht. Die Betriebe der Montan GmbH wurden reprivatisiert. In der Flugzeugindustrie, die der NS-Staat vor dem Hintergrund einer möglichst raschen Aufrüstung vor 1938 finanziell massiv gestützt hatte, wurden bis »Ende 1941 fast alle Beteiligungen [wieder] veräußert«.19 1942 sondierte Göring sogar den Verkauf von Teilen der nach ihm benannten Reichswerke, nachdem diese in den besetzten Gebieten enorm expandiert waren.20 Buchheim hat vor diesem Hintergrund die »Einschätzung, Angst vor Verstaatlichung sei ein wichtiges Motiv für unternehmerisches Handeln gewesen«, für die Zeit ab 1934 in das Reich der Legende verwiesen. Von einer »kalten Sozialisierung«21 könne nicht gesprochen werden.22 Hinter der unternehmensfreundlichen und

16 Neumann, Behemoth, Zitate: S. 354, 357, 360. 17 Auch dies hat bereits Franz L. Neumann (Behemoth, S. 350-353) beobachtet. 18 Vgl. Johannes Bähr, Die Dresdner Bank in der Wirtschaft des Dritten Reiches, München 2006, bes. S. 52-73; Christopher Kopper, Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus. Bankenpolitik im »Dritten Reich« 1933-1939, Bonn 1995, S. 201-208. 19 Lutz Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918-1945, Düsseldorf 1998, S. 494 f. 20 Vgl. Buchheim, Unternehmen in Deutschland, S. 366, Anm. 41. 21 So Peter Hayes (Die Degussa im Dritten Reich. Von der Zusammenarbeit zur Mittäterschaft, München 2004, S. 130), der auch die schöne, aber falsche Metapher geprägt hat, »dass die Führungskräfte nicht mehr Fahrer des Unternehmensbusses waren, sondern nur noch die Schaffner«. Ähnlich außerdem z. B. Erker (Einleitung – Industriekultur, S.  6), der pauschal und wenig überzeugend behauptet, dass »die Industrie-Eliten […] ständig die Gefahr des ›Umkippens‹ der NS-Wirtschaftsord­nung in eine Staatswirtschaft« fürchteten. Vgl. auch Kapitel 10, S. 569, 573-579. 22 Vgl. Buchheim, Unternehmen in Deutschland, S. 361-370, Zitat: S. 366, 387.

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gesamtwirtschaftliche voraussetzungen

marktliberalen Politik der NS-Entscheidungsträger23 stand nicht allein ein  – vielleicht gar auf kurze Fristen berechneter – Pragmatismus, etwa die Einsicht, dass Verstaatlichungen gegen den Willen der maßgeblichen Unternehmer und Manager die Kriegspläne und dann die Kriegführung ins Stocken oder gänzlich zum Scheitern gebracht hätten. Wenn die NS-Propaganda und ebenso führende Repräsentanten des Regimes immer wieder die zentralistische Kommandowirtschaft des stalinistischen Russlands zur Negativfolie für die eigene Wirtschaftspolitik machten, dann war das weit mehr als ein bloßes rhetorisches Bekenntnis. Dahinter stand die  – sozialdarwinistisch unterlegte  – Überzeugung, dass der einer freien Marktwirtschaft zugrunde liegende Mechanismus der Konkurrenz ökonomische Energien freisetzt und eine wirtschaftliche Dynamik entfesselt, die überhaupt erst eine Realisierung der selbstgesetzten Zielen möglich machen würde. Nicht zuletzt die Arbeitsfront suchte dem Prinzip der Konkurrenz zum Durchbruch zu verhelfen – in ökonomischer Hinsicht und darüber hinaus. Wie sehr die Arbeitsfront auf »Wettkampf« setzte, zeigte sie mit ihrem seit 1936 mit großem Aufwand inszenierten »Leistungskampf der Betriebe«. Dieser Leistungskampf, der vor dem Hintergrund einer sich rasch zuspitzenden Arbeitskräfteknappheit und forcierten Aufrüstung initiiert wurde, sollte den Stachel der zwischenbetrieblichen Konkurrenz, der angesichts ausgelasteter Kapazitäten und gesicherter Rüstungsaufträge stumpf zu werden drohte, neu schärfen. Er sollte die einzelnen Unternehmen unter Druck setzen, und zwar weniger (wie mitunter irreführend angenommen wird), um den Belegschaften zu sozialpolitischen Wohltaten zu verhelfen, als vielmehr mit dem Ziel der Leistungssteigerung und Rationalisierung, einer ökonomischen Effizienzsteigerung um jeden Preis.24 Darüber hinaus suchte die DAF das Prinzip der Konkurrenz in der sozial­politischen Sphäre zu verankern – z. B. durch den gemeinsam mit der HJ bis Kriegsbeginn durchgeführten Reichsberufswettkampf  – und auf diese Weise die Arbeitnehmerschaft von traditionell-sozialistischen Normen wie Solidarität und Egalität 23 Ein weiterer Aspekt des nationalsozialistischen Marktliberalismus war die dezidierte Ablehnung von Kartellen. 1933 wurden mit dem Gesetz zur Errichtung von Zwangskontrollen erste einschnei­dende Maßnahmen gegen derartige, auf Markt-, Preis- oder Produktionskonstellationen gerichtete Absprachen durch die großen Unternehmen möglich. Die Preisstopverordnung von 1936 verschärfte die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten gegen Kartellbildungen; 1943 wurden Kartelle durch Gesetz schließlich ganz verboten. Vgl. Hans-Heinrich Barnikel, Kartelle in Deutschland. Entwicklung, theoretische Ansätze und rechtliche Regelungen, in: ders. (Hg.), Theorie und Praxis der Kartelle, Darmstadt 1972, S. 1-64, hier: S. 44; Pierenkemper, Unternehmensgeschichte. Einführung, S. 238. 24 Vgl. Frese, Betriebspolitik, S. 421-434; ders., Vom NS-Musterbetrieb zum Kriegsmusterbetrieb. Zum Verhältnis von DAF und Großindustrie 1936-1944, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Zweite Weltkrieg, München 1989, S. 382-401; Siegel, Rationalisierung statt Klassenkampf, S. 114 ff.; dies., Leistung und Lohn, bes. S. 110 f.; Thomas v. Freyberg/Tilla Siegel, Industrielle Rationalisierung unter dem National­sozialismus, Frankfurt a. M./New York 1991, bes. S. 101 f.

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zu ›kurieren‹. Eine Massenorganisation, deren Führung derart dem Kampf- und Konkurrenzprinzip verfallen und zu seinem überaus engagierten Verfechter ­geworden war, konnte auf der ökonomischen Ebene selbstredend nicht die Aufhebung der Konkurrenz predigen.25 Spätestens nach der Entmachtung der SA Ernst Röhms und der mit ihr verbündeten NSBO, die mit ihrem verbalen Antikapitalismus und rabaukenhaften Auftreten bis in das Frühjahr 1934 hinein in der Unternehmerschaft vielerorts Ängste vor einer Verstaatlichung geweckt hatten, war die Linie unbedingter Förderung unternehmerischer Privatinitiative unter den nationalsozialistischen Machthabern unumstritten. Ab 1940 kamen dann, nicht zufällig parallel zur Berufung Todts zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition und erneut in der Ära Speer ab Anfang 1942, sogar »Tendenzen zur Lockerung im Verhältnis von Staat und Wirt­schaft« (Ludolf Herbst)26 zum Tragen. Darüber hinaus erhöhte der Expansionismus des »Großdeutschen Reiches« in den »europäischen Großraum« den Einfluss der Industriellen und Bankiers des »Altreichs« weiter. Das NS-Re­gi­me setzte auf die unternehmerische Initiative der reichsdeut­schen Industrie, die, so das Kalkül, »mit ihren privatwirtschaftlichen Methoden an einer Durchdringung Europa mitwirken« würde.27 Die Nationalsozialisten waren sich bewusst, dass die »Moral der Effizienz« (Lutz Budraß/Man­fred Grieger) für die meisten Manager und Unternehmer auch unter den ab 1938 veränderten Rahmenbedingungen handlungsleitend blieb und oft genug unverhüllt hervortrat  – eine Moral, für die Gewinnmaximierung und Umsatzsteigerung im Zentrum standen und der Kontext, in dem ihre Unternehmen prosperierten, letztlich gleichgültig war. Die ökonomische Expansion in den Spuren der Wehrmacht betrachteten die meisten Unternehmen als Chance und nicht als ­Belastung. Die wirtschaftspolitisch einflussreichen Protagonisten des NS-Regimes bekannten sich über­zeugter zu den Grundsätzen von Privatinitiative und Marktwirtschaft als mancher Politiker der Weimarer Republik. Sie erwarteten von den Vorständen und leitenden Managern allerdings auch weit mehr Flexibilität und Aktivismus als zu ›normalen‹ Zeiten. Denn die sich schnell verändernden Rahmenbedingungen erforderten eine elastische Unternehmenspolitik. Nicht nur die imperialistische Expansion in scheinbar unbegrenzte ›Räume‹, auch eine unkoordinierte Vergabe von Rüstungsaufträgen, kurzfristige Änderungen der Produkt- und Produktionsvorgaben von staatlicher bzw. militärischer Seite und die für Formen »charismatischer Herrschaft« charakteristischen, sprunghaften Entscheidungen der politischen Entscheidungsträger sowie überhaupt die von NS-Seite während des Krieges provozierten raschen Wandlungen der politisch25 Tatsächlich erwiesen sich die Protagonisten der DAF in wirtschaftlicher Hinsicht als enthusiastische Anhänger von Wettbewerb und Privatinitiative. Vgl. Kapitel 10, S. bes. S.  575-579. 26 Ludolf Herbst, Der Totale Krieg und die Ordnung der Wirtschaft. Die Kriegswirtschaft im Spannungsfeld von Politik, Ideologie und Propaganda, Stuttgart 1982, S. 147. 27 Ebd.

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militärischen Konstellationen verlangten den Protagonisten der Unternehmen ein hohes Maß an Improvisationskunst ab. Marktwirtschaftlich geschulte, auf Flexibilität gepolte Manager waren dazu weit eher in der Lage als staatliche Wirtschaftsadministratoren. Das von den entscheidenden Nationalsozialisten hochgehaltene Prinzip einer »freien Wirtschaft« und unternehmerischer Eigeninitiative war im Übrigen ein Votum nicht nur gegen Verstaatlichung. Es war daneben auch gegen alle Formen genossenschaftlicher Selbstverwaltung gerichtet. Vor allem Genossenschaften waren Schulen einer basisnahen Demokratie. Jegliche Form von »Selbstverwaltung« und demokratischer Mitbestimmung kollidierte mit dem Führerprinzip und war auch sonst mit zentralen Ideologemen des Na­tio­nalsozialismus nicht zu vereinbaren. Die rücksichtslose Liquidierung des genossenschaftlichen Charakters der Konsumgenossenschaften, der Versuch ihrer Umwandlung in Privat­eigentum und ihre schließliche Überführung in den Besitz der Arbeitsfront Anfang 1941 war nur konsequent. Ähnliches gilt für die vormals freigewerkschaftlichen Wohnungsgenossenschaften und Bauhütten.

1.2. Die Enteignung der linken Arbeiterbewegung – ein eigentumsrechtlicher Präzedenzfall Noch vor den ersten »Arisierungen« markierte im Frühjahr 1933 die gewaltsame und entschädigungslose Enteignung des Vermögens und der Unternehmen der Gewerkschaften und Arbeiterparteien einen gravierenden Bruch bürgerlichen Rechts. Dieser Rechtsbruch, der mit der Enteignung der Kommunistischen Partei und ihrer Vorfeldorganisationen ab Februar 1933 begann,28 sich dann mit der Enteignung namentlich der freien Gewerkschaften fortsetzte, reduzierte die Hemmschwelle gegenüber weiteren Rechtsbrüchen dieserart und bereitete insofern auch die »Arisierung« jüdischen Eigentums vor. Die Übernahme der Unternehmen sowie der Gelder, der Immobilien der christlichen wie der Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften und des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes geschah nominell zwar mit dem Einverständnis der ursprünglichen Eigentümer. Auch hier war der politische Druck 28 Das Eigentum der KPD und ihrer Vorfeldorganisationen wurde ebenso wie wenig später das der SPD inkl. ihr nahestehender Verbände allerdings nicht der DAF, sondern den Ländern übereignet. Vgl. die Gesetze »über die Einziehung kommunistischen Vermögens« vom 26. Mai 1933 (RGBl. 1933, I, S. 293) und »über die Einziehung volksund staatsfeindlichen Vermögens« vom 14. Juli 1933 (ebd., S. 479), ferner das »Gesetz über den Verlust der Staatsangehörigkeit und den Widerruf von Einbürgerungen« ebenfalls vom 14. Juli 1933 (ebd., S. 480). Aufgrund dieser Gesetze wurden auch die Vermögen z. B. des Deutschen Freidenkerverbandes und ähnlicher Organisationen beschlagnahmt. Ausführlich zu diesem Enteignungsverfahren: Gerlinde Grahn, Die Enteignung des Vermögens der Arbeiterbewegung und der politischen Emigration von 1933 bis 1945, in: 1999 (Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts), 12/1997, Heft 3, S. 13-38.

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jedoch gewaltig, ist der Aspekt der ›Freiwilligkeit‹ mithin zu relativieren. Der Eigentumstransfer von den gemäßigten, eher wirtschaftsfreundlichen Arbeitnehmerorganisationen auf die DAF ist als weiche Variante illegitimer Enteignung zu klassifizieren, im Unterschied zur brachialen Beraubung, die die linke Arbeiterbewegung zuvor hinnehmen musste. Dass die Enteignung vor allem der freien Gewerkschaften, der kommunistischen und sozialdemokratischen Partei sowie der ihnen angeschlossenen Verbände und der mit ihnen verwobenen Unternehmen von den meisten Industriellen sowie ihren Verbänden, im gewerblichen Mittelstand und zahlreichen weiteren nicht-proletarischen Zeitgenossen achselzuckend oder gar wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde, mindert die Bedeutung dieses Rechtsbruchs nicht. Er zeigt allerdings, dass auf Seiten jedenfalls der nicht-jüdi­schen Unternehmerschaft die Hemmschwelle niedrig war, den Bruch mit rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen hinzunehmen, wenn es sich um die verhassten politischen Gegner der Weimarer »Systemzeit« handelte. Wenn Unternehmer und Manager ab 1933 diesen Enteignungen überhaupt ein Augenmerk schenkten, dann kritisierten sie nicht den Enteignungsprozess als solchen und dessen Legitimität. Sie rieben sich daran, dass nicht sie selbst sich der zuvor mit den Gewerkschaften verbundenen Vermögen und Betriebe bemächtigen durften bzw. dass deren Unternehmen als unliebsame Konkurrenten nicht gänzlich aufgelöst worden waren – sondern 1933 oder später der Arbeitsfront übertragen wurden. Dies war der Hauptgrund für die Widerstände, die der DAF bei der Übernahme des vormaligen Eigentums der Arbeitnehmerorganisationen entgegenschlugen, und für die Hindernisse, die sie bei der Übertragung des gewerkschaftlichen Eigentums zu überwinden hatte. Enteignung durch die Hintertür: vorgeschobene Korruptionsvorwürfe gegen »Leipart und Genossen« und Ley als »Pfleger« Die Geschichte der kampflosen Kapitulation der organisierten Arbeiterbewegung wird hier vorausgesetzt. Oft beschrieben ist auch, dass der ideellen Enteignung der Gewerkschaften  – der Umwidmung des »1. Mai« als Kampftag der Arbeiterklasse zu einem arbeitsfreien »nationalen Feiertag«, an dem einer sozialharmonisch konzipierten »Volksgemeinschaft« gehuldigt wurde – die gewaltsame Besetzung der noch in der Verfügungsgewalt des ADGB befindlichen Gewerkschaftshäuser am nächsten Tag und die materielle Enteignung der freien Gewerkschaften wiederum kurze Zeit später folgte. Dabei trat die DAF (um es paradox zu formulieren) das Erbe der Gewerkschaften an, bevor sie überhaupt existierte, sich als Organisation formiert hatte. Grundlegend für die Übertragung gewerkschaftlichen Vermögens auf die Arbeitsfront war nämlich eine Beschlagnahme-Anordnung der Berliner Generalstaatsanwaltschaft beim dortigen Landgericht I vom 9. Mai 1933, einen Tag bevor die DAF auf ihrem ersten Kongress formell konstituiert wurde. Aufgrund eines »Ermittlungsverfahrens gegen Leipart und Genossen, betreffend Korruption bei

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den freien Gewerkschaften«, wurde zunächst, auf Basis der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933, die Beschlagnahme des Vermögens der SPD, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold sowie aller sozialdemokratisch geprägten Zeitungen verfügt. Drei Tage später, am 12. Mai, wurde diese Anordnung »dahin ergänzt, dass auch das Vermögen der Freien Gewerkschaften«, d. h. des ADGB, des »Allgemeinen Freien Angestelltenbundes« (AFA-Bund) und sämtlicher Einzel­ gewerkschaften, beschlagnahmt wurde. Als »verfügungsberechtigten Pfleger« für das gesamte Vermögen und alle Unternehmen der freien Gewerkschaften setzte die Generalstaatsanwaltschaft – das war der Clou – Robert Ley ein. Die zynische Begründung lautete, dass nur so »eine geordnete Verwendung des deutschen Arbeitervermögens zu gewährleisten« sei. Ley seinerseits durfte »Bevollmächtigte« ernennen, die ihrerseits »Unterpfleger« einsetzen konnten.29 Das gewählte Verfahren war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Indem die zuständigen Justizbehörden die Enteignung in den Bereich der Strafjustiz (»Korruption«) verschoben, war dem Raub der gewerkschaftlichen Unternehmen, oberflächlich betrachtet, der Charakter eines politischen Willküraktes genommen. Das war geschickt. Statt den Akt der Übernahme zu politisieren und Gefahr zu laufen, die Frage der Übernahme der gewerkschaftlichen Unternehmen zum Objekt der Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Institutionen des neuen Regimes zu machen, ließen es Ley und andere NS-Funktionsträger soweit gar nicht erst kommen. Sie stellten den Eigentumstransfer in einen scheinbar vorpolitischen Raum und machten damit zugleich die Berliner Justiz de facto zu ihrem Komplizen. Mit ihrem pseudo-rechtsstaatlichen Vorgehen, der Korruptionsanschuldigung gegen die führenden Gewerkschaftsfunk­ tionäre, griffen sie die in der NS-Presse ohnehin gern kolportierten (und in der Regel unbewiesenen) Gerüchte und Stereotypen gegen gewerkschaftliche und sozialdemokratische »Bonzen« auf. Dem Vorsitzenden des ADGB Theodor Leipart wurde aktive Bestechung unterschoben, weil dieser und seine Mitstreiter aus dem gewerkschaftlichen Vermögen »große Beträge für politische Zwecke an die sozialdemokratische Partei Deutschlands und an dieser nahestehende Organisationen vergeben hätten«.30 Zu einem Prozess gegen Leipart und andere 29 Beide Beschlagnahme-Anordnungen finden sich im Wortlaut in: Uwe Henning, Zum Verhältnis von Maßnahmen- und Normenstaat. Die Bedeutung des Ermittlungs­ verfahrens gegen Leipart und Genossen für die Machtposition der Deutschen Arbeitsfront 1933-1939, in: ZfG 40/1992, S. 176-203, hier: S. 196 (Dokumentenanhang), bzw. Beate Dapper/Hans-Peter Rouette, Zum Ermittlungsverfahren gegen Leipart und Genossen wegen Untreue am 9. Mai 1933, in: IWK 20/1984, Heft 4, S. 509-535, hier: S. 518 bzw. S. 520. 30 Beschlagnahme-Anordnung vom 9. Mai 1933. Möglich wurde dieses Verfahren, weil Hanns Kerrl noch als »Reichskommissar für das preußische Justizwesen« (zum preußischen Justizminister wurde Kerrl erst am 21. April 1933 berufen) am 5. April 1933 ein eigenes »Referat für Korruptionssachen« unter der Leitung des Landgerichtsdirektors Crohne eingerichtet hatte. Roland Freisler (zu diesem Zeitpunkt »nicht planmäßiger« Beamter im preußischen Justizministerium im Rang eines Ministerialdirektors, ab Juni 1933 dann Staatssekretär) machte Ley auf dieses »Korruptionsreferat« aufmerksam. Ley

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kam es indessen nicht. Das war offenbar auch gar nicht beabsichtigt. Vielmehr ging es darum, dass die DAF über das Konstrukt der Pflegschaft Leys juristisch legitimiert die Verfügungsgewalt über das freigewerkschaftliche Vermögen, einschließlich der assoziierten Unternehmen, erhielt. Die Arbeitsfront als Unternehmer – misstrauisch beäugt Auf nationalsozialistischer Seite war die Übernahme gewerkschaftlichen Vermögens durch die DAF grundsätzlich unbestritten, da hier die Arbeitsfront als die legitime Nachfolgerin der zerschlagenen bzw. aufgelösten Richtungsgewerkschaften galt. Die Arbeitsfront war zwar keine Gewerkschaft und sollte dies auch nicht werden – das war bereits im Frühjahr 1933 klar. Aber sie hatte den Mitgliederbestand der Gewerkschaften übernommen und anfangs, bis Frühjahr 1934, auch deren Organisationshülse noch nicht wirklich abgestreift. Diese Legitimität, in die Fußstapfen der Gewerkschaften getreten zu sein, verlor die DAF aus der Sicht des NS-Regimes auch nicht, als infolge eines »Aufrufes« des Reichs­arbeitsministers Seldte, des Reichswirtschaftsministers Schmitt, des »Führers für Wirtschaftsfragen« Keppler und Leys in seiner Funktion als Chef der Arbeitsfront vom 27. November 193331 auch die Unternehmer der DAF beitraten. Sie taten dies ohnehin nur korporativ und lediglich nominell, ohne auch nur daran zu denken, ihre eigenen Verbände und damit ihre faktische Autonomie aufzugeben. Wichtig war die Vereinbarung vom November 1933 für die Arbeitsfront nicht zuletzt, weil damit auch von den Repräsentanten der Arbeitgeber die Aneignung des gewerkschaftlichen Vermögens durch die Arbeitsfront im Grundsatz anerkannt worden war; die DAF ihrerseits verzichtete in der Folgezeit darauf, Ansprüche auf die Vermögen der Arbeitgeberverbände zu erheben. Unabhängig davon konnte die Vereinbarung vom 27. November 1933 allerdings nur schlecht die Gegensätze zwischen den Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftsorganisationen auf der einen und der Arbeitsfront auf der anderen Seite kaschieren. Zu diesen Gegensätzen gehörte auch die Frage, ob die DAF überhaupt über eigene Wirtschaftsbetriebe verfügen, also neben der Aneignung von Gewerkschaftshäusern usw. auch das Erbe der gewerkschaftseigenen oder -nahen Unternehmen antreten durfte oder jene unter Federführung des Reichswirtschaftsministers im Verbund mit dem »Stellvertreter des Führers« und den politischen Organisationen des selbständigen Mittelstandes zerschlagen, also geschlossen oder zerlegt und dann privatisiert werden sollten. Reichswirtschaftsminister Schmitt artikulierte im Rahmen einer Diskussion des Reichskabinetts wiederum erkannte die Chance und beauftragte den kurz zuvor zum kommissarischen Leiter der Arbeitsbank ernannten Karl Müller, Unterlagen über führende ADGBFunktionäre um Leipart zusammenzutragen und an die Staatsanwaltschaft zu übergeben. Ausführlich: ebd., S. 516 ff. 31 Im Wortlaut in: Thomas Blanke u. a. (Hg.), Kollektives Arbeitsrecht. Quellentexte zur Geschichte des Arbeitsrechts in Deutschland, Bd. 2: 1933 bis zur Gegenwart, Reinbek 1975, S. 44 f.

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»außerhalb der Tagesordnung« vom 1. Dezember 1933 den Standpunkt der Unternehmer, als er für einen radikalen Schnitt plädierte und für die Zukunft eine unternehmerische Eigentumslosigkeit der Arbeitsfront vorschlug. Die Arbeitsfront solle nicht nur in Lohnfragen keinerlei Mitspracherechte besitzen. »Ebensowenig solle die Arbeitsfront wirtschaftliche Betriebe besitzen, anderenfalls wäre mit einer derartigen Ausdehnung ihres Wirtschaftsapparates zu rechnen, dass die übrige Wirtschaft erdrückt werden würde.«32 Auch wenn während der Kabinettssitzung selbst kein offener Widerspruch laut wurde, konnte sich Schmitt mit dieser Forderung nicht durchsetzen. Die Arbeitsfront behielt die Unternehmen. Die Strömungen in dem sich gerade etablierenden NS-Regime, die ein unternehmerisches Engagement der DAF misstrauisch beäugten, blieben allerdings stark und keineswegs nur auf Schmitt, Seldte und die »Wirtschaftliche Selbstverwaltung« unter Führung der Reichswirtschaftskammer und der Reichsgruppe Industrie beschränkt. Sie konnten dabei auf den unklaren Rechtsstatus der Arbeitsfront rekurrieren.33 Tatsächlich musste die DAF-Führung, solange sie sich als Organisation noch nicht konsolidiert hatte und zu einem zentralen Akteur auf den politischen Bühnen der Diktatur aufgestiegen war, anfangs Konzessionen machen und Niederlagen einstecken. Die Hitler-Verordnung vom 24. Oktober 1934 Es war anscheinend nicht zuletzt der anfangs prekäre Besitz der ehemals gewerkschaftlichen Unternehmen, der Ley dazu bewog, Hitler zu veranlassen, am 24. Oktober 1934 eine folgenreiche Verordnung zu unterzeichnen.34 Die Verordnung selbst hatte Ley dem Diktator ohne Kenntnis und hinter dem Rücken des »Stellvertreters des Führers« Rudolf Heß vorgelegt. Sie machte die DAF nicht nur zur »Organisation der schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust« zwecks Errichtung »einer wirklichen Arbeits- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen«. Darüber hinaus enthielt die Hitler-Verordnung vom Herbst 1934 im Paragraphen 9 einen Passus, der für das Wirtschaftsimperium der DAF von eminenter Bedeutung war. Dort hieß es lapidar, dass die »Vermögen« der frü32 Kabinettssitzung vom 1. Dez. 1933 (an der u. a. auch Hitler, Papen, Blomberg, Göring, Goebbels und Schacht teilnahmen), Tagesordnungspunkt 12, nach: Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler 1933-1938, Teil I, 1933/34, Bd. 2, bearb. von Karl-Heinz Minuth, Boppard a. Rh. 1983, S. 993 f. 33 Die DAF selbst sah sich als »eine einzigartige Neuschöpfung, weder eine Körperschaft öffentlichen Rechts, noch Verein, sondern eine nationalsozialistische Gemeinschaft«. So z. B. der Leiter des DAF-Rechtsamtes Bähren nach: »Was ist die Deutsche Arbeitsfront?« (o.V.) in: Berliner Tageblatt vom 8. Aug. 1936. 34 Diese Hitler-Verordnung wurde zwar nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckt, sie findet sich im Wortlaut aber in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften. Im Folgenden zitiert nach: Blanke u. a., Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 2, S. 67 f. Zum hohen Stellenwert der Verordnung vom Okt. 1934 für die Politik der DAF vgl. Hachtmann, Koloss, S. 18 f., 25, 56 ff.

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heren Gewerkschaften, Angestelltenverbände und Unternehmer-Vereini­gun­gen »einschließlich ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen, Vermögensverwaltungen in das Vermögen der Deutschen Arbeitsfront« übergehen sollten. Dieses wiederum sei »der Grundstock für die Selbsthilfe-Einrichtungen der Deutschen Arbeitsfront«. Damit waren der DAF die Vermögen, also die Immobilien wie die Unternehmen der vormaligen Arbeitnehmerverbände, pauschal und unzweideutig zugesprochen worden. Zugleich war insbesondere das Schlagwort »Selbsthilfe-Einrichtungen« eine bewusste Ross­täu­scherei. Absicht Hitlers, Leys und der DAF-Führung ist es niemals gewesen, Organisationen der »Selbsthilfe« im Wortsinne zu schaffen oder auch nur zu erhalten. Denn »Selbsthilfe« setzt Autonomie des Willens und Handelns sowie Selbstverwaltung oder doch zumindest substantielle Mit­bestimmung der Betroffenen voraus. Das aber war angesichts des Selbstverständnisses und der Grundaufgaben, die vom Regime der Arbeitsfront übertragen worden waren, von vornherein ausgeschlossen. Die vormals gewerkschaftlichen »Einrichtungen« einschließlich der Unternehmen sollten nun, im Auftrag der DAF, in sozialpaternalistischer Manier als ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹ ­agieren. Die Ministerialbürokratie vor allem des Reichsarbeitsministeriums erhob gegen die Hitler-Verordnung von Oktober 1934 zwar inhaltliche Einwände und stellte deren Rechtsgültigkeit in Frage. Das indes war ein vergebliches Unterfangen. Die im klassisch-staatsrecht­lichen Denken sozialisierten Ministerial­ beamten übersahen, dass Zweifel an einem derartigen »Befehl« des seit dem Tod Hindenburgs unumschränkt herrschenden »Führers« der klassischen Majestätsbeleidigung nahekamen. Ley wusste sich denn auch mit den neuen, durch die nationalsozialistischen Machthaber geschaffenen ›staatsrechtlichen‹ Verhältnissen im Einklang, als er die ministerielle Kritik als Nörgelei von »Siebenmal­ klugen, Besserwissern und spitzfindigen Quertreibern« abtat. In der Tat war allein die charismatische Legitimation durch den »Führer« entscheidend, d. h. das Faktum, »dass der Name Adolf Hitler unter dieser Verordnung steht« (Originalton Ley). Was die Ministerialbürokratie meine, was »mit dem Vermögen der Gewerkschaften geschehen solle«, interessierte ihn nicht. Die Antwort auf mögliche Einwände gegen die in der Hitler-Verordnung verfügte Übernahme des Vermögens und der Unternehmen der Arbeitnehmerverbände »ist sehr einfach und klar. Wir werden alles behalten, was dem schaffenden Menschen von Vorteil sein kann, alles aber abstoßen, was ihm schadet«, so der Chef der Arbeitsfront.35 Das ließ sich zwar nicht ganz so einfach umsetzen, wie Ley dies vorschwebte; vor allem die komplizierten Auseinandersetzungen um die Konsumgenossenschaften sollten dies zeigen. Die folgenden, sich über Jahre hinziehenden Konflikte um das Übernahme-Procedere ändern jedoch nichts daran, dass Ley mit seinen

35 Ley (o.D.), nach: Akte des Generalstaatsanwalts beim Landgericht I Berlin »in der anhängigen Strafsache gegen Leipart u. Gen. wegen Untreue«, Bd. VI, S. 47, zit. nach: Dapper/Rouette, Ermittlungsverfahren gegen Leipart und Genossen, S. 528.

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lakonisch-arroganten Sätzen die Generallinie für den Umgang der Arbeitsfront mit den Unternehmen der vormaligen Gewerkschaften vorgab. Allerdings hatte der zitierte Paragraph  9 für die DAF einen Pferdefuß: Eine Reihe von Gewerkschafts- und Volkshäusern war stark überschuldet. Die Gläubiger meldeten gegenüber der Arbeitsfront nun Forderungen an. Unklar war, welche davon bedient werden mussten und wie dies zu geschehen habe. Zudem begannen Anspruchsberechtige, d. h. vor allem im Frühjahr 1933 fristlos entlassene Gewerkschaftsangestellte, gegen die Arbeitsfront wegen ausstehender Lohnzahlungen, Renten, Entschädigungen etc. zu klagen. Die DAF war zu Zahlungen an Entlassene und ebenso an Gläubiger allerdings nicht bereit. Ihre Repräsentanten reagierten entsprechend schroff. Wenige Tage nach der Hitler-Verordnung erklärte der Leiter des Rechtsamtes der Arbeitsfront, Gustav Bähren, gegenüber der Berliner Staatsanwaltschaft, dass »eine Übernahme sämtlicher Schuldverbindlichkeiten der ehemaligen Gewerkschaften« dem in der Verordnung vom 24. Oktober 1934 vorgesehenen »Zwecke – Grundstock für die Selbsthilfeeinrichtungen der DAF [zu werden] – selbstverständlich nicht dienlich« sei und es deshalb bis zur »endgültigen gesetzlichen Regelung« bei »dem bisherigen Rechtszustande« bleiben müsse.36 Das am 13. Dezember 1934 erlassene »Gesetz über den Ausgleich bürgerlichrechtlicher Ansprüche«37 schob der schuldnerischen Haftung der DAF durch die Bestimmung, dass »besondere Nachteile« Einzelner »zu Lasten der Allgemeinheit« – und nicht durch die Arbeitsfront – abgegolten werden sollten, dann auch nominell einen Riegel vor. Die DAF wollte, das hatte sie schon frühzeitig erklärt, lediglich die Vorteile der Aneignung gewerkschaftlichen Vermögens und der Unternehmen in Anspruch nehmen, nicht dagegen für deren Nachteile, also Schulden und sonstige Folgekosten aufkommen.38 Mit dieser Position, die wesentlich auf dem unklaren Rechtsstatus der Organisation selbst beruhte,39 setzte sich die Arbeitsfront im Grundsatz schlussendlich erfolgreich durch. Mit dem »Gesetz über die Gewährung von Entschädigung bei der Einziehung oder dem Übergang von Vermögen« vom 9. Dezember 193740 gelang die beabsichtige Quadratur des Kreises und der Arbeitsfront die lang ersehnte Legalisierung des Raubes des gewerkschaftlichen Vermögens 1933, ohne 36 Nach: Dapper/Rouette, Ermittlungsverfahren gegen Leipart und Genossen, S. 529. 37 Reichsgesetzblatt (RGBl.) 1934, I, S. 1235. 38 Vgl. auch eine Besprechung führender Vertreter aus den zuständigen Reichsministerien vom 7. März 1934. Dort heißt es u. a.: »Die Arbeitsfront vertritt die Auffassung, dass sie […] nicht für die Ansprüche gegen die Gewerkschaften hafte. […] Die Schulden werden […] daher nicht bezahlt. Die Arbeitsfront zieht jedoch die Außenstände ein.« Nach: Grahn, Enteignung der Arbeiterbewegung, S. 29 f. 39 Vgl. oben, Anm. 33. Indem die DAF-Führung sich zu einer »einzigartigen Schöpfung« und gänzlich neuen »nationalsozialistischen Gemeinschaft« stilisierte, schuf sie sich tendenziell unbegrenzte politische und rechtliche Freiräume, die den Gerichten manche Nuss zu knacken gab und die traditionellen Verwaltungen auf zahlreichen Ebenen vor gravierende argumentative Probleme stellte. 40 RGBl. 1937, I, S. 1333 ff.

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dass sie für schuldnerische Verpflichtungen aufkommen musste. Der juristische Trick bestand darin, dass nicht der Arbeitsfront als Organisation das Vermögen der freien Gewerkschaften übereignet, sondern ihre Vermögensverwaltung GmbH als »Treuhänderin« eingesetzt wurde.41 Ministerialrat Er­be aus dem Reichsinnenministerium, der maßgeblich an dem Vermögensübertragungs-Gesetz mitgearbeitet hatte, stellte in dem maßgeblichen Kommentar zu diesem Gesetz ausdrücklich fest, dass es sich bei dem damit angestoßenen Rechtsvorgang »nicht um einen Vermögensübergang von den früheren Vereinigungen auf die Deutsche Arbeitsfront« handele, sondern »bei ihr [der DAF] neues (originäres), nicht abgeleitetes (derivates) Eigentum« entstehe. Infolgedessen bestehe »auch eine Haftung der Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront nicht für Forderungen gegen die Vermögensträger«.42 Alles dies galt immer vorbehaltlich eines Gesetzes, das den Rechts­status der DAF endgültig fixieren würde. Ein solches Gesetz wurde jedoch niemals verabschiedet. Das Gesetz vom 9. Dezember 1937 zog mithin tatsächlich den »endgültigen Schlussstrich unter die Vergangenheit«, als den die Presse das Gesetz am folgenden Tag gefeiert hatte.43 Die DAF hatte der skizzierten juristischen Konstellation schon dreieinhalb Jahre zuvor Rechnung getragen, indem sie am 16. April 1934 die (so der bezeichnende Name:) »Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront mbH« (TWU) mit Sitz in Berlin gegründet hatte.

41 § 25, Abs. 1 des Gesetzes vom 9. Dez. 1937. 42 Nach: Dapper/Rouette, Ermittlungsverfahren gegen Leipart und Genossen, S. 531 f. Auf Antrag konnten freilich weiterhin Rechtsansprüche auf vormaliges gewerkschaftliches Eigentum bzw. entsprechende Entschädigungen vorgebracht werden. Diese Anträge waren gegenüber Feststellungsausschüssen vorzubringen, die in Preußen und Bayern beim Regierungspräsidenten (in Berlin beim Polizeipräsidenten), in Sachsen bei den Kreishauptleuten und in den anderen Ländern bei den Obersten Landes­ behörden angesiedelt waren. Gegen deren Entscheidungen konnte zunächst bei einem Feststellungsausschuss des Reichsinnenministeriums, ab Frühjahr 1938 dann bei einer Reichsfeststellungsbehörde Berufung eingelegt werden. Die entsprechenden Anträge waren bis zum 30. Sept. 1938 einzureichen; ihre Bearbeitung zog sich bis weit in den Krieg hinein hin. Vgl. »Auszahlung von Ansprüchen aus dem Gewerkschaftsvermögen« (o.V.), in: Berliner Tageblatt vom 10. Dez. 1937; »Eine großzügige Schlußregelung«, in: Deutsche Volkswirtschaft 7/1938, Nr. 12, S. 429, sowie Heinz Boberach, Die Regelung der Ansprüche von Gewerkschaften auf beschlagnahmte Vermögen durch die Reichsfeststellungsbehörde 1938 bis 1944, in: IWK 25/1989, S. 188-194, bes. S. 195 f. 43 Als Zitate z. B. im Berliner Tageblatt vom 10. Dez. 1937 bzw. in der Deutschen Volkswirtschaft 7/1938, Nr. 12, S. 429.

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Beschlagnahmt, gleichgeschaltet oder freiwillig der Arbeitsfront angeschlossen – zum unterschiedlichen politischen Status der einzelnen Unternehmen Die skizzierten, sich bis Ende 1937 hinziehenden Auseinandersetzungen und Rechtsprobleme drehten sich ausschließlich um das freigewerkschaftliche Vermögen, also die Unternehmen, Immobilien sowie anderes Eigentum des ADGB und der ihm angeschlossenen Einzelgewerkschaften. Das Vermögen von KPD und SPD war schon frühzeitig überwiegend auf die Länder übergegangen (deren Verwaltungen sich dadurch gleichfalls des scharfen Bruches rechtsstaatlicher Normen schuldig machten). Wieder anders musste das Eigentum des christlichnationalen DGB, der Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften sowie des Deutsch­ nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes behandelt werden. Denn diese Arbeitnehmerorganisationen hatten sich freiwillig der Arbeitsfront als neuer Dachorganisation unterworfen und im Sommer 1933 aufgelöst. Unstrittig war unter den an der Frage der Eigentumsübertragung interessierten Reichsministerien noch im März 1934 freilich nur, dass »ein Unterschied gemacht [werden müsse] zwischen dem der freien und dem der christlichen Gewerkschaften«. Während es sich bei den freien Gewerkschaften um eine ›feindliche Übernahme‹ der Unternehmen und des sonstigen Vermögens handelte, war bei den anderen Gewerkschaftsverbänden eigentlich an eine ›freundliche Übernahme‹ gedacht. Formalrechtlich war infolgedessen, so konstatierten die Vertreter der zuständigen Reichsministerien unisono Anfang 1934, »das Vermögen der christlichen Gewerkschaften nicht beschlagnahmt« worden. Es galt als herrenlos, da »die ursprünglichen Träger größtenteils weggefallen« seien, so die Formulierung im Protokoll einer Besprechung Anfang 1934, die suggeriert, als habe es sich hier um ein Naturereignis gehandelt. Einig war man sich freilich schnell, dass auch das Eigentum des katholischen DGB sowie der anderen Arbeitnehmerverbände wenigstens »zum Teil auf die Arbeitsfront übertragen werden soll«, aller »bestehenden völligen Unklarheiten über den Rechtszustand« zum Trotz.44 Obgleich die Inbesitznahme allen gewerkschaftlichen Vermögens durch die Arbeitsfront auch für die entscheidenden Akteure der Organisation von vornherein außer Zweifel stand, achtete die DAF-Führung sorgsam darauf, den je nach Vorgeschichte unterschiedlichen Status der Unternehmen sowie des sonstigen Vermögens zu wahren. Am 16. Oktober 1933 erließ die Rechtsabteilung der Berliner Zentrale der Arbeitsfront ein »Rundschreiben Nr. 1« an sämtliche Funktionäre der Organisation, die Vorstände sämtlicher DAF-Unternehmen sowie »alle Pfleger«.45 Darin wurde festgestellt, dass »bei der Bearbeitung von Ansprüchen«, die an die nun in die DAF inkorpierten, vormaligen Arbeitnehmerverbände und deren wirtschaftliche Unternehmen gestellt würden, die »ver44 Besprechung führender Vertreter aus den zuständigen Reichsministerien vom 7. März 1934, nach: Grahn, Enteignung der Arbeiterbewegung, S. 29. 45 Im Wortlaut in: Henning, Verhältnis von Maßnahmen- und Normenstaat, S. 198-203. Daraus alle folgenden Zitate.

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mögensrechtlichen Unterschiede« genauestens zu beachten seien. Zu differenzieren sei in drei Kategorien: ‒‒ Zur ersten Kategorie zählten die »Vermögen der beschlagnahmten Gewerkschaften«. Diese Formulierung bezog sich auf das Eigentum des ADGB, seiner insgesamt 28 Einzelgewerkschaften sowie des AfA-Bunds.46 Explizit aufgeführt wurden an Unternehmen die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten AG., der Verband Sozialer Baubetriebe mit den ihm angeschlossenen Bauhütten, die Dewog und deren Tochtergesellschaften u. a.m.«, nicht dagegen die Volksfürsorge, da an dem Versicherungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt die Konsumgenossenschaften noch größere Anteile hielten. Die vormaligen Besitzer dieser Unternehmens-Kategorie waren jeglicher Rechte beraubt. »Oh­ne Genehmigung des Pflegers«, also Leys, durfte mit ihnen nichts geschehen; selbst »die Gerichte haben etwaige trotz der Beschlagnahme eingeleitete Zwangsmaßnahmen auf Antrag des Pflegers aufzuheben oder einzustellen«, Konkurs-, Zwangsverwaltungs- oder Zwangsversteigerungsmaßnahmen ­gegen die freigewerkschaftlichen Unternehmen durften nicht angeordnet werden. ‒‒ Die »Vermögen der gleichgeschalteten Gewerkschaften«, als die zweite Kategorie, schloss die Besitztümer des »Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften« sowie des Hirsch-Dun­cker­schen »Gewerkschaftsringes Deutscher Angestellter, Arbeiter und Beamten« ein,47 jeweils »nebst Unterorganisationen«, ferner »sämtliche Verbände, die sich auf Grund der Aufforderung unter Ausschluss der Liquidation in die Verbände der Deutschen Arbeitsfront eingegliedert haben«. Hier seien auf die DAF als Rechtsnachfolger der genannten Verbände auch »alle vertraglichen Verpflichtungen übergegangen«. Allerdings hielt sich die Rechtsabteilung der Arbeitsfront hier ebenfalls ein Türchen offen: »Manchen Verträgen« sei aufgrund der veränderten politischen Konstellationen »die Rechtsgrundlage entzogen«; der DAF könne »die Erfüllung früherer Verbindlichkeiten nicht mehr zugemutet werden, in denen der Vertragsgegner gegen un­seren obersten Grundsatz: ›Gemeinnutz geht vor Eigennutz‹ verstoßen« habe. In diesem Falle sei nach dem national­ sozialistischen Grundsatz zu verfahren, dass »künftighin in Deutschland nur 46 Der AfA-Bund war als Angestelltenorganisation im Okt. 1921 gegründet worden und schloss noch im selben Jahr einen Kooperationsvertrag mit dem freigewerkschaftlichen ADGB ab, ohne seine organisatorische Autonomie aufzugeben. Zunächst der mitgliederstärkste Angestelltenverband der Weimarer Republik, schwand seine Bedeutung schon bald. Zahlreiche seiner Mitglieder wanderten vor allem zum »katholischen-nationalen« Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften (GEDAG) ab, in dem der DHV tonangebend war. 47 Der von Anton Erkelenz bis 1933 geleitete »Gewerkschaftsring Deutscher Angestellter, Arbeiter und Beamten« war 1918 aus den 1869 von Max Hirsch und Franz Duncker gegründeten, zwischen national- und sozialliberal oszillierenden Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen hervorgegangen und die kleinste der drei Weimarer Richtungsgewerkschaften. Mit der GEDAG war ab 1925 die wichtigste Dachorganisation der Angestellten dem Gewerkschaftsring assoziiert.

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Recht sein kann, was dem Volke nützt«. Das waren Phrasen, die es der Arbeitsfront bzw. dem Chef der DAF als dem »Pfleger« allen beschlagnahmten oder ›gleichgeschalteten‹ gewerkschaftlichen Vermögens erlaubten, auch mit diesem Eigentum einschließlich aller dazugehöriger Unternehmen nach Gutdünken zu verfahren. ‒‒ In die dritte Kategorie gehörten die »Vermögen der Gewerkschaften, deren Rechtsnachfolge angetreten ist«. Diese etwas unklare Formulierung bezog sich auf die – wenigen – Arbeitnehmerverbände, die weder zerschlagen wurden, wie der ADGB, noch mit mehr oder minder star­kem Druck »gleichgeschaltet« wurden, wie die christlichen und liberalen Arbeitnehmerorganisationen, sondern freiwillig und enthusiastisch den »nationalen Aufbruch« des vierten Prä­sidialkabinetts Hitler begrüßt und sich nach Grün­dung der Arbeitsfront dieser freiwillig angeschlossen hatten. Gemeint war namentlich der DHV, der Deutsche Werkmeister-Ver­band,48 der Deutsche Büro- und Behördenangestellten-Verband und der dem DHV nahestehende »Verband der weiblichen Angestellten«.49 Für diese Kategorie gewerkschaftlichen Vermögens galten nach dem Rundschreiben vom 16. Oktober 1933 dieselben Regelungen wie für die zweite Kategorie. Wenn dennoch in drei – und nicht in zwei – Vermögenskategorien unterschieden wurde, dann hatte das durchaus einen Sinn: Die Vermögen und die hier besonders interessierenden Unternehmen der genannten Verbände, insbesondere diejenigen des DHV, wurden sehr viel vorsichtiger behandelt auch als die der christlichen Gewerkschaften, von denen der freien Gewerkschaften ganz zu schweigen. So wurde die vom DHV beherrschte »Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten« (GAGfAH) samt ihren fünfzig Tochter­ gesellschaften nicht dem DAF-Konzern einverleibt; sie blieb bis 1945 selbständig. Der Langen-Müller-Verlag und die Hanseatische Verlagsanstalt  – Prunk­ stücke des DHV – gingen zwar in den Besitz der DAF über, aber die personellen Kontinuitäten auf der Vorstandsebene vor und nach 1933 waren auffällig und 48 Der Deutsche Werkmeister-Verband (DWV) war im Frühjahr 1884 gegründet worden und hatte sich, nach dem Anschluss des »Werkmeisterverbandes für das deutsche Buchbindergewerbe und verwandte Berufe« sowie des »Deutschen Vorzeichner-Verbands« im Jahre 1920 dem AfA-Bund angeschlossen. 1929 war der moderat-sozialdemokratische DWV mit etwa 130.000 Mitgliedern der größte Verband für das Arbeitnehmersegment der Werkmeister und Vorarbeiter sowie verwandter Berufe. Von Mai 1933 bis Febr. 1934 fungierte er vorübergehend als organisatorischer Rahmen innerhalb der DAF, in den alle vergleichbaren Verbände eingegliedert wurden. 49 Der Verband der weiblichen Angestellten (VWA) war 1919 als »Verband der weib­lichen Handels- und Büroangestellten« gegründet worden und hatte sich dem GEDAG angeschlossen. Seine Vorläufer waren der »Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte« und die »Verbündeten kaufmännischen Vereine für weibliche Angestellte«. Der VWA kooperierte eng mit dem die GEDAG dominierenden DHV, obwohl jener die Frauenerwerbstätigkeit eigentlich grundsätzlich ablehnte. Im Rahmen der »Angestelltensäule« der DAF blieb der VWA als organisatorisches Auffangbecken für weib­liche Angestellte bis Anfang 1934 bestehen.

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wären in den Führungsgremien des freigewerkschaftlichen Buchmeister-Verlages oder der »Büchergilde Gutenberg« undenkbar gewesen. Eine herausgehobene Stellung besaßen auch die bis 1933 zum DHV gehörenden Deutscher Ring-Ver­ sicherungen. So blieben die meisten Vorstandsmitglieder, in krassem Unterschied zur Volksfürsorge als sozialdemokratischem Pendant, jedenfalls vorerst auf ihren bisherigen Posten. Welch privilegierte Stellung die DHV-Unternehmen besaßen, zeigte sich erneut ab 1938, als der »Deutsche Ring« bei der Übernahme von Versicherungen in den okkupierten Gebieten gegenüber der Volksfürsorge von den verantwortlichen Akteuren auf Seiten der DAF sichtlich bevorzugt wurde. Diese ungleiche Behandlung hatte System: Die DAF-Führung belohnte die Unternehmen des DHV dafür, dass sie lange vor 1933 einem strikten Antisemitismus gefolgt waren und enge Beziehungen zur Weimarer NS-Bewegung gepflegt hatten; so waren NSDAP und SA schon ab Ende der zwanziger Jahre bei der Deutscher Ring-Lebensversicherung versichert; die DHV-Verlage waren Multiplikatoren rechtsextremistischen Gedankenguts und hatten die Elaborate einer ganzen Reihe von Autoren, die nach 1933 dann politische Karriere machten, bereits lange vor der »Machtergreifung« auflagenstark vertrieben. Wenn demgegenüber Bank- und Versicherungs-Unternehmen der christlichen Gewerkschaften in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verkauft oder liquidiert wurden, während die der freien Gewerkschaften erhalten und ausgebaut wurden, dann hatte dies ökonomische Gründe: Die spätere Arbeitsbank, die Volksfürsorge und ebenso die GEHAG waren gut geführte, wirtschaftlich gesunde Unternehmen, während die Bank und ebenso die Versicherung des katholischen DGB bereits zu Beginn der Weltwirtschaftskrise angeschlagen sowie außerdem kleiner dimensioniert waren – und deshalb von der DAF aufgegeben wurden. Festzuhalten bleibt, dass mit der skizzierten »Beschlagnahme« freigewerkschaftlichen Ver­mögens bzw. der mit der »Gleichschaltung« der christlichen, der Hirsch-Dun­cker­schen Ge­werkvereine sowie des DHV und kleinerer Arbeit­ nehmerverbände einhergehenden ›freiwilligen‹ Eigentumsübertragung der ent­sprechenden Unternehmen ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der nach der eigenartigen nationalsozialistischen Rechtsauffassung in der Folgezeit weitere Ansprüche der Arbeitsfront rechtfertigte. Die Entstehungsgeschichte des DAF-Wirtschaftsimperiums, seine Geburt aus dem Institutionen- und Unternehmenskonglomerat der Genossenschaften und Arbeitnehmerverbände, legitimierte vor allem ab 1938 Begehrlichkeiten der Arbeitsfront auf Vermögen und die Unternehmen nun der ausländischen Gewerkschaften in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Was sich ab dem 2. Mai 1933 im Deutschen Reich abgespielt hatte, wiederholte sich mit je nach Land cha­rakteristischen Modifikationen zwischen 1938 und 1942 auf europäischer Ebene: Die Arbeitsfront fungierte als materieller Erbfolger zerstörter Gewerkschaften und genossenschaft­ licher Unternehmen. Mit dem Beutemachen, dem Zusammenraffen all dessen, was man den Weimarer Arbeitnehmerorganisationen widerrechtlich genommen hatte, tat sich die DAF-Führung leicht. Schwieriger war es, die Beute gegenüber anderen Räubern

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zu verteidigen, d. h. die neu erworbenen ›Besitzansprüche‹ rechtswirksam abzusichern. Den Raub schließlich so zu ›sortieren‹, dass er dem Räuber auch von politischem und ökonomischem Nutzen war, erwies sich als noch weit schwerer. Diesem Aspekt, der Frage also, wie das Unternehmenskonglomerat durch den politischen Apparat der Arbeitsfront strukturiert und gelenkt wurde, muss sich die Untersuchung nun zuwenden. Erst danach kann die Geschichte der Konzernteile vorgestellt werden.

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2. Das Dach des Konzerns

Der Konzern der DAF war das Resultat von Gewalt, Willkür und Raffgier. Die Geburtsmale sollten ihm zeit seiner Existenz anhaften. Das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront besaß freilich nicht nur einen ganz eigentüm­lichen Charakter. Es war zudem in gewisser Weise gleichzeitig unsichtbar und omni­präsent. Andere Unternehmen waren damals in aller Regel auf eine einzige Branche beschränkt; oder sie blieben auf benachbarte Branchen konzentriert – blickt man etwa auf die vertikal strukturierten Großunternehmen der Schwerindustrie, die unter ihrem Dach Betriebe verwandter Zweige, vom Bergbau über die Eisenund Stahlgewinnung bis zum Maschinenbau und zu den Werften, vereinten. Auch die anderen parteinahen Konzerne wie die Reichswerke Hermann Göring oder die Wilhelm-Gustloff-Werke waren auf überschaubaren Gebieten tätig. Dem­gegenüber wirkte der auf sehr unterschiedlichen Feldern aktive Konzern der Arbeitsfront wie eine Art Gemischtwarenladen. Den meisten Zeitgenossen ging es, blickte sie auf diesen Konzern, kaum anders als den Historikern. Allerorten war man mit irgendeinem DAF-Unternehmen konfrontiert; der Konzern schien insofern omnipräsent. Gleichzeitig blieb unklar, was eigentlich zu diesem Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront gehörte. Seine Konturen waren unscharf. Seine Gesamtdimensionen konnte kaum ein Zeitgenosse übersehen. Angesichts des Konglomerats aus Banken, Versicherungen, Bauund Wohnungsunternehmen, Verlagen, Werften, einem Automobilunternehmen usw. stellt sich die Frage: Was hielt diesen Konzern, über die Eigentumstitel der DAF an den einzelnen Unternehmen hinaus, überhaupt zusammen? Dieser Frage ist unter zwei Gesichtspunkten nachzugehen, erstens: Welche allgemeinen Ziele verfolgte die DAF mit ihrem Gesamt-Konzern, unabhängig von konkreteren Zielsetzungen und Aufgaben, die einzelne Unternehmen wahrnehmen sollten? Zweitens: Wie wurde der heterogene Unternehmenskomplex zusammengebunden? Wie wurde er gelenkt? Welche Institutionen innerhalb der politischen Organisation mit Namen »Deutsche Arbeitsfront« waren für den Konzern verantwortlich? Koordinationsprovisorien bis 1938 Die Frage der Lenkung der DAF-Unternehmen wurde zunächst dilatorisch ›gelöst‹. Noch im Mai 1933, dem Geburtsmonat der Arbeitsfront, hatte Ley die »Pflegschaft« für das gesamte enteignete SPD- und Gewerkschaftsvermögen einschließlich der Arbeitsbank, Volks­f ür­sorge, Büchergilde Gutenberg bzw. des Buchmeister-Verlags, der Bauhütten, der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften usw. übernommen. Faktisch assoziiert wurden dieser »Pflegschaft« wenig später die Vermögen, Immobilien und Unternehmen der ›freiwillig‹ gleich-

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geschalteten anderen Gewerkschaftsrichtungen, also des christlichen DGB und der Hirsch-Duncker’schen Gewerkschaften, sowie (mit Einschränkungen) des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verban­des. Wie sein »Führer« interessierte sich auch Ley nicht wirklich für die Angelegenheiten ›seiner‹ Unternehmen. Diese Aufgabe wälzte er ab, indem er auf regimetypische Weise einen Sonderkommissar einsetzte. Noch im Mai 1933 ernannte er den in Finanzangelegenheiten erfahrenen Bankdirektor Karl Müller zum »Unterpfleger« des enteigneten sozialdemokratischen und freigewerkschaftlichen Vermögens und damit faktisch zum Verwalter der Vermögen, Immobilien und Unternehmen der übrigen Arbeitnehmerverbände.1 Angesichts der »Wirtschaftsenthobenheit« (Max Weber) Robert Leys, seines Desinteresses an ökonomischen Fragen, schien Müller damit zum ›starken Mann‹ in wirtschaftlichen Dingen innerhalb der DAF zu werden, zumal er noch Mitte 1933 weitere Funktionen übernahm. So fungierte er (um nur die wichtigsten seiner Posten anzuführen) als Geschäftsführer der DAF und deren Beauftragter für die Konsumgenossenschaften; außerdem saß er der Geschäftsleitung des »Reichsbundes der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH« vor. Ferner leitete er kommissarisch den Zentralverlag der Arbeitsfront. Schließlich führte er das kurzlebige DAF-»Amt für Selbsthilfe« bzw. »Selbsthilfe und Siedlung«. Tatsächlich gelangte Müller jedoch nicht in die überragende Stellung, die er wohl auch selbst einzunehmen hoffte. Müller überschätzte seine Position, entwickelte allzu offensichtlich eigenständige Machtambitionen, geriet wie mancher andere2 zwischen die politischen Fronten und stürzte deshalb Mitte 1935. 1 Müller (1879-1944), hatte von 1901 bis 1911 als Angestellter der Münchner Industriebank eGmbH (seit 1906 als deren Bevollmächtigter), als Prokurist bei der Bayerischen Handelsbank in München (1911/12), als Direktor der Filiale der Bayerischen Handelsbank in Regensburg von 1912 bis 1918, als Direktor der Pfälzischen Bank in Frankfurt a. M. von 1918 bis 1922 sowie seit 1922 als Direktor der Deutschen Hansabank in München reichhaltige Erfahrungen im Bankgewerbe gesammelt. Er war außerdem Mitglied des Vorstandes des Reichsverbandes deutscher Bankleitungen in Frankfurt a. M. und Beisitzer beim Reichstarifamt in Berlin. Zudem fungierte er neben den genannten Funktionen seit Anfang der zwanziger Jahre gleichzeitig als Geschäftsführer der Immobilien-Gesellschaft mbH Café Karlstor, München, und stellv. Aufsichtsratsvorsitzender der Stiefel & Mansinger AG in Pasing bei München. Bekanntschaft mit Hitler machte er bereits 1922. Seit 1924 besaß er geschäftliche Beziehungen mit dem Zentralverlag der NSDAP. In die NSDAP trat Müller zwar erst am 1. Mai 1933 ein (Mitglieds-Nr.: ursprünglich 3 206 900). Die hohe Mitgliedsnummer wurde nach persönlicher Intervention Hitlers allerdings in die relativ niedrige und deshalb ›ehrenhafte‹ Mitglieds-Nr. 1 576 709 verändert. 2 Auch z. B. Heinrich Schild (1895-1978), von Ende März 1933 bis Ende Sept. 1934 »Generalsekretär des deutschen Handwerks« bzw. ab Nov. 1933 »Generalsekretär des Reichsstandes des deutschen Handwerks«, wurde ein Opfer des Machtkampfes zwischen Ley, zu dem Schild zunächst ein enges Verhältnis aufgebaut hatte, und Schacht. Wie gegen Müller strengte die DAF gegen Schild ein Parteiausschlussverfahren an, das Mitte 1935 – ebenfalls  – eingestellt wurde. Weitere führende DAF-Funktionäre fielen Konflikten Leys mit anderen hohen NS-Funktionsträgern zum Opfer, Max Frauendörfer z. B. dem

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Sein Sturz führte zum Aufbau eines komplexeren institutionellen Daches des DAF-Wirtschafts­impe­riums. Dieses neue, zunächst gleichfalls provisorische, sich in seinen Strukturen jedoch zunehmend verfestigende ›Dach‹ wiederum entstand aus dem Finanzsektor der DAF heraus und besitzt eine Vorgeschichte, die gleichfalls in die Gründungsphase der Arbeitsfront zu­rückreicht; sie wirft gleichzeitig Schlaglichter auf die von Korruptionsskandalen begleitete chaotische Entstehungs- und Konsolidierungsphase der Arbeitsfront. Herr über die Finanzen und den gesamten Besitz der Arbeitsfront war – neben Ley, der in der führerzentrierten Arbeitsfront selbstredend immer das letzte Wort besaß – das noch im Mai 1933 gegründete DAF-Schatzamt, das die ersten knapp fünf Jahre unter der Leitung von Paul A. Brinckmann (auch: Brinkmann) stand.3 Als Nachfolger des im Januar 1938 abgelösten Brinckmann wurde Alexander Halder eingesetzt,4 der seit 1934/35 stellvertretender Reichsschatzmeister der Arbeitsfront gewesen war. Halder führte seit Anfang 1938 nicht nur das nun in »Etat- und Verwaltungsamt« umbenannte Schatzamt, sondern auch das um die Jahreswende 1937/38 neu gegründete DAF-»Prü­fungsamt«. Begonnen hatte Halder seine Karriere im April 1934, als er zum persönlich haftenden Gesellschafter und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung der DAF GmbH gemacht wurde. Zusätzlich verkompliziert wurden die Konstellationen dadurch, dass Halder außerdem zum Gesellschafter und Geschäftsführer der »Deutschen Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH« mit Sitz in Berlin avancierte. Entstanden war diese Wirtschaftsprüfungs-GmbH (bis Ende 1935: »Treuhandgesellschaft für Deutsche Arbeit«) aus der ehemals freigewerkschaftlichen »Gesellschaft für Vermögenswahrung und Verwaltung (Treuhand und Revision) mbH«. Ihr oblag  – eigentlich  – die Prüfung der Unternehmen der DAF auf korrekte Buch- und Rechnungsführung. Im Weiteren sollte die Wirtschaftsprüfungs-GmbH die DAF-Unternehmen außerdem zu einer betriebswirtschaftlich funktionalen Binnenorganisation veranlassen. Konflikt zwischen dem Chef der DAF und Rosenberg. Vgl. Thomas Schlemmer, Löcher im Mantel des Vergessens. Die gebrochene Karriere des Dr. Max Frauendorfer zwischen NSDAP und CDU, in: Stefanie Hajak (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Menschen, Orte, Strukturen, München 2008, S. 335-365. 3 Brinckmann (1886-?) war nach einer kaufmännischen Lehre von 1904 bis 1908 Angestellter, u. a. bei der AEG/Berlin, und seit 1904 im DHV aktiv. 1908 ging er ins Ausland; erst 1922 kehrte er nach Berlin zurück. Der NSDAP trat er im Frühjahr 1930 bei; seit Mitte 1931 führte er die Revisionsabteilung der Berliner NSDAP. Im Jan. 1933 avancierte er zum Revisor in der Reichsleitung der NSDAP. Von 21. April bis 2. Mai 1933 war er Mitglied des von Ley geleiteten »Aktionskomitees zum Schutze der deutschen Arbeit« und in dieser Funktion führend an der Beschlagnahme gewerkschaftlichen Vermögens und Immobilieneigentums beteiligt. Neben seiner Funktion als DAF-Reichsschatzmeister, die ihm bis Anfang 1938 zu einer starken Position in der Arbeitsfront verhalf, firmierte Brinckmann Juni 1937 bis Mai 1938 außerdem als DAF-Reichssachwalter. Zu seinem Sturz vgl. Kapitel 3, S. 148. 4 Halder (1906-?) war Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre als Revisor bei der Barmer Ersatzkasse beschäftigt. Der NSDAP gehörte er seit Febr. 1931 an. Vgl. zu Halder und seinen Funktionen innerhalb des DAF-Konzerns auch unten.

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Tatsächlich kollidierten hier bereits auf der personellen Ebene Funktionen und Interessen. Namentlich mit Halder wurde der Bock zum Gärtner gemacht, zumal dieser neben den genannten Ämtern und Funktionen noch in den Aufsichtsgremien einer Reihe von DAF-Un­ternehmen saß. Darüber hinaus war problematisch, dass die Wirtschaftsprü­f ungs- und Treuhandgesellschaft ökonomisch und institutionell mit dem DAF-Konzern verbandelt war: Sie befand sich bis 1935 im Besitz eines norddeutschen Geldinstitutes, der »Bremer Volksbank«, die wiederum eine hundertprozentige Tochter der DAF-eigenen Bank der Deutschen Arbeit war. Infolgedessen besaß die Arbeitsbank »die direkte und alleinige Verfügungsgewalt über die Prüfungsgesellschaft«.5 Verstärkt wurde diese institutionelle Verflechtung dadurch, dass sich die Geschäftsräume der Prüfungsfirma ab Ende 1935 zunächst im Zentralgebäude der Arbeitsbank befanden, ehe sie 1936/37 in das Haus des Schatzamtes der Arbeitsfront verlegt wurden. Beide Funktionsbereiche waren mithin auch räumlich verquickt. Die für Finanz­ prüfung und Unternehmenskontrolle notwendige Unabhängigkeit und Neu­ tralität war damit jedenfalls nicht garantiert. Statt diese Interessenskollision jedoch zu lösen und einen der Funktions­ bereiche abzugeben, versuchte der zweite Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungs­ gesellschaft der Arbeitsfront, Walter Haensch, im Jahre 1937 das Wirtschafts­ prüfungsrecht den Interessen der DAF-Führung bzw. ihrer unmittelbar involvierten Protagonisten anzupassen. Haensch erklärte wörtlich, es sei »eine Änderung im allgemeinen deutschen Treuhandwesen an[zu]streben« und begann »in diesem Zusammenhang […] Angriffe gegen das Institut der Wirtschaftsprüfer« überhaupt vorzutragen. Jene wehrten sich und leiteten ihrerseits »ein Verfahren gegen Haensch ein, das zum Ziele hatte, ihm die Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer abzuerkennen.«6 Die von Haensch in einem Anflug von Größenwahn provozierte Auseinandersetzung endete nicht, wie man dies hätte erwarten sollen, mit einer Niederlage, sondern unentschieden  – auch weil er wichtige Teile des zu diesem Zeitpunkt bereits einflussreichen, traditionelle Rechtsnormen verachtenden »charismatischen Verwaltungsstabes« DAF hinter sich wusste. Haensch blieb Wirtschaftsprüfer. Ambitionen, das Wirtschafts­ prüfungsrecht in ihrem Sinne zu novellieren, mussten er und die Arbeitsfront jedoch begraben. 5 Feststellungsbericht des Revisionsamtes der NSDAP vom 14. Febr. 1938, S. 124, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 811. Zu diesem Feststellungsbericht, der vom NSDAP-Reichsschatzmeister veranlasst wurde und die ganze Dimension der Affäre »Anton Karl«, einer der größten Korruptionsaffären des Dritten Reiches, ausleuchtete, vgl. Kapitel 3, S. 147151. Ob es sich bei der »Bremer Volksbank« um ein eigenständiges Institut im Besitz der DAF han­delte oder (was wahrscheinlicher ist) um eine Niederlassung der vormals christ-gewerkschaft­li­chen »Nationalbank«, die von der DAF ab Ende 1933 sukzessive verkauft und in der Folgezeit unter dem Essener NSDAP-Gauleiters Terboven in eine regionale Mittelstandsbank umgewandelt wurde, geht aus dem insgesamt dürftigen Quellen­material nicht eindeutig hervor. Vgl. Kapitel 3, S. 100 ff. 6 Feststellungsbericht des NSDAP-Revisionsamtes, S. 126.

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Lenkungsorgane in der ›Ära Simon/Strauch‹ (ab 1938) Die skizzierten fundamentalen Defizite der Finanzprüfung und Unternehmenskontrolle waren ihrerseits ein Teilaspekt eines weitverzweigten Korruptionsfalles (der Affäre »Anton Karl«) um die Arbeitsbank und den Baukonzern der Arbeitsfront, der sich um die Jahreswende 1937/38 zu einem handfesten politischen Skandal auszuwachsen drohte.7 Die DAF-Führung löste das Problem um die Jahreswende Anfang 1938 auf eine ihr eigene Weise: indem sie ein neues Amt schuf, das bereits erwähnte DAF-Prüfungs­amt.8 Während neue Ämter ansonsten das innerorganisatorische Chaos in der Arbeitsfront eher verstärkten als behoben, erwies sich die Gründung dieses Amtes als Glücksgriff. Zunächst auf der innerorganisatorischen Ebene der Kontrolle der Finanzen und Unternehmen: es schaltete ab 1938 neben den eigenen Prüfern auch zahlreiche unterschiedliche und zudem überwiegend unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ein, die die Arbeitsbank und die besonders korruptionsanfälligen Baubetriebe sowie die weiteren Unternehmen der DAF kritisch und gründlich unter die Lupe nahmen.9 Namentlich die Arbeitsbank entwickelte in der Folgezeit organisatorische Binnenstrukturen, die möglicher Korruption enge Grenzen setzten.10 Ley konnte gegenüber einem seiner Rivalen, Reichswirtschaftsminister Walther Funk, Anfang Juli 1941 schließlich stolz berichten, dass »der Sachverständige des Reichsaufsichtsamtes für das Bankwesen«, ein Ministerialrat, vor diesem Hintergrund erklärt habe, dass die Arbeitsbank »zu den am besten verwalteten 7 Vgl. Kapitel 3, S. 147-151. 8 Indem Ley Halder an die Spitze sowohl des DAF-»Etat- und Verwaltungsamtes« als auch des DAF-»Prü­f ungs­amtes« stellte, brach er de facto eine Ende Nov. 1937 mit dem NSDAP-Reichsschatzamt getroffene Vereinbarung. Dort war festgelegt worden, dass »das neu zu organisierende Prüfungsamt aus dem Schatzamt der Deutschen Arbeitsfront gelöst« werden, d. h. unabhängig agieren solle. Vgl. Aktenvermerk Sauperts über eine Sitzung mit Simon und NSDAP-Reichsrevisor Schieder vom 24. Nov. 1937, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 248-2. Das Reichsschatzamt der NSDAP, das ursprünglich auch andere personelle Vorstellungen hatte, nämlich den NSDAP-Reichsoberrevisor Josef Hoffmann als Leiter des DAF-Prüfungsamtes einsetzen wollte, scheint dies toleriert zu haben. 9 Allein zwischen Febr. 1938 und Juni 1941 wurde die Arbeitsbank insgesamt zwölfmal, nämlich »zweimal durch die Süddeutsche Treuhand-Aktiengesellschaft, einmal durch die Treuhand-Ak­tien­gesellschaft, München, im Auftrage des ehemaligen Stellvertreters des Führers, einmal durch Beauftragte des Reichsschatzmeisters Schwarz, fünfmal durch die Deutsche Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft Berlin – Treuhand des Deutschen Reiches –, einmal durch die [DAF-eige­ne] Deutsche Wirtschafts- und Treuhandgesellschaft, Berlin, sowie zweimal durch Beamten der Finanzbehörde geprüft.« Ley an Funk vom 4. Juli 1941, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 20-27, Zitat: Bl. 26, bzw. Rosenhauer (Vorstandsvorsitzender der Arbeitsbank) an Strauch (als Chef der TWU) vom 17. Juni 1941, in: ebd., Nr. 736, Bl. 32-36, hier: Bl. 35. 10 Die vor allem in den auf ganz Europa verteilten Auslieferungslagern der Frontbuchhandlungen 1943/44 aufgedeckten Unterschlagungen, Bestechungen und Fälle von Nepotismus hatten ihre Wurzeln vor Ort und liefen offenkundig nicht über die Arbeitsbank. Vgl. Kapitel 6, S. 333 ff.

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Banken gehört.«11 Ob dies den Tatsachen entsprach, soll dahingestellt bleiben. Dass interne Verwaltungsabläufe und Kontrollen effizienter wurden, ist jedoch unverkennbar: Ab 1938 kam es weder innerhalb der Bank der Deutschen Arbeit, als der Schaltstelle für größere finanzpolitische Transaktionen der Arbeitsfront, noch überhaupt innerhalb des zentralen DAF-Verwaltungsapparates zu (größeren) Fällen von Korruption und Veruntreuung. Nicht nur die Wirtschaftsprüfung der DAF-Unternehmen, der gesamte Finanz- und Vermögensapparat der Arbeitsfront wurde im letzten Vorkriegsjahr neu organisiert und mit jenem auch die Koordination der Unternehmenspolitiken auf solide Füße gestellt. Anfang 1938 wurde unter der Leitung von Heinrich Simon, ein junger Jurist und seit Mitte der zwanziger Jahre ein besonderer Günstling Leys,12 die »Zentralstelle für Finanzwirtschaft« ins Leben gerufen. Ihr unterstand die »Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront GmbH« (die hier nicht weiter interessiert) sowie die »Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront mbH« (TWU) als das institutionelle Dach des DAF-Wirtschaftsimperiums.13 Entstanden war die TWU bereits vor der Ablösung Karl Müllers Mitte 1935. Allerdings blieb ihre Stellung gegenüber der Mitte April 1934 ins Leben gerufenen Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront GmbH zunächst unklar, da letztere nicht nur für Barvermögen und Immobilien, sondern anfangs auch für die Unternehmen der Organisation zuständig war. Maßgebliche Figur dieser »Vermögensverwaltung« war der bereits erwähnte Alexander Halder, der bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes gemeinsam mit Heinrich Simon persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der TWU blieb.14 In den ersten Jahren wurde die DAF-Treuhand von Werner Boltz 15 geführt. Der bei seinem Amtsantritt mit 26 Jahren sehr junge Boltz war zugleich Stellvertreter Brinckmanns als Schatzmeister der Arbeitsfront; beide hatten zuvor Karriere im 11 Ley an Funk vom 4. Juli 1941 (Anm. 9), Bl. 26. 12 Zu Simon (1910-1979), den Ley seit Mitte der zwanziger Jahre unter seine Fittiche genommen hatte, und den meisten hier genannten Personen vgl. die Kurzbiographien in: Hachtmann, Koloss, S. 297-336. Zur Mentalität der Vorstände und Spitzenmanager des DAF-Konzerns und dem Milieu, in dem sie sich bewegten, vgl. Kapitel 9. 13 Mitunter wurde auch von »Amt für die wirtschaftlichen Unternehmungen in der Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der Deutschen Arbeitsfront« gesprochen. Vgl. z. B. Leistungsberichte des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen in der Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF für 1939/40, 1940 usw., in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. 14 Nominell spielte zwar Heinrich Simon die entscheidende Rolle. Er übertrug Halder jedoch am 24. Sept. 1938 das Alleinvertretungsrecht. Bestellt wurden im Febr. 1938 bzw. Jan. 1939 noch zwei weitere Geschäftsführer der Vermögensverwaltung, nämlich der Verwaltungskaufmann Rudolf Richter und der Bremer Kapitän (!) Ewald Pütz. Vgl. Abschrift aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Berlin, als Abschrift in: ebd., NS 5 III, Nr. 3483. 15 Boltz (1909-?) war bis Juni 1937 stellvertretender DAF-Reichsschatzmeister gewesen und leitete danach bis zu seiner Entlassung neben der TWU das »Amt für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF«. Von Juli 1935 bis Jan. 1938 gehörte er au-

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Finanzapparat der NSDAP gemacht. Zeitweilig plan­ten Boltz und Brinckmann, die TWU im Schatzamt aufgehen zu lassen.16 Derartige Absichten waren innerhalb der DAF-Führung offenbar nicht abgesprochen. Sie wurden spätestens hinfällig, als Boltz um die Jah­reswende 1937/38 über die »Affäre Karl« stolperte und auch Brinckmann seinen Hut nehmen musste.17 Ley, der seinerseits vom NSDAP-Reichs­schatz­meister massiv zu einer Entflechtung und Neuordnung der Finanzorganisation und des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront gedrängt worden war,18 setzte daraufhin seinen politischen Weggefährten Heinrich Simon an die Spitze der DAF-Treuhand. Das war eine unzweideutige Aufwertung der Treuhandgesellschaft, da Simon innerhalb der Arbeitsfront eine weit stärkere Position besaß als Halder. Gleichzeitig war damit die politische Verantwortlichkeit für den Konzern der Arbeitsfront eindeutig geklärt. Dass Simon die TWU nur nominell leitete, änderte an ihrer politischen Aufwertung nichts. Faktisch führte Hans Strauch, der bis 1938 als Bankmanager der mittleren Ebene berufliche Meriten gesammelt hatte,19 die Treuhandgesellschaft bzw. das »Amt für wirtschaftliche Unternehmungen« der Arbeitsfront, nominell jeweils als stellvertretender Hauptgeschäftsführer. Die Zusammenführung beider Funktionen in seiner Person unterstreicht die organisationspolitisch wichtige Rolle, die Strauch vom 1. Februar 1938 an bis zum Zusammenbruch der Diktatur einnahm.

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ßerdem u. a. dem Aufsichtsrat der Arbeitsbank an. Nach seiner Amtsenthebung und seinem Ausschluss aus der NSDAP war er in der ›freien Wirtschaft‹ beschäftigt. So teilten Brinckmann und Boltz während einer Besprechung im Schatzamt am 28.  Sept. 1936 den leitenden Direktoren der DAF-Versicherungsgesellschaften Brass, Pollmann und Kratochwill mit, »dass die Tätigkeit der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmungen, soweit sie ihre Gesellschaften betrifft, auf das Büro des Schatzmeisters übergegangen ist«. Die »gesamten Geldanlagen« der Versicherungsgesellschaften sollten ebenso wie der gesamte »Schriftwechsel, der bisher mit der T.W.U.« und anderen Dienststellen der Arbeitsfront geführt wurde, »künftig [über] das Büro des Schatzmeisters der DAF laufen«. Aktennotiz über diese Besprechung vom 2. Okt. 1936, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. Vgl. Kapitel 3, S. 148. Vgl. Aktenvermerk über eine Sitzung im NSDAP-Reichsschatzamt vom 24. Nov. 1937, mit Stabsleiter Saupert, Reichsrevisor Schieder sowie seitens der DAF Simon, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 248-2. Strauch (1891-?), Bankangestellter, war bis zur Übernahme der Leitung der TWU Anfang Febr. 1938 geschäftsführender Direktor der Stadtsparkasse Augsburg. Er ist eines der seltenen Beispiele dafür, dass innerhalb der Arbeitsfront auch Leute aufsteigen konnten, die biographisch nicht den Stallgeruch des »Alten Kämpfers« besaßen, sondern ausschließlich als Experten ausgewiesen waren. Strauch trat erst im Mai 1933 in die NSDAP ein; außerdem war er SS-Mitglied.

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Warum besaßen die Protagonisten der DAF-Unternehmen weitreichende Handlungsspielräume? Weder die TWU noch die vor Kriegsbeginn eingerichtete und nominell von Heinrich Simon, de facto vom jungen Bruno Raueiser20 geleitete Zentralstelle für Finanzwirtschaft der Arbeitsfront, oder gar die Vermögensverwaltung der DAF, schrieben den Vorständen der einzelnen DAF-Unternehmen genauer vor, welche Politik sie zu verfolgen hatten. Sie enthielten sich in aller Regel unmittelbarer Interventionen. Das mag man zunächst darauf zurückführen, dass den für den Konzern verantwortlichen, oft sehr jungen Funktionären aus dem politischen Apparat der Organisation die wirtschaftlichen Fachkenntnisse fehlten und sie sich deshalb wohlweislich zurückhielten. Aber auch strukturell ist diese ›liberale‹ Praxis weniger überraschend, als man zunächst vermuten sollte: Die national­sozialistische Volkswirtschaft war keine Planwirtschaft, das DAF-Wirt­ schafts­impe­rium kein Kombinat. Dass das NS-Regime keine staatliche Kommandowirtschaft installierte, spiegelte sich auch in den Binnenstrukturen des DAFKonzerns. Für alle Stränge des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront gilt, dass für sie kein Plan mit genaueren ›Produktionsvorgaben‹ aufgestellt wurde. Die für die Unternehmen verantwort­liche Berliner Zentrale erteilte auch sonst keine detaillierten Anweisungen. Die verschiedenen Einheiten des DAF-Unterneh­ menskon­glo­merats waren vielmehr nur relativ locker miteinander verbunden, die Freiräume der Vorstände der einzelnen Unternehmen infolgedessen erheblich. Wenn es keine etwa den realsozialistischen Kommandowirtschaften vergleichbare direkte Lenkung der nationalsozialistischen Volkswirtschaft gab und auch die DAF-Unter­neh­men von der politischen Führung der Arbeitsfront an einer ausgesprochen langen Leine geführt wurden, dann spiegelten sich darin noch in anderer Hinsicht bestimmte Strukturen des NS-Regimes sowie nicht zuletzt das wirtschaftsideologische Selbstverständnis seiner Protagonisten. Das wirtschaftspolitische Credo führender Nationalsozialisten, nicht zuletzt Hitlers, aber auch Görings, Speers und anderer sowie last but not least seines »Apostels« Robert Ley, gab der »Privatinitiative« agiler Unternehmer den unbedingten Vorrang vor kommandowirtschaftlichen Strukturen. Für die manchmal fast neoliberal anmutende Begeisterung für ein dynamisch-freies Unternehmertum, die in der tiefen Verehrung Hitlers für Henry Ford seinen wohl markantesten Ausdruck fand,21 gibt es viele Belege. Darüber hinaus – dies erklärt den 20 Der 1909 geborene Raueiser stammte wie Simon aus Köln. Beide scheinen sich bereits seit jungen Jahren gekannt zu haben. Angaben zu Ausbildung und Karriere Raueisers liegen nicht vor. Vermutlich hatte er Jura oder Volkswirtschaft studiert. 21 Vgl. Rüdiger Hachtmann, »Die Begründer der amerikanischen Technik sind fast lauter schwäbisch-alle­man­nische Menschen«: Nazi-Deutschland, der Blick auf die USA und die »Amerikanisierung« der industri­ellen Produktions­strukturen im »Dritten Reich«, in: Alf Lüdtke/Inge Marßolek/Adelheid v. Saldern (Hg.), Ame­ri­ka­nisie­rung. Traum und Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1996, S. 37-66, hier S. 41 ff.; Philipp Gassert, Amerika im Dritten Reich. Ideologie, Propaganda und Volksmeinung, Stuttgart 1997, bes. S. 92 f., 149 ff.; Victoria de Grazia, Irresistible Em-

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bereits angesprochenen, nur auf den ersten Blick befremdlich anmutenden libe­ ralen Umgang mit der deutschen Unternehmerschaft überhaupt  – sei, so das Credo der führenden Nationalsozialisten, alles zu vermeiden, was auch nur den Anschein einer »bolschewistischen« Zentralwirtschaft erwecke. Verstärkt wurde das marktliberale Credo der führenden Nationalsozialisten, auch das ist bereits angedeutet worden, durch eine sozialdarwinistisch aufgeladene Präferenz für das Prinzip der Konkurrenz, die neben der Makro- und Mikroökonomie im engeren Sinne auch in die politische Sphäre hineingetragen wurde. Die zahllosen »Wettkämpfe«, die die DAF als politische Organisation initiierte, sind ein Ausdruck dieser massiven Präferenz für Kampf und Konkurrenz. Dass man davon innerhalb des DAF-Konzerns nicht abwich, sondern auch hier Rivalitäten tolerierte, weil man auf die dynamischen Effekte von Konkurrenz spekulierte – und lediglich intervenierte, wenn die Dysfunktionalität von Eifersüchteleien und Rivalitäten allzu offensichtlich war –, war nur logisch. Gepaart war dieses – um das sozialdarwinistisch unterschichtete Prinzip der Konkurrenz gebildete  – wirtschaftspolitische Credo mit dem Wissen darum, dass betriebs- und volkswirtschaftliche Experten effizienter agieren würden als ideologisch fanatisierte, auf (mit Blick auf moderne Industriegesellschaften) dysfunktionale ständische Konzepte festgelegte Nationalsozialisten. Entsprechend dieser Leitlinie handelten die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen auch innerhalb der DAF. Sie ließen den Repräsentanten der einzelnen Unternehmen weitgehend freie Hand und überdies Raum für Rivalitäten, also eine interne Konkurrenz, die im Effekt auf die einzelnen Konzernteile dynamisierend wirkte. Lediglich in Fragen des Kaufs oder Verkaufs ganzer Unternehmen oder größerer Betriebsteile sowie in einigen anderen Fragen grundsätzlicher Natur behielten sich Ley und die TWU das Recht auf letztinstanzliche Entscheidung vor. Eine erhebliche Autonomie billigte die politische Führung der Arbeitsfront den Unternehmensvorständen auch gegenüber den niederen und mittleren Chargen des politischen DAF-Apparates zu. Wie weit diese Selbständigkeit ging, wie selbstherrlich die Vorstände und Werksleiter der im Besitz der DAF befindlichen Unternehmen agieren und in welchem Ausmaß sie sich selbst über Befugnisse der Berliner Zentralämter der Arbeitsfront hinwegsetzen konnten, ohne dass die TWU oder DAF-Spitzenfunktionäre interveniert hätten, zeigt sich beispielsweise in der Souveränität, mit der die Betriebsführung des Volkswagenwerkes mit dem Verwaltungspersonal der Fremdarbeiter-Lager umging: Im Mai 1942 war der Arbeitsfront durch den (kurz zuvor eingesetzten) »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« Fritz Sauckel der Gesamtkomplex der so genannten Fremdarbeiter-Betreuung übertragen worden. Die damit verbundenen Kompetenzen liefen darauf hinaus, dass das deutsche Personal der Lagerleitung nicht pire. America’s Advance through Twentieth-century Europe, Cambridge 2005, S. 75 f.; Christiane Eifert, Henry Ford, Antisemit und Autokönig. Fords Autobiographie und ihre Rezeption in Deutschland in den 1920er Jahren, in: Studies in Contemporary History/Zeithisto­ri­sche Forschungen 6 (2009), Heft 2, S. 209-229, bes. S. 227 f.

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nur Mitglied der Arbeitsfront zu sein hatte, sondern vom zuständigen Zentralamt – »für Arbeitseinsatz« – geschult und diesem unterstellt sowie rechenschaftspflichtig war.22 Tatsächlich führte das zuständige DAF-Amt, dies zeigt die Praxis der Fremdarbeiterlager-Ver­waltung in den folgenden Jahren, oft nur nominell die Aufsicht. Während ›normale‹ Großunternehmen nicht generell, aber doch zumeist eng mit dem für die Fremdarbeiter zuständigen DAF-Amt für Arbeits­ einsatz kooperierten, ignorierte die Leitung des größten Produktionsbetriebs der Arbeitsfront, des Volkswagenwerks, geradezu ostentativ die Kompetenzen dieses Berliner Zentralamtes. Selbst die Lagerführer der Fremd­arbeiter-Lager des Volkswagenwerkes wurden von der Werksleitung eingestellt, ohne dass das zuständige DAF-Amt für Arbeitseinsatz vorher konsultiert oder diesem sonstwie ein substantielles Mitspracherecht eingeräumt wurde.23 Ärger von Seiten dieses Amtes, der TWU oder anderer Leitungsorgane des politischen Apparates der DAF handelte sich die Leitung des Volkswagenwerkes damit nicht ein. Personelle Verflechtungen – der Kitt des Wirtschafts­im­pe­riums Noch in einer weiteren Hinsicht spiegelte der Umgang der DAF-Führung mit ihrem Konzern Eigenheiten des NS-Regimes. Die Hitler-Diktatur war kein hierarchisch durchorganisiertes Herrschaftssystem. Als ein charismatisch-poly­ kratisches Regime war sie durch eine hochgradige Personalisierung der Herrschaftsbeziehungen sowie durch eher informelle, netzwerkähnliche Formen der politischen Koordinierung gekennzeichnet.24 Das eigenartige personalistisch angelegte Beziehungsgeflecht auf der Ebene der höchsten Funktionsträger setzte sich innerhalb der »charismatischen Verwaltungsstäbe« fort. In der DAF fand dies seinen Ausdruck in der hegemonialen Stellung der (nach dem Geburtsort Leys benannten) »Waldbröler Clique« um Robert Ley, der Otto Marrenbach, Heinrich Simon, Rudolf Schmeer und andere angehörten,25 die ihrerseits wieder 22 Zur »Fremdarbeiterbetreuung« durch die DAF und ihrer Vorgeschichte vgl. als Überblick: Hachtmann, DAF im Zweiten Weltkrieg, bes. S. 95-102. 23 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 742. 24 Vgl. Hachtmann, Neue Staatlichkeit, S. 70-79; ders./Süß, Kommissare im NS-Herrschaftssystem, S. 22 f.; ders., Elastisch, dynamisch und von katastrophaler Effizienz – Anmerkungen zur Neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus, in: Wolfgang Seibel/ Sven Reichardt (Hg.), Der prekäre Staat. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M./New York 2011, S. 29-73, hier: 37 f., 41 ff., 54 ff. Die informellen Kommunikations- und Koordinationsstrukturen des NS-Regimes, die in den NSDAPGauleitertagungen und -Reichs­leiter­ta­gun­gen einen markanten Ausdruck fanden und sich allein auf Reichsebene in viele formelle wie informelle Netzwerke verzweigten, fanden auf regionaler Ebene ihre Fortsetzung in den vom jeweiligen NSDAP-Gauleiter einberufenen Tagungen, an denen neben den NSDAP-Kreis- und Ortsgruppenleitern auch die Oberbürgermeister und Landräte teilnehmen; wichtige Informationsbörsen und Koordinationsforen waren außerdem vor allem die diversen Honoratiorenver­ einigungen auf regionaler und lokaler Ebene und andere formelle wie informelle Netzwerke. 25 Zu den genannten Personen vgl. unten.

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weitere fähige und politisch ›verdiente‹ Funktionäre kooptierten. Diese Personen konnten, solange Ley die Hand über sie hielt, innerhalb ihrer Geschäfts­bereiche bzw. Ämter weitgehend nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Dass sie sich untereinander oft heftig befehdeten,26 ändert daran nichts; die DAFinternen Rivalitäten waren vielmehr Ausdruck und Folge der polykratischen Binnenstruktur auch der Organisation Deutsche Arbeitsfront. Die ausgeprägte Personalisierung der Leitungsstrukturen der politischen Organisation und der informelle, netzwerkähnliche Charakter der internen Koordination der DAFFührung wirkte sich auch auf die Art und Weise aus, wie das DAF-Wirtschaftsimperium durch die Berliner Zentrale kontrolliert und gelenkt wurde. Die einzelnen Unternehmen des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront wurden gleichfalls in erster Linie durch ein dichtes personelles Geflecht zusammengehalten. Institutioneller Anknüpfungspunkt dafür war das Gremium des Aufsichtsrates  – also das kontrollierende Organ der Aktiengesellschaft als der Unternehmensform, in der die meisten größeren Unternehmen des DAFKon­zerns firmenrechtlich organisiert waren. Dies mag überraschen. Denn der Aufsichtsrat gewann in den Unternehmen der Arbeitsfront nicht deshalb maßgeblichen Einfluss, weil diesem Gremium per Gesetz oder Verordnung eine gegenüber der Weimarer Zeit vergrößerte Machtfülle zukam. Vielmehr war seit dem »Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien« vom 30. Januar 1937 auf der Ebene des nominellen Rechts das Gegenteil der Fall. Tatsächlich freilich war dieses Gesetz mehr eine Richtlinie.27 Dass das NS-Regime nach der Novellierung des Aktienrechts, durch die de jure die Aufsichtsratsvorsitzenden entmachtet wurden, eine ganze Reihe prominenter Ausnahmen zuließ, zeigen die Beispiele Krupp, Siemens oder (Robert) Bosch. Und auch der Tatbestand, dass etwa die Bank der Deutschen Arbeit, das Volks­ wagenwerk oder die Verlage formalrechtlich Aktiengesellschaften waren, sagt über die tatsächlichen Machtverhältnisse, konkret: die Stellung des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand, wenig aus. Tatsächlich behielten die Aufsichtsräte der DAF-Unternehmen eine zentrale Rolle. Sie besaßen deshalb ein beträchtliches Gewicht, weil in ihnen schlicht Personen von Einfluss saßen  – Arbeitsfront-Funktionäre, die innerhalb dieser Massenorganisationen wichtige politische Positionen innehatten.28 Diese hielten die 26 Vgl. exemplarisch Hachtmann, Koloss, S. 44 f. 27 Vgl. Johannes Bähr, Modernes Bankrecht und dirigistische Kapitallenkung. Die Ebenen der Steuerung im Finanzsektor des »Dritten Reiches«, in: Dieter Gosewinkel (Hg.), Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, Frankfurt a. M. 2005, 199-223, hier: S. 211-215; ders., »Corporate Governance« im Dritten Reich. Leitungs- und Kontrollstrukturen deutscher Großunternehmen während der nationalsozialistischen Diktatur, in: Abelshauser u. a. (Hg.), Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen, S. 61-80, bes. S. 72. 28 Ein 1934 von Ley in seiner Funktion als Reichsorganisationsleiter der NSDAP – und nicht als Chef der DAF – ausgesprochenes Verbot, Aufsichtsratsmandate in wirtschaftlichen Unternehmungen anzunehmen (vgl. Kreutz­müller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 13), galt erstens nicht für die DAF, sondern nur für die Partei und zweitens

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entscheidenden Fäden in der Hand. Ihr Wort hatte Gewicht, ohne dass sie dem durch förmliche Anordnungen Nachdruck verleihen mussten. Durch sie wurden die Aufsichtsräte zu Interventionsorganen der DAF-Führung und der TWU – zu Instanzen, über die sich das Wirtschaftsimperium elastisch, sowie überwiegend erfolgreich, lenken ließ. Die personellen Verknüpfungen wurden zum eigentlichen Bindemittel, das den Konzern der Arbeitsfront zusammenhielt. Die institutionellen Scharniere zwi­schen den nominellen Dachorganisa­tionen des DAF-Wirtschaftsimperiums bzw. den zuständigen Zentralämtern der Arbeitsfront auf der einen und ihren Unternehmen auf der anderen Seite blieben dagegen schwach. Die eigentümliche »Corporate Governance«29 des DAF-Wirtschaftsimperiums korrespondierte mit dem Charakter der Arbeitsfront. Denn »charismatische Verwaltungsstäbe« folgen anderen Organisations- und Kommunikationsprinzipien als traditionelle Massenverbände. Institutionalisierte überpersönliche, als bürokratisch denunzierte Verfahrensregeln und klassisch-verwal­tungs­technische Kontrollmechanismen lehnen die Protagonisten der »charismatischen Verwaltungsstäbe« ab. Sie präferieren stattdessen den unmittelbar persönlichen Kontakt und das pragmatische Handeln der herausragenden einzelnen Persönlichkeit. »Hemdsärmeligkeit in der Handhabung komplexer Systeme und die Ersetzung institutioneller durch personelle Kontakte«, aber auch die Fähigkeit zur »Dauerimprovisation«, haben Mommsen und Grieger denn auch als Grundeigenschaften für die maßgeblichen Lenker des Volkswagenwerkes konstatiert.30 Ob ähnliche Verhaltensmuster ebenso bei den Vorständen anderer großer DAFUnternehmen zu beobachten waren, ist in den folgenden Kapiteln zu untersuchen. Seitens der DAF-Führung jedenfalls wurden sie gewünscht. Und auch das Handeln der Spitzenfunktionäre der Arbeitsfront, die für die Kontrolle und Koordination der Unternehmenspolitiken verantwortlich waren, war von solchen Rollenerwartungen gekennzeichnet. Die personalistisch geprägte »Corporate Governance« des DAF-Wirt­ schaftsimperiums ist folglich nicht als Defizit wirtschaftspolitischen und unternehmerischen Handelns misszuverstehen.31 Zudem war nicht nur die NS-Herrlediglich für kurze Zeit. Drittens war innerhalb der NSDAP umstritten, inwieweit Ley eine solche Anordnung (ohne Zustimmung von Heß) überhaupt aussprechen durfte. Viertens war die Bestimmung vor allem gegen die NSDAP-»Linke« einschließlich der NSBO gerichtet; Ley konnte auf diese Weise etwa den NSBO-Reichsobmann Walter Schuhmann, der bis Frühjahr 1934 u. a. im Aufsichtsrat der Bank der Deutschen Arbeit gesessen hatte, elegant loswerden. 29 Als »Corporate Governance« wird hier das System bezeichnet, »by which companies are directed and controlled«. So die bündige, in den westlichen Industriegesellschaften weitgehend akzeptierte Definition von »Corporate Governance« durch die britische Cadbury-Commission 1992. Nach: Carsten Berrar, Die Entwicklung der Corporate Governance im internationalen Vergleich, Baden-Baden 2001, S. 25. 30 Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 36. 31 Sprunghaftes Verhalten und personalisierte Entscheidungsstrukturen sollten als Spezifikum im Handeln der für die Unternehmen zuständigen DAF-Funktionäre außerdem deshalb nicht überbewertet werden, weil gerade auch charismatische Unternehmer-

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schaft, sondern auch die nationalsozialistische Volkswirtschaft ganz allgemein stärker als ›normale‹ (stabile) Marktwirtschaften von einem sprunghaften Verhalten der zentralen politischen Akteure geprägt, mithin auf Ad-hoc-Regelungen angelegt. Dieser Tatbestand verlangte von den Vorständen der einzelnen Unternehmen die Kunst der Improvisation. Eine ausgeprägte Personalisierung der kommunikativen Beziehungen sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch zwischen Unternehmen bzw. zwischen Einzelunternehmen und Mutterorganisation – in unserem Falle der Arbeitsfront –, war hier wesentlich funktionaler als starre institutionelle Regelungen. Innerhalb des Konglomerats an DAFUnterneh­men, die (wie erwähnt) firmenrechtlich meist als Aktiengesellschaften formiert waren, bot sich für diese personellen Vernetzungen der Aufsichtsrat als institutionelles Gefäß an.32 Netzwerke und Networker Ein markantes Beispiel dafür, wie die Unternehmen der Arbeitsfront durch personelle Verflechtungen zusammengehalten und auf die unternehmenspolitischen Ziele Leys und des engeren Führungszirkels der DAF abgestimmt wurden, ist der bereits erwähnte Hans Strauch, als die ab 1938 neben Simon entscheidende Figur innerhalb des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront. Nicht zuletzt in seiner Person konzentrierten sich zentrale Kontrollfunktionen über die wichtigsten einzelnen Unternehmen der Arbeitsfront. So war Strauch Vorsitzender des Aufsichtsrats aller wichtigen Versicherungsgesellschaften der Arbeitsfront,33 sämtli­cher Verlage der DAF34 und wichtigen Bauunternehmen persönlichkeiten klassischer Couleur gleichfalls oft eine »Hemdsärmeligkeit in der Handhabung komplexer Systeme und die Ersetzung institutioneller durch personelle Kontakte« entwickeln konnten. Allerdings war die Praxis der für den Konzern verantwortlichen Funktionäre des politischen DAF-Ap­parates weit stärker als bei Unternehmenspatriarchen von wirtschaftsfernen, politischen Motiven geprägt. 32 Dass die Aufsichtsratsposten selbst in überschaubaren DAF-Unternehmen üppig dotiert waren, sei nur am Rande vermerkt. So erhielt der vierköpfige Aufsichtsrat des Langen-Müller-Verlages die für damalige Verhältnisse hohe Vergütung zunächst von 20.000 RM, später von 30.000 RM jährlich. Vgl. Meyer, Verlagsfusion, S. 193, 218. 33 Nämlich der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG, Hamburg; der Ostmärkischen Volksfürsorge Lebensversicherungs AG, Wien; der Deutscher Ring Versicherungs­ gesellschaften, Hamburg; der Deutscher Ring Transport- und Fahrzeugs-Versicherungs AG, Hamburg; der Deutsche Sachversicherungs AG, Hamburg; der Deutscher Ring Oesterreichische Versicherungsgesellschaften, Wien; der Sudetendeutschen Volksfür­ sorge Lebensversicherungs AG, Aussig, sowie der »Gisela« Deutsche Lebens- und Aussteuer-Versicherungs AG, München. Diese und die folgenden Angaben nach: Wer leitet? Die Männer der Wirtschaft und der einschlägigen Verwaltung 1941/42, Berlin 1942. 34 Konkret des Zentralverlages der Deutschen Arbeitsfront GmbH, Berlin; der Hanseatischen Verlagsanstalt AG, Hamburg; des Verlags des Arbeitswissenschaftlichen Instituts GmbH, Berlin; der Albert Langen/Georg Müller-Verlag GmbH, Berlin; der August

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und Wohnunggesellschaften der Arbeitsfront.35 Bei der Bank der Deutschen Arbeit, der Volkswagenwerk GmbH (Berlin), der Stettiner Vulkan-Werft AG sowie weiteren Wohnungsbauunternehmen36 hatte er den stellvertretenden Vorsitz des Aufsichtsrates inne. Im März 1943 ernannte ihn Ley dann zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Volkswagenwerk GmbH. Innerhalb des »Deutschen Gemeinschaftswerks der DAF GmbH« amtierte er gleichfalls als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender; darüber hinaus besaß er im entstehenden Einzelhandelskonzern der Arbeitsfront ab 1940 auch in seiner Rolle als stellvertretender »Bevollmächtigter der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« eine führende Position. Zudem übernahm Strauch innerhalb der einzelnen Branchen, in denen die großen DAF-Unternehmen tätig waren, maßgebliche verbands- bzw. institutionenpolitische Funktionen, vor allem im Baugewerbe. So wurde er Ende März 1941 nicht nur »Bevollmächtigter für die städtebaulichen Maßnahmen im Gebiet der Stadt des KdF-Wagens«, sondern überdies Vorsitzender des Verwaltungsrates des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens. Als Leiter der Abteilung III nahm er auch beim »Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau« eine führende Position ein. Außerdem gehörte er dem Reichsversicherungsausschuss als Mitglied an. Strauch förmlich übergeordnet war Heinrich Simon. Simon war seit der Neuorganisation der DAF Anfang 1938 nominell Hauptgeschäftsführer der »Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF«, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bank der Deutschen Arbeit (bis 25. März 1943), der Volkswagenwerk GmbH, der Deutschen Groß-Einkaufs GmbH sowie des Deut­schen Gemeinschaftswerks – und ließ sich in diesen Funktionen (wie beschrieben) nicht nur nominell, sondern auch faktisch meist von Strauch vertreten. Darüber hinaus hatte Simon noch weitere zentrale Funktionen akkumuliert. Seine enge Vertrauensstellung zu Ley fand darin ihren Ausdruck, dass dieser ihn im September 1932 zum Adju­tanten in seiner Funktion als Reichsinspekteur der Pries GmbH, Leipzig; der Wiener Weltmoden Verlag GmbH, Wien, sowie der Buchdruckerwerkstätte in Berlin GmbH. 35 Nämlich der Deutsche Bau AG, Berlin; der Bau- und Betreuungsgesellschaft der DAF, Berlin; der GEHAG; der »Heimat« Gemeinnützige Bau- und Siedlungsbau AG, Berlin; der Allgemeinen Hausbau- und Gründstücksgesellschaft der DAF in der Stadt des KdF-Wagens GmbH, bei Fallersleben; der »Neuland« Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft GmbH, ebd.; der Baustoffwerke Teupitz GmbH, Berlin; der »Neue Heimat« Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungs­gesellschaft der DAF GmbH, in den Gauen Steiermark/Graz, Kärnten/Klagenfurt, Oberdonau/Linz, München-Oberbayern/ München, »Wartheland«/Posen, Salzburg/Salz­burg, Schwaben/Augsburg, Wien und Niederdonau/Wien sowie der Sonderbau GmbH der DAF, Berlin. 36 Es waren dies die »Heimat« Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der DAF GmbH Danzig-Westpreußen/Danzig, Tirol-Vorarlberg/Innsbruck sowie die Vorarlberger Gemeinnützige Wohnungsbau und Siedlungsgesellschaften mbH, Dornbirn/»Ostmark«. Darüber hinaus saß er in einigen Aufsichtsräten von Unternehmen, die nicht der DAF gehörten, z. B. der Deutsche Bau- und Boden AG, Berlin.

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das dach des konzerns NSDAP bzw. zwei Jahre später, ab Novem­ber 1934, dann zu seinem Stabsleiter in seiner Funktion als Reichsorganisationsleiter der NSDAP machte. Wichtig

in dem hier interessierenden Zusammenhang ist, dass Simon von Februar 1938 an die »Zentralstelle für die Finanzwirtschaft« der DAF leitete und als Hauptgeschäftsführer auch in der Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront GmbH das Sagen hatte. Schließ­lich war Simon ab November 1940 stellvertretender »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« bzw. ab Oktober 1942 für ein gutes Jahr stellvertretender Reichswoh­nungs­kom­mis­sar, d. h. auch in diesem politisch wie unternehmerisch wichtigen Sektor neben Ley – der aus unterschiedlichen Gründen während des Krieges nur partiell handlungsfähig war – der wichtigste Mann. Während Simon wirtschaftspolitisch innerhalb der Arbeitsfront die zentrale Stellung innehatte, besaß Otto Marrenbach organisationspolitisch die entscheidende Position.37 Als (ab 1934) Chefadjutant Leys und als Leiter des (Haupt-) Personalamtes der NSDAP wie der DAF war er der entscheidende Rivale Simons. Beide befehdeten sich heftig. Ley beendete diesen Machtkampf bis 1945 nicht. Während Simon im Zuge der Organisationsreform Anfang 1938 die genannten wirtschaftspolitischen DAF-Funktionen erhielt, wurde Marrenbach zum Geschäftsführer der Arbeitsfront ernannt. Damit waren die zentralen Arbeitsbereiche zwischen den beiden »Stellvertretern« Leys wenigstens grob voneinander abgegrenzt. Marrenbach erhielt freilich zusätzlich ein auch wirtschaftspolitisch wichtiges Amt, als ihm am 30. Dezember 1938 die Leitung der DAF-»Ver­ bindungsstelle für den Vierjahresplan« übertragen wurde. In den einzelnen Unternehmen der Arbeitsfront hat Marrenbach dagegen keine Rolle gespielt und ein Aufsichtsrats- oder gar Vorstandsmandat zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen. Ein personelles Bindeglied von annähernd ähnlichem Kaliber wie Simon und Strauch war der bereits erwähnte Bruno Raueiser. Er übernahm Mitte Januar 1937 die Leitung des Referats »Sozialversicherung« in dem von Simon geleiteten Stabsamt der DAF. Raueiser hatte es offensichtlich Simon zu verdanken, dass er in den Folgejahren rasch Karriere machte. Noch vor Kriegsbeginn avancierte er zum Geschäftsführer und stellvertretenden Leiter der »Zentralstelle für die Finanzwirt­schaft« in der DAF. Auch er saß in zahlreichen Aufsichtsräten. So war er seit Ende der dreißiger Jahre stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Zentralverlages der Deutschen Arbeitsfront GmbH, der Dianabad AG – einer riesigen Kur- und Freizeitanlage in Wien – der Deutschen Wirtschaftsprüfungsund Treuhand­gesellschaft mbH und ab 1940 der für den DAF-Baukonzern zentralen Sonderbau GmbH. Darüber hinaus gehörte er als einfaches Mitglied dem Aufsichtsrat der Bank der Deutschen Arbeit sowie allen Versicherungsun37 Marrenbach (1899-1974), in Bröl bei Waldbröl  – also Leys unmittelbarer Heimat­ region – geboren, hatte eine kaufmännische Lehre absolviert und war von 1921 bis 1928 in verschiedenen Firmen der Stahlwaren- und Elektrobranche beschäftigt. Er war wie Simon früh in die NSDAP eingetreten; auch er kannte Ley seit Mitte der zwanziger Jahre.

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ternehmen, ferner den großen Verlagen der DAF,38 weiteren Bauunternehmen, der Stettiner Vulkan-Werft AG, der Volkswagenwerk GmbH und, ab 1941, des Gemeinschaftswerks der Deutschen Arbeitsfront an. Auch der Wirtschaftsexperte Claus Thormählen, von 1938 bis 1945 unter Strauch Geschäftsführer der Treuhandverwaltung der Wirtschaftsunternehmungen der DAF und ab März 1941 maßgeblich am Aufbau des Deutschen Gemeinschaftswerkes beteiligt,39 war für zahlreiche Aufsichtsräte mandatiert, darunter die aller größeren Verlage, der Deutschen Bau AG und der Stettiner Vulkan-Werft. Ein anderer wichtiger Funktionär, der den monetären Sektor der DAF (Banken und Versicherungen) über Vorstands- bzw. Kontrollfunktionen verklammerte, war Rudolf Lencer.40 Lencer, ab dem 26. Januar 1934 (bis 1945) Leiter der Reichsbetriebsgemeinschaft bzw. des Fachamtes »Banken und Versicherungen« der DAF, war ab Januar 1938 Mitglied des Vorstandes, dann seit Januar 1943 Vorstandsvorsitzender der Bank der Deutschen Arbeit. Daneben saß er im Aufsichtsrat der Volksfürsorge Lebensversicherung AG, der Deutscher Ring Lebensversicherung, der Deutscher Ring Transport- und Fahrzeugversicherungs AG, der Deutsche Sachversicherungs AG und außerdem der Ostdeutsche Privatbank AG (Danzig), einer Tochtergesellschaft der Arbeitsbank. Darüber hinaus gehörte er ab 1937 den Aufsichtsräten des Beamtenversicherungsvereins des deutschen Bank- und Bankiergewerbes a.G. (Berlin) sowie der Vereinigten Textilwerke AG (Hannover) an. Komplettiert wurden seine unternehmens­ politischen Funktionen dadurch, dass er in den Beirat und den Kreditausschusses der Deutschen Reichsbank aufgenommen wurde und Mitglied des Reichs­ versicherungsausschusses sowie der Akademie für Deutsches Recht war. Obwohl Carl Rosenhauer – der wie Lencer bis 1933 berufliche Meriten als Bankmanager der mittleren Ebene gesammelt hatte  – den Vorsitz der Bank der Deutschen Arbeit von 1935 bis zu seinem Tod Anfang 1943 innehatte, war Lencer bereits seit 1938/39 die entscheidende Persönlichkeit in dem DAF-Geldinstitut. Auch Ro38 Neben den Aufsichtsräten der Hanseatischen Verlagsanstalt und des Albert Langen/ Georg Müller-Verlags saß Raueiser auch im Aufsichtsgremium der Verlags-GmbH »Freude und Arbeit« sowie der Wiener Weltmoden Verlag AG. Ein Aufsichtsratsmandat besaß Raueiser außerdem für die wichtige Deutsche Bau-AG und die »Neue Heimat«, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der DAF in der Ostmark GmbH/Wien. 39 Thormählen (1901-?) hatte 1927 als Volkswirt an der Universität Rostock promoviert. 40 Lencer (1901-?), gleichfalls ein »Alter Kämpfer«, hatte wie viele andere der wirtschaftspolitisch einflussreichen DAF-Funktionäre eine Banklehre absolviert und langjährige Erfahrungen als Bankangestellter gesammelt. Lencer kam aus den Reihen der NSBO, hatte seit 1930 als Redakteur verschiedener NS-Zeitungen und -Zeitschriften gearbeitet und war 1933/34 NSDAP-Stadt- und Bezirksverordneter sowie kurzzeitig auch Stadtrat im Berliner Bezirk Treptow. Ende April 1933 avancierte er zum Vorsitzenden des Deutschen Bankbeamten-Vereins, Anfang Mai 1933 zum NSBO-Beauftragten für die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaf­ten; außerdem fungierte er als Leiter der Organisationsabteilung des »Gesamtverbandes der Deutschen Arbei­ter« sowie als Reichs­ betriebszellenleiter der Großbanken und -versicherungen in der Obersten Leitung der NSBO.

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senhauer gehörte zahlreichen Aufsichtsgremien von Unternehmen der Arbeitsfront an; so war er stellvertretender Aufsichts­ratsvorsitzender der Gesellschaften des DAF-Versicherungskon­zerns, ferner der Allgemeinen Baugesellschaft Lenz & Co. (Kolonialge­sellschaft, Berlin) und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutsches National-Theater AG, Berlin.41 Wie der Mechanismus personeller Verflechtungen über die Verknüpfung der Mitgliedschaft in Aufsichtsräten mit denen politischer Ämter innerhalb der Arbeitsfront funktionierte, lässt sich auch am Beispiel Gustav Bähren demonstrieren. Bähren leitete das DAF-Rechts­amt vom September 1933 bis zu seinem Tod im März 1944.42 Er saß daneben in zahlreichen Aufsichtsräten, u. a. der Bank der Deutschen Arbeit, der Volkswagenwerk GmbH, aller großen Versicherungen der Arbeitsfront und der Hanseatischen Verlagsanstalt. Bemerkenswert ist, dass Bähren ab 1937, also bevor die DAF erneuten Zugriff auf die Konsumgenossenschaften erhielt, außerdem im Aufsichtsrat der Großeinkaufs GmbH (Hamburg) saß; dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Verbindung zwischen DAF und Verbrauchergenossenschaften zwischen 1936 und 1940, nachdem die Arbeitsfront ihren zunächst großen Einfluss auf den ›Konsum‹ verloren hatte, nicht gänzlich abriss. Eine gleichfalls große Zahl von Aufsichtsratsmandaten in DAF-Unternehmen hielten auch die erwähnten Halder 43 und Ludwig Bierlein.44 Bis zum personellen 41 Rosenhauer (1881-1943) hatte gleichfalls Erfahrungen im Bankfach gesammelt. Der NSDAP trat er erst Anfang Mai 1933 bei. Über die genannten Funktionen hinaus war er außerdem Mitglied im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft für Verkehrswesen (Berlin), der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank (Hannover), der Georg Fromberg & Co. AG (Berlin), der Mecklenburgischen Kredit- und Hypothekenbank, Neustrelitz, sowie der Stettiner Portland-Zementfabrik, Züllchow/Pommern. 42 Bähren (1896-1944), ein promovierter Jurist und seit 1919 als Rechtsanwalt und Notar tätig, galt als »eines der dienstältesten Mitglieder des Bundes Nationalsozialistischer Juristen«; auch er wurde allerdings erst Anfang Mai 1933 NSDAP-Mitglied. Er saß neben den genannten Funktionen ab Mitte der dreißiger Jahre dem Präsidium der Ferienheime für Handel und Industrie (Wiesbaden) vor. Sein Nachfolger in dieser Funktion wurde A. Halder. 43 Halder (Anm. 4), der als Leiter des Etat- und Verwaltungsamtes sowie des Prüfungsamtes der DAF stärker als Strauch oder auch Bierlein organisationspolitische Funktionen wahrnahm, gehörte seit 1935 dem Aufsichtsrat der Arbeitsbank an und fungierte seit 1938 als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des DAF-Geldinstituts. Darüber hinaus saß er im Aufsichtsrat des Langen-Müller-Verlags und der Volkswagenwerk GmbH sowie einiger Unternehmen, die nicht im Besitz der Arbeitsfront waren, nämlich der Bremer Volks- und Sparbank AG, der Frankfurter Boden AG (die beide ihren Sitz in Berlin hatten), der Hamburg-Bremer Rückversicherungs AG und der Deutscher Veranstaltungsdienst GmbH. 44 Bierlein (1909-?), der gleichfalls Erfahrungen als Bankangestellter gesammelt hatte, ehe er Karriere innerhalb der DAF machte, und Anfang April 1931 in die NSDAP eingetreten war, fungierte ab Febr. 1938 als Stellvertreter Strauchs nicht nur in der TWU, sondern auch als stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Bau AG (Deubau). Er saß in den Aufsichtsräten sämtlicher »Neue Heimat«-Gesellschaften sowie der weiteren DAF-Wohnungsbau­ge­sell­schaften, nämlich der GEHAG, »Einfa«, GEWO-

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Revirement 1938 hatten außerdem Brinckmann und Boltz Aufsichtsratsmandate in mehreren wichtigen DAF-Unternehmen inne, bis zu seiner Ablösung Mitte 1935 auch der anfangs in wirtschafts- und finanzpolitischen Dingen ›star­ke Mann‹ Karl Müller. Rudolf Schmeer, der neben Simon und Marrenbach engste Vertraute Robert Leys, besaß innerhalb der DAF gleichfalls beträchtlichen wirtschaftspolitischen Einfluss, weil er die Verbindung zu den einschlägigen politischen Institutionen sicherstellte. So war er von 1936 bis Ende 1938 Leiter der Zentralstelle der DAF für den »Vierjahresplan«, von 1938 bis Herbst 1942 Ministerialdirektor und Leiter der Hauptabteilung III im Reichswirtschaftsministe­ rium, danach in derselben Stellung (für »Sonderaufgaben«) im Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion; ab Juni 1944 fungierte er als Leiter der Behörde des Reichswohnungskommissars und offizieller Stellvertreter des Reichswohnungskommissars.45 BAG, »Neuland. Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der DAF in der Stadt des KdF.-Wagens GmbH« sowie der »Allgemeine Hausbau- und Grundstücksgesellschaft mbH« ebd., außerdem der »Bauhilfe der Deutschen Arbeitsfront für den sozialen Wohnungsbau GmbH« (Berlin), der Bau- und Betreuungsgesellschaft mbH, Berlin, der Kärntner Ziegelwerke Völkermarkt GmbH (Klagenfurt) und der Sonderbau GmbH der DAF. Darüber hinaus saß auch er in den Aufsichtsräten wichtiger Versicherungsgesellschaften der DAF, der Deutsche National-Theater AG und des Langen-Müller-Verlages. Zu nennen ist außerdem Heinz Reitbauer (1899-?). Er war bereits 1920 das erste Mal der NSDAP beigetreten und gehörte seit 1938 dem Vorstand der Arbeitsbank an. Reitbauer stellte innerhalb des Vorstandes der Arbeitsbank durch seine Aufsichtsratstätigkeit in der Westbank N.V. (Banque de l’Ouest S.A.) sowie der Bank voor Nederlandschen Arbeid N.V. die geschäftliche Koordination mit den wichtigsten westeuropäischen Tochtergesellschaften des DAF-Geldinstituts sicher. Daneben saß er auch im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Eisenhüttengesellschaft (Ratingen). Adolf Geyrhalter (1899-?), von 1928 bis 1937 leitender Angestellter der Bayerischen Gemeindebank, der Anfang 1938 in den Vorstand der Arbeitsbank gewechselt war, saß außerdem seit 1938 im Aufsichtsrat des Volkswagenwerkes. 45 Darüber hinaus war Schmeer (1905-1966) in den letzten Kriegsjahren Leiter der Zentralstelle für Berichtswesen im Amt Bau der Organisation Todt, mithin die entscheidende Kontaktperson der DAF zu dieser vor allem im kriegswichtigen Tiefbau sehr wichtigen, nach dem Anfang 1942 bei einem Flugzeugunglück verstorbenen ersten Rüstungsminister Fritz Todt benannten Organisation. Schmeer war 1923 bzw. 1925 der NSDAP beigetreten; ab 1926 gehörte er zum Kreis der engsten Vertrauten Leys und vertrat diesen auch offiziell zeitweilig als NSDAP-Gauleiter für Köln-Aachen. Dem Aufsichtsrat der DAF-Bank gehörte er von 1935 bis 1938 an. Ab Ende der dreißiger Jahre (oder früher) hatte er außerdem Mandate in den Aufsichtsgremien des Deutschen Museums/ Mün­chen  – eine eher symbolische Funktion  – sowie der Ruhrtalsperrengesellschaft mbH./Aachen inne. Johann Wilhelm Ludowici (Kapitel 7, S. 441, Anm. 51), neben anderen Funktionen von Mai 1934 bis Februar 1937 Leiter des DAF-Heimstättenamtes, und Ernst v. Stuckrad (ebd., S. 432, Anm,. 24) wiederum, als Nachfolger Ludowicis bis März 1939 Leiter des DAF-Heimstättenamtes, hielten Mandate in den Aufsichtsräten aller größeren überregionalen Wohnungsbaugesellschaften der Arbeitsfront, nicht dagegen in DAF-Un­ternehmen außerhalb dieses Wirtschaftszweiges. Ludowici saß außerdem in den Aufsichtsräten von Unternehmen, die nicht der DAF gehörten: als Vorsitzender im Aufsichtsrat der Bürgerbräu Ludwigshafen AG und als einfaches Mitglied

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Eine weitere zentrale Figur innerhalb des wirtschaftspolitischen Bereichs der

DAF, die die Unternehmen der Arbeitsfront personell verklammerte, war Bodo

Lafferentz.46 Lafferentz, der von Anfang 1929 bis November 1933 Justitiar und Mitglied der Geschäftsführung der Vereinigung Deutscher Ar­beitgeberverbände gewesen war und Anfang der dreißiger Jahre außerdem kurzzeitig dem Vorstand der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung angehört hatte, leitete ab November 1933 das Amt »Reisen, Wandern und Urlaub«, ab Januar 1938 dann die Gesamtorganisation »Nationalsozialistische Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹«. Vor dem Hintergrund der organisatorischen Fähigkeiten, die Lafferentz als Leiter des für den Massentourismus zuständigen KdFAmtes unter Beweis gestellt hatte, wurde er nach Kriegsbeginn zum »Reichsbeauftragten für die Bergung« ernannt. Seit Februar 1937 fungierte er als Leys persönlicher Beauftragter in der ›Volkswagen-Frage‹. In der Folgezeit bestimmte Lafferentz als Geschäftsführer und Gesellschafter des Volkswagenwerkes wesentlich die Geschicke des bei Fallersleben gelegenen Automobilwerkes der Arbeitsfront. Daneben leitete Lafferentz die Forschungs- und Verwertungs GmbH der DAF. Eine für die Vernetzung der DAF-Unternehmen über die Akkumulation von Aufsichtsratsmandaten wichtige Rolle spielte außerdem der nach Kriegsbeginn als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Arbeitsbank eingesetzte August Chris­toffel.47 Zumindest punktuell stärkten noch andere DAF-Manager die skizzierten Vernetzungen innerhalb des Unternehmenskonglomerats der Arbeitsfront, vor allem Vorstandsmitglieder der Arbeitsbank,48 nicht dagegen im Aufsichtsrat der Deutschen Klinker- und Ziegelwerke AG, Meerholz. Beide Funktionen übernahm der als Dr.-Ing. promovierte Ludowici, der auch persönlich haftender Gesellschafter eines eigenen Unternehmens, des in den zwanziger Jahren von seinem Vater übernommenen und nach 1945 erfolgreich fortgeführten Bauunternehmens Carl Ludowici KgaA./Jockgrim war, allerdings erst, nachdem er als Leiter des DAF-Reichs­ heim­stättenamtes zum Rücktritt gezwungen worden war. 46 Lafferentz (1897-1974), ein promovierter Jurist und in zweiter Ehe mit Verena Wagner, der Enkelin Richard Wagners, verheiratet, trat erst Anfang Mai 1933 der NSDAP bei. 47 Christoffel (1894-?) war seit Ende der dreißiger Jahre Mitglied des Aufsichtsrates der Diskont- und Kredit Bank AG, der Neue ABC-Waren-Kredit AG und der Deutsche National-Theater AG. Außerdem gehörte er den Aufsichtsgremien der Bauhilfe der DAF für den sozialen Wohnungsbau GmbH, der GEHAG sowie der »Heimat« Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der Deutschen Arbeitsfront AG (alle Berlin) an. 48 Zu nennen sind hier Geyrhalter, Reitbauer (Anm. 44) oder auch Sebastian Kratzer. Der promovierte Jurist Kratzer (1896-?), ursprünglich Rechtsanwalt sowie Bankdirektor und seit Sommer 1929 NSDAP-Mitglied, fungierte neben seiner Vorstandstätigkeit in der Arbeitsbank von Mai 1933 bis Sommer 1935 als ordentliches Mitglied des Vorstandes und Direktor der Volksfürsorge Lebensversicherung, ehe er infolge eines Parteigerichtsverfahrens aus dieser Funktion ausschied. Nach seinem Ausscheiden aus den Diensten der Arbeitsfront wurde er für die Konkurrenz der DAF-Versicherungsgesellschaften aktiv, nämlich als Vorstandsmitglied der Internationale Unfall- und Schadenversicherungs AG/Wien und als Mitglied des Aufsichtsrates der Allgemeine Feuerassekuranz AG/Berlin.

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die führenden Manager der Versicherungsgesellschaften und der Verlagshäuser der DAF. Letztere saßen meist in den Aufsichtsräten der Verlage bzw. Versicherungsunternehmen, die sie nicht selbst als Vorstände führten – und stellten auf diese Weise die vertikale Verflechtung der DAF-Unter­neh­men in den beiden genannten Branchen sicher. Was für die vorgenannten Personen auf Reichsebene zu beobachten ist – dass sie als personelle Scharniere das DAF-Wirtschaftsimperium oder wenigstens größere Teile desselben über Aufsichtsratsposten oder vergleichbare Ämter mit jeweils politischen Funktionen innerhalb der Organisation Deutsche Arbeitsfront verklammerten  –, gilt eingeschränkt auch für die Bezirksebene, und zwar für die dort höchsten Funktionäre, die Gauob­män­ner der Arbeitsfront. Sie stellten die Verzahnung der regionalen Organisation der Arbeitsfront mit den Unternehmen des jeweiligen DAF-Gaues sicher. Einzelne der DAF-Gauobmänner konnten sich dabei zu Gaufürsten mit erheblichem, auch wirtschaftspolitischem Einfluss entwickeln, z. B. der Hamburger DAF-Gauobmann Rudolf Habedank, der von 1933 bis 1939 als »Treuhänder« der Volksfürsorge eine wichtige Rolle in diesem Versicherungsunternehmen spielte und danach Vorsitzender des Aufsichtsrates der »›Neue Heimat‹ Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der DAF, Gau Hamburg« wurde.49 Im Unterschied zu den oben vorgestellten Personen aus der Berliner Zentrale erstreckte sich der wirtschaftspolitische Einfluss der Gau­ob­leute der Arbeitsfront überwiegend freilich lediglich auf ein Segment des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront, nämlich auf den Baukonzern der Arbeitsfront und hier vor allem auf die Gesellschaften der »Neuen Heimat«. Bleibende Defizite in der internen Vernetzung Die nach einer chaotischen und von Korruption und Nepotismus geprägten Anfangsphase ab 1938 zunehmend eingespielten und relativ elastischen Lenkungsorgane der Holding der Arbeitsfront trugen dazu bei, dass die Geschichte des DAF-Konzerns, aller Sprunghaftigkeit Leys und dadurch bedingter Belastungen des Konzerns zum Trotz, bis etwa 1942 in weiten Teilen als Erfolgsgeschichte gelten kann. Die relativ großen Freiräume, die die einzelnen Unternehmen genossen, nachdem Hans Strauch die Leitung der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF übernommen hatte, waren funktional nicht zuletzt in dem Sinne, dass sie ein kurzfristiges Reagieren auf die sich im Krieg schnell verändernden Konstellationen erleichterten. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass gravierende interne Kommunikationsdefizite blieben und der DAF-Konzern in den letzten Kriegsjahren schließlich sogar Gefahr lief, in seine Einzelteile zu zerfallen. Welcher Art diese Defizite waren, trat Anfang 1944 mit einiger Schärfe hervor. Am 25. Februar 1944 fand in München eine von Robert Ley und Otto 49 Habedank (1893-?), seit 1929 NSDAP-Mitglied, seit 1933 Hamburger Stadtrat, hatte seit 1931 die NSBO geführt, ehe er dann 1934 Gauobmann der Arbeitsfront wurde.

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Marrenbach als dem Geschäftsführer der Arbeitsfront einberufene, interne Besprechung statt. An dieser Besprechung nahmen neben Ley und Marrenbach außerdem dessen Bruder Fritz Marrenbach als weiteres Mitglied aus der in der DAF tonangebenden »Waldbröler Clique« sowie Direktor Josef Lidl von der Münchner Zweigniederlassung der Arbeitsbank, Bezirksdirektor Zapf von der Münchner Volksfürsorge und Krohn von der Münchner Filiale der Deutscher RingVer­si­cherung teil.50 Nicht anwesend waren Hans Strauch, Heinrich Simon oder einer der anderen führenden Verantwortlichen für den DAF-Gesamtkonzern bzw. die Wirtschaftspolitik und die Finanzen der Arbeitsfront.51 Ley begann die Besprechung, indem er die Frage stellte, »ob die leitenden Herren der verschiedenen wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF persönliche Fühlung unter sich halten bezw. [wenigstens] in gewissen Zeitabständen, etwa alle 4 Wochen, zusammenkommen« und sich in den regionalen Angelegenheit des Konzerns untereinander koordinierten. Als »diese Frage keine Bejahung erfahren konnte, wurde dies von Herrn Dr. Ley mit ersichtlich starkem Befremden aufgenommen.« Ley echauffierte sich, er halte »einen solchen Zustand für undenkbar«; er »unterstrich« mehrfach und »mit starker Betonung die Unhaltbarkeit dieses Zustandes«. Der Chef der Arbeits­front, der sich von seinen Untergebenen – nicht zuletzt Strauch und Simon – schlecht informiert fühlte, gab »klar zu erkennen, dass dies geändert werden« müsse, schon »weil er sich nicht jedes Mal die einzelnen Herren von den verschiedenen Unternehmungen rufen lassen könne und möchte, sondern dass eben hier irgendwo anders eine Stelle bezw. eine Person ihm zur Verfügung stehe, wenn dieselbe in dem einen oder anderen Falle von ihm benötigt werde.« Diese Protokollauszüge sind aufschlussreich: Auf der zentralen Ebene, d. h. dadurch dass die Aufsichtsräte aller wichtigen DAF-Unter­nehmen mit denselben DAF-Leuten besetzt waren, mögen die einzelnen Konzernteile untereinander relativ effizient koordiniert gewesen sein – obwohl nach den Aus­lassungen Leys vom Februar 1944 auch hier Skepsis angebracht ist. Auf der regionalen und lokalen Ebene dagegen arbeiteten die verschiedenen Unternehmen teilweise völlig unverbunden nebeneinander her. Der Direktor der Münchner Dependance der 50 F. Marrenbach (1896-1967), in Bröl (bei Waldbröl/Rheinland), d. h. der Heimatregion Leys geboren, war im Juni 1928 in die NSDAP eingetreten, seitdem wie sein Bruder ein enger Vertrauter Leys und zudem Kreisleiter der NSDAP im Oberbergischen Kreis (Köln-Aachen; seit Okt. 1930 hauptamtlich). Seit Okt. 1940 leitete er das Hauptpersonalamt in der Reichsorganisationslei­tung der NSDAP. Lidl (1883-?) war einer der wichtigeren Münchner NS-Honoratioren; er saß im Vorstand des »Biologischen Krankenhauses« der bayerischen Hauptstadt und im Verwaltungsrat der Deutschen Beamtenversicherung, hatte den Aufsichtsratsvorsitz der Johann Horn AG inne und gehörte ferner dem Arbeitsausschuss »Banken« der Reichsgruppen Banken und Versicherungen an. Zu den erwähnten Münchner Versicherungsmanagern Zapf und Krohn liegen keine biographischen Angaben vor. 51 Dies und das Folgende nach: Aktennotiz von Krohn (Deutscher Ring, München) vom 26. Febr. 1944 über eine Besprechung vom 25. Febr. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr.  84.

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Deutscher Ring-Ver­sicherung Krohn sah darin, wohl zu Recht, ein Versäumnis der Berliner Zentrale der Arbeitsfront und der dortigen Unternehmensverwaltung. In der Reichshauptstadt sei bisher offenbar »nicht daran gedacht worden, eine Stelle zu schaffen, die in der Lage ist, Herrn Dr. Ley im vorkommenden Falle über die Organisation der DAF-Unterneh­mun­gen zu unterrichten.«52 Auch wenn Namen nicht genannt wurden: Faktisch adressiert war dieser Vorwurf an die TWU und dessen Leiter Hans Strauch, der neben Heinrich Simon für den von Ley gegeißelten Missstand verantwortlich zeichnete. Die Reaktion Strauchs ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und soll deshalb gleichfalls ausführlicher zitiert werden.53 Die am 25. Februar 1944 zur Sprache gekommene Angelegenheit hätte, so fürchtete Strauch, »bei der bekannten derzeitigen Verfassung des Reichsleiters [d. h. Leys] bald insofern zu unangenehmen Konsequenzen geführt, als der Reichsleiter im ersten Moment verlangte, dass die Gausachwalter [der NSDAP] unter Hebung ihrer Stellung ein Mandat bekommen sollten, das ihnen sogar Eingriffe in die Wirtschaftsgebarungen der Unternehmungen ermöglicht hätte.« Diese sollten »Funktionen« erhalten, die ihnen nach Ansicht Strauchs »keinesfalls zustehen können«. Danach folgte so etwas wie ein Offenbarungseid: »Das Problem der engeren Verbindung zwischen den massgebenden Herren unserer wirtschaftlichen Unternehmungen in den Gauhauptstädten ist so alt wie bisher ungelöst.« Zum Eklat wie in München käme es, weil einzelne Akteure, »wie in diesem Fall Direktor Lidl von der Bank«, glaubten, ihre Sonderinteressen »mit Hilfe des Doktors«, d. h. Leys, besser »zur Geltung bringen« zu können.54 Die Angelegenheit sei »im ersten Stadium abgebogen. Das entbindet mich jedoch nicht von der Pflicht, wenigstens dafür zu sorgen, dass für die Folge beim Reichsleiter nicht der Eindruck entstehen kann, dass sich die verschiedenen massgeblichen Herren bei den wirtschaftlichen Unternehmungen überhaupt nicht kennen.« 52 Ebd. 53 Strauch an den Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor der Deutscher Ring-Versicherungen Rudolf Kratochwill vom 9. März 1944, in: ebd. 54 Lidl hatte sich während der Besprechung heftig darüber beschwert, dass die Bezirksdirektion München der Volksfürsorge Lebensversicherung kein Konto bei der Bank der Deutschen Arbeit, sondern ein Postscheckkonto unterhalte, auf dem die Prämieneinnahmen der Münchner Versicherten gesammelt werden. Auch der Münch­ner Gemeinschaftsversorgungsring als der bezirkliche Verband des Deutschen Gemeinschaftswerkes tätige nur einen kleinen Teil seiner Geldgeschäfte über die Arbeitsbank. Ebenso arbeiteten die in den ersten Kriegsjahren zur sozialpolitischen Betreuung kleinerer Unternehmen und Handwerksbetriebe gegründeten »Sozial-Gewerke« der DAF seit dem 1. Okt. 1942 nicht mehr mit der Arbeitsbank, sondern mit der Oberbayerischen Volksbank zusammen. Diese Vorwürfe wiederholte Lidl auch in einem Schreiben an Strauch vom 15. März 1944, in: ebd. Vgl. auch Kapitel 3, S. 123. Strauch seinerseits reagierte eher lahm. Er wies die Kritik Lidls halbherzig zurück, musste gegenüber Kratochwill ihre Berechtigung jedoch zugeben und unterstrich deren politisches Gewicht nicht zuletzt durch die Anordnung, die er wenig später zur Verbesserung der internen Kommunikation herausgab.

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Strauch machte unmissverständlich deutlich, dass es sich bei den von Ley angesprochenen internen Kommunikationsdefiziten um ein chronisches, strukturelles Problem handelte, wie es offenbar auch anderswo bestand. Aufschlussreich ist die schriftliche Äußerung Strauchs außerdem, weil er dort in einer für hohe DAF-Funktionsträger – die bei unverblümter Kritik an Ley sofortige und scharfe Sanktionen zu befürchten hatten – bemerkenswerten Offenheit ein Schlaglicht auf die physische und psychische Verfassung Leys, dessen alkoholismus- und depressionsbedingte Ausfälle wirft. Schließlich (auch das wird überdeutlich) hatte Strauch vor allem Angst um seinen eigenen Stuhl – und sah sich deshalb umgehend zum Handeln gezwungen. »Um zu verhindern, dass schliesslich eine Anordnung des Doktors [d. h. Leys] ohne weiteres Befragen der zuständigen Amtsleiter ergeht«, in der der Leiter der Arbeitsfront die NSDAP-Gau­sach­walter mit der Kontrolle der regionalen DAF-Unternehmen beauftrage, »muss nun irgend etwas getan werden, was ja auch schliesslich im Interesse der Sache ist«, so eine weitere bemerkenswerte Formulierung Strauchs. Sie illustriert, dass es dem TWU-Chef in erster Linie um Macht, Einfluss und den Erhalt der eigenen Position ging und erst danach um »die Sache«. Strauch ordnete dann an, dass »in jeder Gauhauptstadt der fähigste Mann benannt« werden müsse, d. h. derjenige DAF-Funktionär mit dem besten Überblick über das jeweils regionale Unternehmensgeflecht der Organisation – der dann »ständig die Fühlung mit dem [DAF-]Gauobmann und auch dem [NSDAP-]Gau­sach­walter hält und in kurzen Zeitperioden immer wieder sämtliche massgebenden Herren der wirtschaftlichen Unternehmungen zusammenholt und mit ihnen dadurch in engste Fühlung kommt.«55 Ob solche Gaubeauftragten des DAF-Konzerns in den letzten Monaten der NS-Diktatur überhaupt noch berufen wurden, ist unklar – und angesichts des Zerfalls der allgemeinen Infrastruktur letztlich auch unerheblich. Auf die interne Koordination und überhaupt die unternehmensübergreifende Binnenstruktur des DAF-Wirt­schafts­im­pe­riums wirft all dies jedenfalls kein günstiges Licht. Strauch konnte sich immerhin zugute halten, dass unter ihm die anfangs chaotischen Zustände innerhalb des DAF-Unternehmenskonglomerats seit 1938 weitgehend behoben wurden und der Konzern selbst in ein ruhiges Fahrwasser geriet, das diesem – aller Koordinationsdefizite zum Trotz – ein zumindest zu weiten Teilen erfolgreiches wirtschaftliches Agieren und eine überdurchschnittliche Expansion erlaubte.

55 Strauch an Kratochwill vom 9. März 1944 (wie Anm. 53). Ähnliche Schreiben gingen auch an die Vorstandsvorsitzenden der anderen großen DAF-Unternehmen, mit Ausnahme des Baukonzerns, dessen Einzelfirmen unmittelbar mit der Behörde des Reichswohnungskommissars kooperierten.

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3. Die Banken

Dass die Arbeitsfront im Bankwesen aktiv wurde, ist in der NS-Forschung eher selten angesprochen worden. In der einen oder anderen Darstellung wird die Bank der Deutschen Arbeit zwar immerhin erwähnt, allerdings  – über den wichtigen Aufsatz von Christoph Kreutzmüller und Ingo Loose hinaus – nicht genauer in den Blick genommen, sondern als vorgebliche »Hausbank« der DAF in aller Regel schnell abgetan. Fast gänzlich unbekannt ist, dass Ley und seine Organisation anfangs noch über eine weitere Bank sowie mehrere Sparvereine verfügten. Deren relativ kurze Geschichte unter dem Dach der Arbeitsfront und ebenso die einiger Sparvereine, die schon bald von der Arbeitsbank geschluckt wurden, wird im Folgenden zunächst skizziert. Anschließend sind Überlegungen der DAF-Führung 1937/38 über die Gründung einer zweiten eigenen (im Vergleich zur Arbeitsbank:) Spezialbank und die Gründe für das Scheitern dieses Plans zu skizzieren. Danach folgt, als Hauptteil dieses Kapitels, die Geschichte der Bank der Deutschen Arbeit und ihrer vielfältigen Aktivitäten. Bevor auf die DAF-Banken eingegangen werden kann, sind indes die Rahmenbedingungen zu skizzieren.

3.1. Nationalsozialistische Bankenpolitik Ideologischer Hintergrund und gesetzliche Maßnahmen Eine nationalsozialistische Bankenpolitik, die einer dezidiert eigenen Wirtschafts- und Fi­nanz­theorie gefolgt wäre, hat es im Dritten Reich nicht gegeben. Nach 1933 gingen na­tionalkon­servative finanzpolitische Experten erst in der Ägide des Reichswirtschaftsministers Kurt Schmitt, dann der des Reichswirtschaftsministers Hjalmar Schacht daran, die tiefgreifenden Folgen der Bankenkrise 1931 zu beheben und die Grundlagen für die Finanzierung der Aufrüstung zu legen. Schmitt wie Schacht waren keine eingefleischten Nationalsozialisten, sondern völkische Nationalisten, die finanzpolitische Meriten lange vor 1933 gesammelt hatten: Schmitt hatte als Generaldirektor wesentlich dazu beigetragen, dass der Münchner Allianz-Konzern zum größten deutschen und europäischen Versicherungs-Konzern aufstieg; Schacht war für die Zeitgenossen zum Mythos geworden, weil er als Reichswährungskom­missar für die Beendigung der Inflation politisch verantwortlich war und als Reichsbankpräsident von Ende 1923 bis 1930 (sowie erneut von März 1933 bis Januar 1939) mit der Bankenkrise der dreißiger Jahre unmittelbar nicht in Verbindung gebracht werden konnte. Auch nach dem Abgang Schachts waren unter Funk als dessen nominellem Nachfolger, unter dem wichtigeren Vierjahresplan-Beauf­trag­ten Göring sowie dem Reichsfinanzminister Schwerin-Krosigk finanzpolitische Experten mit

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oft traditional-ministe­rial­bürokra­ti­scher Vergangenheit für die Rüstungs- und Kriegsfinanzierung verantwortlich – und nicht ideologisierende Nationalsozialisten. Diese Experten entwickelten einen hohen Grad an finanztechnischer Improvisationskunst und schafften es immer wieder erfolgreich, dem NS-Regime aus selbst verursachten wirtschafts- und finanzpolitischen Dilemmata herauszuhelfen. »Die Technik der Finanzierung des Zweiten Weltkrieges im Deutschen Reich war beachtlich und erfolgreich«, lautet denn auch das lakonische Resümee einer Überblicksdarstellung.1 NS-spezifisch waren nicht die relativ massiven staatlichen Interventionen. Sie sind auf einer allgemeinen Ebene vielmehr charakteristisch für Kriegswirtschaften generell. Die Anbindung des Bankwesens an staatliche Zielvorstellungen durch neue Gesetze oder auch durch die im Juni 1934 gegründete Reichsgruppe Banken  – die keineswegs einseitig nur als Transmissionsriemen für RegimeInte­ressen fungierte, sondern ihrerseits als Lobbyistenvereinigung auf den wirtschaftspolitischen Bühnen des polykratischen Herrschaftssystems der Diktatur agierte – war gleichfalls vor allem rüstungsinduziert und jedenfalls nicht in erster Linie auf die ohnehin inkonsistente NS-Ideologie zurückzuführen. Typisch nationalsozialistisch war dagegen erstens ein ideologisch bedingtes Misstrauen zahlreicher nationalsozialistischer Entscheidungsträger gegenüber dem als »raffendes Kapital« denunzierten Bankwesen. In praxi hatte dies kaum Auswirkungen, da sich die wichtigsten Entscheidungsträger des Regimes des Tatbestandes bewusst waren, dass die Banken als zentrales wirtschaftspolitisches Instrument unverzichtbar waren. Ohne sie waren die intendierten politischmilitärischen Ziele nicht zu erreichen; die Geldinstitute ihrerseits taten durch bereitwillige Kooperation alles, um Zweifel an ihrer Loyalität zu zerstreuen. NSspezifisch war zweitens der Antisemitismus aller maßgeblichen Funktions­träger der Diktatur und die darauf basierende »Arisierungs«-Pra­xis, die gerade auch erhebliche Teile des Bankensektors traf. Den wichtigsten gesetzlichen Maßnahmen seit Beginn 1933, die auf die Banken zielten, ist ein ideologischer Charakter nicht anzumerken. Sie standen zudem überwiegend in der Kontinuität älterer wirtschaftsrechtlicher Entwicklungen. Zu den wichtigsten, die Banken betreffenden finanzpolitischen Maßnahmen des Regimes zählte das »Reichsgesetz für das Kreditwesen« vom 5. Dezember 1934.2 Es unterstellte das Bankwesen – vor dem Hintergrund der Erfahrungen 1 Eckhard Wandel, Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert, München 1998, S. 34. Zu Schacht und seiner Politik vgl. Christopher Kopper, Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier, München/Wien 2006. 2 Ausführlich zu diesem Gesetz: Christopher Kopper, Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus. Bankenpolitik im »Dritten Reich« 1933-1939, Bonn 1995, S. 112-125; Johannes Bähr, Modernes Bankenrecht und dirigistische Kapitallenkung. Die Ebenen der Steuerung im Finanzsektor des »Dritten Reichs«, in: Gosewinkel (Hg.), Wirtschaftskontrolle und Recht, S. 199-223, hier: S. 207-211; Gerold Ambrosius, Was war eigentlich »nationalsozialistisch« an den Regulierungsansätzen der dreißiger Jahre, in: Abelshauser u. a. (Hg.), Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen, S. 41-60, hier: S. 45 ff.; Hans Pohl,

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von 1931 – zwar einer relativ strengen staatlichen Aufsicht, die von einem von der Reichsbank eigens eingerichteten »Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen« ausgeübt wurde. Die Struktur des reichsdeutschen Bankensystems selbst wurde dadurch jedoch nicht grundsätzlich verändert, allerdings ein einheit­licher Rechtsrahmen geschaffen und die Gewerbefreiheit im Kreditwesen durch die Konzessionspflicht eingeengt  – Reformen, die vor dem Hintergrund des großen Bankenkrachs Anfang der dreißiger Jahre ohnehin anstanden. Tatsächlich handelte es sich bei dem »Reichsgesetz für das Kreditwesen« um den zentralen Eckpunkt einer »Modernisierung der staatlichen Bankengesetzgebung«, wie sie »in ähnlicher Form wahrscheinlich auch in einer parlamentarischen Demokratie vorgenommen worden« wäre (Christopher Kopper) und in den Grundzügen ebenfalls in den dreißiger Jahren in vergleichbarer Weise u. a. in den USA und der Schweiz auch tatsächlich vollzogen wurde. Systemunabhängige Modernisierungsbestrebungen wie beim Reichskreditgesetz standen auch für das »Gesetz über die Staatsbanken« Pate. Dieses am 18. Oktober 1935 verkündete Gesetz unterstellte die wichtigsten staatlichen Banken der Aufsicht des Reichswirtschaftsministers und beseitigte geldpolitische Anachronismen.3 Private Geldinstitute wie die »Großen Drei« (Deutsche, Dresdner und Commerzbank), aber auch die Arbeitsbank wurden in ihren Entfaltungsmöglichkeiten dadurch nicht substantiell tangiert. Als eines der ersten großen Vorhaben der Ära Schacht war am 4. Dezember 1934 das »Anleihestockgesetz« verabschiedet worden.4 Dieses Gesetz zielte vor allem auf Aktiengesellschaften und diente in doppelter Hinsicht der forcierten Aufrüstung: Zum einen setzte es Obergrenzen für die Dividendenausschüttung fest und verbreiterte damit die Basis für industrielle Reinvestitionen. Zum anderen machte das Gesetz zugleich den Aktienkauf unattraktiv. Während Aktienemissionen seitdem deutlich zurückgingen, gewannen vor allem Staatsanleihen an Bedeutung. Das Anleihestockgesetz war mithin maßgeblich dafür verantwortlich, dass überschüssiges Kapital in die Rüstungs- und Kriegsfinanzierung gelenkt wurde. Unter dem Primat des Bellizismus wurden der Kapitalverkehr sowie das Bankwesen überhaupt zwar einer stärkeren staatlichen Lenkung unterworfen. An eine Verstaatlichung dachte das NS-Regime jedoch zu keinem Zeitpunkt. Im Gegenteil, bis 1937 wurden die im Zuge des Bankenkrachs 1931 teilverstaatlichten Die Sparkassen vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: ders./Bernd Rudolph/Günther Schulz, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2005, S. 21-248, hier: S. 155 ff. 3 Vgl. vor allem Willi A. Boelcke, Zum Gesetz über die Staatsbanken vom 18. Oktober 1935, in: Bankhistorisches Archiv 1982, Beiheft 7, S. 63-70. Bis dahin wurden z. B. von der Sächsischen Staatsbank ausgegebene Banknoten in anderen Reichsländern nicht anerkannt; sie mussten an den ›Landesgrenzen‹ getauscht werden. 4 Zu diesem Gesetz vgl. insbesondere Bähr, Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, S. 56-68; ders., Bankenrecht, S. 204 ff. Zu den im Folgenden angesprochenen Gesetzen: ebd., S. 215 ff.

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Dresdner, Deutsche und Commerzbank reprivatisiert. Eindrücklicher konnte die Hitler-Diktatur kaum dokumentieren, dass sie langfristig selbst innerhalb des – in der ersten Phase des Dritten Reiches heftig angefeindeten – Bankwesens der Privatinitiative den Weg ebnen wollten. Spätere Gesetze reagierten auf Devisenknappheiten und Probleme der Kriegsfinanzierung sowie auf die ab 1941 veränderten militärischen Konstellationen, signalisierten jedoch kein Abrücken vom Paradigma der Privatinitiative. Von volkswirtschaftlich erheblicher Bedeutung war das »Gesetz über die Deutsche Reichsbank« vom 15. Juni 1939, das nach dem Rücktritt Schachts auch von seiner Funktion als Reichsbankpräsident verabschiedet wurde. Durch dieses Gesetz wurde die Reichsbank Hitler als Reichskanzler unmittelbar unterstellt und wurden alle Vorschriften aufgehoben, die einer ungezügelten Geldschöpfung im Wege standen. Es diente finanzpolitisch der unmittelbaren Kriegsvorbereitung und setzte stabilitätspolitische Gesichtspunkte zugunsten einer elastischen Kriegsfinanzierung hintan. Einen weiteren wichtigen Einschnitt markiert die »Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Bank- und Sparkassenwesens« vom 5. Dezember 1939. Sie stellte dem Reichswirtschaftsminister eine Generalvollmacht aus, alle ihm richtig dünkenden Maßnahmen auf dem Gebiet des Banken- und Kreditgewerbes zu treffen. Dies betraf u. a. die Neuordnung des Bankensystems sowie die Gründung und Aufhebung einzelner Bankfilialen oder ganzer Banken oder auch mögliche Zwangsfusionen von Geldinstituten. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Überfalls auf die Sowjetunion machte das erwähnte Reichsaufsichtsamt über das Kreditwesen am 3. Juni 1941 einen Erlass zur »Vereinfachung der Organisation des Kreditgewerbes« bekannt, der die Wirtschaftsgruppen zunächst noch unverbindlich zu Filialschließungen verpflichtete. Angesichts der Lage auf den Kriegsschauplätzen und dem Druck der Wehrmacht, Soldaten für die Ostfront und den »Afrikafeldzug« zu rekrutieren, setzte Funk im Mai 1942 einen »Sonderbeauftragten für Bankenrationalisierung« ein. Mit dem »Führererlass« über den »umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung« vom 13. Januar 1943 wurde der Prozess der Schließungen von Bankfilialen und Zahlstellen sowie die »Auskämmung« überzähliger Angestellter im Bankgewerbe weiter forciert; die Zahl der in privaten Geldinstituten Beschäftigten (einschließlich Arbeitsbank) lag 1942/43 im Vergleich zu 1939 bei 74 %, im gesamten kriegsrelevanten Gewerbe dagegen noch bei 87 %. Die Folge war eine Überalterung sowie eine (weitere) Feminisierung der verbliebenen Bankangestelltenschaft.5

5 Vgl. Johannes Bähr, »Bankenrationalisierung« und Großbankenfrage. Der Konflikt um die Ordnung des deutschen Kreditgewerbes während des Zweiten Weltkireges, in: Geld und Kapital 4 (2000), S. 71-94, hier: S. 89.

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Zweierlei Konjunkturen Der Bankensektor lässt sich in zwei große Segmente gliedern: auf der einen Seite die großen Geschäftsbanken, ab 1933 meist Aktienbanken, von geringerer Bedeutung Privatbanken, da deren Zahl infolge der Wirtschaftskrise und dann der »Arisierungs«-Politik rapide schrumpfte. Die Geschäftsbanken waren auf große finanzielle Transaktionen konzentriert, vergaben Industriekredite und verfügten oft selbst über beträchtliche Beteiligungen. Auf der anderen Seite standen die Sparkassen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Institute. Sie waren der Hauptadressat für Kleinsparer und fungierten traditionell als Kreditgeber z. B. für den Wohnungsbau. Hinzu traten Regionalbanken unterschiedlicher Couleur. Wichtig ist nun, dass die beiden Hauptsegmente des Bankensektors zwischen 1933 und 1945 deutlich unterscheidbare konjunkturelle Entwicklungen durchmachten. Aufgrund der rüstungskonjunkturell bedingten raschen Beseitigung der Erwerbslosigkeit, die namentlich in der Metallindustrie bereits 1934/35 einer Vollbeschäftigung wich, und angesichts eines begrenzten Warenangebots (restringierter Import) wuchs die Sparquote, trotz nur langsam steigender Effektivverdienste der Industriearbeiterschaft.6 Infolgedessen prosperierte das Geschäft der Sparkassen;7 es kam vorübergehend zu einer deutlichen »Marktverschiebung von den Banken zu den Sparkassen«.8 Verantwortlich dafür war freilich nicht allein das gewachsene Sparaufkommen. Hinzu kam, dass insbesondere die Produktionsgüter- und Rüstungsindustrie volle Auftragsbücher sowie ausgelastete Kapazitäten verzeichnete und sich über die nach der NS-Machtergreifung mit Brachialgewalt durchgesetzte Senkung der Lohnkosten freuen durfte. Die Folge war eine hohe Liquidität der meisten Industrieunternehmen, die durch die im Anleihestockgesetz von 1934 festgeschriebenen Obergrenzen für die Dividendenausschüttung noch verstärkt wurde, und damit in wachsendem Maße die Fähigkeit, Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen ›aus eigener Tasche‹ zu zahlen. Auf Fremdfinanzierungen waren Großunternehmen immer weniger angewiesen.9 Während die Debitoren der Sparkassen (Kreditvergabe an Nichtbanken, d. h. Verbraucher und kleine Selbständige) in den ersten Jahren der NS-Herrschaft deutlich wuchsen, gingen die der Großbanken infolgedessen stark zurück.10 Besonders stark drückte sich der angedeutete Strukturwandel in der Bilanzsumme aus, die die Gesamtheit der Geschäftsaktivitäten spiegelt: Die 6 Angesichts stagnierender Realeinkommen lag die Sparquote von Arbeitern Mitte der dreißiger Jahre und vielfach auch danach deutlich unter dem Niveau Ende der zwanziger Jahre; demgegenüber war die der Angestellten, Beamten, selbständig Gewerbetreibenden sowie selbst der Rentner teilweise signifikant gestiegen. Vgl. Pohl, Sparkassen, S. 182. 7 Die Spareinlagen verdoppelten sich zwischen 1933 und 1939 von 11,1 Mrd. RM auf 21,5 Mrd. RM fast. Vgl. ebd., S. 183, außerdem Bähr, Bankenrationalisierung. 8 Kopper, Bankenpolitik, S. 158, 357 f. 9 Vgl. Spoerer, Von Scheingewinnen zum Rüstungsboom, S. 113 ff. 10 Sie verringerten sich bei den Großbanken zwischen 1933 und 1936 um 17 %. Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 159.

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Bilanzsumme der Sparkassen, Girozentralen und Landesbanken hatte sich zwischen 1932 und 1939 mehr als verdoppelt (auf 40 Mrd. RM bei Kriegsbeginn), die der Berliner Großbanken – ohne die Bank der Deutschen Arbeit – im selben Zeitraum dagegen lediglich um 15 % erhöht (auf etwa 10 Mrd. RM).11 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass es die Sparkassen waren, die zu den »wichtigsten Kapitalsammelstellen« des Reiches mutierten und damit wesentlich für die »geräuschlose« Verschuldung des Reiches, die Rüstungs- und Kriegsfinanzierung ohne offenkundige Inflation verantwortlich waren.12 Die Großbanken wurden deshalb freilich keineswegs zu Hungerleidern. Zu herausragenden Profiteuren der Politik des NS-Regimes wurden sie allerdings erst mit der Expansion des Dritten Reiches ab 1938, auch das in doppelter Hinsicht: Großindustrielle Unternehmen, die zunächst in die dem »Großdeutschen Reich« einverleibten Länder, später in die von der Wehrmacht okkupierten Staaten expandierten, benötigten sowohl für die Akquise dortiger Unternehmen als auch für den Aufbau neuer Werke in großem Umfang Kredite,13 so dass nun das diesbezügliche Geschäft der auf industrielle Großkredite konzentrierten Berliner Geschäftsbanken rasch aufblühte. Die »jahrelang gehörte Klage über die Schrumpfung verstummte« Ende 1938 abrupt (wie der SD süffisant bemerkte), zumal insbesondere in Österreich, aber auch in den anderen eingegliederten Gebieten die »wichtigen« unter den sehr schnell großflächig angelegten »Arisierungen mit Hilfe der Großbanken erfolgten, die sich meist einen entscheidenden Einfluss sicherten«. Im »Altreich« und bei »weniger wichtigen« Unternehmen partizipierten auch die kleineren Geschäftsbanken, da hier die »Arisierungen vielfach ohne genügendes Eigenkapital vorgenommen wurden«.14 Zweitens ex11 Vgl. Wandel, Banken und Versicherungen, S. 30 f. Zur Stagnation der Entwicklung der Bilanzsummen der Berliner Großbanken vgl. z. B. James, Deutsche Bank, S. 319 (Graphik 2). Der relative Bedeutungsverlust der Großbanken war im Übrigen zu einem Gutteil selbstverschuldet: Zwar nahmen diese ab 1928 auch Spareinlagen entgegen, vernachlässigten jedoch weiterhin dieses in ihren Augen wenig lukrative Geschäftsfeld. Dass Sparkassen und vergleichbare Geldinstitute im Gegensatz zu ›klassischen‹ Geschäftsbanken in den dreißiger Jahren enorm expandierten, war im Übrigen kein NSspezifisches, sondern ein europaweites Phänomen. Vgl. ebd, S. 318 f. 12 Von den insgesamt 13,8 Mrd. RM Reichs- und Staatsanleihen, die bis zu Beginn des Frühjahres 1939 ausgegeben worden waren, hielten die Sparkassen 43,5 %, die Großbanken dagegen lediglich 8,7 %. Der Anteil der Versicherungen lag zum genannten Zeitpunkt bei 32,1 % sämtlicher Reichs- und Staatsanleihen. Angaben und Zitate: Kopper, Bankenpolitik, S. 159 ff. 13 Ein Beispiel ist der Großkredit von 100 Mio. RM, den die Deutsche Bank der I.G. Farben­industrie 1939 für »kostenintensive Projekte« in Österreich, in den Sudeten und im »Protektorat Böhmen und Mähren« relativ zinsgünstig gewährte. Vgl. James, Deutsche Bank, S. 331. Zur großen Bedeutung der imperialen Ausdehnung des Dritten Reiches für das seit 1938 beschleunigende Wachstum vor allem der Großbanken vgl. außerdem z. B. Harald Wixforth, Auftakt zur Ostexpansion. Die Dresdner Bank und die Umgestaltung des Bankwesens im Sudetenland 1938/39, Dresden 2001. 14 Alle Zitate: Jahreslagebericht des SD für 1938, in: Meldungen aus dem Reich. Die ge-

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pandierten die in der Reichshauptstadt ansässigen Großbanken, indem sie in den angegliederten bzw. besetzten Gebieten sowie den verbündeten Ländern Filialen errichteten, mithin einen zunehmend europäischen Charakter gewannen. Die Bilanzsumme der Großen Drei sollte sich von 1939 bis 1943 mehr als verdoppeln, bei der Deutschen Bank von 4,2 Mrd. RM auf 8,8 Mrd. RM, bei der Dresdner Bank von 3,2 Mrd. RM auf 6,7 Mrd. RM und bei der Commerzbank von 1,7 Mrd. RM auf 4,2 Mrd. RM.15 Ihr während des Krieges geradezu explosionsartiges Wachstum wurde allerdings von der Bank der Deutschen Arbeit noch in den Schatten gestellt. Wichtig ist für das Folgende schließlich, dass sich ab 1933 das Feld der miteinander konkurrierenden größeren Bankinstitute wandelte. Auf der einen Seite verschwanden vor allem eine Reihe alteingesessener Privatbanken, deren Eigen­ tümer und Vorstände nach den NS-Rassekriterien als »Juden« klassifiziert und zur Aufgabe ihrer Geschäfte gezwungen wurden. Auf der anderen Seite hatte die sich von einer Arbeiter-Sparkasse zur Berliner Großbank wandelnde Bank der Deutschen Arbeit nicht nur in den Großen Drei Rivalen, die den Aufstieg der DAF-Bank misstrauisch beäugten und zu bremsen versuchten. Darüber hinaus erwuchsen der Arbeitsbank außerdem in der »Bank für deutsche Industrieobligationen«16 und der »Bank der Deutschen Luftfahrt«17 Konkurrenheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938-1945, hg. und eingeleitet von Heinz Boberach, Herrsching 1984, hier: Bd. 2, S. 182. 15 Der Umsatz der Deutschen sowie der Dresdner Bank war bis 1943 auf die – für damalige Verhältnisse fast unvorstellbare  – Summe von 201 Mrd. bzw. 151 Mrd. RM gewachsen. Zu den Bilanzsummen und Umsätzen der großen Geschäftsbanken vgl. Tabelle 1.4. 16 Gegründet wurde die halbstaatliche Bank für deutsche Industrieobligationen 1924 vor dem Hintergrund der Reparationsverpflichtungen des Reiches. Sie sollte (wie der Name bereits andeutet) die grundpfandrechtlich gesicherten Industrie-Obligationen verwalten, die der industriellen Reparationslast entsprachen. 1931 wurde ihr Aufgabenfeld erweitert, indem sie mit der Vergabe landwirtschaftlicher Hypotheken beauftragt wurde. Nach 1933 und vor allem nach der Verabschiedung des Vierjahresplans im Sept. 1936 verlagerte sich ihr Geschäftsfeld zunehmend in Richtung Vergabe langfristiger Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen. Hintergrund dieses neuen Tätigkeitsfeldes der Bank für deutsche Industrieobligationen war eine Kredit-»Lücke«, die sich im Zuge der forcierten Aufrüstung aufgetan hatte, weil die Großbanken vor allem die industriellen Großunternehmen bedienten und Sparkassen, Genossenschaftsbanken etc. lediglich kurzfristige Kredite vergaben. 1954 wurde die Bank als »Deutsche Industriebank« wiederbegründet; 1974 fusionierte sie mit der 1949 entstandenen »Industriekreditbank AG« zur »Industriekreditbank AG – Deutsche Industriebank«, die 1991 die Bezeichnung »IKB Deutsche Industriebank AG« erhielt. Im Kontext der jüngsten Finanz- und Immobilienkrise geriet die IKB-Bank stark ins Trudeln und wurde Ende Okt. 2008 an den Finanzinvestor Lone Star verkauft. Zur Geschichte dieser Bank bis 1995 vgl. vor allem Siegfried C. Cassier, Unternehmerbank zwischen Staat und Markt 1924-1995. Der Weg der IKB Deutsche Industriebank AG, Frankfurt a. M. 1996. 17 Die (seit Anfang 1940 so genannte) Bank der Deutschen Luftfahrt AG, oder Aero-Bank, ging aus der »Deutschen Luftfahrt-Kontor GmbH« hervor, einem für den Aufbau und die Erweiterung der Flugzeugindustrie konzipierten Finanzierungsinstrument des

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ten, die aufgrund von weitreichenden Rediskontzusagen der Reichsbank18 eine großzügigere Kreditpolitik praktizieren konnten als die traditionellen Geschäftsbanken.

3.2. Banken, die aufgelöst, verkauft oder gar nicht erst gegründet wurden Von der Vereinsbank für Deutsche Arbeit über die Deutsche Volksbank zur Nationalbank und Mittel­standsbank – die Trennung vom christlich-nationalen Erbstück Bevor nun die Geschichte der Bank der Deutschen Arbeit mitsamt ihrer Vorgeschichte ausgeleuchtet wird, ist die kurze Geschichte mehrerer Geldinstitute zu skizzieren, in deren Besitz die DAF 1933 gelangte. Überraschen kann der Befund, dass die Arbeitsfront in den ersten Jahren ihrer Existenz mehrere Bankhäuser besaß, nur denjenigen, der übersieht, dass die Arbeitsfront 1933 zum räuberischen ›Erben‹ der gesamten organisierten Arbeiterbewegung wurde, also nicht allein Firmen sowie Immobilien der freien Gewerkschaften, sondern ebenso des katholischen DGB sowie kleinerer Arbeitnehmerverbände übernahm. So wie der ADGB mit der »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten« (kurz: Arbeiterbank), aus der dann 1933 die »Bank der Deutschen Arbeit« wurde, ein eigenes Kreditinstitut besaß, hatte sich auch der katholische DGB 1920/21 »zur Zusammenfassung der Sparkräfte der christlich-nationa­len Arbeiterbewegung«19 die gewerkschaftseigene »Vereinsbank für deutsche Arbeit AG«, später: »Deutsche Volksbank«, mit Sitz in Berlin, zugelegt.20 Göring-Ministeriums. Anfang Juni 1939 wurde das »Kontor« als Bank anerkannt. Hintergrund waren Finanzierungsengpässe der deutschen Luftrüstung und die Unzufriedenheit des Reichsluftfahrtministeriums mit einer bleibend zurückhaltenden Finanzierungsbereitschaft vor allem der Berliner Großbanken. Juristisch war sie eine Tochter der reichseigenen VIAG. Vom Kreditstatus (nicht jedoch von der Bilanzsumme und anderen Indikatoren) her lag die »Bank der Deutschen Luftfahrt AG« 1941 hinter der Deutschen und der Dresdner Bank noch vor der Arbeitsbank und der Commerzbank auf Platz drei der deutschen Banken. Zur finanzpolitischen Rolle der Göring-Bank vgl. vor allem Budraß, Flugindustrie und Luftrüstung, bes. S. 498-503; zur Genesis außerdem Kopper, Bankenpolitik, S. 171 f. In einer Reihe von besetzten Ländern, z. B. in den Niederlanden, spielte sie neben den etablierten Berliner Geschäftsbanken eine gewichtige Rolle. 18 »Rediskontierung« meint den Prozess des Weiterverkaufs von angekauften (diskontierten) Wechseln durch eine Bank an die (meist nationale) Notenbank, hier also die Reichsbank. Welche Wechsel als rediskontfähig anerkannt wurden, entschied die jeweilige Notenbank. Im Allgemeinen wurden nur solide Handelswechsel mit drei oder mehr zahlungsfähigen Bürgen und einer Laufzeit unter achtzig Tagen als rediskont­ fähig anerkannt. Im konkreten Fall wurden die Grenzen im Interesse des Aufbaus von kriegsrelevanten und autarkiepolitisch wichtigen Industrien jedoch weiter gezogen. 19 Heinrich Brüning, Memoiren 1918-1934, Stuttgart 1970, S. 405. 20 Beteiligt waren an dieser Gewerkschaftsbank neben der DGB-Zentrale mehrere christ-

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Im Unterschied zur relativ stabilen Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten des ADGB geriet die Deutsche Volksbank während der Weltwirtschaftskrise zusehends heftiger ins Schlingern. Brüning berichtet in seinen Memoiren von »immer ungünstigeren Nachrichten«, die er über die Bank erhielt, der sein Reichsarbeitsminister und vormalige DGB-Vorsitzende Adam Stegerwald als Aufsichtsratsvorsitzender vorstand. Im August 1931 wurde der Kapitalbedarf des faktisch bankrotten Instituts auf 15 Mio. RM beziffert.21 Noch unter dem ersten Reichskanzler von Hindenburgs Gnaden wurde ein Sanierungsplan entwickelt. Die dem DGB angeschlossenen Gewerkschaften mussten eine Globalbürgschaft übernehmen; zur treuhänderischen Verwaltung der Deutschen Volksbank wurde die »Deutsche Bau- und Bodenbank« eingesetzt. Mit der Auflösung der katholischen Gewerkschaften verfielen auch Vermögen und Unternehmen des DGB der Übereignung an die DAF. Für die Arbeitsfront war die Deutsche Volksbank ökonomisch freilich ein ›Klotz am Bein‹. Sie war dies nicht nur aufgrund der hohen Verschuldung. Unabhängig davon war gegenüber den Unternehmen aus dem christlich-gewerk­schaft­lichen Besitz, also auch der Deutschen Volksbank, und im Unterschied zur Arbeitsbank und den anderen Unternehmen, die bis 1933 den freien Gewerkschaften gehört hatten, eine größere Rücksichtnahme angesagt.22 Als Rechtsnachfolgerin der nach offiziellem Sprachgebrauch nur »gleichgeschalteten« christlichen Gewerkschaften musste die DAF die von dieser eingegangene Globalbürgschaft übernehmen und haftete nun mit allen in ihre Hände gefallenen Vermögenswerten; zudem waren gegenüber individuellen Entschädigungsansprüchen aus den Reihen vormals christlicher Gewerkschafter aus politischen Gründen größere Konzessionen zu machen als gegenüber ehemaligen Mitgliedern und Funktionären der freien Gewerkschaften. Dies war der Hintergrund dafür, warum die Arbeitsfront versuchte, so rasch wie möglich die Deutsche Volksbank loszuwerden, nachdem diese erneut – diesmal in »National-Bank« – umgetauft worden war. Tatsächlich gelang es der DAF-Führung noch Ende 1933, ein gutes Viertel der Aktien am Grundkapital an unbekannte Interessenten zu verkaufen, ein Drittel an die staatsnahe Industrie-Bank. Der Rest verblieb zunächst bei der DAF, genauer: bei der Bank der Deutschen Arbeit. Auch dieser Anteil wurde lich-nationale Einzelgewerkschaften sowie der Deutschnationale HandlungsgehilfenVerband, ferner die christlich-nationale »Deutsche Lebensversicherungs AG« sowie der derselben Gewerkschaftsrichtung eng verbundene »Reichsverband deutscher Konsumvereine«. Vgl. Karl Lanz, Banken der Welt, Frankfurt a. M. 1963, S. 118; Rolf W. Nagel, Die Transformation der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) als morphologisch-typologisches Problem. Die Entstehung und Entwicklung eines Kreditinstitutes, Berlin 1992, S. 111 f.; Bernhard Forster, Adam Stegerwald, Düsseldorf 2003, S. 287; Hartmut Roder, Der christlich-nationale Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im politisch-ökonomischen Kräftefeld der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Funktion und Praxis der bürgerlichen Arbeitnehmerbewegung vom Kaiserreich bis zum Beginn der faschistischen Diktatur, Frankfurt a. M. usw. 1986, S. 284 f. 21 Vgl. Brüning, Memoiren, S. 406. 22 Vgl. Kapitel 1, S. 65 ff.

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in der Folgezeit allmählich an Unternehmen aus dem Ruhrrevier veräußert. Mit tatkräftiger Unterstützung des Essener NSDAP-Gauleiters Terboven wandelte sich die National-Bank in den dreißiger Jahren von einer gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Quasi-Sparkasse so schließlich zu einer regionalen »Mittelstandsbank«.23 Dass die DAF-Führung nicht die Deutsche Volksbank bzw. »National-Bank« des katholischen DGB, sondern die Arbeitsbank des bei den Nationalsozialisten viel stärker verhassten ADGB zur Hausbank machte, darf als unfreiwilliges Kompliment an die Geschäftsführung der »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten« gewertet werden: Die Arbeiterbank war offensichtlich vorsichtiger durch die Weltwirtschaftskrise geführt worden und im Frühjahr 1933 solider aufgestellt als ihr christ-gewerkschaftliches Pendant. Hinzu trat das sehr viel größere Kundenpotential der Arbeiterbank, das zudem in seiner sozialen Struktur der Klientel, die die Arbeitsfront als »volksgemeinschaftlicher Dienstleister« vorrangig zu bedienen hatte, entsprach. Die Übernahme der Sparkasse des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes und anderer Sparvereine Die solide Entwicklung der Arbeitsbank, ihr relativ entwickeltes Filialnetz und schließlich eine Organisationsstruktur, die den relativ schnellen Ausbau zu einem auf zahlreichen Geschäftsfeldern tätigen Geldinstitut zuließ, waren auch der Grund, warum die »Deutsche-Angestellten-Verbands-Sparkasse« (DAVS) noch Ende 1933 in der Bank der Deutschen Arbeit aufging. Die DAVS war die Spareinrichtung des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) gewesen24 und über den Typus früher Arbeitnehmer-Sparvereine nicht hinausgekommen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1933 ging die DAVS mit der Selbstgleichschaltung auch des DHV in den Besitz der DAF über. Zum 24. Dezember 1933 wurde der Zahlungsverkehr dieser Spareinrichtung »im Einvernehmen mit der Bank der Deutschen Arbeit AG« zunächst durch »die Zahlstellen der DHVKassen«, die organisatorisch bis Anfang 1934 der sog. Angestelltensäule der Arbeitsfront zugeordnet waren, übernommen. Lediglich in Berlin, Dresden und Hamburg sollte fürs Erste »der Sparverkehr von den bisherigen Zweigstellen der Verbandssparkassen fortgeführt« werden. Angesichts der organisatorischen Neugruppierung der Arbeitsfront in den Anfangsmonaten 1934  – der Auflösung der im Mai 1933 zunächst errichteten »Deutschen Arbeiterschaft« und »Deutschen Angestelltenschaft« als den beiden großen Säulen der DAF in die neuen, nach Branchen gegliederten »Reichs­ 23 Zur Deutschen Volks- bzw. National-Bank 1930 bis 1934 vgl. Cassier, Unternehmerbank, S. 166-173. 24 Der Artikel »Uebernahme der DA-Verbands-Sparkasse durch die Bank der Deutschen Arbeit AG« (o.V.), in: »Der Deutsche«, vom 15. Dez. 1934, dem (mangels anderer Quellen) die Ausführungen dieses Abschnitts zugrunde liegen, macht zur Vorgeschichte der DA-Verbandssparkasse keine Angaben. Aus diesem Artikel auch die folgenden Zitate.

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betriebsgemeinschaften« hinein – konnte das nur ein kurzzeitiges Provisorium sein. Im Laufe der nächsten Monate wurden die Konten des Sparvereins »allmählich von den Geschäftsstellen der Bank der Deutschen Arbeit übernommen«. Ein ähnliches Schicksal bereitete die DAF auch anderen kleinen Sparvereinen von Arbeitnehmerorganisationen, etwa der »Deutschen Werkmeister-Sparbank AG«, der »Industriebeamten Sparbank e.G.m.b.H.«, der »Deutschen Wirtschaftsbank« oder der »Bank für deutsche Arbeit und Sparbank von 1820 A.G«.25 Pläne für eine »Deutsche Baubank« – und ihr Scheitern Die vormals freigewerkschaftliche Bank der Deutschen Arbeit wurde in der Folgezeit zum Zentrum der finanziellen Aktivitäten der Arbeitsfront. Anfang 1937 kamen seitens der DAF-Führung allerdings Überlegungen auf, neben der Arbeitsbank eine zweite Bank zu gründen, die im Unterschied zur Arbeitsbank spezifische Aufgaben erfüllen sollte. Hintergrund dieser Pläne war, dass Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan Ende 1936 der Arbeitsfront das »Siedlungswerkes des Vierjahresplans« übertragen hatte.26 Göring hatte der Arbeitsfront diesen Auftrag erteilt, weil im Rahmen des Vierjahresplanes zahlreiche neue große Rüstungsbetriebe entstehen sollten und für die neuen Werke Arbeitskräfte gebraucht wurden, die wiederum mit ausreichendem Wohnraum versorgt werden mussten. Die Arbeitsfront, die die politische Lenkung dieses Sonderwohnungsbaues übernehmen sollte, beabsichtigte den Göring’schen Auftrag zu nutzen, um die eigenen Wohnungsbaugesellschaften durch eine bevorzugte Auftragsvergabe zu stärken und gleichzeitig dem wohnungspolitisch eigentlich federführenden Reichsarbeitsministerium auf diesem Feld Kompetenzen streitig zu machen. Begleitet war der politische Großauftrag Görings an die DAF von einem wohnungspolitischen Paradigmenwechsel innerhalb der Arbeitsfront: Statt auf kleine Einfamilien-Häuschen in ländlich oder vorstädtisch anmutenden Siedlungen setzte die Arbeitsfront nun auf mehrgeschossige Wohnhäuser. Wichtig für den vorliegenden Kontext ist, dass das »Siedlungswerk des Vierjahresplans«, d. h. der Erwerb von Grund und Boden und der Bau Tausender von Miethäusern, finanziert werden musste. Angesichts der quantitativen Dimensionen des geplanten Arbeiterwohnstättenbaus und der Eigenarten der Baufinanzierung, besonders des Problems, »dass die Beschaffung der Restfinanzierung für die Durchführung der mit der Durchführung beauftragten Wohnungsfürsorgegesellschaften häufig zu erheblichen Schwierigkeiten geführt« habe – wie der Reichsfinanzminister in einem 25 Zur Werkmeister-Sparbank: Bericht des Cheftreuhänders der Bank der Deutschen Arbeit AG, Niederlassung Köln, Julius Nischik, vom 7. Aug. 1950, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8625. Vgl. ferner Novy/Prinz, Geschichte der Gemeinwirtschaft, S. 228; Nagel, Transformation der BfG, S. 118; Gerhard Haufe, Die Angestellten und ihre Gewerkschaft. Stationen einer bewegten Geschichte, Freiburg i.Br. 1991, S. 106. 26 Vgl. zu diesem Siedlungswerk und zu den politischen Ambitionen, die die DAF damit verband, Kapitel 7, S. 442 f.

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Schreiben vom 9. April 1938 an Göring27 kommentierend feststellte  –, lag es durchaus auf der Hand, hierfür eine eigene Bank zu gründen. Ende 1937 oder Anfang 1938 legte die Führung der Arbeitsfront Göring den Entwurf einer »Verordnung zur Forderung des nachstelligen Grundkredites« vor, in dessen Zentrum die Gründung einer solchen Bank stand. Aufgabe dieses Finanzinstituts, das den Namen »Deutsche Baubank« tragen sollte, war es nach den Vorstellungen der Initiatoren, »zur Förderung des Arbeiterwohnstättenbaues, zur Gründung von Wohn- und Wirtschaftssiedlungen sowie Kleinwohnungsbauten nicht-landwirtschaftliche Grundkredite im Gebiet des Deutschen Reiches zu gewährleisten oder zu gewähren«, also entsprechende Bürgschaften zu übernehmen sowie den Bauträgern langfristige Grundkredite und Darlehen zu gewähren.28 Das Stammkapital der geplanten Bank war mit ins Auge gefassten fünf Mio. RM für ein Finanzhaus relativ gering. Tatsächlich sollten die Kredite und Darlehen nicht aus dem Eigenkapital finanziert werden; die Bank sollte vielmehr als Mittler auftreten, d. h. auf dem Kapitalmarkt Fremdkapital mobilisieren und dieses zu günstigen Konditionen an die Bauträger des Vierjahresplan-Wohnungs­baues als Kapitalnehmer weiterreichen, »wobei als Geldgeber in erster Linie an die der DAF angegliederten Versicherungsunternehmen gedacht« war.29 Der Reichsfinanzminister und wohl auch die Vierjahresplan-Behörde Görings waren den Überlegungen der DAF für ein eigenständiges zweites Finanzinstitut  – im Unterschied zum Reichsarbeitsministerium30  – nicht grundsätzlich abgeneigt, äußerten jedoch Skepsis. Der Finanzminister Schwerin-Krosigk fürchtete steigende Baukosten durch eine großzügige Kreditvergabe und legte »besonderen Wert […] darauf, dass sich das neue Institut streng auf die Aufgaben beschränkt, für die es gegründet werden soll« – angesichts der sich vor allem in der Folgezeit häufenden Kompetenzüberschreitungen von Ämtern und Institutionen der DAF keine grundlose Warnung. Ferner sollte die Arbeitsfront für die »neue Anstalt einen anderen Namen als ›Deutsche Baubank‹ wählen«. Der Plan zur Gründung einer DAF-eigenen Baubank zerschlug sich, weil ­Göring auf Druck des Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsministeriums sowie der Reichsgruppe Industrie und weiterer Institutionen des NS-Regimes den Auftrag für ein »Siedlungswerk des Vierjahresplans« Ende 1937 wieder entziehen musste.31 Infolgedessen blieb die Bank der Deutschen Arbeit das einzige Bank27 28 29 30

In: BA Berlin, R 2, Nr. 18596. Undatierter Verordnungsentwurf der DAF, in: ebd. Zitat: Schwerin-Krosigk an Göring vom 9. April 1938, S. 2 bzw. 6 (wie Anm. 27). Zur Ablehnung der DAF-Pläne für eine Deutsche Baubank vgl. einen undatierten Vermerk aus dem RAM (handschriftlich: Votum Seldtes), als Anlage zu: RAM an das RFM, zu Hd. von Ministerialrat Poerschke vom 1. März 1938, in: BA Berlin, R 2, Nr.  18596. 31 Namentlich das RAM fürchte – wie sich in der Folgezeit zeigen sollte: sehr zu Recht – das aggressive Streben der DAF nach immer mehr Kompetenzen. Vgl. die zweite, dem Schreiben an Poerschke vom 1. März 1938 beigegebene Aufzeichnung (handschriftlich ebenfalls als Votum Seldtes gekennzeichnet) über einen weiteren »Verordnungsentwurf der Deutschen Arbeitsfront […] betreffend Übertragung der Zuständigkeiten für den

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haus im Besitz der Arbeitsfront. Deren Geschichte beginnt knapp zehn Jahre vor der NS-Machtergreifung.

3.3. Die Bank der Deutschen Arbeit – Arbeiter-Sparkasse und Instrument der »Arisierung« Vorgeschichte und Gleichschaltung Die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten« wurde relativ spät gegründet. Während der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband als erster Arbeitnehmerverband 1907 in Hamburg eine eigene Sparkasse ins Leben rief und in Belgien bereits 1913 die erste sozialistische Bank in Europa gegründet wurde, nach dem Ersten Weltkrieg dann rasch weitere genossenschaftlich-gewerkschaftliche Banken folgten und 1920/21 im Deutschen Reich außerdem der christlich-katholische DGB die schon erwähnte »Deutsche Volksbank« ins Leben rief, taten sich die freien Gewerkschaften mit der Gründung eines eigenen Bankhauses zunächst schwer. Erst im Zuge der Währungsstabilisierung trat die »Arbeiterbank« ins Leben. Zunächst, ab März 1923, firmierte sie als »Kapitalverwertungsgesellschafts AG« – ein Etikett, das deutlich machte, dass ihre zentrale Funktion ursprünglich in der Vermögens- und Immobilienverwaltung der sozialdemokratischen und freigewerkschaftlichen Arbeiterbewegung bestand.32 Im Mai 1924 wurde die freigewerkschaftliche Kapitalverwertungsgesellschaft dann in »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten« umgetauft. Zwar expandierte die Gewerkschaftsbank kontinuierlich; 1930 besaß sie neun Filialen und 223 Zahlstellen in 171 Städten. In ihrer Geschäftspolitik blieb sie allerdings vorsichtig. Während das deutsche Bankensystem 1931 in eine tiefe Krise schlidderte, hatte die Arbeiterbank selbst auf dem Tiefpunkt der Krise keine Verluste zu verzeichnen und konnte während der »Bankfeiertage« im Juli 1931 Wohnungsbau«, in der der Minister den von der Arbeitsfront in dem Entwurf geplanten »Eingriff in meine Zuständigkeiten auf das schärfste« zurückwies (wie Anm. 30). 32 Zur Entstehung vgl. ein längeres Schreiben der Bank der Deutschen Arbeit A.G., Berlin, an die Bank der Deutschen Arbeit A.G., Düsseldorf, vom 29. Okt. 1952 zur Geschichte der Bank (in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8625), sowie Bern Meyer, Bedeutung und Entwicklung der Arbeiterbank, in: Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeiterbewegung. Ein Blick in die Gemeinwirtschaft, hg. vom Bezirksausschuß des ADGB Berlin – Brandenburg – Grenzmark, Berlin 1928, S. 88-99. Die nominellen Eigentumsverhältnisse der Arbeiter- bzw. Arbeitsbank waren bis Mitte der dreißiger Jahre relativ kompliziert. So gehörten zu den Anteilseignern der Zentralverband Deutscher Konsumgenossenschaften, die Verlagsgesellschaft des ADGB und einige andere Unternehmen der freien Gewerkschaften. Erst 1935 ging die Arbeitsbank nominell ganz in den Besitz der DAF bzw. ihrer TWU über. Kreditnehmer waren bis 1933 in erster Linie öffentlich-rechtliche Einrichtungen (Kommunen, Sozialversicherungen etc.) sowie die genossenschaftlichen Betriebe der Arbeiterbewegung. Zur Geschichte bis 1933 sowie zu den verschachtelten Besitzverhältnissen vgl. Novy/Prinz, Illustrierte Geschichte, S. 165 ff.; ferner Meyer, Bedeutung und Entwicklung, S. 94 f.

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Liquiditätsengpässe vermeiden. Seit Anfang Februar 1933 begannen Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die keine Illusionen über die Regierung Hitler als das vierte Präsidialkabinett hegten und wussten, wie unversöhnlich die SA als braune Bürgerkriegsarmee der organisierten Arbeiterbewegung gegenüberstand, über die Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Geldvermögen ins sichere Ausland zu transferieren. Wohl vor allem deshalb war die Arbeiterbank das einzige Unternehmen der freien Gewerkschaften, das Ley als Führer des »Aktionskomitees zum Schutze der deutschen Arbeit« in seinem Aktionsbefehl vom 21. April 1933 mit Namen nannte: SA und SS sollten neben den Gewerkschaftshäusern auch sämtliche Zweig- und Zahlungsstellen der Arbeiterbank besetzen sowie alle ihre Filialleiter »in Schutzhaft« nehmen.33 Gewerkschafter, die Namenspapiere hielten, wurden am 2. Mai unter dem Vorwand, vor dem Zugriff der Nationalsozialisten ›illegal‹ Geldbeträge der Gewerkschaften ins Ausland gebracht zu haben, festgesetzt, in Konzentrationslager verschleppt und dort gezwun­gen, ihre Aktienpapiere der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF zu überschreiben.34 Darüber hinaus wurden zahlreiche Mitarbeiter des Geldinstituts entlassen. Von den 236 Angestellten, die zum Zeitpunkt der Übernahme der Arbeitsbank durch die Arbeitsfront beschäftigt wurden, setzte die DAF-Führung 99 auf die Straße.35 Robert Ley, den die Berliner Staatsanwaltschaft am 12. Mai 1933 als »Pfleger« aller gewerkschaftlichen Immobilien, Unternehmen, Beteiligungen, Barvermögen usw. eingesetzt hatte, hatte kein Interesse daran, sich selbst aktiv zu einer Art Vorstands- oder Verwaltungsratsvorsitzenden allen vormals gewerkschaftlichen Eigentums aufzuschwingen. Wirtschaftliche und finanzielle Organisationstätigkeiten interessierten ihn wenig, er delegierte sie. Als »Pfleger« konnte Ley »Bevollmächtigte« einsetzen, die ihrerseits »Unterpfleger« ernennen konnten. Zur wirtschafts- und finanzpolitisch maßgeblichen Figur innerhalb der Arbeitsfront wurde noch im Mai 1933 der bereits erwähnte mittelständische Bankier Karl Müller. Aufgrund der beruflichen Vorerfahrungen Müllers und seiner diversen wirtschaftspolitischen Funktionen lag es nahe, ihn auch zum Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsbank zu ernennen. Müller freilich überschätzte seine Stellung und stürzte deshalb Mitte 1935.36 Neuer Vorstandsvorsitzender der Arbeitsbank wurde Carl Rosenhauer, ein Kontrahent Müllers, der seit 1933 im Vorstand des Geldinstitutes gesessen und sich mit seinem Vorgänger in Fragen der Geschäftspolitik zerstritten hatte.37 Rosenhauer, der gleichfalls vor der NS33 Vgl. Rundschreiben Leys als Stabsleiter der PO der NSDAP vom 21. April 1933, nach: Willy Müller, Das soziale Leben im neuen Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Arbeitsfront, Berlin 1938, S. 51 f. Abgedruckt auch in: Schumann, NS und Gewerkschaftsbewegung, S. 169. 34 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 3. 35 Nach: ebd., S. 16. 36 Zur Biographie Müllers vgl. Kapitel 2, S. 71. 37 Vgl. Smelser, Hitlers Mann, S. 167. Zur Biographie Rosenhauers vgl. Kapitel 2, S. 85 f.

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Machtergreifung Erfahrung im Bankgeschäft gesammelt hatte und wie Müller am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten war, war mit 52 Jahren zum Zeitpunkt der Gründung der DAF zwar jünger als Müller. Er wirkte jedoch ähnlich wie dieser innerhalb des ausgesprochen jungen Korps höchster DAF-Funktionäre genera­tionell als Fremdkörper. Trotz zahlreicher Aufsichtsratsmandate, die er im Auftrag der DAF wahrnahm, drängt sich der Eindruck auf, dass Rosenhauer, der bis Ende 1942 nominell Vorstandsvorsitzender der Arbeitsbank blieb, lediglich die Rolle eines Statthalters oder Strohmannes spielte. Die entscheidenden Fäden auch innerhalb der Arbeitsbank hielt bis Kriegsbeginn Heinrich Simon als der zentrale Verantwortliche für Finanzen, Vermögen und Unternehmen der Organisation in der Hand. Simon, neben Otto Marrenbach der ›Stellvertreter‹ Leys innerhalb der Arbeitsfront, stützte sich seinerseits ab den Vorkriegsjahren immer stärker auf Rudolf Lencer. Lencer war Anfang Januar 1938 Mitglied des Vorstandes der Bank der Deutschen Arbeit geworden. Er übernahm nominell zwar erst um die Jahreswende 1942/43 den Vorstandsvorsitz der Arbeitsbank, hatte die Zügel dieses für das DAF-Wirtschaftsimperium zentralen Unter­nehmens jedoch bereits Ende der dreißiger Jahre de facto in die Hände genommen.38 Die Arbeitsbank als proletarische Sparkasse Strukturell war die Arbeitsbank, die ihren neuen Namen »Bank der Deutschen Arbeit« am 31. Oktober 1933 erhielt, eine Mischung aus Sparkasse und Großbank. Ausgeprägte Züge einer Großbank entwickelte das DAF-Geldinstitut erst vor dem Hintergrund der Expansion des Drit­ten Reiches ab 1938. Bis in die unmittelbare Vorkriegszeit wies die DAF-Bank mehr Ähnlich­kei­ten mit den öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten auf: Die Einlagen von Kleinsparern spielten eine zentrale Rolle, allerdings mit bereits ab Mitte der dreißiger Jahre deutlich abnehmender Tendenz. Tatsächlich war die Sparabteilung der ADGB-Bank einer Sparkasse sehr ähnlich gewesen; sie hatte diese Bezeichnung sogar kurzzeitig, von Ende 1932 bis Anfang 1934, nominell im Firmenschild geführt.39 Anfang 1934 weigerte sich der Vorstand des inzwischen von der DAF übernommenen Kreditinstituts zunächst, dass »nunmehr das Wort ›Sparkasse‹ aus der Firmen38 Der »Alte Kämpfer« Lencer, mit 31 Jahren zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« deutlich jünger als Müller und Rosenhauer, hatte wie diese in den zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre berufliche Erfahrungen im Bankgewerbe gesammelt. Seit Ende der dreißiger Jahre saß er zudem in zentralen Gremien des reichsdeutschen Bankwesens. Vgl. Kapitel 2, S. 85. 39 Vgl. gemeinsamen Erlaß des preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe sowie des preußischen Innenministeriums vom 30. Nov. 1932, nach: Schreiben des Oberregierungsrats Sperl an Geheimrat Bachem vom selben Tage, in: Rossiskij ­Gosundarstvennyi Voennyj Archiv v Moskve [Russisches staatliches Militärarchiv Moskau] (RGVA), Nr. 1458-1-434. (Ich danke Johannes Bähr dafür, dass er mir Kopien der Archivalien dieses Bestandes zur Verfügung gestellt hat.) Hintergrund war die Notverordnung vom 6. Okt. 1931, die die Bezeichnung »Sparkasse« unter staatlichen Schutz gestellt hatte. Vgl. Pohl, Sparkassen, S. 155 f.

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bezeichnung verschwinde«;40 man wollte auch weiterhin nach außen hin signalisieren, dass man vor allem die Spargroschen des ›kleinen Mannes‹ sammele. Tatsächlich stagnierten die Spareinlagen bis in die Vorkriegsjahre (Tabelle 1.2). Wenn die Einlagen insgesamt dennoch deutlich stiegen, dann war dies in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Arbeitsbank de facto zu einem Depot wurde, in dem die Führung der Arbeitsfront schon bald die üppig sprudelnden Mitgliedsbeiträge der Massenorganisation sammelte. Unter den Funktions­ trägern des NS-Regimes, die für die Finanzierung der Aufrüstung verantwortlich waren und mit Devisenproblemen zu kämpfen hatten, rief dies sowie das angeblich zurückhaltende Engagement der Arbeitsbank bei der Zeichnung von Reichsanleihen und ebenso deren geringe Beteiligung an Finanzierungskonsortien für die Errichtung autarkiepolitisch bedeutsamer Industrieanlagen, erhebliche Verärgerung hervor. Namentlich Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident Schacht beschwerte sich bereits im Frühsommer 1934 unmittelbar bei Hitler in kaum misszuverstehenden Worten über das DAF-Geldinstitut.41 Der Diktator indes zeigte Schacht, aber auch dem Reichsfinanzminister, der sich wenig später »über die geldlichen Verhältnisse der Arbeitsfront« die »Kontrolle« verschaffen wollte,42 die kalte Schulter. Auch in der Folgezeit konnten die Vorstände der Bank der Deutschen Arbeit sowie die finanzpolitisch Verantwortlichen der DAF so agieren, wie sie selbst bzw. die Arbeitsfront-Führung das für richtig hielten; auf Wünsche des Reichswirtschafts- oder Reichsfinanzministeriums und anderer staatlicher Stellen nahmen sie dabei keine Rücksicht.43 40 Vermerk des preußischen Finanzministeriums (gez. Sperl) vom 9. März 1934, in: RGVA, Nr. 1458-1-434. 41 Am 25. Juni 1934 klagte Schacht in seiner Funktion als Reichsbankpräsident in einem unmittelbar an Hitler gerichteten Schreiben über »die mangelnde Mitarbeit der Bank der Deutschen Arbeit A.G. bei der soeben beendeten Zeichnung auf die 4 %ige Reichsanleihe«. Während die Deutsche Bank 59 Mio. RM gezeichnet hatte, hatte sich die Arbeitsbank mit gerade einmal 2,3 Mio. RM engagiert, obwohl deren Einlagen im ersten Halbjahr 1934 um 100 Mio. RM gestiegen seien. In: BA Berlin, R 43 II, Nr. 531, Bl. 167 bzw. Archiv des IFZ/München, Fa 199/2. 42 Vgl. Vermerke der Reichskanzlei vom 13. Juli und 1. Aug. 1934, sowie Lammers an Schwerin-Krosigk vom 24. Juli 1934, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 531, Bl.169-170 Rs. 43 Ein Beispiel sind die Konsortialkredite zur Finanzierung neuer Faserstoffanlagen Ende 1934 und Ende 1936. Am ersten Konsortialkredit vom Dez. 1934 in einer Dimension von gut 160 Mio. RM – bei zehn- bzw. zwölfjähriger Laufzeit und einer fünfprozentigen Verzinsung ohne Kreditprovision (die diesen Kredit nicht gerade attraktiv machten) – war die »Bank der Deutschen Arbeit« mit 17,24 % noch in denselben Dimensionen beteiligt wie die Dresdner und die Deutsche Bank, und deutlich stärker als die Preußische Staatsbank (10,79 %), die Bank für Industrie-Obligationen, die Commerzbank und die Reichs-Kredit-Gesellschaft (je 10,35 %). Am zweiten Faserstoff-Kreditkonsortium Ende 1936 lag die Beteiligung der BDA bei unter zwei Prozent (während die der Deutschen und Dresdner Bank fast auf der gleichen Höhe wie zwei Jahre zuvor blieben). Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 167-170. Angesichts der niedrigen Verzinsung und langer Rückzahlungsfristen war die Arbeitsbank zu diesem Zeitpunkt zu einem stärkeren Engagement offensichtlich nicht bereit. Das änderte sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre.

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Dass es der Arbeitsbank gelang, ihre Stellung als eine Art proletarische Sparkasse in DAF-Besitz zunächst zu halten und in den Vorkriegsjahren erfolgreich auszubauen, mutet dennoch auf den ersten Blick überraschend an. 1938 verfügte die Bank der DAF im »Altreich« lediglich über 34 Niederlassungen an verschiedenen Orten. Das waren gerade einmal zehn mehr als 1933. Bis Ende 1940 stieg die Zahl der größeren Filialen auf 43. Hinzu kamen (Ende 1940) 68 Zahlstellen, bei denen die Sparer Ein und Auszahlungen vornehmen konnten.44 Bedenkt man, dass die drei Berliner Großbanken ein Netz von jeweils mehr als dreihundert Filialen besaßen,45 wirkt das Filialnetz der Arbeitsbank recht bescheiden. Diese Angaben sagen jedoch wenig aus. Denn die Arbeitsbank musste kaum Mühen darauf verwenden, flächendeckend mit Niederlassungen vertreten zu sein. Sie konnte auf die DAF-Organi­sation und deren personellen Apparat zurückgreifen. Deren örtliche und betriebliche Funktionäre fungierten als eine Art Ersatz-Filialen bzw. nicht-formelle Zahlstellen. Welch Konkurrenzvorteil dies war, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Arbeitsfront bei Kriegsbeginn über knapp 50.000 hauptamtliche und zwei Millionen ehrenamtliche DAF- und KdF-Walter verfügte, d. h. einen personeller Apparat, der knapp doppelt so groß war wie der der NSDAP. Zudem wurde bereits Mitte 1936 ein größerer Teil, 1938 dann de facto die Gesamtheit der Mitgliedsbeiträge an die Arbeitsfront direkt über die betrieblichen Lohnbüros eingezogen und auf Konten der Arbeitsbank transferiert. 1936 übernahmen die größeren Dienststellen der DAF auch offiziell die Funktion von »Sparkassen-Zahlstellen« der Arbeitsbank. Kunden des DAF-Bankin­stituts konnten fortan unmittelbar über die entsprechenden Dienststellen der Arbeitsfront ihre Ein- und Auszahlungen tätigen oder Raten für Kleinkredite einzahlen.46 Ein weiterer Hebel zum Ausbau ihres Filialnetzes war während des Krieges die Übernahme der Spargeschäfte der ehemaligen Konsumgenossenschaften, nachdem diese in das Deutsche Gemeinschaftswerk umgewandelt und das Ein- und Auszahlungssystem der bisherigen Verbrauchergenossenschaften abgeschafft worden war.47 Im Frühsommer 1941 beantragte die Arbeitsbank die Zulassung von etwa fünfhundert norddeutschen Verkaufsstellen der ehemaligen Konsumgenossenschaften als Kleinstfilialen.48 Das Reichswirtschaftsministerium wollte 44 Hinzu kamen innerhalb des »Großdeutschen Reiches« bis Ende 1940 vier Depositenkassen und acht Niederlassungen der Ostdeutschen Privatbank AG, die sich seit 1939 im Besitz der Arbeitsbank befand. Alle Angaben nach: »Bank der Deutschen Arbeit: Gläubiger um 108 % erhöht« (o.V.), in: Die Bank 34/1941, Heft 11, S. 221-223, hier: S. 221. 45 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 6. 46 Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1935. 47 Vgl. Kapitel 7, S. 398 f. 48 Konkret wollte die Arbeitsbank 337 frühere Verkaufsstellen der Niederelbischen Verbrauchergenossenschaft in Hamburg, rund 100 Verkaufsstellen der VerbraucherGenossenschaft Bremen und 55 Verkaufsstellen der Verbraucher-Genossenschaft Braunschweig zu eigenen »Ein- und Auszahlungsstellen […] neben den bestehenden Bank- und Sparkassenstellen« machen. Funk an Ley vom 31. Juli 1941, in: ebd., Nr. 736,

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dies zunächst nicht zulassen. Da die Behörde Funks jedoch rapide an Einfluss verlor, dürfte die Arbeitsbank wohl auch auf diesem Weg ihr Zweigstellennetz noch einmal erheblich ausgeweitet haben. Darüber hinaus konnte das DAF-Geldinstitut an die, in den sozialdemokratischen Milieus der Weimarer Republik gewachsenen informellen Beziehungsnetze anknüpfen, die die Arbeitsbank aufgebaut hatte, um Kleinsparer anzuwerben. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche der zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« insgesamt 13.000 und 1943 schließlich 36.000 Vertrauensleute der Volksfürsorge, und ebenso mindestens ein Teil der Angestellten in den Verteilerstellen der Konsumgenossenschaften, nach 1933 weiterhin für die Arbeitsbank warben, alle drei Unternehmen – Volksfürsorge, Konsumgenossenschaften, Arbeitsbank sowie möglicherweise weitere DAF-Unternehmen – mithin eine Art informellen Werbeverbund aufbauten. KdF-Sparen, VW-Sparen, »Eisernes Sparen«, »Ostarbeiter-Sparen« Hitler hatte das Sparen als »Kraftquell der Nation« zur »nationalen Pflicht« erklärt,49 da es eine simple Form der Kaufkraftabschöpfung50 und der Kriegs­ finanzierung darstellte. Verfehlt wäre es jedoch, die Bedeutung des Sparens allgemein und die der entsprechenden Einlagen bei der Arbeitsbank im Besonderen zu überschätzen. Dazu wuchsen die Arbeitereinkommen viel zu langsam.51 Angesichts dessen hielt sich auch die Sparquote generell in insgesamt überschaubaren Grenzen.52 Das galt auch für die Arbeitsbank. Bereits der Blick auf die Einlagen der Bank der Deutschen Arbeit (Tabelle 1.2) ist hier aufschlussreich. Im Jahr 1935 machten die Einlagen von Kleinsparern ein gutes Viertel (28,3 %) sämtlicher Einlagen aus. In der Folgezeit verminderte sich ihre relative Bedeutung stark. Bis 1943 ging der Anteil der Spareinlagen an den Gesamteinlagen auf zehn Prozent zurück. Wenn sie dagegen absolut von 75,4 Mio. RM 1936 auf

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Bl. 1-11, hier: Bl. 2, bzw. in: BA Berlin, R 8120, Nr. 804, Bl. 16, 25-34 bzw. 36-45, hier: Bl. 26 bzw. Bl. 36. Zu vermuten steht, dass die Arbeitsbank derartige Anträge – erfolgreich – auch für den süd(west)-, den mittel- sowie den ostdeutschen Raum stellte, ihr Kleinstfilialnetz mithin um mehrere tausend Zweigstellen erweiterte. Nach: Pohl, Sparkassen, S. 176. Dass diese Kaufkraftabschöpfung ab Aug. 1939 auf einem – durch eine rasch ausgeweitete Rationierung aller wichtigen Lebensmittel – de facto erzwungenen massiven Konsumverzicht vor allem des Kerns der Arbeitnehmerschaft basierte und von einer Freiwilligkeit des Sparens nur sehr eingeschränkt gesprochen werden kann, hat jüngst Buchheim nachgewiesen. Vgl. Christoph Buchheim, Der Mythos vom »Wohlleben«. Der Lebensstandard der deutschen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg, in: VZG 58/2010, S. 299-328, hier: S. 302. Vgl. ausführlich Rüdiger Hachtmann, Industriearbeit im Dritten Reich. Untersuchungen zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen 1933-1945, Göttingen 1989, bes. S. 90-160. Vgl. Philipp Kratz, Sparen für das kleine Glück, in: Götz Aly (Hg.), Volkes Stimme. Skepsis und Führervertrauen im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2006, S. 59-79, resümierend: S. 77 ff.

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schließlich 1943 373,8 Mio. RM stiegen, sich mithin verfünffacht hatten (und damit im allgemeinen Trend bewegten53), dann ist dies weniger auf einen abstrakten Sparwillen zurückzuführen als vielmehr ein Hinweis auf die Bedeutung von politisch induzierten Sparaktionen, die bilanziell allerdings nur teilweise unter »Spareinlagen« zu Buche schlugen. Die erste dieser Sparaktionen, an denen die Arbeitsbank partizipierte, war das Reisesparen, das das »Amt Reisen, Wandern und Urlaub« der »Nationalsozialistischen Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹« (KdF) als der größten Suborganisation der DAF ab November 1934 initiierte. 1934 belief sich der Betrag der ersten KdF-Sparer auf bescheidene 12.000 RM. Bis Frühjahr 1937 waren die diesbezüglichen, vom KdF-Tourismusamt allerdings nicht nur bei der Arbeitsbank, sondern auch bei Sparkassen54 eingerichteten Konten auf immerhin sechs Mio. RM angewachsen.55 Vor allem mit dem »Anschluss« Österreichs machten die entsprechenden Einlagen noch einmal einen kräftigen Sprung nach oben.56 Insgesamt blieb allerdings das Volumen der Einlagen aus dem KdF-Rei­sesparen im Vergleich zu weiteren Spar-Aktionen relativ klein. Eine zweite, wichtigere Aktion war das breit propagierte Sparen für den KdF-Wa­gen, den späteren Volkswagen-»Käfer«. Bis Frühjahr 1945 hatten knapp 340.000 Spa­rer insgesamt mehr als 275 Mio. RM erspart.57 Dieser Betrag wurde nicht allein, aber doch in erster Linie auf Konten der Arbeitsbank deponiert. Bilanziell wurde dieser Betrag freilich nicht unter »Spareinlagen« (also Kleinkonten) subsumiert, da die entsprechenden Beträge, mit denen sich die Sparer ein Anrecht auf den Erwerb eines KdF-Wagens erwarben, gesammelt und dann auf ein Sperrkonto eingezahlt wurden. Anders war dies – drittens – beim »Eisernen Sparen«. Eine Verordnung vom 30. Oktober 1941 sah unter dem bezeichnenden Titel »zur Lenkung der Kauf53 Die Spareinlagen der deutschen Sparkassen insgesamt erhöhten sich von 13,8 Mrd. RM 1935 auf 66,9 Mrd. RM 1943 und 80,4 Mrd. RM 1944. Vgl. Pohl, Sparkassen, S. 183, 196. Sie hatten sich zwischen 1935 und 1943 mithin knapp verfünffacht (Anstieg um 385 %, gegenüber einem Anstieg der Spareinlagen der Arbeitsbank um 363 % im selben Zeitraum). 54 Vgl. ebd., S. 194. 55 Vgl. Smelser, Hitlers Mann, S. 165; ferner Bruno Frommann, Reisen im Dienste politischer Zielsetzungen. Arbeiter-Reisen und ›Kraft durch Freude‹-Fahrten (Diss.), Stuttgart 1992, S. 119; Hasso Spode, Arbeiterurlaub im Dritten Reich, in: Carola Sachse u. a., Angst, Be­loh­nung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 275-328, hier: S. 301. Zur vergleichsweise kurzen und relativ erfolglosen Geschichte des Reisesparens vor 1933 vgl. ders., »Der deutsche Arbeiter reist«. Massentourismus im Dritten Reich, in: Gerhard Huck (Hg.), So­zialgeschichte der Freizeit, Wuppertal 1982, S. 281-306, hier: S. 287. 56 Vgl. Theodor Venus, Die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien im Nationalsozialismus, in: Gerald D. Feldman/Oliver Rathkolb/Theodor Venus/Ulrike Zimmerl, Österreichische Banken und Sparkassen im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, Bd. 2: Regionalbanken, Länderbank und Zentralsparkasse, München 2006, S. 513-847, hier: S. 611, 739 f. 57 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 198.

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kraft« vor,58 dass monatliche Beträge bis 26 RM auf ein besonderes Sparkonto eingezahlt werden konnten. Zweck der Verordnung war die Abschöpfung von Kaufkraft zur Kriegsfinanzierung und zugleich eine Art Inflationsprophylaxe. Nicht Druck, sondern fiskalische Anreize verschafften dem »Eisernen Sparen« eine anfangs relativ starke Resonanz: Die auf die »Eisernen Sparkonten« eingezahlten Beträge und ebenso die daraus resultierenden Zinseinnahmen mussten nicht versteuert werden und waren auch nicht sozialversicherungspflichtig.59 Verzinst wurden die »eisern« ersparten Gelder dagegen wie normale Sparbeträge. Der große Nachteil des von der NS-Pro­pa­gan­da heftig beworbenen »Eisernen Sparens« war, dass sie während des Krieges nicht gekündigt und nur in wenigen Ausnahmefällen  – Heirat, familiäre Krankheits- oder Todesfälle  – überhaupt Beträge abgehoben werden durften. Dass das »Eiserne Sparen« angesichts der »ausgeprägten Abneigung« weiter Teile der Industriearbeiterschaft gegen diese neue Form des Zwangssparens nicht freiwillig war, sondern wenig kaschiert erzwungen werden musste, kann kaum überraschen: Von vielen Unternehmen wurden Weihnachtsgratifikationen und Jahresabschlussprämien nur ausgezahlt, wenn sich die Arbeitnehmer zuvor verpflichtet hatten, mindestens einen Teilbetrag auf ein »Eisernes« Sparkonto einzuzahlen.60 Folge der Verordnung war, dass trotz der offenen Abneigung breiter Arbeitnehmerschichten gegen das »Eiserne Sparen«61 bei allen Sparkassen und ebenso den Großbanken die Spareinlagen stark wuchsen. Kräftige Sprünge waren vor allem bis Herbst 1942 zu verzeichnen, als die Illusion in einen baldigen »Endsieg« des NS-Regimes breite Bevölkerungsschichten veranlasste, auf diese lukrative Variante des Sparens zu setzen. Bis Ende 1942, also innerhalb eines guten Jahres, wurden mehr als 1,8 Mio. »Eiserne« Sparverträge abgeschlossen. »Stalingrad« machte der Endsieg-Euphorie dann definitiv ein Ende und ließ die Zahl der anschließend bis 1945 neu eröffneten »Eisernen Sparkonten« auf weniger als 180.000 sinken.62 Bei der Arbeitsbank waren bis Ende 1942 28,5 Mio. RM auf 58 RGBl. 1941, I, S. 664. 59 Die Arbeitsfront dagegen weigerte sich, die »eisern« gesparten Summen von den seit November 1939 auch nominell obligatorisch geworden DAF-Zwangsbeiträgen  – die nach der Höhe der Einkommen sowie nach dem Familienstand festgelegt wurden – auszunehmen; sie provozierte damit erhebliche Unzufriedenheit in der deutschen ­Arbeitnehmerschaft. Vgl. SD-Berichte vom 9. April 1942, in: Meldungen aus dem Reich, Bd. 10, S. 3610 f.; ferner Wolfgang Franz Werner, »Bleib übrig!« Deutsche ­Arbeiter in der na­tio­nal­so­zia­li­sti­schen Kriegswirt­schaft, Düsseldorf 1983, S. 221. 60 Vgl. (inkl. Zitat) ebd. 61 Vgl. SD-Berichte vom 1. Dez. 1941 und 9. April 1942, in: Meldungen aus dem Reich, Bd. 8, S. 3053-3057; Bd. 10, S. 3609-3612. 62 Ausführlich: Kratz, Sparen für das kleine Glück, S. 73-79. Kratz betont, dass trotz der auf den ersten Blick beeindruckenden Zahl von insgesamt knapp zwei Mio. »Eisernen Sparkonten« diese Zahl aus der Sicht des Hitler-Regimes angesichts der mehr als 24 Mio. deutschen Lohn- und Gehaltsempfänger enttäuschend sein musste. Hinter dieser Zurückhaltung und ebenso hinter den für die DAF enttäuschenden Zahlen der KdF-Wagen-Sparer stand ein »massives Misstrauen in die kriegerische Politik des NSStaates«. Ebd., S. 78.

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»Eisernen Sparkonten« angelegt; bis zum Ende des folgenden Jahres hatte sich diese Summe auf 57,3 Mio. RM verdoppelt.63 Die auf den »Eisernen Sparkonten« gesammelten Gelder machten mit etwa zehn Prozent nur einen alles in allem geringen Prozentsatz sämtlicher Spareinlagen der Arbeitsbank aus. Diese wuchsen von 181,0 Mio. RM (1941) über 280,2 Mio. RM (1942) auf 373,8 Mio. RM im Jahre 1943. Das rasante Wachstum der Spareinlagen des DAF-Geldinstituts und ebenso der Sprung von 1943 auf 1944 – auf 511,5 Mio. RM, d. h. erneut um ein gutes Drittel (36,8 %; Tabelle 1.2) – war also nur zum geringen Teil auf das »Eiserne Sparen« deutscher Arbeitnehmer zurückzuführen. Weit mehr trugen  – viertens  – die schließlich nach Millionen zählenden »Fremdarbeiter« unfreiwillig dazu bei, dass die Spareinlagen der Bank der Deutschen Arbeit und ebenso die anderer Geldinstitute auch in den letzten beiden Kriegsjahren weiter wuchsen. Ihnen wurden auf unterschiedliche Art und Weise Gelder abgenötigt. Ausländische Zivilarbeiter, die nicht aus der Sowjetunion oder Polen kamen, konnten sich nach den für die Deutschen geltenden Konditionen am »Eisernen Sparen« beteiligen. Darüber hinaus wurde von allen Fremdarbeitern – auch von den »Ostarbeitern« – eine Spende für das Winterhilfswerk sowie Abgaben an die DAF obligatorisch erhoben.64 Die von allen Fremdarbeitern zu entrichtenden Abgaben an die Arbeitsfront entsprachen in ihrer Höhe dem durchschnittlichen Mitgliedsbeitrag deutscher Arbeitnehmer.65 Beides, sowohl die Spenden an das Winterhilfswerk als auch die Zwangsabgaben an die DAF, wurde über Konten der Arbeitsbank abgewickelt. Eine weitere Sparform für ausländische Arbeiter, das vom »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« entwickelte und von der DAF massiv propagierte »Ostarbeitersparen« sollte den aus Polen, der Ukraine und anderen sowjetischen Regionen stammenden zivilen Fremdarbeitern einen Anreiz bieten, einen Teil des ihnen in Deutschland ausgezahlten Lohnes in die Heimatländer zu transferieren; dort sollten diese dann in der jeweils einheimischen Währung ausgezahlt werden. Das ging grundsätzlich nur, solange die Wehrmacht

63 Vgl. Niederschrift zu verschiedenen Angelegenheiten der Bank der Deutschen Arbeit AG am 22. Dez. 1943 durchgeführten Besprechung, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 57. 64 Vgl. Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa, 19391945, Stuttgart/München 2001, S. 152; vgl. ferner z. B. Bernd Boll, »Das wird man nie mehr los …« Ausländische Zwangsarbeiter in Offenburg 1939 bis 1945, Pfaffenweiler 1994, S. 186 ff. 65 Begründet wurden die Zwangsabgaben an die DAF mit den Kosten für den Aufbau der Fremdarbeiterlager und deren Verwaltung sowie die »Freizeitbetreuung« durch DAF bzw. KdF. Trotz dieser Zahlungen besaßen die »Fremdarbeiter« innerhalb der Arbeitsfront keine den deutschen »Gefolgschaften« vergleichbaren Rechte. Unterstützung durch die DAF-Rechtsberatungsstellen konnten sie z. B. nicht geltend machen. Zu ihren Löhnen sowie zu den Steuern und Sozialabgaben, die sie – abgestuft nach nationaler Zugehörigkeit, Geschlecht und Status  – zu zahlen hatten, vgl. Spoerer, Zwangsarbeit, S. 151-166.

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diese Regionen besetzt hielt.66 Nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus den besetzten sowjetischen Gebieten wurden diese Transfer-Löhne nicht etwa storniert und die zwangsweise eingezogenen ›Sparbeträge‹ den betroffenen Fremd­arbeitern in Reichsmark oder Lebensmittelkarten ›ausgezahlt‹, sondern weiterhin einbehalten. Infolgedessen kumulierten sich bei den zuständigen Bankinstituten die Gelder. Bei der Zentralwirtschaftsbank der Ukraine, d. h. bei der vom Reichskommissar für die Ukraine gegründeten Staatsbank, beispielsweise summierten sich die für die Auszahlung der ukrainischen Fremdarbeiter im Heimatland vorgesehenen, wegen des steten Vorrückens der Roten Armee jedoch nicht transferierten, sondern einbehaltenen Lohngelder Ende 1944 auf 45.348.500 RM. Anfang 1945 ging diese Summe und überhaupt die Zuständigkeit für das Zwangs­sparen der ukrainischen Ostarbeiter – de facto eine erzwungene Kaufkraftabschöpfung und unfreiwillige Kriegsfinanzierung  – von der Zentralwirtschaftsbank der Ukraine, die seit Mitte 1944 in Cottbus nahe Berlin residierte, auf die Bank der Deutschen Arbeit über.67 Nominell. Tatsächlich kam die DAF-Bank nicht mehr in den Genuss dieser Gelder.68 Mochte das Geldinstitut der Arbeitsfront hier aufgrund seiner politischen Beziehungen einen (zweifelhaften) Vorsprung vor der Konkurrenz gewonnen haben, war die Arbeitsbank ansonsten nur eines aus der größeren Zahl reichsdeutscher Geldinstitute, die an dem, durch die verschiedenen Formen des Lohntransfers bedingten Betrug an den Fremdarbeitern partizipierten. Alle Banken profitierten davon, dass in den meisten okkupieren Gebieten und ebenso in den verbündeten Staaten eine deutlich höhere Inflation als im »Großdeutschen Reich« herrschte. Dies hätte an sich zu einer Aufwertung der Reichsmark füh66 Und auch das zunächst nur theoretisch. Inwieweit auf diese Weise überwiesene Einkommensbestandteile tatsächlich bei den dafür vorgesehenen Adressaten ankamen, in welchen Dimensionen schon zuvor zwangs-gesparte Gelder unterschlagen wurden, ist unbekannt. Die Möglichkeiten hierfür waren jedenfalls zahllos. 67 Vgl. zu diesem am 26. Jan. 1945 geschlossenen und auf den 31. Dez. 1944 rückdatierten Vertrag den nach Kriegsende erstellten Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG Berlin durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1944 sowie des Zwischenabschlusses zum 30. April 1945, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613, S. 10 f. Für die Verwaltung der (Zwangs-) Sparkonten der ukrainischen Ostarbeiter schien die Arbeitsbank aufgrund ihrer engen Beziehungen zur DAF besonders prädestiniert, oblag der Arbeitsfront doch seit einer vom GBA Fritz Sauckel im Frühjahr 1942 ausgestellten Generalvollmacht die gesamte »Fremdarbeiterbetreuung«. Dies bezog sich auf alle Aspekte außerhalb der eigentlichen Arbeitsprozesse, also Freizeit- und Urlaubsbetreuung, Verwaltung und Versorgung der Lager usw. einschließlich aller Absprachen mit anderen Behörden vor Ort, Banken etc. 68 So heißt es in dem 1945 verfertigten Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG (wie Anm. 67), dass »die erforderliche Anpassung der Devisenbestimmungen« und die Durchführung des geplanten (Lohn-)Vermögenstransfers »nicht mehr zu Stande gekommen« sei; infolgedessen seien die Spareinlagen der Ostarbeiter »noch nicht in das Vermögen der Bank übergegangen«. Vgl. auch Mommsen/Grieger (Volkswagenwerk, S. 597), die allerdings das Scheitern dieses Vermögenstransfers übersehen.

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ren müssen. Die deutsche Reichsbank hielt jedoch den Kurs künstlich niedrig, so dass den Fremdarbeitern bzw. ihren Angehörigen dann im Heimatland die transferierten Löhne in lokaler Währung zu einem Kurs ausgezahlt wurden, der der dortigen Kaufkraft nicht angemessen war. Die Reallöhne der ausländischen Arbeitskräfte wurden also künstlich niedrig gehalten. Die Kaufkraftdifferenz verblieb beim deutschen Staat und wurde zur Kriegsfinanzierung verwendet. Die Banken wiederum ließen sich ihre Dienste großzügig honorieren69 und gingen dabei, in Kooperation mit den zu­ständigen staatlichen Stellen, arbeitsteilig vor.70 Die Folge der Sparaktionen war, dass die Summe aller Sparguthaben auf deutschen Geldinstituten auch während des Krieges kräftig wuchs.71 Berücksichtigt man, dass die genannten Sparinitiativen nur einen Teil sämtlicher Sparaktionen, die im Dritten Reich gestartet wurden, bildeten und die Arbeitsbank z. B. am 1934 eingeführten »Deutschen Bauernsparbuch« nicht beteiligt war, nur in Grenzen außerdem am »Schulsparen«, am »Hitler-Jugend-Sparen«,72am »Heimsparen«73 und an anderen Spar-Kampagnen, dann wird deutlich, dass die DAF-Bank unter dem Strich jedenfalls nicht stärker als andere Geldinstitute und Sparkassen an der breiten Palette von Sondersparformen während der NS-Zeit partizipierte. »… zum Zwecke der Arisierung namhafte Kreditbeträge zur Verfügung gestellt« In welchem Maße partizipierte die Arbeitsbank am ›Geschäft‹ mit der »Arisierung«? Umfassende und statistisch präzise Angaben sind nicht möglich. Von der Arbeitsfront selbst sind genauere Unterlagen nicht überliefert.74 In ihren Ver­öffentlichungen finden sich lediglich allgemeine Hinweise, dass das organisationseigene Bankhaus für die Enteignung jüdischer Unternehmen umfäng69 Vgl. Spoerer, Zwangsarbeit, S. 163. 70 Den größten Kuchen schnitt sich die Deutsche Bank ab, als das Geldinstitut, das für die meisten europäischen Länder ›zuständig‹ war und schon ab 1938 davon profitiert hatte, dass es die Lohn-»Überschüsse« der italienischen Fremdarbeiter in deren Heimat überweisen durfte. Vgl. Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländereinsatz« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin/Bonn 1985, S. 59 f. 71 Die Summe aller Sparguthaben bei deutschen Geldinstituten und der Reichspost stieg von 27,3 Mrd. RM im Jahre 1938 auf 125 Mrd. RM 1944. Vgl. Bähr, Dresdner Bank, S. 226, Anm. 197. 72 Am »Schulsparen« waren 1938 3,5 von insgesamt neun Mio. Schulkindern beteiligt. Die jährlichen Einnahmen aus dem Markenverkauf stiegen von 3 Mio. RM über 8,4 Mio. RM 1936 auf 16,7 Mio. RM 1938. Vgl. Pohl, Sparkassen, S. 193, 246. Das HJ-Sparen war 1937 als Ergänzung zum Schulsparen eingeführt worden. 73 Zum »Heimsparen« vgl. ebd., S. 193. Mit Einnahmen von 34,3 Mio. RM aus entleerten Heimsparbüchsen im Jahre 1938 war die mit dieser Aktion erzielte Sparsumme mehr als doppelt so hoch wie die aus dem Schulsparen im selben Jahr. 74 Vgl. auch Dieter Ziegler, Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, München 2006, S. 204; ferner Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 236.

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liche Kredite bereitstellte.75 Dass die Arbeitsbank in stärkerem Maße an der ­Enteignung jüdischer Unternehmer beteiligt war, kann allerdings nicht zweifelhaft sein. So stellte das Bankinstitut der Arbeitsfront schon frühzeitig zum Teil umfängliche Kredite für »Arisierungen« zur Verfügung, etwa im Frühsommer 1934 für den Kauf des Ullstein-Verlages durch den, im Besitz der NSDAP befindlichen Verlag Franz Eher Nachf.76 Auf Seiten der Arbeitsfront war es Rudolf Lencer, der die Beteiligung der Arbeitsbank an »Arisierungen« maßgeblich zu forcieren suchte. Er drängte, noch als Leiter des Fachamtes »Banken und Versicherungen« der DAF und kurz bevor er in den Vorstand der Arbeitsbank aufgenommen wurde, massiv auf die »Arisierung« des Bankhauses J. Dreyfus & Co. (Berlin/ Frankfurt a. M.), die dann bis Frühjahr 1938 auch vollzogen wurde. Neubesitzer der traditionsreichen Privatbank wurde allerdings nicht das DAF-Geldinstitut, sondern das Bankhaus Merck, Finck & Co.77 Auch anderswo gelang es der Arbeitsfront und der Arbeitsbank nicht immer, in der gewünschten Weise von »Arisierungen« zu profitieren. So hatte die DAF-Gauwaltung Nürnberg seit Spätsommer 1938 die Enteignung des jüdischen Bankhauses Anton Krohn betrieben. Die Bank der Deutschen Arbeit bereitete sich auf die Übernahme der renommierten Privatbank vor, zog sich wenige Tage nach dem Novemberpogrom jedoch »plötzlich aus dem Geschäft zurück«. Andere waren stärker: Die NSDAPGauleitung um Julius Streicher hatte sich den Zugriff auf die Bank und deren wertvolle Immobilien sichern können und »arisierte« das Krohn’sche Geldinstitut, auf skandalträchtige Weise, nämlich nach eigenem Gutdünken zugunsten vor allem des stellvertretenden NSDAP-Gauleiters Karl Holz.78 75 Vgl. Zentralstelle der DAF für Finanzwirtschaft, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront, Berlin 1939, S. 11 sowie Anm.  83. 76 Neben dem Hugenberg-Konzern war der Ullstein-Verlag der größte und einflussreichste Pressekonzern der Weimarer Republik (mit der Berliner Morgenpost, der Berliner Illustrierten, der Montagspost u. a., außerdem dem Propyläen-Verlag und dem BZ-Karten-Verlag). Der Wert des Ullstein-Konzerns wurde auf 50 bis 60 Mio. RM geschätzt. Womöglich lag er noch höher: Allein 1934 betrugen die Einnahmen nur aus der Zeitungssparte des hochprofitablen Ullstein-Verlags 29,6 Mio. RM. Der Kaufpreis, zu dem der Eher-Verlag den Ullstein-Konzern erwarb, lag bei 12 Mio. RM, von denen den jüdischen Besitzern wiederum schließlich nur ein Bruchteil blieb. Die Zahl der bei Ullstein Beschäftigten lag 1934 bei achttausend. Vgl. Oron J. Hale, Presse in der Zwangsjacke 1933-1945, Düsseldorf 1965, S. 138; Margot Lindemann/Kurt Koszyk, Geschichte der deutschen Presse, Bd. 7, Berlin 1972, S. 392; Barbian, Literaturpolitik, S. 303. 77 Merck, Finck & Co. war zum einen an den traditionsreichen Geschäftsverbindungen von Dreifuß & Co. interessiert und wollte darüber hinaus über den Erwerb des Bankhauses Mitglied der exklusiven »Stempelvereinigung« der großen reichsdeutschen Geschäftsbanken werden. Vgl. Ingo Köhler, Die »Arisierung« der Privatbanken im Dritten Reich. Verdrängung, Ausschaltung und die Frage der Wiedergutmachung, München 2005, S. 305-311; Kopper, Bankenpolitik, S. 257 f. Zur »Stempelvereinigung«, der die Arbeitsbank nie angehörte, vgl. unten. 78 Ausführlich: Maren Janetzko, Haben Sie nicht das Bankhaus Krohn gesehen? Ein jüdi-

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Das Novemberpogrom 1938 beschleunigte den Enteignungsprozess jüdischer Bankiers nachhaltig. In einer Reihe von Orten waren Funktionäre der Arbeitsfront unmittelbar daran beteiligt. So besetzten SA- und DAF-Leute am 10. November 1938 das Bankhaus S. Aufhäuser, eine der zehn größten reichsdeutschen Privatbanken; »Kommissare« der Arbeitsfront veranlassten die Verhaftung des jüdischen Inhabers. In diesem Fall wurde das DAF-Geldinstitut nicht zum unmittelbaren Profiteur der »Arisierung«. Stattdessen kam es zu der bereits vorher vereinbarten »›freundschaftlichen‹ Arisierung durch den Privatbankier und späteren geschäftsführenden Gesellschafter F.W. Seiler«. Die Arbeitsbank scheint bei der Besetzung dieses Bankhauses durch DAF-Kommissare weder vor noch hinter den Kulissen eine Rolle gespielt zu haben.79 Ansonsten aber weitete die DAF-Bank ihre Beteiligung an »Arisierungen« nach dem Novemberpogrom erheblich aus und kam damit einer ausdrücklichen Forderung Leys nach.80 So wirkte sie an der Liquidierung der Dortmunder Privatbank Gebr. Stern und des in Halle ansässigen Geldinstituts Friedmann & Co. mit. Das Interesse des DAF-Geldinstituts an beiden Banken konzentrierte sich auf die Immobilien, die sie nach der Inbesitznahme für den Aufbau örtlicher Filialen nutzte. Daneben spekulierte die Arbeitsbank auf die Übernahme der Kundenverbindungen.81 Ingo Köhler, der die Enteignung von Privatbanken, die sich in jüdischem Besitz befanden, genauer untersucht hat, resümiert, dass die Zahl der Fälle, in denen sich die Arbeitsbank und andere Geldinstitute in Partei- oder Staatsbesitz daran beteiligten, insgesamt »gering« gewesen sei.82 Der Geschäftsführer der DAF Otto Marrenbach war dennoch mit den Aktivitäten der Arbeitsbank auch auf diesem Geschäftsfeld zufrieden. Er berichtete in seinem dickleibigen Rechenschaftsbericht von 1940 über die »Gesamtarbeit der Deutschen Arbeitsfront von 1933 bis 1940«, dass »zum Zwecke der Arisierung bisher jüdischer Unternehmungen und Betriebe die Bank der Deutschen Arbeit AG. namhafte Kreditbeträge zur Verfügung gestellt« habe.83 Von der unmittelbaren Beteiligung an der »Arisierung« vormals jüdischer Banken sind andere Formen der Partizipation an der Enteignung jüdischer Eigen­tümer zu unterscheiden, in die die Arbeitsbank gleichfalls involviert war.

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sches Familienschicksal in Nürnberg 1850-1950, Nürnberg 1998, S. 66-71, Zitat: S. 67; Köhler, »Arisierung«, S. 414-420. Vgl. auch Frank Bajohr, The Holocaust and Corruption, in: Gerald D. Feldman/Wolfgang Seibel (Hg.), Networks of Nazi Persecution. Bureaucracy, Business and the Organization of the Holocaust, Oxford 2006, S. 118-138, hier: S. 122 f. Auch in anderen Fällen musste die Arbeitsbank bei ihren Versuchen, von der Enteignung jüdischer Unternehmen zu profitieren, anderen Geldinstituten den Vortritt lassen. Vgl. Herbst, Banker in einem prekären Geschäft, S. 125 f. Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 273. Vgl. Robert Ley, Personalkredite für den Arisierungsprozeß!, in: Der Angriff vom 21.  Nov. 1941. Vgl. Köhler, »Arisierung«, S. 203 f., S. 588. Ebd., S. 203. Marrenbach, Fundamente des Sieges, S. 375, ferner Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 10.

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Zu denken ist dabei insbesondere an Kredite, die »arischen« Selbständigen zuflossen, die sich Unternehmen von Juden aneignen wollten und zur Finanzierung der Übernahmen Fremdgelder benötigten. Angaben zum Umfang dieser Variante der »Arisierungsfinanzierung«, d. h. zur Beteiligung der »Banken als Kreditgeber des Unternehmenskäufers«, sind bisher nur für den Bezirk der Industrie- und Handelskammer Frankfurt a. M. bekannt. In 47 von 300 erfassten Arisierungsfällen stellten Banken Unternehmenskäufern Übernahmekredite, in 53 Fällen Betriebs- und Startkredite zur Verfügung, und in 12 Fällen traten sie als »Makler« in Erscheinung. Aufschlussreich ist, dass die Bank der Deutschen Arbeit vor allem bei der Vergabe von Betriebs- und Startkrediten engagiert war. Von den insgesamt 5 Mio. RM, die die Banken im Frankfurter IHK-Bezirk in dieser Form von Krediten gewährten, brachte die Arbeitsbank fast ein Viertel, nämlich 1,2 Mio. RM (24 %) auf. Sie wurde lediglich von der Dresdner Bank mit 28,6 % (1,43 Mio. RM) übertroffen, während die »Deutsche Effecten- und Wechselbank« mit 0,84 Mio. RM (16,8 %) und die Deutsche Bank mit 0,61 Mio. RM (12,2 %) deutlich dahinter lagen.84 In ähnlichen Dimensionen scheint die Arbeitsbank auch anderswo zum Nutznießer der Enteignung jüdischer Selbständiger geworden zu sein. Stettiner Bankenkreise beklagten sich jedenfalls wenige Wochen vor dem Novemberpogrom, dass sie selbst aufgrund der »lebhaften Konkurrenz der Bank der Deutschen Arbeit« bei den »Arisierungen« kaum zum Zuge kamen. Bei der Kreditvergabe an die Erwerber »nicht-arischer« Unternehmen stellte das Bankhaus der Arbeitsfront nach den Angaben der Konkurrenz »ihre Gelder mitunter ziemlich großzügig zur Verfügung«.85 Für die ab 1938 okkupierten Gebiete sind die Informationen zur »Arisierungs«Praxis der Arbeitsbank noch spärlicher. Die wenigen Indizien deuten darauf hin, dass hier die Beteiligung des DAF-Instituts stärker als im »Altreich« war. So gehörte die traditionsreiche, 1856 gegründete Danziger Privat-Actien-Bank, die die Arbeitsbank 1939 übernommen hatte und 1940 in Ostdeutsche Privatbank AG umtaufte,86 zu den privilegierten Geldinstituten, die nach Anordnung des Chefs der Zivilverwaltung in Posen berechtigt waren, Bankguthaben, Depots, die Inhalte der Safes usw. der polnischen Juden zu »sammeln«.87 Anzunehmen ist, dass der Arbeitsbank bzw. ihren Tochterunternehmen später im »Generalgou84 Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 279 f. Die Zahlen beziehen sich offenbar auf die gesamten zwölf Jahre der NS-Herrschaft. 85 Nach: Ziegler, Dresdner Bank und die deutschen Juden, S. 204. Zu weiteren »Arisierungs«-Anstrengungen der Arbeitsbank (im Zusammenspiel mit DAF-Funktionären) vgl. Jörg Wollenberg, Enteignung des »raffenden« Kapitals durch das »schaffende« Kapital. Zur Arisierung am Beispiel von Nürnberg, in: ders. (Hg.), »Niemand war dabei und keiner hat’s gewusst«, Die Judenverfolgung und die deutsche Öffentlichkeit 1933 bis 1945, München/Zürich 1989, S. 158-187, hier: S. 180. 86 Mitte März 1857 wurde die Danziger Privat-Actien-Bank durch königliche KabinettsOrdre sogar zur Notenbank erhoben, ein Privileg, auf das sie 1890 verzichtete. 1941 wurde das Geldinstitut in Ostdeutsche Privatbank AG umgetauft. 87 Vgl. Ingo Loose, Deutsche Kreditinstitute in Polen, in: Herbst/Weihe (Hg.), Commerzbank, S. 233; Wixroth, Dresdner Bank, S. 581.

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vernement« sowie in den okkupierten Gebieten der Sowjetunion vergleichbare ›Privilegien‹ eingeräumt wurden. Bereits Mitte 1938 hatte sich die DAF das 1804 als bürgerliches Luxusbad gegründete Wiener Dianabad angeeignet, das ein riesiges Badegelände  – einschließlich der ersten überdachten Schwimmhalle in Europa  –, ein Kasino, ein größeres Hotel sowie weitere Gebäude umfasste88 und firmenrechtlich als Aktien­gesellschaft organisiert war. Dieses Freizeitunternehmen befand sich »vor der Wiedervereinigung der Ostmark mit dem Altreich in jüdischem Besitz«.89 An der Enteignung der jüdischen Vorbesitzer und der Übertragung des Dianabades in die »arischen Hände« der Arbeitsfront war die Bank der Deutschen Arbeit mindestens finanztechnisch beteiligt. Eine wieder andere Form der Beteiligung der Arbeitsbank an der Ausplünderung der deutschen Juden waren die umfänglichen Kredite, die das Geldinstitut der Arbeitsfront dem Lebensborn e.V. zur Verfügung stellte, damit diese – dem Rasse- und Siedlungshauptamt der SS unterstehende – Organisation in München während der zweiten Hälfte des Krieges eine ehemals in jüdischem Besitz befindliche große Villa sowie mehrere jüdische Altersheime ›erwerben‹ und dort »Mütterwohnstätten« für die Aufzucht einer künftigen SS-Elite einrichten konnte.90 Der Raub des Max Reinhardt’schen Theaterkonzerns Ein früher, zugleich spezieller und prominenter Fall von »Arisierung«, an dem die Bank der Deutschen Arbeit entscheidend beteiligt war, zeigt, in welch starkem Maße die Arbeitsbank auch als unmittelbar politisches Instrument der Arbeitsfront eingesetzt wurde. Es handelt sich um die Enteignung des berühmten Theaterregisseurs Max Reinhardt, der ursprünglich Maximilian Goldmann hieß und nach NS-Rassekriterien als Jude galt. 88 Je nach Bedarf konnte die 1843 eingeweihte, überdachte und beheizte »Winterschwimmschule« auch als Ball- und Theatersaal genutzt werden. 1913 wurde die alte Halle abgerissen und bis 1917 zwei neue Schwimmhallen, außerdem Dampf-, Wannenund Sonnenbäder sowie ein großes Hotel mit einer »Kuranstalt« und diversen Geschäften errichtet. Noch im April 1945 stark beschädigt, wurde die Anlage zwischen 1963 und 1966 abgerissen, das Dianabad geschlossen und 1968 an einem neuen Standort wiedereröffnet. Vgl. Manuel Frey, Der reinliche Bürger. Entstehung und Verbreitung bürgerlicher Tugenden in Deutschland, 1760-1860, Göttingen 1997, S. 226, 273; Elke Krasny, Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien, Wien 2008, S. 18; Peter Schubert, Schauplatz Österreich, Bd. 1: Wien, Wien 1976, S. 183; Reinhard ­Pohanka, Eine kurze Geschichte der Stadt Wien, Wien/Köln/Weimar 1998, S. 149; ­Felix Czeike (Hg.), Historisches Lexikon Wien, Bd. 2, Wien 1993, S. 29. 89 Zitate: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 145. 90 Die Summe von einer Mio. RM, mit der der Lebensborn e.V. die Immobilien weit unter Wert erwarb, wurde auf ein Sperrkonto der Arbeitsbank eingezahlt, da der jüdische Kulturverein als der Vorbesitzer längst nicht mehr existierte. Vgl. Volker Koop, »Dem Führer ein Kind schenken«. Die SS-Organisation Lebensborn e.V., Köln/Wei­ mar 2007, S. 112.

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Reinhardt verhalf dem modernen Regietheater in Mitteleuropa zum Durchbruch und erregte mit avantgardistischen Inszenierungen weit über die Grenzen Berlins und Deutschlands hinaus Aufsehen. Weniger bekannt ist, dass Reinhardt bis zur Weltwirtschaftskrise eine Art Theaterkonzern betrieb und zeitweilig bis zu zwölf Bühnen parallel bespielte. 1905 hatte Reinhardt das Deutsche Theater (DT) erworben, das zunächst als AG, später dann als GmbH organisiert wurde, mit ihm selbst als Hauptgesellschafter.91 Mitte 1917 stand in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße und unweit des DT ein riesiges Veranstaltungs­ gebäude, der Circus Schumann, zum Verkauf, das Reinhardt erwarb und bis Ende 1919 zu einem Großen Schauspielhaus mit dreitausend Plätzen ausbaute. Dieses »Theater für die Massen« gehörte nominell einem Anfang Juli 1917 gegründeten Immobilienunternehmen, das den Namen »Deutsches National-Theater« (DNT) erhielt und als Aktiengesellschaft organisiert war. Dieses Unternehmen, das Reinhardt nicht allein besaß, sondern an dem eine Reihe vermögender Thea­terliebhaber Aktien hielten, pachtete in der Folgezeit noch weitere Theater, darunter die »Komödie« und das »Theater am Kurfürstendamm«. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise geriet auch der Theaterkonzern Max Reinhardts in Schwierigkeiten. Die Zuschauerzahlen gingen dramatisch zurück. 1931/32 stand der Theaterkonzern vor dem Konkurs. Reinhardt, der von Anbeginn wusste, dass sich großes Theater ohne staatliche Unterstützung auf Dauer nicht würde halten können, wollte aus seinen Häusern Staatsbühnen machen. Das war auf dem Höhepunkt der Krise jedoch wenig realistisch. Ausgerechnet am 30. Januar 1933 fand Reinhardt einen neuen Pächter.92 Nach Reinhardts Weggang Anfang März 1933 suchte sich das DT dem Regime anzupassen, während das Große Schauspielhaus vorübergehend die Tore schloss. 91 Zusätzlich zum Haupthaus des Deutschen Theaters (DT) richtete Reinhardt in einem Nebengebäude in Räumlichkeiten, die ursprünglich als Tanzlokal dienten, 1906 die Kammerspiele des DT ein. Dies und das Folgende nach: Dieter E. Zimmer, Max Reinhardts Nachlaß. Ein Drama um Kunst und Kommerz, in: Die Zeit vom 15. Juli 1994 (Nr. 29), Dossier, S. 9 f., 12; Christopher Beime, Die Marke Reinhardt. Theater als modernes Wirtschaftsunternehmen, in: Roland Koberg/Bernd Stegemark/Henrike Thomsen (Hg.), Max Reinhardt und das Deutsche Theater. Texte und Bilder aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums seiner Direktion, Berlin 2005, S. 41-49; Björn Weigel, Das Deutsche Theater, in: Jüdische Unternehmen in Berlin 1933-1945, hg. vom Aktiven Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V., Berlin 2008, S. 20-23; Alexander Weigel, Das Deutsche Theater. Eine Geschichte in Bildern, Frankfurt a. M./Berlin 1999, S. 177 ff. 92 Es war dies Carl Ludwig Duisberg-Achaz (1889-1958), der Sohn des Chemieindustriellen und I.G.-Farben-Grün­ders Carl Duisberg. Duisberg-Achaz, eigentlich ein promovierter Jurist und von 1914 bis 1918 im diplomatischen Dienst, hatte bereits seit 1909 als Schauspieler auf den Reinhardt’schen Bühnen gestanden. Seit 1918 widmete er sich dann ganz seiner Theaterkarriere. Als Pächter des DT investierte Achaz 1933/34 500.000 RM. Nach dem Ende seiner Intendantur lebte Achaz in München und gastierte als Schauspieler und Regisseur an verschiedenen deutschen Bühnen. Reinhardt (1873-1943) ging im März 1933 zunächst nach Florenz, anschließend nach Österreich und 1937 dann in die USA.

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An dieser Stelle kommt die Arbeitsbank ins Spiel. In eine zentrale Rolle konnte sie gelangen, weil Reinhardt seinen Theaterkonzern ab Anfang der dreißiger Jahre immer weiter verschulden musste und die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten«, zu diesem Zeitpunkt das Geldinstitut der freien Gewerkschaften, ihm mit Krediten beisprang. Im Sommer 1930 nahm die Gesellschaft Reinhardts bei der Arbeiterbank für 400.000 RM Hypotheken auf. Bis Anfang 1932 musste sich das DNT mit etwa 2,5 Mio. RM verschulden, davon mit 1,7  Mio. RM bei der freigewerkschaftlichen Arbeiterbank. Noch bevor der ADGB enteignet wurde, wurde das Schicksal des Reinhardt’schen AvantgardeTheaters durch einen finanzpolitischen Trick besiegelt: Der Deutschen Theater GmbH wurde im Februar 1933 die Gemeinnützigkeit aberkannt, und anschließend wurden Steuernachforderungen in Höhe von 550.000 RM erhoben. Dies musste das Theater in den Ruin treiben. Anfang März 1933 beliefen sich die Gesamtverbindlichkeiten der DNT und der DT-GmbH auf knapp 3,2 Mio. RM, davon 1,9 Mio. RM gegenüber der Arbeiterbank. Nachdem die freigewerkschaftliche Bank im Mai 1933 in den Besitz der Arbeitsfront übergegangen war, nutzte das nunmehr stramm nationalsozialistische Geldinstitut als Hauptgläubigerin ihr Stimmrecht bei der Besetzung des Aufsichtsrates des DNT, um dieses Gremium gänzlich neu, mit der Arbeitsfront loyal ergebenen Personen zu besetzen. Der neu zusammengesetzte Aufsichtsrat beschloss dann die De-facto-Enteignung der bisherigen Aktionäre, indem er von diesen verlangte, ihre Anteilsscheine persönlich in Berlin einzureichen; andernfalls würden diese ihre Gültigkeit verlieren und versteigert werden. Reinhardt gab daraufhin über Mittelsmänner einen Teil seiner Aktien an die Arbeitsbank ab, zu einem Zehntel ihres eigentlichen Wertes. In einem zweiten Schritt senkte der Aufsichtsrat das Stammkapital und gab im Frühjahr 1934 dann neue Inhaber­ aktien aus, die samt und sonders von der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF (TWU) erworben wurden, die auf diese Weise mit 52 % aller Anteilsscheine zum Mehrheitsaktionär des DNT wurde. Damit besaßen die Arbeitsbank bzw. die TWU zwar das Große Schauspielhaus, das gut zwei Monate zuvor seine Tore wieder geöffnet hatte, jedoch noch nicht das Deutsche Theater. In dessen Besitz gelangte die DAF, indem sie die Arbeitsbank als die Hauptgläubigerin des hochverschuldeten Theaters eine Zwangsversteigerung beantragen ließ. Die fand am 28. September 1934 statt. Das nunmehr DAF-eigene DNT erwarb dabei sämtliche Immobilien des Deutschen Theaters, infolge der Zwangsversteigerung zum günstigen Preis von 600.000 RM.93 Neuer Pächter – bis zur Schließung aller deutschen Theater 1944 – wurde Heinz Hilpert, der von 1926 bis 1932 unter Reinhardt Oberspielleiter am DT gewesen war. Die Pacht wiederum ging seitdem unmittelbar an die Bank der Deutschen Ar93 Im Dez. 1934 setzte die Bank der Deutschen Arbeit das Grundkapital von 480.000 RM auf 48.000 RM herab, um es anschließend auf 100.000 RM zu erhöhen. Im dreiköpfigen Aufsichtsrat der Deutsche Nationaltheater AG, wie das DNT nun hieß, blieben die DAF-Manager bzw. -funktionäre C. Rosenhauer, A. Christoffel und L. Bierlein unter sich. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 147.

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beit als dem Hauptgläubiger des Theaters. Die politisch-or­ga­nisato­rische ›Betreuung‹ des Deutschen Theaters wie des Großen Schauspielhauses lag bei der DAF bzw. ihrer ›Kultur‹-Organisation »Kraft durch Freude« und dem GoebbelsMiniste­rium.94 Obwohl Ley und seine Arbeitsfront besonders üble Vorreiter des national­ sozialistischen Antisemi­tismus waren, war die Arbeitsbank lediglich ein »Ari­ sierungs«-Profiteur unter vielen. Unter den großen Banken scheinen es vor allem die Deutsche Bank sowie die Deutsche Industriebank und die Reichs­ kreditanstalt gewesen zu sein, die am stärksten an der Ausraubung jüdischer Unternehmer und den entsprechenden finanziellen Transaktionen beteiligt waren.95 Gegenüber erfolgreicheren »Arisierungsrivalen«96 wie der Deutschen Bank, Industriebank sowie der Reichs-Kredit-Ge­sell­schaft kam die Arbeitsbank offenbar nicht in dem von ihr selbst gewünschten Umfang zum Zug.

3.4. Die NS-Bewegung und das Geldinstitut der DAF Keine Hausbank der gesamten NS-Bewegung Von entscheidender Bedeutung für das rasante Wachstum der Arbeitsbank, das auch das der – ab 1938 prosperierenden – etablierten Berliner Großbanken übertraf (Tabelle 1.4), war ohne Zweifel der Tatbestand, dass sie als Finanzinstitut der DAF fungierte. Wie hoch die Einlagen der Arbeitsfront waren und welche Rolle der Arbeitsbank für die Transaktionen der DAF zukam, lässt sich erahnen, wenn man berücksichtigt, dass allein die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen bereits 1936 bei 340 Mio. RM lagen, bis 1939 auf 533 Mio. RM stiegen und 1942 schließlich die Summe von 642 Mio. RM erreichten (Tabelle 1.1). Der größte Teil dieser Gelder wurde freilich nur kurzzeitig auf Konten der Arbeitsbank deponiert und für die Finanzierung des riesigen Funktionärsapparates der DAF sowie der zahllosen Aktivitäten der Arbeitsfront verwandt. Trotz eines atemlosen Aktivismus der Arbeitsfront-Führung verzeichnete die DAF in den Jahren von 94 Das Goebbels-Ministerium übernahm für den ›künstlerischen‹ Teil die Verantwortung; die DAF  – die mit ihrer Suborganisation KdF eine reichsweite Theaterorganisation aufbaute, die riesige Besucherströme in die Theater, aber auch Opern, Konzertsäle usw. lenken sollte – war für volle Zuschauerränge zuständig. Während das Große Schauspielhaus, der spätere (alte) Friedrichstadtpalast, mit anspruchslosen Volks­stücken, Revuen usw. zum Publikumsmagneten avancierte, konnte das DT ab Juni 1934 unter der Leitung von Hilpert (1890-1967) offenbar ein gewisses Niveau halten. 95 Der Anteil der »Arisierungs«-Geschäfte am gesamten Geschäftsumfang lag in der Frankfurter Filiale der Deutschen Bank 1938 bei 16,5 %. Das Reichssicherheitshauptamt konstatierte in einem Bericht von Anfang 1939 vor diesem Hintergrund lakonisch, dass die »Arisierungen« vor allem »mit Hilfe der Privatbanken, besonders der Deutschen Industriebank, Reichs-Kredit-Gesell­schaft und der Deutschen Bank, zum Abschluss gekommen« seien. Nach: James, Deutsche Bank, S. 349 bzw. 351. 96 Dieser Terminus war anscheinend seit Ende 1938 eine stehende Redewendung. Hier zit. nach: Meldungen aus dem Reich vom 25. März 1941, Bd. 6, S. 2163.

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1933 bis 1937 einen Überschuss von immerhin 182 Mio. RM, die als langfristige Einlagen beim DAF-Geldinstitut verblieben. Im folgenden Jahrfünft (bis einschließlich 1942) verfünffachte sich dieser Überschuss auf 833 Mio. RM. Auch dieser wurde bei der Bank der Deutschen Arbeit deponiert  – allerdings nicht vollständig. Denn bemerkenswert ist, dass die Arbeitsbank nicht einmal das Monopol auf die Gelder besaß, die seitens der Arbeitsfront und ebenso ihres Konzerns den Banken zuflossen. Keineswegs alle DAF-Un­ternehmen stützten sich bei ihren finanz­politischen Aktivitäten ausschließlich auf das Geldinstitut der Arbeitsfront. So beschwerte sich Josef Lidl, Direktor der Münchner Zweigniederlassung der Bank der Deutschen Arbeit, Anfang 1944 beim Leiter der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF, dass die Münchner Bezirks­direktion der Volksfürsorge Lebensversicherung die ihr zufließenden Prämieneinnahmen auf einem Postscheckkonto sammelte und die in der ersten Kriegsphase gegründeten »Sozial-Ge­werke« der DAF für die sozialpolitische Betreuung von Kleinunternehmen und handwerklichen Betrieben ihre Konten nicht bei der Arbeitsbank, sondern bei der Oberbayerischen Volksbank in München führten. Auch die regionale Abteilung des aus den Konsumgenossenschaften hervorgegangenen, 1940/41 gegründeten und im Be­sitz der DAF befindlichen Deutschen Gemeinschaftswerks, der Münchner Gemeinschaftsversorgungsring, wickelte nur einen kleinen Teil seiner »bankmäßigen Geschäfte« über die Arbeitsbank ab.97 Was zu Klagen des Münchner Arbeitsbank-Direktors Anlass gab, dürfte – abgeschwächt – auch für andere Regionen und ebenso die Auslandsunternehmen der Arbeitsfront gegolten haben: Sofern kein unmittelbarer politischer Druck auf sie ausgeübt wurde, legten sie ihre Konten dort an, wo sie die günstigsten Konditionen zu erwarten hatten – und dies war nicht unbedingt die Arbeitsbank. Dennoch wird der größte Teil der vom DAF-Konzern erwirtschafteten Gelder letztlich der Bank der Deutschen Arbeit zugeflossen sein. Insofern wird man die Arbeitsbank trotz der genannten Einschränkungen als Hausbank der Arbeitsfront bezeichnen können. Welche Geschäftsbeziehungen entwickelten nun die anderen nationalsozialistischen Organisationen zum DAF-Geldinstitut? In den Anfangsjahren der Diktatur hatte es den Anschein, dass die Arbeitsbank zur Hausbank der gesamten NS-Bewegung aufsteigen sollte. Tatsächlich parkte etwa das Winterhilfswerk (WHW) den größten Teil seines Geldvermögens auf Konten der DAF-Bank. Auch die NSDAP sowie weitere nationalsozialistische Organisationen bedienten sich für finanzielle Transaktionen gern der Arbeitsbank. Parteinahe Unternehmen wie der Eher-Verlag wickelten gleichfalls etliche ihrer Geschäfte über die Bank der Deutschen Arbeit ab, ebenso Institutionen, die nach 1933 fest in der Hand der Nationalsozialisten waren, wie z. B. die Stadtverwaltung Mün-

97 Vgl. Lidl an Strauch vom 15. März 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 84. Zu Lidl vgl. Kapitel 2, S.  90 f..

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chen oder die AOK der bayerischen Landeshauptstadt.98 Ein weiteres lukratives Geschäftsfeld, das gleichfalls auf enge Beziehungen zu maßgeblichen NSFunktions­trä­gern zurückging, öffnete sich nach der Angliederung Österreichs im März 1938: Die Kon­ten des Stillhaltekommissars für Österreich, auf die die Spar- und Kontoguthaben der zuvor aufgelösten Organisationen und Vereine eingezahlt wurden, wurden bei der Bank der Deutschen Arbeit angelegt.99 Diese Präferenzen für die Hausbank der Arbeitsfront waren in den ersten Jahren der NS-Herr­schaft zu einem Gutteil ideologisch motiviert. Führende Nationalsozialisten standen den alteingesessenen Großbanken als mächtigen Repräsentanten eines vorgeblichen »Wucherkapitals« ablehnend oder mindestens skeptisch gegenüber. Die Arbeitsbank war allein aufgrund des Tatbestandes, dass sie im Besitz einer Vorfeldorganisation der NSDAP war, mit diesem Negativ-Image nicht belastet. Im Laufe der Zeit wurden ideologische Präferenzen allerdings durch einen regime-typischen Pragmatismus  – der dem Primat des Bellizismus andere Aspekte unterordnete – sowie durch systemspezifische politische Überlegungen führender Repräsentanten der Hitler-Bewegung und des NS-Regimes in den Hintergrund gedrängt. Dabei handelte es sich um Überlegungen, die außerhalb des unmittelbaren Einflussfeldes der Arbeitsbank standen und durch die polykratische Struktur des NS-Systems bedingt wurden. Dies ist kurz zu erläutern. Entscheidungsträger der Diktatur, die mit der Arbeitsfront rivalisierten (und das waren nicht wenige), waren sich grundsätzlich bewusst, dass wirtschaft­ liche Macht immer auch in politische Macht umgemünzt werden konnte. Ein ökonomisch starkes Unternehmen wie die Arbeitsbank musste gleichzeitig das politische Ge­wicht der ohnehin finanzstarken DAF verstärken. Daran konnten Rivalen Leys kein Interesse haben. Infolgedessen verlor die Arbeitsbank ihr anfängliches weitgehendes Monopol auf die Bankgeschäfte der NS-Bewe­gung. Möglicherweise weiter bestehende ›ideologische Bauch­schmerzen‹ jedenfalls hinderten die Repräsentanten der anderen NS-Organisationen nicht daran, für finanzielle Transaktionen die Dienste anderer Kreditinstitute in Anspruch zu nehmen und ihre Vermögensdepots nicht zuletzt bei den bis 1933/34 oft als Inkarnationen des »raffenden Kapitals« diffamierten wichtigsten Konkurrenten der Arbeitsbank, den etablierten Berliner Geschäftsbanken, anzulegen. Dies galt selbst für den Reichsschatzmeister der NSDAP, Franz Xaver Schwarz. Schwarz stand zwar der Arbeitsbank grundsätzlich durchaus wohlwollend gegenüber. Er wurde allerdings durch das Finanzgebaren des Geldinstituts 98 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 8 f. Zu den Krediten in einer Höhe von insgesamt 30 Mio. RM, die die Arbeitsbank für die Expansion des Eher Konzerns auf den Zeitungsmarkt zu Verfügung stellte, vgl. Norbert Frei/Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich, München 1999, S. 58 f. 99 Vgl. Venus, Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, S. 605; Verena Pawlowsky/Edith Leisch-Prost/Christian Klösch, Vereine im Nationalsozialismus. ­Vermögensentzug durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände und Aspekte der Restitution in Österreich nach 1945, München 2004, S. 157 ff.

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Mitte der dreißiger Jahre und ihre Verwicklung in Korruptionsskandale aufgeschreckt100 – und unterhielt auch deshalb für die Partei nicht nur bei der Arbeitsbank, sondern ebenso z. B. bei der Münchner Niederlassung der Commerzbank Konten.101 Das insgesamt einvernehmliche und in der 1938 beginnenden ›Ära Lencer‹ dann ausgesprochen kooperative Verhältnis zwischen der NSDAPReichsschatzleitung und der Arbeitsbank102 hinderte Schwarz und die NSDAPReichs­leitung in der Zeit zwischen 1938 und 1942 außerdem nicht daran, sogar darüber nachzudenken, sich eine eigene große Hausbank zu verschaffen, nämlich die Bayerische Vereinsbank zu erwerben oder hier doch wenigstens einen beherrschenden Einfluss auszuüben.103 Bis Anfang der vierziger Jahre führte das in der bayrischen Hauptstadt beheimatete Reichsschatzamt zudem nicht die dort ansässige Zweigestelle des DAF-Geldinstituts, sondern die Münchner Filiale der Commerzbank als das »Hauptkonto der NSDAP«.104 Nach dem schließlich gescheiterten Versuch des NSDAP-Reichsschatz­­meisters, zu einem einflussreichen reichsdeutschen Bankier zu werden, fungierte die Arbeitsbank allerdings in den letzten Kriegsjahren erneut als Hauptvermögens­ depot der Partei. Gute Geschäftsbeziehungen zu anderen Geldinstituten schloss das nicht aus: Ende 1943 hatte die NSDAP-Reichsleitung auf zwei Konten der Dresdner Bank 37,1 Mio. RM deponiert. Auch die Commerzbank erfreute sich weiterhin der Gunst der Staatspartei, ebenso die größten bayerischen Banken, denen die NSDAP gleichfalls hohe Millionenbeträge anvertraute.105 Die Arbeitsbank war freilich unbestritter Mittelpunkt der finanzpolitischen Aktivitäten der Partei. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des NS-Regimes wies das Münchner Konto der NSDAP-Reichsleitung bei der Arbeitsbank ein Guthaben von 210 Mio. RM aus.106 Nicht nur die NSDAP, auch beispielsweise die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) führte zwar ihre Hauptkonten bei der Bank der Deutschen Arbeit, öffnete nach Kriegsbeginn freilich gleich­f alls bei der Commerzbank weitere Konten, um die Abhängigkeit von dem DAF-Geld­haus nicht zu groß werden zu lassen.107 Das Barguthaben des Winterhilfswerks, das nach Kriegsende auf sagenhafte 1,1 Mrd. RM beziffert wurde, war etwa zur Hälfte als Festgeld bei der 100 Vgl. unten. 101 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 8. 102 Vgl. Thomas Weihe, Die Personalpolitik der Filialgroßbanken 1919-1945. Intervention, Anpassung, Ausweichbewegungen, Stuttgart 2006, S. 31. 103 Hilfestellungen dazu sollte ausgerechnet die Arbeitsbank geben. Vgl. unten. 104 Vgl. Christoph Kreutzmüller, Händler und Handlungsgehilfen. Der Finanzplatz Amsterdam und die deut­schen Großbanken (1918 – 1945), Stuttgart 2005, S. 293. 105 Vgl. Bähr, Dresdner Bank, S. 499 f.; ferner z. B. Berliner Börsen-Zeitung vom 13. Mai 1943. 106 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 9. 107 Zwei Monate nach Kriegsbeginn bat der NSV-Oberdienstleiter Karl Janowsky den Chef der Revisionsabteilung des Schatzamtes der Partei – und engen Vertrauten des NSDAP-Reichs­schatzmei­sters Schwarz – Hans Saupert um Erlaubnis, Konten bei der Commerzbank eröffnen zu können –, eine Anfrage, der Saupert offenbar zustimmte.

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Arbeitsbank der DAF angelegt worden.108 Nach Angaben des Reichswirtschaftsministers Walther Funk – die durch andere Berichte im Wesentlichen bestätigt werden  – entfielen »von den gesamten fremden Mitteln nach dem Jahresabschluss [der Arbeitsbank für] 1940 rund 74 % auf die Einlagen der Partei, der DAF, WHW, NSV usw.«. Absolut seien das 1,3 Mrd. RM gewesen.109 Wie sehr das Kreditinstitut tatsächlich eine Hausbank der Partei blieb, lässt sich daran ablesen, dass sich der Anteil der DAF, der NSV, des WHW an der Gesamtheit aller Einlagen (RM-Konten) bei der Arbeitsbank gegen Ende des Krieges schließlich auf 92,5 % (bzw. 3,1 Mrd. RM) belief.110 Funk hatte also durchaus recht, wenn er bereits 1941 feststellte, dass die Arbeitsbank es »im wesentlichen […] nur der Partei und der Arbeitsfront zu verdanken« hatte, wenn sie »in verhältnismäßig kurzer Zeit zu den ›Millionenbanken‹ aufsteigen« konnte.111 Das Gros ihrer umfänglichen Gelder legten die NSV und ebenso das Winterhilfswerk freilich nur deshalb bei der Arbeitsbank an, weil diese ihnen Sonderkonditionen gewährte, die mit mehr als drei Prozent für Tagesgelder so günstig waren, dass sich Mitte 1941 schließlich das Reichsfinanzministerium zur Intervention veranlasst sah. Betriebsprüfer hatten erklärt, dass die Arbeitsbank der NSV bzw. dem WHW Tagesgelder, also kurzfristig kündbare Finanzmittel, mit derart hohe Zinsen – von drei Prozent und mehr – vergütet habe, dass dies »einer freiwilligen Spende« gleichgekommen sei. Nach dem Habenzinsabkommen vom 22. Dezember 1936 hätte jedoch »für täglich fällige Gelder nur ein Satz von 1 % hätte gezahlt werden dürfen«. Die Differenz könne nicht anders als eine »freiwil-

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Aktenvermerk Sauperts vom 25. Nov. 1939, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 939. Zu Saupert vgl. unten, Anm. 143. Vgl. Herwart Vorländer, Die NSV. Darstellung und Dokumentation einer nationalsozialistischen Organisation, Boppard a. Rh. 1988, S. 181. Funk an Ley vom 31. Juli 1941, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 1-11, hier: Bl. 8-11, bzw. in: ebd., Nr. 804, Bl. 25-34 bzw. 36-45, hier: Bl. 31-34 bzw. Bl. 42-45. Weitgehend bestätigt werden die Angaben Funks durch den Bericht Nr. 12293 der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1939, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 2406, bes. Bl. 15. Vgl. ferner einen Aktenvermerk Sauperts vom 25. Nov. 1939 (Anm. 107). Danach führte die NSDAP ihre Hauptkonten bei der Arbeitsbank. Ihrem daraus abgeleiteten Anspruch, deshalb auch einen Vertreter in den Aufsichtsrat des DAF-Geldinstituts senden zu können, gab die Bank der Deutschen Arbeit allerdings nicht statt. Die Einlagen der NSDAP machten dagegen nur 0,1 % aller Einlagen aus – vermutlich weil die Partei, im Unterschied zu den drei anderen Organisationen, die auf Konten der Arbeitsbank eingezahlten Gelder dort nur kurzfristig deponierte und für die politische Tagesarbeit abzog. Dem korrespondierte, dass die NSDAP die von der DAF-Bank eingeräumten Überziehungskredite gern und in beträchtlicher Höhe in Anspruch nahm. Angaben nach: Anhang 1: Erläuterungen zum Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der Bank der Deutschen Arbeit Aktien­gesellschaft Berlin durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1944 sowie des Zwischen­ abschlusses zum 30. April 1945 (vom Nov. 1945), in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613, Bl. 37. Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109), Bl. 10.

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lige Spende« interpretiert werden. Nur mit Mühe konnte der Vorstand des DAFGeldinstituts Nachzahlungen an den Fiskus allein für die Jahre 1937 bis 1939 in Höhe von knapp vier Mio. RM vermeiden.112 Nach komplizierten Verhandlungen mit hochrangigen Vertretern aus dem Reichsfinanzministerium wurde diese Summe, die kleinere Banken an den Rand der Ruins getrieben hätte, Mitte 1941 schließlich auf knapp 700.000 RM reduziert.113 Bemerkenswert sind dieser Konflikt und der schließlich gefundene Kompro­ miss in mehrfacher Hinsicht. Finanzverwaltung, Steuererhebung und Wirtschaftsprüfung funktionierten auch im Krieg noch weitgehend nach normenstaatlichen Kriterien. Parteinähe sowie die Verbandelung mit einem so mächtigen politischen Bündnispartner, wie die DAF das zu diesem Zeitpunkt war, schützten nicht vor ›Strafsteuern‹. Der schließlich gefundene Kompromiss bewegte sich im Rahmen dessen, was auch unter anderen politischen Systemen eine durchaus gängige Praxis von Wirtschafts- oder Finanzverwaltungen war und ist. Schließlich illustriert der Vorgang, dass die Protagonisten der Arbeitsbank ihrerseits ihr Bankinstitut auch während des Krieges vornehmlich als ›Geldhaus der Bewegung‹ verstanden, das in einer Reihe von Fällen Organisationen der Partei Sonderkonditionen gewährte, die betriebswirtschaftlich riskant waren. Keine Gefälligkeits-Kredite für die SS und den »Zweckverband Reichsparteitag« Allerdings war dies kein genereller Trend. In anderen Fällen verweigerte sich die Arbeitsbank Zumutungen von NS-Organisationen, unkalkulierbare Risiken zu übernehmen. Dies war auch der Grund, warum es sich die Arbeitsbank schließlich mit der SS verscherzte und nicht sie, sondern die Dresdner Bank zur Hausbank dieser massenmörderischen Organisation aufstieg. Lediglich in den ersten Jahren der NS-Herrschaft war die Arbeitsbank so etwas wie das Geldhaus auch der SS. Neben den Mitgliedseinnahmen der SS, die auf Konten der Arbeitsbank eingingen, fungierte die Bank der Deutschen Arbeit kurzzeitig außerdem als eine Art Dach der »SS-Spargemeinschaft«, dem nicht ganz geglückten Versuch, eine SS-Hausbank zu gründen: Ab Ende 1937 wurden von jedem SS-Mitglied Pflichtsparbeiträge erhoben, nachdem Himmler für seine Organisation ein »Grundgesetz über das Pflicht­spa­ren« verkündet hatte. Die von der »SS-Sparge-

112 Diese Differenz habe 1937 2,5 Mio. RM, 1938 2 Mio. RM und 1939 schließlich sogar 4,2 Mio. RM ausgemacht. Infolgedessen sollten »für die Jahre 1937-1939 8,7 Mill. Reichsmark mehr an Einkommen versteuert werden als die Bank bisher versteuert hat.« Für die Jahre 1937 bis 1939 wäre das auf »eine Körperschaftssteuernachzahlung von 3 Mill. Reichsmark und von rd. RM 870.000,-- Gewerbesteuer« hinausgelaufen. Aktenvermerk (gez. Niethammer) über die Schlussbesprechung betreffend Betriebsprüfung bei der Bank der Deutschen Arbeit AG Berlin vom 21. Juli 1941, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 804, Bl. 1-5, hier: Bl. 2. 113 Vgl. ebd., Bl. 4 f.

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meinschaft« gesammelten Gelder wiederum wurden zunächst auf mehrere Konten bei der Arbeitsbank eingezahlt.114 Mit dieser engen Kooperation schien der Weg der Arbeitsbank zur Hausbank auch der SS vorgezeichnet. Das änderte sich jedoch 1938/39 grundlegend. Die Gründung der »Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH« (DESt) durch die SS Ende April 1938, mit der die SS die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge zu ökonomisieren und profitabel zu verwerten versuchte,115 hatte einen enormen Geldbedarf für Anfangsinvestitionen zur Folge. Oswald Pohl, zu diesem Zeitpunkt Leiter der SS-Betriebe und Leiter des SS-Hauptamtes, wandte sich mit den entsprechenden Kreditwünschen zunächst an die Arbeitsbank. Das DAF-Geldinstitut lehnte jedoch die von Pohl gewünschten umfänglichen Kredite für ein großes Klinkerwerk – geplant zunächst nahe Buchenwald, später in der Nachbarschaft von Sachsenhausen/Ora­nienburg – in Höhe von insgesamt 9,5 Mio. RM ab, da ihm das Projekt zu riskant schien und die Kredite nicht gesichert waren.116 Anstelle der Arbeitsbank wollte daraufhin zunächst die Bayerische Vereinsbank der SS beispringen und bot einen Kredit zu günstigen Konditionen an. Allerdings kam sie nicht zum Zuge, weil schließlich Speer als »Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin« die Finanzierung des nun in der Nähe von Oranienburg geplanten SS-Projektes übernahm.117 Der Kapitalbedarf der auf Expansion getrimmten DESt war dadurch jedoch noch nicht gedeckt. Ein Jahr später wandte sich Pohl gleich an die Dresdner Bank, um einen Kredit in Höhe von 5 Mio. RM zu erhalten. Die Dresdner Bank sagte zu, ohne die eigentlich ›normalen‹ Sicherheiten für ihre Kredite zu verlangen.118 Bereits im Frühjahr 1938 hatte die zweitgrößte deutsche Bank außerdem der Stiftung »Ah114 Genutzt wurden die auf diese Weise akkumulierten Beträge zur Finanzierung von Darlehen an SS-eigene Unternehmen. Vgl. Hermann Kaienburg, Die Wirtschaft der SS, Berlin 2003, S. 220-224, 249. Bis März 1944 lag die Gesamtsumme der Spareinlagen dieser Spargemeinschaft bei 6,9 Mio. RM. Ende 1941 hatte die Spargemeinschaft Kredite in Höhe von 7,3 Mio. RM an SS-Unternehmen gewährt. Hierzu sowie zur Misswirtschaft in der Spargemeinschaft sowie ihrer insgesamt geringen Bedeutung als Finanzier von SS-Projekten vgl. ebd., S. 495. 115 Ausführlich: ebd., S. 606 ff. Das Stammkapital der DESt in Höhe von 20.000 RM war zunächst auf ein Konto der Arbeitsbank eingezahlt worden. 116 Vgl. Enno Georg, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der SS, Stuttgart 1965, S. 47; Kaienburg, Wirtschaft der SS, S. 649, Anm. 229; Jan-Erik Schulte, Zwangsarbeit und Vernichtung. Das Wirtschaftsimperium der SS. Oswald Pohl und das SS-Wirtschafts-Verwaltungs­haupt­amt 1933-1945, Paderborn usw. 2001, S. 116; Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der Konzentrationslager 1933 bis 1939, 3. Aufl., Berlin 1993, S. 260. 117 Vgl. Bähr, Dresdner Bank, S. 489 f.; Kaienburg, Wirtschaft der SS, S. 684. 118 Eine riskante Kreditvergabe praktizierte die Dresdner Bank auch in anderen Fällen, um die Arbeitsbank auszustechen, z. B. während der Jahre 1942 bis 1944 gegenüber der Gleiwitzer Firma Rudolf Brandt & Co., die 1938 »arisiert« worden war und sich darauf ›spezialisiert‹ hatte, Kleidung von offensichtlich deportierten und ermordeten Juden an oberschlesische Industriearbeiter zu verkaufen. Vgl. Wixroth, Dresdner Bank, S. 480.

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nenerbe« einen Kredit in Höhe von 400.000 RM gewährt, wenige Monate später stellte sie darüber hinaus ein Darlehen an das Reichssicherheitshauptamt sowie für den Bau der SS-Siedlung neben dem KZ-Sachsen­hau­sen bereit. Während des Krieges folgten weitere, teilweise hohe Kredite, insgesamt knapp 40 Mio. RM. Die Arbeitsbank musste relativ hilflos mitansehen, dass sich die Dresdner Bank, der für diese Großkredite eine »Ehrenerklärung« des Reichsführers SS reichte,119 zur SS-Bank entwickelte.120 Auch die wachsenden Einnahmen der Spargemeinschaft der SS wurden von der Bank der Deutschen Arbeit abgezogen und auf Konten der Dresdner Bank deponiert.121 Dass der »Lebensborn e.V.«, der für eine »artgerechte Aufzucht« des SS-Nachwuchses zuständig war, ebenso wie das mit der SS eng verbandelte Deutsche Rote Kreuz zumindest Teile ihrer Vermögen auf Konten des DAF-Geldinstituts platzierten122 und dieses außerdem für einige letztlich unbedeutende Kleinkredite an die SS und ihre Unternehmen gut war,123 ändert nichts daran, dass die Arbeitsbank mit Blick auf den SS-Komplex gegenüber der Dresdner Bank insgesamt das Nachsehen hatte. Zurückhaltend blieb die Arbeitsbank auch auf einem anderen zentralen Feld der Partei und NS-Bewegung.124 Mitte der dreißiger Jahre stand zeitweilig zur Debatte, die Arbeitsbank zur Finanzierung der Bauten des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes heranzuziehen. Nachdem der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert es abgelehnt hatte, Finanzmittel des bayerischen Staates für den 119 Bähr (Dresdner Bank, S. 499) hat dargelegt, dass diese mehr als riskante Kreditvergabe zentraler Bestandteil einer gezielt kalkulierten Politik der Dresdner Bank war, »das Quasi-Monopol der öffentlichen Geldinstitute bei Partei- und Behördenkonten [zu] durchlöchern.« 120 Vgl. ebd., S. 490 f., 494, 499; Kopper, Bankenpolitik, S. 285; Kaienburg, Wirtschaft der SS, S. 428 ff., 607, 649; Schulte, Zwangsarbeit und Vernichtung, S. 116 f.; Naasner, Machtzentren, S. 387 ff. Auch die Deutsche Bank versuchte, sich Himmler und die SS geneigt zu machen. Vgl. Jonathan Steinberg/Avraham Barkai, Die Deutsche Bank und ihre Goldtransaktionen während des Zweiten Weltkrieges, München 1999, S. 22 f. 121 Vgl. auch Klaus-Dietmar Henke, Die Dresdner Bank 1933-1945. Ökonomische ­Rationalität, Regimenähe, Mittäterschaft, München 2006, S. 165. Zur Dresdner Bank als »Vertrauensbank« der SS resümierend: ebd., S. 161-168. Ein weiterer wichtiger ­Finanzier der SS war das Deutsche Rote Kreuz. Vgl. Markus Wicke, SS und DRK. Das Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes im nationalsozialistischen Herrschaftssystem 1937-1945, Potsdam 2002, S. 110-118; Peter Poguntke, Gleichgeschaltet. Rotkreuzgemeinschaften im NS-Staat, Köln/Weimar 2009, S. 155 f. 122 Das bei der Arbeitsbank deponierte Vermögen des »Lebensborn e.V.« belief sich 1945 auf 5,8 Mio. RM. Vgl. Georg Lilienthal, Der »Lebensborn e.V.« Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Frankfurt a. M. 1985, S. 131. Das DRK hatte der Arbeitsbank Ende Febr. 1940 10,7 Mio. RM an Festgeld und Wertpapieren anvertraut. Vgl. Birgitt Morgenbrod/Stephanie Merkenich, Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945, Paderborn usw. 2008, S. 221. 123 Z.B. an die im Aug. 1939 gegründete »Stiftung Wirtschaftliche Hilfe« der SS. Vgl. Kaienburg, Wirtschaft der SS, S. 497, 1033. 124 Das Folgende nach: Yasmin Doosry, »Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen«. Studien zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Tübingen usw. 2002, S. 70, 90 ff.

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»Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg«, der im März 1935 als Finanzträger für die diversen, auf dem Parteitagsgelände geplanten Anlagen und Gebäude gegründet worden war, zur Verfügung zu stellen, brachte der zuständige NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner die Bank der Deutschen Arbeit als Kreditgeber ins Gespräch.125 Das DAF-Geldin­stitut war grundsätzlich auch bereit, einen Kredit von 10 Mio. RM für die Ausgestaltung des Reichsparteitagsgeländes zur Verfügung zu stellen, verlangte dafür allerdings einen Zinssatz von jährlich 5 % sowie eine Bürgschaft des Reiches für Tilgung und Verzinsung des Darlehens. Diese Bedingung war eigentlich selbstverständlich, da der »Zweckverband« selbst über kein Vermögen verfügte, mit dem er für die Tilgung und Verzinsung des Darlehens haften konnte. Die zuständigen politischen Funktionsträger wollten sich freilich nicht damit abfinden, dass eine Bank für die Vergabe hoher Kredite nun einmal Sicherheiten benötigt und die Arbeitsbank hier keine Ausnahme machen wollte. Der Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel,126 der gleichzeitig Geschäftsführer des »Zweckverbandes Reichsparteitag« war, versuchte im August 1935, günstigere Konditionen durchzusetzen. Das Geldhaus der Arbeitsfront lehnte einen Kredit ohne substantielle Sicherheiten und zu Vorzugszinsen jedoch mit dem völlig berechtigten Hin­weis da­rauf ab, dass die verlangten Zin­sen bank­üblich seien und ein Verzicht auf die Reichs­bürgschaft oder äquivalente Sicherheiten nicht in Frage kämen. Brinckmann als Reichsschatz­meister der DAF und quasi Vor­gesetzter des Direktors der Arbeitsbank stützte diese Position; er erklär­te sich allerdings be­reit, statt einer Bürg­schaft des Rei­ches auch eine der Partei zu akzeptieren. NSDAP-Reichs­schatz­meister Schwarz war freilich nicht be­reit, eine solche Bürg­schaft ein­zugehen, und das Reichsfinanzministerium lehnte eine Bürg­schaft des Reiches ab. Liebel versuch­te daraufhin, unmittelbar politischen Druck auf das DAF-Geld­institut auszuüben und dieses bei seinem ›politischen Gewissen‹ zu packen, d. h. sich die Sondersituation der Arbeitsbank als 125 Der Jurist und zeitweilige Staatsanwalt Siebert (1874-1942), der zunächst der Bayerischen Volkspartei angehört hatte und Anfang 1931 dann in die NSDAP übertrat, war von 1908 bis 1919 Bürgermeister von Rothenburg o.T., seit 1919 Bürgermeister und seit 1924 Oberbürgermeister der Bodenseestadt Lindau. Seit April 1933 amtierte er als bayerischer Ministerpräsident sowie als Finanzminister und (seit 1936) zudem als Wirtschaftsminister Bayerns. Von Febr. 1939 bis zu seinem Tod stand er der »Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums« (Deutsche Akademie)  – dem institutionellen Vorgänger der heutigen Goethe-Institute  – als Präsident vor. A. Wagner (1890-1944), seit 1928/29 Chef der NSDAP Oberbayerns (zunächst Oberpfalz), seit 1933 bayerischer Innenminister sowie stellvertretender ­Ministerpräsident (und im Volksmund »Despot von München« genannt), seit 1936 außerdem Kultusminister Bayerns, gehörte zu den mächtigsten NSDAP-Gauleitern. 126 Liebel (1897-1945), von März 1933 bis April 1945 Oberbürgermeister von Nürnberg und bis 1938 die zentrale Figur des »Zweckverbandes Reichsparteitag«, war bereits seit 1929 nach Julius Streicher (mit dem ihn ein konfliktreiches Verhältnis verband) der maßgebliche NSDAP-Funktionär dieser Stadt. 1942 wurde er von Speer als Leiter ins Zentralamt des Rüstungsministeriums berufen, ohne seine Nürnberger Ämter aufzugeben.

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parteinahe Institution zunutze zu machen und die Arbeitsbank als Geldkuh zu melken. In Schreiben an die Arbeitsbank brachte Liebel nicht nur Schwarz, die Reichsminister Kerrl und Schwerin v. Krosigk, außer­dem Rudolf Schmeer als »Leiter der Reichsparteitage« so­wie Fritz Reinhardt127 als ein­flussreiche NS-Auto­ ritäten, die hierfür angeblich kein Verständnis zeig­ten, ins Spiel, sondern ver­wies auf den »Füh­rer« selbst. Die­ser wür­de »kein Verständnis dafür haben, dass die vorliegende Dar­lehens­angelegenheit an einer sachlich durchaus unbegründeten Formalbedingung der Bürgschaftsübernahme scheitern soll«. Liebel selbst sehe sich deshalb »genötigt, unberechtigt erscheinende Widerstände mit jedem möglichen Mittel zu überwinden«.128 Zwar waren A. Wagner, Kerrl und Alfred Olscher als zuständiger Repräsentant des Reichs­f inanz­ministeriums129 tatsächlich der Meinung, die Bürgschaftsforderung sei »überbürokratisch«. Dennoch hatte Liebel mit dieser Drohung und diesem Ansinnen seine Position überschätzt. Die Arbeitsbank leitete dessen Schreiben unmittelbar an Ley weiter  – und der las Liebel die Leviten: Liebel habe sich im Ton vergriffen; er müsse sich damit abfinden, dass die Arbeitsbank Darlehen »nach bankmäßigen Gesichtspunkten« ausleihe. Da die DAF-Bank außerdem anderweitig für auch politisch wichtige Projekte (Siedlungsbau, sonstige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen usw.) mit umfänglicheren Darlehen engagiert sei, könne sich die Bank eine Kreditvergabe – und damit einen etwaigen hohen Verlust  – in selbstschuldnerischer Bürgschaft nicht leisten. Immerhin bot er die Aufnahme einer Anleihe mit einer freilich kurzen Laufzeit bis maximal zwei Jahren an. Dies war wiederum für den Zweckverband nicht akzeptabel. Er brach die Verhandlungen mit der Arbeitsbank ab und fand schließlich andere Wege für eine Finanzierung der monströsen Bauten auf dem Reichsparteitagsgelände.130 Wenn die Arbeitsbank nicht zur Hausbank der gesamten NS-Bewegung wurde, dann lag dies nicht allein daran, dass das Geldinstitut der Arbeitsfront 127 Hanns Kerrl, seit April 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, war im Okt. 1935 zum Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten ernannt worden. Zu Schmeer, ein enger Vertrauter Leys und ab Jan. 1933 Reichsinspektor der Obersten Leitung der Parteiorganisation der NSDAP und damit für die Organisation der Reichsparteitage verantwortlich, vgl. Kapitel 2, S. 87. Reinhardt (1895-1969) war 1928 bis 1930 NSDAPGauleiter in Oberbayern gewesen, von 1928 bis 1933 Leiter der NSDAP-Reichsred­ ner­schule im Hamburg, seit 1930 außerdem Reichspropagandaleiter der NSDAP und seit 1933 Staatssekretär im RFM sowie u. a. seit 1935 im Stab des »Stellvertreter des Führers«. Nach Internierung und kurzer Haft war er nach 1950 als Steuer­berater in der Bundesrepublik tätig. 128 Es sei »zweifelsfrei, dass die Forderung der Bürgschaftsübernahme von allen hier Beteiligten als unberechtigter Widerstand angesehen würde«. Diese und die folgenden Zitate nach: Doosry, Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, S. 91 f. 129 Der Jurist Olscher (1887-1946), seit 1922 im RFM, fungierte dort seit 1932 als Ministerialdirektor. 130 Liebel nahm zunächst Verbindung mit der Bayerischen Staatsbank auf, die allerdings gleichfalls keinen Großkredit ohne substantielle Sicherheiten vergeben wollte. Finanziert wurden die Bauarbeiten auf dem Nürnberger Parteitagsgelände schließlich über Darlehen der »Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG (Öffa)«. Vgl. ebd. S. 91 ff.

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keine Gefälligkeits-Kredite vergab, die es an den Rand des Ruins getrieben hätten. Umgekehrt standen auch die maßgeblichen Funktionsträger der Partei keineswegs geschlossen hinter der DAF-Bank. Auf der Gau-Ebene (und vermutlich auch bei vielen NSDAP-Funktionsträgern auf der lokalen Ebene) wurden die Präferenzen des Münchner Reichsschatzamtes für das Geldinstitut der Arbeitsfront keineswegs vorbehaltlos geteilt. Am Beispiel der meist ziemlich autokratisch agierenden NSDAP-Gauleiter wird deutlich, wie sehr politische Erwägungen und oft genug überdies persönliche Animositäten ökonomisches Verhalten bestimmen konnten. Arthur Greiser etwa, der ›starke Mann‹ des »Warthegaus«, stand Ley distanziert gegenüber und eher Himmler sowie der SS nahe. Infolgedessen überrascht es kaum, dass er seine Konten nicht bei der Arbeitsbank anlegte, sondern bei der Ostbank,131 einem Tochterunternehmen der Dresdner Bank. Dies wiederum hatte für die Regionalvertretungen beider Banken gravierende Folgen: Infolge der engen Kontakte Greisers zur Dresdner Bank als dem Geldinstitut der SS gelang es deren Tochterunternehmen Ostbank nämlich, die im Warthegau zunächst führende Ostdeutsche Privatbank, die im Besitz der Arbeitsfront war, aus dieser Spitzenstellung zu verdrängen.132 Auch als Kreditgeber scheint die Arbeitsbank jedenfalls in den letzten Kriegsjahren auf der regionalen und lokalen Ebene für die »Organisationen der Partei nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt« zu haben.133 Die Vorgänge um die Bayerische Vereinsbank – ein Lehrstück über das komplexe Verhältnis von »Politik« und Wirtschaft unter dem Nationalsozialismus Wie komplex das Verhältnis von Politik und Wirtschaft bzw. Partei und Bankgewerbe während des Dritten Reiches war, lässt sich anschaulich am Beispiel der Versuche der NSDAP-Reichs­lei­tung und der DAF-Führung illustrieren, die Bayerische Vereinsbank (BV) zu übernehmen. Oben war bereits angedeutet worden, dass das Reichsschatzamt der Partei  – und damit die NSDAP-Reichs­leitung  – daran dachte, die BV zu übernehmen oder dort wenigstens einen beherrschenden Einfluss auszuüben. Hintergrund dieser Überlegungen, sich mit der BV eine Hausbank zu verschaffen, war, dass die in München ansässige Parteileitung sich für ihre Finanztransaktionen eines ortsansässigen Bankhauses bedienen wollte, dessen man sich in jeder Hinsicht sicher war. Bei den bestehenden Banken 131 Vgl. Wixroth, Dresdner Bank, S. 524. Vgl. auch unten. 132 Vgl. Loose, Deutsche Kreditinstitute in Polen, S. 234. Wixforth (Dresdner Bank, S. 524) weist darauf hin, dass im »Warthegau« schließlich fast das gesamte deutsche Okkupationsregime, d. h. Dienststellen der NSDAP, Reichsbehörden, der SD, die Gestapo, die Waffen-SS usw., ihre Konten und Geschäftskontakte über die Ostbank der Dresdner Bank laufen ließen. Zum, wie der NSDAP-Reichschatzmeister Schwarz formulierte, »konkurrenzmässigen Interesse« offenbar einer ganzen Reihe von NSGauleitern an der Arbeitsbank vgl. unten. 133 Zitat: »Strukturwandel bei der Bank der Deutschen Arbeit« (o.V.), in: Berliner Börsen-Zeitung vom 29. April 1944.

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schien dies dem NSDAP-Reichs­schatz­amt zweifelhaft, da »einerseits bei den in Frage kommenden Instituten die mit der Leitung betrauten Männer nicht das Vertrauen der Partei genießen und andererseits die Beziehungen dieser Institute entweder zufolge ihrer räumlichen Begrenzung oder zufolge ihrer Kompliziertheit nicht den von der Finanzverwaltung der Partei zu stellenden Forderungen genügen«.134 Die Wahl fiel auf die BV, weil diese durch »Arisierung« und Besitzerwechsel Ende der dreißiger Jahre schwer erschüttert worden war, mithin für eine Übernahme reif zu sein schien. Das nach NS-Kriterien »jüdische« Bankhaus Mendelssohn hatte Aktien im Wert von 4,2 Mio. RM an der BV gehalten. Bereits auf diese Aktien hatte das NSDAP-Reichs­schatzamt ein Auge geworfen. Sie fielen im Rahmen der »Arisierung« des Bankhauses Mendelssohn jedoch der Bank Merck, Finck & Co. zu,135 die diese ihrerseits dann überwiegend bei der Allianz und Münchner Rück plazierte.136 Der NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz hatte allerdings nicht nur auf diese Aktien seinen Blick gerichtet.137 Mehr noch interessierte ihn ein zweites, etwas kleineres Aktienpaket im Wert von 3,2 Mio. RM, das »Aktienpaket Reusch«; es handelte sich dabei um die – nach dem Lenker dieses Konzerns Paul Reusch benannte  – Beteiligung der Gutehoffnungshütte (GHH) an der BV.138 Auch diese Übernahme gelang nicht. 134 Vermerk Sauperts vom 19. März 1940, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 249-2, Bl. 3. 135 August v. Finck hat diesen Vorgang nach 1945 apologetisch zu seinen Gunsten umzudeuten versucht. Vgl. Besprechung mit den Herren v. Finck und v. Thelemann vom 10. März 1950, S. 4 f., nach: Heinrich VII. Reuss, Zur Geschichte der Bayerischen Vereinsbank, Teil II: Die Bayerische Vereinsbank im Dritten Reich 1933-1945. Versuch einer Dokumentation (Neufassung), München 1992 – Dokumentation (32 D). (Ich danke Johannes Bähr für den Hinweis auf diese wichtige Publikation.) Finck (1898-1980) war – u. a. – Teilhaber des Bankhauses Merck, Finck & Co. sowie im Aufsichtsrat zahlreicher Unternehmen. 1933 in die NSDAP eingetreten, gehörte er dem Präsidium der Akademie für Deutsches Recht und dem Generalrat der deutschen Wirtschaft an. Nach 1933 war er maßgeblich an »Arisierungen« beteiligt (u. a. der Bankhäuser Dreyfus in Berlin und Rothschild in Wien). Nach 1945 gehörte er zu den reichsten Männern der Bundesrepublik; u. a. gründete er 1965 die Deutsche Spar- und Kreditbank, München. 136 Vgl. Bayerische Vereinsbank im Dritten Reich – Dokumentation/Einleitung, S. 16, sowie Feldman, Allianz, S. 185 f. (der sich u. a. auf einen Vermerk von Saupert vom 13.  Febr. 1939 bezieht). 137 In der Perspektive des NSDAP-Reichsschatzamtes schien die Übernahme der ehem. Mendelssohn-Aktien durch die Allianz zudem jedenfalls anfangs noch nicht endgültig. Vgl. zwei Aktenvermerke Sauperts vom 9. März und 19. Juli 1939, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 249-1 bzw. 249-2. 138 Dieses Aktienpaket hatte für die BV insofern eine zentrale Bedeutung, weil zum GHH-Konzern auch die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) gehörte. Die MAN wiederum hatte als eines der wichtigsten reichsdeutschen Unternehmen im Maschinen- und Fahrzeugbau ebenso wie die GHH unter Paul Reusch die BV als Hausbank für Investments etc. genutzt. Obwohl die GHH 1938 zwar ihre Aktien an der Münchner Bank verkaufen musste und Reusch sowie zwei weitere Vertreter der GHH-Gruppe zum Rücktritt aus dem Aufsichtsrat der BV gedrängt wurden, gelang es, den wegen der erzwungenen Abgabe des Aktienpakets sich »zutiefst be-

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Die GHH wurde im März 1938 zwar aus der Münchner Bank herausgedrängt, ihr Aktienpaket Reusch anschließend jedoch treuhänderisch von der Bayerischen Gemeindebank übernommen. Da die NSDAP fürs Erste ihr Ziel einer Übernahme dieser Aktien verfehlt hatte, kam Anfang 1940 die Bank der Deutschen Arbeit ins Spiel. Nun versuchte sie, im Einvernehmen mit dem NSDAPReichsschatz­meister, von der Bayerischen Gemeindebank das Aktienpaket Reusch zu erwerben.139 Die Arbeitsbank scheiterte mit diesem Ansinnen indes gleichfalls. Maßgeblich war, dass sie das Geldinstitut der DAF war  – und die Arbeitsfront in »weitesten und maßgebendsten Kreisen« (nicht nur) der bayerischen Wirtschaft »grundsätzlich« auf entschiedene Ablehnung stieß. Nicht zuletzt Albert Pietzsch, einer der mächtigsten Kontrahenten der Deutschen Arbeitsfront, stellte sich in seiner Funktion als Präsident der Bayerischen Industrieund Handelskammer140 ent­schie­den gegen den Versuch der Arbeitsbank sowie der Ber­liner DAF-Führung, das Aktienpaket Reusch und »weitere Pakete zu erwerben«. Der bayerische Ministerpräsident und Wirtschafts- sowie Finanzminister Siebert vermutete zudem, dass die Übernahme der BV nur der erste Schritt zu

leidigt fühlenden« Reusch und mit ihm die GHH sowie MAN als Großkunden der Bayerischen Vereinsbank zu erhalten. Vgl. Reuss, Bayerische Vereinsbank im Dritten Reich, S. 15-18, Zitat: S. 18. In den letzten Kriegsmonaten veräußerte die Bayerische Gemeindebank das ›Aktienpaket Reusch‹ dann an das Bankhaus Lenz. Vgl. Besprechung mit den Herren v. Finck und v. Thelemann vom 10. März 1950, S. 2, in: ebd.  – Dokumentation (32 D). Vgl. zum ganzen Vorgang außerdem Johannes Bähr/Axel Drecoll/Bernhard Gotto (Hg.), Die Geschichte der Bayern LB, München/ Zürich 2008, S. 152 ff., sowie Johannes Bähr, GHH und M.A.N. in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit (1902-1960), in: ders./Ralf Banken/Thomas Flemming, MAN. Eine deutsche Industriegeschichte, München 2008, S. 231-371, hier: S. 295. Ungenau dagegen: Franz Steffan, Bayerische Vereinsbank 1869-1969. Eine Regionalbank im Wandel eines Jahrhunderts, München 1969, S. 286 ff. 139 So heißt es in einem Vermerk Sauperts vom 19. März 1940 (wie Anm. 134; Bl. 3 f.) etwas sybillinisch, dass »der Reichsschatzmeister dem Wunsche der Bank der Deutschen Arbeit, das Aktienpaket der Bayerischen Vereinsbank zu erwerben, zugestimmt hat«. Begründet wurde dies damit, dass erstens das DAF-Geldin­sti­tut ohnehin eine Bankpolitik im Sinne der NSDAP betrieben hätte und zwei­tens »durch eine entsprechende Einflussnahme dieser Bank [d. h. der Arbeitsbank, R.H.] auf die Bayerische Vereinsbank letztere sowohl personell als auch rein banktechnisch gesehen solche Änderungen erfahren würde, die den Reichsschatzmeister in die angenehme Lage versetzen würden, [dann auch die Bayerische Volksbank] mit der Durchführung seiner Dispositionen zu betrauen.« 140 Pietzsch (1874-1957), der 1910/11 die Elektrochemischen Werke München AG/Höllriegelskreuth gegründet hatte und seitdem (auch nach 1945) leitete, hatte 1925 die Bekanntschaft Hitlers gemacht und war 1927 in die NSDAP eingetreten. Seit 1933 war er »Vertrauensmann« und von 1934 bis 1936 Wirtschaftsberater im Stab des »Stellvertreters des Führers«. Von 1933 bis 1945 amtierte er sowohl als Präsident der IHK München als auch der Wirtschaftskammer Bayern. Im Dez. 1936 avancierte er zum Präsidenten der RWK.

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weiteren Übernahmen sein sollte. Er glaube, dass die DAF vorhabe, »das gleiche Experiment bei der Bayer. Hypotheken- und Wechselbank zu versuchen«.141 Im Spätsommer 1942 versuchte das NSDAP-Reichsschatzamt erneut  – und diesmal ohne Hilfe der Arbeitsbank der DAF –, die Herrschaft über das Münchner Geldhaus zu erlangen. Darüber hinaus wollte man die BV mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank verschmelzen. Vorgesehen war, dass Hans Saupert »neuer Generaldirektor der vereinigten Institute« werden sollte:142 Saupert war Stabsleiter des NSDAP-Reichs­schatzmeisters Schwarz und de facto dessen Stellvertreter.143 Aber auch der Versuch, Saupert als einen der mächtigsten Entscheidungsträger der Partei in München zum Chef dieser Landesbank in nuce zu machen, scheiterte – angesichts einer Phalanx aus reichsdeutschen wie bayerischen Wirtschaftskreisen und einflussreichen politischen Größen der »Bayerischen Ostmark«. Bemerkenswert ist die sich über vier Jahre hinziehende und schließlich erfolgreiche ›Abwehrschlacht‹ der Bayerischen Vereinsbank deshalb, weil die NSDAP-Reichsleitung entgegen dem eigenen Anspruch, in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft beherrschend zu sein, letztlich klein beigeben musste  – und ebenso die Deutsche Arbeitsfront, die auf den politischen Bühnen des Dritten Reiches gerade in den Jahren von 1938 bis 1942 eine wichtige Rolle spielte. Diese Nieder­lage zentraler politischer Akteure der NS-Diktatur muss man als Indiz für eine bleibend starke Stellung der Wirtschaft interpretieren, die auch das aus ideologischen Gründen heftig angefeindete etablierte Bankwesen einschloss. Allerdings wäre es verkürzt, aus diesen (und anderen) Vorgängen auf ein Primat der Ökonomie zu schließen, das sich gegenüber der »Politik« durchgesetzt habe. Auch die Kontrahenten von NSDAP-Reichsleitung und NSDAP-Führung waren als Präsidenten der Reichswirtschaftskammer, hohe Funktionsträger im 141 Vgl. Siebert (Anm. 125) in seiner Funktion als Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft an den Staatssekretär im RWM Friedrich Landfried vom 21. Febr. 1940, in: Reuss, Bayerische Vereinsbank im Dritten Reich (Dokumentation), S. 76 D/77 D. Zu Landfried vgl. Kapitel 10, S. 574 f. 142 Vermerk über den Besuch des Ministerialdirektors Dr. Riehle aus dem RWM bei der Bayerischen Vereinsbank am 25. Aug. 1942, in: Reuss, Bayerische Vereinsbank (Dokumentation), S. 136 D-141 D, Zitate: S. 138 D. Riehle bezog sich auf Gerüchte »angeblich bester Gewährsmänner« über die vermeintlich »un­mittelbar bevorstehende« Fusion. Diese Fusionspläne zwischen den beiden Münchner Regionalbanken waren wiederum Teilaspekte weitergehender Überlegungen zur Schaffung einer in Bayern hegemonialen Landesbank. 143 Saupert (1897-1966), Bankangestellter, war bis 1921 bei Freikorps und »Einwohnerwehren« im südwestdeutschen Raum aktiv. 1923 nahm er am Münchner Hitler-Putsch teil. 1925 in die Partei eingetreten, war er von Jan. 1931 bis Mai 1933 Reichsrevisor der NSDAP bzw. Chef der NSDAP-Reichsre­vi­sions­abteilung. Ab Mitte Mai 1933 fungierte er als Stabsleiter des Schatzmeisters der NSDAP, seit Juli 1933 außerdem als Leiter der Personalabteilung der Geschäftsstelle der NSDAP-Reichsleitung sowie als NSDAP-Ortsgruppenleiter der »Ortsgruppe Braunes Haus«. Seit Nov. 1933 SS-Mitglied (ab April 1938: SS-Brigadeführer), amtierte er von 1943 bis 1945 als »Reichsbeauftragter für Rauchwaren«.

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Reichswirtschafts- und Reichsfinanzministerium usw. nicht nur wirtschaft­liche Lobbyisten, sondern zugleich politische Akteure. Deutlich wird, dass sich Politik und Ökonomie während des Dritten Reiches nicht fein säuberlich voneinander abgrenzen ließen. Die auch in anderen politischen Systemen starken Überlappungen und Grauzonen zwischen beiden Sphären waren während der NS-Herrschaft breiter denn je. Die beschriebenen Vorgänge veranschaulichen zudem, dass sich unter dem Dach des »Nationalsozialismus« – als Ideologie wie als Bewegung – unterschiedlichste Interessen verbergen konnten. Nicht nur, dass sich die Bayerische Vereinsbank den Vereinnahmungsversuchen der NSDAP und Arbeitsbank erfolgreich entziehen konnte, auch dass die SS gegenüber der DAF und der Arbeitsbank auf Distanz ging und sich die Dresdner Bank zur Hausbank erkor, und ebenso das Bemühen der anderen (privaten) Großbanken, ihrerseits enge Kontakte zu den NS-Organisationen sowie einflussreichen Entscheidungsträgern des Regimes herzustellen, erklärt sich aus dem eigentümlich charismatisch-poly­kratischen Charakter des NS-Regimes. Die ökonomische wie die politische Sphäre waren unter der Hitler-Diktatur von zahllosen Konkurrenzen durchzogen, die sich vielfältig miteinander verbanden und oft genug verstärkten. Hinzu trat ein gerade in wirtschaftspolitischen Dingen ausgeprägter Pragmatismus des NS-Regimes, der vom Bewusstsein der politischen Protagonisten getragen war, dass die etablierten Strukturen nicht allzu stark und nachhaltig gestört werden durften, wollte man nicht gravierende negative Auswirkungen auf die politischen und militärischen Entwicklungen riskieren. Der Arbeitsbank wie überhaupt dem DAF-Konzern blieben damit Grenzen gezogen, die freilich nicht eindeutig markiert waren und je nach Konstellation verschoben werden konnten. Parteinähe, Amtsanmaßungen – und die Ängste der Konkurrenz Die vorstehenden Ausführungen haben außerdem deutlich gemacht, dass die Nähe zur DAF keineswegs zwangsläufig zum Vorteil der Bank der Deutschen Arbeit ausschlug. Dass das der Arbeitsbank anhaftende Image der Parteinähe freilich auch in starkem Maße positive Effekte hatte, lässt sich ebenso wenig bestreiten. Während die meisten Großunternehmen um die Bank der Arbeitsfront bis in die ersten Kriegsjahre hinein einen Bogen schlugen und auch die Granden unter den führenden Nationalsozialisten wie Hitler, Göring, Rosenberg oder Himmler als Privatkunden das DAF-Geld­institut mieden,144 scheinen 144 Göring und Funk hatten ihre persönlichen Konten bei der August Thyssen-Bank (Berlin), Hitler und ebenso Rosenberg ihre Privatkonten beim Bankhaus Delbrück, Schickler & Co. (Berlin). Himmler schließlich besaß ein Privatkonto bei der Privat­ bank J. H. Stein (Köln), d. h. der Bank des nationalsozialistischen Privatbankiers Kurt von Schröder (dessen politisch exponierte Rolle 1932/33 bekannt ist), sowie ein weiteres Konto bei der Dresdner Bank in Berlin. Vgl. hierzu: David R.  L. Litchfield, Die Thyssen-Dynastie. Die Wahrheit hinter dem Mythos, Oberhausen 2008, S. 245 f.; Bähr, Dresdner Bank, S. 485, 492 f.; ferner z. B. Houston Writes, Reemtsma. Von der

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viele einfache deutsche »Volksgenossen«, die sich besonders linientreu gerierten, ihren Spargroschen bevorzugt zur Arbeitsbank getragen und dort auch Kredite, Hypotheken etc. aufgenommen zu haben. Dass die Arbeitsbank gegenüber den ›ein­f achen Leuten‹ ihr Image der NS-Nähe zu nutzen verstand und die Möglichkeiten, die die Verflech­tung mit der DAF mit sich brachten, nicht ungenutzt verstreichen ließ, brachte die Konkurrenten in Harnisch. Zweigniederlassungen der Arbeitsbank, beklagte sich Funk Mitte 1941 gegenüber Ley, hätten beispielsweise im Ruhrgebiet ab 1938 in Werbeschreiben mit dem Signum »auf Empfehlung der DAF, Gauleitung Westfalen Süd, Bochum« geworben. Kreiswal­tungen der Arbeitsfront hätten ihrerseits in ihren Rundschreiben an die Betriebe behauptet, dass Unternehmenskonten bei der Bank der Deutschen Arbeit Pluspunkte im Rahmen des von der DAF alljährlich durchgeführten »Leistungskampfes der Betriebe« nach sich zögen.145 Ähnliche Berichte, so Funk, lägen für die Folgezeit auch aus Südwestdeutschland oder Schlesien vor.146 Auch aus anderen Landesteilen kamen derartige Klagen.147 Illegitime schriftliche Werbung war nur die Spitze eines viel größeren Eisberges. Weit häufiger würden, so Funk, Unternehmen »Einwirkungen von Amtsstellen der Deutschen Arbeitsfront oder ihrer Amtsträger in mündlicher Form oder bei Vorträgen« dem Druck ausgesetzt werden, bei der Arbeitsbank Konten zu eröffnen.148 Auch der Reichskommissar für das Kredit- bzw. Bankgewerbe Friedrich Ernst149 beschwerte sich mehrfach über

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Feldzigarette zur Wehrmachtsausstellung, Selent 2001, S. 72; Steinberg/Barkai, Deutsche Bank, S. 22. Diese retrospektiv merkwürdig anmutende Drohung war ein durchaus effizientes Druckmittel. Denn das »Goldene Zahnrad« als Logo für Auszeichnungen im Rahmen des »Leistungskampfes der Betriebe« besaß – ähnlich wie das KdF-Signum – eine beträchtliche Werbekraft. Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109), die folgenden Zitate: Bl. 6 bzw. Bl. 30 und Bl. 41. Der Vorstandsvorsitzende des DAF-Geldinstitutes vermutete hinter den Vorwürfen Funks eine Intrige der Konkurrenz und erklärte, »es wäre gut, wenn die Herren Ministerialräte, Ministerialdirigenten und Ministerialdirektoren nicht jeden Unsinn, den ihnen die Großbankdirektoren in ihrem Hass gegen die Arbeitsbank vorschwätzen, glauben würden.« Rosenhauer an Strauch (als Chef der TWU) vom 17. Juni 1941, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 32-36, hier: Bl. 35. Vgl. Niederlausitzer Bank AG (Cottbus) an das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen vom 12. Juni 1941, in: ebd., Bl. 39-42. Zu Klagen der Commerzbank über das Auftreten der Arbeitsbank vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 11. Bei »Betriebsführerschulungen« oder Bewerbungen um Auszeichnungen im Rahmen des »Leistungskampfes der Betriebe« seien »die einzelnen Betriebsführer [des Öfteren] befragt worden, bei welchen Kreditinstituten und in welcher Höhe sie Bankkredit in Anspruch nehmen und welche Zinsen sie dafür zu zahlen haben.« Vgl. Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109), Bl. 7 bzw. Bl. 31 und Bl. 42. Ernst (1889-1960), 1919 bis 1931 im preußischen Finanz- und Handelsministerium, war – im Zuge der Bankenkrise – zum Leiter der per Notverordnung vom 19. Sept. 1931 geschaffenen Behörde »Reichskommissariat für das Bankgewerbe« (später: »für das Kreditwesen«) ernannt worden. Ende 1939 gab er das Amt des Reichsbankenkommissars ab und fungierte bis 1941 als »Reichskommissar für die Verwaltung feindlichen Ver­mögens«. Danach ging er in die ›freie Wirtschaft‹ und wurde Mitinhaber des

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den massiven Druck, den die DAF auf Unternehmer ausübte, damit diese die Dienste der Arbeitsbank in Anspruch nahmen.150 Darüber hinaus versuchte das DAF-Geldinstitut seine Marktanteile zumindest zeitweilig durch einen Verdrängungswettbewerb zu vergrößern. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Hans Rummel klagte im Mai 1941 über die »skrupellosen Unterbietungen« der Arbeitsbank, der Reichswirtschaftsminister sprach im Juli 1941 von »Marktkonditionsunterbietung« durch die Arbeitsbank, mit der diese den etablierten Banken Kunden abspenstig machte.151 Aus dem Vorstandssekretariat der Arbeitsbank wurden die Vorwürfe Funks, die Bank betreibe eine unseriöse Geschäftspolitik, in einem Schreiben an das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen vom 7. Juli 1941152 zwar entschieden zurückgewiesen. Tatsächlich jedoch dürften die Vorwürfe, dass die Arbeitsbank Kredite zu niedrigeren Zinsen und günstigeren Laufzeiten anbot und neben dem WHW und der NSV auch Kleinsparern eine höhere Verzinsung als die Konkurrenz offerierte, nicht gänzlich aus der Luft gegriffen gewesen sein. Daran waren die Berliner Großbanken selbst schuld: Sie hatten – mit der Arroganz der etablierten Geldhäuser – die Arbeitsbank entgegen deren Wunsch nicht in die »Stempelvereinigung« aufgenommen, d. h. in eine Art informelles Kartell, das für die Beteiligten auch die Zinsobergrenze für Einlagen festlegte. Die Bank der DAF konnte deshalb, wie ein Mitarbeiter nach 1945 feststellte, »in ihren debitorischen Zinskonditionen billiger wie die anderen Banken sein«.153 Im Übrigen war es kein Zufall, dass sich Klagen der etablierten Konkurrenz über die Arbeitsbank nach dem für das nationalsozialistische Deutschland erfolgreichen »Frankreichfeldzug« häuften: Die Arbeitsbank wollte sich offenbar in eine günstige Marktposition angesichts des kurzfristig erwarteten nationalsozialistischen »Endsieges« manövrieren. Mit Argusaugen beäugten die konkurrierenden Großbanken und ihnen nahestehende Amtsträger der Diktatur außerdem den Eifer, mit dem die DAF als politische Organisation Informationen über die einzelnen Betriebe sammelte, und ebenso die Verquickung von politischen und Unternehmens­f unktionen maßgeblicher DAF-Funk­tio­näre sowie die Aufsichtsfunktionen, die diese sich

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Bankhauses Delbrück, Schick­ler & Co. 1948 war Ernst als Leiter der Währungsreform maßgeblich an der Einführung der »DM« beteiligt. Von 1949 bis zur Gründung der Bundesbank übernahm er den Vorsitz der Berliner Zentralbank. Von 1952 bis 1958 leitete er den »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung« beim Gesamtdeutschen Ministerium. Er besaß auch sonst in der frühen bundesdeutschen Industrie erheblichen Einfluss, u. a. als Aufsichtsratsvorsitzender der AEG. Vgl. Smelser, Hitlers Mann, S. 165, Anm. 55. Memorandum Rummels vom 20. Mai 1941 (nach: Weihe, Personalpolitik, S. 28), sowie Funk an Ley vom 31. Juli 1941, (Anm. 109), Bl. 6. In: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 15-18. Vgl. undatiertes, namentlich nicht gekennzeichnetes »Exposé über die Bank der Deutschen Arbeit A.G. Berlin« (S. 19), das nach dem Frühjahr 1945, möglicherweise von einem Vorstandsmitglied der Arbeitsbank, für die Alliierten abgefasst wurde. In: BA Koblenz, Z 45 F, 2/199/8 (Kopie aus den US National Archives).

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anmaßten. Sie hatten für ihr Misstrauen auch allen Grund: Als »charismatischer Verwaltungsstab« zeichnete sich die Arbeitsfront nicht durch präzise Kompetenzabgrenzungen zwischen den Ämtern und penible Arbeitsteilungen aus. Überdies vereinigten hohe Entscheidungsträger der Arbeitsfront unterschied­ liche Funktionen in ihrer Person. Ein Beispiel dafür ist Rudolf Lencer. Dieser besuchte in seiner Funktion als Leiter der Reichsbetriebsgemeinschaft bzw. des Fachamtes »Banken und Versicherungen« der Arbeitsfront allein im Jahre 1938 vierhundert Banken.154 Es war keineswegs bloß einem besonderen Argwohn der Konkurrenz geschuldet, wenn diese mutmaßte, Lencer würde dabei gewonnene Erkenntnisse nicht nur im Rahmen ›seiner‹ Reichsbetriebsgemeinschaft auswerten, sondern für die Arbeitsbank nutzen, in deren Vorstand er ab 1938 eine zentrale Rolle zu spielen begann. Zu Misstrauen gaben außerdem die »Betriebskarteien« der Reichsbetriebs­ gemeinschaften bzw. Fachämter sowie der Gauwaltungen der Arbeitsfront Anlass. Für diese Karteien sammelten die DAF-Funk­tio­näre vor Ort penibel alle erreichbaren Informationen. Welche Menge an Informationen dadurch zusammenkam, lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass die Arbeitsfront Ende 1936 insgesamt etwa 32.000 und Mitte 1942 schließlich ungefähr 49.000 hauptamt­ liche Funktionäre beschäftigte sowie daneben über knapp zwei Millionen ehrenamtliche Amtsträger vor allem in den Betrieben verfügte – und diese wesentlich damit beschäftigt waren, Informationen über die einzelnen Unternehmen zu sammeln und zu systematisieren.155 Nicht zuletzt in den Großbanken war die Zahl der DAF-Funk­tio­nä­re hoch.156 Die Reichsbetriebsgemeinschaft »Banken und Versicherungen« verfügte aufgrund ihrer Betriebskartei laut Lencer bereits im Jahre 1936 über Informationen, die es erlaubten, ein differenziertes »Urteil für fast 42.000 deutsche Bank- und Versicherungsbetriebe« abzugeben. Bei den gesammelten einzelbetrieblichen Daten handele es sich nicht, so Lencer, »um ein totes Blatt Papier«. Vielmehr sei in der Kartei »die lebendige Gestaltung der Betriebe festgehalten«; sie ermögliche es der Arbeitsfront, sich »sozialpolitisch und wirtschaftlich ein Bild von der Kraft« des jeweiligen Unternehmens zu ma154 Weihe, Personalpolitik, S. 68. 155 Vgl. Hachtmann, Koloss, S. 349 (Tab. 4). Die meist in den Gauwaltungen lagernden Betriebsberichte sind in der Regel entweder vollständig oder bis auf wenige Splitter vernichtet. Lediglich von der DAF-Gauwaltung Bayerische Ostmark sind größere Bestände erhalten, deren Umfang eine Ahnung von den Datenmengen erlaubt, die die Arbeitsfront sammelte. Vgl. z. B. StA Bamberg, M 30, Nr. 149 (über die Betriebsbesuche des Arbeitsgebietswalters 1939) oder M 30, Nr. 731, Teil 3 und 4 (Jahresberichte der DAF-Betriebsobmänner 1937 bis 1940). Zusätzliche Informationen boten die Erhebungen, die die Arbeitsfront im Rahmen ihrer bis 1944 durchgeführten »Leistungskämpfe der Betriebe« durchführte. 156 Die Zentrale der Deutschen Bank zählte 1935 348, ein Jahr vor Kriegsbeginn dann 400 DAF-Betriebswalter. In der Commerzbank lag die Zahl der betrieblichen Funktionäre 1939 bei 250. Dies war ein DAF-Amtswalter auf ungefähr 45 Mitarbeiter der Deutschen Bank bzw. etwa 30 Mitarbeiter der Commerzbank. Vgl. Weihe, Personalpolitik, S. 72 bzw. S. 80.

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chen.157 Angesichts der Verquickung von politischen und ökonomischen Interessen, die bei Leuten wie Lencer auf der Hand lag, war es nur logisch, dass die konkurrierenden Banken und ebenso die privaten Versicherungsgesellschaften sowie die Unternehmen auch der anderen Branchen, in denen der DAF-Kon­ zern Aktivitäten entfaltete, die Daten-Sammelwut beargwöhnten, die die Arbeitsfront an den Tag legte. Misstrauisch machte auch die auffallend intensive Kooperation zwischen Arbeitsfront und Statistischem Reichsamt. So führte die DAF mit der staatlichen Behörde gemeinsame Erhebungen zu den Lebensverhältnissen von Arbeitern durch;158 außerdem veranlasste sie das Statistische Reichsamt zu einzelbetrieblichen Erhebungen.159 Dahinter witterten die Repräsentanten privater Banken und ebenso die Vorstände oder Eigner von Unternehmen anderer Wirtschaftszweige gleichfalls eine Bedrohung der arbeitsrechtlich sanktionierten, uneingeschränkten Autonomie des »Betriebsführers«. Zu Recht, denn die Amtsverschwiegenheit der mit der Datenerhebung befassten Behörden war nach 1933 immer weniger selbstverständlich und eine missbräuchliche Verwendung von offiziell für die Erstellung von Statistiken gewonnenen Informationen keineswegs ausgeschlossen.160 Angesichts dieser und weiterer Klagen der Privatwirtschaft über das Geschäftsgebaren des DAF-Geldinstituts und eine unlautere, an Nötigung grenzende Werbung von Funktionsträgern der Arbeitsfront für die Bank der Organisation versprach Otto Marrenbach als Geschäftsführer und einer der beiden Stellvertreter Leys, »er würde durch Anweisungen an die Dienststellen der DAF dafür Sorge tragen, dass diese sich völlig aus dem Wettbewerb der Bank der Deutschen Arbeit heraushalten«. Auch Rosenhauer als der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsbank »sagte zu, dass künftig den bestehenden Vorschriften gemäss verfahren würde«.161 Lencer als der ›starke Mann‹ der DAF-Bank und Anfang 1943 der Nachfolger Rosenhauers suchte die Gemüter zu beruhigen, indem er 157 Nach: ebd., S. 68. 158 Vgl. vor allem die 1936/37 vom Statistischen Reichsamt und vom Arbeitswissenschaftlichen Institut gemeinsam durchgeführten und von der DAF finanzierten Erhebungen von dreitausend Arbeiterhaushaltungen, die beide in ihren jeweiligen Publikationsorganen ausführlich vorstellten. Ausführlich: Karl-Heinz Roth, Intelligenz und Sozialpolitik im »Dritten Reich«. Eine methodisch-historische Studie am Beispiel des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der Deutschen Arbeitsfront, München usw. 1993, S. 61 ff., 130, 254. 159 So bereits 1934 zu einer Erhebung über Bankangestellte. Vgl. Weihe, Personalpolitik, S. 68. 160 Zu diesem Problem (exemplarisch für Lohnerhebungen): Hachtmann, ­Industriearbeit, S. 121 ff. 161 Vermerk des Vizepräsidenten der Reichsbank und Ministerialrats im RWM Kurt Lange vom 30. April 1941 über eine Besprechung zwischen ihm, O. Marrenbach, C. Rosenhauer sowie einem weiteren Direktor der Reichsbank (Dr. Witte) über Verstöße der Bank der Deutschen Arbeit gegen das Kreditwesengesetz, am 28. April 1941, in: RGVA Moskau, Nr. 1458-1-434.

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gleichfalls »seine schärfste Missbilligung« unzulässiger »Werbemethoden« seitens der Arbeitsfront für die Bank aussprach und »betont[e], dass die Bank der Deutschen Arbeit Einflussnahme seitens der DAF bei dem Zustandekommen von privaten Geschäftsverbindungen ablehnt«.162 Faktisch änderte sich jedoch nichts. Entgegen den Versicherungen von Marrenbach, Rosenhauer und Lencer, die Arbeitsbank würde ihre besonderen Beziehungen zur DAF nicht zur Werbung neuer Kunden einsetzen, nutzte die Bank der Deutschen Arbeit auch in der zweiten Kriegshälfte die Nähe zur Arbeitsfront, um ihre Marktanteile auszubauen. Von der Dresdner Bank kam im Oktober 1944 die Beschwerde, »dass ein Vertreter der Bank der Deutschen Arbeit Industriefirmen mitteilte, dass sie zum Gaudiplom bzw. Musterbetrieb so lange nicht vorgeschlagen werden könnten, als sie sich nicht die Freundschaft der Deutschen Arbeitsfront durch Aufnahme einer Verbindung mit der Bank der Deutschen Arbeit A.G. gesichert hätten«. Die Arbeitsbank hätte sich an die für die Großbanken geltenden Wettbewerbsbestimmungen »nie gehalten und ihre Sonderstellung zur Deutschen Arbeitsfront« für den Abschluss lukrativer Geschäfte »sehr oft ausgenutzt«.163 Wenn die zentralen Akteu­re auf Seiten der Arbeitsbank die geschilderten und weitere Vorwürfe letztlich an sich abperlen lassen konnten, dann verweist dies erneut auf die herausgehobene Stellung Robert Leys als »charismatischer Jünger« Hitlers und die seines »charismatischen Verwaltungsstabes« Deutsche Arbeitsfront. Selbst Reichsminister wie Funk, der mit seiner Intervention von 1941 einem angeblich auf die Arbeitsbank zurückgehenden »wilden Konkurrenzkampf im Kreditgewerbe« und ihrem »Eindringen in den Kundenkreis anderer Kreditinstitute« einen Riegel vorschieben wollte,164 sowie volks- und finanzwirtschaftlich herausragende Sonderkommissare wie Ernst konnten der Stellung und Politik Leys und ›seiner‹ DAF letztlich nichts anhaben. Der Chef der Arbeitsfront und gleichzeitige NSDAP-Reichs­organi­sationsleiter war weit mächtiger als Funk, weil er das Vertrauen des »Führers« genoss und – von wenigen Phasen vor allem in der zweiten Hälfte des Krieges abgesehen – unmittelbaren Zugang zu Hitler besaß. Das zeigte sich z. B. Mitte 1941. Funks ungeschicktes Verhalten, seine oben referierte Kritik an der Arbeitsbank an sämtliche NSDAP-Gauleiter und -Gauwirtschaftsberater weiterzugeben, brachte nicht nur Ley, der dahinter wohl nicht zu Unrecht die Absicht einer bewussten Schädigung der Bank der Deutschen Arbeit witterte, auf das heftigste gegen den Reichswirtschaftsminister auf, sondern ebenso den NSDAPReichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz. Er teile, erklärte Schwarz, die »schwe162 Reichsgruppe Handel (Hauptgeschäftsführer Ohlendorf ) an Staatssekretär Landfried im RWM vom 11. Juli 1942, in: RGVA Moskau, Nr. 1458-1-434. 163 »Bericht betr. Bank der Deutschen Arbeit A.G.«, o.V. (vermutlich von einem Mitarbeiter der Dresd­ner Bank), vom 5. Okt. 1944, S. 4, in: Sächsisches Hauptstaats­archiv Dresden (HStA Dresden) VII.6.01, Nr. 6896. (Dank an Johannes Bähr für den Hinweis auf diese Quelle.) 164 Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109), Bl. 3 f.

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ren Bedenken« Leys165 gegen Funk, dessen »Auslassungen« ihn mit »grösserer Sorge« erfüllten. Völlig unverständlich sei, dass Funk seine Beschwerden auch allen NSDAP-Gauwirtschaftsberatern in schriftlicher Kopie zugesandt habe, denn die seien oft »konkurrenzmässig an der Bank der Deutschen Arbeit erheblich interessiert«, was (wie schon Ley befürchtete) »katastrophale Folgen für die Bank der Deutschen Arbeit in sich bergen« könne. Zugleich stellte Schwarz der Arbeitsbank grundsätzlich ein ausgesprochen positives Leumundszeugnis aus; deren innere Verfassung sei besser als die der anderen Geschäftsbanken.166 Funk hatte mit seiner Beschwerde über die Geschäftspraktiken der Arbeitsbank wider Willen ein Bündnis von Schwarz und Ley gegen sich selbst gezimmert. Mit seiner Kritik stärkte er zudem ungewollt seinen Kontrahenten Ley; denn Funk bestärkte Schwarz darin, darauf zu verzichten, der Finanzverwaltung der DAF genauer auf die Finger zu schauen, obwohl er seit einer Hitler-Verordnung vom 29. März 1935 das Recht dazu hatte. Auch in der Folgezeit konnte die Arbeitsbank ungehindert expandieren. Unter politischem Vorzeichen: die Anlagepolitik Spätestens 1937/38 begann die Arbeitsbank trotz des bleibend hohen Stellenwerts der Kleinkonten immer stärker ihren ursprünglichen Charakter als eine Art Arbeiter-Spar­kasse zu verlieren. Dies zeigt nicht zuletzt der Blick auf die Anlagepolitik des DAF-Geld­instituts (Tabelle 1.3). Wenn man vom Kauf von Staatspapieren, d. h. der Finanzierung der Aufrüstung, durch die spätestens ab 1939 der größte Teil der Einnahmen der Arbeitsbank absorbiert wurde, absieht, finanzierte die Bank vor allem die Unternehmungen der DAF. Das galt bis in den Krieg hinein.167 Ley verhielt sich da­bei wie ein Firmenpatriarch klassischer Schule. So erklärte er auf der einen Seite mit großer Geste, dass er ohne die Bank der Deutschen Arbeit den Auftrag für die Errichtung eines Volkswagenwerkes gar nicht erst hätte übernehmen können.168 Auf der anderen Seite aber zeigte er auch ein Minimum an betriebswirtschaftlichem Sachverstand, als er sich ge­ genüber dem Reichswirtschaftsministerium weigerte, die Arbeitsbank über die ohnehin gewährten umfänglichen Kredite hinaus weitere Millionenbeträge für den Aufbau des Volkswagenwerkes zur Verfügung stellen zu lassen; denn diese 165 Ley hatte in einem Schreiben an Funk vom 4. Juli 1941 diesem schweres geschäftsschädigendes Verhalten gegenüber der Arbeitsbank vorgeworfen, das »sich mit den sich gleichzeitig entwickelnden Gerüchten für die Bank katastrophal auswirkt«, und gefordert, dass der RWM »eine eindeutige Erklärung abgibt, die das Ansehen der Bank wiederherstellt. « In: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 20-27, Zitate: Bl. 20, 27. 166 Alle Zitate aus: Schwarz an Ley vom 19. Juli 1941, in: ebd., Nr. 736, Bl. 12-14, bzw. in: ebd., Nr. 804, Bl. 49-51. 167 Ab 1942 wuchs dann der Anteil der Kredite für Rüstungs-, Rohstoffunternehmen sowie solche, die zur Ausplünderung Süd- und Südosteuropas gedacht waren – auf Kosten nicht zuletzt der unmittelbaren Kredite für DAF-Unternehmen. Vgl. unten. 168 Vgl. Ley an Funk vom 24. Mai 1941, in: ebd., Nr. 736, Bl. 52-59, hier: Bl. 56, bzw. in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337 (S. 5).

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hätten die Existenz des Geldinstitutes vermutlich zwar nicht unmittelbar in Frage gestellt, aber seine Handlungsmöglichkeiten doch empfindlich ­beschnit­ten.169 Neben dem Volkswagenwerk finanzierte die Arbeitsbank auch etliche andere Projekte der DAF, indem sie Kredite zur Verfügung stellte oder unmittelbar Anteile an Industrieunternehmen erwarb, an denen die DAF interessiert war.170 Die Vorhaben der DAF-Wohnungs­bauge­sellschaf­ten sowie nicht zuletzt das 1936 begonnene »Seebad der 20.000«, Prora nahe Binz auf Rügen, wurden ebenfalls wesentlich mit Hilfe der Bank der Deutschen Arbeit finanziert.171 Noch im letzten Kriegsjahr stellte das Kreditinstitut der Arbeitsfront zwei Tochtergesellschaften der »Bauhilfe« der DAF, der Baustoffwerk GmbH in Berlin und der Baustoffwerk GmbH in Teupitz, einen Kredit von 1,1 Mio. RM zur Verfügung.172 Ferner wurde die Arbeitsbank ab 1941 zur Finanzierung der Umwandlung der Konsumgenossenschaften in die Einzelhandelskette Deutsches Gemeinschaftswerk heran­gezogen. Um die nach der Auflösung der Konsumvereine verbliebenen Spareinlagen an die ehemaligen Mitglieder der Verbrauchergenossenschaften auszahlen, aber auch Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt mehr als 65 Mio. RM vergeben zu können, nahm das Gemeinschaftswerk bei der Arbeitsbank Kredite in Höhe von 20 Mio. RM auf.173 Gleichzeitig scheint die Arbeitsbank zur Finanzierung des Ausbaus der »Versorgungsringe« des Deutschen Gemeinschaftswerks hinzugezogen worden sein. Schließlich stellte das Bankhaus der Ar-

169 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 206. Dass bei weiteren Krediten die Arbeitsbank erhebliche Probleme gehabt hätte, wird durch den Bericht Nr. 12293 der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1939 bestätigt. In: BA Berlin, R 8135, Nr. 2406, Bl. 15. Bis dahin jedoch sei die Kreditvergabe »ohne weiteres intakt« geblieben. 170 So z. B. Spinnerei und Weberei AG im sächsischen Ebersbach. In diesem Fall erwarb die Arbeitsbank für die DAF eine Minderheitsbeteiligung; die anderen Anteile hielten die Sächsische Staatsbank sowie mehrere sächsische Textilunternehmen. Interesse hatte die DAF an dem Ebersbacher Textilunternehmen, weil sie mit ihrem Wissenschaftsimperium, das sie in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre aufzubauen begann, auch in der Bastfaserforschung engagiert war und eine industrielle Verwertung dieses Ersatzstoffes ins Auge fasste. Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, Bd. 2, S. 705 f. 171 Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 173 f.; Schneider, Hakenkreuz, S. 236; Kreutzmüller/ Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 7. Dass die Bauunternehmungen der DAF im Zentrum der Kreditvergabe der Arbeitsbank standen, lässt sich ihrer Verteilung nach Branchen entnehmen: Danach gingen fast ein Drittel (32,6 %), d. h. der mit Abstand größte Posten, sämtlicher vom DAF-Geldinstitut 1939 gewährten Kredite in die Bauwirtschaft. Angaben nach: Bericht Nr. 12293 der Revisions- und Treuhand AG zum 31. Dez. 1939 (Anm. 169), Bl. 19. 172 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG über die Prüfung des Jahresabschlusses der Bank der Deutschen Arbeit zum 31. Dez. 1944, vom 30. April 1945, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613, Bl. 10. 173 Vgl. Kapitel 6, S.  399.

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beitsfront der Deutsche Nationaltheater AG gegen Kriegsende einen Kredit von 1,1 Mio. RM zur Verfügung, vermutlich zur Beseitigung von Kriegsschäden.174 Darüber hinaus waren die Dienste der Arbeitsbank für finanzielle Transaktionen der NSDAP und parteinaher Organisationen und Einrichtungen von erheblicher Bedeutung, z. B. für den erwähnten Erwerb des Ullstein-Verlages durch den Eher-Verlag 1934. Die NSDAP-Reichsleitung verfügte bei der Arbeitsbank außerdem über mehrere frei disponible Verrechnungskonten, die ihr je nach Gusto die Aufnahme auch hoher (und vermutlich niedrig verzinster) Überziehungskredite erlaubte.175 Zu den ›politischen‹ Krediten im weiteren Sinne kann man schließlich solche rechnen, die nur unter den spezifischen Vorzeichen des NS-Systems denkbar waren. Dazu gehören alle finanziellen Transaktionen im Rahmen von »Arisierungen«, an denen (wie dargestellt) auch die Arbeitsbank in größerem Umfang beteiligt war. Zu ›politischen Krediten‹ im weitesten Sinne sind auch die Konsortialkredite zu zählen, die für den Auf- und Ausbau riesiger Industriekomplexe vorgesehen waren, mit denen die Ausbeutung vor allem von Rohstoffvorkommen in den besetzten ost- und südosteuropäischen Gebieten geplant war.176 Gerade an ihnen wird freilich auch deutlich, wie künstlich die Trennung in politische und ökonomisch-normale Kredite ist. Sie unterschieden sich grundsätzlich nicht substantiell von den Krediten, die in klassischen Kolonialzeiten für die Gründung von Bergwerken, Großplantagen usw. und nach 1945 zum Aufbau von Industrien in Ländern der sog. Dritten Welt unter neo­kolonialen Vorzeichen gewährt wurden. Symptomatisch war denn auch, dass die Arbeitsbank als besonders parteinahe Bank zwar an einer Reihe solcher Konsortialkredite beteiligt war, die Führerschaft dieser Kredite (d. h. die Organisation und Verteilung der Quoten) jedoch in der Regel von den alteingesessenen Großbanken, also der Deutschen, der Dresdner und der Commerzbank übernommen wurde. Auf einer grundsätzlichen Ebene allerdings zog die Bank der Deutschen Arbeit (auch) in ihrer Anlagepolitik mit den Großen Drei tendenziell gleich. Obwohl sie allzu große Risiken scheute, wie die Verweigerung der Kredite für das SS-Klinkerwer­k bei Buchenwald bzw. Oranienburg zeigt, wurde das Kreditins­ titut der DAF nichtsdestotrotz in neue Geschäftsfelder »direkt hineingetrieben, denn das Geld, welches früher durch ruhigere Bahnen floss, musste nun auf jeden Fall untergebracht werden«, so das Resümee eines führenden Mitarbeiters einer der konkurrierenden Großbanken im Herbst 1944 über die Geschäftspraxis der Arbeitsbank. Dies wiederum bedeutete, dass die Bereitschaft zu einer riskanteren Kreditvergabe wuchs. Eine Anlage allein der riesigen Summen, über die die 174 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 10. 175 Dies lässt sich daraus schließen, dass das »Verrechnungskonto II«, das die NSDAPReichsleitung bei der Berliner Zentrale der Arbeitsbank besaß, bei Kriegsende mit exakt 466.363,10 RM überzogen war. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisionsund Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 11. 176 Vgl. unten.

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Arbeitsfront aus den Mitgliedsbeiträgen verfügte, sei (heißt es in dem Memorandum von 1944 weiter) »nur möglich durch das Eindringen in die private Wirtschaft, denn die Gelder konnten allein durch die Finanzierung der Deutschen Arbeitsfront nicht untergebracht werden«. Die Arbeitsbank musste sich durch dieses, ihr geradezu aufgenötigte »Gebaren […] wohl oder übel auf das Gebiet der Großbanken begeben und nahm dadurch einen Charakter an, der mit dem der sonstigen Großbanken verglichen werden kann«.177 Es war vor diesem Hintergrund nur logisch, dass sich die Arbeitsbank während des Krieges dann an diversen Projekten der deutschen Besatzungsbehörden bzw. riesiger Konsortien in den okkupierten Gebieten beteiligte. Den mit Abstand größten Teil der ihr zufließenden Gelder steckte die Arbeitsbank, ebenso wie ihre privaten Konkurrenten, in Staatsanleihen (Tabelle 1.4), mithin in die unmittelbare Finanzierung der Aufrüstung bzw. des Krieges. Expansionismus der Arbeitsbank und Verbandsimperialismus der DAF: zwei Seiten derselben Medaille Auf der einen Seite wurde die Arbeitsbank zu einer tendenziell normalen Großbank, auf der anderen Seite behielt sie Eigenschaften eines parteinahen Geld­in­ stitutes. Vor allem in zweierlei Hinsicht spiegelte die Arbeitsbank den Charakter ihrer Mutterorganisation, der DAF. Dies war zum einen ein besonders ausgeprägtes Expansionsstreben, das deutlich stärker als bei den übrigen Großbanken ausgebildet war. Aufschlussreich ist der vergleichende Blick insbesondere auf das Bilanzvolumen sowie die Höhe der Einlagen (Tabelle 1.3): 1938 hatte hier das Geldinstitut der Arbeitsfront weit abgeschlagen nicht nur hinter der Deutschen und Dresd­ner Bank, sondern auch der Commerzbank und der Reichskreditanstalt auf Platz 5 der Großbanken gelegen. Bis 1942 hatte sie die Commerzbank und die Reichskreditanstalt überholt und stand nun auf Platz 3. Ihre Einlagen hatte die Bank der Deutschen Arbeit zwischen 1938 und 1943 fast verzehnfacht und damit die Konkurrenz – die die Summe der Kreditoren und Spareinlagen nur verdoppeln oder verdreifachen konnte – (relativ) deutlich abgehängt. Ihre jährliche Bilanzsumme steigerte die Arbeitsbank zwischen 1935 und 1943 sogar um mehr als das Fünfzehnfache, während alle anderen Banken ihr Bilanzvolumen pro Jahr während desselben Zeitraumes (von einem freilich deutlich höheren Basiswert aus) nicht einmal verdreifachen konnten. Bemerkenswert ist diese Entwicklung in dreierlei Hinsicht: Erstens zeigt sich an beiden Indikatoren, in welchem Maße die Bank von der Finanzkraft der DAF, NSDAP usw. profitierte. Zweitens drückt sich darin aus, dass das DAF-Geldinstitut in seiner Rolle als Arbeiter-Sparkasse am – im Vergleich zu den Geschäftsbanken – überdurchschnittlich kräftigen Aufschwung der Sparkassen, Girozentralen und Landesbanken bis 177 Alle Zitate: »Bericht betr. Bank der Deutschen Arbeit A.G.«, o.V. (vermutlich von einem Mitarbeiter der Dresdner Bank), vom 5. Okt. 1944, S. 3, in: HStA Dresden VII.6.01, Nr.6896.

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1939 partizipierte. Drittens verweist die Entwicklung namentlich der Bilanzsumme (die unmittelbar keine Rückschlüsse auf den betriebswirtschaftlichen »Erfolg« zulässt) auf einen ausgeprägten und teilweise politisch motivierten Aktionismus und Expansionismus der Arbeitsbank, der zwar keineswegs ausschloss, dass (wie gezeigt) betriebswirtschaftliche Risiken rational kalkuliert wurden, den Newcomer gleichwohl von den etablierten Großbanken deutlich unterschied. Lange Zeit hatten die Großen Drei, aber auch die Institutionen der Bankenaufsicht, diesen Aufstieg der Arbeitsbank zu ignorieren versucht. Die Reichsbank fand sich erst kurz vor Beginn des Frühjahres 1940 bereit, das DAF-Geldinstitut »nicht mehr als Spezial-, Haus- oder Branche[n]bank, sondern in [d]er Gruppe der Berliner Großbanken zu erfassen«, und begann noch einmal ein gutes Jahr später, »die Bank der Deutschen Arbeit hinfort in den internen Statistiken unter die Großbanken aufzunehmen«.178 Zu diesem Zeitpunkt war freilich längst nicht mehr zu leugnen, dass sich die Arbeitsbank – statistisch – auf dem Weg an die Spitze der reichsdeutschen Banken befand. Gewiss blieb auch 1942 der Abstand zur Deutschen und zur Dresdner Bank noch beträchtlich. Beim Umsatz musste zudem die Arbeitsbank der Commerzbank weiterhin den Vortritt lassen (Tabelle 1.4). Indes war die »rasante Entwicklung, die dieses Institut immer noch nimmt« so eindrucksvoll, dass ein Vorstandsmitglied der Dresdner Bank noch Anfang 1944 fürchtete, dass die Arbeitsbank »auch unsere Bilanzziffer in absehbarer Zeit erreich[en] oder überflügel[n] wird«.179 Der Weg der Arbeitsbank unter die Großen Drei, die im Krieg zu den Großen Vier wurden, war in der Tat unheimlich. Er hatte, das war allen Beteiligten bewusst, nicht nur ökonomische Gründe. So wie der »Verbandsimperialismus« (Tim Mason), die tendenziell ungezielte Akkumulation von Befugnissen und Tätigkeitsfeldern, zum herausragenden Kenn­zeichen der Arbeitsfront wurde, entwickelte sich die Arbeitsbank zu einem Geldinstitut, für das Expansion zunehmend zum Selbstzweck wurde. Das für die Arbeitsbank weit überdurchschnittliche Wachstum speiste sich neben dem Druck, der von den scheinbar unerschöpflichen Geldmengen seitens der DAF ausging, aus drei weiteren Quellen: Erstens wurden die Vorstände der Arbeitsbank vom politischen »To­talitätsstreben« der DAF-Füh­rung mitgerissen, das Ley im Herbst 1936 ausdrücklich artikuliert und für alle Funktionäre zur Richtschnur ihres Handelns gemacht hatte.180 Zweitens teilten die Protagonisten der Arbeitsbank Prämissen und Prognosen der DAF-Führung. Sie orientierte sich auf einen nationalsozialistischen »Endsieg« selbst dann noch, als die leitenden Repräsentanten der anderen Banken längst ahnten, dass der Krieg für die Nationalsozialisten nicht mehr zu gewinnen war. Die maßgeblichen Akteure der Arbeitsbank wag­ten bis zum Schluss nicht, einen Zusammenbruch 178 Vermerk der volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank vom 2. Febr. 1942, in: BA Berlin, R 2501, Nr. 6523, Bl. 226. 179 Schreiben der Hauptbuchhaltung der Dresdner Bank an Alfred Busch vom 13. Mai 1944, nach: Bähr, Dresdner Bank, S. 189, Anm. 55. 180 Vgl. Einleitung, S. 18 f.

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der Diktatur als Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Statt sich nach dem rasanten Aufschwung ab 1938 erst einmal zu konsolidieren, erweiterte die Arbeitsbank noch 1943 und selbst 1944 ihre Geschäftsfelder. Sie war auch in der zweiten Kriegshälfte eifrig bemüht, durch den Erwerb von Geldhäusern im besetzten Ausland die Position der Arbeitsbank für die Zeit nach dem in immer weitere Ferne rückenden nationalsozialistischen »Endsieg« auszubauen. Der vor allem in den letzten Kriegsmonaten offensichtliche Realitätsverlust war freilich in den Besitzverhältnissen angelegt; der Vorwurf des Defätismus hätte für die DAF-Banker und -Manager fatale persönliche Folgen gehabt. Drittens schließlich zeichnete für den oftmals aggressiven Aktionismus nicht nur der Arbeitsbank, sondern ebenso der Ver­sicherungsunternehmen sowie anderer Betriebe der DAF ein spezifischer, in der NS-Bewegung vor 1933 sozialisierter und im Vergleich zu den Vorständen der etablierten Banken ausgesprochen junger Managertypus verantwortlich, der »hemdsärmelig« agierte und sich in seinem Habitus von den etablierten Wirtschaftseliten deutlich unterschied. Mentalitäten und Handlungsmuster dieses DAF-Managertypus korrespondierten tendenziell mit denen der höheren Funktionäre des »charismatischen Verwaltungsstabes« Deutsche Arbeitsfront.181 Die Arbeitsbank als Korruptionsfonds Auch in anderer Hinsicht ›färbte‹ die DAF auf die Bank der Deutschen Arbeit ab: Vor allem in den ersten Jahren der NS-Herrschaft entwickelte sich innerhalb der Arbeitsfront ein Korruptionssumpf, der auch das DAF-Geldinstitut nachhaltig zu beschädigen drohte. Dies offenbarte sich in einem Skandal, der sich mit dem Namen Anton Karl verband und Ende 1937 aufflog. Karl firmierte nach außen als »Häusermakler« und stieg Anfang November 1936 zu einem zentralen Akteur für die DAF-eigene Deutsche Bau AG (Deubau) auf, die Mitte 1936 aus dem Verband Sozialer Baubetriebe GmbH (VSB), dem Dachverband der vormals freigewerkschaftlichen Bauproduktivgenossenschaften, hervorgegangen war. Seine Aufgabe bestand darin, als »selbständiger Kaufmann« gegen hohe prozentuale Provisionen Aufträge für die Deubau zu akquirieren.182 Als faktisch zentraler Repräsentant dieses großen, überregionalen Bauunternehmens der DAF, das zu 99 % nominell im Besitz der Arbeitsbank war, wendete Karl in den 181 Dazu ausführlicher: Kapitel 9, bes. S. 543 ff. 182 Der am 4. Nov. 1936 mit A. Karl geschlossene Vertrag sicherte ihm neben einem – nicht näher bezifferten – »Anteil an der Bauabrechnungssumme« außerdem »monatliche Abschlagszahlungen bis zur Höhe vom RM. 2000,- vertraglich« zu. Die Laufzeit ging bis zum 31. Sept. 1937 und sollte »dann jeweils um 1 Jahr verlängert« werden. Hierzu sowie zu nachträglichen Korrekturen, falschen Verbuchungen, zahlreichen Nachbuchungen, willkürlichen »Änderungen der Bau- und Vorratswerte«, Fehlen von zahlreichen Eingangsrechnungen etc. vgl. im einzelnen die Berichte der Deutschen Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH (Berlin) über die Deutsche Bau AG zum Jahresabschluss zum 31. Dez. 1936 und zum 31. Dez. 1937, S. 31, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 714.

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folgenden Monaten knapp 600.000 RM an Schmiergeldern auf, um von staatlichen Behörden bzw. NS-Organisatio­nen Aufträge für die Deubau zu erlangen. Die Bestechungsgelder wurden von der Bank der Deutschen Arbeit als Kredite verauslagt.183 Bestochen wurden u. a. Sepp Dietrich (Führer der »Leibstandarte Adolf Hitler« und SS-Ober­grup­pen­f ührer), Hermann Esser (Staatsminister und Präsident des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes), Philipp Bouhler (Chef der »Kanzlei des Führers« und NSDAP-Reichslei­ter), Karl Wolff (Stabschef Himmlers), Christian Weber (»Wirtschaftsbeauftragter« für München als »Hauptstadt der Bewegung« und SS-Brigadeführer), Heinrich Hoffmann (Foto­graf Hitlers und »Reichsbildberichterstatter«) sowie Wilhelm Brückner (SA-Ober­grup­pen­ führer) und Julius Schaub (SS-Obergrup­penführer), die beide zur unmittelbaren Umgebung Hitlers gehörten.184 Ohne die Bank der Deutschen Arbeit wäre es nicht zu einem Korruptionsfall dieses gigantischen Ausmaßes gekommen. Anton Karl handelte nicht auf eigene Faust, sondern unter Duldung, wenn nicht sogar auf Anweisung höchster Funktionsträger der DAF. Der damalige Vorsitzende der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF mbH (TWU), Werner Boltz, veranlasste die Arbeitsbank, Karl die Beträge für Schmiergeldzahlungen zu reservieren, die dieser benötigte, um für die Deubau Bauaufträge zu erhalten. Auch der DAF-Schatz­meister Paul A. Brinckmann war über die finanziellen Transaktionen – mindestens – informiert.185 Die ›Berei­ni­gung‹ der Korruptionsaffäre, die innerhalb der NS-Bewegung und des Staatsapparates hohe Wellen schlug und für die Arbeitsbank mit mehr als 288.000 RM negativ zu Buche schlug,186 wur­de auf DAF-typische Weise vorgenommen: Die unteren Chargen, insbesondere Anton Karl, wurden umgehend aus dem Verkehr gezogen. Auch Boltz und schließlich sogar Brinckmann als die höchsten (nachweislich) in den Korruptionsfall verwickelten DAF-Funktionäre mussten Anfang bzw. Mitte 1938 gehen,187 nachdem der Skandal weitere Kreise gezogen hatte und Ley selbst zu beschädigen drohte. Andere konnten bleiben, etwa Alexander Halder, der un-

183 Vgl. Feststellungsbericht des Revisionsamtes der NSDAP vom 14. Febr. 1938 über die Bauunternehmen der DAF, S. 29, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 811. In diesem 131-seitigen Bericht werden die Dimensionen der Korruptionsaffäre penibel nachgezeichnet. Vgl. auch Frank Bajohr, Parvenüs und Profiteure. Korruption in der NS-Zeit, Frankfurt a. M. 2001, S. 57-62; ferner Smelser, Hitlers Mann, S. 166 f. 184 Vgl. Feststellungsbericht vom 14. Febr. 1938, S. 32-98. 185 Vgl. ebd., S. 99-108. 186 Vgl. Bericht der Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft über die Deutsche Bau AG zum Jahresabschluß vom 31. Dez. 1937 (Anm. 182). 187 Zu Boltz, Brinckmann und allen weiteren genannten Personen vgl. Kapitel 2, bes. S. 72-76. Offiziell – und um nach außen das Gesicht der DAF zu wahren – schied Boltz »auf eigenen Wunsch« aus. Wenig später wurde Boltz allerdings wegen »Verfehlungen im Amt« aus der NSDAP ausgeschlossen. Gehen musste außerdem Josef Bücherl, der Mitte April 1935 die Geschäftsführung des Verbandes Sozialer Baubetriebe übernommen hatte und ab Mitte 1936 Direktor der Deubau war.

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ter Brinckmann stellvertretender Leiter des DAF-Schatzamtes und im Juni 1937 stellvertretender »Reichssachwalter« der DAF war.188 Die Affäre »Anton Karl« war einer der eklatantesten Korruptionsfälle des Dritten Reiches, innerhalb der DAF jedoch keineswegs der einzige.189 Welche ungefähren Dimensionen Korruption und Unterschlagung in der Arbeitsfront während der ersten Jahre der NS-Herrschaft angenommen hatten, welch undurchsichtige Finanztransaktionen riesigen Ausmaßes innerhalb der Arbeitsfront vorgenommen wurden, an denen die Arbeitsbank maßgeblich beteiligt war, machen drei brisante parteiinterne Äußerungen deutlich. Die erste datiert auf den Juli 1935 und geht auf Karl Müller zurück, der im Mai 1933 der erste Vorstandsvorsitzende der Bank der Deutschen Arbeit geworden und bereits für die Enteignung der Gewerkschaft maßgeblich verantwortlich gewesen war. Müller warf in einem Schreiben an Ley dem DAF-Reichs­schatz­meister Brinckmann vor, dass der Arbeitsfront wegen fehlender interner Finanzkontrollen allein zwischen Oktober 1934 und April 1935 Mitgliedsbeiträge in Höhe von 40 Mio. RM »entgangen« seien.190 Über das »Wie« der (vermutlichen) Unterschlagungen schwieg sich Müller wohlweislich aus, weil hierbei die gleichfalls von ihm geführte Arbeitsbank eine zentrale Rolle gespielt haben dürfte.191 Der zweite Hinweis auf 188 Halder wurde im Feststellungsbericht vom 14. Febr. 1938 (S. 127 ff.) zwar vorgeworfen, dass er gleichzeitig als Gesellschafter und Geschäftsführer der DAF-eigenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fungierte – deren Aufgabe darin bestand, die Buchführung etc. der Unternehmen der Arbeitsfront zu kontrollieren  – und dass diese Funktion mit seinen DAF-Ämtern kollidierte. Auch wurde im Feststellungsbericht (S. 128) festgestellt, dass er von den Schwarzgeldern Karls sowie den falschen Bilanzen der Deubau eigentlich hätte wissen müssen. Eine Verwicklung in die Affäre Karl konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden. Seinen weiteren Aufstieg bremste der Skandal deshalb nicht. Auch Ludwig Bierlein behielt seine Leitungsfunktion in der Treuhandgesellschaft und ebenso seine Posten in den DAF-Bauunter­neh­men bis 1945. 189 Unterschlagungen von Mitgliedsbeiträgen und Korruption unter einfachen und höheren DAF-Funktionären waren vor allem in den ersten Jahren der NS-Herrschaft epidemisch. Vgl. (nur für 1934 bis April 1936:) Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SoPaDe) 1934-1940, hg. von Klaus Behnken, Salzhau­sen/ Frankfurt a. M. 1980, hier: 1/1934, S. 55 ff., 225, 237-243, 319 ff., 447-452, 541-545; 1935, S. 46, 59, 91-95, 489-492, 886 f.; 1936, S. 243-248, 495. Aller Zensur zum Trotz waren sie auch in der ›einfachen‹ Bevölkerung Gesprächsthema. Vgl. SoPaDe-Berichte 1935, S. 491; ­außerdem Bajohr, Parvenüs, S. 178. Auf die strukturellen Anfälligkeiten der Arbeitsfront für Bestechung und Unterschlagung hatte auch der Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater Karl Eicke in seinem Organisationsgutachten vom 31. Juli 1936 über die DAF aufmerksam gemacht. Vgl. Hachtmann, Koloss, S. 71-74. 190 Müller an Ley, vom 16. Juli 1935, in: BA Berlin, NS 10, Nr. 134, Bl. 96-100, hier: Bl. 97 f. Was genau an den Anschuldigen Müllers dran war, lässt sich auf Basis der bekannten Quellen nicht feststellen. Vgl. außerdem SoPaDe, 1936, S. 235; Smelser, Hitlers Mann, S. 167. 191 Tatsächlich scheint Müller weniger an finanziell »sauberen« Verhältnisse interessiert gewesen zu sein. Mit seiner Kritik an Brinckmann wollte er vielmehr einen letzten Trumpf im Rahmen eines DAF-internen Machtkampfes ausspielen, der durch unklare Kompetenzen hervorgerufen und durch weitergehende Machtansprüche Mül-

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ausufernde Korruptionspraktiken unter DAF-Funktionären, die zu erheblichen Teilen über die Arbeitsbank mindestens als Mittler-Instanz liefen, findet sich in dem »Feststellungsbericht« vom Februar 1938, in dem die Aspekte der »Affäre Karl« penibel aufgelistet werden. Dort werden Verhöre mit Anton Karl zum Teil im Wortlaut referiert, in denen sich dieser über opulente »Geschenke« ausließ, die bis zum ›stark verbilligten‹ Privathausbau reichten und unter hohen DAFFunktionären und »leitenden Personen« der Unternehmen »durchaus üblich« gewesen seien. »Diese Geschenke [seien] nicht von den Leitern der wirtschaftlichen Unternehmungen [der DAF] persönlich, sondern über die Unkostenkonten der betreffenden wirtschaftlichen Unternehmungen bezahlt worden«.192 Die dritte Äußerung, die mittelbar ein Schlaglicht auf die internen Praktiken des DAF-Geldin­sti­tu­tes wirft, datiert gut eineinhalb Jahre später. In einem Vermerk vom 7. Dezember 1939 notierte der bereits erwähnte Hans Saupert, als Stabsleiter von Schwarz quasi der stellvertretende NSDAP-Reichsschatzmeister,193 dass ihm der Reichsamtsleiter aus dem Stab Heß und spätere NSDAP-Gauleiter von Westfalen-Süd Albert Hoffmann194 berichtet habe, dass angeblich »der drittgrößte Bilanzposten der Deutschen Arbeitsfront der Betrag darstelle, welchen der Leiter der Deutschen Arbeitsfront den Gauleitern der NSDAP zahle«.195 Es wäre verniedlichend, diesen »Bilanzposten«, über dessen genaue Höhe leider keine Informationen vorliegen, unter ›Zweckentfremdung von DAF-Beiträgen‹ abzubuchen. Es scheint sich bei ihm vielmehr um einen regelrechten Korruptionsfonds gehandelt zu haben, den Ley aus Finanzmitteln, über die er als Chef der Arbeitsfront verfügte, angelegt hatte, um seine Stellung als Reichsorganisa­ tionsleiter der Partei namentlich gegenüber seinem Rivalen Heß zu stärken. Aus diesem Fonds wurden im Übrigen noch andere NS-Institutionen als nur die NSDAP-Gauleiter bedient. Im zitierten Vermerk Sauperts wird die Bank der Deutschen Arbeit nicht ausdrücklich genannt. Diese fungierte jedoch zweifelsohne als Depot, in dem die zu den genannten Zwecken bestimmten Gelder

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lers genährt worden war. Tatsächlich hatten die Anschuldigungen Müllers den gegenteiligen Effekt. Am 4. Juli 1935, also kurz bevor er den zitierten Brief an Ley (vom 16. Juli 1935) verfasst hatte, war Müller von Ley »beurlaubt« worden. In: BA Berlin, R 3101, Nr. 10526, Bl. 139-143. Noch im Sommer 1935 wurde ein Strafverfahren gegen Müller »wegen handelsrechtlicher Untreue« angestrengt. Es musste ein Jahr später, am 17. Sept. 1936 eingestellt werden; ein Parteigerichtsverfahren wurde gar nicht erst eröffnet. Vgl. auch Kapitel 2, S. 71 f. Feststellungsbericht vom 14. Febr. 1938, S. 104. Zu Saupert vgl. oben, Anm. 143. Hoffmann (1907-1972) war seit 1934 Amtsleiter in der Parteikanzlei der NSDAP. Im März 1938 ging er als Sonderbeauftragter der Parteikanzlei der NSDAP nach Wien (»Stillhaltekommissar«); ab Herbst 1938 fungierte er als Beauftragter des Stabes Heß im Stabe des sudetendeutschen Reichskommissars Konrad Henlein. 1941 wurde er zum stellv. NSDAP-Gauleiter von Oberschlesien ernannt, in Personalunion außerdem zum DAF-Gau­ob­mann für Oberschlesien; seit Febr. 1943 amtierte er als NSDAP-Gauleiter von Westfalen-Süd sowie als Reichsverteidigungskommissar. In: BA Berlin, NS 1, Nr. 249-1.

die ns-bewegung und das geldinstitut der daf

gesammelt und bei Bedarf abgerufen wurden, allerdings (darauf wird gleich einzugehen sein:) nur bis Anfang 1938.196 Wichtig im hier interessierenden Zusammenhang ist: die Bank der Deutschen Arbeit stand als Institution im Zentrum der dubiosen Geldgeschäfte der DAF – und verströmte einen entsprechenden Geruch. Welch zweifelhafter Ruf der Arbeitsbank bis Ende der dreißiger Jahre vorauseilte, zeigt ein von Fritz Wiedemann, einem der Adjutanten Hitlers, geschilderter Fall, wonach eine mit 2000  RM verschuldete Angestellte der Reichstheaterkammer zu ihm kam, ihn um Unterstützung bei ihrer Entschuldung bat. Wiedemann antwortete, den eigenen Feststellungen zufolge: »Gehen Sie doch mal zur ›Bank der Deutschen Arbeit‹, die ist meines Wissens für solche Zwecke da.« Das DAF-Geldinstitut war, laut Wiedemann, nicht nur bereit, die Schulden der jungen Frau via Wiedemann zu bedienen, sondern bot jenem selbst sogar noch einen Kredit zu traumhaften Konditionen mit den Worten an: »Jedesmal an Weihnachten werden ihnen 10 000 Mark gutgeschrieben, dann sind Sie in zwei Jahren den Kredit los und können einen neuen aufnehmen!« Dies sei ein bei der Arbeitsbank »üb­ liches Verfahren«. Der Mitarbeiter des Bankhauses der Arbeitsfront nannte Wiedemann »auch die Namen einiger anderer Herren, die die Dienste der Bank in dieser Weise in Anspruch genommen hätten, und setzte […] hinzu: ›Der Führer weiß das und ist damit einverstanden.‹«197 In dieses Bild passt nicht zuletzt der Tatbestand, dass sich die Direktoren der Arbeitsbank – wie im Juli 1935 in höchsten Parteikreisen bekannt wurde – Jahresgehälter von 82.000  RM bewilligt hatten und damit Bezüge erhielten, die noch über denen der Reichsminister lagen.198 Hinter einer derartig unverfrorenen Selbstbedienungsmentalität stand ein wichtiges Strukturelement »charismatischer Herrschaft«: die »Wirtschafts­ enthobenheit« (Max Weber)199 des »charismatischen Herrschers«. Es war, so 196 Der Zeitpunkt des zitierten Vermerks von Saupert (7. Dez. 1939) steht dem nur schein­bar entgegen. Die Erklärung Hoffmanns gegenüber Saupert (vom Okt. oder Nov. 1939) ging auf einen »Parteigenossen Scholz [zurück], der die Verwaltung beim Stillhaltekommissar [der ›Ostmark‹ ab März 1938] führt und aus der DAF gekommen ist« (ebd.), mithin über die Zustände innerhalb der Arbeitsfront und mittelbar der Arbeitsbank nur aus der Zeit bis März 1938 Kenntnis gehabt haben kann. Zudem handelte es sich lediglich um ein Gerücht über ›mehrere Ecken‹ – indes um eines, das ziemlich glaubhaft war. In späteren Vermerken aus dem NSDAP-Reichs­schatzamt finden sich derartige Anwürfe gegen die Arbeitsbank nicht mehr. 197 Fritz Wiedemann, Der Mann, der Feldherr werden wollte, Velbert 1964, S. 194 f. Bei den »anderen Herren«, auf die der Angestellte der Arbeitsbank anspielte, handelte es sich  – erneut  – um die Hitler-Adjutanten Schaub und Brückner, außerdem die SS-Oberführer Heinrich Höflich und Max Schmeller, den SS-Standartenführer Otto Reich und den bereits erwähnten Dietrich (der sich auch sonst auf Kosten der DAFBank bereicherte). Vgl. Bajohr, Parvenüs, S. 61 f. 198 Vgl. Bormann an Schwarz vom 25. Juli 1935, in: BA Berlin, NS 22, Nr. vorl. 670; außerdem Smelser, Hitlers Mann, S. 167; Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 14. 199 Folgt man Max Weber, schlossen sich »Wirtschaftsenthobenheit« einerseits und das Streben nach »Beute, darunter und vor allem: Geld« andererseits keineswegs aus,

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paradox es klingt, gerade diese »Wirtschaftsenthobenheit«, die bekannte Gleichgültigkeit des »Führers« allen Dingen der »Wirtschaft« gegenüber, die es dessen »Jüngern« und ebenso den hochrangigen wie untergeordneten Funktionsträgern der »charismatischen Verwaltungsstäbe« erlaubte, eine unersättliche Raffgier zu entwickeln und (in unserem Fall:) die Arbeitsbank dafür zu nutzen.

3.5. Expansion über die Grenzen des »Altreiches« hinaus Auf dem Weg zur ›ordentlichen‹ Geschäftsbank: die Rekonsolidierung 1938/39 Auf Dauer war die skizzierte Praxis allerdings aus vielerlei Gründen dysfunktional. Wichtig war vor allem, dass namentlich die »Affäre Karl« innerhalb der NS-Bewegung ungeheuren Wirbel verursachte und die DAF-Führung auf den politischen Bühnen massiv desavouierte. Auch aus binnenorganisatorischem Eigen­interesse musste Ley und den führenden Funktionäre daran gelegen sein, den Korruptionssumpf sowohl innerhalb der Arbeitsbank und der Deubau als auch in der Arbeitsfront als politischer Organisation auszutrocknen. Ohne ein gewisses Maß an bürokratischer »Veralltäglichung«, d. h. verwaltungstechnischen Regelungen und Kontrollmechanismen, konnte man innerhalb des polykratischen Machtgefüges des NS-Regimes nicht die Rolle spielen, die die DAFFührung zu spielen gewillt war. Brinckmann, Boltz und andere mussten 1938 Heinrich Simon, Hans Strauch und Rudolf Lencer Platz machen,200 die die Finanzorganisation der DAF von Grund auf neu ordneten. Sie leiteten auch für die Bank der Deutschen Arbeit eine neue Ära ein, indem sie ihr ›normale‹ betriebswirtschaftliche Strukturen mit üblichen verwaltungstechnischen Routinen und internen Kontrollmechanismen verpassten, die Unterschlagungen, Korruption und ›Selbstbedienung‹ zwar nicht gänzlich ausschlossen,201 ihnen aber doch wenig Raum ließen – und das Geldinsondern bedingten geradezu einander. Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 655 f. 200 Die durch die »Affäre Karl« nicht belasteten Halder und Bierlein durften dagegen bleiben und machten das genannte finanzpolitische Führungstrio zu einem Quintett, das bis 1945 für Finanzorganisation und Unternehmenskoordination innerhalb der DAF verantwortlich blieb. 201 So wurde z. B. ein Kredit der Arbeitsbank an Ley noch in den letzten Kriegs­monaten von 176.000 RM auf 287.000 RM erhöht. Blankokredite wurden außerdem noch 1944/45 Sepp Dietrich (in Höhe von 62.000 RM), dem Botschafter v. Bülow-Schwante (55.000 RM), dem stellvertretenden NSDAP-Gauleiter für Groß-Berlin Arthur Görlitzer (knapp 7.000 RM) sowie mehreren hohen DAF-Funktionären eingeräumt. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 6; ferner Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 14. In seinem oben zitierten Brief an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109, Bl. 5) schrieb Funk außerdem davon, dass die (seit 1938 tatsächlich auch unabhängigen) Wirtschaftsprüfer in ihren Berichten bemängelt hätten, »dass Genehmigungen des Aufsichtsrates für Kredite der Bank an Mitglieder des Vorstandes usw. nicht vorhanden waren.« In den

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stitut auf diese Weise zu einem insgesamt schlagkräftigen Instrument der DAFFührung machten.202 Die wundersame Wandlung der Bank der Deutschen Arbeit von einem Geldinstitut der Arbeitsfront, das gleichzeitig als erweiterter Schwarzgeld-Fonds Leys diente, zu einer ab 1938 solide arbeitenden Geschäftsbank, die allerdings ihren Charakter als Hausbank der DAF niemals gänzlich abstreifen konnte, hatte schließlich einen weiteren, ganz konkreten Hintergrund: In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre drohte der Führung der Arbeitsfront die Kontrolle über den Etat der DAF zu entgleiten. Die Affäre Karl bot dem NSDAP-Reichs­ schatzmeister Franz Xaver Schwarz ein willkommenes Einfallstor zur Kontrolle der DAF-Finanzen. Es ist bereits erwähnt worden, dass Ley Ende Oktober 1934 hinter dem Rücken von Heß dem »Führer« eine Verordnung abgeluchst hatte, die der DAF in unbestimmten Formulierungen weitgehende politische Vollmachten ausstellte (und dass die Arbeitsfront dieses ›Ermächtigungsgesetz‹ ab Herbst 1936 gezielt für ihr »Totalitätsstreben« zu nutzen begann).203 Was Ley vormachte, konnten auch andere. Ohne seinerseits Ley zu konsultieren, veranlasste der NSDAP-Reichsschatz­meister den »Führer« ein halbes Jahr später, eine Verordnung herauszugeben, in der fest­gelegt wurde, dass Schwarz und sein Amt das Finanzaufsichtsrecht gegenüber sämtlichen angeschlossenen Verbänden erhielt. Die Arbeitsfront war in der Verordnung vom 29. März 1935 nicht ausdrücklich genannt worden, aber ganz wesentlich gemeint. Ley nahm diese Hitler-Ver­ ordnung lange Zeit nicht sonderlich ernst und interpretierte die dem NSDAPReichs­schatz­meister gegenüber der DAF eingeräumte Finanzaufsicht noch im März 1937 als unverbindliches Recht. Das änderte sich, als die »Affäre Karl« Wellen zu schlagen begann. Mitte Juli 1937 gewann Schwarz endgültig Oberwasser und erließ im Einvernehmen mit Heß eine (vierte) Ausführungsbestimmung zum »Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat« vom 1. Dezember 1933, die gegenüber der DAF ein ziemlich weitgehendes Finanzaufsichtsrecht des Berichten der Deutschen Revision und Treuhand für Ende 1944 und April 1945 finden sich dafür allerdings keine Hinweise. Weitere Vorwürfe erhob der RWM in diesem Generalangriff auf das Kreditinstitut der Arbeitsfront nicht. Dies darf als Indiz dafür gewertet werden, dass die Buch- und Rechnungsführung der Arbeitsbank seit 1938 weitgehend korrekt gewesen war. 202 Ein Indiz ist der geringe Anteil – unter einem Prozent – der persönlichen Kredite, die die Arbeitsbank in ihren Abschlussbilanzen vom 31. Dez. 1944 und 30. April 1945 auswies (in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613, Bl. 7). Den höchsten Kredit, der einer Privat­ person ausgezahlt wurde, erhielt mit 619.000 RM der Jurist Hans Wilhelm Eggen (1912-?), ein Hauptsturmführer aus dem SS-Führungshauptamt, der als Mittelsmann und Vertrauter des Leiters der »Spionageabwehr« bzw. des »Auslandsgeheimdienstes« der SS und schließlich des SD, Walter Schellenberg, die Berliner SS-Tarnfirma Waren-Vertriebs GmbH aufbaute und mit dieser vor allem mit der Schweiz zwischen 1941 und 1943 rege Waffen- und Ausrüstungsgeschäfte trieb, darunter die Anschaffung meh­rerer tausend Baracken, die offiziellen Angaben zufolge für die Ostfront benötigt wurden, tatsächlich aber zu einem Teil in den KZ Sachsenhausen und Dachau auf­gestellt wurden. Vgl. außerdem Anm. 201. 203 Vgl. Einleitung, S. 18 f.

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Reichsschatzmeisters der Partei vorsah.204 Die schließliche Entlassung von Boltz und Brinckmann und ebenso die Neuordnung des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront gingen denn auch wesentlich auf das NSDAP-Reichsschatzamt zurück.205 Hinter der Intervention von Schwarz und seinem massiven Druck, die Arbeitsbank von Grund auf zu reorganisieren, stand allerdings nicht in erster Linie politische Rivalität mit Ley. Den NSDAP-Reichs­schatz­meister trieb vor allem die Sorge um, dass willkürliche »Entnahmen« von Geldern und sonstige »Querschießereien« zu einem verheerenden Image der Arbeitsbank führen und negativ auch auf die NSDAP abfärben würden.206 Um Schwarz nicht noch weitere Hebel in die Hand zu geben, die diesem den jederzeitigen und unmittelbaren Zugriff auf die Finanzen der Arbeitsfront – eine Art Fremdverwaltung des DAF-Etats – erlaubt hätten,207 musste zunächst die interne Finanzverwaltung der DAF konsolidiert werden. Dies geschah durch die Einrichtung einer Simon unterstellten »Zentralstelle für die Finanzaufsicht der DAF« Anfang 1938. Darüber hinaus war aber auch die entscheidende Ins­ titution für die zeitweilig anscheinend völlig außer Rand und Band geratene DAF-Finanzpolitik, die Arbeitsbank, zu reorganisieren und auf solide Füße zu stellen. Mit der Aufnahme Lencers in den Vorstand und der Neubesetzung des Aufsichtsratsvorsitzes der Arbeitsbank (Simon, und Strauch als sein Stellvertre204 Vgl. Ulf Lükemann, Der Reichsschatzmeister der NSDAP. Ein Beitrag zur inneren Parteistruktur, Berlin 1963, S. 131. 205 Auf der Sitzung im NSDAP-Reichsschatzamt vom 24. Nov. 1937 hatten Saupert als der Vertraute des NSDAP-Reichsschatzmeisters Schwarz sowie Reichsrevisor Schieder von der DAF verlangt, dass der »Leiter der Bank der Deutschen Arbeit« und ebenso »der Leiter der wirtschaftlichen Unternehmungen« der Arbeitsfront lediglich Ley persönlich verantwortlich und ansonsten »vollkommen selbständig« sein sollten. Das richtete sich gegen Brinckmann und das DAF-Schatz­amt, die bis dahin die Oberaufsicht über die Unternehmen der Arbeitsfront besessen hatten. Zugleich drangen sie auf die Einrichtung eines DAF-Prüfungsamtes, das vollständig vom Schatzamt der Arbeitsfront getrennt sein müsse. Heinrich Simon als Beauftragter Leys stimmte diesen ultimativen Vorschlägen offenbar ohne Wenn und Aber zu. Vgl. den entsprechenden Aktenvermerk über eine Sitzung im NSDAP-Reichsschatzamt vom 24. Nov. 1937, mit Stabsleiter Saupert, Reichsrevisor Schieder sowie seitens der DAF Simon, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 248-2. Zur Entlassung von Boltz und Brinckmann vgl. Vermerk Sauperts vom 23. Febr. 1938 über eine Besprechung mit Lencer, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 1113. 206 Zitate: ebd. 207 Schwarz beabsichtigte freilich ohnehin nicht, der DAF-Führung völlig die Kontrolle über die Finanzen der Arbeitsfront zu entziehen, selbst Mitte 1937 nicht, als die »Affäre Karl« hochkochte: In einem Abkommen, das Schwarz und Ley am 7. Okt. 1937 unterzeichneten, vereinbarten beide, dass dem NSDAP-Reichs­schatzmeister ein »Gesamtfinanzplan über die Deut­sche Arbeitsfront und ihre wirtschaftlichen Un­ter­ nehmungen« und ein jährlich aufzustellender »Haushaltsplan« der DAF zu übergeben sei, die Arbeitsfront mithin einer Art Rechenschaftspflicht unterliege. Nach: Lükemann, Reichsschatzmeister, S. 221 f. Faktisch wurde die finanzielle Autonomie der DAF durch diese Maßnahmen kaum angetastet. Schwarz reichte in der Folgezeit die theoretische Möglichkeit der Intervention gegenüber der Arbeitsfront.

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ter) scheint auch die innere Organisation gestrafft und mit qualifizierten Leuten besetzt worden zu sein. Darüber hinaus wurde, gleichfalls auf Anregung des NSDAP-Reichs­schatzamtes, ein DAF-Prüfungsamt geschaffen, dem  – als eine Art internem Rechnungshof  – die Überprüfung der Buchführung und überhaupt der Geschäfte der DAF-Un­ter­neh­men übertragen wurde. Die Geschäfte der Arbeitsbank scheinen in der Folgezeit solide geführt worden zu sein und auch externen Überprüfungen standgehalten zu haben.208 Schwarz zeigte sich jedenfalls zufrieden. Er resümierte Mitte Juli 1941, er könne »mit Freude feststellen, dass seit einigen Jahren und wohl zum Zeitpunkt des Eintritts des Parteigenossen Lencer in den Vorstand der Bank der Deutschen Arbeit, diese eine Entwicklung genommen hat, die vom Standpunkt der Reichsleitung aus gesehen, außerordentlich begrüßenswert ist. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen den Dienststellen der Partei – an ihrer Spitze die Reichsleitung – ein so ersprießliches Arbeitsverhältnis mit der Bank der Deutschen Arbeit entwickelt, dass ich immer beruhigter [wurde] und daher in steigendem Maße mehr und mehr die Großtransaktionen und Kapitalanlagen mit der Bank der Deutschen Arbeit vorgenommen, bezw. solche bei dieser angeordnet habe.«209 Ein knappes Jahr zuvor hatte Schwarz, der namentlich zu Simon »volles Vertrauen« entwickelte,210 erklärt, dass »sich die Bank der Deutschen Arbeit als das Institut gezeigt hat, das den Wünschen und Erfordernissen der Partei am meisten Rechnung getragen hat«.211 Die alteingesessenen großen Geschäftsbanken  – Deutsche, Dresdner und Commerzbank – gerieten dadurch freilich nicht ins Hintertreffen. Ein entscheidender Vorsprung der Großen Drei gegenüber dem Aufsteiger aus dem DAFWirtschafts­imperium bestand darin, dass sie über jahrzehntelange fundierte Auslandserfahrungen verfügten, die die Arbeitsbank nicht wirklich wettmachen konnte. Dies zeigte sich ab 1938. Allerdings war das Geldinstitut der Arbeitsfront eifrig bestrebt, hier den Großen Drei nachzueifern, anfangs freilich wenig erfolgreich.

208 So erklärte die Deutsche Revisions- und Treuhand AG in ihrem Nachtragsbericht Nr. 11996 zum Bericht Nr. 11072 über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG vorgenommene Depotprüfung für das Jahr 1938 (vom 22. Juni 1939, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 2406), dass alle Bücher »sauber und übersichtlich geführt« würden und »Beanstandungen bei der Prüfung sich nicht ergeben« hätten. 209 Schwarz an Ley vom 19. Juli 1941, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 12-14, hier: Bl.  12 f., bzw. in: R 8120, Nr. 804, Bl. 49-51, hier: Bl. 49 f. Vgl. auch Kreutzmüller/ Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 14. 210 Vgl. Protokoll der Ressortbesprechung des Reichsschatzmeisters vom 24. Jan. 1938, nach: Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 205. 211 Vermerk Sauperts vom 19. März 1940 (Anm. 134), Bl. 3.

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»Zug nach Osten« – die Expansion der Arbeitsbank seit 1938/39 Für die erste Kriegshälfte hat Harold James ironisch von einem »einzigartigen Investitionsklima« gesprochen. Nicht nur das durch die militärische Expansion erweiterte Aktionsfeld der Banken war »einzigartig«. Auch die Festsetzung der Höchstgrenze der Börsenkurse sowie ein wachsender Inflationsdruck hätten, so James, die Bankentätigkeit enorm angefacht.212 Zudem griffen die reichsdeutschen Unternehmen bei ihrer Expansion in das besetzte Ausland gern auf die ›Hilfe‹ der Banken zurück. Nicht zuletzt die Großen Drei wandelten auf den Spuren der deutschen Armeen und zeigten dabei auch keine Scheu, moralischethische Fesseln abzustreifen, wenn dies ökonomischen Vorteil versprach.213 Namentlich die Berliner Großbanken expandierten seit 1938 außerdem durch den Aufkauf regionaler Geldhäuser oder aufgrund der relativ schnellen Eröffnung eigener Zweigstellen. Zwar konnte sich die Bank der Deutschen Arbeit im Inland ab 1938 weiter konsolidieren.214 In den okkupierten Gebieten kam sie in der ersten Phase der Expansion des Dritten Reiches jedoch nur begrenzt zum Zuge. In Österreich ging die Arbeitsbank im Übernahmepoker um die dortigen Banken leer aus. Ambitionen, die »Österreichische Arbeiterbank« zu übernehmen, wurden durch die vereinten Anstrengungen des NSDAP-Reichs­schatzmeisters und des »Stellvertreter des Führers« zunichte gemacht.215 Bis Herbst 1943 gelang es der Arbeitsbank 212 Vgl. James, Deutsche Bank, S. 388. 213 So resümiert Wixforth (Dresdner Bank, S. 873), dass die Großbanken ziemlich regelmäßig zu den entscheidenden wirtschafts- und finanzpolitischen »Meinungsbildungs­ pro­zessen hinzugezogen« wurden, dort »ihre Wünsche und Vorstellungen artikulieren« und auch weitgehend durchsetzen konnten. 214 So hielt die Arbeitsbank – neben ihren Beteiligungen an diversen Bauunternehmen sowie einigen anderen Firmen der DAF  – (wie die anderen Berliner Großbanken auch:) Anteile in unbekannter Höhe an der Berliner Lombardkasse AG, daneben an der Mitte der dreißiger Jahre »arisierten« Berliner Privatbank Georg Fromberg & Co. AG. Schließlich stand die Deutsche Industriebank mit Sitz in Berlin unter ihrer »treuhänderischen Verwaltung«. Vgl. Revisions- und Treuhand AG, Beteiligungen der Arbeitsbank 1943 (Anm. 222). Zur Entstehung der Berliner Lombardkasse vor dem Hintergrund der Finanzkrise vom Juli 1931 vgl. Hans Benjamin, Die Sanierung des deutschen Bankwesens nach der Kreditkrise von 1931, Köln 1934, S. 16; Heidrun Haase, Die Lombardpolitik der Zentralnotenbanken, Berlin 1962, S. 48 f. Zur Georg Fromberg & Co. AG vgl. Köhler, »Arisierung« der Privatbanken, S. 320. Wann die Arbeitsbank die Anteile der genannten Banken erwarb, ist unbekannt. 215 Vermerk Sauperts vom 6. und 8 April 1938, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 1113. Dahinter standen weitergehende Rivalitäten zwischen Ley in seiner Funktion als Reichsorganisationsleiter der NSDAP auf der einen und Heß als dem »Stellvertreter des Führers« sowie des (durch die »Affäre Karl« ohnedies erzürnten) NSDAP-Reichs­schatzmeisters auf der anderen Seite um die Frage, wem die zentrale politische Verantwortung für die Gleichschaltung Österreichs zukomme. Heß und Schwarz setzten sich gegenüber Ley durch. Zum kommissarischen Leiter der »Österreichischen Arbeiterbank« wurde Reichsamtsleiter Meiler als der »Beauftragte des Reichsschatzmeisters in Wien« eingesetzt.

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immerhin, in Wien zwei Filialen und in Graz sowie Linz je eine Niederlassung zu eröffnen.216 Darüber hinaus kam sie bei wichtigen rüstungsindustriellen Projekten in der »Ostmark« zum Zuge und wurde an entsprechenden Konsortial­ krediten – bei denen freilich weiterhin die traditionellen Berliner Großbanken die Führung innehatten – mit hohen Summen beteiligt. Bereits wenige Monate nach der Angliederung Österreichs wurde die Arbeitsbank aufgefordert, für 19,5 Mio. RM oder zehn Prozent eines umfänglichen Investitionskredites für die Flugmotorenwerke Ostmark GmbH unter der Konsortialführerschaft der Bank der Deutschen Luftfahrt geradezustehen.217 Drei Jahre später beteiligte sich die DAF-Bank mit insgesamt 21,7 Mio. RM an einem Gesamtkredit von 65 Mio. RM, mit dem der Bau eines großen Metallwerkes für die Fertigung von Flugzeugteilen in Engerau/Petrzalka nahe der slowakischen Grenze finanziert werden sollte.218 An einem Großkredit, den ein Bankenkonsortium im Juni 1942 für die Errichtung eines großen Aluminiumwerks in der »Ostmark« zur Verfügung stellte, war die Arbeitsbank gleichfalls maßgeblich beteiligt.219 Dieser Einstieg in lukrative industrielle Investments – der weit hinter den entsprechenden Enga216 Vgl. Lencer und August Christoffel namens der Arbeitsbank an das Reichsaufsichtsamt für Kreditwesen vom 17. Nov. 1943, in: RGVA Moskau 1458-1-43. Christoffel gehörte neben Lencer, Adolf Geyrhalter, Heinz Reitbauer sowie dem 1943 verstorbenen Rosenhauer seit 1938 zum Vorstand der DAF-Bank. Zu Christoffel vgl. Kapitel 2, S. 88. In Graz war die Arbeitsbank die einzige unter den reichsdeutschen Großbanken, die dort eine Filiale eröffnete. Allerdings besaß dort außerdem der zur Deutschen Bank gehörige Creditanstalt-Bankverein eine Niederlassung; ansonsten waren in Graz nur Sparkassen und Regionalbanken vertreten. Vgl. Ulrike Zimmerl, Regionalbanken im Nationalsozialismus. Die Instrumentalisierung österreichischer Geldinstitute in den Bundesländern, in: Feldman u. a., Öster­reichische Banken, Bd. 2. S. 26-258, hier: S. 60, 66. 1942 wurde die Arbeitsbank-Filiale in Graz im Zuge der »Bankenrationalisierung« geschlossen. Vgl. ebd., S. 163; ferner Stefan Karner, Die Steiermark im Dritten Reich, Graz 1986, S. 215; Peter Melichar, Neuordnung im Bankenwesen: Die NS-Maßnahmen und die Problematik der Restitution, München 2004, S. 137. 217 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 14, sowie Gerald Feldman, Die Länderbank Wien AG in der Zeit des Nationalsozialismus, in: ders. u. a., Österreichische Banken, Bd. 2, S. 259-489, hier: S. 460 f. 218 Die restlichen 43,3 Mio. RM übernahm die Dresdner Bank. Vgl. ebd., S. 455 ff. Bei dem genannten Werk handelte es sich um ein Zweigwerk der Leipziger Firma Bernhard Berghaus mit Sitz in Rackwitz bei Leipzig. Daneben gewährte die Arbeitsbank auch dem Berghaus’schen (Stamm-)Unternehmen weitere Kredite, die zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des NS-Regimes auf 6,8 Mio. RM beziffert wurden. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm.  172), Bl. 13. 219 Vgl. Feldman, Länderbank Wien AG, S. 803. Bei Theodor Venus und AlexandraEileen Wendt (Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester. Eine empirische Studie über Organisation, Form und Wandel von »Arisierung« und jüdischer Auswanderung in Österreich 1938-1941, München 2004, bes. S. 247, 311) finden sich außerdem Hinweise, dass die Arbeitsbank mindestens Ambitionen hatte, sich an »Arisierungs«-Geschäften zu beteiligen.

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gements der andern Berliner Großbanken zurückblieb – sollte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschäftspolitik der Arbeitsbank in Österreich insgesamt wenig erfolgreich blieb. Auch in den Sudeten blieb die Arbeitsbank mit Versuchen, ganze Banken oder wenigstens lukrative Teile derselben zu erwerben, lange Zeit zweiter Sieger. Hier hatten »die Berliner Filial-Groß­banken Deutsche, Dresdner und CommerzBank sowie die Adca220 […] die Filialnetze der Prager Institute übernommen und einige neue Niederlassungen errichtet«.221 1943 verbuchte die Arbeitsbank dann allerdings die »Kreditanstalt der Deutschen eGmbH/Reichenberg« unter »Beteiligungen«.222 Immerhin gelang der DAF-Bank relativ rasch der Aufbau einer Zweigstelle in Reichenberg.223 In »Böhmen und Mähren« hatte die Arbeitsbank dagegen lange Zeit Schwierigkeiten, eigene Filialen zu errichten. Erst 1941 konnte sie in der tschechischen Hauptstadt eine Niederlassung eröffnen.224 In Oberschlesien, das unmittelbar nach der Zerschlagung Polens annektiert und dem »Großdeutschen Reich« eingegliedert worden war, scheint die Arbeitsbank im Unterschied zur Deutschen, Dresdner und Commerzbank trotz einer größeren Filiale in Kattowitz gleichfalls nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.225 Erfolgreich agierte sie dagegen im »Reichsgau« Danzig-Westpreußen, in dem Albert Forster – der freundschaftliche Beziehungen zu Ley unterhielt226 – das 220 Abkürzung für »Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt« (Leipzig). 221 Jahreslagebericht des SD für 1938, in: Meldungen aus dem Reich, Bd. 2, S. 182. 222 Übersicht über die Beteiligungen der Arbeitsbank 1943, Anlage zu: Bericht der Revisions- und Treuhand AG über die Arbeitsbank, Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1943, vom 14. Aug. 1944, in: BA Berlin, R. 8135, Nr. 8614. Vermutlich handelte es sich bei dieser Kreditanstalt der Deutschen um die Bank des Sudetendeutschen Genossenschaftsverbandes, die auch größere Kredite an regionale Industrie- und Bergbauunternehmen vergab und an der Beraubung der sudetendeutschen Juden beteiligt war. Vgl. Jörg Osterloh, Nationalsozialistische Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland 1938-1945, München 2006, S. 276, Anm. 247. Darüber, wie hoch die Beteiligung des DAF-Geldinstitutes war, liegen keine Angaben vor. 223 Über die Aktivitäten der Arbeitsbank in den Sudeten ist kaum etwas bekannt. Nach freilich nicht ganz eindeutigen Angaben von Osterloh (Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland, S. 353) scheint das DAF-Geldinstitut an der Ausraubung dort ansässiger Juden, namentlich der »Arisierung« der Bohemia Keramische Werke AG für die SS beteiligt gewesen zu sein. 224 Vgl. Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1941 in: BA Berlin, R43II, Nr. 529, Bl. 237242 bzw. RGVA Moskau 1458-1-43. 225 Vgl. Ryszard Kaczmarek, Die deutsche wirtschaftliche Penetration in Polen (Oberschlesien), in: Richard J. Overy/Erhard Otto/Johannes Houwink ten Cate (Hg.), Die »Neuordnung« Europas. NS-Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten, Berlin 1997, S. 257-272, hier: S. 269 f. Dort wird die Arbeitsbank nicht erwähnt. 226 Forster (1902-1952) leitete von Okt. 1930 bis 1945 den NSDAP-Gau Danzig (ab Sept. 1939 Danzig-Westpreußen). Ab Ende Aug. 1939 fungierte er außerdem als Staatsoberhaupt der »Freien Stadt Danzig«, einen Monat später zusätzlich als Chef der Zivilverwaltung in Westpreußen, von Okt. 1939 bis 1945 dann als Reichsstatthalter von Danzig-Westpreußen. Im Rahmen der DAF hatte Forster von Mitte Mai 1933 bis

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Sagen hatte. Von geringer Bedeutung war die Gründung einer eigenen Filiale in der alten Ostseestadt. Einen ausgeprägten »Zug nach Osten« zeigte die Arbeitsbank, indem sie Ende 1939 zwei alteingesessene Danziger Banken erwarb. Zum einen übernahm sie das mit einer Bilanzsumme von 5 Mio. RM vergleichsweise kleine Bankhaus R. Damme, durch dessen Übernahme die Arbeitsbank »zwar an das Netz einer Filialgroßbank noch nicht heran« reichte, das jedoch über wichtige Ansätze in diese Richtung, nämlich »eine weitverzweigte Geschäftsstellen-Organisation verfügte«, deren »Vergrößerung« die Arbeitsbank »fortsetzen« wollte.227 Ein weit wichtigerer Coup gelang dem DAF-Geldinstitut mit dem Erwerb von 95 % des Aktienkapitals der 1856 gegründeten Danziger »Privat-­ Actien-Bank« im Februar 1940. Dieses traditionsreiche Bankhaus hatte bis dahin »zum Interessenkreis der Berliner Handels-Gesellschaft gehört«,228 einer Berliner Großbank, die bis 1939 hinsichtlich der Bilanzsumme und anderen wichtigen Indikatoren hinter der Deutschen, Dresdner und Commerzbank den vierten Platz eingenommen hatte, danach dann allerdings von der Bank der Deutschen Arbeit deutlich überrundet wurde.229 Mitte Mai 1940 wurde die Privat-ActienBank in Ostdeutsche Privatbank AG umbenannt. Mit dem Kauf der renommierten Regionalbank und zugleich des größten Danziger Geldinstituts, das zwischen 1857 und 1890 sogar als eine der preußischen Notenbanken fungiert hatte und bis 1918 in allen größeren Orten Ostund Westpreußens vertreten war, gelang es der Arbeitsbank, sich »eine geeignete Grundlage für eine bankgeschäftliche Expansion im neuen deutschen Osten« zu verschaffen. Während die Berliner Großbanken mit ihren Tochtergesellschaften auf den Bankenplatz Danzig verwiesen blieben, verfügte die Privat-Actien-Bank »über eine Reihe von Filialen in den neuen Gauen Danzig Westpreußen und Warthegau und über alte Geschäftsbeziehungen in diesen Gebieten«.230

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Ende Dez. 1934 den »Gesamtverband der deutschen Angestellten«, ab Ende Nov. 1934 außerdem für einige Monate das DAF-»Amt für Berufsgruppen« geführt. Von 1933 bis 1935 saß Forster schließlich im Aufsichtsrat der Bank der Deutschen Arbeit; von dieser Funktion trat er wegen Ämterüberlastung und außerdem wohl auch deshalb zurück, weil er in die DAF-internen Vorgänge vom Frühjahr 1935, die in der Ablösung des Arbeitsbankdirektors Karl Müller gipfelten, nicht verwickelt werden wollte. »Eine Bank-Karriere«, in: Die Bank, 33/1940, Heft 10, S. 153. Vgl. außerdem Bericht Nr. 12293 der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1939, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 2406, Bl. 4 f. Zitate: »Eine Bank-Karriere« (Anm. 227). Vgl. außerdem Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40, im Juli 1940, S. 2, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87; ferner Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 17 f.; Rüdiger Ruhnau, Danzig. Geschichte einer deutschen Stadt, Würzburg 1971, S. 82. Die Berliner Handels-Gesellschaft (BHG) hatte zuvor vergeblich versucht, die Aktienmehrheit der Danziger Privat-Actien-Bank zu erwerben. Vgl. Tabelle 1.4. Zitate: »Eine Bank-Karriere« (Anm. 227). Vgl. auch Ingo Loose, Kredite für NS-Verbrechen. Die deutschen Kreditinstitute in Polen und die Ausraubung der polnischen und jüdischen Bevölkerung 1939-1945, München 2007, S. 91.

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Auch im »Mustergau Wartheland« agierte die Ostdeutsche Privatbank AG, trotz der distanzierten Haltung des dortigen NSDAP-Gauleiters und Reichsstatthalters Arthur Greiser gegenüber Robert Ley und seiner Arbeitsfront, ziemlich erfolgreich und avancierte in der ersten Hälfte des Zweiten Weltkrieges zur Regionalbank Nr. 1: Mit einer Bilanzsumme von 85,8 Mio. RM im Jahre 1941 nur im »Warthegau« erwirtschaftete sie einen Reingewinn von knapp 336.000 RM; die Ostbank, die zum Imperium der Dresdner Bank gehörte und der schärfste Konkurrent der DAF-Re­gional­bank war, wies im selben Jahr eine Bilanzsumme von 77,3 Mio. RM und den eher bescheidenen Reingewinn von 60.000 RM aus.231 Auch unmittelbar expandierte die Arbeitsbank in den »Warthegau«. In Posen als der Hauptstadt des neuen »Reichsgaues« wurde eine erste Filiale am 1. Dezember 1939 gegründet, zeitgleich mit den entsprechenden Außenstellen der Deutschen, der Dresdner und der Commerzbank.232 Die neuen Zweigstellen der Bank der Deutschen Arbeit, vor allem aber die Ostdeutsche Privatbank AG als ein Geldinstitut mit einem großen Aktionskreis im »Neuen Osten« waren im Übrigen auch der Organisation Deutsche Arbeitsfront von Nutzen, war die DAF doch bemüht, in den neuen Ostgebieten die »Volksdeutschen« möglichst flächendeckend zu organisieren; mit dem Netz an Filialen der beiden DAF-Geldinstitute ließen sich die Einziehung von Mitgliedsbeiträgen und andere Finanztransaktionen der Arbeitsfront in den angegliederten Gebieten relativ einfach abwickeln. Darüber hinaus versetzten die Ostdeutsche Privatbank AG bzw. die Arbeitsbank-Filialen die DAF in die Lage, das Vermögen der polnischen bzw. polnisch-deutschen Gewerkschaften, das der Arbeitsfront von den Besatzungsbehörden zugesprochen wurde und das diese auch umgehend konfisziert hatte, komplikationslos ins Reich zu transferieren.233 Nach dem Überfall auf die Sowjetunion schickte sich die Arbeitsbank an, in die scheinbar unbegrenzten osteuropäischen Gebiete zu expandieren. Damit waren die Tage der Ostdeutschen Privatbank AG als eigenständiges, auf den »Nahen Osten« fokussiertes Geldinstitut gezählt. Eine separate Existenz des Danziger Bankhauses schien nicht mehr notwendig. Ihre Geschäftsfelder wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1942 auf die Arbeitsbank übertragen.234 231 Vgl. Wixroth, Dresdner Bank, S. 516 f. Aufgrund der Nähe der Dresdner Bank zur SS gelang es der Ostbank als der regionalen Filialbank der Dresdner ab 1942/43 dann allerdings, die Ostdeutsche Privatbank bzw. den regionalen Ableger der Arbeitsbank im »Warthegau« schließlich zu überflügeln. 232 Vgl. ebd., S. 505. 233 Vgl. Günter Meinhardt, Aus Brombergs Vergangenheit. Ein Heimatbuch für den Stadt- und Landkreis, Wilhelmshaven 1973, S. 486; Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 18. 234 Im Juli 1942 war die Verschmelzung der Danziger Bank mit der Arbeitsbank auch organisatorisch abgeschlossen. Die Immobilien und andere Sachwerte der Bank wurden separiert und firmierten ab 1942 als »AG für Danziger Realwerte«, die gleichfalls im Besitz der Arbeitsbank war. Vgl. Revisions- und Treuhand AG, Beteiligungen der Arbeitsbank 1943 (Anm. 222); ferner »Bank der Deutschen Arbeit« (o.V.), in: Frankfurter Zeitung vom 21. April 1943.

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Schwieriger als in Danzig und im »Reichsgau Wartheland« gestaltete sich die Entwicklung der Arbeitsbank im »Generalgouvernement«, also in den Zentralregionen des vormaligen polnischen Staates.235 Dort waren die traditionellen Berliner Großbanken bereits kurz nach Kriegsbeginn auf den einschlägigen Bankenplätzen vertreten, während die Arbeitsbank erst 1941 in »Litzmannstadt« (Lodz), im Mai 1942 nach langwierigen Verhandlungen dann in der alten polnischen Metropole Krakau236 sowie im Herbst 1942 schließlich in Warschau eigene Vertretungen aufbaute. Diese Niederlassungen sollten ein erster Anfang sein. Langfristig – nachdem Frank und Hitler im März 1941 vereinbart hatten, aus dem »Generalgouvernement« im Laufe der nächsten »15 bis 20 Jahre ein rein deutsches Land zu machen«237 – wollte Lencer die Arbeitsbank zur führenden Geschäftsbank in diesem Teil des »Ostlandes« machen. Pläne, zu diesem Zweck außerdem drei größere polnische Banken zu erwerben, zerschlugen sich jedoch aufgrund anhaltenden Widerstandes der regionalen Bankenaufsichtsstelle.238 Da sich die Arbeitsbank im Generalgouvernement erst mit Verspätung etablieren konnte, war sie im dortigen Investment-Kreditgeschäft anfänglich schwach vertreten. Dies lag auch daran, dass man auf der Passiv-Seite vor allem Sichteinlagen der deutschen Besatzungsbehörden, d. h. Tagesgelder und andere kurzfristige Einlagen, verbuchte, die keine sichere Basis für Kreditvergaben darstellten. Die Eröffnung der Arbeitsbank-Filiale in Krakau dann im Frühjahr 1942 hatte zu­mindest den Effekt, dass das Geschäft mit Sichteinlagen (eine frühe Form des quasi-bar­geldlosen Zahlungsverkehrs) der deutschen Behörden, darunter der »Generaldirektion der Monopole« und der NSDAP-Dienststellen, erheblich erweitert werden konnte.239 235 Nach der Zerschlagung des polnischen Staates wurden der »Warthegau« (unter Greiser), der »Reichsgau Danzig-Westpreußen« (unter Forster) sowie die Regierungsbezirke Kattowitz und Zichenau dem »Großdeutschen Reich« eingegliedert. Die verbliebenen Gebiete, die Distrikte Krakau, Radom, Warschau und Lublin, bildeten ab Ende Okt. 1939 das »Generalgouvernement«; Anfang Aug. 1941 kam der Distrikt Lemberg hinzu. 236 Vgl. Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1941 (Anm. 224) sowie eine entsprechende Meldung (mit Verweis auf bereits länger in Krakau existierende Filialen der anderen Großbanken) in: »Die Ostwirtschaft«, 31/1942, Heft 6/7 (unpaginiert). 237 Nach: Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 23. 238 Bei den Geldinstituten, die die Arbeitsbank erwerben wollte, handelte es sich um die Warschauer Disconto-Bank (Warszawski Bank Dyskontowy) und den Allgemeinen Bankverein (Powszechny Bank Zwiazkowy w Polsce). Vgl. ausführlich Kreutzmüller/ Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 20-23; ferner Loose, Deutsche Kreditinstitute in Polen, S. 260, sowie Wixforth, Dresdner Bank, S. 542, 545. Darüber hinaus zeigte die DAF-Bank im Hochsommer 1943 Interesse an der »Bank Handlowy«. Auch diese Übernahmeabsichten zerschlugen sich. Vgl. Gerald Feldman, Die CreditanstaltBankverein in der Zeit des Nationalsozialismus, 1938-1945, in: ders. u. a., Österreichische Banken, Bd. 1: Creditanstalt-Bankverein, S. 23-684, hier: S. 416. 239 Vgl. Loose, Kredite für NS-Verbrechen, S. 391, 436. Allerdings verfügte die Arbeitsbank selbst auf dem Feld des Geldverkehrs der Okkupationsbehörden keineswegs über ein Monopol; namentlich zur SS, deren Bedeutung im »Generalgouvernement«

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Maßgebliche Beteiligung an der Finanzierung der SS-Umsiedlungsaktionen im europäischen Osten (»Generalgouvernement« und Sowjetunion) Diese anfänglichen Konkurrenznachteile suchte die Arbeitsbank durch ihre maßgebliche Beteiligung an der Finanzierung der gigantischen Umsiedlungsaktionen zu kompensieren, die die SS im Osten Europas  – zunächst im »Generalgouvernement«, später in den weit riesigeren, der Sowjetunion geraubten Gebieten – plante. Eine offensive und ›erfolgreiche‹ Kreditpolitik der Bank der Deutschen Arbeit im von der Wehrmacht eroberten »Ostraum« wurde wesentlich dadurch begünstigt, dass insbesondere die nationalsozialistische Wohnungsbaupolitik generell immer stärker mit der Arbeitsfront verzahnt wurde. Diese Entwicklung, die bereits Mitte der dreißiger Jahre einsetzte, fand ihren sichtbarsten institutionellen Ausdruck in der Ernennung Robert Leys Ende 1940 zum »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« sowie mit stark erweiterten Kompetenzen zum Reichswohnungskommissar im Herbst 1942. Bereits am 25. September 1939, wenige Wochen nach dem Überfall auf Polen, war zudem Leys Stellvertreter Heinrich Simon zum »Bevollmächtigten für die Bau-, Wohnungs- und Siedlungswirtschaft im Generalgouvernement« ernannt worden. In dieser Funktion hatte Simon Siedlungsprogramme für »Volksdeutsche« in diesem Gebiet zu entwickeln und in der Folgezeit deshalb zunehmend engere Kontakte zur SS aufgebaut.240 Simon und seine Bau- und Siedlungsbevollmächtigung für das »General­ gouvernement« waren nicht das einzige Scharnier zwischen DAF und SS, das sich die Arbeitsbank zunutze machen konnte. Auch von der engen Kooperation zwischen dem Ende 1940 aus den vormaligen Konsumgenossenschaften entstandenen Deutschen Gemeinschaftswerk der Arbeitsfront sowie dem hochrangigen SS-Funktionär Franz Hayler profitierte die Arbeitsbank. Hayler stand seit 1938 der Reichsgruppe Handel vor und saß von Anbeginn auch im Aufsichtsrat des DAF-Gemein­schafts­werks. Er war maßgeblich, u. a. mit einer im Spätsommer 1941 entstandenen »Förderdienst GmbH«, für den Aufbau einer mittelständischen Infrastruktur in den osteuropäischen Regionen zuständig.241 Aufschlussreich für die enge Zusammenarbeit, die sich vor diesem Hintergrund schon kurz nach Kriegsbeginn zwischen der SS und der Arbeitsfront mit ihrer Arbeitsbank entwickelte, war ein 100-Millionen-RM-Kredit, den der Reichsführer-SS Heinrich Himmler in seiner neuen Funktion als »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« auf Anweisung Hitlers und nach einem entsprechenden »Bescheid« des Reichsfinanzministers vom 25. November

rapide wuchs, besaß die Dresdner Bank (bzw. die Kommerzialbank als ihr Tochter­ unternehmen) die besseren Beziehungen. Vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 569, 578. 240 Vgl. Kapitel 7, S. 448 ff. 241 Zu Biographie und politischen Funktionen Haylers vgl. Kapitel 6, S. 406 f.

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1939 »namens des Reiches« aufzunehmen ermächtigt wurde.242 Diese Ermächtigung übertrug Himmler seinerseits auf die Deutsche Umsiedlungs-TreuhandGesellschaft mbH (DUT), die kurz zuvor mit dem Ziel gegründet worden war, die in süd- und osteuropäischen Ländern verstreuten »Volksdeutschen« vor allem in den Gebieten des ehemaligen Polen (»Generalgouvernement«) anzu­siedeln, aus denen zuvor Millionen Menschen vertrieben worden waren. Nach dem Einmarsch in die Sowjetunion erstreckte sich die Tätigkeit der DUT auch auf die dort okkupierten Gebiete, insbesondere das »Reichskommissariat Ostland«, das ab Juli 1941 aus Teilen Weißrusslands und den baltischen Staaten gebildet worden war. Obwohl sich das ›Zeitfenster‹ für eine Ansiedlung »Volks-« und zu einem kleinen Teil auch Reichsdeutscher 1943 schloss, wurden etwa 600.000 Deutsche in den neuen »deutschen Osten« umgesiedelt und ihnen der zumeist landwirtschaftliche Besitz der vertriebenen Einheimischen sowie Betriebe zugewiesen, die zuvor von der »Haupttreuhandstelle Ost« (HTO)243 enteignet worden waren. Der 100-Millionen-RM-Kredit selbst, mit dem die SS noch viel gigantischer geplante ›Umsiedlungen‹ und ›Eindeutschungen‹ finanzieren wollte, wurde aufgrund einer Vereinbarung zwischen der DUT und den beteiligten Banken in drei Tranchen gegliedert: Die Hälfte des eingeräumten Gesamtkredits war für Einzel- oder Allein-Kredite an die Siedler, aber auch an reichs- oder baltendeutsche Einzelhändler und Handwerker, die in diesen ›Siedlungs‹-Gebieten Gewerbebetriebe errichten wollten, in Höhe bis zu jeweils 50.000 RM vorgesehen. Weitere 30 Mio. RM des konsortialiter eingeräumten Gesamtkredits waren für höhere Einzelkredite reserviert; die restlichen 20 Mio. RM standen der DUT zur freien Verfügung.244 Die Laufzeit war für ein Drittel des Gesamtkredits zunächst bis Ende 1942, bei einem Drittel bis 31. Dezember 1944 limitiert; sie wurde Mitte 1943 schließlich bis Ende 1947 verlängert.245 242 Die Ermächtigung des RFM vom 25. Nov. 1939 belief sich zunächst auf einen Gesamtkredit in Höhe von 50 Mio. RM; am 14. März 1940 erweiterte Schwerin-Krosigk dessen Volumen auf 100 Mio. RM. Vgl. Himmler (als Reichsführer-SS und »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums«) an die Dresdner Bank vom 23. März 1940, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a. 243 Die Mitte Okt. 1939 gegründete HTO verwaltete im besetzten Polen die enteigneten jüdischen und polnischen Unternehmen und setzte dort »Betriebsführer« ein, zumeist Vertreter großer deutscher Konzerne. Bis Febr. 1941 gingen auf diese Weise knapp dreihundert große, 9.000 mittlere und 76.000 kleine Unternehmen an Deutsche über. 244 Vgl. Deutsche Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft mbH an die Dresdner Bank vom 19.  Dez. 1939, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a. 245 15 % sollten bis Ende 1943, weitere 15 % bis Ende 1944, 30 % bis Ende 1945 und die restlichen 40 % schließlich bis zum 31. Dez. 1947 zurückgezahlt werden. Vgl. Dresdner Bank, Konsortialabteilung II, an die Kreditabteilung der Bank der Deutschen Arbeit (Berlin), vom 23. Juli 1943, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a. Da die NS-Herrschaft über die osteuropäischen Gebiete 1943/44 zusammenbrach, wurden nicht alle bereitgestellten Gelder in Anspruch genommen und anscheinend nur etwa 40 Mio. RM auch tatsächlich ausgezahlt. Im Frühjahr 1945 summierten sich die noch nicht getilgten Umsiedlungs-Kredite für die Arbeitsbank auf einen Buchwert von insgesamt

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Die Federführung bei der Aufnahme dieses gigantischen Kredites und der Verteilung der Anteile auf die verschiedenen Geldinstitute übernahm zwar die Dresdner Bank als SS-Hausbank. Die Bank der Deutschen Arbeit war an diesem Kredit aber von Anfang an stark engagiert: bei den Konsortialkrediten (Einzelkredite ab 50.000 RM sowie Kredite zur freien Verfügung der DUT) mit einem Anteil von 11 %, bei den Kleinkrediten mit 6 %. Stärker involviert als die Arbeitsbank waren nur die Großen Drei: die Dresdner und die Deutsche mit jeweils 20 % bzw. 12 % und die Commerzbank mit 11 % bzw. 8 %, sowie bei den Kleinkrediten die Sparkassen und Genossenschaften (mit 50 %).246 Die Anteile der Commerzbank überflügelte die Arbeitsbank dann, als sie, wie erwähnt, die Danziger Privat-Actiengesellschaft erwarb. Das Danziger Bankhaus hatte seinerseits einen Anteil von 5 % bzw. (bei den Kleinkrediten) von 6 % gehalten, so dass sich nun die Gesamtquote der Arbeitsbank am 100-Millionen-RM-Kredit auf 16 % (Konsortialkredite) bzw. 12 % (Alleinkredite) erhöhte.247 Mit dieser ersten maßgeblichen Beteiligung an einem Großkredit hatte die Arbeitsbank einen Fuß in der Tür. Weitere Kredite folgten. Als 1941 unter der Führung der Deutschen Bank ein zweiter Konsortialkredit für die UmsiedlungsTreuhand-Gesellschaft in Höhe von 20 Mio. Zloty aufgelegt wurde, war die Hausbank der Arbeitsfront mit 15 % daran beteiligt.248 Auch bei den Konsor­ tialkrediten zur Ankurbelung der Agrarwirtschaft des »Generalgouvernements« war das Geldinstitut der DAF engagiert.249 Allein infolge ihrer herausragenden Beteiligung an diesen Konsortialkrediten wurde die Bank der Deutschen Arbeit im Generalgouvernement neben den etablierten Berliner Großbanken zu einem Schwergewicht. Über die dadurch entstehenden Kontakte zu Unternehmen und (sonstigen) Einzelkreditnehmern sowie infolge der engen finanziellen Zusammenarbeit mit der SS  – auch über den »Förderdienst« Franz Haylers hinaus  – erweiterte die Arbeitsbank ihre Kreditgeschäfte in den besetzten Regionen der Sowjetunion

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2,1  Mio. RM. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 5. Vgl. Aktenvermerk vom 28. Nov. 1939 (in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a) über eine Besprechung von Repräsentanten der beteiligten Banken am Vortage, auf der die genaueren Konditionen der Kreditgewährung festgelegt wurden. Geleitet wurde die Sitzung von Wilhelm Keppler, der neben vielen anderen Funktionen auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der DUT war. Vgl. außerdem Loose, Kredite für NS-Verbrechen, S. 251. Vgl. Dresdner Bank, Konsortialabteilung II, an die Kreditabteilung der Bank der Deutschen Arbeit, vom 10. Aug. 1942, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a. Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 23, sowie Loose, Kredite für NS-Verbrechen, S. 425 f. Anfangs allerdings nicht exponiert: so war die Arbeitsbank an einem entsprechenden Kredit, mit dem die »Erntekampagne« im »Generalgouvernement« gesichert werden sollte, mit lediglich 6 % beteiligt. Vgl. Feldman, Creditanstalt-Bankvereine, S. 402. Erst in der Folgezeit scheint sich die Arbeitsbank bei Krediten für die Landwirtschaftliche Zentralstelle im Generalgouvernement stärker engagiert zu haben. Vgl. Loose, Kredite für NS-Ver­bre­chen, S. 418 f.

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generell. Um sich Zugang zu den »wirtschaftlich noch weitgehend unerschlossenen« Gebieten des nördlichen »Ostlands« zu verschaffen, wurden 1941 größere Niederlassungen in Riga und im Spätsommer 1942 im litauischen Kaunas eröffnet.250 Der Erfolg blieb nicht aus: »Gerade durch die Hergabe von EinzelDUT-Krediten« im Rahmen des 100-Millionen-Reichsmark-Kredits, an dem die Arbeitsbank maßgeblich beteiligt war, sei es gelungen, zahlreiche weitere »Geschäftsverbindungen mit den betreffenden Firmen anzuknüpfen und zu pflegen«, berichtete die gleichfalls im »Ostland«-Geschäft engagierte Niederlassung Bromberg der Berliner Zentrale der Arbeitsbank im Hochsommer 1942 zufrieden. Als besonders interessante Kundschaft, zu der man viele Geschäftsverbindungen geknüpft habe, galten der Bromberger Zweigstelle »die verschiedenen baltendeutschen Umsiedler, die seinerzeit in sehr vielen Fällen als kommissarische Verwalter für HTO-Firmen eingesetzt wurden und inzwischen diese Firmen erworben haben«.251 Vor allem »in mittleren Städten«, neben Bromberg etwa Thorn, vermochte die Arbeitsbank »eine starke Anbindung an die Kundschaft der für die umfangreichen Umsiedlungen zuständigen DUT sowie zur Gruppe der HTO zu erreichen«.252 Da es sich bei einem Großteil der knapp 80.000 Unternehmen, die die SS-Einrichtung HTO auf dem Gebiet des zerschlagenen polnischen Staates enteignet hatte, um jüdische Betriebe handelte, war die Arbeitsbank mithin auch im Generalgouvernement sowie später im »Ostland« in die dortigen »Arisierungs«-Verbrechen maßgeblich involviert. Bei der Kreditvergabe an die HTO-Unternehmen und andere Siedler musste die Arbeitsbank allerdings vorsichtig agieren, da sie vor allem (kurzfristige) Sichteinlagen eingeworben hatte und es ihr nicht gelang, in größerem Umfang längerfristig gebundene Spareinlagen zu mobilisieren.253 Nach anfänglichem Zögern, und um gegenüber den arrivierten Berliner Geschäftsbanken nicht auf Dauer das Nachsehen zu haben, vergab sie im ehemaligen Polen dennoch zunehmend Gelder mit vergleichsweise langer Laufzeit an kredithun­grige deutsche Unternehmen, die sich dort einheimische Betriebe angeeignet oder neue Werke gegründet hatten; infolgedessen stand der Aufstieg der Arbeitsbank im Generalgouvernement langfristig auf »tönernen Füßen« (Christoph Kreutzmüller/Ingo Loose).254 In anderer Hinsicht ließen die DAF-Bank und ebenso die anderen Berliner Geldhäuser im Generalgouvernement dagegen Vorsicht wal250 Zitat: »Bank der Deutschen Arbeit« (o.V.), in: VB vom 29. April 1944. Vgl. auch Foreign Policy Association, Foreign Policy Reports, Vol. 18, New York 1943, S. 141, sowie Roswitha Czollek, Faschismus und Okkupation, Berlin 1974, S. 86 f. 251 Bromberger Zweigstelle an die Berliner zentrale Kreditabteilung der Bank der Deutschen Arbeit vom 13. August 1942, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 744a. 252 Ebd. 253 Vgl. unten. 254 Namentlich die Dresdner Bank verschaffte sich gegenüber ihren Konkurrenten einen Vorsprung, weil sie  – wie schon zuvor an die SS  – Kredite an industrielle Kriegsgewinnler aus dem Deutschen Reich »vergleichsweise großzügig gesichert« vergab. Hierzu und zum Folgenden: Wixforth, Dresdner Bank, bes. S. 545, 564 f., 596.

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ten. Im Frühjahr 1942 hatte Reichswirtschaftsminister Walther Funk von den Großbanken einschließlich der Bank der Deutschen Arbeit »verlangt«, dass diese die am Bankenplatz Warschau vertretenen Geldhäuser übernähmen. Dazu waren die reichsdeutschen Banken, auch die Arbeitsbank, grundsätzlich durchaus bereit, allerdings nur zu bestimmten Konditionen. Vor allem wollten sie für Verpflichtungen der polnischen Bankhäuser nicht haften und forderten deshalb eine genaue Regelung der Trennung von Alt- und Neugeschäften, die dann nicht mehr zustande kam. Dennoch boomte das Geschäft. 1943 und selbst noch 1944 sprach die Presse anlässlich der Veröffentlichung der Jahresbilanzen mit Blick auf die Arbeitsbank von einer »stetigen, in schnellem Tempo vorangehenden Ausdehnung ihres Geschäfts, besonders im Ostland«.255 Sie bezog sich dabei offenbar auf einen Bericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen Strauch, der in einem Rechenschaftsbericht Anfang 1944 stolz auf »die außerordentlich günstige Entwicklung der Bankniederlassungen im Reichskommissariat Ostland« hinwies. Konsortial- und direkte Firmenkredite für die Rüstung und die Ausplünderung von Rohstoffvorkommen In diesem Rechenschaftsbericht ein Jahr vor Zusammenbruch des Dritten Reiches hatte Strauch bemerkt, dass die DAF-Bank nicht zuletzt »an erheblichen Konsortialkrediten für die bedeutendsten Handelsgesellschaften und Unternehmen in Ostland beteiligt« sei und nannte in diesem Zusammenhang »besonders« die Außenstelle der Arbeitsbank in Riga.256 Diese selbstzufriedene Feststellung bezog sich nicht auf die oben genannten Großkredite für das »Generalgouvernement«, die von Danzig bzw. Bromberg aus eingefädelt worden waren. Strauch meinte weitere Konsortialkredite, die vor allem der wirtschaftlichen Erschließung der riesigen, in der Sowjetunion eroberten Gebiete für die räuberischimperialistischen Interessen des nationalsozialistischen Deutschlands dienten. Darunter war erstens ein Großkredit in Höhe von 192,5 Mio. RM an die Baltische Öl GmbH, eine Tochtergesellschaft der Continentalen Öl AG,257 die Erd255 Berliner Börsen-Zeitung vom 13. Mai 1943. Ähnlich: Berliner Börsen-Zeitung vom 30. April 1944. 256 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33, bzw. ThHStA Weimar, Thür. Wirtschaftsministerium, Nr. 4326, Bl. 16-77, hier: Bl. 49. Wie stark die Stellung der Arbeitsbank im »Reichskommissariat Ostland« war und wie gut ihre Protagonisten vernetzt waren, zeigt sich auch daran, dass Lencer als der Vorstandsvorsitzende des DAF-Geld­in­stitutes 1942/43 gleichzeitig zum Leiter der Chefgruppe »Betriebsführung und Berufserziehung« bei der Wirtschaftsinspektion Mitte ernannt wurde und in dieser Funktion 1943 in Borissow einen Metallwarenbetrieb übernahm, den er zum Vorzeigeunternehmen der DAF ausbauen wollte. Vgl. Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 1999, S. 444, 485. 257 Zur Continentalen Öl AG vgl. vor allem Dietrich Eichholtz, Deutsche Ölpolitik im Zeitalter der Weltkriege. Studien und Dokumente, Leipzig 2010, S. 387-392; ders.,

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ölvorkommen vor allem im Baltikum erschließen sollte. Die Gründung der Baltischen Öl AG, die vor allem Erdölschiefer in Estland ausbeuten sollte, erfolgte zwar bereits im Juli 1941. In die Wege geleitet wurde der Konsortialkredit jedoch erst im Hochsommer 1943, als die Wehrmacht auf allen Kriegsschauplätzen längst in der Defensive war. Dieser Großkredit gehört mithin zu den verzweifelten Versuchen des NS-Regimes, dem »Großdeutschen Reich« den für die Kriegführung notwendigen Treibstoff zu erhalten.258 An diesem Investmentkredit für die Baltische Öl GmbH war die Arbeitsbank mit zehn Prozent beteiligt.259 Beteiligt war das DAF-Geldhaus zweitens mit acht Prozent an einem im Frühherbst 1941 vereinbarten Konsortialkredit von 100 Mio. RM für die »Ostfaser GmbH«, in der sämtliche im Baltikum, in Weißrussland, der Ukraine und im östlichen Teil Polens geraubte Unternehmen verwaltungsmäßig zusammen­ gefasst worden waren. Die Ostfaser GmbH galt mit ihren etwa dreihundert Betrieben und insgesamt 30.000 Beschäftigten als der »größte Textilkonzern Europas« (Hans Kehrl);260 tatsächlich war sie allerdings kein Industrieunternehmen im engeren Sinne, da die einzelnen Unternehmen oder Handelskonzessionen an reichsdeutsche Textilunternehmen ›treuhänderisch‹ weitergegeben wurden. Zentrale Aufgabe dieses Konglomerats an Textilbetrieben war die Belieferung der Wehrmacht und der Export von Wolle, Flachs usw. zur Weiterver­ arbeitung ins Deutsche Reich. Mit dem schon relativ kurze Zeit nach dem Überfall auf die Sowjetunion zustande gekommenen Kredit sollten die vormaligen Krieg um Öl. Ein Erdölimperium als deutsches Kriegsziel, Leipzig 2006, zur Gründung S. 49 ff.; Titus Kockel, Eine Quelle zur Vor- und Gründungsgeschichte der Kontinentale Öl AG aus dem Jahre 1940, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 2003/1, S. 175-208; Rainer Karlsch/Raymond G. Stokes, Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859-1974, München 2003, S. 208-211; Dietrich Eichholtz, Deutsche Kriegswirtschaft, Bd. I: 1939-1941, Berlin 1971, S. 235-238. An der mit der Continentalen Öl AG verbandelten, in Berlin an­sässigen Continentale Handelsgesellschaft AG war die Arbeitsbank mit einem Aktien­paket von 1 Mio. RM auch unmittelbar beteiligt. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 27. 258 Dass die Baltische Öl GmbH zu keinem Zeitpunkt rentabel arbeitete und Anfang 1945 ihre Zahlungen einstellen musste, überrascht vor dem skizzierten Hintergrund nicht. Ein Verlustgeschäft scheint die Finanzierung der Baltischen Öl AG aufgrund staat­licher Garantien für die beteiligten Banken dennoch nicht gewesen zu sein. Vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 630 f.; zur Baltischen Öl AG Dierich Eichholtz, Deutsche Kriegswirtschaft, Bd. 2: 1941-1943, Berlin 1985, S. 419, 480; Karlsch/Stokes, Faktor Öl, S. 218. 259 Zur Beteiligung der Arbeitsbank am Konsortialkredit für die Baltische Öl GmbH vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 648. In der vorläufigen Jahresbilanz vom 31. Dez. 1944 bzw. der Zwischenbilanz vom 30. April 1945 war der Anteil der Arbeitsbank an diesem Großkredit allerdings nur mit 7,3 Mio. RM bzw. 8,0 Mio. RM verzeichnet. Dieser und die im Folgenden aufgelisteten Großkredite waren zu hundert Prozent »reichsverbürgt«. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 15. 260 Hans Kehrl, Krisenmanager im Dritten Reich. 6 Jahre Frieden – 6 Jahre Krieg. Er­ innerungen, Düsseldorf 1973, S. 227.

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sowjetischen Staatsunternehmen zugunsten der Wehrmacht und der deutschen Bevölkerung im »Altreich« wieder in Gang gesetzt werden.261 Außerdem partizipierte die Arbeitsbank drittens noch im Frühjahr 1944 an einem Konsortialkredit für die Gründung einer Südost-Montan GmbH sowie viertens der Bor Kupferbergwerke und Hütten AG im besetzten Serbien zur Ausbeutung der dortigen Erzvorkommen.262 Fünftens beteiligte sich die Arbeitsbank mit 3,8 Mio RM an einem Großkredit zum Aufbau der Oberschlesische Hydrierwerke Blockhammer AG, an deren Grundkapital das DAF-Geldinstitut außerdem eine Minderheitsbeteiligung hielt.263 Zu den bedeutenden Konsortialkrediten, die von der Bank der Deutschen ­Arbeit mitfinanziert wurden (Beteiligung von fünf Prozent), gehörte sechstens ein Kredit in Höhe von 100 Mio. RM für die »Berg- und HüttenwerksGesellschaft Ost (Berghütte Ost)«.264 Diese im Hochsommer 1941 gegründete »Berghütte Ost« war als riesige Holding konzipiert, in der sämtliche ehemals sowjetischen Staatsunternehmen des Bergbaus sowie der Stahl- und Eisen­ industrie der Ukraine, Weißrusslands und Russlands sowie sämtliche geraubten Maschinenbau­betriebe in den okkupierten Regionen zusammengefasst werden sollten. Darüber hinaus sollte der geplante Riesenkonzern die Kohle- und Erzvorkommen im Donezk-Becken, auf der Krim und später auch im Kaukasus ausbeuten; er war dazu gedacht, die deutsche Rüstungsindustrie auf Jahrzehnte hinaus mit Rohstoffen und Fertigprodukten zu versorgen.265 Der Finanzbedarf 261 Zur »Ostfaser« ausführlich (als unmittelbarer Verantwortlicher:) Kehrl, ebd., bes. S. 229 ff., sowie Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 399 ff. (und die dort genannte ältere Literatur). Zum Hintergrund vgl. Eichholtz, Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 393. Zum Kredit außerdem Wixforth, Dresdner Bank, S. 635 f. 262 Vgl. Darlehensvertrag vom 16. Mai 1944, abgeschlossen von der Südost-Montan GmbH Berlin, Geschäftsführung Belgrad, und der Deutschen Bank (als Führer des Bankenkonsortiums) sowie Aktennotiz der Arbeitsbank vom 30. Mai 1933, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 802. Die Arbeitsbank war an dem Großkredit für die SüdostMontan GmbH in einer Gesamthöhe von 62 Mio. RM mit 3,4 Mio. oder 5,5 %, an dem für die Bor Kupferbergwerke und Hütten AG in einer Gesamthöhe von 110 Mio. RM mit 10 % (11 Mio. RM) beteiligt. Angesichts der Lage auf den Kriegsschauplätzen scheinen beide Unternehmen über die Gründungsphase nicht hinausgekommen zu sein. Ende 1944 wurde über die Rückzahlungsmodalitäten des Kredits verhandelt. Vgl. Schreiben der Deutschen Bank an Bank der Deutschen Arbeit AG vom 4. und 19. Dez. 1944, in: ebd. 263 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 15 bzw. 26. 264 Vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 636, 649. Der Kredit wurde offenbar stufenweise gewährt und bis Kriegsende nicht vollständig ausgezahlt. Für die Arbeitsbank schlug er bis Ende 1944 bzw. April 1945 jedenfalls ›nur‹ mit 4 Mio. RM zu Buche. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 15. 265 Nominell war die Berghütte Ost zunächst ein Reichsunternehmen, weil die reichsdeutschen Konzerne angesichts des »völlig zerstörten Zustandes« (wie Ernst Poensgen, der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Stahlwerke, konstatierte) der Werksanlagen in den okkupierten Gebieten der Sowjetunion es ablehnten, jene einfach zu über-

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wurde auf 4 Mrd. RM und mehr kalkuliert; der genannte Konsortialkredit sollte mithin erst der Anfang sein. Bemerkenswert ist, dass sich die Berliner Geschäftsbanken geradezu danach drängelten, an diesem Kredit, der erst ab Herbst­beginn 1943 – als die strategische Niederlage der Wehrmacht im Osten und ihr schließlicher Zusammenbruch längst abzusehen waren – vollständig in Anspruch genommen wurde, beteiligt zu werden. Dahinter steckte ein Realitätsverlust, der deutlich macht, wie verbissen alle großen reichsdeutschen Banken auf das ›Ostgeschäft‹ orientiert waren, und wie sehr jede von ihnen um den »Führungs­ anspruch zur wirtschaftlichen Penetration und Ausbeutung des Ostens« (Harald ­Wixforth) stritt.266 Die Arbeitsbank machte da keine Ausnahme. In der vorläufigen Zwischenbilanz der Arbeitsbank vom 30. April 1945 werden insgesamt elf Konsortialkredite aufgelistet. Darunter waren neben den bisher genannten Großkrediten weitere für neue Industrien in den dem Reich unmittelbar einverleibten Gebieten und die erwähnten Großkredite für den Aufbau einer Rüstungsindustrie in Österreich sowie weitere für Rumänien. Symptomatisch ist allerdings, dass das DAF-Geldinstitut bei keinem einzigen dieser Großkredite die ›Führerschaft‹ innehatte, sondern diese der Dresdner, Deutschen und Commerzbank, in zwei weiteren Fällen der Preußischen Staatsbank sowie der Reichs-Kredit-Gesellschaft überlassen musste. Wenn die Arbeitsbank bei der Zusammenstellung und Gewährung von Konsortialkrediten regelmäßig nur eine letztlich untergeordnete Rolle spielte, dann war dies auf die engen und eingespielten Kooperationen der konkurrierenden Großbanken zurückzuführen – beispielsweise die »Konditionenkartelle« –, an denen das DAF-Geldhaus nicht partizipierte.267 Dennoch verdreifachte sich die Summe der Konsortialbetei­ ligungen zwischen 1939 und 1943 (Tabelle 1.3). Zu den Konsortialkrediten traten eine Reihe größerer Industriekredite, die die Arbeitsbank an einzelne Unternehmen jeweils unmittelbar vergab. Sie reichten teilweise an die Summe heran, die das DAF-Bankhaus 1938 für den Aufbau des Volkswagenwerkes zur Verfügung gestellt hatte, und übertrafen die Kreditsumme in Höhe von 10 Mio. RM, die die Arbeitsbank bereits Ende Okt. 1937 der Gelsenberg Benzin AG zur Verfügung gestellt hatte.268 An der Spitze standen die Bayerischen Motorenwerke sowie andere Bereiche des »Quandt-Kon­ zerns«, mit Neuausleihungen allein 1943 in Höhe von 42,8 Mio. RM,269 und die

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nehmen. Ab 1942/43 sollten die sowjetischen Betriebe über »Patenschaften« in die Verfügungsgewalt reichsdeutscher schwerindustrieller Konzerne übergehen (vor allem Hermann-Göring-Werke, Flick und Krupp). Zur Geschichte der Berghütte Ost vgl. Eichholtz, Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 412-418, 460-469. Vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 636-639, 649, Zitat: S. 638. Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 19. Bis April 1945 verblieb davon ein Kreditrest in Höhe von 5 Mio. RM. Abgesichert war der Kredit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Vereinigten Stahlwerke. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (Anm. 172), Bl. 12. Ende April 1945 beliefen sich die Kredite allein an BMW (via Günther und Herbert Quandt) auf 12,8 Mio. RM. Diese und die folgenden Angaben nach: Erläuterungen

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Reichswerke Hermann Göring, die im selben Jahr Kredite in Höhe von 29,8 Mio. RM bei der Arbeitsbank aufnahmen. Ihnen folgten zentrale Rüstungsunternehmen wie die Ago-Flugzeugwerke, die Focke-Wulf GmbH, denen die Arbeitsbank 1943 Neukredite in Höhe von 13,9 Mio. RM bzw. 10,1 Mio. RM überwies. Hoch waren außerdem die bis April 1945 gewährten Kredite an die Mauserwerke (9,5 Mio. RM), die Dürener Metallwerke (8,5 Mio. RM) sowie eine Reihe weiterer reichsdeutscher Rüstungsunternehmen. Die nach dem QuandtKonzern und den Hermann-Göring-Werken umfangreichsten Firmenkredite gingen – in Höhe von über 30 Mio. bzw. knapp 30 Mio. RM – an die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken sowie die Accumulatorenfabrik, an der die Arbeitsbank außerdem Anteile besaß. Darüber hinaus war die Arbeitsbank mit direkten Großkrediten an Einzelunternehmen auch im Ausland, nicht zuletzt im Südosten Europas engagiert, namentlich für die wichtigste Tochtergesellschaft der Continentalen Öl AG, die Ostöl GmbH, die in der Erwartung eines schnellen Vordringens der Wehrmacht Richtung Kaukasus 1941 und 1942 in großem Stil Bohrgeräte und Fahrzeuge kaufte und 1943 bei der Arbeitsbank dafür einen Kredit in Höhe von 5,5 Mio. RM in Anspruch nahm,270 für den Aufbau der Thrazischen Bergwerke-AG in Griechenland (3,6 Mio. RM Ende April 1945) sowie für die Ostlandfasergesellschaften mbH, die vor allem in Riga und Kaunas große Werke errichten wollten (allein 1943: 3,2 Mio. RM).271 Obwohl die Bank der Deutschen Arbeit den Vorsprung der Großen Drei bei industriellen Investments nicht aufholen konnte, gewann sie doch auch als unmittelbar industrieller Kreditgeber an Bedeutung. Die »Berliner BörsenZeitung« notierte Anfang 1944, dass die »Ausleihungen an die Wirtschaft« von 1941 auf 1942 um 24 % gestiegen seien und von 1942 auf 1943 einen noch weit kräftigeren Sprung, um 52 %, gemacht hätten, »mitbedingt durch die in den letzten Jahren begonnene räumliche Ausdehnung des Instituts, die besonders die Ostgebiete erfasste«.272 Im letzten Kriegsjahr lagen die außerhalb von Konsortien gewährten Kredite an Rüstungs- und Rohstoffunternehmen schließlich bei deutlich mehr als der Hälfte sämtlich nicht in Staatspapieren angelegter Kredite (Tabelle 1.3)  – während das an DAF-eigene Unternehmen ausgezahlte Kredit­ volumen dahinter deutlich zurückblieb.

zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (Anm. 172), Bl. 13, bzw. Revisions- und Treuhand AG, Beteiligungen der Arbeitsbank 1943 (Anm. 222). 270 Zur Ostöl GmbH vgl. Eichholtz, Deutsche Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 480; Karlsch/ Stokes, Faktor Öl, S. 215. 271 Daneben gewährte die Arbeitsbank Kredite an die »Hamma GmbH« in Olmütz (jeweils 1943: 5,2 Mio. RM), an die Transdanubia, Ein- und Ausfuhrhandelsgesellschaft mbH, ­Berlin (4,1 Mio. RM), an die »Geertz & Co. KG« in Riga (3,1 Mio. RM) und an die »›Maistas‹, Vieh- und Fleischzentrale« in Kaunas, die wahrscheinlich mit dem Deutschen Gemeinschaftswerk verbandelt war. 272 »Strukturwandel bei der Bank der Deutschen Arbeit« (o.V.), in: Berliner Börsen-Zeitung vom 29. April 1944.

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Das Engagement in Rumänien und der Ukraine Im Begriff »Ostgebiete«, den die prominente wirtschaftsbürgerliche Börsen-Zeitung verwendete, waren sehr unterschiedliche Regionen subsumiert; auch die Position der Arbeitsbank konnte entsprechend den jeweiligen Konstellationen mal stärker, mal schwächer sein. In der Ukraine saß die Bank der Deutschen Arbeit im Rahmen der erwähnten Konsortialkredite zwar mit ›im Boot‹. Indes entwickelten sich die Verhältnisse für die Arbeitsbank dort auf den ersten Blick ungünstiger als in anderen Gebieten des »Ostlandes«. Denn in der Ukraine existierten keine Regionalbanken. Die Besatzungsbehörden unter dem Anfang September 1941 zum Reichskommissar für die Ukraine ernannten NSDAP-Gau­ lei­ter von Ostpreußen Erich Koch versuchten deshalb, innerhalb kürzester Zeit ein funktionsfähiges Bankensystem aufzubauen. Sie gründeten ein staatliches Geldinstitut und setzten sich dabei über Bedenken hinweg, die die etablierten Großen Drei und ebenso das DAF-Bankhaus im Januar 1942 gemeinsam gegenüber Reichswirtschaftsminister Funk formuliert hatten. Tatsächlich hatten weder Funk noch Koch vor, »die kreditwirtschaftlichen Bedürfnisse dieser Gebiete« dauerhaft »durch eine staatliche Kreditorganisation« – gar nach »bolschewistischem« Muster – zu befriedigen, wie die Banken mutmaßten.273 Wenn die deutschen Besatzungs­behörden eine Zentralwirtschaftsbank mit Sitz in Rowno ins Leben riefen, die dann um regionale Filialen ergänzt wurde, dann geschah das aus der Einsicht heraus, dass dies unter kurzfristig-pragmatischen Gesichtspunkten funktionaler war. Längerfristig wären die reichsdeutschen Geschäftsbanken auch in der Ukraine zweifelsohne zum Zug gekommen; die Entwicklung auf den Kriegsschauplätzen machte dem allerdings einen Strich durch die Rechnung. Dennoch kam die Arbeitsbank selbst in der kurzen Zeitspanne, die ihr für Aktivitäten in der Ukraine blieb, durchaus auf ihre Kosten. So vermittelte das DAF-Bankhaus über ihren zentralen ›Stützpunkt‹ in Riga über die genannten Konsortialkredite hinaus weitere Industriekredite.274 Vor allem jedoch versuchte sie aufgrund ihrer oben skizzierte Rolle als Transaktionsinstanz beim »Ostarbei­ ter«-Zwangs­sparen sich noch in den letzten Kriegsmonaten an den ukrainischen Fremdarbeitern schadlos zu halten, als nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus der Ukraine die Zuständigkeit für Lohntransaktionen dieser Ostarbei-

273 Schreiben der Deutschen, Dresdner, Commerz- und Arbeitsbank an Funk vom 5. Jan. 1942, nach: Wixforth, Dresdner Bank, S. 628. Für die Arbeitsbank unterschrieben Carl Rosenhauer und Heinz Reitbauer. Zu beiden vgl. Kapitel 2, S. 85 ff. 274 Wixforth (Dresdner Bank, S. 630) spricht in diesem Kontext und mit Blick auf die Dresdner Bank – die die Ukraine gleichfalls von Riga aus mit Krediten bediente – von einer »undankbaren Aufgabe«. Tatsächlich zwang niemand die Großbanken, die Industrie in den osteuropäischen Regionen mit Krediten zu versorgen. Die Verantwortlichen der Arbeitsbank zeigten sich mit dem Engagement in der Ukraine und dem übrigen »Ostland« jedenfalls zufrieden.

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ter-Gruppe von der Zentralwirtschaftsbank der Ukraine auf die Bank der Deutschen Arbeit überging.275 Last but not least suchte die Arbeitsbank auch nach Rumänien zu expandieren. So erwarb sie Anteile an der Bukarester Handelsbank A.G.276 Über die Höhe der Anteile wie überhaupt über die Bedeutung dieser Bank ist allerdings nichts bekannt. Unabhängig davon zeichnete das DAF-Geldhaus für mehrere umfängliche Kredite verantwortlich, die Rumänien als für die Rohstoffversorgung zentralem Verbündeten des Dritten Reiches für die Bezahlung von im »Altreich« hergestellten Landmaschinen sowie den Ausbau des staatlichen Bankwesens gewährt wurden.277 Langfristig sollte das Engagement der Arbeitsbank in Rumänien noch viel weiter gehen und sich auch auf Tätigkeitsfelder erstrecken, die üblicherweise eher Sparkassen vorbehalten waren. So regte eine rührige DAF-Institution mit dem Titel »Volkspolitisches Amt«, die unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juli 1941 von Ley und Himmler aufgrund einer Vereinbarung über eine engere Zusammenarbeit von DAF und SS entstanden war, (weitere) »Beteiligung[en] an den volksdeutschen Banken in Rumänien« an. Zentrales Tätigkeitsfeld des DAF-Amtes war zwar die »volkspolitische«, also rassistische Segrega­tion der ins Reich gezwungenen Fremd­arbeiter. Offensichtlich glaubte sich dieses Amt aber auch für die »volkspolitische« Segrega­tion der Bevölkerung verbündeter Staaten wie Rumänien zuständig: Die Arbeitsbank sollte sich nach den Vorstellungen dieser Arbeitsfronteinrichtung an den einheimischen Banken »beteiligen«, d. h. vermutlich Aktienmehrheiten erwerben, um die dortigen »Volksdeutschen« mit Sparkonten, Krediten etc. zu denselben günstigen Konditionen versorgen zu können wie die Bevölkerung des »Altreichs«.278 Daraus scheint allerdings nichts geworden zu sein. Auf dem Weg nach Westen Auch im Westen versuchte die Arbeitsbank zum Zuge zu kommen. Im Visier hatte sie vor allem die Niederlande und Belgien. Im Unterschied zu den großen Berliner Geschäftsbanken war die Bank der Deutschen Arbeit im Sommer 1940 noch nicht daran beteiligt, niederländische, d. h. in erster Linie Amsterdamer Bankhäuser zu übernehmen bzw. sich mit diesen zu ›verflechten‹. Mitte De275 Vgl. oben, S. 114. 276 Vgl. Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1941 (Anm 224). 277 Hier engagierte sich die Arbeitsbank (laut vorläufiger Bilanz vom 31. Dez. 1944) mit 23,3 Mio. RM. Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (Anm. 172), Bl. 15. 278 Vgl. Kurz-Dienst des Geschäftsführers der DAF, Folge 6/42 [Frühjahr 1942], in: BA Berlin, NS IV, Nr. 11, Bl. 41-48 Rs., hier: Bl. 42. Die Aufforderung des »Volkspolitischen Amtes« der DAF an die Arbeitsbank, sich an »volksdeutschen Banken« zu beteiligen, erging nach einer »Bespr[echung] betr. volksdeutsche Betreuungsaktion in der Kanzlei des Führers« (Bormann). Ebd.

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zember 1940 zeigte das DAF-Geldinstitut dann allerdings an der »Erwerbung des Mantels der Firma Lippmann, Rosenthal und Co., Amsterdam« großes Interesse.279 Obwohl das Reichsaufsichtsamt für Kreditwesen und ebenso das Reichswirtschaftsministerium dem zugestimmt hatten,280 gelang dieser Coup nicht. Arthur Seyß-Inquart als (seit Mai 1940) Reichskommissar und Chef der Zivilverwaltung der Niederlande hatte im März 1941 dagegen interveniert, weil er mit dem ehemaligen Bankhaus Lippmann, Rosenthal und Co. (LiRo) anderes vorhatte. Statt zum Mantel für eine Dependance der Arbeitsbank im nordwestlichen Nachbarstaat wollte der Reichskommissar Namen und Firmenhülse der alteingesessenen Amsterdamer Privatbank zum »Mantel für die Verwaltung jüdischen Geldvermögens«, also zum Instrument der Ausplünderung der niederländischen Juden machen. Ab August 1941 wurden Juden gezwungen, alle Barbeträge und Schecks über einer Freigrenze von 1000 hfl., ab Mai 1942 dann auch alle sonstigen Guthaben etc. bei der »LiRo« abzuliefern, die damit faktisch (obwohl weiterhin privatrechtlich organisiert) zu einer Ab­teilung des Generalkommissars für Finanzen und Wirtschaft geworden war; ab Ende November 1942 wurden die Konten der niederländischen Juden aufgelöst und in einem Sammelkonto bei der »LiRo« zusammengefasst, die auch das Recht erhielt, die den niederländischen Juden geraubten Aktien und Anleihen zu veräußern, der Ertrag wurde in deutschen und niederländischen Staatspapieren angelegt, also zur Kriegsfinanzierung verwandt.281 Die Arbeitsbank ließ sich durch den Misserfolg bei ihrem Versuch, den renommierten Namen Lippmann, Rosenthal und Co. für den Aufbau einer Tochtergesellschaft in Amsterdam zu nutzen – der durch die Übernahme »gewisser Aktiva« der geplünderten Privatbank nicht kompensiert wurde282 –, nicht entmutigen. Noch Mitte 1941 ging sie daran, eine Bank unter dem Namen »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« in Amsterdam zu gründen, die dann im Mai 1941 ihre Tore öffnete. Die neue Bank war freilich nur kurzzeitig im alleinigen Besitz der Arbeitsbank. Anteile hielten ab Frühjahr 1942 zu je fünfzig Prozent die Arbeitsbank und die Nederlandsche Arbeidsfront (NAF) als die im Mai diesen 279 Vorstand der Bank der Deutschen Arbeit an das RWM (zu Hd. Regierungsrat Heidmann) vom 18. Dez. 1940, in: RGVA Moskau, Nr. 1458-1-434. Die Erlaubnis zum Erwerb dieser Bank wurde der Arbeitsbank durch das Reichs­aufsichtsamt für das ­Kreditwesen am 13. Febr. 1941 erteilt, in: ebd. 280 Vgl. Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen an den RWM vom 13. Febr. 1941, in: ebd. 281 Zur LiRo vgl. ausführlich: Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 144-154, sowie Gerard Aalders, Nazi looting. The plunder of Dutch Jewry during the Second World War, Oxford/New York 2004, bes. S. 127-145; ders., Three Ways of German economic penetration in the Netherlands: Cloaking, Capital interlocking and »Arynisation«, in: Overy u. a. (Hg.), »Neuordnung« Europas, S. 273-298, hier: S. 290 ff. 282 Vgl. Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 249; ders./Jaroslav Kucera, Die Commerzbank und die Vernichtung der jüdischen Gewerbetätigkeit in den böhmischen Ländern und den Niederlanden, in: Herbst/Weihe (Hg.), Commerzbank, S. 173-222, hier: S. 193.

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Jahres gegründete Schwesterorganisation der DAF283  –, so dass (mit Blick auf die Etablierung der Bank wie für eine komplikationslose Erweiterung des Filialnetzes ein Vorteil) die »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« als einheimisches Bankhaus gelten konnte. Faktisch freilich war die reichsdeutsche Arbeitsbank tonangebend: Deren ›starker Mann‹ und Vorstandsvorsitzender Lencer führte den Aufsichtsrat; Vorstandsvorsitzender wurde der Leiter der Bremer Filiale der Arbeitsbank. Gleichzeitig sicherte man sich die Dienste erfahrener und mit dem Bankenplatz Amsterdam vertrauter Finanzexperten. Im Hochsommer 1942 eröffnete die niederländische Arbeitsbank in Rotterdam, wenig später in Utrecht eine Niederlassung. Die Bilanzsumme der Bank voor Nederlandsche Arbeid NV wuchs schnell  – von 7,44 Mio. holländische Gulden (hfl.) Ende 1941 über 26,4 Mio. hfl. Ende 1942 auf 36,6 Mio. hfl. ein Jahr später. Dennoch hatte das niederländische Geldinstitut der DAF gegenüber den Tochtergesellschaften der anderen reichsdeutschen Geschäftsbanken statistisch knapp das Nachsehen: Der »Handelstrust West«, die niederländische Tochtergesellschaft der Dresdner Bank, verzeichnete 1943 ein Bilanzvolumen von 45,2 Mio. hfl. Die Rijnsche Handelsmaatschappij, die der Commerzbank gehörte, wies im selben Jahr eine Bilanzsumme von 37,9 Mio. hfl. (1941: 8,6 Mio. hfl.; 1942: 20,9 Mio. hfl.) aus. Führend blieb mit großem Abstand die »Handel Maatschappij H. Albert de Bary & Co.« im Besitz der Deutschen Bank; dieses Geldinstitut wies 1943 eine Bilanzsumme von 90,5 Mio. hfl. (1942: 83,3 Mio. hfl.) aus. Und auch der niederländischen Aero-Bank, dem Ableger der vom Göring-Imperium gegründeten »Bank der Deutschen Luftfahrt«,284 musste die niederländische Arbeitsbank den Vortritt lassen; die Aero-Bank wies 1943 ein Bilanzvolumen von 63,5 Mio. hfl. aus.285 283 Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256), sowie Berliner Börsen-­Zeitung vom 30. April 1944. Vgl. hierzu und zum Folgenden außerdem Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 26 f.; ferner Aalders, Nazi looting, S. 32. Zur Nederlandschen Arbeidsfront vgl. vor allem Fritz Petrick, Die DAF und die Gewerkschaften in den von Deutschland besetzten Ländern, in: Bulletin der Gesellschaft für­ ­Faschismus- und Weltkriegsforschung Nr. 4, 1995, S. 1-33, hier: S. 17-20; ferner Gerhard Hirschfeld, Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung 1940-1945, Stuttgart 1984, S. 73. 284 Die Aero-Bank war eigentlich die französische Tochtergesellschaft der »Bank der Deutschen Luftfahrt«; sie hatte  – unter Rückgriff auf die exzellenten Beziehungen Görings und seines Imperiums – die »Hollandsche Buitenlandbank« aufgekauft. Vgl. Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 188 f. 285 Angaben nach: ebd., S. 191, 199, 201, bzw. ders./Loo­se, Bank der Deutschen Arbeit, S. 27. Begünstigt wurde dieser  – relative  – Aufschwung der Tochtergesellschaften reichsdeutscher Banken dadurch, dass Anfang April 1941 die Devisengrenze aufgehoben wurde (die Niederlande damit finanztechnisch zum Inland wurden) und ein halbes Jahr später alle deutschen Banken zu Devisen­banken ernannt, den einheimischen Geldhäusern mithin gleichgestellt wurden. Zur niederländischen Arbeitsbank vgl. außerdem den ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256), sowie den Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1943 (vom April 1944), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 57.

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Die Bedeutung der Bank voor Nederlandsche Arbeid NV wird weiter relativiert, wenn man berücksichtigt, dass die Tochtergesellschaften der Berliner Banken fast zwergenhaft anmuteten angesichts der Größe der selbständig weiter bestehenden niederländischen Geschäftsbanken. Die »Incasso Bank« als die kleinste der Amsterdamer Großbanken brachte es 1941 auf eine Bilanzsumme von 199,6 Mio. hfl.; das war fast das Achtfache dessen, was die niederländische Arbeitsbank am Ende des ersten Jahres ihrer Existenz verzeichnen konnte. Bedenkt man, dass sich das Bilanzvolumen sämtlicher niederländischer Großbanken 1941 und 1942 auf jeweils ungefähr 1,5 Mrd. hfl. belief, nahm sich im Vergleich dazu eine Bilanzsumme von 26,4 Mio. hfl., also 0,18 %, geradezu mickrig aus. Berücksichtigt man, dass das Bilanzvolumen aller Tochtergesellschaften der Berliner Banken 1941 über ein Zwölftel, 1942 dann ein Siebtel dessen, was die weiterhin autonom agierenden niederländischen Großbanken an Aktiva und Passiva in ihren Bilanzen verzeichneten, nicht hinauskamen, verblieb den reichsdeutsch beherrschten Banken in der Tat nicht mehr als »eine Nischenfunktion in einem eng begrenzten Marktsegment«, das sich als »verlängerter Arm der Okkupationsbehörden« (Kreutzmüller) auswies.286 Nur den fünften Platz unter den auf den Bankplätzen des nordwestdeutschen Nachbarstaates ohnehin randständigen niederländischen Tochtergesellschaften reichsdeutscher Geldinstitute einzunehmen, mag für die Bank der Deutschen Arbeit als Mutterunternehmen enttäuschend gewesen sein. Sorgen dürfte dem Vorstand der DAF-Bank auch die vergleichsweise geringe Profitabilität der »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« gemacht haben. Dass sie 1941 einen Verlust von 120.000 hfl. auswies – der dann vom deutschen Mutterhaus übernommen wurde –, konnte man unter ›Anfangsschwierigkeiten‹ verbuchen. Die bescheidenen Gewinne von jeweils 100.000 hfl. 1942 und 1943 verweisen dagegen auf strukturelle Probleme. So gelang es der niederländischen Arbeitsbank zwar, das niederländische Winterhilfswerk (Winterhulp) sowie dortige Parteistellen zu veranlassen, ihre beträchtlichen Guthaben auf Konten der Bank zu platzieren. Zudem brachten die zum Zweck der »Arisierung« jüdischen Vermögens und jüdischer Unternehmen gegründeten Institutionen, konkret: die »VermögensVerwaltungs- und Rentenanstalt«, die »Niederländische Aktiengesellschaft für die Abwicklung von Unternehmen« und die »OMNIA-Treu­hand-AG«, die ge286 Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 192 bzw. 312. Die marginale Stellung der Tochtergesellschaften der Berliner Großbanken führt Kreutzmüller wesentlich darauf zurück, dass es diesen nicht gelungen war, in den zwanziger Jahren auf dem zentralen niederländischen Bankenplatz in Amsterdam Fuß zu fassen. Selbst reichsdeutsche Unternehmen, die ab 1940 niederländische Betriebe aufkauften, griffen keineswegs selbstverständlich auf die Dienste der deutschen Tochtergesellschaften zurück, sondern rekurrierten aus Imagegründen oft auf die großen niederländischen Geldins­ titute. Unter den reichsdeutschen Bankhäusern, die im Kontext des Erwerbs kleinerer und mittlerer niederländischer Betriebe durch reichsdeutsche Unternehmen aktiv wurden, habe »vermutlich« die seit 1921 im Nachbarstaat vertretene Dresdner Bank mit ihrem »Handelstrust West« die wichtigste Rolle gespielt. So: Aalders, Three Ways, S. 287 ff.

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raubten Gelder und Vermögenswerte gleichfalls auf Konten der »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« unter. Es gelang den Verantwortlichen der DAFGeld­institute jedoch nicht, die distanzierte Haltung von Seyß-Inquart und von Hans Fischböck, dem Wirtschafts­kommissar für die Niederlande, gegenüber der Bank voor Nederlandsche Arbeid NV aufzubrechen und so in der Nische, die den deutschen Banken in den Niederlanden gelassen war, Marktanteile zu gewinnen. Die beiden wirtschafts- und finanzpolitisch maßgeblichen Männer innerhalb der Besatzungsverwaltung präferierten bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes die etablierten Berliner Geschäfts­banken.287 Damit ist zugleich ein strukturelles Problem angedeutet, das alle reichsdeutschen Banken bzw. ihre Tochterunternehmen betraf: Ähnlich wie dies oben für die Filialen der Arbeitsbank im »Generalgouvernement« konstatiert worden war, dominierten auch in den Niederlanden  – und zwar relativ unterschiedslos bei allen Tochterfirmen deutscher Großbanken – die kurzfristigen Einlagen, so dass sich in diesem Rahmen nur schwer in substantielles Kreditgeschäft aufbauen ließ. Eine weitere Schwäche speziell der niederländischen Arbeitsbank war, dass sie auf der Aktivseite für die Zwischenfinanzierung von Wehrmachtslieferungen kaum eine Rolle spielte. Auch in »Arisierungs«-Ver­f ah­ren unabhängig von den genannten Institutionen wurde die Amsterdamer DAF-Bank nur am Rande eingeschaltet. Erst Mitte 1944 kam sie bei größeren Ge­schäf­ten im Zusammenhang mit der Ausraubung der niederländischen Juden zum Zuge, als die anderen Großbanken angesichts der politisch-militä­ri­schen Konstellationen bereits begannen, sich zurückzuziehen.288

287 Symptomatisch war, dass Seyß-Inquart, als er infolge von Konflikten mit der Deutschen Bank deren niederländische Tochter aus dem Kreis der ihm politisch genehmen Banken ausschloss, die Gelder usw. der ihm unterstehenden Dienststellen nicht etwa auf die »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« transferierte, sondern auf Konten der Dresdner und der Commerzbank verteilte. Auch die vor allem zur Vernichtung der materiellen Existenz der niederländischen Juden von Fischböck ins Leben gerufene »Abteilung für besondere wirtschaftliche Angelegenheiten« rekrutierte ihr Personal bei den Töchtern der anderen Banken  – ein Aspekt, der für deren Geschäftspolitik eminent wichtig war, da insbesondere bei dieser Dienststelle »die Grenzen zwischen Bank und Besatzungsbehörde fließend« waren. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 203 ff., Zitat: S. 204; ders./Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 28 f. 288 Vgl. Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 287. Die Rijnsche Handelsbank der Commerzbank wies Anfang Dez. 1944 ein Bilanzvolumen von nur noch rund 10 Mio. hfl. aus; das der niederländischen Filiale der Aero-Bank war bis Ende 1944 auf 15,4 Mio. hfl. geschrumpft. Die Bilanzsumme der »Handel Maatschappij H. Albert de Bary & Co.« als der Tochterge­sell­schaft der Deutschen Bank blieb mit etwa 75 Mio. hfl. demgegenüber vergleichsweise stabil. Vgl. ebd., S. 201. Zahlen für die »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« liegen zum Geschäftsjahr 1944 nicht mehr vor. Zur sehr unterschiedlichen »Erfolgsquote« der »Arisierungs«-Anstren­gungen in den verschiedenen westeuropäischen Länder allgemein vgl. Jean Marc Dreyfus, Die Enteignung der Juden in Westeuropa, in: Constantin Goschler/Philipp Ther (Hg.), Raub und

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Auch in Belgien versuchte sich die Bank der Deutschen Arbeit über die Neugründung oder den Erwerb von etablierten Bankgesellschaften zu etablieren. Im April 1941 übernahm sie die »Westbank N.V. (Banque de l’Ouest S.A.)« in Brüssel289  – und verfügte damit neben der Commerzbank, die die belgische Continentale Bank besaß, und der Dresdner Bank mit der Hansa-Bank als einzige reichsdeutsche Bank über eine Tochtergesellschaft in Belgien. Die Pläne der Arbeitsbank für Belgien waren langfristig angelegt und weitreichend. Dass man sich dauerhaft etablieren und eine starke Stellung aufbauen wollte, zeigte sich nicht zuletzt daran, dass das Kapital der Westbank N.V. noch Ende 1943 von 10 Mio. auf 25 Mio. belgische Francs (bfrs.) angehoben wurde.290 Über die Geschäftsfelder der Westbank N.V. ist insgesamt nur wenig bekannt. Beteiligt war sie u. a. gemeinsam mit den Tochterunternehmen der Dresdner und der Commerzbank an der Veräußerung konfiszierter Wertpapiere, die belgischen Juden sowie nichtjüdischen Oppositionellen bzw. unbotmäßigen Bürgern dieses Landes geraubt worden waren und im Auftrag und auf Rechnung des Brüsseler »Devisenschutzkommandos« an der Brüsseler Börse verkauft werden sollten. Im Herbst 1943, nachdem das Reichskommissariat der Niederlande die systematische Konfiszierung allen Vermögens im Besitz niederländischer Juden angeordnet hatte, gingen die Continentale, die Hansa- und die Westbank N.V. daran, alle auf belgische Währung lautenden Aktien und festverzinslichen Papiere, die von der bereits erwähnten »LiRo« an sie weitergereicht worden waren, über die Brüsseler Börse zu verkaufen. Bei dieser Form der Ausplünderung der jüdischen und nonkonformen Bevölkerung beider Staaten besaß allerdings nicht die Westbank N.V., sondern die Dresdner Bank als SS-Hausbank eine »eindeutige Vorrangstellung« und machte entsprechend ›Kasse‹ beim Verkauf des »Löwenanteils« dieser enteigneten und »arisierten« Vermögen.291 Im Elsass und in Lothringen, die unmittelbar nach der Okkupation in den Binnenmarkt des Großdeutschen Reiches eingegliedert wurden, begann die Arbeitsbank ab 1940 gleichfalls Fuß zu fassen. Ihre Niederlassungen in Straßburg und Metz gewannen vor allem als Kreditgeber für die beschlagnahmte Schwerindustrie eine gewisse Bedeutung. Nachdem die Dresdner Bank es 1942 abgelehnt hatte, der »Hüttenverwaltung Westmark GmbH« einen umfangreichen Investitionskredit zu bewilligen, der zwar mit 4,5 % verzinst werden sollte, jedoch nicht durch das Reich verbürgt wurde, sprang die Bank der Deutschen Restitution. »Arisierung« und Rückerstattung des jüdischen Eigentums in Europa, Frankfurt a. M. 2003, S. 41-57, resümierend S. 52 f. 289 Inkl. einer weiteren Niederlassung in Antwerpen. Vgl. Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1941 (Anm. 224); ferner Wixforth, Dresdner Bank, S. 793. 290 Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht 1943 (Anm. 256), sowie Deutsche Allgemeine Zeitung vom 30. April 1944. Umgerechnet entsprach dies einer Kapitalerhöhung von 2,34 Mio. RM auf 5,85 Mio. RM. Zur Geschäftsentwicklung der niederländischen Tochtergesellschaft der Arbeitsbank vgl. ferner Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1943 (vom April 1944; Anm. 285). 291 Vgl. inkl. Zitate Wixforth, Dresdner Bank, S. 817, 820.

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Arbeit ein und bahnte damit bis 1944 offenbar eine lukrative Beziehung zu den dort tätigen reichsdeutschen Eisen- und Stahlkonzernen an.292 Auch in Luxemburg gehörte die Arbeitsbank zu den wenigen deutschen Geldhäusern, die dort eine Filiale gründeten.293 Seit 1941 verfügte die Bank der Deutschen Arbeit außerdem über eine ständige Bankvertretung in Paris, ein Privileg, das sonst nur Deutsche, Dresdner und Commerzbank sowie die Reichs-Kredit-Gesellschaft besaßen.294 Diese Filiale war anfangs vor allem für Wehrmachtsangehörige und deutsche Zivilangestellte tätig. Bis zum Jahresbeginn 1944 wurde sie sukzessive »erheblich erweitert« und in steigendem Maße »bei der Vermittlung von Finanzierungen, Auszahlung von Akkreditiven insbesondere für Firmen, die Verlagerungsaufträge nach Frankreich gegeben haben, in wirkungsvoller Weise eingeschaltet«,295 ohne dass allerdings über das genauere Ausmaß dieser Geschäfte Näheres bekannt wurde. Die im Ausland gewährten Kredite mögen – auch unabhängig von den jeweiligen politisch-militärischen Konstellationen  – riskant gewesen sein. Lukrativ waren sie dennoch allemal. Das galt mehr noch für unmittelbare Beteiligungen. Denn hier profitierte die Arbeitsbank von einem auf den 24. Dezember 1942 datierten Erlass, wonach die Körperschaftssteuer auf Gewinne aus Beteiligungen an Bankgesellschaften im besetzten Ausland »teilweise oder ganz erlassen« werden konnte. Die Voraussetzungen für eine derartige Steuererleichterung wurden im Reichswirtschafts­ministerium als der genehmigenden Behörde als erfüllt betrachtet, wenn die entsprechen­de reichsdeutsche Geschäftsbank »auch tatsächlich durch die Größe der Beteiligung einen maßgebenden Einfluss auf das [Geld-]In­stitut« gewonnen hatte.296 Es nimmt deshalb nicht wunder, dass sich die Arbeitsbank im In- und Ausland überall dort in Geldhäuser einzukaufen versuchte, wo dies noch möglich war und andere ihr nicht aufgrund besserer politischer Beziehungen zuvorkamen. So hielt sie Ende 1944 über die erwähnten Fälle von Firmen- bzw. Aktienakquisitionen hinaus Anteilsscheine an der Berliner Disconto und Kredit AG in Höhe von immerhin 460.500 RM und an der Ende 1942 gegründeten »Deutschen Bank für Ostasien« in Höhe von 500.000 RM.297 292 Nach Angaben von Wixroth (Dresdner Bank, S. 838 f., Anm. 18) hatten nicht zuletzt die Reichswerke Hermann Göring als die Muttergesellschaft der Hüttenverwaltung Westmark diese gedrängt, engere Geschäftsbeziehungen zur Arbeitsbank aufzunehmen. 293 Vgl. Paul Dostert, Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe. Die deutsche Besatzungspolitik und die volksdeutsche Bewegung 1940-1945, Luxemburg 1984, S. 99. 294 Vgl. Wixforth, Dresdner Bank, S. 844. 295 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256). 296 Vgl. Eichholtz, Deutsche Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 527. Der von Eichholtz referierte – positive – Bescheid bezog sich auf einen entsprechenden Antrag der Bank der Deutschen Arbeit. 297 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 26. Zweck der Gründung dieser »Deutschen Bank für Ostasien« war die »Errichtung von Stützpunkten […] in sämtlichen Gebieten des großosta-

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Auch im »Altreich« auf der Erfolgsspur Möglich war die Übernahme von Anteilen an Geldhäusern bzw. deren vollständiger Erwerb wie überhaupt die Ausweitung der Geschäftsfelder der Arbeitsbank im Ausland nur, weil das parteinahe Geldinstitut im Inland weiterhin gewinnträchtig expandierte. Über die genannten Aspekte hinaus ließen weitere Faktoren die Bilanzsumme des DAF-Geldinsti­tu­tes auch im »Altreich« in die Höhe schnellen. Begünstigt wurde die Ausweitung von Bilanzsumme und Umsatz nicht zuletzt durch die Gründung des Deutschen Gemeinschaftswerkes 1941. Der Arbeitsbank kam dabei die Umwandlung der bisherigen Konsumgenossenschaften in eine privatwirtschaftlich organisierte Einzelhandelskette zugute. Wichtig war vor allem, dass sie die Sparkassen- und Bankfunktionen übernahm, die für die Konsumgenossenschaften konstitutiv gewesen waren. Darüber hinaus scheint auch die Werbung um den selbständigen ›Mittelstand‹ während des Krieges zunehmend von Erfolg gekrönt gewesen zu sein. Die so wütenden wie vergeblichen Angriffe des Reichswirtschaftsministers Funk auf die Bank der Deutschen Arbeit Mitte 1941, seine Vorwürfe, diese würde »in den [industriellen] Kundenkreis anderer Kreditinstitute eindringen« und durch ihr heftiges Werben um kleine und mittlere Unternehmer einen »wilden Konkurrenzkampf im Kreditgewerbe« vom Zaun brechen, sind jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Arbeitsbank auch auf diesem Geschäftsfeld immer mehr Kunden gewann.298 Daneben engagierte sich die Arbeitsbank für Projekte, die technologisch innovativ zu sein schienen. Ein Beispiel sind die Kredite, die die Arbeitsbank für Windkraftanlagen zur Verfügung stellte, die zwischen 1941 und 1944 nach Plänen des Ingenieurs Hermann Honnef in der Nähe Berlins errichtet wurden.299

siatischen Raumes«. An dieser Ostasien-Bank, die keine eigenen Handelsgeschäfte betreiben, sondern den deutschen Handels- und Finanzverkehr im Fernen Osten absichern und fördern sollte, waren neben der Arbeitsbank außerdem die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA), die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die Deutsche, die Dresdner Bank sowie die Reichs-Kredit-Gesellschaft beteiligt. Vgl. Niederschrift über die 13. Sitzung des Ostasienausschusses der I.G. Farbenindustrie vom 27. Febr. 1942, Anlage 1, nach: Mechthild Leutner (Hg.), Deutschland und China 1937-1945. Politik, Militär, Wirtschaft, Kultur. Eine Quellensammlung, Berlin 1998, S. 298-301 (Dok. 93), hier: S. 301. 298 Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (Anm. 109), Bl. 3 f. 299 Ursprünglich plante Honnef, der sich seit 1919 mit der Gewinnung von Windenergie in großem Maßstab beschäftigte, Windkraftanlagen mit Riesenflügeln bis zu 180 Metern, die auf bis zu 250 Meter hohe Stahltürme montiert werden sollten. Die dann ab 1941 in Bötzow-Velten errichteten Windräder waren allerdings deutlich kleiner dimensioniert. Die AEG bescheinigte dem Projekt noch Mitte 1944 eine vielversprechende Zukunft – die es dann aufgrund der politisch-militärischen Konstellationen nicht mehr hatte. Vgl. »Alles gut befunden, gebt mir Geld« (o.V.), in: Der Spiegel 46/1949 (vom 10. Nov. 1949), S. 29 f.; ferner Matthias Heymann, Die Geschichte der Windenergienutzung 1890-1990, Frankfurt a. M./New York 1995, S. 260.

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Von erheblicher Bedeutung für die Arbeitsbank war außerdem, dass sich die

DAF als politische Organisation neue Tätigkeitsbereiche erschließen konnte und

dabei die Dienste ihrer Hausbank in Anspruch nahm. Ein Beispiel sind die sog. Bordellbaracken, die in der Nähe großer Fremdarbeiterlager errichtet wurden, um leistungswillige ausländische Zivilarbeiter mit dem Besuch der dort zur Prostitution gezwungenen Frauen zu prämieren. Für den Aufbau und Betrieb dieser Bordellbaracken war die Arbeitsfront in Zusammenarbeit mit den jeweils städtischen Behörden und der Kriminalpolizei zuständig. Finanziert wurden diese Einrichtungen durch die Betriebe, deren ausländische Arbeitskräfte die Prostituierten besuchen sollten. Die Unternehmensleitungen, die aus Imagegründen mit den Fremdarbeiterbordellen möglichst wenig zu tun haben wollten, hatten die dafür vorgesehenen Gelder auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto bei der Berliner Zentrale der Bank der Deutschen Arbeit einzuzahlen. Diese reichte die eingetroffenen Geldbeträge an die DAF-eigene »Häuser- und Barackenbau GmbH« weiter, die mit der Errichtung der für Fremdarbeiter vorgesehenen sog. Gemeinschaftslager und auch mit dem Aufbau der Bordellbaracken beauftragt war.300 Verzögerte Stilllegung von Filialen Auch sonst profitierte die Bank der Deutschen Arbeit während des Krieges von ihrer besonderen Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern. Ihrer guten Vernetzung in die einschlägigen Institutionen des Regimes hinein verdankte es die Arbeitsbank, dass sie von bestimmten kriegsbedingten Restriktionen zeitweise in geringerem Maße als ihre arrivierten Konkurrenten betroffen war. Nicht zuletzt konnte sie ihren personellen Apparat in dem bei Kriegs­beginn erreichten Umfang länger erhalten bzw. in den ersten Kriegsjahren sogar noch ausbauen. Nominell zählte die Bank der Deutschen Arbeit 1939 insgesamt 1.251 Angestellte und Arbeiter; in den beiden folgenden Jahren wuchs die Belegschaftszahl auf 1.522 und 1.822.301 Analog zu den sog. Auskämmungs- und Still­legungsaktionen in Industrie und Handwerk hatte das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen am 3. Juni 1941 im Vorfeld des »Russlandfeldzuges« in einem Erlass die »Vereinfachung der Organisation des Kreditgewerbes« angeordnet. Die Wirtschaftsgruppen wurden verpflichtet, ihre Mitglieder zu Filialschließungen und zur Senkung der Belegschaftszahlen zu veranlassen. Bis Mai 1942 wurden reichsweit im Bankgewerbe 220 Filialen, etwa ein Zehntel sämtlicher Zweigstellen, stillgelegt. Die Arbeitsbank, die freilich auch über ein viel kleineres Netz an größeren Nie300 Zu den Finanztransaktionen vgl. exemplarisch DAF-Gauwaltung München-Oberbayern an die Reichspostdirektion München, vom 2. Jan. 1942, in: Staatsarchiv München, OPD München, Verzeichnis 15, Nr. 200. Zur Häuser- und Barackenbau GmbH vgl. Kapitel 7, S. 481 ff. 301 Diese und die folgenden Angaben zur Belegschaftsgröße nach: Geschäftsberichte der Bank der Deutschen Arbeit AG 1934, 1937, 1940 und 1941; ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront 1939, S. 13; ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256); Die Bank 34/1941, Heft 11, S. 221-223.

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derlassungen verfügte als die Großbanken, kam dabei weitgehend ungeschoren davon. Während die Deutsche Bank fünfzig Filialen, die Dresdner Bank 36 und die Commerzbank sogar 41 Filialen schließen mussten, hatte die Bank der Deutschen Arbeit lediglich sechs größere Niederlassungen dichtzumachen – und lag damit noch hinter den wesentlich kleineren Regionalbanken wie der Leipziger ADCA (Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt) sowie der Baye­rischen Hypotheken- und Wechselbank, deren Filialnetz um 14 bzw. 19 Zweigstellen schrumpfte.302 Dass dies in »Bankenkreisen eine große Mißstimmung hervorrief«,303 verwundert nicht. In der Folgezeit ließ sich diese privilegierte Stellung der Arbeitsbank allerdings nicht halten: 1943/44 wurden 12 große Bankfilialen und 43 Zahlstellen stillgelegt,304 so dass dem DAF-Geldin­stitut im Frühjahr 1944 noch 51 größere Niederlassungen und etwa 30 eigene Zahlstellen verblieben.305 Entsprechend sanken die Mitarbeiterzahlen (1943: 1.340 Angestellte und Arbeiter, ohne Einberufene). Gleichzeitig ›feminisierte‹ sich die Belegschaft; angesichts des gravierenden Mangels an männlichen Angestellten war der Vorstand der Arbeitsbank zudem gewillt, auch Frauen auf höheren Posten einzusetzen.306 Der Blick lediglich auf die größeren Niederlassungen und die kleineren Zahlstellen verstellt freilich die Sicht auf die eigenartige, von anderen Geschäfts­ banken stark differierende Struktur der Arbeitsbank: Sie hatte ein zweites Filialnetz aufgebaut, indem sie ab Mitte der dreißiger Jahre untere DAF-Verwaltungseinheiten und ab 1941 außerdem ehemalige Zahlstellen der Konsumgenossenschaften zu eigenen Dependancen umfunktioniert hatte. Auf diese Weise zog sie allmählich mit dem eigentlich viel besser ausgebauten Filialnetz der Großbanken gleich. Zwar liegen über die Schließung dieser Kleinst-Filialen (die nominell nicht als Filialen der Arbeitsbank firmierten) keine Angaben vor. Angesichts der zunehmenden Aufhebung der U.k.-Stellungen und der Ausdünnung des DAF-Funk­tio­närsappa­rates307 ist jedoch davon auszugehen, dass auch diese spätestens ab 1942/43 in rasch wachsender Zahl schließen mussten.

302 Vgl. Bähr, Bankenrationalisierung, bes. S. 89 f.; ferner James, Deutsche Bank, S. 391; Weihe, Personalpolitik, S. 31. 303 »Bericht betr. Bank der Deutschen Arbeit A.G.«, o.V. (vermutlich von einem Mitarbeiter der Dresdner Bank) vom 5. Okt. 1944, S. 3, in: HStA Dresden VII.6.01, Nr. 6896. Vgl. ferner Meldungen aus dem Reich, Bd. 14, vom 31. Mai 1943, S. 5325. 304 Darunter waren auch solche, die ein großes Geschäftsvolumen aufwiesen, z. B. die beiden Wiener Arbeitsbank-Filialen. Theodor Venus spricht in diesem Zusammenhang von einer »Reaustrifizierung« des österreichischen Bankwesens. Venus, Zentral­ sparkasse, S. 713 f. Die Grazer Filiale der Arbeitsbank war bereits 1942 geschlossen worden. 305 Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256), sowie Berliner ­Börsen-Zeitung vom 30. April 1944. 306 Vgl. Kapitel 9, S. 535 f. 307 Im Dez. 1939 lag der Anteil der einberufenen an der Gesamtheit der DAF-Funk­ tionäre bei 23,7 %; bis Juni 1942 stieg er auf 33,4 %. Vgl. Hachtmann, Koloss, S. 349 (Tab.  4).

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Belegschaftsabbau und Filialschließungen rissen die DAF-Führung und den Arbeitsbank-Vor­stand nicht aus ihren Träumereien. Noch Anfang 1944 planten diese, die Niederlassungen in den besetzten Gebieten nach einem offenbar selbst zu diesem Zeitpunkt noch für möglich gehaltenen deutschen »Endsieg« in Tochtergesellschaften umzuwandeln, die auf die Bedingungen vor Ort besser abgestimmt sein sollten.308 Erst die Invasion der Alliierten in der Normandie und das rasche Vorrücken der Roten Armee 1944 bereiteten diesen und anderen Illusionen ein Ende.

3.6. Auch die Arbeitsbank: ein »Koloß auf tönernen Füßen« Bleibende politische Abhängigkeiten – zur Bilanzstruktur ab 1938 Zum Problem wurde in den letzten Kriegsjahren nicht allein die anhaltend enge politische Verknüpfung mit der Arbeitsfront. Auch die Struktur der Passiva und ebenso der Aktiva der Bilanzen des DAF-Geldinstitutes verweist auf eine in Relation zu der der anderen Banken spezifische ›Schieflage‹. Zunächst der Blick auf die Passiva und hier die Spareinlagen. Sie wuchsen seit 1938 absolut zwar in erheblichem Maße. Vor dem Hintergrund der angesprochenen Spar-Aktio­nen vervierfachte sich die Summe der von Kleinsparern auf Konten der Arbeitsbank angelegten Summen bis 1943 gegenüber den Vorkriegsjahren (Tabelle 1.2). Das DAF-Geldinstitut blieb mithin selbst in den letzten Jahren der Diktatur – auch – eine »Arbeitersparkasse«. Symptomatisch ist jedoch, dass die Massenkundschaft der Kleinsparer relativ an Gewicht verlor; der Anteil der auf Kleinkonten langfristig angelegten Spareinlagen an der Bilanzsumme der Arbeitsbank schmolz trotz der absoluten Zunahme der Sparkonten mit vergleichsweise geringen Einlagen von einem guten Viertel der Bilanzsumme 1935 und einem guten Fünftel 1938 auf schließlich nicht einmal mehr ein Zehntel (8 %) 1943 zusammen. Dem steht ein auch prozentual deutliches Anwachsen der Einlagen vor allem der »sonstigen Gläu­biger« von 81,2 % (1938) auf 87,2 % (1943) gegenüber. Hinter der Pauschalkategorie »sonstige Gläubiger«309 steht, dass die DAF als politische Organisation der Hauptgläubiger der Arbeitsbank blieb. Daneben benutzten (wie erwähnt) die NSDAP, ferner Organisationen wie das Winterhilfswerk oder die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt das Bankhaus der Arbeitsfront als finanzpolitischen ›Hauptstützpunkt‹. Die Deutsche Revisions- und Treuhand AG konstatierte in ihrem Prüfbericht des Jahresabschlusses der Arbeitsbank zum 31. Dezember 1939 unmissverständlich, dass »der starke Zufluss an Fremdmitteln […] weitgehend auf die Stellen von DAF. und Partei« zurückgehe. Etwa »62 % der Bilanzsumme oder fast 70 % der gesamten Fremdmittel« seien »Gelder der 308 Vgl. Berliner Börsen-Zeitung vom 30. April 1944. 309 In der Residualkategorie »Sonstige« in Tabelle 1.3 wird leider nicht zwischen Einlagen von NS-Organi­satio­nen und anderen, insbesondere solchen von privater Unternehmensseite unterschieden.

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D.A.F., Partei und nahestehenden Organisationen und Unternehmungen«.310 Daran änderte sich bis Kriegsende nichts.311 Aufschlussreich ist außerdem die Dauer der Befristung der Gelder, die der Arbeitsbank zuflossen, nämlich deren fast ausschließlich Anlage als Tagesgelder bzw. insgesamt relativ kurz befristete Termingelder (Tabelle 1.3). Wenn die DAF und ebenso andere NS-Organisationen ihre Guthaben auf diese Weise bei der Arbeitsbank unterbrachten, dann war dies für die DAF-Bank nicht ungefährlich. Denn mit den in ihrem Handeln nur begrenzt berechenbaren, oft sprunghaften »charismatischen Verwaltungsstäben« als Gläubigern lief die Arbeitsbank Gefahr, dass von ihren Konten kurzfristig angelegte Gelder plötzlich in großem Umfang abgezogen wurden – während das DAF-Geldhaus selbst in erheblichem Maße gegenüber Kreditnehmern mit langfristig gewährten Geldern festgelegt war. Die Kritik Funks an der Praxis der Arbeitsbank, dass diese einen »erschreckenden Mangel an bankgeschäftlichem Verständnis« zeige, indem sie den für Bankiers eigentlich selbstverständlichen »Grundsatz [verletze], dass die hereingenommenen Gelder [nur] ihrer Fälligkeit entsprechend angelegt werden«, und dass die durch kurzfristige Einlagen ›abgesicherte‹ Gewährung von Krediten mit langen Laufzeiten, wie dies das DAF-Geldhaus praktizierte, erfahrungsgemäß über kurz oder lang »entweder die Bank die Existenz oder, wie 1931 [das] Reich, Riesensummen kosten« würde, war in der Tat nicht von der Hand zu weisen.312 Zwar gelang es der Arbeitsbank, die Einlagen ab 1938 in wachsendem Maße von »Sofortgeldern« auf Drei- bis Zwölf-Monats­gelder umzuschichten.313 Das Grundproblem blieb jedoch. Darüber hinaus blieb das Bankhaus der Arbeitsfront trotz eines steten Wachstums auch sonst ökonomisch abhängig von der DAF sowie den anderen NS-Organisa­tio­nen. Denn um nicht illiquide zu werden, war die Arbeitsbank darauf angewiesen, dass diese aus ihren finanziellen ›Alltagsgeschäften‹ – Beitragseinnahmen, Spenden usw. – immer wieder Tagesund Termingelder ›nachschossen‹. Dies brachte die politischen Organisationen als Gläubiger in eine starke Stellung gegenüber der Arbeitsbank und erlaubte ihnen beispielsweise, auf den einmal gewährten niedrigen Zinsen für Einlagen zu bestehen. 310 Bericht Nr. 12293 der über die bei der Bank der Deutschen Arbeit AG vorgenommenen Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1939, Bl. 13 ff., Zitat: Bl. 15, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 2406. 311 Vgl. Erläuterungen zum Bericht der Revisions- und Treuhand AG vom 30. April 1945 (wie Anm. 172), Bl. 37. 312 Funk an Ley vom 31. Juli 1941 (vgl. Anm. 109), Bl. 29. 313 Der Anteil der »Sofortgelder« (einschließlich Sieben-Tage-Gelder) unter den von den »Gläubigern« gewählten Anlageformen ging zwischen 1938 und 1942 von 67 % auf 22,9 % deutlich zurück (1943: 27,2 %), ebenso die Drei-Monats-Gelder, deren Anteil von 44,6 % 1938 und 60,5 % 1939 auf 20,3 % 1941 und 21,1 % 1943  sank – während demgegenüber die auf vier bis zwölf Monate angelegten Termingelder von 51,8 % 1938 und 37,6 % 1939 auf schließlich 77,8 % im Jahre 1943 wuchsen. Nach: VB vom 29. April 1944. Vgl. außerdem Bericht der Revisions- und Treuhand AG zum 31. Dez. 1943 (Anm. 222).

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Verstärkt wurde diese strukturelle Labilität dadurch, dass die Barliquidität des Bankhauses der DAF vergleichsweise niedrig war. Gegen den Trend sank sie zudem während des Krieges weiter, von 4,3 % 1939 über 2,0 % 1942 auf schließlich lediglich 1,2 % im Jahr 1943. Die Barliquidität der Konkurrenten lag deutlich höher und wuchs zudem 1943 gegenüber 1942 signifikant: Bei der Deutschen Bank erreichte sie 1943 5,6 % (1942: 5,1 %) und bei der Dresdner Bank 4,2 % (3,8 %). Einwände gegen eine derart niedrige Barliquidität wischte Lencer als Vorstandssprecher der Arbeitsbank noch auf einer Pressekonferenz Ende April 1944 mit dem politischen ›Argument‹ vom Tisch: »Wir brauchen keine Krücken, meine Herren. Die Giroguthaben bei der Reichsbank sind genauso gut liquide Mittel ersten Grades wie Bargeld!«314 Mit diesem forschen Satz wiederum brachte Lencer zum Ausdruck, dass die Bank der Deutschen Arbeit ihre Gelder überwiegend in Schatzanweisungen und staatliche Papier gesteckt hatte, und zwar noch stärker als die gleichfalls in der Finanzierung der Rüstung wohl oder übel stark engagierte etablierte Konkurrenz. Gleichzeitig blieb der Umfang des Wechsel- sowie des Emissionsgeschäftes (angesichts eines sinkenden Stellenwertes der Börsen ab 1933 wenig überraschend) beim Neu-Ein­steiger Arbeitsbank die gesamte NS-Zeit über gering. Trotz all dieser Unwägbarkeiten durfte sich die Arbeitsbank vergleichsweise sicher fühlen, weil sie mit der DAF die finanzstärkste Organisation des Dritten Reiches hinter sich wusste. Vor allem flossen der Arbeitsfront allein aus den Beiträgen der deutschen Arbeitnehmerschaft kontinuierlich gigantische Geldsummen zu. Zudem konnte sie darauf bauen, dass Ley und die Arbeitsfront im Falle ›fauler Kredite‹ o.ä. einspringen würden. Im Gefolge zunächst des »Frankreichfeldzuges«, der Okkupation weiter Teile West-, Nord- und Südosteuropas sowie schließlich des Überfalls auf die Sowjetunion wandelte sich die Anlagepolitik des DAF-Geldinstituts erneut. Mit »der räumlichen Ausdehnung des Bankgeschäfts unseres Instituts«, hieß es im Jahresbericht für 1941, wuchs »der aufgetretene Kreditbedarf insbesondere bei den Kundschaftskreisen, die mit der Rüstungswirtschaft und der öffentlichen Vorratswirtschaft enger verbunden sind«. Diese Bemerkung zielte darauf, dass der Aufbau der Besatzungsverwaltung und mehr noch die ökonomische Aus314 Vgl. (inkl. der Angaben zur Barliquidität) Deutsche Bergwerks-Zeitung vom 3. Mai 1944. Ley hatte gegenüber Funk in einem Schreiben vom 2. Juli 1941 (in: BA Berlin, R 8120, Nr. 736, Bl. 28-31, hier: Bl. 28 f.) zwar behauptet, dass »hinsichtlich der Liquidität meine Bank an der Spitze der deutschen Banken« stünde. Das entsprach jedoch nicht den von Ley selbst vorgelegten Zahlen. Denn er bezog sich auf die falschen Indikatoren, neben der »Kasse« u. a. auch auf die dramatisch angestiegenen, langfristig angelegten Schatzanweisungen und sonstigen Staatspapiere. Eine solche Argumen­ tation stellt im Übrigen Leys Ghostwritern, vermutlich aus den Reihen der Arbeitsbank, kein gutes fachliches Zeugnis aus. Legt man seine Zahlen zugrunde und bezieht sie auf die Bilanzsumme, erhält man für 1938 eine Barliquidität der Arbeitsbank von 4,1 %, für 1939 von 4,3 % und für 1940 von 2,9 %. Nach wieder anderen Angaben lag die Barliquidität der Arbeitsbank am Jahresende 1939 bei 5,8 %. Vgl. Bericht Nr. 12293 der Revisions- und Treuhand AG zum 31. Dez. 1939 (Anm. 310), Bl. 24.

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dehnung zahlloser deutscher Unternehmen in die von der Wehrmacht eroberten Gebiete den Kreditbedarf enorm erhöhte und auch der Arbeitsbank neue Kunden zutrieb. »Den Kreditwünschen dieser Kunden konnten wir in allen Fällen entsprechen und dadurch jene wirtschaftlichen Kräfte unterstützen, die auf die Errichtung eines ausschlaggebenden Kriegszieles ausgerichtet sind.«315 Engagiert war das Geldinstitut bei der »Vermittlung von Finanzierungen, Auszahlungen von Akkreditiven« vor allem im Osten, aber auch – wenngleich insgesamt schwächer  – im Westen, beispielsweise »für Firmen, die Verlagerungsaufträge nach Frankreich gegeben haben«.316 In der Folgezeit änderte sich daran nichts: »Wie bei den anderen Banken tragen bei der Bank der Deutschen Arbeit auch die Erfordernisse der Rüstungs- und öffentlichen Vorratswirtschaft zur Er­höhung der ausgegebenen Kredite bei«, berichtete der »Völkische Beobachter« vom 29. April 1944 beifällig. Die in den ›Abschlussbilanzen‹ vom 31. Dezember 1944 bzw. 30. April 1945 vorgelegten Zahlen über die nach Kreditnehmern aufgefächerten, in Anspruch genommenen (ausgewiesenen) Kredite bestätigen, wie stark sich die Arbeitsbank in dieser Hinsicht engagierte: Während der Anteil der an die im Besitz der DAF befindlichen Unternehmen ausgegebenen Kredite im letzten Kriegsjahr noch einmal deutlich, auf unter zehn Prozent, sank, stieg der Anteil der Gelder an der Gesamtkreditsumme, der für mittelbar und unmittelbar rüstungsrelevante Projekte unterschiedlichster Couleur zur Verfügung gestellt wurde (Tabelle 1.3): Die Kredite für »Unternehmen der Rohstoffversorgung« – d. h. vor allem Projekte, die mit der Erschließung von Erdölfeldern und der Ölförderung oder im Bergbau vor allem der Balkanländer und der besetzten Gebiete der Sowjetunion befasst waren  – lag Ende 1944 und im April 1945 bei gut 18 %. Dass sich das ohnehin starke Engagement der Arbeitsbank für »Unternehmen der Rüstung« im letzten Kriegsjahr im Zuge letzter, verzweifelter Anstrengungen, den Zusammenbruch der Diktatur aufzuhalten, noch einmal von 31 % auf gut 42 % erhöhte, kann nicht überraschen. Ein kurzfristig hoher Reingewinn und entsprechende Renditen spielten für die Akteure der Arbeitsbank eine untergeordnete Rolle (Tabelle 1.2). Sie setzten auf eine möglichst rasche Expansion des Unternehmens. Ihr Ziel war, sich möglichst günstig für den Konkurrenzkampf mit den Großen Drei nach dem vermeintlich baldigen »Endsieg« der braunen Diktatur zu positionieren – eine Prämisse, die bis mindestens Anfang 1944 handlungsleitend blieb.317 Für etablierte Banker war dagegen die Rentabilität das entscheidende Kriterium für die 315 Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1941, (Anm. 224). Rs., hier: Bl. 240. Im selben Tenor: ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm.  256). 316 »Bank der Deutschen Arbeit: Gläubiger um 108 % erhöht« (o.V.), in: Die Bank 34/1941, Heft 11, S. 221-223, hier: S. 222. 317 Als weiteren Grund für die relativ niedrigen Gewinne ab 1941  führten die Verantwortlichen der Bank die »Gewinnabführungspflicht« an. Vgl. Niederschrift über eine Besprechung in verschiedenen Angelegenheiten der Bank der Deutschen Arbeit AG am 22. Dez. 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 57.

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betriebswirtschaftliche Effizienz einer Bank. Infolgedessen kann es nicht überraschen, dass ein führender Mitarbeiter der Dresdner Bank in einem Bericht vom 5. Oktober 1944 ein vernichtendes Urteil über die Bank der Deutschen Arbeit fällte. Sein Verdikt von der »Ermangelung wirtschaftlich gebildeter Kräfte« zeugt eher vom Unverständnis, die Gründe für das in mancherlei Hinsicht ganz andere Handeln der Arbeitsbank-Protagonisten nachzuvollziehen. Sein Argument dagegen, es bestünde der »Eindruck, dass der gesamte Personalapparat der Bank teurer ist als bei den üb­ri­gen Banken des privaten und öffentlich-rechtlichen Kreditgewerbes«, weswegen die DAF-Bank »mit der Rentabilität anderer Banken offenbar nicht Schritt gehalten« habe, kann als Hinweis gelten, dass es das Geldinstitut der Arbeitsfront selbst im letzten Kriegsjahr am Willen zu einer strikten Rationa­lisierung fehlen ließ.318 Informationen als Ressource, oder: Bleibend strukturelle Defizite der »Bank der Deutschen Arbeit« Das Verdikt des Dresdner Bank-Repräsentanten blendet im Übrigen eine Personalpolitik aus, die darauf abgestellt war, durch überdurchschnittliche Entlohnung qualifizierte Mitarbeiter anzulocken, um sich den für die rasante Expansion notwendigen Unterbau an Stammpersonal zu verschaffen.319 Unberücksichtigt blieb in diesem apodiktischen Urteil außerdem ein anderer Aspekt. Einen Konkurrenzvorsprung, den die Arbeitsbank kaum aufholen konnte, besaßen die etablierten Geschäftsbanken außerdem nämlich, weil sie traditionell untereinander, aber auch mit den großen Industrieunternehmen engmaschig vernetzt waren. Dies erleichterte ihnen die Akquisition nicht nur von Aufträgen, sondern, wichtiger noch, den Zugriff auf finanz- und wirtschaftspolitisch entscheidende Informationen erheblich. Informelle Netzwerke und der Zugang zur Ressource Information gewannen mit der Ausbildung der stark personalistisch geprägten charismatisch-polykra­ti­schen Hitler-Diktatur zwangsläufig an Bedeutung  – da das NS-Herrschaftssystem keine bürgerliche Öffentlichkeit kannte und eingespielte Verwaltungsstrukturen und Informationskanäle ihren Wert verloren. Wie stark die Repräsentanten der Großbanken innerhalb der Oberschicht der reichsdeutschen Wirtschaftselite personell miteinander verflochten waren, macht der Blick auf die Networker sichtbar, für die 1938 die höchste Zentralität in den weit gespannten Netzwerken innerhalb der Elite der einflussreichsten deutschen Bankiers und Industriellen ausgewiesen wurde. Unter ihnen 318 »Bericht betr. Bank der Deutschen Arbeit A.G.« (o.V.), vom 5. Okt. 1944, S. 3 f., in: HStA Dresden VII.6.01, Nr. 6896. Zur Frage der »Ermangelung wirtschaftlich gebildeter Kräfte« vgl. auch Kapitel 9, S. 533 f. 319 Während der Mitarbeiterstamm der etablierten Großbanken kaum wuchs (vgl. Weihe, Personalpolitik, S. 85 f.), verachtfachte sich die Belegschaft der Arbeitsbank zwischen 1933 und 1941/42. Zum Bieterwettbewerb um qualifiziertes Personal, der von der Arbeitsbank ausging, und zu den Gehalts- und Sozialbedingungen in diesem Geldhaus vgl. Kapitel 9, S. 534.

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waren je zwei Repräsentanten der Deutschen, der Dresdner, der Commerzbank und der Berliner Handels-Gesell­schaft. 320 Manager der Arbeitsbank (oder auch anderer DAF-Unternehmen) sucht man unter den Spitzen-Networkern innerhalb der reichsdeutschen Wirtschaftselite dagegen vergeblich. Es habe sich zu keinem Zeitpunkt – heißt es auch in einem namentlich nicht gekennzeichneten »Exposé über die Bank der Deutschen Arbeit A.G. Berlin« Mitte oder Ende 1945 – »irgendein näheres Verhältnis« oder gar ein »Freundschaftsverhältnis« ausgebildet.321 Selbst in den Aufsichtsorganen parteinaher Konzerne wie den Hermann-Göring-, den Wilhelm-Gustloff-Werken oder der Bank der Deutschen Luftfahrt waren sie nicht vertreten – ein Tatbestand, der eine relative politische Isolierung der Arbeitsfront innerhalb des Herrschaftsgefüges der Diktatur sichtbar macht. Diese Stellung der Arbeitsbank als Außenseiter unter den arrivierten Berliner Geschäftsbanken manifestierte sich auch optisch: Das Geldhaus der Arbeitsfront hatte seinen Hauptsitz in der ehemaligen Zentrale des ADGB, in der Wallstraße, abseits des Berliner Bankenviertels am Gendarmen­markt.322 Nach der Kapitulation Frankreichs im Frühsommer 1940 wollte das DAF-Geldin­sti­tut mit den alteingesessenen Banken dann freilich mindestens optisch gleichziehen. Es plante für einen riesigen Gebäudekomplex die existierende Bausubstanz der Grundstücke Unter den Linden 56-60 sowie Schadow- und Mittelstraße unweit des Bankenviertels abzureißen. Speer, als »Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin« für die Genehmigung von Abrissen und Neubauten zuständig, war zwar grundsätzlich einverstanden.323 Die Kriegsgeschehnisse verhinderten jedoch, dass die DAF ihren Bankenpalast hochziehen konnte. 320 Vgl. Martin Fiedler/Bernhard Lorentz, Kontinuitäten in den Netzwerkbeziehungen der deutschen Wirtschaftselite zwischen Welt­wirtschaftskrise und 1950. Eine quantitative und qualitative Analyse, in: Volker R. Berghahn/Ste­f an Unger/Dieter Ziegler (Hg.), Die deutsche Wirtschaftselite im 20. Jahrhundert. Kontinuität und Modernität, Essen 2003, S. 51-74, bes. S. 65. 321 In: BA Koblenz, Z 45 F, 2/199/8 (Kopie aus den US National Archives). Trotz ­seines rasanten Aufstiegs wurde das Geldhaus der Arbeitsfront weder in die »Stempel­ vereinigung« aufgenommen noch an Konditionalkartellen der etablierten Groß­ banken beteiligt. Auch im »Club von Berlin«, dem (nach Fiedler/Lorentz) wichtigsten reichsweiten Knotenpunkt der wirtschaftselitären Netzwerke, waren Protagonisten der Arbeitsbank nicht vertreten  – im auffälligen Unterschied zu ihren etablierten ­Kollegen. Vgl. die Mitgliederverzeichnisse für 1939 und 1944, in: BA Berlin, SAPMO, RY 56, Nr. Außerhalb des Unternehmenskomplexes der Arbeitsfront waren DAFManager lediglich in den Aufsichtsgremien weniger kleinerer oder mittlerer Unternehmen präsent. Vgl. die Kurzbiographien in Kapitel 2. 322 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 3 f. 323 Vgl. (inkl. Zitat) Speer an »Bank der Deutschen Arbeit« vom 28. Sept. bzw. 16. Nov. 1940, in: BA Berlin, R 3, Nr. 1572, Bl. 61 f. Im Rahmen der »Neugestaltung Berlins« verauslagte die Berliner Stadtverwaltung im Etatjahr 1940 für den Erwerb des Grund­ stückes, das die Arbeitsbank mit ihrer neuen Zentralverwaltung bebauen wollte, mehr als 1,5 Mio. RM (treuhänderischer Grundstückserwerb) – und damit viermal so viel wie für Projekte der NSDAP und fast dreimal so viel wie für Projekte der Allianz oder

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Dass sie innerhalb des Bankgewerbes tendenziell Paria blieben und von der für Bankgeschäfte auch und gerade im Dritten Reich zentralen Ressource Information seitens der reichsdeutschen Wirtschaftselite abgeschnitten wurden, konnten die Protagonisten der Bank der Deutschen Arbeit bestenfalls begrenzt kompensieren. Kontakte bestanden in Teilbereiche der politischen Sphäre des NS-Regimes hinein. Doch selbst diese sollte man nicht überbewerten. Allein angesichts psychologischer Ungeschicklichkeiten Robert Leys als des eigentlichen Besitzers der Arbeitsbank, dem es regelmäßig gelang, durch ungeschicktes Auftreten und überzogene Machtansprüche auch wohlgesonnene Herrschaftsträger des Regimes gegen sich aufzubringen, konnten diese schnell wieder zerreißen. Der Fokus auf rassistisch segregierte Finanzmärkte Was ihnen an Einbindung in wirtschaftselitäre Netzwerke fehlte, suchten die Manager der DAF-Bank durch eine kaum zu stillende Expansionslust und einen insgesamt aggressiven Geschäftsstil wettzumachen.324 Ein zweites, noch markanteres Markenzeichen der Manager der Arbeitsbank war ein verinnerlichter Rassismus. Zweifelsohne akzeptierten auch die Akteure der ›normalen‹ Großbanken die politisch-ideologischen Rahmenbedingungen, die das NS-Regime setzte – so wie Unternehmen immer die politischen ›Umwelt‹-Bedingungen in ihr ökonomisches Kalkül einbeziehen, so sie erfolgreich agieren wollen. Der Rassismus der Arbeitsbank und ihrer führenden Akteure ging über diesen im Dritten Reich ›ge­schäftsalltäglichen‹ Rassismus jedoch hinaus. Es korrespondierte dem für die Arbeitsfront typischen scharfen Antisemitismus und Rassismus. Sichtbar wird dies an der Art und Weise, wie die Arbeitsbank ihre Geschäftsfelder Richtung Osten ausdehnte. Sie tat dies sozusagen im Gleichschritt mit der Arbeitsfront: In der DAF konnte Mitglied nur werden, wer Reichs- oder mindestens Volksdeutscher war. Diese Kundenklientel hatte auch das Geldinstitut der Arbeitsfront prioritär im Visier. Im Huckepack mit der Arbeitsfront sich in den Osten auszudehnen, hatte für die Arbeitsbank mehrere Vorteile: Erstens wurden Mitgliedsbeiträge der Arbeitsfront durch die Filialen der Arbeitsbank vor Ort – bzw. zunächst über die Kassenstellen der Organisation, die die DAFBeiträge dann an die regionalen Niederlassungen der Bank weiterleiteten – in die Berliner Zentrale der Arbeitsfront transferiert. Zweitens fungierten die DAFFunk­tio­näre wie im »Altreich« so auch in den okkupierten Gebieten gegenüber den Volksdeutschen mittelbar als Werbeträger für die Bank bzw. die Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront. Drittens betrat das Kreditinstitut der Arbeitsfront, wie der Völkische Beobachter in einem Artikel vom 29. April 1944 formulierte, im Osten »eine Art kreditwirtschaftliches Neuland«. Die von den Deutschen mit militärischer Brades »Reichsführers SS«. Vgl. Harald Engler, Die Finanzierung der Reichshauptstadt, Berlin 2004, S. 422. 324 Vgl. ausführlich Kapitel 9, S. 543-555.

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chialgewalt eroberten osteuropäischen Länder galten als »wirtschaftlich noch weitgehend unerschlossen«. Sie besäßen »infolgedessen einen ganz andersartigen Kreditbedarf wie sonstige Teile des Großdeutschen Reiches«. Dass sich die Arbeitsbank »ein Tätigkeitsfeld von beträchtlichem Ausmaß in Gebieten, die mitten im wirtschaftlichen Aufbau begriffen sind«, erschloss, wertete der ano­ nyme Autor als »Vorteil«. Diese etwas wolkigen Bemerkungen des Völkischen Beobachters bezogen sich nicht nur auf den Aufbau einer Infrastruktur der deutschen Okkupanten und den Umbau der Wirtschaft der besetzten Länder auf die reichsdeutschen Bedürfnisse hin. »Erschließung« meinte noch mehr. Auffällig war nämlich, wie Christoph Kreutzmüller und Ingo Loose in ihrer Untersuchung beobachtet haben, dass das DAF-Bankhaus »besonders dort eine erhöhte Aktivität [entwickelte], wo der Prozess der ›Eindeutschung‹ bzw. Germanisierung bereits eingeleitet« worden war oder in nächster Zukunft zu erwarten stand.325 Das ist oben im Zusammenhang mit dem Großkredit über 100 Mio. RM von November 1939 bzw. März 1940 an die SS und Himmler, mit dem diese ihre Siedlungsaktivitäten im »Ostland« – dem »Generalgouvernement«, den baltischen Staaten und schließlich den besetzten Gebieten der Sowjetunion – finanzieren wollten, ausführlich skizziert worden, ebenso, dass es kein Zufall war, wenn sich die Arbeitsbank an diesem Konsortialkredit herausragend exponierte und ihn zudem als Türöffner nutzte, der dem DAF-Geldhaus den Aufbau neuer Geschäftsbeziehungen ermöglichte. Im Westen wiederum nahm die Arbeitsbank neben den für die Germanisierungspolitik zuständigen Institutionen sowie den »volksdeutschen« Bevölkerungsgruppen auch nach rassistischen Kriterien ›benachbarte‹ Bevölkerungsschichten in den Fokus – wie der Erwerb und Ausbau namentlich der »Westbank N.V. (Banque de l’Ouest S.A.)« sowie der »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV« illustrieren. Angesichts der vom NS-Regime geplanten rassistischen ›Neuordnung‹ Ost­ europas, die unter der Federführung der SS bereits ab Ende 1941 ja auch tatsächlich begonnen wurde, liefen die handlungsleitenden Ideologeme der Akteure der Arbeitsbank längerfristig ihrem ökonomischen Kalkül parallel: Nur die volksdeutsche oder »artverwandte« Bevölkerung hätte nach den Intentionen der NS-Groß­raum­planer über ein so hohes Einkommen verfügt, dass sie einen Teil davon ansparen konnte oder als Kreditnehmer überhaupt in Frage kam. Diesem Kundenkreis habe »unsere Bank [deshalb] auch im [vergangenen] Jahr ein besonderes Augenmerk geschenkt«, bemerkte Strauch Anfang 1944 zufrieden.326 Eine solche Verknüpfung von ökonomischen, politischen und ideologischen Gesichtspunkten und eine entsprechende Geschäftspraxis bestimmte – in je modifizierter Form – das Handeln der Protagonisten auch der anderen Teile des DAF-Wirtschafts­impe­riums, nicht zuletzt der Akteure der zweiten großen finanzwirtschaftlichen Säule des Konzerns: seiner Versicherungsunternehmen.

325 Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 19. 326 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 256).

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4. Die Versicherungsgruppe

4.1. Rahmenbedingungen und die Stellung von Volksfürsorge und Deutschem Ring in ihrer Branche Sucht nach Sicherheit Wenn die Geschichte des Versicherungskonzerns der Arbeitsfront von der Führung der DAF bis 1943 gleichfalls als Erfolgsgeschichte verbucht werden konnte, dann lag dies auf einer grundsätzlichen Ebene wesentlich daran, dass die »Suche nach Sicherheit« (Eckart Conze) nicht erst mit der deutschen Trümmergesellschaft der letzten Kriegsjahre sowie der Nachkriegszeit einsetzte. Ungeachtet aller Identifikation wohl der Mehrheit der Deutschen mit den außenpolitischen ›Erfolgen‹ des NS-Regimes, ungeachtet auch aller Identifikationen mit der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« sowie aller vielschichtigen Partizipa­ tionen breiter Schichten der reichsdeutschen Bevölkerung an der NS-Herrschaft war der Wunsch nach einer materiell abgesicherten individuellen und familiären Existenz unübersehbar. Angesichts eines Erfahrungshorizonts der Zeitgenossen, denen die Notzeiten des Ersten Welt­kriegs, die Revolution, die anschließende Demobilisierung, die galoppierende Inflation und die Weltwirtschaftskrise gegenwärtig waren, war dieser Wunsch nur allzu verständlich. Die Kette an Krisenerfahrungen und der Albtraum existentieller Unsicherheit bedingten geradezu eine Sucht nach Sicherheit. Diese Sucht nach Sicherheit suchten das NS-Regime und ebenso Organisationen wie die DAF zu bedienen,1 indem sie ein kommendes ›Goldenes Zeitalter (auch) der Sicherheit‹ suggerierten, das freilich bellizistisch grundiert war. Bereits die Friedensrhetorik Hitlers, mit der dieser bis 1939 seine aggressiven Kriegspläne zu vertuschen suchte, zeugt indirekt von der Sehnsucht der Zeitgenossen nach Sicherheit – die gleichzeitige Weltmachtträume und -illusionen keineswegs ausschloss. Den Wünschen der »Volksgenossen« nach materieller Sicherheit suchte das NS-Regime auf den unterschiedlichsten Ebenen entgegenzukommen. Eine zen1 Wenn, wie Eckart Conze (Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 15 ff.) beobachtet hat, alle Bundesregierungen und alle größeren Parteien die Parole »Sicherheit« zum zentralen Schlagwort ihrer Politik gemacht haben, dann beruhte dies wesentlich auf den Bedürfnissen der Zeitgenossen und ihren Prägungen durch die Kette von Krisen und Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Einführung in die Geschichte des deutschen Versicherungswesens vgl. z. B. Peter Borscheid, Mit Sicherheit leben. Zur Geschichte und Gegenwart des Versicherungswesens, in: Studies in Contemporary History/Zeithistorische Forschungen, Online-Ausgabe 7 (2010), Heft 2, http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Borscheid-2-2010. Symptomatisch ist, dass (auch) in diesem Aufsatz die Zeit des Dritten Reiches ausgeklammert bleibt.

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trale Rolle spielte hier der Wirtschaftszweig, der sich als »Versicherung« bereits mit dem Branchennamen anbot. In vorderster Front standen (auch) hier nicht zufällig DAF-Un­ternehmen. Wie die meisten anderen DAF-Unternehmen – und stärker als andere Unternehmen dieser Branche – bewegten sich die beiden Versicherungsgesellschaften der Arbeitsfront dabei in einem eigentümlichen Spannungsfeld: Einerseits sollten sie als ›volksgemeinschaftliche Dienstleister‹ fungieren (wie dies in der Einleitung skizziert wurde); andererseits blieben sie den im Dritten Reich weiter bestehenden marktwirtschaftlichen Prinzipien verpflichtet. Dieser Spannungszustand war Zeitgenossen wohlbewusst, sie thematisierten ihn auch öffentlich. So wurde in einem namentlich nicht gezeichneten Artikel in der »Deutschen Volkswirtschaft« aus dem Jahre 1936 von einem »Dienst am Versicherungsnehmer« gesprochen, den die beiden Unternehmen der Arbeitsfront »trotz Beobachtung kaufmännischer Grundsätze« leisten würden. Volksfürsorge wie DR-Versi­cherungen strebten mit aller Kraft danach, den der DAF übertragenen Aufgaben, namentlich der Herstellung einer »Volks-« und »Leistungsgemeinschaft in jeder Beziehung gerecht« zu werden – bei gleichzeitiger »Wahrung aller Grundsätze eines fairen Wettbewerbs«.2 Und in einer auflagenstarken DAFBroschü­re war wenige Wochen vor Kriegsbeginn zu lesen, dass, wie der gesamte Arbeitsfront-Konzern, so auch die Versicherungsgesellschaften der Organisation »die Schaffensfreude der Einzelnen« erhöhen sollten. Volksfürsorge und Deutscher Ring hatten deren »restlosen Einsatz für die wirtschaftlichen Ziele von Volk und Staat« zu erleichtern, indem sie den »schaffenden Volksgenossen« die Sicherheit gaben, dass »das Eigentum und die Versorgung der Angehörigen sichergestellt« sei.3 Nicht zuletzt auf diesen Spannungszustand, nämlich einerseits im Rahmen der weiterhin bestehenden Marktwirtschaft handeln zu müssen und andererseits als rassistisch segregierende »volksgemeinschaftliche Dienstleister« agieren zu sollen, wird in den folgenden Passagen einzugehen sein, ebenso außerdem auf die Funktion von Volksfürsorge und DR-Versicherungen, den sozialpolitischen Plänen der Arbeitsfront Nachdruck zu verschaffen. Alle Zweige der DAF-Versicherungsge­sellschaften sind der Gruppe der privaten Versicherungen zuzurechnen – auch die Krankenversicherung des DHV. In ihrem Geschäftsgebaren unterschieden sie sich in vielerlei Hinsicht kaum von ihren Konkurrenten. Wie ›normale‹ Unternehmen der Versicherungsbranche fungierte auch der DAF-Versiche­rungs­kon­zern de facto als »Kapital­samm­ler« für den Staat. Er trug so zur Finanzierung der forcierten Aufrüstung, später dann der Krieg­f ührung NS-Deutsch­lands bei, und unterschied sich von seinen Konkurrenten dabei höchstens durch (noch) größeren Eifer. Auch Aspekte, die man auf den ersten Blick als Indiz für eine Sonderstellung des Konglomerats an DAF-Versicherungsgesellschaften innerhalb der Branche werten mag, stellen sich bei näherer Betrachtung nicht als Ausnahmen heraus. So 2 R., Die Versicherungsgesellschaften der DAF, in: Deutsche Volkswirtschaft 5/1936, S. 651 f., Zitat: S. 651. 3 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 15.

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die versicherungsgruppe

könnte man besonders enge Beziehungen der Unternehmensgruppe zu den 1934 geschaffenen Organen der nationalsozialistischen »Selbstverwaltung der Wirtschaft« vermuten. Tatsächlich waren die Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront erst durch den »Alten Kämpfer« Andreas Brass, der ab Anfang 1937 für zwei Jahre als Leiter der Wirtschaftsgruppe »Privatversicherung« amtierte und seit der »Machtergreifung« der Ende 1938 aufgelösten, bis 1933 christ-gewerkschaftlichen »Deutschen Lebensversicherung« als Generaldirektor vorstand,4 sowie später durch den ›starken Mann‹ der Deutscher Ring-Versicherungen Rudolf Kratochwill5 führend in den Gremien der einschlägigen Selbstverwaltung der Wirtschaft vertreten. Kratochwill, der bereits vor 1933 enge Kontakte zu Nationalsozialisten hatte und im rechtselitären Milieu der späten Weimarer Republik bestens vernetzt war,6 wurde im letzten Vorkriegsjahr sogar die Leitung der Wirtschafts4 Brass (1894-?) war ab 1913 zunächst Volontär bei der Bayerischen Versicherungsbank und nahm ab 1915 bis zu einer Verwundung 1917 am Ersten Weltkrieg teil. Seit 1922 war er im Außendienst tätig, seit 1928 als Ober-Inspektor und ab 1931 als Bezirksdirektor der Bayerischen Versicherungsbank. Politisch wurde Brass unmittelbar nach der Novemberrevolution in einer rechtsextremistischen »Einwohnerwehr« aktiv. Im Nov. 1923 nahm er am Münchner Hitler-Putsch teil; Anfang Juli 1925 wurde er Mitglied der NSDAP. 1925/26 und erneut ab 1930 war er (ehrenamtlicher) NSDAP-Ortsgrup­penleiter des kleinen oberbayerischen Marktfleckens Kirchseeon im Kreis Ebersberg; von 1932 an war er bis zu seinem Umzug in die Reichshauptstadt im Febr. 1934 NSDAP-Kreisleiter für Ebersberg. Von 1934 bis 1937 leitete er die Berliner NSDAP-Ortsgruppe Fehrbellin; im Mai 1937 wurde er zum »Kreisleiter z.b.V.« ernannt. Unabhängig davon fungierte Brass seit Mai 1933 als Beauftragter der DAF für die bayerischen Verbrauchergenossenschaften, ehe er im Herbst 1933 dann zum Direktor (seit 1936: Generaldirektor) der Deutsche Leben ernannt wurde. Von Mitte Jan. 1937 bis 1939 stand er der Wirtschaftsgruppe »Privatversicherungen« sowie gleichzeitig dem Reichsverband der Privatversicherung e.V. vor. Daneben gehörte Brass dem Beirat des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung, der Akademie für Deutsches Recht sowie der Kommission für Wirtschaftspolitik der Reichsleitung der NSDAP an. Seit 1937 war er ferner Standartenführer, später Oberführer des NSKK. Zu seinem weiteren Lebenslauf vgl. unten, Anm. 18. 5 Kratochwill (1898-1974), der nach dem Ersten Weltkrieg an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn Versicherungsmathematik studiert hatte, gehörte als leitender Versicherungsmathematiker bereits seit 1928 (nach anderen Angaben: 1930) dem Vorstand der DR-Versicherungen an, ehe er 1935 zum Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor dieses DAF-Unternehmens bestimmt wurde. Zu den biographischen Informationen über Brass, Kratochwill usw. vgl. neben den einschlägigen biographischen Handbüchern Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 146 ff., 157 ff. Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte Kratochwill in den Gerling-Konzern und gehörte auch dort – bis zu seiner Pensionierung – dem Vorstand an. 6 So gehörte Kratochwill seit Frühjahr 1932 der rechtselitären »Gesellschaft zum Studium des Faschismus« als ordentliches Mitglied an, einem zentralen organisatorischen Scharnier zwischen dem altelitären Rechtsextremismus und dem bürgerlichen Nationalsozialismus, dem Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha sowie Waldemar Pabst vorstand, der als eine Art ›Graue Eminenz‹ des Weimarer Rechtsextremismus u. a. für die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts verantwortlich war. Zu den knapp hundert durch den Sachsen-Herzog handverlesenen »ordentlichen Mitgliedern« und noch einmal gut hundert »Studienmitgliedern« dieser illustren Gesellschaft gehör-

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gruppe Lebens- und Krankenversicherung übertragen. Indessen fallen diese Führungspositionen keineswegs aus dem üblichen Rahmen. Die Konzerne waren in den jeweiligen Wirtschafts- bzw. Fachgruppen aller Industriezweige tendenziell entsprechend ihrer Größe personell repräsentiert. Und innerhalb der Versicherungsbranche war der DAF-Konzern nun einmal mit weitem Abstand vor den nächstfolgenden Unternehmen der zweitgrößte Konzern im Deutschen Reich. Kratoch­will in der Hierarchie der ›Wirtschaftlichen Selbstverwaltung‹ übergeordnet war Eduard Hilgard. Hilgard war als herausragender Repräsentant der größten deutschen Versicherungskonzerns, der Allianz, Leiter der den Wirtschafts- und Fachgruppen übergeordneten Reichsgruppe Versicherungen und blieb dies auch. Versuche, ihn durch Kratochwill abzulösen, scheiterten. Keine Verstaatlichungspläne Ähnlich wie im Bankgewerbe lassen sich auch für die Politik gegenüber der Versicherungswirtschaft ab 1933 keine spezifisch faschistischen oder nazistischen Prägungen erkennen – es sei denn, dass man den unbedingten Wirtschaftliberalismus hoher und höchster NS-Funktionsträger als Eigentümlichkeit interpretiert. Der Diktator selbst hatte Anfang Dezember 1938 mit Blick auf das – seit langem immer wieder Forderungen nach verstärkter staatlicher Aufsicht ausgesetzte7 – Versicherungswesen eindeutig und grundsätzlich erklärt, dass »von einer Verstaatlichung in absehbarer Zeit keine Rede sein könne und dass jede Diskussion über diese Frage in Zukunft zu unterbleiben habe«.8 Dieser Pfad wirtschaftsliberaler Tugend wurde selbst dann nicht verlassen, als massivere staatliche Interventionen angesichts einer Krise, die die Versicherungswirtschaft ins Mark ten u. a. Hermann Göring, Walther Funk, der spätere Chef der Reichs­kanzlei Hans Lammers, sowie der Staatssekretär im Reichsinnenministerium Hans Pfundtner. Vgl. »Berichtigungen zur vorläufigen Liste der ordentlichen Mitglieder« der Gesellschaft, Stand 10. Mai 1932, sowie vorläufige Mitgliederliste vom Juni 1932, in: BA Berlin, R  72, Nr. 73, Bl. 116, 149-156, bzw. R 72, Nr. 260, Bl. 131-138. Zur Geschichte dieser Organisation vgl. Manfred Wichmann, Die Gesellschaft zum Studium des Faschismus. Ein antidemokratisches Netzwerk, in: Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung, Heft 31/32, 2008, S. 72-104. 7 Zur Verstaatlichungsdiskussion bis 1931, die auch auf der Rechten unter dem Schlagwort des »Gemeinnutzes« bzw. »Gemeinwohles« Anhänger gefunden hatte, vgl. André Botur, Privatversicherung im Dritten Reich. Zur Schadensabwicklung nach der Reichskristallnacht unter dem Einfluss nationalsozialistischer Rassen- und Versicherungspolitik, Berlin 1995, S. 23-31. Forderungen von NS-Seite nach einer partiellen Verstaatlichung der privaten Versicherer verstummten spätestens 1934/35. Vgl. ebd., S. 34 f. 8 Dieser Entscheid Hitlers kam zustande, nachdem Göring einflussreiche Repräsentanten der Versicherungswirtschaft, nämlich Brass, Hilgard, Schmitt und den pommerschen NSDAP-Gauleiter Franz Schwede-Coburg (der Anfang 1938 zum Leiter der Wirtschaftsgruppe öffentlich-rechtliche Versicherungen ernannt worden war) sowie Hans Goebbels (Anm. 14) zu einer Besprechung über Reformen des Versicherungswesens eingeladen hatte. Im vorstehenden Zitat ist der Entscheid Hitlers durch Göring zusammengefasst. Nach: Botur, Privatversicherung, S. 56.

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erschütterte, eigentlich nahegelegen hätten: Trotz des Zusammenbruchs der riesigen, europaweit tätigen, in Wien ansässigen Phönix Lebensversicherungsgesellschaft Anfang 1936, der in zahlreichen anderen Ländern den Ruf nach Nationalisierung des Versicherungsgewerbes laut werden ließ, stand in Deutschland die Verstaatlichung der Versicherungswirtschaft zu keinem Zeitpunkt ernsthaft zur Debatte. Die führenden Nationalsozialisten erwiesen sich als prinzipienfeste Anhänger einer freien Marktwirtschaft. Der Tatbestand, dass der weit überdurchschnittlich expandierende Versicherungskonzern der Arbeitsfront, der sogar dem Marktführer Allianz immer mehr an Größe nahe zu kommen schien, furchteinflößend wirkte und mancher Konkurrent zeitweilig markige Sprüche der maßgeblichen Akteure aus den Reihen der DR-Versicherung und der Volksfürsorge als Bedrohung empfand, ändert daran nichts. Wenn Hilgard Ende 1936 vor dem »mächtigen Block der Deutschen Arbeitsfront [warnte], der, wie Sie alle wissen, einen außerordentlichen Betätigungsdrang hat«,9 dann stand dahinter die Angst der etablierten Gesellschaft vor einem sich aggressiv gebärdenden Newcomer. Schwer kalkulierbar war freilich dessen Nähe zur Arbeitsfront. Früh einsetzende Überlegungen der Arbeitsfront für eine nach nationalsozialistischen Kriterien erneuerte staatliche Sozialpolitik nährten zweifellos in starkem Maße Ängste auch vor dem DAF-Versiche­rungskonzern. Virulent wurden diese in den ersten Jahren nach Kriegsbeginn. Alarmiert waren die privaten Krankenversicherungsgesellschaften allerdings weniger durch die Pläne Leys aus dem Jahre 1940/41, ein staatliches »Gesundheitswerk« aus der Taufe zu heben.10 Bedrohlicher war in ihren Augen, dass die Reichsregierung 1941 beschloss, die Sozialversicherungspflichtgrenze von 3.600 RM auf 7.200 RM Jahreseinkommen zu verdoppeln – und damit den privaten Krankenversicherern Kunden abspenstig zu machen. Die Befürchtung, ihr könne dadurch ökonomisch das Wasser abgegraben werden, verflüchtigte sich freilich bald. Der Lobby-Arbeit des Krankenversicherungsgewerbes war es zu verdanken, dass die Sozialversicherungspflichtgrenze lediglich in Österreich und den Sudeten erhöht wurde, im »Altreich« dagegen auf dem alten Niveau blieb. Die DAF-Führung hatte die Pläne zur Verdoppelung der Sozialversicherungspflichtgrenze, mit der wiederum ältere, weit in die Zeit vor 1933 zurückreichende Forderungen der gesetzlichen Krankenkassen aufgegriffen wurden, mitgetragen. Zudem hatte sie deren Ausdehnung auf die Selbständigen und Handwerk und Handel verlangt und all diese Überlegungen zu einem (insgesamt freilich untergeordneten) Bestandteil ihres Gesundheitswerkes gemacht. Dass sich die Arbeitsfront-Führung damit unter den privaten Krankenversicherern keine 9 Hilgard am 2.  Dez. 1936, nach: Gerald D. Feldman, Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft 1933-1945, München 2001, S. 203. Vgl. auch Hans-Jörg Ehler, Der Reichsverband der Privatversicherung – eine Chronik der Ereignisse und Entwicklungen, Karlsruhe 2009, S. 120. 10 Zum Gesundheitswerk der DAF vgl. vor allem Recker, Sozialpolitik, S. 123-128.

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Freunde machte, stand zu erwarten, nicht dagegen, dass sie auch scharfen Widerspruch in den eigenen Reihen erntete. Wortführer der Opponenten innerhalb des DAF-Komplexes war August Schneider, Direktor und Vorstandsmitglied der Krankenversicherung des Deutschen Ringes und zugleich ein führender Funktionär in der Wirtschaftsgruppe Krankenversicherung.11 Schneider wollte den privaten Krankenversicherern auch fernerhin genügend Raum zur Entfaltung lassen.12 Die Kontroverse ging aus wie das Horn­berger Schießen. Anfang 1942 entschied Hitler, das Gesundheitswerk zu vertagen – und mit diesem die Entscheidung über eine Anhebung der Sozialversicherungspflichtgrenze. Ein weiterer Faktor, der die Furcht vor dem »mächtigen Block der Deutschen Arbeitsfront« schürte, war nach 1938 schließlich die oftmals gute Beziehung dieses »Blocks« zu den für die Konzessionierung, die Übernahme von Versicherungsgesellschaften etc. wichtigen politischen Stellen. Hier gilt freilich, was bereits für die Arbeitsbank konstatiert wurde: Auch die anderen großen Gesellschaften der Versicherungsbranche waren emsig – und oft erfolgreich – um gute Kontakte zu den entsprechenden Behörden bemüht. Für sie hatte überdies die polykratische Struktur des Hitler-Regimes ihr Gutes: Institutionen des Regimes und ebenso die NS-Organisationen, die in den politischen Arenen mit der Arbeitsfront konkurrierten, zeigten sich nur zu gern bereit, gerade die Konkurrenzgesellschaften der Volksfürsorge und des Deutschen Ringes zu stützen, um die politische Macht der DAF nicht auch noch ökonomisch zu unterfüttern. (Darauf wird zurückzukommen sein.) Aggressive rhetorische Attacken von Vertretern der Arbeitsfront schließlich verweisen letztlich nur auf die traditionelle Außenseiterstellung von Volksfürsorge und Deutschem Ring. Das Verhältnis zwischen den privaten Versicherern auf der einen und vor allem der freigewerkschaft­lichen, dem Prinzip der Selbsthilfe verpflichteten und in ausdrücklicher Abgrenzung zu den privaten Versicherern gegründeten Volksfürsorge auf der anderen Seite war immer schon – weit vor 1933 – angespannt gewesen. Die Volksfürsorge stand bei privaten Versicherern seit jeher unter Sozialismus-Verdacht. Nach der NSMacht­erobe­rung veränderten sich zwar die politischen Vorzeichen. Die Abneigung der Privaten gegenüber der aus der Arbeitnehmerbewegung stammenden Konkurrenz erhielt sich jedoch. Bemühungen, dieses von Distanz und Misstrauen geprägte Verhältnis zu entspannen, blieb der Erfolg versagt. So änderte ein Abkommen zwischen dem Reichsverband der deutschen Privatversicherungen und der Arbeitsfront von Anfang 1934, in dem sich Ersterer namens seiner Mitglieder verpflichtete, die 11 Nach Ingo Böhle (Private Krankenversicherung [PKV] im Nationalsozialismus, Unternehmens- und sozialgeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Krankenversicherung (DKV), Frankfurt a. M. 2003, S. 176) war Schneider (1878-?) sogar Leiter der Wirtschaftsgruppe Krankenversicherung. In »Wer leitet« von 1942/42 (S. 889) wird Schneider nur mit seiner Vorstandsfunktion in der DR-Krankenversicherung aufgeführt. 12 Böhle, PKV, S. 176 f.

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Volksfürsorge nicht mehr als »marxistisch« zu verunglimpfen, und die Arbeitsfront ihrerseits einen fairen Wettbewerb versprach, am gespannten Verhältnis zwischen den DAF-Versiche­rungs­gesellschaften und der etablierten privatwirtschaftlichen Konkurrenz wenig.13 Dasselbe gilt für eine Übereinkunft, die die DAF-Versicherungen mit den öffentlich-recht­lichen Versicherungsanstalten und dem Verband der Generalagenten im Dezember 1936 abschloss, die neben der Festschreibung der Besitzstände ein Abwerbungsverbot vorsah. Da sich keine einzige der großen privaten Versicherungsgesellschaften diesem Abkommen »für einen gesunden und freundschaftlichen Wettbewerb« anschloss, blieb es wirkungslos.14 Dies wiederum konnte der DAF und ihren Versicherungsgesellschaften letztlich nur recht sein. Ähnlich wie der Außendienst der Arbeitsbank suchten auch die zunächst 20.000 und schließlich weit mehr als 30.000 Vertrauensleute der Volksfürsorge sowie der (kleinere) Außendienst des Deutschen Rings neue Kunden zu akquirieren, indem sie suggerierten, sie kämen von der Partei und eine Versicherung bei einer der beiden DAF-Gesellschaften sei für Mitglieder der Arbeitsfront verpflichtend.15 Darüber hinaus profitierten die Versicherungsunternehmen der DAF von den Repressions­maßnahmen des NS-Regimes. Dies war z. B. der Fall, als das Reichswirtschaftsministerium unter dem neuen Minister Walther Funk und das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung 1938 im Zuge des nationalsozialistischen »Kirchenkampfes« daran gingen, konfessionelle Versicherungsunternehmen unter Druck zu setzen. Jene verschwanden zwar nicht, aber sie änderten ihren Namen und ›entkonfessionalisierten‹ sich, indem sie Geistliche aus ihren Gremien verbannten – und aufgrund der Lockerung ihrer Verankerung in den konfessionellen Milieus wohl auch einen Teil ihres Kundenstammes an die ›Volksversicherer‹ der DAF verloren.16 Eine aggressive Kundenwerbung und die enge Verflechtung mit der Arbeitsfront ändern nichts daran, dass die Existenz der beiden DAF-Versi­ cherungsgruppen und deren wachsendes ökonomisches Gewicht für die private Versicherungswirtschaft letztlich sogar von politischem Vorteil war. Deutscher Ring wie Volksfürsorge waren eine Art politische ›Rückversicherung‹: Solange diese Unternehmen prosperierten, war es eher unwahrscheinlich, dass wie auch immer geartete Überlegungen zu einer Verstaatlichung der Privatversicherer in der Arbeitsfront auf ungeteilte Zustimmung stoßen würden. Sie hätten ohnehin 13 Vgl. Feldman, Allianz, S. 122; Ehler, Reichsverband, S. 100. 14 Zu diesem nach Hans Goebbels (einem Bruder des Reichspropagandaministers, der seit 1933 der Rheinischen Provinzialversicherungsanstalt/Düsseldorf vorstand) sowie dem DAF-Repräsentanten und Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lebensversicherung Andreas Brass benannten G.-B.-Ab­kommen, das auch die Entlassung sämtlicher verbliebener jüdischer Angestellter vorsah, vgl. Botur, Privatversicherung, S. 54, 62 ff., 94 f.; ferner Feldman, Allianz, S. 212 f.; Böhle, PKV, S. 81; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 66; Ehler, Reichsverband, S. 118. 15 Vgl. unten sowie neben den dort genannten Belegen allgemein: Feldman, Allianz, S. 121 f. 16 Vgl. Böhle, PKV, S. 75.

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dem Prinzip einer ungehindert »freien Wirtschaft« widersprochen, wie es alle maßgeblichen Vertreter des NS-Regimes, darunter nicht zuletzt die führenden Repräsentanten der Arbeitsfront, immer wieder artikulierten. Selbst Andreas Brass, der als ursprünglich der SA nahestehender »Alter Kämpfer« eine »diffus antikapitalistische Zielrichtung« verfolgte17 und sich deshalb Mitte 1939 mit Robert Ley überwarf,18 ehe er wegen ›defätistischer‹ Äußerungen Mitte September 1942 schließlich aus der Partei ausgeschlossen wurde,19 stellte Ende Februar 1938 vor dem Beirat der Wirtschaftsgruppe Privatversicherungen apodiktisch fest, »dass er grundsätzlich und restlos auf dem Boden der privaten Versicherungswirtschaft stehe und jede Kollektivisierung [!] ablehne«.20

17 So zutreffend Botur, Privatversicherung, S. 52. 18 Brass berichtete, dass er 1938 mit Ley »eine Auseinandersetzung« gehabt und ihn dieser »dermaßen angebrüllt [habe], dass ich überhaupt nicht zu Worte kam und mich auch nicht rechtfertigen konnte«. Gegenüber Dritten habe Brass (sicherlich zutreffend) Ley als »Radfahrernatur« bezeichnet, der nach oben buckele und nach unten trete. Hauptverhandlung des Obersten Parteigerichts (OPG) vom 20. März 1942, in: BA Berlin (BDC) OPG 109. In anderem Zusammenhang interpretierte Brass selbst seinen »Sturz als Sieg der Versicherungswirtschaft ›als solcher‹«. Erklärung von Andreas Brass vom 17. April 1939 (Abschrift), S. 4, in: ebd., PK B 0039. Nach seiner Entlassung war Brass zwei Jahre erwerbslos. 1941 übernahm er dann kommissarisch die Verwaltung einer Lebensmittelgroßhandlung in Posen. In dieser beruflichen Funktion avancierte er zum »Betriebsobmann des Warthegaues für den Lebensmittelgroßhandel« und des »Fachschaftshandels für den Zuckergroßhandel«, ehe der Parteiausschluss ihn vermutlich erneut erwerbslos werden ließ. 19 Vgl. Eröffnungsbeschluss des OPG gegen Brass vom 13. März 1942, Hauptverhandlung vom 20. März 1942 (Anm. 18). Am 12. Febr. 1943 wurde Brass außerdem aus dem NSKK ausgeschlossen, in dem er von 1937 bis dahin als »Oberführer« fungiert hatte. Vgl. BA Berlin (BDC) PK 0039. 20 Nach: Feldman, Allianz, S. 214. Symptomatisch und zugleich eine Ironie der Geschichte war es, dass Brass Anfang 1939 alle Ämter im DAF-Konzern und in der Selbstverwaltung der Wirtschaft niederlegen musste, weil der Arbeitsfront-Führung um Ley dieses Bekenntnis nicht weit genug ging. Nach eigenem Bekunden forderte Brass, »in der Versicherungswirtschaft den Dienst an der Volksgemeinschaft in stärkerem Maße durchzusetzen, als es früher zutraf«. Erklärung von Andreas Brass vom 17. April 1939 (Abschrift), S. 3, in: BA Berlin (BDC) PK B 0039. Diese Forderung wurde als sozialistische Tendenz gewertet und führte zur auch persönlichen Isolierung von Brass. Hinzu traten »persönliche Differenzen mit meinem Aufsichtsratsvorsitzenden, Amtsleiter Strauch«. Brass an Himmler vom 4. Nov. 1939, in: ebd.

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Moderate Modernisierungen – zu den Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Versicherungswirtschaft Substantielle Veränderungen innerhalb des Versicherungssektors wurden – über die mit dem verniedlichenden Begriff »Arisierung« bezeichnete und (neben dem Bankensektor) im Versicherungsgewerbe besonders gravierende Beraubung und Verdrängung der Juden hinaus – nicht nach ideologischen Leitlinien vorgenommen, sondern waren durch grundlegende strukturelle Wandlungen des ökonomisch-gesellschaftlichen Umfeldes bedingt. Sie lagen im Zug der Zeit. Besonders markant in dieser Hinsicht war die Entwicklung der Fahrzeugversicherung. Seit Mitte der zwanziger Jahre begann die Automobilindustrie zu prosperieren, allerdings nur langsam; denn die Deutschen waren  – im Unterschied zu den USA, abgeschwächt aber auch zu Großbritannien – kein ›Volk von Autofahrern‹, sondern eines von Motorradfahrern. Immerhin verdreifachte sich zwischen 1929 und 1938 der Bestand an PKW auf deutschen Straßen; die bereits Ende der zwanziger Jahre hohe Zahl der Krafträder sollte sich während dieses Zeitraumes freilich erneut mehr als verdoppeln. Die Folge dieser massiven Zunahme motorgetriebener Fahrzeuge war, dass sich die Struktur vor allem des städtischen Verkehrs völlig veränderte. Automobil und Kraftrad bestimmten weit stärker als zuvor das Straßenbild. Die Verkehrsteilnehmer einschließlich Fußgänger und Fahrradfahrer hatten Probleme, sich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Die Zahl der Unfälle und mit ihnen die der Schadensfälle stieg drastisch an. Der Staat reagierte auf diese Entwicklung mit einer Reihe gesetzlicher und administrativer Maßnahmen. Mit der Reichsstraßenverkehrsordnung vom 28. Mai 1934 wurden die Verkehrsordnungen in Deutschland überhaupt erst vereinheitlicht. Im selben Jahr wurde der Kraftfahrzeugbrief eingeführt. Drei Jahre später erklärten die zuständigen Behörden der Unsicherheit auf den reichsdeutschen Straßen den »totalen Krieg« (Kurt Daluege21) und erließen eine neue Straßenverkehrsordnung.22 Seit Mai 1939 galten Höchstgeschwindigkeiten. Erst durch Gesetz vom 7. November 1939 wurde im Deutschen Reich schließlich die Pflichtversicherung für Fahrzeughalter eingeführt. Hintergrund dieses für die Versicherungswirtschaft entscheidenden Schrittes war die Eingliederung Öster-

21 So Daluege (1897-1946), der ab Mai 1933 Ministerialdirektor und Leiter der Polizei­ abteilung im Reichsinnenministerium, seit 1936 dann Chef der Ordnungspolizeien und damit Stellvertreter Himmlers im Polizeibereich war, wörtlich am 27. Mai 1937. Nach: Ludwig Arps, Durch unruhige Zeiten. Deutsche Versicherungswirtschaft seit 1914, II. Teil: Von den zwanziger Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg, Karlsruhe 1976, S. 137. 22 Die reichsweite Vereinheitlichung der Verkehrsschilder war bis 1933 weitgehend abgeschlossen worden. Seit Mitte der zwanziger Jahre kamen erste Ampeln zum Einsatz; ihre Zahl wurde ab Mitte der dreißiger Jahre erheblich ausgeweitet. Erst seit der Straßenverkehrszulassungsverordnung vom 13. Nov. 1937 mussten vor der Erteilung der Fahrerlaubnis für einen PKW genauere Kenntnisse der Verkehrsvorschriften nachgewiesen werden.

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reichs und der Sudeten; Österreich und die Tschechoslowakei hatten bereits viel früher, 1929 bzw. 1935, die Fahrzeugversicherung zur Pflicht gemacht.23 Die Versicherungswirtschaft hatte ihrerseits schon frühzeitig auf die seit Ende der zwanziger Jahre drastisch gestiegene Zahl an Unfällen reagiert und eine »Tarif­gemeinschaft der Kraftfahrzeugversicherer« gebildet, ein Angebotskartell, das sich auf einen »Reichstarif« einigte, der am 1. Juli 1933 in Kraft trat. Nachdem in den ersten Jahren des Dritten Reiches die Zahl der Unfälle und damit der Personen- und Sachschäden weiter gestiegen war und sich die Fahrzeugversicherung zunehmend defizitär entwickelt hatte, versuchte die Tarifgemeinschaft der Fahrzeugversicherer die Policen wieder profitabel zu gestalten, indem sie Mitte 1936 die Selbstbeteiligung im Schadensfall einführte. Sie hatte indes die Rechnung ohne den Wirt gemacht, d. h. ohne die Deutsche Sachversicherungs AG24 der Arbeitsfront. Diese lehnte die geplante Selbstbetei­ ligung umgehend ab, weil diese den Motorisierungsplänen des »Führers« entgegenstünde. Die DAF-Versi­che­rung senkte die Tarife und setzte damit die übrigen Gesellschaften unter Druck. Das Angebotskartell der Fahrzeug­versicherer war damit de facto geplatzt, allerdings nur vorübergehend. Faktisch wurde es durch den Reichskom­missar für die Preisbildung am 14. Februar 1938 erneuert, indem dieser zunächst die Tarife für KfZ-Versi­cherungen generell kräftig reduzierte und sie dann auf diesem Niveau einfror. Dies war möglich geworden, weil Zahl und Schadensgröße der Unfälle seit 1935 deutlich zurückgegangen waren und die bis Mitte der dreißiger Jahre defizitären Fahrzeugversicherungen zunehmenden Gewinn abwarfen. Angesichts der allmählichen Automobilisierung des Dritten Reiches und der noch sehr viel weitergehenden Pläne des Regimes begannen sich die Fahrzeugversicherungen zu einem sehr lukrativen Markt zu entwickeln, der auch zahlreiche Unternehmen anzog, die dieses Versicherungsfeld lange ignoriert hatten. Um einer Zersplitterung dieses Versicherungsmarktes vorzubeugen, wurde deshalb im Frühjahr 1937 die Gründung neuer Gesell­ schaf­ten erheblich erschwert; eine teilweise bis heute geltende Novellierung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom März diesen Jahres machte die Zulassung neuer Gesellschaften auf diesem Sektor von einer Bedürfnisprüfung abhängig.25 23 Deutschland hinkte in dieser Hinsicht überhaupt im internationalen Vergleich hinterher. Für Fahrlehrer, Omnibus- und LKW-Fahrer war die Versicherungspflicht im Deutschen Reich freilich schon früher eingeführt worden. Vgl. Arps, Unruhige Zeiten, S. 145 f., 152, 154. Bis Ende 1939 hatte der Anreiz, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, darin bestanden, dass dem schuldhaft in einen Autounfall verwickelten Kraftfahrer die Fahrerlaubnis entzogen werden konnte. Grundlage dafür war eine Verordnung des Reichsverkehrsministers vom 11. Juli 1936. 24 Genauer: die zu diesem Zeitpunkt freilich schon eng kooperierenden drei Vorgängerunternehmen der Dt. Sachversicherungs AG der DAF. Förmlich wurde die Sachver­ sicherungs AG erst Mitte Dez. 1936 gegründet. Zum Vorgang vgl. Botur, Privatversicherung, S. 59 f., sowie unten. 25 Der entsprechende Passus des am 7. März 1937 verkündeten Versicherungsaufsichtsrechtes (§ 8, Abs. 1, Nr. 3) galt bis zur Aufhebung der nationalen Gesetze im Zuge der europäischen Harmonisierungsrichtlinien 1975. Andere Paragraphen dieses Gesetzes,

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Wie sehr dennoch die quantitative Bedeutung der Fahrzeug- und Transport­ versicherungs­unterneh­men wuchs, wird deutlich, wenn man das Prämienaufkommen der reichsdeutschen Feuerversicherung, dem bis zum Beginn des Dritten Reiches zentralen Feld der Sachversicherungen, mit dem der Fahrzeugversicherung vergleicht. Während die Prämiensumme für die Versicherungen von Feuerschäden von 213 Mio. RM im Jahr der nationalsozialistischen Machteroberung auf 208 Mio. RM im Jahre 1938 sogar etwas zurückging, hatte sich die Prämiensumme sämtlicher Sparten der Fahrzeugversicherung während desselben Zeitraums mehr als verdoppelt (Anstieg von 105 Mio. RM auf 246 Mio. RM).26 Zudem fächerten sich deren Angebote weiter auf. Zentrale Felder auch der beiden großen in der Versicherungsbranche tätigen DAF-Unternehmen, deren fahrzeugrelevante Sparten mit weiteren Versicherungszweigen 1937 zur Deutschen Sachversicherungs AG verschmolzen wurden, war die Versicherung der drei grundlegenden Kraftfahrzeugsrisiken Kasko, Haftpflicht und Unfall. Die Entwicklung in diesen Zweigen war noch dynamischer als im gesamten DAF-Versiche­rungs­konzern. Eine weitere strukturelle Veränderung von beträchtlicher Relevanz war der Bedeutungszuwachs der Gruppenversicherungen, die von Organisationen oder Institutionen vertraglich vereinbart wurden, darunter nicht zuletzt »Gefolgschaftsversicherungen«, die die einzelnen Unternehmen abschlossen und die von der Arbeitsfront namentlich im Rahmen ihres »Leistungskampfes der Betriebe« prämiert wurden. Sie bildeten die moderne Variante der traditionellen Pensions­ kassen für betriebliche Ruhegeldzahlungen. Insgesamt wiesen nach einer Erhebung von 1936 knapp 5.300 und damit etwa ein Viertel al­ler in der Reichsgruppe Industrie orga­ni­sier­ten Unternehmen in irgendeiner Form Einrichtungen zur zusätzlichen betrieblichen Al­ters­ver­sorgung auf.27 Bis 1943 stieg diese Zahl auf »mehr als 8000 Unternehmungen«.28 Von dieser Entwicklung profitierten nicht zuletzt die Lebensversicherungen, da insbesondere »weniger kapi­tal­kräftige« Arbeitgeber dazu übergingen, für die gesamte Belegschaft oder einzelne Ar­beit­ nehmergruppen bei privaten Ge­sellschaften Lebensversicherungen auf Renten­ die die Eingriffsrechte des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung verstärkten, gelten bis heute. Zur VAG-Novelle vgl. Botur, Privatversicherung, S. 67-73. 26 Davon betrug das Prämienvolumen allein der KfZ-Haftpflichtversicherung 171 Mio. RM. Alle Angaben nach Arps, Unruhige Zeiten, S. 143. 27 Vgl. »Der Umfang der betrieblichen Altersvorsorge«, in: Deutsche Bergwerks-Zeitung vom 23. Jan. 1943; Albrecht Weiß, Betriebliche Alters- und Hinterbliebenenfürsorge, in: Der Deutsche Volkswirt vom 18. März 1938 (1937/38, S. 1181). Ausführlich hierzu: Hachtmann, Industriearbeit, S. 278 ff. 28 Vgl. Ernst Heißmann, Betriebliche Altersvorsorge in Form frei­wil­li­ger, sozialer Leistungen, in: Deutsche Volkswirtschaft 12/1943, S. 902; ferner (mit anderem Beleg) Arps, Unruhige Zeiten, S. 245. Angesichts der extrem niedrigen staatlichen Renten, die eher ein besseres Almosen waren, blieb der Stellenwert der betrieblichen Altersversorgung – die nach dem Kalkül der Unternehmer die Bindung ans Werk stärken und die Arbeitsdisziplin erhöhen sollten – hoch.

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basis abzuschließen.29 Um die Jahreswende 1939/40 wurden »durch Grup­pen­ ver­si­che­rungs­abschlüsse bei Le­bens­ver­si­che­rungsge­sellschaften rund 9 Mil­lionen Versicherte in etwa 20 000 Verträgen erfaßt«, darunter »in großem Umfange Gefolg­schafts­ver­si­cherungen«.30 Gruppenversicherungen wurden ab 1933 im Übrigen keineswegs allein für betriebliche Belegschaften abgeschlossen, sondern in zunehmendem Maße außerdem für die »Gefolgschaften« der »charismatischen Verwaltungsstäbe« und überhaupt zahlreicher Institutionen des Regimes. Ganz generell fächerten sich seit Mitte der zwanziger Jahre die Felder auf, auf denen die großen Versicherungsunternehmen tätig wurden. Dieser Trend verstärkte sich ab 1933 weiter. Gleichzeitig begannen die meisten größeren, ehemals auf bestimmte Sparten beschränkten Unternehmen ihre Spezialisierungen aufzugeben und sich zu »Mehrbranchengesellschaften« zu entwickeln. Die beiden DAF-Gesellschaften machten hier, so wird zu zeigen sein, keine ­Ausnahme. Die Möglichkeiten der Kapitalanlage verengten sich dagegen sukzessive. Zunächst legten viele Versicherer das gesammelte Kapital überwiegend in Hypotheken an. Dies war ein traditionelles Anlagefeld gerade auch der Volksfürsorge und des Deutschen Rings, die hier eng mit den gemeinnützigen Wohnungs­ baugesellschaften der freien Gewerkschaften bzw. des DHV kooperiert hatten. Wenn der Verband der Deutschen Lebensversicherungen in seinem Geschäftsbericht bereits für 1935 von einem »Mangel an geeigneten Hypothekengesuchen« berich­tete,31 dann galt dies an sich nicht für den Deutschen Ring und die Volksfürsorge, da die Aktivitäten der Wohnungsgesellschaften und Bauunternehmen der Arbeitsfront für Siedler- und Wohnungsbaukredite weiterhin Anlagemöglichkeiten boten. Bei den DAF-Versi­cherungsgesellschaften waren politische Entscheidungen der Arbeitsfront-Führung dafür verantwortlich, dass auch sie dem generellen Trend folgten und ihre Kapitalien in Staatsanleihen und anderen öffentlichen Wertpapieren anlegten, die der Aufrüstung der Diktatur zugute kamen.32 Ein Runderlass vom 12. August 1938 verbot den Gesellschaften rundheraus, dem freien Baumarkt Kapitalien zur Verfügung zu stellen oder gar eigene Bauten in Angriff zu nehmen.33 Da auch die Emission privater Wertpapiere immer schwieriger wurde, blieben als zentrale Anlageform nur Reichsanleihen, langfristige Reichsschatzanweisungen und andere Papiere der öffentlichen Hand. Be29 Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten, 1937/38, S. 206 f. 30 Vgl. National-Zeitung vom 2. April 1940 (»Gefolg­schafts­ver­si­che­rung im Kriege«), die sich dabei auf »amtliche Untersuchungen« berief. In anderen Fällen wurden betriebliche Ruhegelder durch eine Höherversicherung der Beleg­schaft bei der ge­setz­li­chen Sozialversicherung finanziert. Wieder andere Unternehmen mit kleinen Beleg­schaf­ten grün­deten zum gleichen Zweck Gruppenpensionskassen (1937 für im­mer­hin 5,9 Mio. Arbeitnehmer, meist Angestellte). 31 Dies und das Folgende nach Arps, Unruhige Zeiten, S. 213 f. 32 Vgl. Tabelle 2.4. und 2.11. Hinzu traten DAF-eigene Projekte wie das Volkswagenwerk, die durch teilweise umfangreiche Kredite finanziert wurden. Vgl. auch unten. 33 Nach Arps, Unruhige Zeiten, S. 213. Zum Folgenden ebd., S. 213 ff.

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reits in den Vorkriegsjahren entfielen mehr als die Hälfte aller Anlagen der deutschen Versicherungsgesellschaften auf Staatstitel. »Richtlinien« vom März 1939 legten fest, dass zwei Drittel der verfügbaren Gelder in Reichsanleihen angelegt werden sollten. Eine Anordnung vom 21. August 1942 setzte diesen Prozentsatz auf drei Viertel herauf. Für die Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront wären diese Anordnungen nicht notwendig gewesen. Sie hatten schon vorher aus eigenem Antrieb den weit überwiegenden Teil der gesammelten Gelder in die Rüstungs- bzw. Kriegsfinanzierung gesteckt.

4.2. Eine Erbschaft der katholischen Gewerkschaften wird liquidiert: die kurze Geschichte der »Deutschen Lebensversicherung« unter dem Nationalsozialismus Ist die Rede von den Versicherungsunternehmen, die der DAF im Frühjahr 1933 in die Hände fielen, denkt man an zwei Gesellschaften: an die bis zur NS-Machter­oberung sozialdemokratisch geprägte »Volksfürsorge« und an die traditionell rechtskonservativ, antisemitisch getönten »Deutscher Ring ­Versicherungen«. Übersehen wird leicht, dass die Arbeitsfront 1933 noch ein drittes Unternehmen dieser Branche in ihren Besitz nahm, das allerdings an dem Boom der DAFVersicherungen nicht partizipierte und 1938 schließlich von der Bildfläche verschwand: die »Deutsche Leben Gemeinnützige Versicherungs AG« (Deutsche Leben).34 Aus der Taufe gehoben wurde die Deutsche Leben Ende 1912 von dreißig konfessionell geprägten Lebensversicherungs­gesellschaften. Ihr anfänglicher Hauptzweck war, in Fortsetzung älterer Sterbegeldversicherungen, zugleich jedoch auf moderner versicherungstechnischer Grundlage, auch einkommensschwachen Familien eine würdevolle Bestattung verstorbener Angehöriger zu ermöglichen. Vergleichbare Motive standen für das Geschäft mit Kleinlebensversicherungen Pate, das die Volksfürsorge anbot. Zugleich galt die Deutsche Leben den Gründern als »nationale Antwort« auf die kurz zuvor von Konsumgenossenschaften, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten ins Leben gerufene »rote« Volksfürsorge. Politischer Schirmherr der Deutsche Leben waren die christlich-nationalen Gewerkschaften. Im Sommer 1933 ging sie wie die Volksfürsorge und der Deutsche Ring in den Besitz der Arbeitsfront über. Bereits während der Krise war die Deutsche Leben in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vertieften sich 1933, als 34 Das firmenrechtliche Dach der Deutsche Leben Gemeinnützige (DLG) war die »Deutsche Volksversicherungs AG«, in der neben der Lebensversicherung noch weitere, kleine Versicherungsfirmen zusammengefasst waren. Ausführlich: Hans-Jörg ­Ehler, Die Verbandszusammenschlüsse in der privaten Lebensversicherung. Vom Verein Deutscher Lebensversicherungs-Gesellschaften bis zum Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen e.V. 1869-1996. Eine Chronik der Ereignisse und Entwicklungen, Karlsruhe 2003, S. 32 ff.; ders., Reichsverband, S. 27 ff.

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die kurze geschichte der »deutschen lebensversicherung«

mit der Auflösung der christlichen und der Hirsch-Dun­cker’schen Gewerkschaften der politische Rückhalt der Deutschen Lebensversicherung weggebrochen war. Weil zahlreiche Außendienstmitarbeiter abgesprungen waren, musste die Verkaufsorganisation kostspielig neu aufgebaut werden; dafür standen allerdings finanzielle Reserven nicht in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung.35 Verschärft wurde die Krisenlage durch den Ehrgeiz des neuen, 1933 von Ley eingesetzten Vorstandes. In ihrem Willen, mit der ungleich größeren Volksfürsorge und dem ebenfalls weit stärkeren Deutschen Ring gleichzuziehen, kaufte die Deutsche Lebensversicherung Anfang 1934 einen kleineren Konkurrenten auf, die »Deutsche Welt Lebensversicherungs AG«, die bis 1933 dem liberalen »Gewerkschaftsbund der Angestellten« gehört hatte und deren Bilanzsumme sich am 1. Januar 1934 auf gut 13 Mio. RM belief. Mit dieser Übernahme hatte sich das vormals katholische Unternehmen jedoch definitiv überhoben. Nominell war die Bilanzsumme zwar eindrucksvoll, die die Deutsche Lebensversicherung danach auswies, und auch den Versicherten wurde eine vergleichsweise ansehnliche Dividende ausgezahlt (Tabelle 2.1.). Damit wurde jedoch nur schlecht kaschiert, dass sich die Deutsche Leben im Unterschied vor allem zur effizient arbeitenden Volksfürsorge nicht wirklich rentierte. Trotz der Übernahme der Deutsche Welt Leben stagnierte der Gesamtbestand bei gut 650.000 Policen. Diese Zahl lag nur geringfügig über dem, was die Volksfürsorge in diesen Jahren an jährlichem Zuwachs verzeichnete. Im letzten Jahr ihrer Existenz lag der Gesamtbestand an Versicherungs-Policen der Deutsche Leben bei nicht einmal 17 % der Volksfürsorge. Im Unterschied wiederum zum Deutschen Ring, der als Versicherungskonzern des Deutsch­na­tionalen Handlungsgehilfen-Verbandes seit seiner Gründung konsequent keine Juden als Versicherte aufgenommen hatte, konnte die Deutsche Leben auch nicht auf – in nationalsozialistischer Perspektive – politische Meriten verweisen, die aus der Sicht der DAF-Führung ihre Weiterexistenz legitimiert hätten. Am 14. Dezember 1938 beschloss deshalb eine außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft die Liquidation des Unternehmens – um, so die offiziöse Begründung, »die Versicherungsgruppe der deutschen Arbeitsfront in ihrem organisatorischen Aufbau zu vereinfachen und durch stärkere Zusammenfassung der Kräfte zu einer Verbilligung der Betriebskosten im Lebensversicherungsgeschäft zu kommen«.36 35 Vgl. Böhle, Lebensversicherung, S. 60; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 63 f. 36 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 53. Der Vorstandsvorsitzende der DLG, Andreas Brass, bestritt dies allerdings. Er erklärte, »die Auflösung der Deutschen Lebensversicherung [sei] betriebswirtschaftlich nicht bedingt« gewesen, sondern eine »rein interne Angelegenheit der Deutschen Arbeitsfront«, also politisch motiviert gewesen. Erklärung von Brass vom 17. April 1939, in: BA Berlin (BDC) PKB 0039. Das ist nicht auszuschließen. Auffällig ist in der Tat, dass die Auflösung der DLG seitens der DAF in der Folgezeit lediglich knapp und lakonisch abgehandelt wurde. Vgl. Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF Leistungsbericht für 1939/40, vom Juli 1940, S. 4, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. Zweiter Direktor neben Brass war

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Der Versichertenbestand wurde zwischen der Deutscher Ring Lebensversicherung sowie der »Volksfürsorge Lebensversicherung« aufgeteilt.37 Die DR-Lebensversicherung bekam das größere Stück des Kuchens ab: Sie erhielt die Großlebensversicherungen der Deutsche Leben mit einer Summe von 290 Mio. RM. Die Volksfürsorge musste sich mit einem Bestand von 71 Mio. RM an Klein­ policen begnügen und im Zuge der Übernahme dieser Kleinlebensversicherungen zudem noch 400.000 RM für angebliche Unkosten an den Deutschen Ring zahlen. Dieser erstaunliche Vorgang, dass die größere und betriebswirtschaftlich stabilere Volksfürsorge nur vergleichsweise wenig vom Erbe der Deutschen Lebensversicherung erhielt, illustriert, dass ›Verteilungskämpfe‹ zwischen den beiden Versicherungsgruppen der DAF in erster Linie nach politischen Kriterien und weniger nach Wirtschaftskraft entschieden wurden, ein Faktum, dass auch in der Folgezeit wiederholt zu Ungunsten der Volksfürsorge ausschlagen sollte.

4.3. Die Volksfürsorge (bis 1938) Vorgeschichte Wie die Bank der Deutschen Arbeit war auch die Volksfürsorge ein traditionsreiches, Ende 1912 vor dem Hintergrund einer Kritik an den Geschäftspraktiken der kommerziellen Versicherungen gegründetes freigewerkschaftliches Unternehmen. Anlass der Gründung der Volksfürsorge waren gravierende Mängel der kommerziellen Versicherungen: Wenn Arbeitnehmer die monatlichen Prämienraten nicht mehr zahlen konnten – was angesichts prekärer Arbeitsverhältnisse und häufiger Erwerbslosigkeit leicht der Fall war  –, verfiel die Versicherung. Diesem Übel wollten die Gewerkschaften mit der Gründung der Volksfürsorge abhelfen. Der Markt für Kleinpolicen war groß, weil die finanzielle Lage der meisten Arbeiterhaushalte bei unvorhergesehenen Ausgaben schnell angespannt war: Alfred Fratzscher (1881-1971), als Jurist wie als Politikwissenschaftler promoviert. Ursprünglich Versicherungsrevisor im Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatversicherung, später Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium, war Fratzscher 1933 in die NSDAP eingetreten, 1936 jedoch wegen Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge ausgeschlossen worden. Nach seiner Entlassung als Direktor der DLG Anfang 1938 wurde er zunächst Vorstandsmitglied einer kleinen Privatversicherung, später dann Gutachter im Versicherungswesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Mitbegründer der FDP in Nordrhein-Westfalen und Stadtkämmerer sowie Ratsherr in Mönchengladbach. 37 Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 63. Brass wurde zunächst mit verbandspolitischen Positionen abgefunden, ehe er dann 1939 alle Ämter niederlegen musste (Anm. 4). Mit der Liquidation beauftragt wurde Hans Riese (1868-?), der von 1900 bis 1910 dem Berliner Beamten-Wohnungs-Verein vorgestanden hatte und bis zum Ersten Weltkrieg Direktor der Mecklenburg-Strelitzschen Hypotheken Bank sowie führend in verschiedenen Terrain-, Bau- und Realkreditgesellschaften gewesen war. Riese, der 1923 zunächst Vorstandsmitglied, 1924 dann Generaldirektor der Nordstern-Gesellschaft wurde, hatte dem Aufsichtsrat der DLG jahrzehntelang angehört.

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Hauptmotiv für den Abschluss einer Kleinlebensversicherung war ursprünglich oft die Absicht, im Todesfall ein Begräbnis in Würde finanzieren zu können und das verstorbene Familienmitglied nicht in einem Massengrab oder einem »Nasenquetscher«, einem billigen Sarg von lediglich 50 cm Höhe, verschwinden zu lassen. Angesichts dieser Motive verwundert es nicht, dass das Geschäft mit Kleinlebensversicherungen anfangs vor allem von »ideellen Kräften« (Ludwig Arps38) getragen wurden; neben der Volksfürsorge kamen die Träger dieser Versicherungsform überwiegend aus dem konfessionellen Lager.39 Ähnlich wie diese die Bindung ihrer Klientel an die beiden großen Kirchen und deren jeweilige Milieus zu stärken suchten, wollten auch die Gewerkschaften ihre Mitglieder durch den Abschluss günstiger Versicherungspolicen dauerhaft an sich binden und die hohe Mitgliederfluktuation der Arbeitnehmerverbände eindämmen. Obwohl die Volksfürsorge nicht, wie ursprünglich geplant, eine Unterstützungskasse ohne rechtsverbindliche Leistungszusagen war, sondern die Rechtsform einer Aktiengesellschaft erhielt, die Unternehmensleitung ziemlich selbständig agieren konn­te und außerdem Mitglieder aufgenommen wurden, die nicht der SPD bzw. den Gewerkschaften angehörten, blieb die Volksfürsorge bis 1933 fest dem sozialdemokratischen Milieu verhaftet. Ihre Kundschaft fand sie vor allem unter bes­serverdienenden Facharbeitern, die die monatlichen Prämien von (Anfang der dreißiger Jahre) mindestens zwei RM für Kleinpolicen, d. h. Lebensversicherungen mit einer Versicherungssumme von weniger als 2.000 RM, aufbringen konnten. Ihren Sitz nahm die Volksfürsorge – und ebenso die gewerkschaftlich-genossenschaftliche »Eigenhilfe Allgemeine Versicherungs AG«, die seit Anfang September 1933 dann als »Volksfürsorge Allgemeine Versicherungs AG« firmierte – in Hamburg, weil die Hansestadt das Zentrum der sozial­ demokratisch-gewerkschaftlichen Konsumvereinsbewegung war und sich dort auch die Hauptverwaltung der »Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Consumvereine« (GEG) sowie des »Zentralverbandes deutscher Konsumvereine« befand. Der Aufstieg der Volksfürsorge Lebensversicherung war stetig und wurde selbst durch den Ersten Weltkrieg sowie die Inflation kaum gebremst. Von gut 70.000 Verträgen 1913, dem ersten Jahr, in dem die Volksfürsorge aktiv wurde, stieg der Versicherungsbestand über gut 400.000 im Gründungsjahr der Weimarer Republik und knapp 1,5 Millionen 1928 auf fast 2,3 Millionen im Jahre 1931 (Tabelle 2.2.). In diesem Jahr wurden 24 % sämtlicher Volksversicherungen des Deutschen Reiches bei der Volksfürsorge abgeschlossen, die damit das größte Unternehmen auf dem Markt für Kleinlebensversicherungen war. Bemerkenswert ist, dass die Zahl der Versicherungen auf dem Tiefpunkt der Krise – von 1931 auf 1932 – nur um 6.000 zurückging. Bis 1933 vertrieb die Volksfürsorge ausschließlich Kleinpolicen. Die Gesamtsumme der Versicherungen lag 1932 38 Vgl. Arps, Unruhige Zeiten, S. 177 f. 39 Dazu zählten namentlich die Evangelische Versicherungszentrale e.V. , die Katholische Wohlfahrts- und Kulturpflege e.V. (ab 1930: Evangelische Vorsorge Gemeinnützige Versicherungs AG bzw. Katholische Volkshilfe Gemeinnützige Versicherungs AG) und ebenso die erwähnte, von den christlich-nationalen Gewerkschaften gegründete DLG.

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bei 690 Millionen RM. Erst im Dritten Reich bot die Volksfürsorge verstärkt auch sog. Großlebensversicherungen an (mit einer Versicherungssumme von 2.000 RM und mehr). Das Geschäft mit Kleinlebensversicherungen blieb bis zum Ende der Diktatur jedoch das Hauptgeschäftsfeld der Volksfürsorge. Zum organisatorischen Rückgrat der Volksfürsorge wurden die auf Honorarbasis tätigen »Vertrauensleute« der Volksfürsorge. Sie waren fest im sozialdemokratischen Milieu verankert und kassierten die monatlichen Beiträge. 1927 zählte die Volksfürsorge 8.000, im Jahr vor der NS-Machtergreifung 13.000 Vertrauensleute (Tabelle 2.5.). Wie legte die Volksfürsorge ihr bis 1933 angesammeltes Kapital an? Sie engagierte sich – entsprechend ihrem Selbstverständnis als einer der organisierten Arbeiterbewegung verpflichteten Non-Profit-Organisation – vor allem im Wohnungsbau. Fast 90 % des von den Versicherern akkumulierten Kapitals gingen als Hypotheken und Gemeindedarlehen in den Bau preiswerter Wohnungen (Tabelle 2.4.). Vergebliche Selbstgleichschaltung: die Volksfürsorge 1933 Nachdem Reichspräsident Paul v. Hindenburg das Präsidialkabinett Hitler berufen sowie durch die Reichstagsbrandverordnung Ende Februar 1933 faktisch die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt hatte, versuchten die Vorstände der Volksfürsorge, ihr in den sozialistischen Traditionen der SPD wurzelndes Selbstverständnis vergessen zu machen. Sie dienten sich dem Kabinett Hitler als vermeintlich unpolitisches Unternehmen an. Man habe, erklärte der Vorstand in einem Rundschreiben von Anfang März 1933 an die Vertrauensleute, »mit der Politik nichts gemein«; für jegliche »politischen Vorgänge haben wir wie alle Versicherungsgesellschaften nur insoweit ein Interesse, als wir recht bald und recht lange ruhige politische Zeiten herbeisehnen«; man wolle »unsere rein wirtschaftliche und soziale Tätigkeit unter jedem politischen System erfüllen«.40 Um guten Willen zu demonstrieren, stellte der Vorstand 1.500 RM für die Adolf-Hitler-Spende zur Verfügung. Die schwarz-rot-goldenen Farben verschwanden, stattdessen wehte eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge vor der Hamburger Hauptverwaltung. Das verfängliche Attribut »gewerkschaftlichgenos­senschaftlich« wurde aus dem Firmennamen getilgt. Mit dieser Politik glaubte der Vorstand auf der sicheren Seite zu sein. Ähnlich wie bei der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten lässt sich auch bei der gewerkschaftseigenen Volksfürsorge ein doppelter Anpassungs­ prozess feststellen: Der ADGB als der Besitzer dieser Versicherungsgesellschaft ging auf Distanz zur SPD. Die Führung der Volksfürsorge suchte sich ihrerseits von den freien Gewerkschaften als den Eigentümern abzukoppeln und deklarierte die Volksfürsorge als gesellschaftspolitisch neutral. Genützt hat den 40 »An unsere Vertrauensleute!« in: Volksfürsorge, Nr. 3 (März 1933), S. 17, nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 14 f. Das Folgende nach ebd., S. 15 ff.

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Gewerkschaften und ebenso den Unternehmen in ihrem Besitz dieser Opportunismus nichts. Sie blieben den Gewaltexzessen der NS-Be­we­gung und der räuberischen Gier der DAF nur umso hilfloser ausgeliefert. Mit den Gewerkschaftshäusern sowie den Filialen und Zahlstellen der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten besetzten SA und NSBO am 2. Mai 1933 auch die Hauptverwaltung sowie einen – kleineren – Teil der Rechnungsstellen der Volksfürsorge. Die drei geschäftsführenden Vorstandsmitglieder sowie der Prokurist der Volksfürsorge wurden für einige Tage in Schutzhaft genommen.41 Obwohl die Volksfürsorge danach nicht ganz ›kopflos‹ war, da der 1931 berufene Leiter der wichtigen Abteilung »Organisation« Hans Weißhaar bis Ende 1935 im Amt blieb,42 war die gewerkschaftliche Lebensversicherung nach der Entlassung ihrer Vorstände zum willenlosen Objekt der im Entstehen begriffenen DAF gemacht worden. Zum ›starken Mann‹ innerhalb der Volksfürsorge wurde in dieser Phase Rudolf Habedank, seit 1931 Landesobmann der NSBO und von 1934 bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes DAF-Gauwalter für die Hansestadt.43 Habedank war immerhin so klug, die Volksfürsorge nicht durch die Implementierung fachlich inkompetenter »Alter Kämpfer« in der Hamburger Zentrale zu ruinieren. Er brachte vielmehr einschlägig qualifizierte Versicherungsfachleute mit: Albert Franke war Zweiter Prokurist der »Vereinigte Lebensversicherungs AG für Handwerk, Handel und Gewerbe«/Hamburg (einer Vorläuferorganisation der heutigen »Iduna«) gewesen. Paul Oestrovsky war zwar bereits 1929 NSDAPMitglied geworden, brachte als Vorstands­sekretär und Organisationsreferent der Deutscher Ring-Lebensversicherung jedoch gleichfalls Berufserfahrungen mit.44 41 Die Vorstände Otto Streine (1873-1943), Max Wicklein (der dem Vorstand seit 1930 angehörte), Emil Thiele (1889-1960), der der Chefmathematiker der Volksfürsorge seit deren Gründung 1913 gewesen und 1932 in den Vorstand der Hamburger Volksfürsorge aufgenommen worden war, sowie der Prokurist Wilhelm Radloff wurden erst, nachdem sie Habedank am 5. Mai 1933 eine Vollmacht ausgestellt hatten und diesem damit auch nominell freie Hand im Umgang mit der Volksfürsorge ließen, wieder auf freien Fuß gesetzt. Formell entlassen wurden die Vorstandsmitglieder der gewerkschaftlichen Volksfürsorge im Juni 1933. Thiele emigrierte in die Tschechoslowakei und war an der Gründung der »Vorsorge« Allgemeine Versicherungs-AG in Prag beteiligt. Vgl. auch unten. 42 Weißhaar (1900-?) ging im Jan. 1936 zur Karlsruher Lebensversicherungsbank und stand dort bis 1945 der Abteilung Organisation vor. Im Sommer 1945 trat er als Prokurist wieder in die »Volksfürsorge« ein. Von 1947 bis 1966 amtierte er als ordentliches Vorstandsmitglied der »Volksfürsorge«. 43 Habedank (1893-?) leitete seit 1930 die Ortsgruppe der NSDAP in Hamburg-Eims­ büttel und war von 1931 bis 1933 Mitglied der Bürgerschaft. Seit 1933 war er Hamburger Staatsrat, außerdem Reichstagsabgeordneter. »Treuhänder« der Volksfürsorge blieb er bis 1939. 44 Franke (1905-?) übernahm 1933 die Stelle des Prokuristen in der Volksfürsorge. Er rückte 1938 in den Vorstand der Volksfürsorge. Nach 1945 blieb Franke als Vorstandsmitglied der »Vorsorge« ein Spitzenmanager der Versicherungswirtschaft. Oestrovsky (1904-?) war bis Mai 1933 Vorstandssekretär und Organisationsreferent der DR-Versicherungen

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Beide wurden im Frühsommer 1933 zu Prokuristen ernannt und trugen damit die eigentliche Verantwortung für die laufenden Geschäfte der Volksfürsorge. Erster Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor wurde – bis Sommer 1935 – der Jurist und »Alte Kämpfer« Sebastian Kratzer, der auch dem Vorstand der Arbeitsbank angehörte.45 Die größte Gefahr für eine Weiterexistenz der Volksfürsorge ging im Frühjahr und Frühsommer 1933 ausgerechnet vom Deutschen Ring aus, der gleichfalls in den Besitz der DAF übergehen sollte und seinen Hauptsitz ebenfalls in Hamburg hatte. Allerdings hatte sich die Versicherung des antisemitischen und ohnehin NS-nahen DHV der Arbeitsfront aus eigenem Antrieb angeschlossen. Die vor wie nach 1933 zentrale Figur im Deutschen Ring, der bereits vorgestellte Rudolf Kratochwill, spekulierte offenbar darauf, dass seine Versicherung die verhasste rote Konkurrenz würde schlucken können.46 Die Leitung des Deutschen Rings konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Die maßgeblichen DAFFunktionäre entschieden sich, die Volksfürsorge als Marktführer auf dem Sektor der Kleinlebensversicherungen und bis 1933 ja insgesamt sehr erfolgreiches Unternehmen grundsätzlich in der bisherigen Form weiterzuführen. Am 27. Juni 1933 wurde für die Volksfürsorge ein neuer Aufsichtsrat bestellt. Karl Müller als der zu diesem Zeitpunkt in wirtschaftspolitischen Dingen starke Mann innerhalb der Arbeitsfront wurde Vorsitzender dieses Gremiums, Mitglieder neben Ley und Schmeer außerdem der Leiter der NSBO Walter Schuhmann47 sowie der erwähnte Rudolf Habedank. »… zu empfindlich, um mit Gewalt Änderungen vornehmen zu können« – der behutsame Umgang mit der vormals sozialdemokratisch geprägten Belegschaft Wie in allen anderen Unternehmen der DAF ging auch der Vorstand der Volksfürsorge umgehend daran, alle als »Juden« oder »Halbjuden« klassifizierten Angestellten und ebenso zahlreiche Sozialdemokraten in der Hamburger Zentrale, die sich weiterhin als Oppositionelle zu erkennen gaben, zu entlassen und statt ihrer »Alte Kämpfer« einzustellen. Für ein erfolgreiches Weiterbestehen der Volksfürsorge waren freilich weniger die Zustände in der Hauptverwaltung gewesen. Prokurist der Volksfürsorge blieb er bis 1936, um dann in den Vorstand dieses DAF-Versicherungs­unternehmens zu wechseln, zunächst als stellvertretendes Mitglied, ab 1938 dann als ordentliches Mitglied. Auch die beiden anderen Mitglieder des (mit Kratzer) fünfköpfigen Vorstandes, Otto Scholze und Walther Käding (1902-?), hatten einschlägige Erfahrungen im Versicherungsgewerbe gesammelt. 45 Zu Kratzers Biographie vgl. Kapitel 2, S.  88. 46 Dies und das Folgende nach Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich (MA), S. 16-25; ders., Lebensversicherung, S. 52-57. 47 Schuhmann (1898-1956) war 1925 der NSDAP und SA beigetreten und seit 1930 Reichsobmann der NSBO. Anfang 1934 wurde er durch Ley entmachtet. Im März 1936 erhielt er das Amt des Treuhänders der Arbeit für Schlesien, 1941 für Niederschlesien; seit 1943 war er in führender Position beim Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ­tätig.

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als vielmehr der Umgang mit dem Außendienst zentral. Die nebenberuflichen Kassierer, die von Haustür zu Haustür gingen und die monatlichen Prämien sammelten, bildeten das entscheidende Bindeglied zwischen der Volksfürsorge und ihrer vornehmlich dem sozialdemokratischen Arbeitermilieu angehörenden Kundschaft. Diese Vertrauensleute stellten sich für das Hausinkasso der Volksfürsorge nicht allein deshalb zur Verfügung, weil sie dafür einen kleinen Anteil an den Prämien als Honorar erhielten. Hinter ihrem Engagement für die freigewerkschaftliche Versicherungsgesellschaft standen daneben oft politische Überzeugung und milieubedingte Verbundenheit. Diese Vertrauensleute waren die zentrale personelle Säule des Versicherungsunternehmens. Da sie ihre Tätigkeit nebenamtlich ausübten, konnte ihnen kaum mit Entlassung gedroht werden. Die neue, von der DAF eingesetzte Leitung der Volksfürsorge ging deshalb vergleichsweise behutsam mit den (nicht-jüdischen) Kassierern um, wohl wissend, dass der Außendienst »zu empfindlich [ist], als dass man mit Gewalt eine plötzliche Umänderung bezw. Umstellung des Personals vornehmen könnte«.48 Der Vorstand war sich bewusst, dass es den Verlust des größten Teils der Kundschaft und womöglich das Ende der Volksfürsorge bedeutet hätte, wenn er der Forderung einzelner SA- und NSBO-Funk­tionäre nachgegeben hätte, die sozialdemokratisch geprägten, im Außendienst tätigen Kassierer umfassend durch NSDAP-Parteimitglieder zu ersetzen. Innerhalb der Volksfürsorge konnten sich mithin Elemente der überkommenen Unternehmenskultur erhalten. Die ehemals sozialdemokratisch geprägte Versicherungsgesellschaft ist ein Beispiel dafür, dass sich selbst in herrschaftsnah privatisierten Unternehmen und aller verbalen Betonung des Führerprinzips zum Trotz ›Kultur‹ nicht auf »Mitarbeiterführung« reduzieren lässt, sondern diese selbst das jeweilige betriebliche Milieu (weiterhin) prägen konnten. Und auch der Vorstand selbst wurde nicht so radikal umgebaut, wie dies manchen SA- und NSBOFunktionären im Mai 1933 vorgeschwebt haben mag. Von erheblicher Bedeutung dafür, dass fast alle nebenamtlich tätigen Kassierer als Rückgrat der Gesellschaft gehalten werden konnten, war, dass der erwähnte, im Außendienst beliebte Leiter der Abteilung Organisation der Volksfürsorge Weißhaar bis Ende 1935 in seinem Amt blieb und unter dem Motto »Wir arbeiten mit!« die zu diesem Zeitpunkt etwa 13.000 nebenamtlichen Kassierer aufrief, ihre Stellung nicht aufzugeben. Darüber hinaus beschwor der neue Volksfürsorge-Vor­stand eine Corporate Identity, die ältere Elemente des Selbstverständnisses der Volksfürsorge aufnahm, diese jedoch völkisch wendete – nach dem Motto: »Die Volksfürsorge erhielt durch die Gleichschaltung zu der im Kern richtig verstandenen sozialen Grundlage nun auch die nationale.«49 Daneben durchsetzte die neue Führung des Versicherungsunternehmens die zuvor 48 Memorandum »betr. Personalabberufung, Neubesetzung von Rechnungsstellen etc.«, o.V., o.D. [Juli 1933], nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 25. 49 Oe[strovsky], Vom Sinn der Gleichschaltung der Volksfürsorge, in: Volksfürsorge, Nr. 4 (Juli 1933), S. 26, nach: ebd., S. 27.

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politisch und weltanschaulich ziemlich homogene Angestelltenschaft des Versicherungsunternehmens sukzessive durch die Neueinstellung langjähriger und ›kampferprobter‹ NSDAP-Mitglieder. Infolgedessen wuchs die hauptamtliche Belegschaft der Volksfürsorge in der Hauptverwaltung sowie in den Filialen zwischen 1932 und 1934 um ziemlich genau ein Drittel an (Tabelle 2.5.).50 Die Einstellung »Alter Kämpfer« spaltete die Belegschaft scharf. Nicht selten eskalierten die Gegensätze zu offenen Konflikten, manchmal sogar zu Schlägereien,51 zumal unter den neu Eingestellten offenbar nicht wenige waren, die sich durch gewalttätige Übergriffe gegenüber Funktionären der organisierten Arbeiter­bewegung hervorgetan hatten, »Landsknechtsgesellen«, die in SA-Uni­f orm und »Kanonenstiefeln« auftraten, darunter oft »notorische Säufer«.52 Obgleich zahlreiche sozialdemokratische geprägte Angestellte blieben, veränderte sich mit dem Ausbau des hauptamtlichen Personalapparats sukzessive die Unternehmenskultur. Der Tatbestand, dass die Volksfürsorge bereits im Januar 1936 mit 150 Mann die mitgliederstärkste DAF-Werkschar in ganz Norddeutschland besaß,53 mag 50 Bei den Zahlen in Tabelle 2.5. handelt es sich um ›Nettoangaben‹, die die Fluktuation nicht erfassen. Nach Böhle wurden allein 1933 insgesamt 398 neue hauptamtliche Arbeitskräfte eingestellt, d. h., dass 184 die Volksfürsorge im selben Jahr verließen oder – aus politischen sowie rassistischen Gründen – verlassen mussten. Die SoPaDe-Berichte führten die hohe Fluktuationsrate außerdem auf das Fehlen jeglicher Qualifikation bei den »Alten Kämpfern« zurück, so dass der Vorstand deshalb des öfteren zu fristlosen Entlassungen habe schreiten müssen. Auch Böhle spricht von einem anfangs »absoluten Vorrang der politischen vor der fachlichen Qualifikation«. Vgl. ebd., S. 40 f.; SoPaDe-Berichte, 1936, S. 235 f. Ein weiterer Grund für die anfänglich hohe Fluktuation war vermutlich die von den DAF-Versicherungen anscheinend pingelig befolgte Doppelverdiener-Kampagne. Vgl. (allgemein) Ehlers, Reichsverband, S. 103. 51 Nach einem SoPaDe-Bericht (1936, S. 235) zum Betriebsklima innerhalb der Volksfürsorge »arteten Diskussionen zwischen alten und neuen Angestellten oft in Schlägereien aus«. Vgl. außerdem die von Böhle (Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 46 f.) geführten Interviews. Noch am 29. Jan. 1937 behaupteten die Leiter des DAF-Schatzamtes und die drei Direktoren der DAF-Versi­che­rungsge­sellschaften während einer Besprechung über die Verhältnisse bei der Volksfürsorge Lebensversiche­rung, »dass bei der Volksfürsorge zwei Parteien bestehen, die sich sachlich und personell befehden«. In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. 52 So die Worte eines ehemaligen, sozialdemokratisch geprägten Mitarbeiters der Volksfürsorge nach 1945, nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich (MA), S. 41. Vgl. außerdem ebd., S. 27. 53 Die DAF-Werkscharen setzten sich aus der Minorität der engagierten Mitglieder der Arbeitsfront eines Betriebes zusammen und sollten dort den vom SA-Kampfgeist beseelten »Stoßtrupp« der Arbeitsfront bilden. Im Herbst 1936 gehörten im ganzen Reich 58.000 Männer diesen DAF-Werk­scha­ren an, also 0,42 % sämtlicher männlichen Mitglieder der Arbeitsfront. Die 150 Werkscharmitglieder bei der Volksfürsorge machten dagegen 11,2 % der gesamten hauptberuflich von der Volks­f ürsorge beschäftigten männlichen Arbeiter und Angestellten aus. Daneben besaß die Volksfürsorge ab 1938 eine 1942 schließlich gut fünfzig Mitglieder zählende Werkfrauengruppe (die – wie in diesen betrieblichen Subverbänden der DAF üblich – sich mit frauenspezifischen Tätigkeiten befaßte). Dies entsprach 2,5 % der hauptberuflich-weiblichen Belegschaft der Volksfürsorge 1942 und lag knapp über dem Organisationsgrad der weiblichen DAF-

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vor allem darauf zurückzuführen sein, dass sich in diesen »Stoßtrupps des Nationalsozialismus in den Betrieben« in erster Linie die neueingestellten »Alten Kämpfer« sammelten. Wenn der Anteil der NSDAP-Mitglieder 1934 unter den hauptamtlichen Mitarbeitern in dem Versicherungsunternehmen, der 1934 ›nur‹ bei 10,5 %, 1935 und 1936 dann bei 14,9 % bzw. 17,4 % gelegen hatte, bis 1939 auf 34,7 % kletterte54 und damit weit über dem allgemeinen NSDAP-Organisationsgrad in dieser Branche lag,55 dann lässt sich dies jedoch nicht allein auf Neueinstellungen oder einen ausschließlich äußerlichen »Anpassungsdruck« zurückführen. Auch ein wachsender Teil der ursprünglich gewerkschaftlich und sozialdemokratisch geprägten Angestellten in der Hauptverwaltung und den regionalen Filialen wird der NSDAP beigetreten sein. Förmlich gezwungen wurde zum Parteieintritt zwar niemand. Allem Anschein nach wich eine zunächst sicherlich zähneknirschende äußere Anpassung der sozialdemokratischen Stammbelegschaft aber unmerklich einer Integration in die NS-Gesellschaft – ohne dass dies ein Weiterbestehen informeller Netzwerke, in denen sich Sozialdemokraten und Gewerkschafter ihrer Treue zu alten Werten versicherten, ausschloss.56 Auch die auf der Basis von Provisionen tätigen Vertrauensleute wurden allein aufgrund der laufenden Erweiterung des nebenamtlichen Außendienstes in wachsendem Maße mit nationalsozialistischen ›Einsprengseln‹ durchsetzt, so dass die nebenamtlichen Kassierer der Volksfürsorge als bindendes Element innerhalb eines anfänglich noch starken sozialdemokratischen Milieus zunehmend ausfielen. Stabilisiert wurde der für die Volksfürsorge so wichtige Außendienst schließlich dadurch, dass die Provisionen für den Abschluss von Versicherungen erhöht wurden.57 Zugleich implementierte der Vorstand nach einem DAF-typischen Muster über ›Wettbewerbe‹ das Konkurrenzprinzip unter den Außendienstlern: Bereits in den ersten Jahren wurden Kampagnen unter militaristisch-mar­tia­

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Mitglieder in diesen Werkfrauengruppen im Reichsdurchschnitt (1,9 %). Angaben zur Volksfürsorge nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 76, 78, 91. Zu Funktion und Bedeutung der Werkscharen vgl. Frese, Betriebspolitik, S. 441-448; Smelser, Hitlers Mann, S. 204 f.; Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 197 f. In der SS und dem NSKK war 1939 gleichfalls ein sehr hoher Prozentsatz der Volksfürsorge-Belegschaft Mitglied (24,9 %). Vgl. Geschäftsberichte der Volksfürsorge für 1938 und 1939, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18 bzw. R 8120, Nr. 23; außerdem Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 48, 75; ders., Expansion, S. 183. Die Angaben für 1937 beziehen sich nur auf Männer. Lediglich die ohnehin lange vor 1933 antisemitische und semifaschistische Belegschaft des Deutschen Rings übertraf mit einem NSDAP-Organisationsgrad von 75 % den hohen Prozentsatz der Partei-Mitgliedschaft der Volksfürsorge. Vgl. Böhle, Lebensversicherung, S. 58; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 76. Eine größere Zahl ›überwinternder‹ Sozialdemokraten hielt offenbar weiterhin enge Kontakte aufrecht. Bis »in die Kriegszeit hinein« existierte außerdem »ein kleiner kommunistischer Zirkel«, dessen Mitglieder »offensichtlich nach 1934 den Kontakt mit den Leitungsstrukturen der KPD verloren hatten, aber sich gegenseitig unterstützten.« So Böhle, ebd., S. 100 (auf Basis von Interviews). Bis Ende 1934 wendete die Volksfürsorge etwa 300.000 RM mehr für Provisionen auf als im Vorjahr. Vgl. ebd., S. 35. Danach auch das Folgende.

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lischen Bezeichnungen wie »Stoßtrupp 33« oder »Sommerfeldzug 34« initiiert, die zum Ziel hatten, dass sich die Vertrauensleute im Anwerben von neuen Versicherungsnehmern gegenseitig überbieten sollten. Angesichts der bis 1935 noch anhaltend hohen Erwerbslosigkeit war es außerdem von Bedeutung, dass der Volksfürsorge-Vorstand im Februar 1934 beim Reichsarbeitsministerium durchsetzen konnte, dass die Provisionen der nebenamtlich tätigen Vertrauensleute als gemeinnützige Tätigkeit im Rahmen der DAF anerkannt wurden, so dass sie nicht mehr auf die Erwerbslosenunterstützung oder andere Unterstützungen der öffentlichen Hand angerechnet wurden. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wurde der hauptamtliche Apparat der Volksfürsorge weiter ausgebaut und bis 1939 mit sechs Generalinspektoren, 89 Organisationsleitern der größeren Geschäftsstellen sowie 250 Rechnungsführern zusätzliche Hierarchieebenen eingezogen. Der für die Werbung der Kundschaft zentrale nebenamtliche Außendienst wurde ergänzt durch ungefähr 300 »Zuschusswerber«, die zugleich als hauptberufliche Kundenbetreuer sowie Bezirksinspektoren tätig wurden und ihren Schwerpunkt auf den Verkauf von Großlebens-, Sach- und Industrieversicherungen legten.58 Entsprechend der Vorliebe der Arbeitsfront für Masseninszenierungen wurden die neben- wie hauptberuflichen Mitarbeiter der Volksfürsorge seit 1936 alljährlich durch aufwendige Reichstagungen auf ihre Tätigkeit eingestimmt.59 Wenn trotz der Durchsetzung des Außendienstes der Volksfürsorge mit »Alten Kämpfern« und trotz einer unverblümten Ausrichtung der Praxis dieser ehemals sozialdemokratischen Versicherungsgesellschaft auf die Ziele des Nationalsozialismus offenbar kaum nebenamtliche Kassierer kündigten, dann dürfte dies zunächst daran gelegen haben, dass jene auf diesen Zuverdienst angewiesen waren. Zwar erhielten sich viele der Alteingesessenen noch längere Zeit eine ostentative Distanz zum Regime und zur NS-Ideologie; so sprach der NSBOVorsitzende im Frühjahr 1934 von einer teils »feindlichen«, teils »abwartenden« Haltung der Mehrheit der Angestellten.60 Indes half das »in der Arbeiterbewegung verankerte Arbeitsethos« lediglich, wie Böhle resümiert hat, »die eigene Identität zu bewahren«. Für den neuen Vorstand zählte vor allem, dass dieses Arbeitsethos »die Kooperation der Stammbelegschaft mit der neuen NS-Führung ermöglichte«.61 Spätestens in den Vorkriegsjahren nahm diese die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse jedenfalls äußerlich hin und richtete sich, so gut es ging, im Privaten ein.

58 In enger Zusammenarbeit mit den örtlichen SD-Stellen wurde der hauptberufliche Außendienst zudem engmaschig überwacht. Ebd., S. 65 f. 59 Vgl. ebd., S. 65. 60 So der Sprecher der NSBO in der Volksfürsorge: Gentinne, Zum 1. Mai, in: Die Arbeit, Nr.3 (Mai 1934), S. 7, nach: ebd., S. 46. 61 Ebd., S. 47. Zu diesem Ethos »deutscher Qualitätsarbeit«, vgl. Alf Lüdtke, »Ehre der Arbeit«: Industriearbeiter und Macht der Symbole. Zur Reichweise symbolischer Orientierungen im Nationalsozialismus, in: ders., Eigen-Sinn, S. 283-350.

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Den weiterhin oft sozialdemokratisch geprägten Angehörigen des Außendienstes war es zu verdanken, dass die ehedem der Sozialdemokratie zuneigenden Versicherten dem Unternehmen auch unter ihrem neuen Besitzer treu blieben. Dass die jüdischen Angestell­ten der Volksfürsorge und ebenso die jüdischen Versicherten schäbig behandelt wur­den, scheint (wohl auch mangels Al­ternativen) kaum abgeschreckt zu haben. Gleich­zeitig gelang es dem Unternehmen infolge des raschen Abbaus der Massenerwerbslosigkeit und allmählich steigender Einkommen, innerhalb der Arbeitnehmerschaft in großem Maßstab zusätzliche Kunden zu gewinnen. Von 1932/33 bis 1937 verdoppelte sich die Zahl der Versicherten, bis 1939/40 verdreifachte sie sich (Tabelle 2.2.). In die ›besseren‹ Bevölkerungskreise stieß die Volksfürsorge dabei in den ersten Jahren der NSHerr­schaft freilich kaum vor. Die übergroße Mehrheit der Versicherungsnehmer blieben nach einer Erhebung Ende 1936 Industriearbeiter (71 %); der Rest verteilte sich auf Landwirte und Landarbeiter (8 %), Handwerker und sonstige ›Selbständige‹ (7 %), Angestellte, Beamte und Angehörige ›freier Berufe‹ (10 %) sowie Hausangestellte (4 %).62 Dies änderte sich ab dem letzten Vorkriegsjahr, als sich die Volksfürsorge Kundenpotentiale auch im alten ›Mittelstand‹ erschloss. Aggressive Werbung und ein zugkräftiger Markenname Der Aufschwung der Volksfürsorge war steil und stetig – und wurde auch durch ein größeres personelles Revirement an der Spitze des Unternehmens 1935/36, in dessen Gefolge Diedrich Pollmann den Vorstandsvorsitz erhielt,63 nicht gestört. Zwar besaß die DAF von Anbeginn maßgeblichen Einfluss auf die Volksfürsorge. Da die nominelle Aktienmehrheit der Volksfürsorge jedoch bei den Konsumgenossenschaften lag und diese bis zum Krieg, allen Restriktionen und aller Eingriffe von außen zum Trotz, relativ unabhängig waren, besaß der Vorstand der Volksfürsorge allein deshalb eine recht große Eigenständigkeit. Aber auch,

62 Nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 30 f. Vgl. außerdem ders., Lebensversicherung, S. 59. Zur Gewinnung neuer Kundschaft auch in den Mittelschichten vgl. unten. 63 Pollmann (1891-?) war von 1933 bis Okt. 1935 stellv. Vorstandsmitglied der Allianz-Versicherung gewesen. Er amtierte danach als Vorstandsvorsitzender und »Betriebsführer« der Volksfürsorge Lebensversicherung, seit Nov. 1936 mit dem Titel »Generaldirektor«. Gleichzeitig wurde Pollmann mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Nominell war er ab Febr. 1945 nur noch stellv. Aufsichtsratsvorsitzender des fusionierten DAFVersicherungskonzerns. Da die Verschmelzung zwischen Volksfürsorge und Deutschem Ring faktisch jedoch nicht zustande kam, blieb Pollmann de facto Vorstandsvorsitzender der Volksfürsorge. Sein Rücktritt im Febr. 1946 wurde durch die Alliierten erzwungen. Im Dez. desselben Jahres verbot ihm die britische Militärregierung, künftig eine führende Stellung in der Wirtschaft einzunehmen. Nach einer ›Anstandsfrist‹ wurde Pollmann in den fünfziger Jahren Vorstandsmitglied der »Frankfurter Versicherung«. Anfang der sechziger Jahre leitete er die »Münchner Hagelversicherung«.

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als die Arbeitsfront im Oktober 1935 die Aktien der Konsumgenossenschaften erwarb, änderte sich an den relativ großen Handlungsräumen substantiell nichts.64 Ähnlich wie die Arbeitsbank (und die Sparkassen generell) profitierte die Volksfürsorge sowohl von der Arbeitsmarktentwicklung als auch der Devisenentwicklung, die den Erwerb von Gütern des täglichen Bedarfs erschwerte  – und im Effekt die Sparquote bzw. die Bereitschaft, Kleinlebensversicherungen abzuschließen, erhöhte. Hinzu trat die Nähe zur DAF und damit die Möglichkeit, über deren Amtsträger in den Unternehmen direkt in den Betrieben neue Kunden zu akquirieren, sowie überhaupt ein zunehmend aggressives Auftreten bei der Anwerbung neuer Versicherungsnehmer. Konkurrenzunternehmen der Volksfürsorge beschwerten sich wiederholt, dass deren Außendienstler den Eindruck erweckten, sie kämen direkt von ›der Partei‹ oder seien unmittelbar im Auftrag der Arbeitsfront tätig. Vertreter anderer Versicherungsunternehmen wurden politisch mitunter massiv unter Druck gesetzt und in ihrer Arbeit behindert.65 Das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung sah diese Entwicklung mit großer Sorge, zumal sich beim Reichsnährstand und ebenso in der Deutschen Beamtenschaft Tendenzen abzeichneten, dem Vorbild der DAF nachzueifern und für die jeweilige Mitgliedschaft sogar korporativ bei bestimmten Gesellschaften Versicherungen abzuschließen.66 Das Reichsamt intervenierte schon bald bei der Leitung der Volksfürsorge. Diese mahnte daraufhin Ende 1933 bei ihren nebenamtlich tätigen Angestellten ein ›gemäßigtes‹ Auftreten an. Das allein reichte freilich nicht hin, um einen fairen Wettbewerb zu garantieren. Ende Februar 1934 wurde deshalb die – zu diesem Zeitpunkt politisch-organisatorisch noch schwache  – Arbeitsfront vom Reichsaufsichtsamt für Privatver­sicherung veranlasst, einem Wettbewerbsabkommen beizutreten, das der Volksfürsorge und ihren Mitarbeitern verbot, die Versicherungsgesellschaft als »Unternehmen der DAF« zu bezeichnen. Zudem wurde es den Mitgliedern der Arbeitsfront ausdrücklich freigestellt, bei welchem Unternehmen sie sich versichern lassen wollten. 64 Kratzer und Käding mussten sofort, Scholze im Laufe des folgenden Jahres ausscheiden (während Franke und Oestrovsky bis 1945 blieben). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den mit Abstand wichtigsten Zweig der Volksfürsorge, die Lebensversicherung. Die Zweige der Sachversicherung werden anschließend separat thematisiert. 65 In Einzelfällen wurde Agenten der Konkurrenz sogar mit der Einweisung in ein Konzentrationslager gedroht. Hierzu und zum Folgenden ausführlich: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 36 f.; ders., Lebensversicherung, S. 63 ff.; ferner Ehler, Reichsverband, S. 95. 66 So forderte der Reichsbauernführer und Reichsernährungsminister, Walter Darré, in seiner Funktion als Präsident des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften (Raiffeisen) e.V. die Mitglieder des Reichsnährstandes auf, alle ihre Versicherungen bei den Regeno-Raiffeisen-Versicherungsgesell­schaf­ten (ab 1934: Deutscher Bauerndienst-Gesellschaften) abzuschließen. Der Reichsführer der Deutschen Beamtenschaft Hermann Neef wiederum wollte alle Beamten bei der Deutschen Beamtenversicherung versichert wissen. Vgl. ebd., S. 98.

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Die aggressive Werbetätigkeit der Volksfürsorge-Agenten wurde auf diese Weise freilich nur kurzzeitig eingedämmt. Die Klagen konkurrierender Unternehmen darüber, dass politischer Druck ausgeübt würde, um ökonomische Vorteile zu erlangen, rissen nicht ab. Tatsächlich gingen die Bemühungen, den Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront mit politischen Mitteln Kunden zuzuführen, nach Kriegsbeginn nicht nur weiter, sie intensivierten sich sogar. Höchste Funktionsträger der DAF waren an dieser zunehmend unverhohleneren Instrumentalisierung von politischem Einfluss für wirtschaftliche Interessen maßgeblich beteiligt. So regte Heinrich Simon, dem in letzter Instanz die Aufsicht über die Unternehmen der Arbeitsfront oblag, am 25. Oktober 1939 gegenüber dem Aufsichts­rat der Volksfürsorge-Lebensversicherung an, »Landesausschüsse der Volksfürsorge in den einzelnen Gebietsteilen zu bilden und durch DAF-Organe – einschließlich Gauobmänner – zu besetzen, die den Auftrag haben, die Dienststellen und Mitarbeiter der DAF weitestgehend für die Organe der Volksfürsorge heranzuziehen«. Damit wäre die politische Organisation der Arbeitsfront sogar förmlich zur Außenorganisation der Volksfürsorge und womöglich weiterer DAF-Unternehmen geworden. Vermutlich wider Willen sah sich der Vorstandsvorsitzende der Volksfürsorge Pollmann gezwungen, Simon zu bremsen, da »eine Verwirklichung der Anregung mit Rücksicht auf die derzeitige Wettbewerbslage und die im Fluß befindliche Bereinigung des Gewerbes verfrüht sei«.67 Dagegen konnte es sich der Volksfürsorge-Vorstand 1940, als die DAF auf dem Zenit ihres politischen Einflusses innerhalb des NS-Herr­schafts­ systems stand, erlauben, sich über das Anfang 1934 geschlossene Wettbewerbs­ abkommen hinwegzusetzen: Seitdem führte das Unternehmen den Namen »Deutsche Arbeitsfront« auch offiziell in der Firmenbezeichnung und setzte diesen offensiv für die eigene Öffentlichkeitsarbeit ein. Wenn die Volksfürsorge bei der Akquirierung neuer Versicherungsnehmer weit überdurchschnittlich erfolgreich war, dann ist dies freilich keineswegs nur auf das aggressive Auftreten ihrer Außendienstler und die Nähe zur DAF oder auch darauf zurückzuführen, dass man mit besseren Konditionen der Konkurrenz Kunden abspenstig machte. Ein zugkräftiges Werbeargument war außerdem der etablierte Name des Unternehmens, der nun mit neuen, ›zeitgemäßen‹ Bedeutungen aufgeladen wurde. Das von der Versicherungsgesellschaft im Unternehmensnamen geführte Suffix »Volk« stand im Zentrum des nationalsozialistischen Sprachhaushalts. »Volksgemeinschaft« war ein zentrales NS-Ideologem, das in breiten Bevölkerungsschichten zunehmend positiv konnotiert wurde. In Verbindung mit einem auf die breite Bevölkerung abgestellten Produkt suggerierte das Suffix »Volk-« das, was man heute mit dem Terminus ›Massenkonsumgesellschaft‹ verbindet: Vormalige Luxusgüter wurden in Quantitäten und zu derart niedrigen Preisen hergestellt, dass sie auch vom einfachen »Volksgenossen« erworben werden 67 Niederschrift der Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversicherung vom 25.  Okt. 1939, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18.

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konnten. Die sprachliche Verkettung mit »Volk« und »Volksgemeinschaft« freilich machte gleichzeitig für alle erkennbar deutlich, dass dabei immer nur an den »deutsch-arischen« und »erbgesunden Volksgenossen« gedacht war. Entsprechende Markenbezeichnungen wurden ab 1933 in geradezu inflationärer Häufung kreiert. Sie reichten von der »Volksgasmaske«, dem »Volksempfänger« und »Volksfernseher«, der »Volksmarmelade« über das »Volksmotorrad«, die »Volksschreib-«, »Volkswasch-« und »Volksnähmaschine«, den »Volksstaubsauger«, den »Volksherd« und das »Volksklavier«68 bis hin zum »Volkswagen«. Der im Volksmund schon bald zum »Volkswagen« mutierte KdF-Wagen, den die Volkswagenwerk GmbH im Besitz der Arbeitsfront dem staunenden Publikum in Prototypen und auf Werbeplakaten vorstellte und der selbstverständlich in »Volksgaragen« unterzubringen war (die vom KdF-»Amt Schönheit der Arbeit« konzipiert wurden), war keineswegs das einzige Produkt, durch das sich die Arbeitsfront und ihr Konzern auch sprachlich als ›volksgemeinschaftlicher Dienstleiter‹ auswiesen. Zur Vielzahl an Volksprodukten, die einer völkischen Massenkonsumgesellschaft angeboten werden sollten, gehörten außerdem prominent der »Volkstraktor«, den Ley und die DAF in einem gleichfalls riesig dimensionierten Werk in der Nähe von Waldbröl herzustellen planten, sowie der »Volkskühlschrank«, für dessen Massenproduktion die Arbeitsfront ein Großunternehmen im Wiener Umland errichten wollte, und eben die »Volksversicherung«, die die »Volksfürsorge« anbot. Der zweite Teil des Firmennamens ›passte‹ aufgrund des paternalistischen Untertons, der in den Termini »Fürsorge« und »Fürsorglichkeit« mitschwingt, ebenfalls vorzüglich in die neue Zeit. Wichtig waren auch hier die veränderten Konnotationen, der Tatbestand nämlich, dass (wie es im Volks-Brockhaus von 1939 so knapp wie präzise heißt) durch »die nationalsozialistische Weltanschauung [der] ›Fürsorgegedanke‹ mit neuem Leben erfüllt« wurde: Fürsorglich »betreut« wurden nurmehr lediglich »die für das Volksganze wertvollen Volksgenossen«.69 Glücklicher als »Volksfürsorge« konnte ein Firmenname mithin kaum gewählt sein: Es war makaber, dass die von den freien Gewerkschaften und der sozial­demokratischen Bewegung geschöpfte und mit ganz anderen Absichten verbundene Bezeichnung »Volksfürsorge« die völkisch-rassistische Ideologie und ebenso den autoritär-paternalistischen Führungsanspruch des Regimes und der DAF als seiner Vorfeldorganisation wie kaum ein andere Name so ›auf den Begriff brachte‹. »Volks«-Nähe und Kundenfreundlichkeit sowie Konformität mit den pronatalistischen Zielen des Regimes demonstrierte die Volksfürsorge freilich auch praktisch. So erweiterte sie ab Mitte 1934 die Palette ihrer Angebote durch die Einführung einer »Familien-Zusatz­ver­si­cherung«. Daneben begann die DAFVersicherung ähnlich wie zuvor schon der Deutsche Ring sowie überhaupt die 68 Zu diesen und weiteren zahllosen »Volks«-Produkten vgl. ausführlich König, Volksprodukte. 69 Der Volks-Brockhaus, Leipzig 1939, S. 224.

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meisten Privatgesellschaften »Gemeinschaftsversicherungen« anzubieten, die ganze Belegschaften oder Organisationsabteilungen gegen materielle Unwägbarkeiten aller Art absicherten. Allein auf dem Sektor der Lebensversicherung suchte die Volksfürsorge  – und ebenso der Deutsche Ring – den Wunsch nach materieller Sicherheit auf immer komplexere Weise zu befriedigen. Man kann das zuspitzen: Die beiden DAF-Versicherungsgesellschaften antizipierten den Versicherungs-Hype, der spät­moderne Industriegesellschaften charakterisiert, nicht zuletzt die Bundesrepublik. In dieser Vorwegnahme des Versicherungs-Hypes der Spät- und Postmoderne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeig­ten sich Deutscher Ring und noch mehr die Volksfürsorge elastischer und erfolgreicher als die Konkurrenz – wie das überdurchschnittliche Wachstum von Umsätzen und Bilanzsummen ausweist. Eine offensive Imagepolitik Die nach der »Machtergreifung« eingesetzten Vorstände der Volksfürsorge beschieden sich nicht damit, darauf zu setzen, dass der »volksgemeinschaftliche Fürsorglichkeit« suggerierende Name der ›Firma‹ unter den veränderten politisch-ideologischen Konstellationen zum Selbstläufer wurde. Ebensowenig spekulierten sie darauf, dass ihre »volksnahen« Angebote von selbst neue Kunden ansprechen würden. Mit einer aggressiven Imagepolitik verankerte die Leitung des Unternehmens den Namen und das Unternehmen im breiten öffentlichen Bewusstsein in der Absicht, weitere Kundenpotentiale zu mobilisieren und die Spitzenstellung, die die Volksfürsorge im Bereich der Kleinlebensversicherungen bereits 1932/33 erreicht hatte, weiter auszubauen. Man bediente sich dabei – und in offensichtlicher Absprache mit den Presseund Propagandaämtern von DAF und KdF – überaus moderner Werbemethoden. Erst während des Dritten Reiches richtete das Unternehmen eine eigenständige Werbeabteilung ein. Die Ausgaben für Außendarstellung und Reklame wuchsen stetig; sie erhöhten sich von 276.000 RM im Jahr der NS-Machtübernahme auf 424.000 RM drei Jahre später.70 Neben Anzeigenkampagnen71 setzte die Versicherungsgesellschaft besonders auf Filmvorführungen. 1936 besaß sie mehr als hundert Filmvorführapparate und zwei komplette Tonfilmwagen.72 Ende 1937 zeigte die Volksfürsorge den ersten 3D-Film, der in Deutschland überhaupt zur Aufführung gelangte. 1940 präsentierte sie farbige Werbefilme. Bereits im ersten Geschäftsjahr unter nationalsozialistischer Führung führte sie 70 Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 38. Danach auch das Folgende. 71 Bereits im Aug. 1933 inserierte die Volksfürsorge gleichzeitig in etwa 200 Tages­ zeitungen. 72 Ob sie damit »nach der NSDAP die größte Filmorganisation Deutschlands besaß«, wie Böhle (Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 67) meint, sei dahingestellt – allein weil KdF mit ihrem ungleich größeren Organisationsapparat ebenfalls eine umfängliche und moderne Infrastruktur für Filmvorführungen aufbaute.

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knapp 4.000 Filmveranstaltungen durch, die von 643.000 Interessierten besucht wurden. Nach Kriegsbeginn setzte die Volksfürsorge ihre massiven Werbekampagnen auf hohem Niveau fort. Noch 1942 besuchten eine Viertelmil­lion Menschen die Filmveranstaltungen der Volksfürsorge, der einzigen reichsdeutschen Ver­ sicherungsgesellschaft, die sich aufwendige eigene Filmproduktionen überhaupt leistete; in den okkupierten Gebieten hätten die Filmvorführungen, so Böhle, »den Siegesparaden der deutschen Besatzer geglichen«.73 In diesem Jahr der Kriegswende – und damit extremer Verluste an den östlichen Fronten sowie sich intensivierender Bombenangriffe auf deutsche Städte – schwante dem Vorstand allerdings, was auf die Volksfürsorge an langfristigen Belastungen zukommen würde. Ab dem Frühjahr 1943 wurden Werbung und Kunden­ak­quise weitgehend eingestellt und Werbebroschüren aufgrund der Kontingentierung von Papier kaum mehr gedruckt.74 Unabhängig von den aufwendigen Werbekampagnen entwickelte die Volksfürsorge ab 1935 erste Elemente der Marktforschung, indem sie 500 der eigenen, im Außendienst tätigen Angestellten systematisch zu ihren Werbemethoden und -erfolgen befragte. Zudem veränderte die Volksfürsorge ihr Logo. Statt wie bis 1933 »mit dem Sargdeckel zu winken« (Böhle), machte sie den »Schrittmacher«, eine Spielzeugfigur aus dem Erzgebirge, zu ihrem Markenzeichen.75 Umsatz, Gewinnentwicklung und Kapitalanlagen bis 1939 Über das vormals sozialdemokratische Milieu – das dem Unternehmen offensichtlich treu blieb – hinaus begann die Volksfürsorge in den Vorkriegsjahren immer stärker in Kundenkreise zu expandieren, die dem gewerkschaftseigenen Unternehmen zuvor skeptisch gegenübergestanden hatten. Allerdings blieb die Arbeiterschaft weiterhin die Hauptkundschaft, auch aufgrund sehr konkreter Zugeständnisse. Unmittelbar nachdem der neue Vorstand im Mai 1933 sein Amt angetreten hatte, senkte er die monatliche Mindestprämie von zwei auf eine Reichsmark – und band damit die von Lohneinbußen während der Krise und auch in der Folgezeit gebeutelte Arbeiter-Kund­schaft weiterhin an das Unternehmen. Die niedrigen Effektivverdienste erlaubten den meisten Arbeitern und niederen Angestellten keine Erhöhung der Versicherungspolicen. Noch 1939 betrug die Durchschnittsprämie bei Neuzugängen im Bereich der Kleinlebensversicherungen lediglich 2,13 RM.76 Bereits zwischen 1933 und 1936 hatte die Volksfürsorge die Zahl der Versicherungsverträge knapp verdoppeln können. Ihre Prämieneinnahmen steigerte sie in diesen drei Jahren um fast 62 % (Tabel73 Vgl. ebd., S. 65-69, 83 f. Zitat: S. 83. 74 Ab Sommer 1944 musste aufgrund akuter Papierknappheit auch das bürokratische Procedere im Versicherungsfall, die Zahl und der Umfang der auszufüllenden Formulare, reduziert werden. Vgl. ebd., S. 95. 75 Vgl. ebd., S. 38. 76 Vgl. ebd., S. 58.

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len 2.2. und 2.3.), die gesamte Versicherungsbranche dagegen nur um 28 %.77 Vor allem in den beiden letzten Vorkriegsjahren beschleunigte sich dieser Trend noch einmal. 1939 hatte die Volksfürsorge die Summe ihrer jährlichen Prämieneinnahmen gegenüber 1933 fast verdreifacht. Gewiss prosperierten auch andere private Lebensversicherungsgesellschaften. Die Volksfürsorge lag mit ihrem Wachstum jedoch deutlich an der Spitze. Zwischen 1934 und 1939 stieg die von der Volksfürsorge ausgewiesene Versicherungssumme um drei- bis fünfmal so stark wie die ihrer wichtigsten Konkurrenten: Die »Victoria zu Berlin Allgemeine Versicherungs-AG« (Victoria) verzeichnete in diesen fünf Jahren eine Bestandssteigerung von 27,3 %, der Gerling-Konzern von 37 %, die »Karlsruher Lebenversicherungs-Bank« von 51,2 %, die »Allianz Lebensversicherungs AG« von 53,2 % und die »Deutsche Herold Volks- und Lebensversicherungs AG« um 55 %. Das Wachstum der Volksfürsorge lag dagegen bei 150,2 %. Lediglich die Lebensversicherung des Deutschen Rings konnte einigermaßen mithalten. Sie wies zwischen 1934 und 1939 eine Bestandssteigerung von 122,8 % aus.78 Ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn verwalteten die Ver­sicherungsgesellschaften der Arbeitsfront 10,2 % des Gesamtbestandes aller deutschen Lebensversicherungen in Höhe von etwa 29,5 Mrd. RM.79 Auf einen unbedingten Expansionskurs getrimmt, begnügte sich der Vorstand der Volksfürsorge nicht mit einem Wachstum ausschließlich aus eigener Kraft. Seit 1938 verhandelte sie mit dem Ziel der Übernahme mit einer Reihe kleiner Versicherungsgesellschaften, die ebenfalls auf dem Markt der Kleinlebensversicherungen aktiv waren. Im Oktober 1939 übernahm sie schließlich die Lübecker »Hansa Volksversicherung« mit 180.000 Versicherten und deren Bestand von 40 Mio. RM.80 Bereits 1938 hatte sie (wie geschildert) den Bestand an Kleinlebensversicherungen von der liquidierten, vormals christ-gewerk­ schaftlichen Deutschen Leben erhalten. Ebenfalls 1938 war die Volksfürsorge zur Mehrheitsaktionärin der »Gisela Lebens- und Aussteuerversicherungs AG/ Mün­chen« geworden.81 In den Besitz der Aktienmehrheit der Gisela war die Volksfürsorge dadurch gelangt, dass sie wenige Monate nach dem »Anschluss« Österreichs die Muttergesellschaft der Münchner Gisela erworben hatte, die Wiener »Allianz und Giselaverein AG« (Allgis), die sie dann in der Folgezeit zur auf dem österreichischen 77 Nach ebd., S. 29. 78 Nach: ebd., S. 57 f. Vgl. außerdem Feldman, Allianz, S. 345. 79 Nimmt man nur die privaten Lebensversicherungsgesellschaften und deren Gesamtversicherungssumme von 24,9 Mrd. RM, konzentrierten Volksfürsorge und Deutscher Ring plus angeschlossene Unternehmen sogar 12 % auf sich. Vgl. ZfW, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 16. 80 Vgl. Leistungsbericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF für 1939/40 (Anm. 36), sowie Niederschrift über Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversicherung vom 25. Okt 1939, in: ebd., Nr. 18. 81 Vgl. Niederschrift über Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversicherung vom 22. Juni und 25. Okt. 1939, in: ebd.

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Lebensversicherungs-Markt dominierenden Ostmärkischen Volksfürsorge ausbaute. Zunächst hielt die Volksfürsorge nur gut die Hälfte (52 %) der Aktien an der 1926 von der Wiener Allgis abgespaltenen und firmenrechtlich verselbständigten Münchner Gisela. 1941 erwarb sie die restlichen Aktien.82 Gegenüber der Muttergesellschaft blieb die Münchner Gisela selbständig. Blickt man auf die in den Geschäftsberichten präsentierten Zahlen, agierte das bayerische Unternehmen nach seinem Erwerb durch die DAF ähnlich erfolgreich wie die Hamburger oder auch die Ostmärkische Volksfürsorge: Die Zahl der bei der Münchner Gisela abgeschlossenen Versicherungen, die 1939 bei 68.000 gelegen hatte (und damit unter dem Niveau von 1935 mit 78.000 Versicherungen), stieg bis 1943 auf über 100.000. In ungefähr der gleichen Größenordnung  – um etwa zwei Drittel – erhöhte sich auch die Bestandssumme (Tabelle 2.6.). Mit der Übernahme der Münchner Gisela und vor allem der Wiener Allgis war die Versicherungsgruppe der Volksfürsorge nicht nur die größte Volksversicherungsgesellschaft im (Groß-)Deutschen Reich. Das war sie bereits während der freigewerkschaftlichen Ägide in der Weimarer Republik gewesen. Nun stand sie auch in ganz Europa bei den Kleinlebensversicherungen an der Spitze. Unter der Gesamtheit der reichsdeutschen Versicherungsunternehmen (inkl. der lukrativeren Großlebensversicherungen) belegte sie bei Kriegsbeginn nach der Allianz Lebensversicherungs-AG (232 Mio. RM Prämienaufkommen) mit 99,9 Mio. RM Prämienaufkommen unangefochten den zweiten Platz, vor der »Victoria« (66,4 Mio. RM), dem Gerling-Konzern (50,4 Mio. RM) und dem Deutschen Herold (46,9 Mio. RM). Der Gerling-Konzern und der Deutsche Herold hatten 1934 noch vor der Volksfürsorge gelegen. Die gleichfalls im Besitz der Arbeitsfront befindliche DR-Lebensversi­che­rung lag 1939 mit einem Prämienaufkommen von 45,7 Mio. RM unter den deutschen Lebensversicherungen auf einem beachtlichen sechsten Rang.83 In der Tat war der führenden Allianz, wie Gerald Feldman konstatiert hat, vor allem »aus den Reihen der der DAF nahestehenden Unternehmen eine ernst zu nehmende Konkurrenz er­wachsen«.84 Während die anderen Versicherungsunternehmen, auch der Deutsche Ring, das Hauptgeschäft mit Großlebensversicherungen machten, war die Volksfürsorge mit Kleinlebensversicherungen – »Volksversicherungen« – groß geworden. 82 Bis 1941 waren diese Aktien von der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft AG ­gehalten worden. Nach Böhle (Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 107) war deren Erwerb für das DAF-Unternehmen außerordentlich günstig. Zur Wiener Allgis vgl. unten. 83 Der DR-Lebensversicherung folgten die »Karlsruher« (41,6 Mio. RM), die Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft a.G. (37,9 Mio. RM), die Gothaer Lebensver­ sicherungsbank a.G. (37,2 Mio.), die Vorsorge Lebensversicherungs AG (33,3 Mio. RM) sowie die Berlinische Lebensversicherungs-Gesellschaft AG (32,8 Mio. RM Prämienaufkommen). Nach: Feldman, Allianz, S. 345. Nach Angaben Hans Strauchs lag das Prämienaufkommen der beiden DAF-Lebensversicherungsgesellschaften 1939 sogar noch um knapp 20 Mio. RM über den von Feldman genannten Zahlen. Vgl. AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 36). 84 Feldman, Allianz, S. 345.

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Seit 1933 bot die Volksfürsorge verstärkt allerdings auch Großlebensversicherungen (mit einer Versicherungssumme von 2.000 RM und mehr) an. Zwar blieben die »Kleinlebensversicherungen« mit minimalen Prämien und Versicherungssummen das Hauptgeschäft; der Anteil der Großlebensversicherungen an der Gesamtheit der abgeschlossenen Versicherungen betrug durchgängig eineinhalb Prozent. Hinsichtlich ihres finanziellen Volumens gewannen die Großlebensversicherungen in den ersten sechs Jahren der NS-Herr­schaft jedoch an Bedeutung: Der Anteil der Großlebensversicherungen am Gesamtbestand (Versicherungssumme) erhöhte sich von 6,8 % 1933 auf 20,1 % im Jahr des Kriegsbeginns und 23,2 % 1941.85 In den letzten Kriegsjahren lag er bei knapp 30 %.86 Bereits im Oktober 1939 konstatierte der Vorstandsvorsitzende der Volks­f ürsorge Pollmann vor diesem Hintergrund zufrieden, dass die Volksfürsorge-Lebens­versi­che­rung »keine reine Volksorganisation mehr [ist], sondern eine in unserer Branche seltene Vereinigung von kleinen und größeren Bringern des Neugeschäfts«.87 Der größte Konkurrent der DAF-Versi­che­rung, die Allianz, sah denn auch mit Sorge, dass die Volksfürsorge zunehmend in ihr Stammgeschäft mit Großver­ sicherungen einbrach, weil diese ihre Produkte zu günstigeren Prämien anbot.88 Auch die seit Sommer 1934 angebotenen »Familien-Zusatzversicherun­gen« fanden erhebliche Resonanz89 und waren gleichfalls mitverantwortlich für den überdurchschnittlichen Aufschwung der Volksfürsorge. Wie entwickelte sich die Rentabilität? Die Verwaltungskosten, zentraler Indikator für die Rentabilität des Unternehmens, lagen im Vergleich zu anderen Versicherungen aufgrund des kostengünstigen Außendienstes bei der Volksfürsorge traditionell niedrig. Wenn sie von 1933 auf 1934 deutlich, von 21,4 % auf 27 % anstiegen (Tabelle 2.5.), dann vor allem deshalb, weil sich das Unternehmen nach der Übernahme durch die DAF der Arbeitsbeschaffung »Alter Kämpfer« verschrieb und weit über das betriebswirtschaftlich notwendige Maß 85 Vgl. die entsprechenden Geschäftsberichte der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG; ferner Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 58. 1939 überstieg der Neuzugang an Großlebensversicherungen (Gesamtversicherungssumme) kurzzeitig sogar den der Klein­policen. Dies war zwar nur vorübergehend, weil Anfang 1939 die gesetzliche Rentenversicherung auf die selbständigen Handwerksmeister ausgeweitet wurde und diese sich von dieser Versicherungspflicht befreien konnten, indem sie eine Lebensversicherung abschlossen. Nicht wenige Handwerksmeister gingen aufgrund der niedrigen Prämien zur Volksfürsorge. Bereits bis Spätsommer 1938 verzeichnete die Volksfürsorge in dem »Handwerkergeschäft über 100 Millionen Reichsmark Zugang«. 86 Nach Böhle (ebd., S. 81) betrug der Anteil der Großlebensversicherungen am Gesamtaufkommen an Prämieneinnahmen Ende 1943 27,3 %. Nach dem von Pollmann für die Aufsichtsratsmitglieder erstellten Geschäftsbericht vom 9. Sept. 1943 hatte dieser Prozentsatz 1941 bei 20,3 % und 1942 bei 22,3 % gelegen. In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. 87 Bericht Pollmanns auf der Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversicherung vom 25. Okt 1939, nach: ebd. 88 Vgl. Feldman, Allianz, S. 346. 89 Bereits 1934 wurden mehr als 156.000 Familien-Zusatzversicherungen abgeschlossen, 1935 dann fast 235.000. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 30.

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hinaus neue Leute einstellte. Aufgrund der rasch wachsenden Zahl neu abgeschlossener Kleinlebensversicherungen  – und obwohl die Gehälter der hauptamtlichen Volksfürsorgeangestellten deutlich über dem Durchschnitt der Branche lagen90 – sanken die Verwaltungskosten in der Folgezeit allerdings wieder. Einen entsprechenden Verlauf nahm das Verhältnis der Kapitalerträge zur Jah­ resprämie (Tabelle 2.3.). Ebenso lagen die Abschlusskosten bei Neugeschäften vor allem aufgrund der nebenberuflich tätigen, agilen Vertrauensleute deutlich unter denen der Konkurrenz: Sie betrugen 1938 bei der Volksfürsorge 30,9 %, bei der Allianz dagegen satte 51 %.91 Nach internen Feststellungen der Allianz war dieser Vorsprung der Volksfürsorge keinesfalls nur auf die Nähe zur DAF zurückzuführen; offenbar hatte es die Volksfürsorge darüber hinaus verstanden, gegenüber den Anfangsjahren des Dritten Reiches trotz steigender Gehälter und Werbeprämien die Kosten generell deutlich zu senken.92 Wie wurden die angesammelten Kapitalien angelegt? Angesichts der Anbindung in die DAF überrascht wenig, dass die Volksfürsorge  – und ähnlich die DR-Versicherungen  – in ihrer Kapitalanlagepolitik den Zielsetzungen des Hitler-Regimes folgte (Tabelle 2.4.): Anfangs verwendete die Volksfürsorge wie viele andere Versicherungsgesellschaften auch ihre Bestände noch in größerem Umfang für Hypothekendarlehen. Sie vergab Hypotheken zu günstigen Konditionen für den Siedlungs- und Wohnungsbau, den die einschlägigen DAF-Unternehmen verantworteten, war auch bei »Prestigeprojekten« anderer Bauträger dabei und unterstützte nicht zuletzt die Wehrmacht mit Hypothekendarlehen, wenn diese als Bauträger auftrat.93 Bemerkenswert ist freilich, dass der Anteil der Hypotheken inkl. Gemeindedarlehen in v.H. des Gesamtbestandes aller Kapitalanlagen schon in den ersten Jahren der NS-Diktatur deutlich niedriger lag als 1930, also zu Zeiten, als die Volksfürsorge noch im Besitz der freien Gewerkschaften gewesen war: Von fast 90 % schrumpfte dieser Prozentsatz auf knapp 90 Vgl. Kapitel 9, S. 533 f. 91 Vgl. Feldman, Allianz, S. 345 f. Nach Feldman hatte die Volksfürsorge damit neben der Allianz auch die Victoria und die Gerling überholt. Während des Krieges entwickelten sich die Abschlusskosten nach dem Geschäftsbericht für 1942 wie folgt: 1939 38,9 %, 1940 34,5 %, 1941 34,3 % und 1942 30,3 %. 92 Vgl. Bericht des Allianz-Generaldirektors Schloeßmann vom 5. März 1940, nach: ebd., S. 346. Entscheidend war auch nach den Feststellungen Schloeßmanns der Außen­ dienst; die Verwaltung und der Innendienst waren dagegen bei der Volksfürsorge aufwendiger, da sie als eine Kleinlebensversicherung eine viel größere Zahl an Policen zu verwalten hatte als der Großlebens-Versi­cherer Allianz. 93 1936 lag das Volumen der an DAF und Wehrmacht zum Zwecke des Wohnungs- und Siedlungsbaues gewährten Hypotheken bei 30,6 Mio. RM; das waren knapp 20 % sämtlicher in diesem Jahr getätigten Vermögensanlagen der Volksfürsorge. Nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 33. Zur wahrscheinlichen Beteiligung der Volksfürsorge an der »Arisierung« von Immobilien vgl. ebd., S. 60. Zum Engagement der Volksfürsorge im Rahmen von »Prestigeprojekten« vgl. exemplarisch Bernhard Gotto, Nationalsozialistische Kommunalpolitik. Administrative Normalität und Systemstabilisierung durch die Augsburger Stadtverwaltung 1933-1945, München 2006, S. 250, Anm. 427.

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zwei Drittel 1933, um anschließend kontinuierlich weiter abzusinken. Dies bedeutete, dass schon früh vom jährlich zufließenden Kapital ein geringer und in den Folgejahren stetig sinkender Prozentsatz als Hypotheken, Siedlerdarlehen etc. vergeben wurde.94 Seit Ende 1938 zeichneten die Versicherungsunternehmen der DAF weit überwiegend Reichsanleihen, und zwar noch über dem Trend, der die Versicherungen neben den (öffentlich-rechtlichen) Sparkassen vor den Banken als zentrale »Kapitalsammelstellen« des Reiches auswies. Mit einem Anteil von gut 70 % an den jährlich neu getätigten Anlagen bis Herbst 1939 bewegte sich die Volksfürsorge – und ähnlich der Deutsche Ring – bei der Zeichnung von Reichsanleihen im Spitzenfeld der reichsdeutschen Versicherungsgesellschaften. Bei der Allianz betrug der Anteil der Staatsanleihen an der Gesamtheit aller Anlagen 1939 dagegen ›nur‹ 54,6 %.95 Zur Kapitalanlagepolitik bis 1938 gehörte schließlich wesentlich der Erwerb vormals gewerkschaftlicher Immobilien. Dies geschah nicht allein, um Hypotheken zu sichern. Dahinter stand außerdem politischer Druck der ArbeitsfrontFührung, die für das ehemalige Gewerkschaftseigentum nominelle Besitzer suchte. Mit dem Kauf ehemaliger Gewerkschaftshäuser akkumulierte die Volksfürsorge vor allem Verluste. Denn diese Immobilien waren meist von lokalen und regionalen Stellen der DAF und der NSDAP okkupiert, die oft nicht daran dachten, Mieten zu zahlen, oder mindestens auf deutliche Mietnachlässe drängten. Weil die Volksfürsorge als parteinahes Unternehmen hier wenig Druck entfalten konnte und um Interessenkollisionen mit den politischen Organen der DAF zu vermeiden, wollte die Volksfürsorge ihre Immobilien einer nominell eigenständigen Grundstücksgesellschaft übertragen. Dies wurde allerdings vom Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung abgelehnt.96 Die von der Volksfürsorge nicht ganz freiwillig praktizierte, auf die Ziele des Regimes und der Arbeitsfront abgestellte Kapitalanlagepolitik war alles in allem so wenig lukrativ, dass die Kapitaleinnahmen der Volksfürsorge (Zinsen aus der Anlage in Anleihen und anderen Wertpapie­ren etc.) trotz einer quantitativen Steigerung der Anlagen relativ und sogar absolut zu­rückgingen, wie das Reichs­aufsichtsamt für Privatversicherung im Herbst 1935 kritisch bemerkte.97

94 In Gemeindedarlehen und Krediten an sonstige öffentliche Körperschaften war das Unternehmen lediglich anfangs (begrenzt), spätestens seit 1936 dann kaum noch engagiert. Der vorübergehende Anstieg der »Schuldscheindarlehen« in den Jahren 1937 und 1938 ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die Volksfürsorge gemeinsam mit dem Deutschen Ring ein Darlehen von 30 Mio. RM für das Volkswagenwerk zeichnete. Zur Kapitalanlagepolitik des Deutschen Rings vgl. unten. 95 Vgl. Kopper, Bankenpolitik, S. 159; Feldman, Allianz, S. 195; Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 61. 96 Vgl. ausführlich ebd., S. 32 ff. 97 Vgl. ebd., S. 31.

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4.4. Die Volksfürsorge ab 1938/39 Umsatz, Gewinnentwicklung und Kapitalanlagen im »Altreich« ab 1939 Bereits bis 1939 war das Wachstum der deutschen Versicherungsunternehmen von einer ungehemmten Dynamik gekennzeichnet. Nach Kriegsbeginn änderte sich daran nichts. Im Gegenteil: Angesichts der kriegsbedingten Risiken für Leib und Leben sowie des Tatbestandes, dass die gesamte deutsche Lebensversicherungsbranche aus politischen Gründen das Kriegsrisiko in den Versicherungsverträgen »sehr großzügig regelte« (Böhle), boomte das Lebensversicherungsgewerbe wie nie zuvor. Hinzu kam, dass der kriegsbedingte Kaufkraftüberhang zunehmend auch Arbeitnehmerhaushalte einschloss; trotz relativ niedriger Netto­einkommen sammelten auch sie angesichts der Rationierung einer wachsenden Zahl von Gütern des alltäglichen Bedarfs Vermögen an, die gleichsam nach Anlage suchten. Sich mit diesen Geldern für den Versehrtenoder Todesfall abzusichern, lag auch deshalb auf der Hand, weil das Reichs­ aufsichtsamt für Privatversicherung bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn verfügte, dass aktive Kriegsteilnehmer und von Kriegshandlungen betroffene Zivilpersonen in den Versicherungsschutz bestehender Verträge ungeachtet anderer Formulierungen einzubeziehen seien. Der am 1. September 1939 eingeführte »Kriegszuschlag« war mit ein bis drei Prozent vergleichsweise moderat; er galt zudem nur für Versicherungen mit einer Summe über 500 RM. Die Prämien von Versicherten, die einberufen wurden und ihre Verträge vor dem 1. September 1939 abgeschlossen hatten, wurden zudem bis zu einer Höhe von 5 RM von den Sozialbehörden übernommen.98 All dies waren politisch motivierte Maßnahmen, dazu gedacht, die reichsdeutsche Bevölkerung ruhigzustellen. Abzusehen war, dass die Regelungen die reichsdeutschen Privatversicherungen ökonomisch in den Ruin treiben würden – sobald die Kette an »Blitzsiegen« einmal unterbrochen würde. Der Volksfürsorge-Vorstand kalkulierte indes nicht mit Niederlagen der Wehrmacht. Das Kriegsgeschehen veranlasste ihn bis 1943 jedenfalls nicht zu einer vorsichtigeren Praxis bei der Anwerbung neuer Kunden. Noch nach der verlorenen Schlacht um Moskau und dem Kriegseintritt der USA setzte die Volksfürsorge ihre (oben skizzierten) Werbekampagnen auf hohem Niveau fort. Den Außendienstlern wurde eine weiterhin offensive Kundenakquirierung ans Herz gelegt, nach dem im Dezember 1939 formulierten Motto: »Auch im Bunker wirbt der Volksfürsorge-Mann.«99 Infolgedessen konnten auch ausländische Beobachter eine »kräftige Weiterentwicklung des Geschäfts feststellen«.100 Darüber hinaus blieb Networking in die für Finanz- und Versicherungswirtschaft zuständigen Institutionen hinein, mit dem Ziel der Einverleibung kleine98 Vgl. ebd., S. 82, 85 f. 99 Die Arbeit, Nr. 12 (Dez. 1939), S. 7, nach: ebd., S. 83. 100 Kommentar der NZZ vom 9. Dez. 1943 zu den Abschlüssen der Volksfürsorge von 1942.

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rer Versicherungsunternehmen, ein wichtiges Element der Unternehmenspolitik. So waren führende Angestellte der Volksfürsorge im »Altreich« federführend an der Ausarbeitung von Plänen beteiligt, kleine Sterbekassen unter dem Vorwand, Kosten und Arbeitskräfte zu sparen, aufzulösen und deren Bestände in größere Versicherungsunternehmen überzuleiten. Das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung setzte die Volksfürsorge »als Auffanggesellschaft für Sterbekassen bevorzugt ein«.101 Zwar setzte sich der Aufschwung der Vorkriegsjahre für alle privaten Lebensversicherungsgesellschaften bis 1942/43 ungebrochen fort. Die Volksfürsorge partizipierte an dieser Hochkonjunktur jedoch erneut in überdurchschnittlichem Maße und wuchs noch stärker als vor dem Krieg in die Rolle »einer sehr starken Konkurrenz für die übrige alte deutsche Versicherung« hinein.102 Zwischen 1938 und 1943 verdoppelte sich ihr Bestand (Gesamtsumme an Versicherungen) noch einmal. 1943/44 erreichte die Zahl der bei der Volksfürsorge Versicherten mit mehr als sieben Millionen schließlich ihren höchsten Stand (Tabelle 2.2. und 2.3.). Innerhalb der Branche baute die DAF-Ver­sicherung ihre Spitzenstellung weiter aus; Anfang der vierziger Jahre konzentrierte die Volksfürsorge etwa 15 % aller Lebensversicherungsverträge auf sich.103 Indes war dieser Boom eine Scheinblüte: Wenn die Neuzugänge an Versicherten von 1940 bis 1942 mit jährlich deutlich über 800.000 (Tabelle 2.2) alle bisherigen ›Erfolge‹ weit in den Schatten stellten, dann erklärt sich dies aus dem wachsenden individuellen Kriegsrisiko. Vom Sinn eines kurzfristigen Abschlusses von günstigen Lebensversicherungen musste kaum jemand mehr überzeugt werden. Erst 1942/43 – angesichts der vernichtenden Niederlage der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad – begann sich der Vorstand der Volksfürsorge darauf einzustellen, dass das Wachstum des Unternehmens mit unkalkulierbaren Risiken erkauft war und zudem bei vielen Neuabschlüssen nach Kriegsende mit einem Storno zu rechnen war. Die Werbung neuer Kunden, die eingezogene Volksfürsorge-Männer in den ersten Kriegsjahren selbst in Schützengräben und Lazaretten betrieben hatten,104 wurde seit ›Stalingrad‹ infolgedessen systematisch gedrosselt. Der Außendienst sollte die »Bestandspflege« in den Vordergrund stellen.105 Die Zahl der Neuzugänge lag jedoch 1943 immer noch bei knapp 400.000. Bis Sommer 1944 schlossen noch einmal mehr als 100.000 Deutsche bei der Volksfürsorge eine Versicherung ab, obwohl diese die Annahme von Neuanträgen mit dem Hinweis auf fehlendes Personal abzuwimmeln versuchte. Gänzlich verweigern konnten sich die DAF-Versicherungen aller­dings nicht. 101 102 103 104 105

Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 81. Zitat: NZZ vom 11. Jan. 1940. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 81. Vgl. ders., Lebensversicherung, S. 67 f. Ein noch 1944 gedrehter Kurzfilm zielte nicht auf neue Kunden, sondern sollte den langjährig Versicherten ein Wegweiser sein, wo sie in den zunehmend zerstörten Städten und Regionen die Volksfürsorge erreichen konnten. Vgl. ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 85 f.

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Das Ansinnen, den Neuabschluss von Versicherungspolicen förmlich zu verbie­ ten, lehnte das 1943 in »Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen« umbenannte ehemalige Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung lange Zeit ab, um die Stimmung an der deut­schen Heimatfront nicht noch weiter zu verschlechtern. Erst ab Frühherbst 1944 erließ das Reichsamt eine Anordnung, die für Lebensversicherungen sowie ähnlich auch für Kranken- und Unfallversicherungen »jeden Neuabschluss von Versicherungsverträgen« verbot. Obgleich jeder Neuabschluss von Versicherungsverträgen seit 1939/40 un­ kalkulierbare Risiken barg, blieb die Volksfürsorge noch lange Zeit nach Kriegsbeginn ein ausgesprochen profitables Unternehmen. Dazu trug bei, dass die Stammbelegschaft kriegsbedingt ›ausgedünnt‹ werden muss­te und zudem die Arbeitszeiten ausgeweitet wurden. Am Jahresende 1938 und 1939 hatte die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter bei etwa 2.500 gelegen (Tabelle 2.5.). Infolge der umfänglichen Auslandsaktivitäten (auf die gleich ausführlicher eingegangen wird) wuchs die hauptamtlichen Belegschaft bis Ende 1940 auf fast 4.000 Köpfe, um dann in den Folgejahren aufgrund einer rasch wachsenden Zahl an Einberufungen dramatisch zu schrumpfen. Ende 1943 belief sich die Zahl der verblieben­en hauptamtlich von der Volksfürsorge Beschäftigten auf nicht einmal die Hälfte des Standes von 1940. Bis Herbst 1944 war sie auf ungefähr tausend Köpfe zu­rückge­gan­gen, in­klusive sämtlicher Zweig- und sonstigen Geschäftsstellen. Parallel dazu kam es ab 1937 zu einer ausgeprägten Feminisierung der Angestelltenschaft; in der zweiten Kriegshälfte stellten Frauen schließlich die überwiegende Mehrheit der insgesamt schrumpfenden hauptamtlichen Belegschaft. Weil die Belegschaftszahlen teilweise dramatisch zurückgingen und überdies an Stelle männlicher Mitarbeiter gering bezahlte Frauen eingestellt wurden, gleichzeitig die Zahl der Versicherten weiter stieg und die Prämieneinnahmen wuchsen, konnten die Verwaltungskosten gesenkt und die Rentabilität des Unternehmens erhöht werden. Allein der »Verwaltungskostengewinn« verdoppelte sich von 13,6 Mio. RM im ersten Kriegsjahr auf 24,6 Mio. RM im folgenden Jahr knapp. In den ersten Kriegsjahren konnte die Volksfürsorge zudem sogar einen »Sterblichkeitsgewinn« ausweisen; er lag 1940 bei 5,4 Mio. RM.106 In die roten Zahlen begann das Unternehmen zu geraten, als die Phase erfolgreicher Blitzkriege definitiv zu Ende ging, die Zahl der getöteten deutschen Soldaten in die Höhe schnellte – und nun immer mehr Lebensversicherungen fällig wurden. Obwohl die Versicherungsleistungen für Kriegs­sterbefälle 1942 bereits bei 25 Mio. RM lagen,107 konnte der Vorstand der Volksfürsorge in die106 Der »Sterblichkeitsgewinn« markiert die Differenz zwischen versicherungsmathematisch prognostizierter und realer Sterblichkeit (der Versicherten); der »Verwaltungskostengewinn« bezieht sich auf die Differenz zwischen den in die Prämieneinnahmen einberechneten Verwaltungsgebühren und den tatsächlichen Verwaltungskosten. Angaben nach: ebd., S. 87 f., 92. 107 1939 hatten die »Versicherungsleistungen für Kriegssterbefälle« bei 0,5 Mio. RM, im folgenden Jahr bei 2,5 Mio. RM, 1941 dann bereits bei 9,5 Mio. RM gelegen. 1943 be-

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sem Jahr noch mit einem ausgeglichenen Ergebnis aufwarten. 1943, als sich die Volksfürsorge in dem Ruhm sonnte, ein »Weltunternehmen« zu sein, »das heute die größte Versichertengemeinschaft Europas umfasst«,108 wies die DAF-Lebensversicherung ein letztes Mal einen kräftigen »Geschäftsüberschuss« aus.109 Im selben Jahr war freilich mehr als deutlich abzusehen, dass auf absehbare Zeit starke Verluste drohen würden. Da die Deckungsrücklagen angesichts der rasch wachsenden Sterblichkeit nicht mehr ausreichten, forderten alle Versicherungen von den Versicherten mit staatlichem Einverständnis »neben einem Kriegszuschlag in Höhe von 3 von Tausend für neuabzuschliessende Versicherungen noch zusätzlich die Erhebung einer Umlage für sämtliche bestehenden Versicherungen in Höhe von 6 von Tausend«.110 Die Probleme ließen sich dadurch jedoch nicht lösen. Im letzten Kriegsjahr erreichten die Verluste astronomische Höhen. 1944 fehlten der Volksfürsorge 73,5 % des ausgewiesenen Deckungskapitals (690 Mio. RM). Verloren waren vor allem die Reichs­anleihen in Höhe von 554 Mio. RM, die spätestens mit dem Ende des Krieges abgeschrieben werden mussten.111 Während des gesamten Zeitraumes von September 1939 bis Ende 1944 standen außerordentlichen Ausgaben in Höhe von knapp hundert Mio. RM lediglich Einnahmen von 11 Mio. RM aufgrund zusätzlicher Einnahmen aus Kriegszuschlägen sowie weitere 19 Mio. RM Einnahmen aufgrund einer außerordentlichen Umlage in Höhe von 6 Promille der Versicherungssumme, die alle Versicherten aufzubringen hatten, gegenüber. Die ungedeckten Verluste beliefen sich bei Kriegsende also auf etwa 70 Mio. RM.112

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liefen sie sich auf 25,7 Mio. RM, 1944 auf 36,4 Mio. RM. Zahlen nach den Geschäftsberichten der Volksfürsorge-Lebens­versicherung für 1939 bis 1943 bzw. den Niederschriften der Aufsichtsratssitzungen zwischen dem 22. Juni 1939 und dem 14.  Febr. 1945. So die stolze Selbstbeschreibung in: 30 Jahre Volksfürsorge, in: Kameradschaft [Hauszeitschrift], 3-5/1943, S. 4, nach: Böhle, Expansion, S. 181 bzw. ders., Lebensversicherung, S. 49. Der Geschäftsüberschuss – nicht identisch mit dem Reingewinn, den der Volksfürsorge-Vorstand wohlweislich für sich behielt – lag 1943 bei 23,3 Mio. RM, gegenüber 18,4 Mio. RM im Vorjahr. 1939 bis 1941 betrug der Geschäftsüberschuss jeweils 22,8 Mio. RM, 26,3 Mio. RM und 28,8 Mio. RM. Nach den Geschäftsberichten für 1941 bis 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33. Ohne konkret zu werden, erklärte Pollmann in seinem im Juni 1944 abgefassten vorläufigen Jahresbericht für 1943 (in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 17), dass man auch sonst alles versucht habe, »um die ›Geldunterbringer nur für den Krieg‹ und die ›Summenübersetzer mit spekulativem Hintergrund‹ abzuschütteln«. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 142. Nach: ebd., S. 87 f.; ders., Lebensversicherung, S. 68. Hinzu traten die Verluste durch zerstörte Immobilien. Bereits Anfang 1944 waren zwanzig der insgesamt 119 regionalen Geschäftsstellen der Volksfürsorge zerstört worden. Infolge der katastrophalen Angriffsserie auf Hamburg vom Juli und Aug. 1943 (»Operation Gomorrha«) wurde der »technische Betrieb« der Hauptverwaltung des Unternehmens »auf 5 Stützpunkte im Reich« verlagert. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 110).

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Bis Kriegsmitte hatte man geglaubt, den eingeschlagenen Kurs weiter verfolgen zu können – auch in der Kapitalanlagepolitik. Das seit 1939 eingesammelte Kapital legte die Volksfürsorge fast ausschließlich in staatlichen Wertpapieren an. Die staatlichen Vorgaben wurden damit übererfüllt. Infolgedessen ging der Anteil der Hypotheken an den gesamten Vermögensanlagen relativ und auch absolut weiter stark zurück. Last but not least ließen die niedrig verzinsten Reichsanleihen113 die Zinsgewinne der Volksfürsorge insgesamt deutlich schrumpfen (Tabelle 2.4.). Der »Anschluss« Österreichs und der Sudeten – ein Expansionsschub für die Volksfürsorge Oben war konstatiert worden, dass die Volksfürsorge auch zu expandieren versuchte, indem sie kleinere Unternehmen schluckte. Innerhalb des ›Altreichs‹ musste das DAF-Unterneh­men seinen Appetit zügeln. In den seit 1938 angegliederten Gebieten war das anders. Der »Anschluss« Österreichs ließ ähnlich wie bei zahllosen reichsdeutschen Unternehmen auch bei der Volksfürsorge Wachstumsgelüste wach werden. Die Chancen auf Expansion schienen noch rosiger als im Deutschen Reich, da das Volksversicherungsgeschäft  – der Abschluss von Kleinlebensversicherungen  – in Österreich im Vergleich zu Deutschland unterentwickelt war. Bereits 1936 hatte die Volksfürsorge versucht, in Österreich Fuß zu fassen. Dies war jedoch misslungen, da das Schuschnigg-Regime hinter diesen Bemühungen der Volksfürsorge den Versuch witterte, dadurch die Infrastruktur für den Aufbau eines illegalen NSDAP-Netzes zu schaffen.114 Nach der Einverleibung Österreichs war der Weg frei für Expansion und Neuerwerbungen. Die zunächst akquirierte Österreichische Versicherungs­ gesellschaft (ÖVAG) gab die Volksfürsorge aufgrund des politischen Drucks der DAF-Führung noch im Sommer 1938 an das zweite große DAF-Versicherungsunternehmen, die Deutscher Ring Versicherungen, weiter.115 Zum Kern der österreichischen Volksfürsorge wurde stattdessen die »Allianz und Giselavereins Versicherungs AG (Allgis)«, deren Aktien die Volksfürsorge Ende 1938 von einer italienischen Versicherung, der »Assicurationi Generali«, sowie von der »Star113 Namentlich für den starken Rückgang von 1942 auf 1943 waren die staatlicherseits veranlassten Zinssenkungen der Schuldverschreibungen des Versicherungsfonds verantwortlich, bei dem die Volksfürsorge – und ebenso der Deutsche Ring – ab 1939 den Hauptteil ihrer Kapitalanlagen untergebracht hatte. 114 Dieser Verdacht war offenbar nicht unbegründet: Führende Vertreter der NSDAP hatten der Volksfürsorge vorgeschlagen, aus Mitgliedern der Partei und NS-nahen Organisationen ein Mitarbeiternetz aufzubauen. Hierzu und zum Folgenden vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 101-104; ders., Expansion, S. 184 f. 115 Vgl. zu diesem Vorgang BA Berlin, NS 5 III, Nr. 24. Für die definitive Übergabe dann an den Deutschen Ring – und nicht an die Volksfürsorge – war die oben beschriebene politisch motivierte Privilegierung der DHV-nahen DR-Versicherungen gegenüber der ursprünglich sozialdemokratischen Volksfürsorge maßgeblich.

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Versi­che­rung«116 erwarb. Sie wurde am 4. Oktober 1938 offiziell in »Ostmärkische Volksfürsorge« umbenannt. Das war keine bloße Umetikettierung. Nicht nur der Vorstand, auch die führenden Positionen im Außendienst wurden mit vormaligen Angestellten aus der reichsdeutschen Volksfürsorge besetzt. Darüber hinaus kamen bei Umbau und Neustrukturierung der Ostmark-Volksfürsorge die antisemitischen Grundströmungen des DAF-Unternehmens massiv zum ­Tragen.117 Wie sehr die Ostmärkische Volksfürsorge expandierte, lässt sich Tabelle 2.7. entnehmen: Die Zahl der Versicherungspolicen wuchs von 1939 bis 1943 von knapp 141.000 auf fast 230.000, d. h. um mehr als 60 %. Verantwortlich dafür war in erster Linie der nebenberufliche Vertrauensleutestamm, den die österreichische Volksfürsorge nach dem Vorbild des Hamburger Mutterunternehmens vermutlich aus dem Korpus der österreichischen DAF-Funktionäre rekrutierte; die Allgis hatte diesen Typus nebenamtlicher Werber und Kassierer nicht besessen. Die Zahl dieser Vertrauensleute verdoppelte sich zwischen 1939 und 1942 von gut fünfhundert auf mehr als 1.100 Personen. Ihnen gelang offenbar auch der Abschluss durchschnittlich höherer Versicherungspolicen. Jedenfalls verdoppelte sich die Bestandssumme von 1939 bis 1943 sogar fast und lag 1943 bei schließlich 124 Mio. RM.118 Dies gelang, obwohl sich die hauptberufliche Belegschaft der österreichischen Tochtergesellschaft der DAF-Versicherung von zunächst 184 im Jahr des Kriegsbeginns auf 113 drei Jahre später und schließlich 85 (ohne Lehrlinge) 1943, also um deutlich mehr als die Hälfte verminderte.119 116 Die »Star« war die tschechoslowakische Auffanggesellschaft der 1936 zusammen­ gebrochenen Phönix und im Besitz der Zentralbank Deutscher Sparkassen Prag. Sie besaß 50,05 %, die Assicurazioni Generali 44,28 % der Anteile der Allgis. Die übrigen Aktien verteilten sich auf die österreichischen Bundesländer (2,57 %), die Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft (1,55 %) sowie weitere (1,75 %). Vgl. Dieter Stiefel, Die österreichische Lebensversicherung und die NS-Zeit. Wirtschaftliche Entwicklung. Politischer Einfluß. Jüdische Polizzen, Wien/Köln/Weimar 2001, S. 78, 85. 117 So wurden die Pensionsreserven für die entlassenen jüdischen Vorstandsmitglieder in einen »Grundstock für eine Altersversorgung der jetzt noch aktiven [nicht-jüdischen] Gefolgschaftsmitglieder« umgewidmet, eine scheinbar generöse betriebliche Sozialpolitik also mit antisemitischen Grundsätzen verschmolzen. Zitat: Bericht der Ostmärkischen Volksfürsorge für das Geschäftsjahr 1937, in: BA Berlin, NS III, Nr. 19. Hierzu sowie zur rigorosen Entlassung jüdischer Vorstandsmitglieder vgl. auch Stiefel, Österreichische Versicherungen, S. 83 f. 118 Entsprechend wuchs das von der Ostmärkischen Volksfürsorge verwaltete  – und überwiegend in Staatspapieren – angelegte Vermögen von 23 Mio. RM (1939) über 24,6 Mio. RM (1940) und 34,1 Mio. RM auf 37,1 Mio. RM 1943. Vgl. den vorläufigen Jahresbericht Pollmanns für 1943 – Versicherungsgruppe Volksfürsorge, vom Juni 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 17. Daraus auch die folgenden Zahlen. 119 Böhle (Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 104) betont allerdings, dass die Erwartungen des Hamburger Vorstandes dennoch enttäuscht worden seien, weil die Entwicklung der österreichischen Volksfürsorge relativ hinter der im Altreich zurückgeblieben sei: Während in Österreich in den ersten drei Kriegsjahren jährlich 0,3 bis 0,4 % der Bevölkerung als Versicherte neu aufgenommen wurden, waren dies im »Altreich« etwa 1,1 bis 1,2 %.

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die versicherungsgruppe

Von untergeordneter Bedeutung für den Versichertenzuwachs in der angeschlossenen »Ostmark« war die zwangsweise Auflösung traditioneller Unterstützungseinrichtungen, die als »67er Vereine« firmierten.120 Die von diesen 67er Vereinen genossenschaftlich verwalteten Sterbekassen bildeten nicht wie die privaten Versicherungsgesellschaften, einschließlich der Volksfürsorge und Deutscher Ring-Versiche­run­gen, Kapitalrückstellungen, um Versicherungen im Todesfall etc. auszahlen zu können, sondern funktionierten über eine Art Generationenvertrag; die aktuellen Mitglieder dieser Vereine kamen für die Versicherungsleistungen an die älteren Kollegen auf. Infolgedessen konnten die 67er Vereine, die in allen ehemaligen Teilgebieten der Habsburgermonarchie bestanden, leicht zusammenbrechen, sobald ein angemessener Mitgliedernachwuchs ausblieb. Im Rahmen der Zerschlagung der insgesamt 1.400 Sterbekassen der österreichischen 67er Vereine sowie noch älterer »Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit« mit knapp 1,7 Mio. Mitgliedern bildete sich ein Übernahmekonsortium aus sieben privaten Versicherungsgesellschaften, an dem neben der Allianz und dem Deutschen Ring auch die Ostmärkische Volksfürsorge beteiligt war.121 Dieses Übernahmekonsortium bot den Mitgliedern der 67er Vereine zu einheitlichen und von einem Beauftragten des »Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich« kontrollierten, relativ günstigen Bedingungen Versicherungspolicen (»Überleitungstarife«) an. Bemerkenswert ist die Beteiligung der DAF-Versicherungsgesellschaften an dieser ›Bereinigung‹ der österreichischen Versicherungslandschaft weniger wegen des Zuwachses an Versicherten, der bei der Ostmärkischen Volksfürsorge nicht sonderlich ins Gewicht fiel.122 Aufschlussreich ist vor allem, dass sich die Arbeitsfront-Unternehmen auf diesem Feld in ähnlicher Weise exponiert engagierten, wie sie dies bereits bei den im Mai 1933 den Gewerkschaften geraubten Konsum-, Bauproduktiv- und Wohnungsgenossenschaften getan hatten: Sie beteiligten sich an vorderster Front an der Zerschlagung der genossenschaftlichen Strukturen von Organisationen, die auf der Grundlage des Selbsthilfe- und Solidaritätsprinzips gegründet worden waren  – und trugen damit maßgeblich dazu bei, dass auch in Österreich das 120 Ihren Namen hatten die 67er Vereine erhalten, weil sie seit 1867 im Kontext der Neuordnung des Habsburger-Imperiums zur K.u.K.-Monarchie zahlreich als Selbsthilfeeinrichtungen des Handwerks und der frühen Arbeiterbewegung entstanden waren. Zu ihrer Genesis, Bedeutung sowie Struktur bis 1937/38 vgl. (am österreichischen Beispiel) ­Peter Ulrich Lehner, Österreichs Versicherungswirtschaft, in: Versicherungsgeschichte Österreichs, Bd. 3, S. 675-702, hier: S. 683-690. 121 Weitere Mitglieder dieses Konsortiums waren »Der Anker«, die »Donau-Concordia Allgemeine Versicherungs AG«, die Ostmark-Versicherungs-AG sowie die Wiener Städtische Versicherung. Vgl. Stiefel, Österreichische Lebensversicherungen, S. 45 f. 122 Die Volksfürsorge übernahm von den 67er Vereinen 4.359 Policen im Wert von einer knappen Mio. RM – und damit erheblich weniger als die ÖVAG, d. h. die DR-Lebensversicherung, sowie die anderen am Übernahmekonsortium beteiligten Gesellschaften erhielten. Vgl. Lehner, Österreichs Versicherungswirtschaft, S. 688.

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konventionell-privatkapitalistisch organisierte Versicherungsgewerbe danach keiner genossenschaftlichen Konkurrenz mehr ausgesetzt war. Trotz des aus der Perspektive der Volksfürsorge-Akteure eher enttäuschend langsamen Wachstums konnte die Ostmärkische Volksfürsorge/Allgis ihren Gesamtbestand (Versicherungssumme) bis 1943 – dem Jahr, in dem die österreichische Volksfürsorge mit der Hamburger Muttergesellschaft verschmolzen wurde – mit 124 Mio. RM gegenüber 1939 (63 Mio. RM) verdoppeln. Wesentlich verantwortlich für diese nominell dann doch beeindruckende Steigerung war die Übernahme des gesamten Bestandes an Kleinlebensversicherungen in Höhe von 14 Mio. RM Ende 1941, den die »Donau-Concordia Allgemeine Versicherungs AG« sowie der »Der Anker. Allgemeine Versicherungsgesellschaft AG/Wien« besessen hatten. Damit schluckte die österreichische Volksfürsorge die einzig relevanten – kleineren – Konkurrenten im Segment der Kleinversicherungen und konnte ihren Versicherungsbestand vor allem in der ersten Kriegshälfte beträchtlich erhöhen (Tabelle 2.7). In ihrer Kapitalanlagepolitik verfolgte die Ostmärkische Volksfürsorge denselben Kurs, den die Muttergesellschaft in Hamburg seit 1936/37 eingeschlagen hatte. Die seit 1938 einfließenden Gelder wurden fast ausschließlich in Reichsanleihen angelegt. Wie die Hamburger Volksfürsorge (und andere Versicherungen) geriet auch der »ostmärkische« Ableger aufgrund der hohen Kriegssterblichkeit ab 1943 tief in die Verlustzone. 1944 war das Unternehmen faktisch bankrott. Ähnlich wie in Österreich begann die Volksfürsorge auch in das Sudetenland zu expandieren, nachdem dieses tschechoslowakische Gebiet im Herbst 1938 in das Deutsche Reich einverleibt worden war.123 Im Frühjahr 1939 übergab der »Stillhaltekommissar für den Sudetengau« der Volksfürsorge die Aktien der »Vorsorge Allgemeine Versicherungs AG« (Vorsorge). Diese Lebensversicherungsgesellschaft war erst 1935 ins Leben gerufen worden und eine ›verspätete‹ gewerkschaftlich-genossenschaftliche Einrichtung gewesen. Entstanden war sie auf Initiative des oben vorgestellten ehemaligen Vorstandsmitgliedes der Volksfürsorge Emil Thiele, der 1933  – und erneut 1938/39  – hatte emigrieren müssen.124 Anfang 1939 trat die DAF auch dieses genossenschaftliche Erbe an. Allerdings war die Vor­sorge aufgrund des Phönix-Skandals125 und der ›pro-deut123 Zum Folgenden vgl. Böhle, Expansion, S. 195-200; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 111-117; ferner Andreas Reich, Von der Arbeiterselbsthilfe zur Verbraucherorganisation. Die deutschen Konsumgenossenschaften in der Tschechoslowakei 19181938, München 2004, S. 574 f. 124 Nach 1945 wurde Thiele von den britischen Militärbehörden wieder als Leiter der Volksfürsorge eingesetzt. Von 1947 bis zu seiner Pensionierung 1956 war er ihr Vorstandsvorsitzender. Zu seiner Biographie vgl. auch Anm. 41. 125 Die 1882/89 gegründete »Österreichische Phönix Leben« als eine der europaweit führenden Lebensversicherungsgesellschaften war Anfang 1936 aufgrund von Spekulationsgeschäften und horrenden Defiziten von mehreren Mio. RM zusammengebrochen. Der vor allem in Südosteuropa angerichtete Schaden wurde durch Leistungskürzungen und Umlagen anderer Versicherungsgesellschaften aufgefangen, die Versichertenverträge zu neuen Konditionen von anderen Versicherungsunternehmen

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schen‹, d. h. pro-national­sozialistischen Haltung der meisten Sudetendeutschen seit 1935 kaum aus den Startlöchern herausgekommen. Bis Ende 1938 hatte sie gerade 7.000 Versicherungen abgeschlossen. Diese Verträge wurden im Frühjahr 1939 der Volksfürsorge übergeben.126 Dennoch war die Übernahme der »Vorsorge« für die Volksfürsorge höchst attraktiv. Auf diese Weise erhielt die Hamburger Volksfürsorge umgehend eine Konzession für das Sudetenland sowie das »Protektorat Böhmen und Mähren« und den slowakischen Satellitenstaat. Da die meisten anderen reichsdeutschen Versicherungsgesellschaften erst seit Anfang 1940 die Zulassung für den »Sudetengau« erhielten, besaß die im September 1939 mit einem weiteren von der DAF übernommenen Unternehmen, der »Versicherungsschutz GmbH«, zur »Vorsorge« fusionierte und in »Sudetendeutsche Volksfürsorge« umgetaufte Gesellschaft im Sudetengebiet eine zeitweilig monopolartige Position, die sie zügig zu nutzen verstand. Die Sudetendeutsche Volksfürsorge, die faktisch eine Vertriebsorganisation des Hamburger Mutterkonzerns war, behauptete, dass der Wunsch der Sudetendeutschen nach Kleinlebensversicherungen so stark sei, dass diese sich »in Massen an die Volksfürsorge als nationalsozialistisches Versicherungsunternehmen wenden.« Die reichsdeutsche Volksfürsorge könne, »gerade vom parteimäßigen Standpunkt aus, die betreffenden Volksgenossen unmöglich sitzenlassen«. Man müsse sich »unter Hintanstellung aller bürokratischen und vielleicht aller versicherungsmässigen und rechtlichen Bedenken dieser Frage mit höchster Energie zuwenden«.127 Deutlicher ließ sich kaum formulieren, wie sehr politische – »parteimäßige« – Interessen mit ökonomischen Ambitionen verquickt und für den Ausbau des DAF-Konzerns funktionalisiert wurden. Damit war die Sudetendeutsche Volksfürsorge erfolgreich: Im April 1939 verfügte der Stillhaltekommissar für die Sudeten die Auflösung der auch hier bestehenden erwähnten 67er Vereine. Die Mitglieder der 67er Vereine und ihrer Sterbekassen sollten von einer »Überleitungsstelle« übernommen. Der tschechoslowakische »Star« (Anm. 116) oder die österreichische ÖVAG waren Auffanggesellschaften des ehem. Phönix. Zum Zusammenbruch der Phönix-Lebensversicherung vgl. Isabella Ackerl, Der Phönix-Skandal, in: Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1927 bis 1938 (Hg.), Das Juliabkommen von 1936. Vorgeschichte, Hintergründe und Folgen, Wien 1977, S. 241-279; Arps, Unruhige Zeiten, S. 62-68; Feldman, Allianz, S. 188-191; Hans Thür, Die »Österreichische Versicherungs-AG« (ÖVAG) und »Deutscher Ring Österreichische Lebensversicherungs-AG der Deutschen Arbeitsfront« (1936-1945), in: Versicherungsgeschichte Österreichs, Bd.3: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens, Wien 1988, S. 703-742, hier: S. 707-717. 126 Die Volksfürsorge zahlte dafür nicht einmal 80 % des Nennwertes der Verträge, obwohl der tatsächliche Wert von Wirtschaftsprüfern auf deutlich mehr als 100 % geschätzt worden war. Die Hälfte des Kaufpreises musste überdies erst später entrichtet werden. Vgl. Böhle, Expansion, S. 196. 127 Volksfürsorge-Vorstand vom 11. Febr. 1939, nach: ebd., S. 196 f. bzw. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 112. Hierzu sowie zum Schicksal der sudetendeutschen Volksfürsorge nach 1945 vgl. außerdem Reich, Arbeiterselbsthilfe, S. 574 ff.

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in Reichenberg möglichst weitgehend auf die Vorsorge/Sudeten-Volks­f ür­sorge überschrieben werden; allerdings hatte dies auf freiwilliger Basis zu geschehen. Auf diese Weise rekrutierte die Sudentendeutsche Volksfürsorge immerhin gut die Hälfte der 200.000 Mitglieder der aufgelösten 67er-Ster­be­kassen und akquirierte zu sehr günstigen Konditionen eine Versicherungssumme von 18 Mio. RM.128 Mit der De-facto-Übernahme der 67er Vereine gewann die Sudetendeutsche Volksfürsorge auch einen Teil der Vertrauensleute der angeschlossenen Sterbekassen und konnte infolgedessen ihr Vertriebsnetz zügig ausbauen. Über die Zuweisung der Mitglieder der 67er Vereine hinaus partizipierte die Sudetendeutsche Volksfürsorge auch unmittelbar am Phönix-Skandal. 1936/37 war die Star-Versi­che­rung mit Sitz in Prag gegründet worden, als tschechoslowakische Auffanggesellschaft für die ehemals bei der Phönix Versicherten. Die Star-Versicherung wiederum wurde liquidiert, als die CSR nach dem Einmarsch deutscher Truppen aufgelöst und das verbliebene Tschechien in das »Protektorat Böhmen und Mähren« umgewandelt wurde. Während die zweite DAF-Versi­cherung, der Deutsche Ring, den verbliebenen Bestand an Star-Versi­ che­rungsverträgen im »Protektorat« übernahm, erhielt die Volksfürsorge den sudetendeutschen Bestand der Star an Kleinlebensversicherungen zugewiesen.129 Obwohl sie diesen Bestand lediglich treuhänderisch verwaltete – da der Sanierungsbedarf des Star mit geschätzten 50 Mio. RM erheblich war und sich die Volksfürsorge damit nicht belasten wollte –, war auch diese Übernahme für die Volksfürsorge mit beträchtlichen Vorteilen verbunden. Sie gewann en­ge Kontakte zu zahlreichen ehemaligen Star-Kunden, indem sie die Star-Vertriebsorga­ ni­sation in die Verkaufsorganisation der Volksfürsorge integrierte, und konnte auf diese Weise ihren Versichertenbestand beträchtlich erhöhen. Ergebnis dieser dreifachen politischen Bevorteilung (Übernahme der Vorsorge, Auflösung der 67er Vereine und Übernahme des Star-Bestandes) war, dass die Volksfürsorge zur größten Lebensversicherung des Sudetenlandes aufstieg. Die Versicherungssumme ihres sudetendeutschen Bestandes betrug infolge der Übernahme der »Vorsorge« zunächst bescheidene 0,2 Mio. RM; sie verzehnfachte sich bis Kriegsbeginn auf 20,1 Mio. RM, um sich bis 1942 noch einmal auf 60,7 Mio. RM zu verdreifachen. Die 270.000 Versichertenverträge bei Kriegsende hatten ein Volumen von schließlich 70,2 Mio. RM. Die jährlichen Prämien­ einnahmen lagen im letzten Kriegsjahr bei 4,1 Mio. RM.130 128 Die Reichenberger Überleitungsstelle wurde mit einem Betrag von 24.000 RM für die ihr entstehenden ›Unkosten‹ abgefunden. Das war eine lächerliche Provision von 1,33 Promille angesichts der in die (neuen) Versicherungstarife einberechneten 35,0 Promille Abschlusskosten. Vgl. Böhle, Expansion, S. 198. 129 Die Großlebensversicherungen der Star wurden der Donau-Concordia zugewiesen. Zur Übernahme des Bestandes der Star-Versicherten im Protektorat durch die Deutscher-Ring Lebensversicherung vgl. unten. 130 Nach: Böhle, Expansion, S. 199 f. Nach dem Leistungsbericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF für 1939/40 (Anm. 36) lag der Bestand bereits Ende 1938 bei 20,3 Mio. RM.

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Die weitere Ausdehnung nach Osteuropa Weit schwieriger war die Situation im »Protektorat Böhmen und Mähren«. Hier war es aufgrund des offenen und versteckten Boykotts der tschechischen Bevölkerung gegenüber deutschen und hier wiederum besonders sudetendeutschen Unternehmen faktisch ausgeschlossen, dass die Volksfürsorge unter ihrem Konzernnamen nennenswerte Marktanteile unter tschechischen Kunden gewann.131 So verstand der Volksfürsorge-Kon­zern die Errichtung der »Repräsentanz Volksfürsorge Lebensversicherungs-AG Prag« im Frühjahr 1941 in erster Linie als »Option auf die Zukunft« (Böhle), die angesichts des scheinbar unmittelbar bevorstehenden »Endsieges« in gar nicht so weiter Ferne zu liegen schien. Im Geschäftsbericht für 1941 wurde mit dem der Volksfürsorge eigenen Zynismus offen formuliert, dass »überhaupt im Protektorat erst dann mit einem wirklich normalen Geschäft gerechnet werden könne, wenn die Tschechen sehen, dass keinerlei Hoffnungen für [die] Rückkehr eines selbständigen tschechischen Staates vorhanden ist.«132 Mit dem Überfall auf die Sowjetunion und dem Kriegseintritt der USA zerschlugen sich die Hoffnungen auf einen raschen deutschen »Endsieg« bekanntlich, während die Hoffnungen der national eingestellten Tschechen neue Nahrung erhielten. Folgerichtig ging die Volksfürsorge zu einer Strategie über, wie sie sie ansonsten vor allem im Westen praktizierte: Sie verstärkte ihre Anstrengungen, eine tschechische Lebensversicherungsgesellschaft zu erwerben. Dies schien ihr Ende 1941 mit dem Erwerb eines Aktienpaketes der Cechoslavia-Versicherung auch zu gelingen. Dass die Hamburger Volksfürsorge die Cechoslavia übernehmen wollte, lag wiederum nicht zuletzt in der Geschichte und Tradition dieser Versicherung begründet. Die Cechoslavia war von den tschechischen Konsumgenossenschaften 1919 gegründet worden, um – ähnlich wie dies für die reichsdeutsche Volksfürsorge gegolten hatte – einkom­mensschwächeren Schichten den Abschluss kleiner Lebensversicherungen zu ermöglichen, und den dortigen Gewerkschaften eng verbunden. Vor diesem Hintergrund, der Entstehung der Cechoslavia aus der organisierten Arbeiterbewegung der Tschechoslowakei heraus, glaubte das strukturell ähnliche DAF-Unterneh­men eine Art politisches Vorrecht auf die Übernahme der tschechischen Versicherung zu besitzen. Allerdings desavouierte sie ihre Absichten bereits durch die Art und Weise des Erwerbs eines größeren Aktienpakets: Erhalten hatte sie diese Aktien von der Gestapo, nachdem zwei Verwaltungsräte der Cechoslavia als Widerstandskämpfer hingerichtet worden waren. Letztendlich nutzte ihr dieser Aktienerwerb nur begrenzt, da sie Minderheitsaktionär blieb und die der Cechoslavia seit den zwanziger Jahren eng verbundene Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft AG erfolgreich alle weiteren Übernahmeversuche zum Scheitern brachte.133 131 Zum Folgenden vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 117 ff.; ders., Expansion, S. 200 ff. 132 AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 36), S. 1. 133 Ausführlich: Feldman, Allianz, S. 422-425; ferner Reich, Arbeiterselbsthilfe, 258 f.

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Neben der Cechoslavia suchte die Volksfürsorge eine zweite große Lebensversicherung zu kaufen, die Nationale-Versicherung. Die »Nationale« war allerdings gleichfalls mit der Münchner Rückversicherung verbunden. Folglich ging die Volksfürsorge daran, die Konkurrenz bei den Protektoratsbehörden zu diskreditieren. Die Münchner Rück habe die »Nationale« nur unzureichend im Griff. Darüber hinaus ließ die Volksfürsorge den für den SD-Abschnitt Prag zuständigen SS-Obersturmbannführer Gerhard Eilers Ende 1941 wissen, »nur die Volksfürsorge [sei] in der Lage, Ihre Wünsche und Ziele, die tschechische Versicherungswirtschaft deutschen Einflüssen zuzuführen und auch allmählich in deutsche Hände überzuleiten, zu verwirklichen.«134 Nachdem dies nicht fruchtete, ging der Vorsitzende der Sudetendeutschen Volksfürsorge zur offenen Denunziation über.135 Als auch das nichts nutzte, schlug der Chefmathematiker der Hamburger Volksfürsorge Hermann Haack Anfang 1943 den reichsdeutschen Aufsichtsbehörden vor, die tschechischen Versicherungen zu wenigen »Gruppen« zusammenzufassen, die von deutschen Gesellschaften »geführt« werden sollten. Sein ›Argument‹: »Es ist für den politischen Sektor wesentlich einfacher, wenige zusammengefasste Betriebe politisch zu lenken und zu überwachen, während bei einer Vielzahl kleinerer Betriebe diese besonders in der Übergangszeit [!] erforderliche politische Überwachung auf Schwierigkeiten stößt und einen größeren Apparat erfordert.«136 Über die Cechoslavia und die »Nationale« reklamierte die DAF-Versicherung schließlich die »Lebens- und Elementar-Volksversicherung« für sich. Die Volksfürsorge wäre damit zur mit Abstand größten Lebensversicherung im Protektorat aufgestiegen. Indes ­erübrigten sich diese Pläne infolge des weiteren Kriegsverlaufs. Auch in der Slowakei wurde die Volksfürsorge aktiv,137 und zwar nicht nur über die kleine Sudetendeutsche Volksfürsorge, die eine Konzession auch für die Slowakei besaß, sondern ebenso über die Ostmärkische Volksfürsorge, die Anfang Dezember 1940 neben zwei weiteren reichsdeutschen Gesellschaften gleich134 Nach: Böhle, Expansion, S. 201. Der promovierte Jurist Eilers (1903-?) war mit seiner ›Versetzung‹ nach Prag im April 1938 zum SS-Obersturmbannführer ernannt worden. 135 Der Vorsitzende der Sudetendeutschen Volksfürsorge, Adolf Köhler, kolportierte nach dem Attentat auf Heydrich gegenüber SS- und SD-Stellen in Prag, dass die Vorstände der »Nationale« in Lebensmittelschiebereien verwickelt seien und der Gesellschaftsarzt der »Nationale« die Heydrich-Attentäter medizinisch versorgt habe. Köhler war ein ehemaliger Vorsorge-Angestellter und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Nach der Angliederung der Sudeten war er, so Böhle (Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 117), »zu einem der schärfsten Chauvinisten und Rassisten konvertiert«. 136 Nach: Böhle, Expansion, S. 202. Haack (1895-?) war bis 1934 Versicherungsmathematiker bei der »Deutsche Leben«, danach Bilanzprüfer der »Treuhandgesellschaft von 1933 mbH (Berlin)«, ehe er dann 1939 als Chefmathematiker zur Volksfürsorge wechselte. In dieser Funktion blieb er auch nach 1945, bis zu seiner Pensionierung in den sechziger Jahren. 137 Zum Folgenden vgl. Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der VolksfürsorgeLebensversi­cherung vom 17. Febr. 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18, sowie Böhle, Expansion, S. 189 ff.; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 109 f.

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falls die Zulassung für das Staatsgebiet der Slowakischen Republik erhielt. Die Tätigkeit des österreichischen Ablegers der Volksfürsorge war freilich von nur geringem Erfolg gekrönt. Bis 1942 wurden lediglich 900 Verträge abgeschlossen. Aufgebessert wurde die Bilanz der slowakischen Volksfürsorge-­Aktivitäten dadurch, dass die Ostmärkische Volksfürsorge insgesamt 5.000 Versicherungen aus dem slowakischen Bestand der erwähnten Anker-Ver­­si­cherung/Wien, die sie sich Ende 1941 einverleibt hatte, im Wert von etwa sechs Mio. RM übernahm. Bereits die Expansion in die Slowakei seit Ende 1940 war von der Intention getragen, sich für die erwartete Neuordnung der Versicherungsbranche nach dem – wie zahlreiche Zeitgenossen vermuteten – unmittelbar bevorstehenden »Endsieg« eine günstige Ausgangsbasis zu verschaffen. Dieses Kalkül prägte die Aktivitäten der Volksfürsorge in Ungarn noch weit stärker.138 Ende 1940 erwarb die Volksfürsorge die »Ungarische Renten- und Lebensversicherungsanstalt« (Ungar-Leben) von der schwedischen »SVEA Feuer- und LebensversicherungsAG (Göteborg)« zum außerordentlich niedrigen Preis von 100.000 RM, der dann von der DAF-Versicherung nicht einmal gezahlt, sondern zunächst im Rahmen eines notwendigen Bilanzausgleiches verrechnet wurde. Die Ungar-Leben war eine vergleichsweise große Lebensversicherung; neben einem Bestand von 30.000 unmittelbar bei ihr Versicherten verfügte sie über weitere 250.000 »Abonnementversicherte«, die mit dem Erwerb des Abonnements einer Zeitschrift des Tolnai-Verlages zugleich eine Sterbeversicherung der Ungar-Leben erworben hatten. Dennoch waren der Expansion dieses neuen Volksfürsorge-Unternehmens enge Grenzen gesetzt. Es war als deutsches Unternehmen einem verdeckten, teilweise sogar offenen Boykott der Ungarn ausgesetzt. Darüber hinaus gab die Gruppe der ungarischen Volksdeutschen der Ungar-Leben einen Korb; sie blieb über einen Provisionsvertrag mit der Konkurrenzversicherung Donau-Concordia verbunden und ließ sich auch durch antisemitische ›Überzeugungsarbeit‹ des zum geschäftsführenden Direktor der Ungar-Leben ernannten Vorstandsmitgliedes der Volksfürsorge und »Beauftragten« der DAF-Versiche­rung für Südosteuropa Gerhard Hecklinger139 nicht abwerben. Bereits deshalb ließ sich die Übernahme der Ungar-Leben bestenfalls als halber Erfolg verbuchen. Hinzu kam, dass die Fixkosten hoch waren, weil sich die ungarische Lebensversicherung nicht so einfach wie die Ostmärkische Volksfürsorge als quasi Außenstelle des Hamburger Mutterkonzerns neu organisieren ließ. Überdies bekam Hecklinger zunehmend Probleme, in das bis März 1944 nominell unabhängige Ungarn 138 Zum Folgenden vgl. Niederschriften über die Aufsichtsratssitzungen der Volksfürsorge-Lebens­ver­si­cherung vom 9. Jan. und 17. Febr. 1941 (Anm. 137), sowie Böhle, Expansion, S. 192-195; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 123-126. 139 Hecklinger (1901-?), seit 1936 Vorstandsmitglied der Volksfürsorge, wurde im März 1938 zum »Übernahmebeauftragten« für Österreich ernannt, avancierte dann auch förmlich zum Vorstandsvorsitzenden und »Betriebsführer« der Ostmärkischen Volksfürsorge. In dieser Funktion war er innerhalb des Gesamt-Unternehmens verantwortlich für die »Südost-Arbeit«.

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überhaupt einzureisen, so dass der für ein Überleben notwendige Außendienst der Ungar-Leben nicht aufgebaut werden konnte. Bis Ende 1942 waren die Hoffnungen auf einen baldigen deutschen »Endsieg« zerstoben. Zudem erhielt die Volksfürsorge nach längerem Hin und Her keine Devisengenehmigung für den endgültigen Kauf des ungarischen Unternehmens und war infolgedessen gezwungen, die Ungar-Leben wieder abzustoßen. Für 40.000 RM fand die UngarLeben 1943 schließlich einen Käufer. Allerdings behielt sich die Volksfürsorge ein Vorkaufsrecht vor. Sie hoff­te offensichtlich, das Unternehmen bei einer – von vielen DAF-Funk­tionsträgern weiterhin erwarteten – positiven Kriegswende für das Deutsche Reich erneut erwerben und dann mit Hilfe politischen Drucks zur größten magyarischen Volksversicherung ausbauen zu können. Während Expansionspläne für Kroatien, Serbien und andere südosteuropäische Länder scheiterten,140 gelang es der Volksfürsorge, in Polen eine starke Stellung zu gewinnen.141 Zwar hatte sich die Volksfürsorge nach dem Sieg des Dritten Reiches über das östliche Nachbarland auch dort mit der privaten deutschen Konkurrenz auseinanderzusetzen, der die Bestände vormals englischer und französischer Versicherungsunternehmen überschrieben wurden. Indessen wurden der Volksfürsorge noch 1939 die recht ansehnlichen Bestände der Polnischen Postsparkassen-Versicherung (PSV), »eine Art öffentlich-rechtlicher Lebensversicherungsgesellschaft«, die mit insgesamt 150.000 Policen die größte polnische Lebensversicherung war, zur treuhänderischen Verwaltung übergeben. Gleichzeitig erhielt die Volksfürsorge die Konzession für die polnischen Gebiete im deutschen Herrschaftsbereich. Mit der treuhänderischen Übernahme der PSV durch die Volksfürsorge wurden de facto scharfe ras­sistische Kriterien in das polnische Lebensversicherungswesen implementiert: Einen ungeschmä­lerten Anspruch auf Versicherungsleistungen hatten lediglich »Volksdeutsche«, die aktiv im »Volkskampf« für ihr Deutschtum eingetreten waren, nach den ab Ende 1939 von der SS entwickelten 140 Am 13. Aug. 1940 hatte der Aufsichtsrat beschlossen, »dass für die Übernahme des Portefeuilles der jugoslawischen Fenika eine neue Gesellschaft mit einem Kapital von 5 Millionen Dinar zu gründen wäre, an der die Hamburger Volksfürsorge mit 50 %, die Ostmärkische Volksfürsorge mit 25 % und jugoslawische Wirtschaftskreise mit 25 % beteiligt sein sollen.« Der Plan, ein solches Joint-Venture-Unternehmen aufzubauen, zerschlug sich in den folgenden Monaten. Am 17. Febr. 1941 erklärte der Aufsichtsrat lakonisch, dass man in Jugoslawien »zunächst noch etwas kurztreten wolle«. In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. Im Endeffekt durfte sich die Volksfürsorge glücklich schätzen, in Jugoslawien nicht zum Zuge gekommen zu sein. Denn für die zunächst erfolgreicheren deutschen Konkurrenzunternehmen »erwies sich das Versicherungsgeschäft« infolge des eskalierenden Partisanenkrieges, aber auch aufgrund der ebenfalls rührigen italienischen Konkurrenz, als ein großes »Desaster«. Vgl. Feldman, Allianz, S. 426 ff., Zitat: S. 427. Ähnliches galt für die Ambitionen deutscher Versicherungsgesellschaften, in Griechenland Fuß zu fassen. Vgl. hierzu sowie zur ähnlich ›schwierigen‹ Situation in Rumänien ebd., S. 429-434, Zitat: S. 430. 141 Vgl. zum Folgenden Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 36), S. 5; Böhle, Expansion, S. 202-205; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 119-123.

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Kriterien also der Gruppe 1 der »Deutschen Volksliste« (DVL) zuzurechnen waren.142 Diese sollten auf diese Weise, wie das Vorstandsmitglied der Volksfürsorge Albert Franke in einem Aktenvermerk vom 23. November 1942 festhielt, dafür belohnt werden, dass sie »in polnischer Zeit für das Deutschtum mannhaft eingetreten sind, zum großen Teil sogar geblutet haben«.143 Zur Kategorie 1 der DVL gehörten lediglich zwei Prozent sämtlicher Versicherten der PSV. Die übrigen, Juden und nicht-jüdische Polen, wurden entschädigungslos enteignet. Erst Anfang 1944 konn­te sich die Volksfürsorge dazu durchringen, auch Angehörige der Gruppen 2 und 3 der DVL mit Versicherungspolicen zu beglücken. Zuvor hatte die Haupttreuhandstelle Ost die Deckung der Auszahlungen zugesichert. Die Neigung der »passiven«, also eher zweifelhaften »Volksdeutschen«, sich auf diese Weise »Eindeutschungsfähigkeit« attestieren zu lassen, war zu diesem Zeitpunkt freilich ausgesprochen gering. Pech für die Volksfürsorge war im Übrigen, dass das Vermögen der PSV bereits 1939/40 zugunsten des Reichsfiskus liquidiert wurde, so dass die Volksfürsorge daran nicht unmittelbar partizipieren konnte (von einem Restbetrag von einer Mio. RM, der ihr 1943 zugesprochen wurde, abgesehen). Das hinderte die Volksfürsorge jedoch nicht, auch in diese Regionen, vor allem in die dem Deutschen Reich unmittelbar eingegliederten Gebiete Polens zu expandieren. Eine erste Geschäftsstelle wurde bereits Mitte Oktober 1939 in Kattowitz eröffnet. Sie gedieh prächtig, weil es ihr gelang, die meisten der von den Betrieben vor Ort mit der PSV abgeschlossenen Gruppenversicherungs-Verträge auf die Volksfürsorge überzuleiten. Neben der PSV wurden auch die polnischen Sparkassen im engeren Sinne aufgelöst; die bei ihnen unmittelbar abgeschlossenen Versicherungsverträge gingen gleichfalls, mit 90 % sogar zu einem noch höheren Prozentsatz, auf die Volksfürsorge über. Zugute kam der Volksfürsorge dabei die Verquickung von politischen und ökonomischen Funktionen. Im ehemaligen polnischen Oberschlesien wurde der Chefmathematiker der Volksfürsorge Hermann Haack als Bevollmächtigter für eine sog. Überleitungsstelle eingesetzt, die für die Auflösung der Sterbekassen der Bergbau-Beschäftigten zuständig war. Haack gelangte auf diesen Po­sten, weil sich die DAF als politische Organisation im oberschlesischen Steinkohlebergbau eine einflussreiche Stellung verschaffte – und dies auch für ihre Unternehmen nutzte. Dank seiner Position und guten Beziehungen zur Arbeitsfront erreichte Haack, dass die Mitglieder der ober­schle­sischen Bergbau-Sterbe­kas­sen fast vollständig zur Volksfürsorge wechselten. Das Vorgehen der von Haack geführten 142 Zur DVL und den Problemen der Kategorisierungen dabei vgl. Isabel Heinemann, »Rasse, Siedlung, deutsches Blut«. Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 2003, bes. S. 263-282; Gerhard Wolf, Deutsche Volksliste, in: Ingo Haar/Michael Fahlbusch, Handbuch der Völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – For­schungsprogramme – Stiftungen, unter Mitarbeit von Matthias Berg, München 2008, S. 129-135. 143 Nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 120. Hierzu und zum Folgenden: ebd., S. 119-123.

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Überleitungsstelle war derart aggressiv und so unverblümt von Parteinahme für die Volksfürsorge geprägt, dass sich das Reichs­aufsichtsamt für Privatversicherung veranlasst sah, in deutlichen Worten darauf hinzuweisen, dass diese »nicht den Auftrag hat, einer bestimmten Versicherungsgesellschaft ein Monopol zu geben«,144 sondern alle konzessionierten Gesellschaften berücksichtigen müsse. Diese Mahnung verhallte freilich weitgehend ungehört. Allein im Bezirk Kattowitz akquirierten Haack und seine Mitarbeiter 140.000 »Überleitungsversicherungen« und sicherten der Volksfürsorge auf diese Weise eine Versicherungssumme von insgesamt 49 Mio. RM.145 Im fast ausschließlich von Polen besiedelten Generalgouvernement erhielt die Volksfürsorge erst 1942 eine Konzession und die auch nur für Volksdeutsche. Anfänglich hatte die Volksfürsorge auch polnischsprachiges Werbematerial verteilt. Im Unterschied zu den Deutscher Ring-Versicherungen, die von Anbeginn um polnische Kundenpotentiale einen Bogen geschlagen hatten, suchte die Volksfürsorge anfangs auch in den einkommensstärkeren polnischen Bevölkerungsschichten neue Kunden zu gewinnen. Sie rechtfertigte dies mit den Worten: »Es soll uns gerade angenehm sein, dass der Pole bei einer deutschen Gesellschaft Kapital anlegt; denn die deutsche Gesellschaft ist in der Lage, mit den polnischen Spargroschen deutsche, d. h. nationalsozialistische Interessen zu vertreten.«146 Ob­gleich es ihr also nur darum ging, die »polnischen Spargroschen« der deutschen Kriegsfinanzierung zuzuführen, musste die Volksfürsorge ihr polnisch-sprachiges Werbematerial nach Interventionen der DAF und NSDAP zurückziehen. Die DAF-Versicherung rechtfertigte ihre Wendung um 180 Grad mit den Worten, dass es »für uns als Arbeitsfrontgesellschaft und NS.Musterbetrieb eine Selbstverständlichkeit ist, [den] Kampf um Auslö­schung des polnischen Sprachgebrauchs zu unterstützen.«147 Das waren keine leeren Worte, sondern es war eine Devise, die schon zuvor das gesamte Handeln der Volksfürsorge gegenüber der als »Untermenschen« stigmatisierten einheimischen Bevölkerung des zerschlagenen Polens leitete. Noch im Herbst 1939 einigte sich der Aufsichtsrat des Unternehmens auf den Grundsatz, dass »die polnischen Policen, die noch nicht 3 Jahre laufen und nach allgemeinen Bedingungen der Postsparkasse nicht rückkaufsfähig sind, entschädigungslos [verfallen], ebenso die Policen von Juden und Flüchtlingen« vor der deutschen Gewaltherrschaft. Demgegenüber sollten »die volksdeutschen Policen unbeschadet ihrer Laufzeit, soweit Weiterzahlung der Prämien erfolgt, in die Volksfürsorge übernommen [werden] unter gleichzeitiger Umstellung auf [die günstigeren] Volksfürsorge144 Böhle, Expansion, S. 204 f. 145 Begünstigt wurde dieser relative ›Erfolg‹ dadurch, dass der Abschluss einer Versicherung bei der von der Volksfürsorge verwalteten PSV den Anspruch auf »Eindeutschung« verbesserte. 146 Der Volksfürsorge-Vorstand Albert Franke an den Volksfürsorge-Geschäftsführer in Posen, vom 7. Aug. 1940, nach: ebd., S. 205 bzw. ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 123 f. 147 Nach: ebd., S. 122 bzw. ders., Expansion, S. 205.

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Tarife«.148 Deutlicher ließ sich kaum artikulieren, wie man die vom NS-Regime vorgegebene rassistische Segregation zur Leitlinie der Geschäftspolitik machen wollte. Verdeckte Expansion im Westen Auch in Westeuropa legte man der Unternehmenspolitik das von den Nationalsozialisten praktizierte Prinzip des rassistischen Raumes zugrunde, das die Bevölkerungen in den von der Wehrmacht besetzten Regionen nach ihrer angeblichen Wertigkeit gliederte. Die im Westen Europas lebenden Nationen galten freilich als höherwertig, die Niederländer, die belgischen Flamen und die Dänen sogar als den Deutschen verwandt. Vor allem sollten die 1938 angegliederte »Ostmark« und ebenso das Sudetenland, so wollte es das NS-Regime, als hinzugewonnene »großdeutsche« Regionen »keineswegs wie besetztes Gebiet behandelt« werden.149 Aber auch in anderen, nach nationalsozialistischem Verständnis ›urdeutschen‹ Regionen, namentlich in den dem Deutschen Reich im Westen unmittelbar benachbarten Gebieten, also im Elsass, in Lothringen und Luxemburg, versuchte die Volksfürsorge unter eigenem Firmenschild Fuß zu fassen. Dies gelang vor dem Hintergrund partikularistischer Ten­denzen der deutschen Besatzungsbehörden und vor allem der ablehnenden Haltung der weiter existierenden französischen Versicherungs­ gesellschaften insgesamt freilich nur begrenzt.150 Während in Luxemburg immerhin die Versichertenbestände von achtzig aufgelösten Sterbekassen auf die Volksfürsorge übergeleitet und außerdem die dortigen Bestände zweier französischer sowie einer englischen Versicherungsgesellschaft dem DAF-Unternehmen zur treuhänderischen Verwaltung übertragen wurden, war der Volksfürsorge mit ihren Plänen für Elsass-Lothrin­gen kein durchschlagender Erfolg beschieden. Zwar wurde auch hier etwa die Hälfte der in Sterbe- und Unterstützungskassen Versicherten der Volksfürsorge überschrieben. Die zu Beginn der deutschen Besetzung gehegten Absichten, die Bestände der großen und populären »Socièté Anonyme de Prèvoyance et de Capitalisation (Esca)«, die in Straßburg ihren Hauptsitz hatte, sowie sämtliche elsass-lothringischen Versichertenbestände von 35 weiteren französischen Versicherungsunternehmen zu übernehmen, scheiterten jedoch. Auch offene Denunziationen des Lyoner Hauptaktionärs der »Esca« 148 Von Franke formulierte »Pläne hinsichtlich der Zukunft der Postsparkassenversicherten«, denen der Aufsichtsrat anschließend zustimmte, nach: Niederschrift über Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebens­versicherung vom 25. Okt 1939, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. 149 Bis Anfang 1940 galten in Österreich deshalb besondere »Gebietsschutzbestimmungen« für die Betätigung der Versicherungsunternehmen des »Altreichs«. Bis Anfang 1941 galt außerdem im Kern weiterhin das frühere österreichische Versicherungsvertragsrecht. Vgl. Stiefel, Östereichische Lebensversicherungen, S. 46 f., Zitat: S. 47. 150 Zum Folgenden vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 126-130; ders., Expansion, S. 209 f.

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durch den Volksfürsorge-Vorstand nutzten wenig,151 da die deutschen Behörden davor zurückscheuten, dem DAF-Unternehmen die Erlaubnis zu erteilen, in Elsass-Lothringen mit seiner »volksdeutschen« bzw. »rassisch höherwertigen« Bevölkerung ähnlich rigoros vorzugehen wie etwa bei der Übernahme der Polnischen Sparkassenversicherung. Während die Volksfürsorge in den genannten drei Grenzgebieten offen unter ihrem Namen agierte, handelte sie in anderen westlichen Ländern verdeckt und versuchte sich dort größere Marktanteile zu sichern, indem sie – ähnlich dem Vorgehen anderer deutscher Privatversicherer – einheimische Unternehmen aufkaufte oder sich auf unredliche Weise aneignete. In Belgien gerierten sich die DAF-Unternehmen  – wie schon 1933 im Deutschen Reich und dann 1938 in Österreich sowie den Sudeten – als Erbfolger gewerkschaft­licher Versicherungsgesellschaften. Beim Reichs­wirtschaftsministerium erreichte die Volksfürsorge, dass sie das Vorkaufsrecht an der größten belgischen Lebensversicherung, der »Prèvoyance Sociale«, dem Pendant zur sozialdemokratischen Volksfürsorge, erhielt. Da im Unterschied zu den okkupierten osteuropäischen Gebieten eine von den Besatzungsbehörden veranlasste simple Enteignung der einheimischen Unternehmen nicht in Betracht kam, war dieses Vorkaufsrecht im Endeffekt wertlos. Zum Leidwesen des Vorstandes der Volksfürsorge waren »dem Sicherheitsdienst in Brüssel, zu dem wir enge Beziehungen unterhalten, keine Fälle bekannt geworden, in dem Agenten der Prèvoyance Sociale etwa deutschfeindlich oder marxistisch aufgetreten wären«,152 mithin eine Handhabe für die Übernahme der belgischen Versicherungsgesellschaft bestanden hätte. Dagegen waren die Bemühungen der Volksfürsorge erfolgreich, Anteile des Hauptaktionärs der belgischen Constantia-Gruppe zu erwerben. Erneut kam der Volksfürsorge die unmittelbare Vermischung von politischen und ökonomischen Interessen zugute: Der Hauptaktionär der Constantia-Gruppe war in die Fänge des SD geraten und wurde gegen die Überlassung seiner Aktien in das unbesetzte Vichy-Frankreich entlassen.153 Unter dem Volksfürsorge-Dach prosperierte die Constantia kräftig; zwischen Anfang 1941 und 1943 verdoppelte sich ihr Bestand von 17 Mio. RM auf 35 Mio. RM.154 151 So empfahl Franke dem Oberregierungsrat Spaeth in einem Schreiben vom 29. Dez. 1941 die Verhaftung eines verkaufsunwilligen Hauptaktionärs mit den Worten: »Die zum Teil unflätigen und provozierenden, oft auch gegen den Führer selbst gerichteten Angriffe sollten Veranlassung geben, die Angelegenheit staatspolitisch zu untersuchen«. Nach: ebd., S. 210; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 128. Frankes Pech war, dass sich der betreffende Aktionär im Vichy-Frank­reich befand und damit dem unmittelbaren Zugriff der Gestapo entzogen war. 152 Aktennotiz Frankes vom 1. Juli 1941, nach: ebd., S. 130, bzw. ders., Expansion, S. 210. 153 Nach der Befreiung 1945 erklärte Albert Franke, auf diese Vorgänge von der britischen Militärverwaltung befragt, unverfroren, er habe »die Gelegenheit« der Besetzung Belgiens nur »benutzt, um am Wiederaufbau unserer Tochtergesellschaft (Constantia Versicherungsgesellschaft) zu arbeiten.« Nach: ebd. 154 Die Constantia war bei der Übernahme durch die Volksfürsorge im Febr. 1941 freilich faktisch illiquide. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 131 f. Vgl. ferner

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Mit der Übernahme der Constantia erhielt die Volksfürsorge prinzipiell auch die Zulassung für das Lebensversicherungsgeschäft in Frankreich, da das belgische Versicherungsunternehmen über eine französische Tochtergesellschaft, »Eveil«, verfügte. Damit hatte sich das DAF-Unter­nehmen auch für diesen Markt eine lukrative Ausgangsposition für den bis Herbst 1941 ja noch erhofften baldigen deutschen »Endsieg« verschafft. Praktisch nutzte der Volksfürsorge die Konzession jedoch wenig, nicht zuletzt, weil die französischen Gewerkschaften eine Kooperation mit dem DAF-Unternehmen verweigerten und diesem da­mit faktisch den Zugang zum französischen Versicherungsmarkt versperrten.155 Die Anfang 1941 geplante Übernahme einer Pariser Versicherungsgesellschaft (»Segunaise«) und damit die Absicht, sich eine »Basis für das künftige Geschäft« in Nord- und West-Frankreich zu verschaffen, scheiterten ebenfalls.156 Erfolgreicher als in Frankreich und Belgien agierte die Volksfürsorge in den Niederlanden. Hier gerieten die 1903 gegründete »N.V. de Centrale Arbeiders Levensverzekerings Maatschappij ’s-Gravenhage«, Den Haag, sowie die »Coöperative Levensverzekering Maatschappij Concordia«, Utrecht, in den Einflussbereich der DAF. Sie hatten bis zur Invasion der Wehrmacht im Mai 1940 zu gleichen Teilen den belgischen Gewerkschaften sowie der dortigen sozialdemokratischen Partei gehört und waren zunächst der faschistischen Mussert-Bewegung kommissarisch übergeben worden. Die gab die beiden niederländischen Versicherungsgesellschaften einige Monate später an die Volksfürsorge weiter, die damit in den Niederlanden zur stärksten Versicherung wurde.157 Bemerkenswert ist, dass die »N.V. de Centrale Arbeiders Levensverzekerings Maatschappij ’s-Gra­venhage« die Zahl der Versicherungskontrakte von 1940 bis 1943 um beachtliche 32,3 % (von 528.567 auf 699.103) und die Gesamtbestandssumme sogar um 62,9 %, d. h. von 92.479,5 Mio. holländische Gulden (etwa 122 Mio. RM) auf 150.679,3 Mio. holländische Gulden (knapp 200 Mio. RM) erhöhen konnte.158 Die jährlichen Bestandssteigerungen lagen damit deutlich über den Werten, die die Hamburger Volksfürsorge-Lebens­versi­che­rung als Muttergesellschaft erzielen konnte. Eine ähnlich rasante Entwicklung machte die »Coöperative Levensverzekering Maatschappij Concordia«. Deren gesamte Versicherungssumme lag

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NZZ vom 9. Dez. 1943, in der berichtet wurde, dass die belgische Bank neben den weiterhin dominanten Kleinlebensversicherungen 1942 außerdem »mit Erfolg das Großlebensversicherungsgeschäft aufgenommen« habe. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 133. Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversi­cherung vom 17. Febr. 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. Vgl. Niederschrift über Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensversi­cherung vom 17. Febr. und 24. Sept. 1941 sowie 5. Dez. 1942, in: ebd. Vor allem zwischen 1941 und 1943 stieg die Zahl der Versicherten um jeweils gut 70.000 oder 12 % bis 13 % jährlich kräftig (Gesamtzahl 1941: 554.106; 1942: 626.588). Jahresbericht der N.V. De Centrale Arbeiders-Levensverzekering-Maatschappij ’sGrevenhage für 1943, in: ebd.

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Ende 1942 bei umgerechnet 70 Mio. RM; gegenüber 1941 war dies ein Anstieg um 39 %.159 Da die Bevölkerung des nordwestlichen Nachbarstaates den Nationalsozialisten als den Deutschen rassisch verwandt galt, agierte die Volksfürsorge vorsichtig. Das Arbeitsfront-Un­ternehmen praktizierte ein Geschäftsprinzip, wie es ähnlich auch z. B. für die DAF-Ar­beitsbank gegenüber der von ihr erworbenen »Bank voor Nederlandsche Arbeid N.V.« zu beobachten war: Man beließ es bei einer Mehrheitsbeteiligung. Beide von der Volksfürsorge erworbenen Versicherungsunternehmen konnten sich ihren niederländischen Charakter weitgehend erhalten, da der Hamburger Volksfürsorge-Vorstand, der sich gleichwohl de facto die entscheidenden personellen Positionen sicherte, um die starke antideutsche Stimmung in den Niederlanden wusste. Die Volksfürsorge begann, so kann man resümieren, auf den Spuren der Wehrmacht eine europäische Dimension zu gewinnen. Allerdings blieb das Versicherungsgeschäft im »Altreich« der Schwerpunkt. Nach Schätzungen Böhles lag der Anteil des Auslandsgeschäftes 1942 bei knapp 30 %; danach sank er kontinuierlich.160 In den letzten beiden Kriegsjahren geriet die Volksfürsorge-Lebensversicherung161 im Auslands- wie Inlandsgeschäft tief in die Verlustzone. 1944 war sie de facto bankrott. Ähnlich erging es den DR-Versicherungen, die – im Unterschied zur Volksfürsorge – bereits 1943 rote Zahlen und im folgenden Jahr dann noch höhere Verluste als die Volksfürsorge schrieben.

4.5. Der Deutsche Ring Trotz völkisch-antisemitischer Traditionen: nicht »die« Versicherung der Partei In mancherlei Hinsicht  – mit Blick auf ein überdurchschnittlich expansives Wachstum seit 1933, das im Gefolge der NS-deutschen Annexionen und Okkupationen seit 1938 noch forciert wurde, oder auch in der Kapitalanlagepolitik – ähnelt die Geschichte des Deutschen Ringes während des Dritten Reiches der der Volksfürsorge. In anderer Hinsicht nahm die zweite DAF-Ver­sicherungs­ gesellschaft jedoch eine davon stark abweichende Entwicklung. Die DR-Versicherungen waren zwar 1913, also fast zum selben Zeitpunkt wie die Volksfürsorge entstanden, als Unternehmen des antisemitisch geprägten und semifaschistisch orientierten Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes 159 Vgl. NZZ vom 9. Dez. 1943. 160 Vgl. Böhle, Expansion, S. 184. Nach Angaben des Hamburger Fremdenblattes vom 24. Nov. 1943 lag der Anteil der ausländischen Tochtergesellschaften Ende 1942 noch deutlich darunter, nämlich bei 7,1 % des Gesamtbestandes an Einlagen (3.275 Mio. RM gegen 232,06 Mio. RM). 161 Zu den anderen, kleineren Zweigen der Volksfürsorge und ebenso des Deutschen Rings (Transport-, Fahrzeug- und Sachversicherungen) vgl. unten.

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(DHV).162 Wenn der Deutsche Ring des DHV – und nicht dagegen die Volksfürsorge des ADGB – neben der Lebensversicherung und weiteren Versicherungssparten eine schon bald prosperierende eigene Krankenversicherung aufbaute, dann resultierte dies aus seiner stark mittelständischen Orientierung. Die Mitgliedschaft des DHV zählte in erster Linie zum neuen Mittelstand (Ange­stellte). Darüber hinaus fand die konservativ-völ­kische Organisation Resonanz im alten (selbständigen) Mittelstand. Beide sozialen Großgruppen waren nicht gesetzlich versichert, sondern gezwungen private Versicherungen abzuschließen.163 Ein zweiter grundsätzlicher Unterschied zur Volksfürsorge bestand darin, dass die Belegschaft wie die Kundschaft des Deutschen Rings aufgrund der antisemitischen Haltung des DHV von Anbeginn »judenfrei« war. Dahinter standen grundsätzliche Überzeugungen. Es gelte, so begründete Max Habermann, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten innerhalb des DHV,164 retrospektiv den Aufbau eines eigenen Versicherungsunternehmens, den antisemitischen, deutsch-völkischen Verbandsmitgliedern zu ermöglichen, neben der privaten Krankenversicherung auch »ihre Lebensversicherung bei einer judenfreien Versicherung abzuschließen«. Gleichzeitig sollte mit dem Deutschen Ring ein Kontra­punkt gegen das angeblich »jüdische Bankkapital« gesetzt werden, das »gerade in diesem Geschäftszweig bis zum Frühjahr 1933 einen überragenden Einfluss« besessen habe. Die Gründung des Deutschen Rings markiere den 162 Der DHV, in dem die Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts gegründete »Deutschsoziale Partei« bzw. »Deutschsoziale Reformpartei« als zwei der wichtigsten antisemitischen Parteien des Wilhelminischen Kaiserreiches über erheblichen Einfluss verfügten, schloss in all seinen Satzungen seit 1893 die Aufnahme von Juden aus. In der auch nach 1933 immer wieder aufbrechenden Frontstellung des Deutschen Rings gegen die Volksfürsorge spiegelt sich der Tatbestand, dass der DHV, der zunächst in Hamburg sein Hauptzentrum hatte, 1893 explizit gegen den 1891 von sozialdemokratisch orientierten Handlungsgehilfen gegründeten »Verein ›Vorwärts‹« ins Leben gerufen wurde. Der DHV war Nov. 1919, als mitgliederstärkster Angestelltenverband, dem christlich-nationalen »Deutschen Gewerkschaftsbund« beigetreten und zählte 1929 380.000 Mitglieder. Ab 1930/31 entwickelte er starke  – allerdings keineswegs konfliktfreie – Affinitäten zur NSDAP. 163 Das Gros der Arbeitnehmer, vor allem die Arbeiterschaft, war und blieb auch nach 1933 weiterhin in den gesetzlichen Krankenkassen versichert, namentlich in den bis zur NS-Machtübernahme sozialdemokratisch geprägten Allgemeinen Ortskrankenkassen. Das »Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung« vom 5. Juli 1934, mit dem die gesetzlichen Kassen politisch ›gesäubert‹, organisatorisch gestrafft sowie auf das Führerprinzip ausgerichtet wurden, änderte daran im Grundsatz nichts. 164 Habermann (1884-1944), ab 1904 Mitglied des DHV und ab 1907 hauptamtlicher Mitarbeiter in dessen Sozialpolitischer Abteilung, leitete ab 1911 das Zentralorgan des Verbandes, die »Deutsche Handelswacht«. In der Weimarer Republik war er Leiter der Abteilung »Jugend, Berufsbildung und Allgemeinbildung« des DHV. Ab 1928 stand er dem »Internationalen Bund christlicher Gewerkschaften« als Präsident vor, 1931 entwickelte er enge Kontakte zu Brüning, nach 1933 zu Kaiser und Leuschner; nach dem 20. Juli 1944 wurde er verhaftet und nahm sich im Gefängnis das Leben. Zu seiner verlagspolitischen Tätigkeit vgl. Kapitel 5, S.  276.

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»Einbruch in diese Stellung« und sei insofern ein Akt »von höchster nationalpoli­ti­scher Bedeutung« ge­wesen.165 Die in der Formel »schärfster Kampf gegen Judentum und Marxismus« gebündelte Obsession, die den DHV samt seinen Ver­si­cherungsgesellschaften und ebenso seinen anderen Unternehmen in ihrem Handeln bis zur NS-Macht­ übernahme geleitet hatte,166 markiert ein Selbstverständnis, an das die DAF nahtlos anknüpfen konnte. Die Berührungspunkte zwischen beiden Seiten waren jedoch nicht allein ideologischer Natur, sondern auch sehr konkret. Nicht nur der Stahlhelm, bis 1931 die mitgliederstärkste rechtsextremistische Organisation der Weimarer Republik, hatte seine Gruppenversicherungen ab 1928 beim Deutschen Ring abgeschlossen. Noch vor ihrem Aufstieg zur Massenpartei, nämlich bereits 1929, war der Deutsche Ring zum Versicherungspartner auch der NSDAP geworden. U.a. hatte die Partei, die einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Weimarer Republik führte, für ihre Mitglieder eine Sterbegeldversicherung beim Deutschen Ring abgeschlossen. Anfangs war der Versicherungskonzern des DHV außerdem Partner der SA gewesen (Haftpflicht- und Unfallversicherung), bevor diese NS-Mas­senorganisation mit ihrer Hilfskasse einen eigenen Versicherungsschutz aufbaute.167 Nach der Machteroberung der Nationalsozialisten setzte man diese Kooperation einige Zeit fort. Insbesondere bei der Krankenversicherung, dem wichtigsten Zweig des Deutschen Rings, sowie der Lebensversicherung dieses DHV-Unternehmens war eine Reihe von NSDAP-Gliederungen versichert. Die Gemeinschaftsversicherungen der HJ, der »Adolf-Hitler-Schüler« und der Winterhilfswerk-Los­ver­käufer bestanden zunächst allein unter dem Dach der DR-Versicherungen, allerdings nur bis 1935. In der Folgezeit verlor der Deutsche Ring in dieser Kundschaft erheblich an Boden. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre tätigte die NSDAP lediglich fünf Prozent ihrer Versicherungsgeschäfte bei den beiden Gesellschaften der Arbeitsfront.168 Auch die meisten Vorfeld-

165 Max Habermann, Im Kampf um das Reich (1934), nach: Meyer, Verlagsfusion, S. 12. 166 So die Lobeshymne auf den DHV in der von der ZfF der DAF Mitte 1939 herausgegebenen Schrift »Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront« (S. 115). 167 Vgl. Arno Surminski, Versicherung unterm Hakenkreuz, Berlin 1999, S. 72 f., sowie Ingo Böhle, »Juden können nicht Mitglieder der Kasse sein …«. Versicherungswirtschaft und die jüdischen Versicherungen am Beispiel Hamburg, Hamburg 2003, S. 24. 168 Die von der DR-Krankenversicherung verwaltete Gemeinschaftsversicherung der NSDAP war freilich auch nicht sonderlich lukrativ, da 80 % des Gewinns an deren Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz abgeführt werden mussten. Dagegen setzte das DAF-Unternehmen auf das Image als ›Versicherung der Partei‹ und wollte noch 1937 auf diese Weise »den Namen des Deutschen Ringes in weiten Kreisen bekannt machen und sein Ansehen heben.« Bericht über den Geschäftsverlauf Jan.-Okt. 1937 für den Aufsichtsrat des Deutschen Ringes, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 12. Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Böhle, PKV, S. 86-90.

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organisationen der Partei präferierten die Konkurrenten der Arbeitsfront-Unternehmen.169 Nicht zuletzt die SS schloss ihre Versicherungen lieber bei der Allianz und anderen Privatgesellschaften als bei den DAF-Unter­nehmen ab. Die Allianz versicherte die Produktionsstätten in den Ghettos sowie die Baracken der Konzentrationslager und wurde schließlich zum Versicherungskonsortialführer des Lager­komplexes Auschwitz. Ab Herbst 1940 stieg die Allianz auch unmittelbar zum wichtigsten Versicherer der SS auf (KfZ-Haftpflicht- und Unfallversicherung, Feuer-, Diebstahl- und sonstige Sachversicherungen). Der DAF-Konzern, der auch über eine Sach- und Transportversicherung verfügte, ging dagegen leer aus; an den Konsortien für Auschwitz und andere Lage partizipierte er nicht einmal mit einer Minderheitsbeteiligung.170 Wenn der Deutsche Ring trotz seiner rechtsextremistischen Traditionen nicht zu der Versicherung der gesamten NS-Bewegung wurde, dann war dafür weniger eine Anweisung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung verantwortlich, die vorschrieb, dass an den seit 1935 abgeschlossenen Verträgen über Gemeinschaftsversicherungen auch andere Versicherungsunternehmen beteiligt werden mussten, um (so der offizielle Grund) das Versicherungsrisiko zu streuen. Wichtiger war, dass namentlich die Allianz der SS schlicht bessere Konditionen bot als der Deutsche Ring. Wie schon in der Frage, welches Geldinstitut zur Hausbank der jeweiligen NS-Orga­ni­sation aufstieg, entschieden die SS und ebenso andere Vorfeldorganisationen der NSDAP im allgemeinen nicht nach ideologischem Gleichklang und politischem ›Verdienst‹, sondern wesentlich nach ökonomischen Kriterien. Es ist symptomatisch, wie die Funktionäre der SS, die für deren »Deutschen Wirtschaftsbetriebe GmbH«, also die den KZ angegliederten Unternehmen, verantwortlich waren, noch im Sommer 1944 über die Angebote sowohl der Allianz als auch der DR-Lebensversicherung über eine Generalversicherung der SS-Wach­mannschaften befanden. Die Allianz offerierte ein ausgesprochen generöses Versicherungspaket, das eine umfassende Altersversicherung des jeweiligen SS-Man­nes als Versicherungsnehmer vorsah und im Falle eines vorzeitigen Ablebens eines (männlichen) SS-»Gefolg­schaftsmitgliedes« eine vergleichsweise üppige Witwen- und Waisenrente für die Hinterbliebenen einschloss. Der Deutsche Ring dagegen bot lediglich eine Individualaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres an171 – so dass sich die SS nach ausgiebiger Prüfung für die Allianz entschied.

169 So brachten der NS-Lehrerbund, der NS-Rechts­wahrerbund, die NS-Frauenschaft und die NS-Kriegs­opfer­ver­sorgung einen großen Teil ihrer Gruppenversicherungen bei der Allianz unter. Vgl. Feldman, Allianz, S. 154 f., Zitat: S. 155. 170 Vgl. ebd., S. 466-488. 171 Vgl. Aktenvermerk des SS-Hauptsturmführers Hoffmann vom 25. Aug. 1944, sowie Allianz Lebensversicherungs AG. an die Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH, vom 12. Aug. 1944, DR-Lebensversicherung an dies. vom 3. Juni bzw. 10. Aug. 1944, in: BA Berlin, NS 3, Nr. 1058, Bl. 2-3, 25 f., 33, 84. Lediglich der Deutsche Ring und die

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Ähnlich schwer wie ökonomische wogen in vielen Fällen politische Über­ legungen pro oder contra Deutscher Ring. So wie dies bereits für die Bank der Deutschen Arbeit zu konstatieren war, veranlasste die Furcht vor einer ab 1936 scheinbar übermächtig werdenden Arbeitsfront viele NS-Organisationen, zur Konkurrenz zu wechseln: Sie wollten die Unternehmen der DAF als ökonomische Basis der Arbeitsfront-Füh­rung nicht noch durch eigenes Zutun stärken und das Streben der Arbeitsfront nach immer mehr politischer Macht zusätzlich stimulieren. Es waren mithin auch die Rivalitäten zwischen den NS-Organi­ sationen sowie die persönlichen Eifersüchteleien unter den maßgeblichen Akteuren, die für die Abwanderung vom Deutschen Ring zur Konkurrenz verantwortlich waren.172 Verstärkt wurde das Misstrauen gegen die DAF-Ver­siche­rungsgesell­schaften dadurch, dass bei diesen auch sonst ökonomische und politische Interessen miteinander verquickt wurden. Wie die Volksfürsorge bedienten sich auch die Ring-Versicherungen der Arbeitsfront-Funktionäre, um neue Kunden zu akquirieren. DAF-Funktionsträger warben ab Herbst 1933 vielfach unverblümt für den Deutschen Ring. Umgekehrt arbeiteten die hauptberuflichen Außendienstler der DR-Ver­sicherungen eng mit den Dienststellen der Arbeitsfront vor Ort zusammen.173 Der Protest der anderen Unternehmen der Branche dagegen war zwar ähnlich kräftig wie der des Bankgewerbes gegen die ganz ähnliche Praxis der Arbeitsbank. Die Katze ließ jedoch das Mausen nicht. Wie das DAF-Geldinstitut setzten auch die Ring-Versi­che­run­gen ungerührt von allen Protesten weiterhin politische Mittel ein, um neue Kunden zu gewinnen. Noch Anfang 1938 klagte der Leiter der Reichsgruppe Versicherungen dem Reichswirtschaftsminister, dass der Leiter der DAF-Reichs­betriebs­gemein­schaft »Druck und Papier« allen Unternehmen dieser Branche eindringlich »nahegelegt« habe, »Gefolgschaftsver­ sicherungen« nur beim Deutschen Ring sowie bei einer weiteren, den Prinzipien des Nationalsozialismus angeblich besonders verpflichteten Versicherung, der Gothaer Lebensversicherungsbank a.G., abzuschließen.174 Unterbinden ließ sich durch solche Beschwerden ein Engagement der DAF-Funktionäre für ›ihren‹ Deutschen Ring auch in der Folgezeit nicht.

Allianz gaben überhaupt Angebote ab. Infolge des Zusammenbruchs des NS-Regimes kam es dann allerdings nicht mehr zum Abschluss des Vertrages. 172 Hier ist allerdings nach Zeit und Organisation zu differieren. Im Herbst 1944 war die DAF im Unterschied zur SS oder NSDAP politisch kaum mehr von Bedeutung. Gerade die SS dürfte auch zuvor die Arbeitsfront und ihre Unternehmen politisch kaum gefürchtet haben  – im Unterschied etwa zum NS-Lehrerbund, NS-Rechtswahrerbund usw., die tatsächlich zeitweilig Angst hatten, von der DAF geschluckt zu werden. 173 Vgl. Böhle, PKV, S. 55, sowie ders., »Juden«, S. 25 bzw. S. 48. 174 Hilgard an Schacht vom 7. Jan. 1938, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10 317, Bl. 9 f.

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Eher durchschnittliche Wachstumsraten: die Ring-Versicherungen in den ersten Jahren nach der NS-»Machtergreifung« Die enge Verfilzung zwischen der DAF und ihren Versicherungsgesellschaften sollten nicht vergessen lassen, dass sich Deutscher Ring und Volksfürsorge noch in einer weiteren Hinsicht grundsätzlich voneinander unterschieden. Der DHV als der Eigentümer der DR-Versicherungen hatte den »nationalen Aufbruch« des Reichskabinetts Hitler enthusiastisch begrüßt und sich der Arbeitsfront freiwillig angeschlossen. Mit der Selbstauflösung des DHV in die DAF hinein, die im Mai 1933 begann und Ende Februar 1934 abgeschlossen war,175 glich die Inbesitznahme der DR-Versicherungen durch die Arbeitsfront einer ›freundlichen Übernahme‹, während die Volksfürsorge offen geraubt worden war, nachdem die NS-Bewegung den ADGB wie die anderen Organisationen der linken Arbeiterbewegung brachial zerschlagen hatten. Aufgrund der geschilderten Affinitäten zwischen dem DHV und der NS-Bewegung vor 1933 kam es in den Geschäftsführungen sowie den Vorständen der DR-Versicherungen zu keinen politisch begründeten personellen Veränderungen.176 Auch auf den mittleren und unteren Angestelltenebenen scheinen Fluktuationen infolge der NS-Macht­ergreifung gering gewesen zu sein. Diese personelle Stabilität, die auf eine Kontinuität auch der inneren Unternehmenskultur schließen lässt, trug zur ökonomischen Stabilisierung und zum schon bald einsetzenden Aufschwung der DR-Versi­che­rungen maßgeblich bei. Hinzu kam, dass die politischen Präferenzen der DAF-Führung bis 1945 eindeutig beim Deutschen Ring lagen, wie der Vorstand der Volksfürsorge mehrfach schmerzlich erfahren musste. Daneben erwies sich die stabile Verankerung des DHV und mit ihm der Ring-Versicherun­gen im deutsch-völ­ki­ schen Angestelltenmilieu als Startvorteil in die neue Zeit, die der Nationalsozialismus 1933 versprach. Angesichts der starken Stellung des DHV in der deutschen Angestelltenschaft besaßen und behielten die DR-Versicherungen einen festen Kundenstamm, den sie durch gezielte Werbeaktionen sowie durch die erwähnte enge Kooperation mit dem politischen Apparat der Arbeitsfront systematisch ausbauten. Der Erfolg blieb nicht aus. Zunächst der Blick auf die DR-Kran­kenversicherung als dem wichtigsten Zweig des Deutschen Rings, und hier wiederum auf die Individual- bzw. Familienversicherungen:177 1933 lag die Zahl der Versicherungsnehmer hier bei 175 Nach einer Vereinbarung zwischen Ley und dem Vorsitzenden des DHV vom 4. Mai 1933 firmierte der DHV zunächst als einziger Verband für männliche kaufmännische Angestellte innerhalb der DAF. Mit der Organisationsreform vom Febr. 1934 verschwand der DHV auch nominell. 176 Anscheinend gab es zwei Ausnahmen von dieser Regel: So nahm sich der Vorstandsvorsitzende der DR-Lebensversicherung im Frühjahr 1933 das Leben, der Aufsichtsratsvorsitzende desselben Zweigs der DR-Versicherungen trat im Mai 1933 zurück. Vgl. Fortschrittlicher Versicherer seiner Zeit, S. 14; Böhle, PKV, S. 42. Dass dahinter politische Motive standen, ist wahrscheinlich, jedoch nicht nachgewiesen. 177 Nach einer Aufstellung aus dem Jahre 1936 waren 33,8 % der Mitglieder der DR-Krankenversicherung Männer, 44,7 % Frauen und 21,5 % Kinder. In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 11.

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gut 260.000, zehn Jahre später (1943) hatte er sich auf mehr als 500.000 Individualversicherungen in etwa verdoppelt. In ähnlichen Dimensionen wuchsen die Prämieneinnahmen, von 12,5 Mio. RM auf 23,0 Mio. RM (Tabelle 2.8.).178 Hinzu kam, dass der Deutsche Ring an »Gefolgschaftsversicherungen« – einer Sonderform der »Gemeinschaftsversicherung«, die Unternehmer für ihre Belegschaften abschlossen – noch stärker partizipierte als die Volksfürsorge. Hintergrund dieser Entwicklung war, dass die Arbeitsfront vor allem in den ersten »Leistungskämpfen der Betriebe« Leistungen der betrieblichen Alters- und Krankenvorsorge in besonderem Maße prämierte. Da die Auszeichnung »Musterbetrieb« in diesen Leistungskämpfen für die einzelnen Unternehmen oft ausgesprochen werbewirksam war, übten örtliche sowie betriebliche Repräsentanten der DAF erfolgreich Druck aus, eine »Gefolgschaftsversicherung« über betriebliche Zuschüsse im Krankheits- oder Invaliditätsfall mit einem der beiden DAF-Un­ter­neh­men abzuschließen. Vor allem wegen dieser kollektiven Belegschaftsversicherungen vervierfachte sich die Zahl der in beim Deutschen Ring in Gemeinschaftsversicherungen krankenversicherten Personen allein innerhalb der vier Jahre von 1935 bis 1938 von 170.000 auf 691.000. 1943 sollen es schließlich eineinhalb Millionen Menschen gewesen sein, die auf diese Weise beim Deutschen Ring krankenversichert waren. Aufs Ganze gesehen hielt sich der Stellenwert der Gemeinschaftsversicherungen für Unternehmen wie für NS-Organisatio­nen im Rahmen der DR-Krankenversi­che­rung allerdings in Grenzen: Die Prämien für diese kollektiven Versicherungen hatten sich zwischen 1936 und 1939 von 450.000 RM auf 1,6  Mio. RM absolut zwar mehr als verdreifacht. Ihr Anteil an der Gesamtheit der Prämieneinnahmen blieb mit 2,4 % 1936 und 7,6 % 1939 letztlich jedoch bescheiden. Bis 1942 sank ihr Anteil sogar wieder auf 4,2 % (Tabelle 2.8.). Davon, dass sich die DR-Krankenversiche­rung ideologisch starke Affinitäten zu den Zielen des NS-Regimes nach 1933 erhielt, zeugt ihre versicherungstechnisch umgesetzte Unterstützung der pronatalistischen Politik des Regimes. Während andere private Krankenversicherungen sich häufig weigerten, bei Normalgeburten Leistungen zu erstatten, war genau dies für die DR-Kran­ken­ versicherung selbstverständlich. In einem Schreiben an die Wirtschaftsgruppe Privatversicherung begründete der Vorstand der DR-Krankenversiche­rung dies damit, dass die Erstattung von Leistungen bei Entbindungen »nicht einseitig von Standpunkt der Rentabilität, sondern nur unter Berücksichtigung der übergeordneten Belange einer nationalsozialistischen Gesundheitsführung« betrachtet werden könne. Ebenfalls im Einklang mit NS-Ideologemen verweigerte 178 Inkl. Prämien für Gruppenversicherungen. Alle Angaben beziehen sich auf das »Altreich«; nicht einbezogen sind die Tochtergesellschaften in Österreich und anderen Gebieten Europas. Wenn sich der Be­stand an Versicherten von 1938 auf 1939 im Vergleich zu den Vorjahren und ebenso den nachfolgenden Jahren um etwa 20 % weit überdurchschnittlich erhöhte, dann war dies wesentlich darauf zurückzuführen, dass sich die DR-Krankenversicherung Mitte 1939 die Bestände des in Konkurs gegangenen »Hamburger Krankenversicherungs-Vereins von 1882« einverleibte. Vgl. Böhle, »Juden«, S. 32.

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der Deutsche Ring bei einem Suizid von Wehrmachtsangehörigen die Zahlung von Sterbegeld (sofern die Selbsttötung nicht »in geistiger Umnachtung« geschah). Die »feige Flucht vor der Verantwortung« in zugespitzten militärischen Situationen wollte das stramm nationalsozialistische Versicherungsunternehmen nicht noch prämieren.179 Gleichzeitig wurde die DR-Krankenversicherung zum Vorreiter bei der Modernisierung der Versicherungsstrukturen: Mitte der dreißiger Jahre führte die Ring-Versicherung die Selbstbeteiligung der Versicherten ein, um auf diese Weise die Krankheitskosten zu senken.180 Die Absicht, dadurch die Ausgaben zu reduzieren und die Rentabilität zu erhöhen, ließ sich vorzüglich mit den Interessen des Regimes vereinbaren, die Krankenstände und die Krankheitsdauer zu drücken und auf diese Weise zusätzliche Leistungspotentiale für Aufrüstung und Krieg zu mobilisieren. In den ersten Jahren lag das Wachstum des Versichertenbestandes und der Prämieneinnahmen der DR-Krankenversicherung über dem der meisten anderen Gesellschaften. In den Vorkriegsjahren bewegten sich die entsprechenden Wachstumsraten und ebenso die Verwaltungskosten dieses Zweiges des Deutschen Rings dann im Trend der Großen der Branche (Tabelle 2.9.). Hintergrund dieser Entwicklung war, dass der Ring (wie geschildert) nur in den Anfangsjahren der NS-Diktatur als die Versicherung der Hitler-Bewegung gegolten hatte und danach dann die Partei und ihre Organisationen auch andere Versicherungsunternehmen mit Krankengemeinschaftsversicherungen beglückten. Diesen Bedeutungsschwund und gleichzeitigen Image-Verlust konnte die DRKrankenversicherung durch die angesprochene Verflechtung mit der Arbeitsfront und den politischen Druck, den die DAF vor allem durch den »Leistungskampf der Betriebe« aufbaute, lediglich kompensieren. Extraordinäre Vorteile erwuchsen ihr daraus offensichtlich nicht. Im Unterschied zur starken Ring-Krankenversicherung als der fünftgrößten deutschen privaten Krankenversicherung (Tabelle 2.9.) – und ebenso im Unterschied zur Volksfürsorge-Lebens­versi­che­rung – blieb die Entwicklung des DRZweigs Lebensversicherung zunächst verhalten. Die Gesamtversicherungssumme, die 1932 bei etwas mehr als 400 Mio. RM lag, hatte sich bis 1937 zwar um 50 % erhöht. Zu den Großen der Branche konnte sie jedoch erst 1938 aufschließen. In diesem Jahr verdoppelte sich der Bestand der DR-Lebens­ver­sicherung von 618 Mio. RM (1937) auf 1.389 Mio. RM (Tabelle 2.10.). Hintergrund dieses Sprunges war die oben angesprochene Übernahme der Großlebensversicherungen der vormals christlich-natio­nalen, von der DAF dann liquidierten Deutschen Lebensversicherung. Hinzu kamen einige Monate später die Bestände der Österreichischen Ring-Lebensversicherungs AG in Höhe von 135 Mio. RM.

179 Nach: Böhle, PKV, S. 168 ff. 180 Vgl. Deutscher Ring, Geschäftsbericht 1938, S. 6; Böhle, PKV, S. 70.

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Antisemitismus als Konkurrenzvorteil – innerhalb und außerhalb des Konzerns Für den Deutschen Ring des DHV war der ihm seit seiner Gründung eingeschriebene Antisemitismus nach 1933 ein kaum zu unterschätzender Konkurrenzvorteil. Er war ein Konkurrenzvorteil gegenüber den etablierten Unternehmen und ebenso innerhalb des Konzerns, also gegenüber der Volksfürsorge, der – als vormals freigewerkschaftlichem Unternehmen – Rassismus und Antisemitismus 1933 von außen oktroyiert werden mussten. Weil die Belegschaft wie die Kundschaft der DR-Versicherungen »judenfrei« waren, konnte der Deutsche Ring nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten glaubhaft Konkurrenten wie die »Barmenia« und deren »Nationale Versicherungs AG«, aber auch die Allianz als »verjudet« denunzieren.181 Entsprechende Diffamierungen trafen sich mit der unter Nationalsozialisten verbreitete Forderung nach »Entjudung« der privaten Krankenversicherung (PKV) und hier nicht zuletzt mit dem in der deutschen Ärzteschaft besonders ausgeprägten Antisemitismus. Bereits im Mai 1933 vereinbarte der »Leipziger Verband« der PKV mit dem Hartmann-Bund und der Kassenärztlichen Vereinigung, dass jüdische Ärzte lediglich für jüdische Versicherte Rechnungen ausstellen, mithin auch nur diese behandeln durften.182 Vor diesem Hintergrund erwies sich die werbende Feststellung der Ring-Versicherungen, immer schon »judenfrei« gewesen zu sein, mit Blick auf künftige Kun­denpotentiale als ausgesprochen zugkräftig. Namentlich im – alten wie neuen – Mittel­stand, der die Hauptklientel der PKV bildete, waren Judenfeindschaft und Antisemitismus seit langem weit stärker verbreitet als in der zumeist gesetzlich versicherten Arbeiterschaft.183 Eine besonders perfide Form antisemitischer Praxis ließen sich die verantwortlichen Akteure der DR-Krankenversicherung nach dem Novemberpogrom einfallen. Im September 1938 war den jüdischen Ärzten die Approbation aberkannt worden; nur wenigen von ihnen war – zu »Heilbehandlern« degradiert – erlaubt worden, jüdische Patienten, und nur sie, medizinisch zu betreuen. Diese Verordnung bot der Ring-Kran­kenversicherung noch im Oktober 1938 die Möglichkeit, die – wenigen – bis dahin unerkannten jüdischen Versicherten (die laut Verordnung lediglich jüdische Mediziner aufsuchen durf­ten) zu identifizieren 181 Vgl. Böhle, PKV, S. 56. Zur Denunziation durch Repräsentanten des DR, die Allianz sei »eine Hauptstütze der jüdischen Hochfinanz« Mitte 1933 und der anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung vgl. auch Feldman, Allianz, S. 120. Antisemitische Diffamierungen waren freilich keine Spezialität nur des Deutschen Rings. Vgl. Böhle, »Juden«, S. 25. 182 Vgl. ders., PKV, S. 58. 183 Zum weit überdurchschnittlich hohen Prozentsatz mittelständischer Wähler an der Gesamtwählerschaft der NSDAP (als wichtigstem Indikator) vgl. Jürgen Falter, Hitlers ­Wähler, München 1991, bes. S. 288; allgemein z. B. Helmut Berding, Moderner Antisemitismus, Frankfurt a. M. 1988, S. 120-133, oder Shulamit Volkov, Zur sozialen und politischen Funktion des Antisemitismus. Handwerker im späten 19. Jahrhundert, in: dies., Antisemitismus als kultureller Code, München 2000, S. 37-53, hier: S. 37 ff.

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und aus der Kasse auszustoßen. Die DAF-Gesell­schaft nutzte die Verordnung außerdem, um nicht-jüdi­schen Patienten den Versicherungsschutz zu entziehen, wenn diese sich weiterhin von jüdischen Ärzten behandeln ließen; gleichzeitig wurden letztere kriminalisiert.184 Von der DAF als Mutterorganisation wurden solcherart antisemitische Praktiken wie überhaupt die antisemitische Tradition des Deutschen Rings besonders goutiert, ließen sich Ley und die Arbeitsfront in puncto Antisemitismus doch von kaum einer anderen NS-Orga­ni­sation übertreffen. Zugleich brachten die Protagonisten des Deutschen Rings damit die Volks­f ürsorge, die auf eine demokratische, nicht-antisemitische Vorgeschichte zurückblickte und von den NS-Rassisten als »Juden« stigmatisierte Menschen unter ihren Angestellten wie ihren Kunden zählte, im konzerninternen Konkurrenzkampf ins Hintertreffen. Wie reagierte die Volksfürsorge darauf ? Deren im Frühjahr und Sommer 1933 überwiegend neu eingesetzten Vorstände wurmte, dass sie nicht ihrerseits mit eingespielten antisemitischen Praktiken protzen konnten. Sie traten mit dem Deutschen Ring in einen Wettbewerb um antisemitische Systemkonformität und such­ten das von ihnen geführte Versicherungsunternehmen mög­lichst rasch »judenfrei« machen. Bereits in den ersten Monaten nach der NS-Machter­ oberung waren die jüdischen Angestellten und ebenso die nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als »Juden« klassifizierten Vertrauensleute, die nebenberuflich die monatlichen Beiträge der Versicherer kassierten, entlassen worden.185 Als Versicherte nahm die Volksfürsorge Juden dagegen auch nach 1933 auf  – mit der zynischen Begründung, es sei »verwerflich, wenn Juden ihre Prämien an ausländische, im Deutschen Reich zugelassene Gesellschaften abführen.«186 Das Unternehmen verstand sich also als Teil der Institutionen des NS-Regimes, die es sich zur erklärten Aufgabe gemacht hatten, die deutschen Juden ihrer Vermögen und ihres sonstigen Eigentums zu berauben. Nach den Novemberpogromen ließ die Volksfürsorge ihre jüdischen Versicherten gänzlich fallen. Anfang Dezember 1938 ordnete der Vorstand unter dem Signum »Abwickeln« an, dass der Außendienst das Inkasso jüdischer Versicherter einzustellen habe, die Versicherungen zu stornieren und die »nicht-­­ari­ schen« Versicherten zum – niedrigen – Rückkaufswert auszuzahlen seien. Dieses Verfahren war ein eklatanter Rechtsbruch; denn eigentlich durften Versiche184 In der Arbeitsanweisung vom Okt. 1938 wurden die Geschäftsstellen des DR angewiesen, alle Rechnungen und sonstigen Unterlagen jüdischer Ärzte »zwecks des Ausschlussverfahrens« an die Hauptverwaltung in Hamburg zu schicken. Auch wenn »es sich bei den einen jüdischen Heilbehandler in Anspruch nehmenden Mitgliedern nicht um Juden« handele, seien »die Unterlagen zwecks Prüfung der etwa zu veranlassenden Maßnahmen nach Hamburg zu senden«, da sich dann »der jüdische Heil­behandler eines strafbaren Verstoßes gegen Grundgesetze des deutschen Volkes schuldig gemacht« habe. Nach: Böhle, »Juden«, S. 41. 185 Nach NS-Kriterien »halbjüdische« Angestellte wurden anfangs noch weiter beschäftigt. Ihnen wurde ab 1935 gekündigt. Vgl. ebd., S. 45 f. 186 Vgl. ebd., S. 15, bzw. Böhle, PKV, S. 99.

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rungsgesellschaften Verträge nicht einseitig kündigen. Dass man hier Gesetze und überkommene rechtliche Gepflogenheiten empfindlich verletzte, störte auf Seiten der Volksfürsorge indes offenkundig nie­manden.187 In der Folgezeit intensivierte sich dieser Wettstreit zwischen der Volksfürsorge und dem auf seine antijüdische Vorgeschichte stolzen Deutschen Ring weiter. Ähnlich skrupellos wie im »Altreich« verfuhr die Volksfürsorge mit jüdischen Versicherten von Unternehmen, die sie sich in den seit 1938 okkupierten Gebieten angeeignet hatte. Jüdische Pensionäre des slowakischen Ablegers der Wiener Anker-Versicherung wurden mit »lächerlich geringen Beträgen« (Böhle) abgefunden. Die slowakischen Staatspapiere, in denen die »Anker« einen hohen Prozentsatz ihres Versicherten-Kapitals angelegt hatte, wurden 1943 in Hypothekendarlehen für den Siedlungsbau der Reichswerke »Hermann Göring« umgewandelt. Es war der Volksfürsorge ausdrücklich »eine besondere Genugtuung, gerade auch das nicht aus volksdeutschen Kreisen herrührende Geld unseren deutschen Zwecken nutzbar zu machen.« Für die Polnische Sparkassenversicherung, die das DAF-Unternehmen »treuhänderisch« verwaltete, verfügte der Volksfürsorge-Vorstand Anfang November 1939, dass »die jüdischen Policen sowie diejenigen, deren Inhaber außer Landes gegangen sind, entschädigungslos zum Storno gebracht« werden sollten. Ähnlich verfuhr die Volksfürsorge mit Juden, die in den Gesellschaften und Sterbekassen versichert waren, die sie in Luxemburg und Elsass-Lothringen übernahm. Auch in Ungarn wollte sich der Volksfürsorge-Vorstand von der jüdischen Kundschaft mit »Stornogewinn befreien«. Mit der Expansion der Volksfürsorge in den ›europäischen Großraum‹ hinein wurden Versichertenbestände teilweise im bewussten Kalkül übernommen, jüdische Versicherte zu enteignen. So erhielt z. B. die Ostmärkische Volksfürsorge zahlreiche Versicherungen von österreichischen Juden aus dem Bestand der »Allianz und Gisela Versicherungsverein AG« (Allgis), die aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 zugunsten des Reichs enteignet wurden.188 Dasselbe war der Fall, als die »ostmärkische Volksfürsorge« 1940 den slowakischen Bestand der Wiener Anker Allgemeine Versicherungsgesellschaft AG übernahm. Die Leitung des DAF-Versicherungsunternehmens verbarg in einem auf den 25. Februar 1943 datierten Schreiben an den »Volksgruppenführer« der »deutschen Volksgruppe« in der Slowakei ihre Befriedigung über diese stille »Arisierung« nicht. »Diese Gelder stammen […], da der Anker sehr stark in jüdischen Kreisen arbeitete, nur zu einem verschwindend geringen Teil aus volksdeutschen Kreisen.« Es war der Volksfürsorge »eine besondere Ge187 Das Vorgehen der Volksfürsorge war auch durch rechtliche Sondervorschriften »zur Behandlung jüdischer Lebensversicherungen« nicht sanktioniert. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 67 f.; ders., Lebensversicherung, S. 66 f.; ders., Expansion, S. 184; ders., »Juden«, S. 15. Böhle vermutet, dass die Zahl der Betroffenen klein gewesen sei, da das Gros der bei der Volksfürsorge Versicherten aus der Arbeiterschaft kam und dort der Anteil der Juden traditionell gering war. 188 Vgl. Böhle, Expansion, S. 188.

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nugtuung, gerade auch das nicht aus volksdeutschen Kreisen herrührende Geld unseren deutschen Zwecken nutzbar zu machen.«189 Im Vorfeld von Übernahmen südost-europäischer ­Versicherungsunternehmen wurde auch sonst unverblümt mit solchen »Arisierungs«-Gewinnen kalkuliert. So forderte der Vorstandsvorsitzende des Volksfürsorge-Konzerns ­Diedrich Pollmann den Vorstandsvorsitzenden der Ostmärkischen Volksfürsorge und SüdostBeauftragten des Hamburger Unternehmens Gerhard Hecklinger auf, ge­nau zu prüfen, »wieviel jüdische Kundschaft sich bei der Ungarn-Leben befindet und ob die Judengesetzgebung irgendwie die Möglichkeit bietet, sich von dieser Kundschaft mit Stornogewinn zu befreien«, als dieser sich Ende 1940 anschickte, die Bedingungen für die Übernahme der magyarischen Versicherung im bis Mitte März 1944 nominell unabhängigen Ungarn auszuhandeln.190 Ebenso verfielen die Policen der jüdischen Versicherten der Polnischen Sparkassen-Versicherung. Die Volksfürsorge konnte den Deutschen Ring zwar nicht übertrumpfen. Sie eiferte den ehemaligen DHV-Versicherungen jedoch nach, indem sie den Antisemitismus nun ihrerseits gegenüber anderen, ›normalen‹ Versicherungsunternehmen in Stellung brachte. So wurde die Donau-Concor­dia Allgemeine Versicherung, die mit der »Ungarischen Lebens- und Rentenversicherungsanstalt (Ungar-Leben)«, einer Ende 1940 erworbenen Tochtergesellschaft der Volksfürsorge, konkurrierte, bei führenden Vertretern der deutschen Volksgruppe in Ungarn Anfang 1942 mit dem Hinweis denunziert, »dass der Organisationsleiter der Donau[-Concordia] in Ungarn der Jude Fjodor ist«.191 Nicht zuletzt bestimmte der Antisemitismus das Handeln der verantwortlichen Akteure auf Seiten der Volksfürsorge beim Immobilienerwerb. So stellte der erwähnte Hecklinger den Kauf eines neuen Verwaltungsgebäudes für die Ungar-Leben Anfang Oktober 1941 (!) mit der so zynischen wie prophetisch anmutenden Bemerkung zurück, dass die anstehende »weitere Lösung der Judenfrage einen sehr gründlichen Wandel gerade auf dem Grundstücks­markt mit sich bringen wird und dass deshalb in einem oder einem halben Jahr die schönsten Geschäftshäuser zu sehr billigen Preisen zu haben sein werden.«192 Schon zuvor war die Volksfürsorge in größerem Umfang an »Arisierungen« von Immobilien beteiligt gewesen.193 Eine wieder andere Variante der »Arisierung« war die umgehende Liquidierung der Pensionszusagen für ehe­malige jüdische Direktoren nach der Übernahme eu-

189 Nach: ebd., S. 191. 190 Vgl. ebd., S. 194. Zum Umgang der Volksfürsorge mit den jüdischen Versicherten der Polnischen Sparkassen-Versicherung vgl. ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 120. 191 Zuvor hatte der neu eingesetzte Vorstand der Ungar-Leben sämtliche jüdischen Angestellten, etwa ein Drittel der Gesamtbelegschaft, entlassen. Vgl. ders., Expansion, S. 193. 192 Vgl. inkl. Zitate: ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 110, 120, 125, 129; ders., Expansion, S. 194; ders., Lebensversicherung, S. 73 f. 193 Vgl. ebd., S. 61.

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ropäischer Versicherungsunternehmen durch den DAF-Konzern. Dies war z. B. 1938 bei der erwähnten »Allgis« der Fall.194 Die Bemühungen der Volksfürsorge, den Vorsprung der DR-Versicherungen in Sachen Antisemitismus aufzuholen, gestalteten sich alles in allem betrachtet allerdings wie das Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel: Der Deutsche Ring war immer schon da. Dies galt z. B. für die antisemitischen Praktiken in Österreich, wo die ÖVAG bis zur Übernahme durch die DR-Ver­sicherung mehr als die Hälfte aller jüdischen Versicherungspolicen gehalten hatte;195 sie wurden von der DAF-Versicherungsgesell­schaft nach dem Eigentümerwechsel umgehend enteignet. Eine vergleichbare antisemitische Geschäftspolitik praktizierte der Deutsche Ring auch im übrigen besetzten Ausland. Da sich die DRVersicherungen auf diesem für die NS-Diktatur zentralen Feld weder praktisch noch ideologisch eine Blöße gaben, konnte die Volksfürsorge konzerninternen Vorsprung des Deutschen Rings hier bis 1945 nicht wettmachen.

4.6. Die Expansion des Deutschen Rings ab 1938 Die Rivalität zwischen Volksfürsorge und Deutschem Ring beschränkte sich nicht auf den Antisemitismus. Beide Versicherungsgruppen wetteiferten auch miteinander, als es darum ging, auf den Spuren des, wie der Leiter der TWU formulierte, »siegreichen deutschen Heeres« in die unterworfenen Gebiete »einzudringen«.196 Eine marktbeherrschende Stellung in Österreich Die Österreichische Versicherungsgesellschaft (ÖVAG), die größte Privatversicherung der neuen »Ostmark« – 1937 entstanden aus dem Zusammenbruch der Versicherungsgesellschaft Phönix197 – wurde zum Standbein der DR-Lebensversicherung in Österreich. Sie war im Sommer 1938 zunächst von der Volksfürsorge aufgekauft und dann an die Ring-Versicherung nicht ganz freiwillig ›weiterge-

194 Vgl. Böhle, Expansion, S. 189. 195 Vgl. Stiefel, Österreichische Lebensversicherungen, S. 116. 196 Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940, Jan. 1941, S. 5, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. Zur besonderen Aggressivität der beiden DAF-Versicherungsgruppen im Ausland vgl. auch Feldman, Allianz, S. 418. 197 Zur Entstehung der ÖVAG als eine der Auffanggesellschaften der zusammengebrochenen Phönix und ihrer Entwicklung bis Anfang 1938 vgl. Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 710-722, sowie Stiefel, Österreichische Lebensversicherungen, S. 32 ff. Ende 1937 zählte die ÖVAG 440 Angestellte. Vgl. Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 717. Bis Anfang der vierziger Jahre wuchs diese Zahl auf knapp tausend an. Im April 1945 zählte die ÖVAG 819 hauptberufliche Mitarbeiter.

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reicht‹ worden.198 Der Vorstand der Volksfürsorge hätte die lukrative ÖVAG gern selbst behalten, konnte sich jedoch gegen die Besitzansprüche des Deutschen Rings nicht wehren, da jene von der DAF-Führung massiv unterstützt wurden. Den Kauf der ÖVAG finanzierte der Deutsche Ring via DAF aus dem Vermögen der aufgelösten österreichischen Gewerkschaften.199 Seit März 1939 firmierte die ÖVAG, die nach ihrer Inbesitznahme durch die Arbeitsfront umgehend und rigoros alle jüdischen Belegschaftsmitglieder entließ,200 als »Deutscher Ring, Österreichische Lebensversicherungs-AG«. Mit der ÖVAG wurde der Deutsche Ring in der »Ostmark« zu einem Schwergewicht in der dortigen Lebensversicherungsbranche. Nach dem »jüdischen Schock«201 von 1938, d. h. der de facto entschädigungslosen Enteignung der relativ großen Zahl jüdischer Versicherter infolge der Übernahme der Österreichische Versicherungsgesellschaft durch den Deutschen Ring,202 prosperierte die ÖVAG-Leben kräftig: Die Neuzugänge an Versicherungen lagen 1940 bei 40,2 Mio. RM und 1941 bei 41,7 Mio. RM. Der Gesamtbestand wuchs bis Ende September 1942 auf schließlich 470,2 Mio. RM. Insgesamt konzentrierte die ÖVAG zunächst ein Drittel, später gut die Hälfte sämtlicher österreichischer Lebensversicherungen auf sich.203 Die Verwaltungskosten des österreichischen Ablegers der DR-Lebensversicherung sanken von 56,5 % 1939 auf 1941 48,1 %. Entspre­ chend erhöhte sich der Reingewinn. Ab 1940 wurde die DR-Lebensversiche­ rung/ÖVAG »im gesamten Donauraum« aktiv.204 Auch im Bereich der Krankenversicherung gelang es dem Deutschen Ring, sich im angegliederten Österreich ein kräftiges Standbein zu verschaffen, indem er die traditionsreiche Wiener Versicherung »Krankenhilfe-Collegialität«, eine Wahlkasse für Angestellte, übernahm und sich einverleibte. Sie wurde im März 1939 in »Deutscher Ring, Österreichische Krankenversicherung Anstalt auf Gegenseitigkeit« umbenannt.205 Die Krankenversicherung des österreichischen 198 Zum ganzen Vorgang: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 24. Vgl. auch die Tagespresse vom 10. bzw. 11. Jan. 1939 sowie oben, S. 255 ff. 199 So jedenfalls Stiefel, Österreichische Lebensversicherungen, S. 86. Vgl. ferner Gerhard Schreiber, Die Interunfall Versicherung und die Riunione di Sicurtà in Wien (1890-2004), Wien 2007, S. 47 f. 200 Vgl. Böhle, PKV, S. 215. 201 Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 726. 202 Die große Zahl jüdischer Versicherter in der ÖVAG erklärt sich damit, dass deren Vorgänger-Gesellschaft, »der Lebens-Phönix, die von den österreichischen Juden favorisierte Versicherung gewesen war.« Vgl. zu diesem Enteignungsvorgang Feldman, Allianz, S. 328 f., Zitat: S. 328; ferner Böhle, »Juden«, S. 17, 20. Die 1938 gegenüber den jüdischen Versicherten der ÖVAG geübte Praxis wiederholte die DR-Krankenversicherung wenig später, als sie 600 jüdische Versicherte aus dem von ihr übernommenen Hamburger Krankenversicherungsverein von 1882 ausstieß. Vgl. ebd., S. 32. 203 Stiefel, Österreichische Lebensversicherungen, S. 86, 113 204 Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 727. Genauere Angaben über Formen und Dimensionen der ÖVAG-Geschäf­te außerhalb Österreichs liegen freilich nicht vor. 205 Böhle, PKV, S. 213 f.; Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 725.

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Deutschen Rings boomte gleichfalls. 1938/39 zählte sie rund 24.000 Versicherte; bis 1940 hatte sich deren Zahl auf 41.864 fast verdoppelt. Sie stand damit, wie der zuständige DAF-Amtsleiter stolz zu berichten wusste, »an der Spitze der gleichgerichteten Unternehmen in diesem Wirtschaftsgebiet«.206 Die anfangs kleine Sachversicherung unter dem Dach der ÖVAG bzw. des Deutschen Rings (auf die noch einzugehen ist) konnte ihren Bestand sogar verzehnfachen.207 Angelegt wurde das angesammelte Kapital aller drei österreichischen »Ringe« ganz ähnlich wie bei den Hamburger Muttergesellschaften fast ausschließlich in ­Staatsanleihen, d. h. es wurde für die Kriegsfinanzierung verpulvert.208 Die Expansion in andere europäische Länder Überaus aktiv war der Deutsche Ring außerdem im Elsass, in Lothringen und in Luxemburg. Hier kamen ihm die guten Kontakte der DAF zu den Stellen der deutschen Zivilverwaltungen zugute, die über die Zulassung der Versicherungen in diesen Gebieten entschieden bzw. darüber zu befinden hatten, welche deutsche Gesellschaft die den französischen Versicherungsunternehmen geraubten Bestände »treuhänderisch verwalten« sollte. Der DR-Krankenversicherung wurden die Bestände der Compagnie D’Assurances Générales Paris, der Straßburger Krankenkasse, der Elsass-Lothringischen Krankenversicherungs-Gesellschaft, der luxemburgischen Terra-Versi­che­rung sowie weiterer französischer Unternehmen und damit der weitaus größte Teil aller Versichertenbestände übergeben. »Treuhänderische Verwaltung« war ein Euphemismus: Über lang oder kurz sollten die Versicherungen in den Besitz der deutschen Gesellschaften übergehen. Bei der Ring-Krankenversicherung begann dies 1943, als die Bestände der luxemburgischen Terra-Ver­siche­rung auch faktisch auf die Hamburgische DAFGesell­schaft übertragen wurden.209 Wie die Volksfürsorge ließ es der Deutsche Ring nicht bei einer Ausdehnung der Unternehmensaktivitäten in die dem Großdeutschen Reich unmittelbar eingegliederten Gebiete bewenden. Die Krankenversicherung des Rings expandierte insbesondere in Belgien, als deutsche Gesellschaft, ohne sich hinter dem Firmenmantel einer einheimischen Gesellschaft zu verstecken. Die DR-Le­bens­versicherung wiederum verzeichnete noch 1943 namentlich »im niederländischen Raum gute Erfolge«.210 Auch das östliche Europa war im Fo206 Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 196), S. 16. 207 Nach den Prämieneinnahmen. Alle Angaben nach: Thür, Österreichische Versicherungsgesellschaft, S. 726. 208 Entsprechend niedrig waren die Zinssätze. Im Herbst 1938 wurde die DR/ÖVAG außerdem angewiesen, der Volkswagen GmbH ein Darlehen von zwei Mio. RM zur Verfügung zu stellen. Vgl. ebd., S. 735. 209 Böhle, PKV, S. 236 f. 210 Zitat aus dem von Hans Strauch in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender erstellten Jahresbericht der DR-Lebensversicherungs AG für 1943 (vom Dez. 1944), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 9.

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kus des DAF-Unterneh­mens. In Tschechien über­nahm der Deutsche Ring die Lebensversicherungsbestände der aus dem Zusammenbruch des »Phö­nix« hervorgegangenen, nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die CSR dann zunächst liquidierten »Star«-Versiche­rungsge­sell­schaft. Zusätzlich wurde der DRLebensversicherung der »Bestand der Versicherungsgesellschaft Vita-Kotwica treuhänderisch« überwiesen.211 Den – unbedeutenden – Bestand der Einzelunfallversicherungen sowie der Unfall-Zusatz­ver­sicherungen des »Star« erhielt die Ring-Versi­che­rung »unter stiller Duldung der hiesigen Aufsichtsbehörde« erst Anfang 1944.212 Das änderte allerdings nichts daran, dass die Erfolge der RingLebens­versi­cherung dort noch 1943/44 »alle Erwartungen übertroffen« hätten und insbesondere die Entwicklung der von der zum DR-Konzern gehörenden ÖVAG »mitbegründeten STAR Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft in Prag einen überaus günstigen Verlauf genommen« habe.213 Über ihre österreichische Tochter wurde die DR-Krankenver­si­cherung außerdem in der Slowakei aktiv. In Polen erhielt die Krankenversicherung des Rings den Zuschlag für die ostoberschlesischen Ver­sicherten der bis September 1939 einzigen polnischen Krankenversicherung, der »Warschauer Krankenversicherungs AG«. Symptomatisch ist, dass sie ausdrücklich ausschließlich nur deren »volksdeutschen Bestand« betreuen wollte,214 nicht-deutsche Versicherte dagegen abstieß. Darüber hinaus wurde die DR-Krankenversicherung auf ›eigene Rechnung‹ aktiv und suchte unter den »Volksdeutschen« auch im Übrigen ehemaligen Polen neue Versicherte zu gewinnen. Legt man den Versichertenbestand des »Warthegaus« zugrunde, war sie mit 1.375 Versichertenverträgen bis Ende 1941 und einer Versichertensumme von 134.000 RM dabei freilich lange nicht so erfolgreich wie ihre privatwirtschaftlichen Konkurrenten.215 Vor allem im Osten und Südosten Europas segregierten die maßgeblichen Manager der DAF-Unternehmen (dies zeigen die vorstehenden Ausführungen in aller Deutlichkeit) die Kundenpotentiale nach rassistischen Kriterien. Geradezu programmatisch formulierte der Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront Hans Strauch dies als Leitlinie in seinem Leistungsbericht für das erste Kriegsjahr: »Die Versicherungsgesellschaften sahen nach den Siegen des deutschen Heeres im Osten und im Westen und der Besetzung dieser Räume durch die deutsche Wehrmacht eine besondere Aufgabe darin, die deutschen Volksgruppen in den Gebie­ten versicherungstechnisch zu

211 Bericht der DR-Lebensversicherung über das Geschäftsjahr 1939, in: ebd. 212 Kratochwill an Strauch (als Leiter des Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF) vom 16. Mai 1944, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 23. Vgl. außerdem ZfF/ AWV, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 110). 213 So Strauch im Ende 1944 abgefassten Jahresbericht der DR-Lebensversicherungs AG für 1943 (Anm. 210) bzw. Kratochwill im gleichfalls im Dez. 1944 geschriebenen Bericht der Wiener DR-Versicherungs­grup­pe für 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 9. 214 Böhle, PKV, S. 234. 215 Vgl. ebd., S. 234 f.

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betreuen.«216 Den Protagonisten der beiden DAF-Versiche­rungs­kon­zerne – und ebenso aller anderen DAF-Unternehmen – galten die polnische und später dann die russische Bevölkerung sowie andere ost- und südosteuropäische Nationen als so minderwertig, dass ihnen keine Lebens-, Kranken- oder Sachversicherungen angeboten werden durften.217 Hieraus einen Gegensatz zwischen wirtschaftlichem Kalkül und ideologischen Erwägungen zu konstruieren, wäre freilich verfehlt. Die rassistischen Vorgaben des Regimes zu befolgen hätte sich in einem nationalsozialistisch beherrschten Europa  – das die DAF-Versicherungsgesellschaften zur Prämisse ihrer Politik machten  – auch ökonomisch ausgezahlt. Denn dort hätten perspektivisch nur die rassistisch privilegierten »deutsch-arischen Herrenmenschen« sowie die Angehörigen weniger »artverwandter« Nationen überhaupt über die finanziellen Mittel verfügt, die angebotenen Versicherungen tatsächlich zu erwerben. Überall dort, wo Beute zu machen war, drängelten sich die zentralen Akteure der DR-Versiche­run­gen wie der Volksfürsorge in die erste Reihe. Namentlich die Protagonisten des Deutschen Rings saßen mindestens ab und an auch selbst am Tisch, wenn die politischen Entscheidungs­träger auf deutscher Seite mit den maßgeblichen Leuten aus den mit dem Dritten Reich verbündeten Staaten aushandelten, welcher Staat bzw. welche Region versicherungs­öko­no­misch zu seinen Einflusssphären zählen durfte. So war der Vorstandsvorsitzende der Deutscher-Ring-Gesellschaf­ten Kratochwill um die Jahreswende 1940/41 führend an den »Besprechungen in Rom über die Neuordnung und Aufteilung der Versicherungsaufgaben zwischen dem Reich und Italien im Südostraum«, also der Verteilung der Pfrün­de in den kurz zuvor okkupierten Regionen der Mittelmeerregion und den mit den Achsenmächten verbündeten Ländern, beteiligt.218 In seiner Kapitalanlagepolitik schließlich unterschied sich der Deutsche Ring nicht grundsätzlich von der Volksfürsorge (Tabelle 2.11.). Bis Kriegsbeginn war der Anteil der Hypotheken bei der DR-Lebensversicherung beträchtlich gewe216 Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 196). 217 In der Slowakei wandte sich die Ostmärkische Volksfürsorge bei der Ausdehnung ihrer Aktivitäten gleichfalls ausschließlich an »Volksdeutsche«. Vgl. Böhle. Expansion, S. 190. In einzelnen Ländern nahmen die beiden DAF-Versicherungsgesellschaften einheimische Bevölkerungsgruppen (sofern dies ›rassisch vertretbar‹ schien und soweit es sich um kaufkräftige Kundenpotentiale handelte) freilich ebenfalls ins Visier, allerdings unter anderem Namen. Die Firmenschilder »Deutscher Ring« und »Volksfürsorge« sollten nach Möglichkeit für die Bevölkerung der deutschen »Volksgemeinschaft« reserviert bleiben. Auch deshalb bemühte sich die Volksfürsorge so verbissen darum, im Protektorat Böhmen und Mähren die »Cechoslavia« bzw. die tschechische »Nationale« aufzukaufen. Die schmalbrüstige Ungar-Leben wurde unter vorläufiger Beibehaltung des eigenen Namens lediglich organisatorisch gesplittet, in einen Zweig für die ungarische Bevölkerungsmehrheit und einen für die dort beheimateten deutschen Volksgruppen. 218 Vgl. Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 196), S. 6.

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die versicherungsgruppe

sen; 1939 betrug er noch ein Drittel. In den folgenden Jahren wurde das für ­Hypotheken zur Verfügung gestellte Kapital gezielt gedrosselt; 1943 lag es nurmehr bei 17 Prozent sämtlicher Vermögenswerte der DR-Lebensversicherung. Wie die Volksfürsorge (und die Arbeitsbank) steckte auch der Deutsche Ring einen rasch wachsenden Anteil des erwirtschafteten Kapitals in Staatspapiere. 1936 machten die staatlichen und kommunalen Anleihen gut 40 Prozent, drei Jahre später 50 Prozent aus; bis 1943 stieg dieser Anteil an den gesamten Kapitalanlagen auf 75 Prozent – bei gleichzeitig fallenden Zinsen. Gewinne und Kapitalien wurden mithin auch beim Deutschen Ring fast vollständig für den Krieg verpulvert.

4.7. Die Gründung der »Deutsche Sachversicherungs AG« und der »Versicherungsring der Deutschen Arbeit GmbH« als Konzerndach Volksfürsorge und Deutscher Ring waren nicht nur im Bereich der Lebens- und privaten Krankenversicherung aktiv. Die freien Gewerkschaften hatten parallel zur »Volksfürsorge Lebensversicherung«, ihrem Hauptgeschäft, außerdem eine genossenschaftliche »Eigenhilfe Allgemeine Versicherungs« AG gegründet. Sie ging nach der »Machtergreifung« gleichfalls in den Besitz der DAF über und wurde Anfang September 1933 in »Volksfürsorge Allgemeine Versicherungs AG« umbenannt. Anfänglich fungierte dieser Versicherungszweig in erster Linie als Sachversicherung der Konsumvereine. Bis Mitte der dreißiger Jahre war er eher eine Subabteilung der Konsumgenossenschaften denn eine eigenständige Versicherung. Zudem war die Volksfürsorge Allgemeine mit der Volksfürsorge Leben eng verknüpft. Die Vorstände beider Gesellschaften waren mit denselben Personen besetzt. Schließlich residierte die Volksfürsorge Allgemeine mit ihren 1933 85, drei Jahre später dann bereits 193 Angestellten im Gebäude der Hamburger Hauptverwaltung der Lebensversicherung.219 Auch der Deutsche Ring besaß zwei weitere Versicherungsgesellschaften, die auf dem Feld der Sachversicherung tätig waren, nämlich die »Deutscher Ring Allgemeine Versicherungs AG« mit Sitz in Hamburg, die 1929 aus der dortigen »Deutschnationalen Feuerversicherungs a.G.« hervorgegangen war, sowie eine weitere »Deutsche Feuerversicherungs AG« mit Sitz in Berlin. Beide Gesellschaften waren für sich genommen kleiner als die Volksfürsorge Allgemeine, die mit Prämieneinnahmen von rund 3 Mio. RM etwa 45 % der Prämien aller drei DAFSachver­si­cherungs­unter­nehmen auf sich konzentrierte. Nach ihrer Eigentumsübertragung auf die DAF Mitte 1933 nahmen alle drei Versicherungen einen kräftigen Aufschwung (Tabelle 2.12.), offenbar parallel zum Auf- und Ausbau der Arbeitsfront. Das Wachstum der Prämieneinnahmen des Sektors der Sachversicherung verweist auf den wachsenden Besitz der DAF an Immobilien und sonstigen versicherungswürdigen Sachwerten. Dieser Zweig 219 Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 34.

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die gründung der »deutsche sachversicherungs ag«

machte zwar den Löwenanteil an den Prämieneinnahmen der Deutschen Sachversicherungs AG insgesamt aus. Sie erhöhten sich jedoch deutlich langsamer als die der drei anderen Sparten »Autokasko«, »Unfall« und »Haftpflicht«. Überproportional war auch das Wachstum der Transport- und Fahrzeugversicherung, die 1936 nicht der Sachversicherung angegliedert wurde, sondern innerhalb des Deutschen Rings selbständig blieb. Während sich die gesamten Prämieneinnahmen der Vorläufer der Deutschen Sachversicherung von 1932 bis 1936 ›nur‹ knapp verdoppelten, verdreifachten sie sich in der Sparte Unfallversicherung während dieses Zeitraums. Die absolut freilich kleine Abteilung Autokasko konnte ihre Prämieneinnahmen in diesem Zeitraum sogar verfünffachen, die »Haftpflicht« immerhin vervierfachen. Die DR-Transport- und Fahrzeugversicherung wuchs ebenfalls kräftig, um etwa das Dreifache. Hinter dieser Entwicklung standen die vom Regime gezielt forcierte Motorisierung, vor allem die Automobilisierung, außerdem Technikbegeisterung und Reiselust der Deutschen des Dritten Reiches – sowie schließlich konkret der Aufbau eines großen Fuhrparks, der der DAF und ihren führenden Funk­tionären zur Verfügung stand. Bis Frühjahr 1936 verfügte allein die Berliner Zentrale der Arbeitsfront über ungefähr 1.500 Personenwagen, etwa sechzig »Grosswagen« (d. h. vor allem Busse und LKW) sowie über 190 Motorräder.220 In der Folgezeit dürfte dieser Fuhrpark erheblich ausgebaut worden sein und sich zudem auch die Gauwaltungen der Arbeitsfront einen eigenen Bestand an PKW zugelegt haben, von den Omnibussen der DAF-Tourismusorganisation KdF ganz abgesehen. In welchen Dimensionen es den Vorläufern der DAF-Sachversicherung gelang, darüber hinaus den Fuhrpark der NSDAP und anderer Organisationen in versicherungstechnische Ob­hut zu übernehmen, ist ebenso unbekannt wie die Zahl der sonstigen (Individual-)Ver­si­che­rer (Firmen und Privatleute). Die Deutsche Sachversicherungs AG Mitte Dezember 1936 wurden die drei bis dahin separaten Sachversicherungen der Arbeitsfront, also die »Volksfürsorge Allgemeine Versicherung«, »Deutscher Ring Allgemeine Versicherungs AG« sowie die »Deutsche Feuerversicherungs AG«, zur Deutschen Sachversicherungs AG fusioniert. Die neue Gesellschaft beschäftigte insgesamt etwa 450 hauptamtliche Mitarbeiter.221 Bei der Anwerbung neuer Kunden – über die DAF und deren Unternehmen hinaus – war die Sachversicherung faktisch auf die mehrere Zehntausend zählenden nebenamtlichen 220 Vgl. Eicke-Gutachten vom Juli 1936, nach: Hachtmann, Koloss, S. 214. 221 Bis Ende 1943 war die Zahl der Beschäftigten der Deutschen Sachversicherung nominell auf 573 angewachsen; davon waren allerdings 266 einberufen oder dienstverpflichtet. Die Zahl der Versicherungsnehmer (Verträge) lag im vorletzten Kriegsjahr bei rund eineinhalb Millionen. Die Zahl der Neuanträge lag 1942 bei 90.000 und 1943 bei 59.000 Stück. Nach: Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF, Amt für wirtschaftliche Unternehmungen, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33.

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die versicherungsgruppe

›Außendienstler‹ vor allem der Volksfürsorge angewiesen. Wie zuvor schon der Volksfürsorge Allgemeine vermittelten diese auch der Deutschen Sachversicherungs AG die meisten neuen Versicherungsverträge. Die beachtlichen Wachstumsraten dieses Arbeitsfront-Versicherungszweiges, die sich ab 1937 allerdings abschwächten und seit Kriegsbeginn einer stagnierenden Entwicklung wichen, waren über die genannten Faktoren hinaus einer Versicherungspolitik des DAF-Konzerns geschuldet, die den Interessen der Autofahrer und damit denen des Regimes bewusst entgegenkam. Bereits die Vorgängerunternehmen der Deutschen Sachversicherungs AG zeigten Mitte 1936 keine Hemmungen, die Tarifgemeinschaft der reichsdeutschen KfZ-Sachversicherer zu ihrem Vorteil zu sprengen. Diese Tarifgemeinschaft der Sachversicherungsgesellschaften hatte vor dem Hintergrund eines hohen Schadensaufkommens die Selbstbeteiligung der Versicherten im Schadensfalle einführen wollen.222 Die DAF-Versicherung weigerte sich nicht nur, diesen Schritt mitzuvollziehen, sie senkte sogar die Versichertenprämien um 20 % bis 25 %. Vom Leiter der Wirtschaftsgruppe »Privatversicherung« Andreas Brass, der als Generaldirektor der DAF-eigenen und 1938 aufgelösten »Deutschen Lebensversicherung« als eine Art Sprachrohr der Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront auftrat, wurde diese Politik mit der Bemerkung gerechtfertigt: »Wie darf ich eine Prämie direkt oder indirekt erhöhen, wenn zugleich der Führer vordringliche Mobilisierung fordert?«223 Deutlich wird an diesen Worten von Brass, dass die Deutsche Sachversicherungs AG – wie die anderen Unternehmen der Arbeitsfront auch – nicht allein nach Kriterien betriebswirtschaftlicher Effizienz agierte, sondern bei ihrer Geschäftspolitik auch politisch-ideologische Gesichtspunkte berücksichtigte. Der KfZ-Bereich der Sachversicherungs AG der DAF spielte den Eisbrecher. Im März 1938 wurden die Tarife für KfZ-Versi­cherungen durch den Reichskommissar für die Preisbildung Josef Wagner dann generell um 15 % reduziert. Die Fahrzeugversicherung war das Feld der Zukunft – einer Zukunft allerdings, die bis 1945 uneingelöst blieb. Wenn der Käfer als ziviles Fahrzeug in großer Zahl von den Bändern des Volkswagenwerkes gerollt wäre, hätte sich für die DAF-Versicherungen ein lukrativer Markt von ungeahnter Größe aufgetan. Bereits die Sparer für einen KdF-Wagen zahl­ten ja nicht nur fünf Reichsmark pro Woche, um irgendwann ein solches Auto ihr Eigen nennen zu können. Hinzu kam wöchentlich eine weitere Reichsmark für die Haftpflicht- und TeilkaskoVersicherung, durch die der in Aussicht gestellte Käfer zwei Jahre versichert sein sollte, nachdem er das Werkstor verlassen hatte. Dieser Betrag wurde von der

222 Vgl. oben, S. 199. 223 Nach: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 64. Vgl. außerdem Feldman, ­Allianz, S. 198, 208 f. Auch die im Vergleich zu PKW-Besitzern zahlreicheren Motorradfahrer kamen in den Genuss der durch die DAF-Versicherungen bewirkten gesenkten Tarife für KfZ-Versicherungen. Vgl. Frank Steinbeck, Das Motorrad. Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft Stuttgart 2012, S. 258 f.

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die gründung der »deutsche sachversicherungs ag«

Arbeitsbank und anderen Banken eingezogen. Profitiert hätten vor allem die DAF-Ver­sicherungen.224 Die Gründung des »Versicherungsrings der Deutschen Arbeit GmbH« 1937 – ein vergeblicher Versuch, den Deutschen Ring und die Volksfürsorge zu fusionieren Bahnbrechend sollte die Sachversicherungs AG der Arbeitsfront außerdem nach innen wirken, war hier doch erfolgreich die Fusion von Teilen der Versicherungsgesellschaften Volksfürsorge und Deutscher Ring gelungen. Tatsächlich sollte denn auch der gesamte Versicherungskonzern der DAF durch die fast zeitgleich, Anfang 1937, erfolgte Gründung des »Versicherungsrings der Deutschen Arbeit GmbH« zusammengefasst werden. Geplant war, dass dieses Konzerndach die beiden Lebensversicherungen (Volksfürsorge und Deutscher Ring), die Deutsche Sachversicherungs AG sowie außerdem die Deutscher Ring Krankenversicherungs AG und die DR-Transport- und Fahrzeugversicherungs AG überwölbte.225 Nominell scheint dieser Zusammenschluss, der auch den Rahmen für die oben geschilderte Liquidierung der ehemals christlich-gewerkschaftli­chen Deutsche Lebensversicherung AG im Jahre 1938 abgab, zwar vollzogen worden zu sein. Faktisch jedoch blieb der »Versicherungsring der Deutschen Arbeit« ein Potemkinsches Dorf. Er wurde deshalb im Dezember 1938 von der zu Anfang diesen Jahres neu formierten Zentralstelle für Finanzwirtschaft der DAF und die Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeitsfront (TWU) unter Heinrich Simon und Hans Strauch wieder aufgelöst. Die notwendigen konzernpolitischen Koordinationen zwischen den einzelnen Versicherungsgesellschaften wurden seitdem auf die in Kapitel 2 geschilderte Weise elastisch und weitgehend reibungsfrei sichergestellt: durch eine enge personelle Verflechtung der Aufsichtsräte. Der Chef der für das Wirtschafts­ imperium der Arbeitsfront verantwortlichen TWU Hans Strauch, der Geschäftsführer der Zentralstelle für die Finanzwirt­schaft Bruno Raueiser, der Leiter des DAF-Fach­amtes »Banken und Versicherungen« Rudolf Lencer sowie der Leiter des Rechtsamtes der Arbeitsfront Gustav Bähren sollten gemeinsam mit den Vorstandsvorsitzenden der Volksfürsorge und der DR-Versicherungen Diedrich Pollmann und Rudolf Kratochwill als Mitglieder der Aufsichtsräte die innere Kohärenz des DAF-Versicherungs­sektors herstellen und durch Absprachen auf höchster Ebene die weiterhin schwelenden Streitigkeiten dämpfen.

224 Vgl. Arps, Unruhige Zeiten, S. 142 f.; ferner Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 192. 225 Vgl. Niederschrift über eine Besprechung vom 10. Nov. 1936 zwischen den führenden Repräsentanten des Schatzamtes und der Unternehmensverwaltung der DAF (Brinckmann, Boltz und Bierlein) und Pollmann, Kratochwill und Brass als den drei leitenden Direktoren der DAF-Versicherungs­ge­sellschaften, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18, sowie Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 62 f.

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die versicherungsgruppe

Die Fusion der DAF-Versicherungsgesellschaften im Februar 1945 Einen zweiten Anlauf zur Fusion von Deutschem Ring und Volksfürsorge unternahmen die maßgeblichen Akteure erst wieder im Angesicht des Unterganges der Diktatur. Im Sommer 1944 wurden beide Versicherungsunternehmen »aus Anlass der Totalisierung des gesamten Kriegsgeschehens in Form einer ›Arbeitsgemeinschaft der DAF-Lebensversiche­rungs­gesellschaften‹« stärker miteinander verbunden.226 Die Erklärung an die »Gefolgschaften« der Gesellschaften des Deutschen Rings und der Volksfürsorge, der dieses Zitat entnommen ist, wurde nicht zufällig namens der Generaldirektion der »Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG« abgegeben. Unterzeichnet war sie von Hans Strauch, dem Chef der TWU, und von Rudolf Kratochwill, dem Generaldirektor, Vorstandsvorsitzenden und ›starken Mann‹ innerhalb des Deutschen Ringes – nicht dagegen von Diedrich Pollmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Volksfürsorge. Damit war angedeutet, wer innerhalb des Konglomerats an DAF-Versicherungsgesell­ schaften künftig das Sagen haben sollte. Dass die Fusion des Deutschen Rings und der Volksfürsorge am 14. Februar 1945 unter dem Dach der DR-Versicherungen stattfand und die Volksfürsorge als Firmenname verschwinden sollte, konnte Insider ebensowenig überraschen wie die personellen Entscheidungen: Kratochwill blieb Vorstandsvorsitzender des Gesamtunternehmens, Pollmann sollte mit dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz abgespeist werden.227 Diese Degradierung wollte der bisherige Vorstandsvorsitzende der Volksfürsorge nicht hinnehmen; er trat noch am Tage des Fusionsbeschlusses von all seinen Funktionen innerhalb der DAF-Versicherungsgruppe zurück. Im Sommer 1944 war das Zusammenrücken beider Unternehmen damit begründet worden, auf diese Weise der »Totalisierung des gesamten Kriegsgeschehens in Form einer ›Arbeitsgemeinschaft der DAF-Lebens­ver­siche­rungs­ gesellschaften‹« gerecht werden zu wollen. Bei Lichte besehen zeigt sich, dass diese Formel vorgeschoben war.228 Die behaupteten Synergieeffekte, die die Fusion bringen sollte (eine Einsparung an Arbeitskräften, Material und Büroraum) ließen sich kurzfristig und unter Kriegsbedingungen gar nicht realisieren. Sie wäre schon zu ›normalen‹ Zeiten schwierig gewesen, da beide Unternehmen sehr unterschiedlich strukturiert waren. So besaß die Volksfürsorge einen riesigen, nach Zehntausenden zählenden Vertrauensleutekorpus, während der Außen226 Vgl. Rundschreiben Kratochwills und Strauchs namens der Generaldirektion der »Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG« an die »Gefolgschaften« der Gesellschaften des »Deutscher Rings« und der Volksfürsorge vom 15. Febr. 1945, in: BA Berlin, NS III, Nr. 25. 227 Vgl. Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Lebensver­sicherung vom 14. Febr. 1945, sowie Niederschrift über die Hauptversammlung der Aktionäre der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG der DAF vom selben Tag (unterzeichnet von Hans Strauch, notariell beglaubigt von Dr. O. Bartels), beides in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. 228 Ebd. Ausführlich: Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 138 ff.

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dienst des Deutschen Rings hauptberuflich beschäftigt war. Auf dem Feld der Lebensversicherungen hatte die Volksfürsorge zwar auch begonnen, Großlebensversicherungen anzubieten, die Kleinlebensversicherungen blieben jedoch ihr Schwerpunkt, während die DR-Le­bens­versiche­rung überwiegend Großpolicen verkaufte. Tatsächlich war der Deutsche Ring ökonomisch am Ende. Er hatte weit stärker als die Volksfürsorge und die meisten anderen Lebensversicherer »Front­ soldatenversicherungen« verkauft und damit Kriegsrisiken akkumuliert, die spätestens 1943 zum faktischen Zusammenbruch hätten führen müssen. Hinzu trat, dass der aufwendige Außendienst mit hauptberuflichen Mitarbeitern im Unterschied zum Vertrauensleute-Korpus der Volksfürsorge enorm kostenintensiv war und bereits bei Kriegsbeginn alle Kapitalreserven aufgezehrt waren. Selbst im Rahmen einer zusammenbrechenden Kriegswirtschaft war es riskant, einen Konkurs bis Kriegs­ende hinauszuzögern. Eine offene Pleite allerdings hätte dem – freilich ohnehin ramponierten – Image der DAF geschadet. Mit der wirtschaftlich gesünderen Volksfürsorge als Fusionspartner hofften die wirtschaftspolitisch verantwortlichen Akteure in der Arbeitsfront den Zusammenbruch des Deutschen Rings vermeiden oder wenigstens aufschieben zu können. Warum aber sollte die Volksfürsorge im Deutschen Ring aufgehen? Betriebswirtschaftlich logisch wäre das umgekehrte Verfahren gewesen: Die Volksfürsorge war ökonomisch stabiler und zudem deutlich größer. Die politische Führung der Arbeitsfront entschied nach politischen Kriterien – wie sie das schon bei der Verteilung des Erbes der Deutschen Lebensversicherung 1938 und bei der Verteilung der österreichischen Beute getan hatte. So begründete der Leiter des Amtes für wirtschaftliche Unternehmen der DAF Hans Strauch die Fusion unter dem Mantel des Deutschen Ringes denn auch ausdrücklich damit, dass der Deutsche Ring »immer eine deutschvölkische Versicherung gewesen sei und der NSDAP schon vor 1933 nahegestanden habe.«229 Aus der Sicht der DAF-Führung blieb die Volksfürsorge ein marxistisches Schmuddelkind. Ihr Glück war, dass das Schicksal der Diktatur relativ kurze Zeit nach dem Fusionsbeschluss endgültig besiegelt wurde und die Verschmelzung der beiden Gesellschaften nicht mehr wirksam werden konnte.230

229 Vgl. ebd., S. 139; ders., Expansion, S. 206; ders., Lebensversicherung, S. 69 f. 230 Allerdings begann die DAF bereits Anfang 1945, die Volksfürsorge auszuschlachten: So war bis Mitte Febr. das Hamburger Verwaltungsgebäude der Volksfürsorge an das Deutsche Gemeinschaftswerk der DAF und ein großes Grundstück des Unternehmens in Stettin an die Bank der Deutschen Arbeit verkauft worden. Vgl. Nieder­schrift über die Aufsichtsratssitzung der Volksfürsorge-Leben vom 14. Febr. 1945 (Anm. 227).

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5. Die Verlage

Im Bankenbereich, den die Arbeitsfront beherrschte, dominierte mit der Arbeitsbank die sozialdemokratische ›Erbschaft‹. Im Versicherungsbereich herrschte grob Gleichstand zwischen den Unternehmen, die der Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften geraubt worden waren, und denen, die der DAF vom vormaligen rechtskonservativen Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband (DHV) zugefallen waren  – die Volksfürsorge war innerhalb dieses Konzern­ bereichs wirtschaftlich, die Deutscher Ring-Versicherungen politisch stärker. Im Verlagsimperium der DAF spielte die sozialdemokratische Erbschaft nur eine letztlich randständige Rolle. Hier blieben bis in die zweite Hälfte der dreißiger Jahre hinein die Unternehmen die politischen Schwergewichte, die zuvor dem DHV angehört hatten. Es waren dies die »Hanseatische Verlagsanstalt« (HAVA) und der »Langen-Müller-Verlag« (LMV). Das war selbstredend kein Zufall. Der DHV war seit seiner Gründung rechtskonservativ-anti­se­mitisch geprägt gewesen und bewegte sich in den zwanziger Jahren in einem prä- bzw. semifaschistischen Milieu. Insofern lag es nahe, dass die DAF politisch-kultu­rell an die Traditionen des DHV anknüpfte, diese den neuen Rahmenbedingungen anpasste, dabei auf die Verlage der deutschnationalen Handlungsgehilfen zurückgriff und den beiden, in NS-Perspektive durchaus bewährten Verlagshäusern zunächst erhebliche Freiräume zugestand. Erst ab Ende 1936, nachdem sich die Arbeitsfront als Massenorganisation stabilisiert hatte und über einen allmählich auch verwaltungstechnisch eingespielten Organisationsapparat verfügte, begann der Aufstieg des »Verlages der Deutschen Arbeitsfront«, der hier kurz als Zentralverlag der DAF firmiert. Dieser war zwar auf den Ruinen des 1933 zerstörten freigewerkschaftlich-so­zial­de­mokratischen Vertriebs- und Verlagswesens, nämlich auf den Trümmern der Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und des »Sieben-StäbeVerlages« des Gewerkschaftsbundes der Angestellten (GDA), gegründet worden. Die beiden Vorgängerunternehmen wurden indes politisch und personell rigoros entkernt. Insofern war der von Anbeginn als Organisationsverlag konzipierte Zentralverlag letztlich eine Neuschöpfung. Darüber hinaus wurden der Unternehmensgruppe des Zentralverlages die vormals freigewerkschaftliche Büchergilde Gutenberg und der dieser assoziierte Buchmeister-Verlag zugeschlagen. Zum Verständnis der im Vergleich zu anderen Teilen des Unternehmenskonglomerats ziemlich eigentümlichen Entwicklung des Verlagsimperiums der Arbeitsfront ist ein weiterer Aspekt zentral. Das Verlagswesen ist eine sehr politiknahe Branche. Bücher, Broschüren und Zeitschriften werden ganz generell weit stärker nach politisch-ideologischen Prä­missen produziert als Versicherungs­ policen verkauft oder Sparkonten eingerichtet werden. Dies gilt nicht nur für die Zeit des Dritten Reiches, für jene Jahre jedoch in besonderem Maße. Das ge-

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die verlage

rade für die höchsten nationalsozialistischen Funktionsträger maßgebliche Prinzip der auf dem Grundsatz des Privateigentums basierenden »freien Wirtschaft« wurde für die Printmedien deshalb partiell außer Kraft gesetzt. Infolgedessen machte dieser Bereich auch innerhalb des DAF-Wirtschafts­im­pe­riums eine in mancherlei Hinsicht markant andere Entwicklung durch als die übrigen Säulen des Arbeitsfront-Kon­zerns. Im Folgenden wird von drei Großverlagen gesprochen, die den Verlagskonzern innerhalb des gesamten DAF-Wirtschaftsimperiums bildeten. Der Begriff »Großverlage« für die HAVA, dem LMV und den Zentralverlag ist mit Bedacht gewählt. Groß waren die genannten Verlage zunächst in quantitativer Hinsicht. Die Zahl der Neuerscheinungen der HAVA lag Mitte der dreißiger Jahre mindestens gleichauf mit dem vormals führenden S. Fischer-Ver­lag. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für den kleineren Langen-Müller-Verlag. Der Umsatz des Zentralverlages wiederum stellte seit den Vorkriegsjahren den der vormaligen DHV-Verlage zusammen deutlich in den Schatten. Reichsweit wurde der Umsatz dieses Verlages, eher eine Art Organisationsdruckerei der Arbeitsfront denn ein ›regulärer‹ Verlag, lediglich vom Eher-Verlag der NSDAP übertroffen. ›Größe‹ besaßen vor allem der LMV und die HAVA außerdem aufgrund des literaturpolitischen Gewichts ihrer Hausautoren. So verlegten Hans Friedrich Blunck, von 1933 bis 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer, und ebenso sein Nachfolger Hanns Johst bereits vor 1933 im Langen-Mül­ler-Verlag.1 Wie stark namentlich der LMV das nationalsozialistische Geistesleben repräsentierte, zeigt sich fast mehr noch daran, dass die »Preußische Dichterakademie« ab 1933 numerisch von Schriftstellern dominiert wurde, die beim LMV Hausautoren waren.2 Die HAVA wiederum war auf dem politisch-juristischen Feld und anderen Wissenschaftsbereichen führend und versammelte zahllose Autoren in ihren Reihen, die während der NS-Zeit und weit darüber hinaus in hohem Ansehen standen. Großverlage waren alle drei genannten Unternehmen schließlich, weil sie für eine Reihe von Tochtergesellschaften firmenrechtlich als Dach dienten. Das folgende Kapitel konzentriert sich auf die Entwicklung der einzelnen Verlage, d. h. es werden Programme, Vertrieb und interne Strukturen der drei 1 Blunck (1888-1961) war ab 1920 zunächst Regierungsrat im Hamburg und von 1925 bis 1928 Syndikus der dortigen Universität, ehe er zum freien Schriftsteller und zu einem der wichtigsten Repräsentanten der völkischen, schwülstig-mystischen »Nordischen Renaissance« wurde. Bei der HAVA publizierte er insgesamt 31 Romane und Theaterstücke. Blunck war im Juni 1933 zum Zweiten Vorsitzenden der Akademie der deutschen Dichtung bestimmt worden und fungierte ab Nov. 1933 für knapp zwei Jahre als Präsident der neugeschaffenen Reichsschrifttumskammer. Johst (1890-1978), 1932 der NSDAP beigetreten, war seit Juni 1933 Vorsitzender der Akademie der NS-Schreiberlinge; er wurde im Okt. 1935 Nachfolger Bluncks als Präsident der Reichschrifttumskammer. Johst renommierte vor allem mit dem einschlägigen Drama »Schlageter«. Nach 1933 veröffentlichte er nur noch politische Essays und propagandistische Aufsätze. 2 Neun von 14 Akademie-Dichtern wurden vom LMV bzw. der HAVA verlegt, später kamen noch zwei weitere Autoren der HAVA (Hermann Claudius und Rudolf Huch) hinzu.

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großen Verlagsgruppen sowie die Entwicklung der beiden Buchgemeinschaften der Arbeitsfront skizziert. Außerdem werden der Umgang der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF (TWU) mit den drei Großverlagen der Ar­beitsfront sowie deren konfliktreiches Verhältnis zueinander thematisiert. Ferner geht es um den Zukauf weiterer Verlagsunternehmen durch die DAF-Führung und die da­f ür maßgeblichen Motive bis 1941, dem dann ab 1942 eine nicht ganz freiwillige ›Verschlan­kung‹ des Verlags­imperiums der Arbeitsfront, die Veräußerung der HAVA und des LMV, folgte.3 Zunächst aber sind die Rahmenbedingungen zu skizzieren, innerhalb derer der DAF-Verlagskon­zern bzw. dessen Vorläufer bis 1939 agierten.

5.1. Eine politiknahe Branche – die Rahmenbedingungen Der Buch- und Zeitschriftenmarkt bis 1933 Die Weimarer Republik war für die meisten Verlagsanstalten und Vertriebsgesellschaften eine Zeit der Dauerkrise mit nur kurzen Erholungsphasen. Die Zahl der Verlage und Sortimente ging von 9.262 (1918) auf 8.869 (1932) zurück. Gegenüber dem letzten Friedensjahr des Spätwilhelminismus (1913: 12.412) war das zwar ein Rück­gang um mehr als ein Viertel, aber noch keine wirkliche Bereinigung der überbesetzten Verlagsbranche. Auch ab 1918 blieben die meisten Verlage sehr klein, ihre Existenz oft prekär und infolgedessen die Zahl der Konkurse, aber auch die der Neugründungen hoch. Lediglich 429 von ihnen produzierten 1930 mehr als zehn Titel. Die Zahl der jeweils jährlich erschienenen Buchtitel entsprach in ihrem Auf und Ab grob dem allgemeinen Krisenverlauf der Weimarer Republik. 1918 lag die Zahl der Neuerscheinungen bei knapp 14.000 (ohne Zeitschriften). Zwei Jahre später hatte sie sich auf fast 28.000 verdoppelt. Nach einem scharfen Einbruch in den Jahren der galoppierenden Inflation wurde 1925 im Deutschen Reich mit 31.600 verlegten Buchtiteln der Höhepunkt erreicht.4 Bis 1932 schrumpfte diese Zahl auf 21.500 Buchtitel, darunter galten 18.100 als Novitäten. Dieser dramatische Rückgang der Neuerscheinungen ab Mitte der zwanziger Jahre wurde von vielen konservativen und faschistischen Zeitgenossen 3 Sofern dies nicht gesondert vermerkt ist, stützen sich die folgenden Ausführungen vor allem auf: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt; Meyer, Verlagsfusion; Barbian, Literaturpolitik. 4 Dass die Buchproduktion selbst Mitte der zwanziger Jahre nicht wirklich prosperierte, wird deutlich, wenn man Zahlen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg heranzieht: Im letzten Vorkriegsjahr 1913 waren fast 35.000 Neuerscheinungen auf den Buchmarkt gelangt. Diese und die folgenden Zahlen (jeweils gerundet) nach: Erwin Stemmle, Das deutsche Buchgewerbe in Konjunktur und Krise. Ein Beitrag zur Untersuchung der Konjunktur- und Saisonempfindlichkeit im graphischen Gewerbe, Zürich 1958, Tabellenanhang, S. 161-187, bes. S. 177 (Tab. 43); Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991, S. 271 f., 301; sowie Saul Friedländer/Norbert Frei/Trutz Rendtorff/Reinhard Wittmann, Bertelsmann im Dritten Reich, München 2002, S. 119.

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lautstark als Ausdruck einer die vorgeblich kulturfeindliche Weimarer Demokratie kennzeichnende Kulturkrise interpretiert. Hätten sie die Entwicklung ab 1933 vorhersehen können, wären sie wohl stiller geblieben. Denn bis 1938 hatte die Zahl der Neuerscheinungen (mit 20.100 im letzten Vorkriegsjahr) die Zahl der Novitäten auf dem Höhepunkt der Krise 1932 kaum überschritten. In den Folgejahren gingen die Novitäten dann dramatisch zurück. Obwohl es 1940/41 im Verlagswesen und Buchhandel zu einer Hochkonjunktur kam, sank die Zahl der Neuerscheinungen auf 11.900 im zweiten Kriegsjahr.5 Da die späteren DAFVerlage neben Büchern und Broschüren außerdem zahlreiche Zeitschriften herausgaben, sei ein kurzer Blick auch auf diesen Markt und seine Entwicklung vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten geworfen. In der Weimarer Republik war die Zahl der Wochen- und Monatsperiodika von 4.600 (1920) auf schließlich 7.300 im ersten Krisenjahr 1930 gestiegen – ein Wachstum, dem zum Teil ein noch höherer Anstieg der Auflagen korrespondierte. Während des Dritten Reiches ging die Zahl der Zeitschriften auf 5.600 bei Kriegsbeginn zurück, allerdings ohne parteinahe Periodika, mit danach weiterhin sinkender Tendenz.6 Es war weniger die Konkurrenz der Zeitschriften als vielmehr das Bestreben der Verlage, die Buchproduktion von unkalkulierbaren Marktentwicklungen möglichst weitgehend zu entkoppeln, das zur Gründung von Buchgemeinschaften oder Buchgemeinden führte. Die Idee der Buchgemeinschaft, die den Wünschen der Konsumenten nach preiswerten Büchern entgegenkam, war so simpel wie genial: Durch die Übertragung des Abonnementprinzips von den Zeitschriften auf Buchveröffentlichungen konnten aufgrund eines garantierten Massenabsatzes die Preise gesenkt und zudem die Mitglieder der Gemeinschaf­ten im gewünschten Sinne politisch-ideologisch beeinflusst werden. Auch und gerade der letztgenannte Aspekt war für die DHV-eigene »Deutsche Hausbücherei«, die bereits im Ersten Weltkrieg dem Prinzip der Buchgemeinschaft Bahn brach, und abgeschwächt auch für die freigewerkschaftliche »Büchergilde Gutenberg«, die ein knappes Jahrzehnt später gegründet wurde, zentral. Die Büchergilde Gutenberg und die Deutsche Hausbücherei waren im Übrigen nur zwei von mehr als dreißig Buchgemeinschaften. Auf der bürgerlichen 5 Während die Neuauflagen älterer Titel auf bis dahin nie erreichte Höhen schnellten (1942: 10.300), verharrte die Zahl der Novitäten auf niedrigem Niveau (1942: 11.300) und sackte bis 1944 auf 7.300 ab. 6 Von 1935/36 bis etwa 1940/41 stieg freilich die Auflage der meisten Periodika, so dass die verkaufte jährliche Gesamtauflage an Zeitschriften, die 1934 und 1935 bei 3,3 Mio. Exemplaren gelegen hatte, 1939 schließlich einen Spitzenwert von 5,2 Mio. Exemplaren erreichte. Alle Angaben: »Altreich«. Die Werte für 1936: 3,4 Mio., 1937: 3,8 Mio. und 1938: 4,5 Mio. Angaben bis 1933 sind aus methodischen Gründen nicht vergleichbar. Vgl. im Einzelnen Karl-Christian Führer, Pleasure, Practicality, and Propaganda. Popular Magazines in Nazi Germany, in: Pamela E. Swett/Corey Ross (Hg.), Pleasure and Power in Nazi Germany, 1933-1939, Basingstoke usw. 2011, S.  132-153, hier: S.  137 (Tabelle 1). Diese Angaben schließen noch nicht die in den Auflagenzahlen stark steigenden DAF-Zeitschriften (die teilweise durchaus Illustrierten-Charakter besaßen) ein, ebenso wenig solche, die von anderen NS-Organisationen herausgegeben wurden.

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Rechten fanden sich die größten Buchgemeinschaften, da  – neben überkommenen Lektüregewohnheiten  – die Kaufkraft bürgerlicher und kleinbürger­ licher Schichten trotz aller Einbußen an Vermögen und Einkommen höher blieb als die der Un­terschichten.7 Aber auch die Linke besaß neben der freigewerkschaftlichen Büchergilde mit dem sozialdemokratischen »Bücherkreis« und der kommunistischen »Universum-Bü­che­rei für Al­le« sowie anderen kleineren Einrichtungen weitere Buchklubs, die auf dem Abonnement-Prin­zip basierten.8 Das Aufblühen der Buchgemeinschaften während der zwanziger Jahre wie überhaupt die Buchproduktion auf einem quantitativ vergleichsweise hohen Niveau änderte allerdings nichts daran, dass die Majorität der Verleger die Jahre der krisengeschüttelten Weimarer Republik mindestens ökonomisch als eine Leidenszeit wahrnahm. Für die beiden Verlage, die bis 1933 im Besitz des DHV waren und nach der NS-Macht­er­grei­f ung der DAF zufielen, gilt dies allerdings nicht. Sie wuchsen auch ab 1929/30 gegen den allgemeinen Trend. 1933 – ein scharfer Einschnitt für das Verlagsgewerbe Die Installierung des Präsidialkabinetts Hitler markierte für Buchhandel und Verlagswesen einen scharfen Bruch. Die Bedingungen für Produktion und Vertrieb von Literatur jeglicher Couleur veränderten sich gravierend. Hinzu kam, dass die politisch-staatlichen Zuständigkeiten für die Literaturüberwachung und damit -produktion im Dritten Reich nicht eindeutig abgesteckt wurden und sich die entsprechenden Kompetenzen im Laufe der Zeit mehrfach verschoben. Da die Eckpflöcke der nationalsozialistischen Literaturpolitik ziemlich erschöpfend dargestellt sind,9 reicht es hier, die Faktoren zu benennen, die den fortgesetzten Aufstieg der beiden DHV-Verlage begünstigt haben. Wichtig ist zunächst, dass sowohl die 1926 gegründete »Sektion für Dichtkunst« der Preußischen Akademie der Künste  – die »Preußische Dichterakademie«, wie sie später gern genannt wurde  – als auch die am 22. September 1933 per Gesetz aus der Taufe geho­bene Reichsschrifttumskammer, als Abteilung der Reichskulturkammer, von Personen repräsen­tiert und gelenkt wurden, die 7 Die größte Buchgemeinschaft war bei Einbruch der Krise der konservative »Volksverband der Buchfreunde« mit 1929/30 ungefähr 600.000 Mitgliedern vor der kommerziell orientierten »Deutschen Buch-Gemeinschaft« mit einer halben Million Mitgliedern. 8 Der 1924 gegründete sozialdemokratische Bücherkreis zählte zu Beginn der dreißiger Jahre etwa 45.000, die im Okt. 1926 gegründete KPD-nahe Universum-Bücherei 40.000 Mitglieder. Daneben gab es seit 1928 noch eine anarchistische »Gilde freiheit­ licher Bücherfreunde« mit 1.200 Mitgliedern sowie eine 1931/32 entstandene Marxistische Büchergemeinschaft, die der linkssozialistischen SAPD nahestand. Vgl. Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 28 f., 154; Wolfgang Kaiser, Buchgemeinschaften der Arbeiterbewegung, in: Jürgen Holstein (Hg.), Blickfang. Bucheinbände und Schutzumschläge. Berliner Verlage 1919-1933, Berlin 2005, S. 77 ff. 9 Vgl. neben der Arbeit von Barbian vor allem Volker Dahm, Die nationalsozialistische Schrifttumspolitik nach dem 10. Mai 1933, in: Ulrich Walberer (Hg.), 10. Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen, Frankfurt a. M. 1983, S. 36-83.

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(wie erwähnt) überwiegend Hausautoren des Lan­gen-Müller-Verlages, zu einem kleineren Teil auch der HAVA waren. Die literaturpolitische Bedeutung beider Einrichtungen und ihre ständige Präsenz in der nationalsozialistischen Öffentlichkeit kamen infolgedessen einer Dauer(schleich)wer­bung für beide Verlage nahe. Sie verschaffte ihnen überdies das Image, systemkonform und dennoch anspruchsvoll zu sein. Starken Einfluss auf die Entwicklung des Verlagsgewerbes generell nahmen eigens eingerichtete kulturpolitische Lenkungsorgane des Regimes. Von erheb­ licher Bedeutung war – neben dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels sowie der diesem Ministerium unterstehenden Reichskulturkammer – die von Rudolf Heß als dem »Stellvertreter des Führers« am 16. April 1934 unter Philipp Bouhler ins Leben gerufene »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« (PPK). Heß hatte in seiner Anordnung über die Grün­dung der PPK verfügt, dass ­»Manuskripte, die nationalsozialistische Probleme und Stoffe zum Gegenstand haben, in erster Linie dem Zentralparteiverlag, der im Eigentum der NSDAP ist, zum Verlage angeboten werden« mussten. Mit dieser dehnbaren Formulierung wurde dem Unternehmen Franz Eher Nachf. als dem Zentralverlag der Partei faktisch ein weitgehendes Monopol auf die politische Publizistik eingeräumt. Der Vorsteher des »Börsenvereins der Deutschen Buchhändler« Friedrich Oldenbourg sprach denn auch in unmittelbarer Reaktion auf diese Anordnung treffend von einem faktischen »Totalitätsanspruch« des Eher-Verla­ges für politisches Schrifttum.10 Diese als Kritik gemeinte Feststellung perlte an Heß wie am Eher-Verlag freilich ab – und Oldenbourg wurde im September 1934 durch Wilhelm Baur als Vorsteher des Börsenvereins abgelöst: Baur war seit 1933 unter dem NSDAP-Reichs­leiter für die Presse Max Amann, der seit 1922 den EherVerlag geführt hatte und nach der NS-Machter­grei­f ung als ›graue Eminenz‹ im Hintergrund wirkte, der ›starke Mann‹ des NSDAP-Zentralver­lages.11 Die Verfügung des »Führer«-Stellvertreters vom April 1934 und der Aufstieg des EherGeschäftsführers zur zentralen politischen Figur innerhalb des Verlagsgewerbes 10 Vgl. (inkl. Zitate) Barbian, Literaturpolitik, S. 44 f. bzw. S. 128 f. Oldenbourg (18881941), von 1921 bis zu seinem Tod Geschäftsführer des Oldenbourg-Verlages, war von 1925 bis 1930 Zweiter und von 1930 bis Mai 1934 Erster Vorsitzender des traditionsreichen »Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig«. Zum Börsenverein als Überblick: Jan-Pieter Barbian, Der Börsenverein in den Jahren 1933 bis 1945, in: Stephan Füssel (Hg.), Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1845-2000. Ein geschichtlicher Aufriß, Frankfurt a. M. 2000, S. 97-117. 11 Baur (1905-1945), der der NSDAP angeblich schon ab Nov. 1920 angehört und am Hitlerputsch von 1923 teilgenommen hatte, der NSDAP unmittelbar nach der Wieder­ zulassung 1925 erneut beitrat (als Mitglied Nr. 51), war Ende 1920 mit fünfzehn Jahren (!) zunächst als Volontär in den Eher-Verlag eingetreten und bereits 1922 dort zum Abteilungsleiter avanciert. Er blieb bis Kriegsende Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie gleichfalls ab 1934 Vorsitzender des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler. 1935 wurde er außerdem in den Beirat der Reichsschrifttums­kammer gewählt und war von Aug. 1937 bis 1945 deren Vizepräsident. Zu Amann vgl. unten.

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beeinträchtigte (wie noch zu zeigen sein wird) auch die Entwicklung des DAFVerlagskonzerns nachhaltig. Zunächst freilich befanden sich der LMV, die HAVA und selbstredend der Zentralverlag bei Ley und seiner Arbeitsfront in vergleichsweise guter Obhut. Selbst Goebbels musste auf die starke Stellung Leys als einem der engsten ­Paladine Hitlers Rücksicht nehmen und durfte ihn mit seinen Machtambitionen nicht allzu sehr provozieren.12 Goebbels, Heß bzw. Bouhler und immer wieder auch Ley13 waren freilich keineswegs die einzigen, die sich um Macht und Einfluss auf die Kultur des Dritten Reiches rangelten und damit auch auf die Literaturproduktion Einfluss nahmen. Ein weiterer »charismatischer Jünger« Hitlers, der hier sein ureigenstes Betätigungsfeld sah, war Alfred Rosenberg. Es war ausgerechnet Robert Ley, der Hitler am 24. Januar 1934 zu einer Ver­f ügung veranlasste, durch die Rosenberg »mit der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und der Erziehung der Partei und aller gleichgeschalteten Verbände sowie des Werks ›Kraft durch Freude‹« beauftragt wurde.14 Daraus wurde am 6. Juni 1934 das Amt des »Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP«, mit Rosenberg an der Spitze. Finanziert wurde dieses Amt durch Ley, d. h. aus den zu diesem Zeitpunkt bereits kräftig sprudelnden Beitragseinnahmen der Arbeitsfront. Der Reichsorganisationsleiter und Arbeitsfrontführer saß damit gegenüber Rosenberg am längeren Hebel und ließ diesen das auch schon bald spüren. 1935 bekam das Bündnis zwischen Rosenberg, der auch die NS-Kultur­gemeinde leitete, die ihrerseits aus einer Fusion des »Kampfbundes für deutsche Kultur« und der »Deutschen Büh­ne« – denen Rosenberg gleichfalls bereits vorgestanden hatte – entstanden war, und Ley kräftige Risse.15 12 Goebbels hatte bei der Errichtung der Reichskulturkammer, und mit ihm der spätere Reichswirtschaftsminister Walther Funk, gegen den Widerstand Leys zwar die Federführung übernommen. Nach 1939 stellte das Goebbels-Ministerium sukzessive auch die PPK als Zensurbehörde in den Schatten. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 117. Dem Propaganda-Minister war jedoch von Anbeginn auch an einem einvernehmlichen Verhältnis zum NSDAP-Reichsorganisationsleiter und Chef der DAF gelegen. Ley goutierte dies, indem er z. B. an der offiziellen Eröffnung der Reichskulturkammer am 15. November 1933 in der Berliner Philharmonie teilnahm. Vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 84, 365. 13 Zu späteren vergeblichen Versuchen Leys, auf die »Schrifttumspflege« stärkeren Einfluss zu nehmen, vgl. BA Berlin, NS 11, Nr. 9. 14 Nach: Barbian, Literaturpolitik, S. 116 f. Das Folgende nach ebd., S. 117 ff., 125, 132 ff. Vgl. außerdem Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, 2. Aufl., München 2006, S. 54-71, 85-104; Ernst Piper, Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, bes. S. 391 f.; Dahm, Nationalsozialistische Schrifttumspolitik, S. 71 ff.; Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 11-15. 15 Die Zuschüsse der DAF an das Amt Rosenberg flossen schon bald spärlicher und begannen 1935 schließlich ganz zu versiegen. Rosenberg gelang es danach durchzusetzen, dass sein Amt in stärkerem Maße vom NSDAP-Reichs­schatz­meister finanziert wurde. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verstrickte sich die Rosenberg’sche Über­wachungsstelle mit der Heß unterstellten PPK in heftige Konflikte, die dazu

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Dennoch entwickelte sich die Zusammenarbeit der »Reichschrifttumsstelle«, die Rosenberg in seinem Amt für »geistige Überwachung« eingerichtet hatte, mit der DAF »weitgehend reibungslos« (Jan-Pieter Barbian). Das konnte kaum überraschen, hatte Rosenberg doch schon vorher den Hegemoniebestrebungen Leys insofern nachgegeben, als er seine NS-Kulturgemeinde bereits im Februar 1934 der NS-Gemein­schaft KdF, der größten Suborganisation der DAF, korporativ unterstellt hatte. Innerhalb der NS-Kulturgemeinde baute Walter Stang16 eine Abteilung, später das »Amt Schrifttum« auf, das ein »ambitioniertes Vortragsprogramm« (Barbian) mit namhaften Schriftstellern anbot, sowie Buchausstellungen organisierte, die beim Publikum große Resonanz fanden.17 Mitte 1937 wurde die NS-Kulturge­mein­de Rosenbergs mit dem ein Jahr zuvor gegründeten »Deutschen Volksbildungswerk«18 innerhalb der NS-Gemeinschaft KdF fusioniert – und damit den Vortragsprogrammen und gutbesuchten Buchausstellungen, die immer auch gleichzeitig Werbeveranstaltungen der einzelnen Verlage waren und 1937/38 von bis zu einer Million Interessenten besucht wurden,19 ein noch größerer Rahmen gegeben. Besonders nachhaltig wirkten sog. Dichterlesungen, von denen das Volksbildungswerk allein 1938 etwa 10.000 veranstaltete.20 Den Verlagen der Arbeitsfront konnte diese Entwicklung nur recht sein. Indem die NS-Kultur­ge­mein­de zu einer DAF-Organisation im weitesten Sinne wurde und schließlich im rührigen Deutschen Volksbildungswerk auf-

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führten, dass die PPK ihren politischen Monopolanspruch auf Überwachung und Kontrolle ebenso wenig durchsetzen konnte wie die »Reichschrifttumsstelle« Rosenbergs. Die Folge war, dass andere NS-Größen ihrerseits weitere, eigene »Schrifttumsstellen« zur literatur­politischen Überwachung gründeten. Barbian (Literaturpolitik, S. 131) nennt neben Ley außerdem Baldur v. Schirach, Hans Frank, Fritz Wächtler »und andere«. Der Germanist und Literaturwissenschaftler Stang (1895-1945), Teilnehmer am HitlerPutsch 1923, Ende der zwanziger Jahre Dramaturg bei der Münchner Theatergemeinde und seit Anfang Aug. 1930 NSDAP-Mitglied, amtierte von Herbst 1930 bis Juni 1934 als Referent für Theaterfragen beim »Kampfbund für Deutsche Kultur«. 1933 gehörte er zu den Mitbegründern des Reichsverbandes Deutsche Bühne und war bis Juni 1934 dessen Leiter. Von Sommer 1934 bis Sept. 1943 leitete Stang neben der NS-Kultur­ge­ meinde und der Rosenberg’schen Schrifttumsstelle außerdem das »Kulturamt« in der NS-Gemein­schaft KdF, das seinerseits gleichfalls eine eigene »Abteilung Schrifttum« besaß. Aufgrund interner Querelen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Dienststelle Rosenberg wurde Stang 1943 in den Ruhestand versetzt. Daneben errichtete Stang ein »Kulturpolitisches Archiv«, innerhalb dessen eine umfängliche Kartei erstellt wurde, die (in den Worten von Rosenberg:) über »nationalsozialistische Haltung und kulturpolitische Zuverlässigkeit« der einzelnen Autoren detailliert Auskunft gab. Das Deutsche Volksbildungswerk wiederum hatte sich unter der Leitung von Fritz Leutloff binnen Kurzem zum »zentralen parteiamtlichen Organisator von Autoren­ lesungen« (Barbian, Literaturpolitik, S. 143) entwickelt, da es enge Kontakte zu den einzelnen NSDAP-Gauleitungen aufbaute und mit der finanzstarken DAF im Rücken ein weitverzweigtes Netz an Volksbildungsstätten aufbauen konnte. Vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 126. Vgl. Dahm, Nationalsozialistische Schrifttumspolitik, S. 71.

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ging, dessen Aktivitäten durch Veranstaltungen des KdF-Amtes »Feierabend« ergänzt wurden, wuchs ihnen ein neues Kundenpotential zu. Zudem war das Volksbildungswerk mit dem Aufbau von Werksbüchereien befasst – und griff auch dabei bevorzugt auf Produkte der DAF-Verlage zurück.21 Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass alle genannten und ebenso weitere Ämter, soweit sie mit ›Gutachter‹- und Überwachungstätigkeiten befasst waren, Titel der Verlagshäuser der Arbeitsfront wohlwollend behandelten. Eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Überwachung des Literaturbetriebs spielte neben den genannten Stellen außerdem der »Sicherheitsdienst der SS« (SD). Die intensiven verlegerischen Kontakte, die insbesondere die Hanseatische Verlagsanstalt zum SD22 und auch zur PPK entwickelte,23 dürften neben der HAVA ebenso den anderen Teilen des DAF-Verlagsim­periums zugute gekommen sein. Auch sonst waren die Netzwerke namentlich der Hanseaten zu Überwachungseinrichtungen des Regimes engmaschig und die Kommunikationskanäle zu den Zensurbehörden kurz.24 Die HAVA und abgeschwächt auch die anderen DAFVerlagshäu­ser besaßen damit einen Schutzschirm, der willkürliche Angriffe von Seiten maßnahmenstaatlicher Instanzen der NS-Li­te­raturpolitik unwahrscheinlich machte. Das Verlagsimperium der Arbeitsfront war, so lässt sich resümieren, im politischen Kräf­te­f eld des Regimes gut positioniert. Der relativ kontinuier21 Weitere Werbemöglichkeiten boten sich z. B. durch die Listen mit Buchempfehlungen, die die »Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung« erstellte und  – damit erreichte man einen großen Adressatenkreis  – in den Reiseprospekten der NS-­ Gemeinschaft KdF veröffentlichte. Vgl. Dahm, Nationalsozialistische Schrifttums­ politik, S. 68 ff. KdF war in puncto Literaturförderung auch sonst sehr rührig. So führte das Goebbels’sche »Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum« in Kooperation mit KdF »Dichterfahrten« in interessante Natur- oder ›Kultur‹-Land­ schaften durch, z. B. in das noch vom Bürgerkrieg gezeichnete Spanien, um die beteiligten Schriftsteller auf diese Weise zur regime-adäquaten literarischen Produktion zu animieren. Ebd., S. 70. 22 Vgl. unten. Zum SD und seiner Rolle als literaturpolitischem Repressionsorgan inkl. einer Vorstellung der wichtigsten Akteure vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 110-116. 23 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 136, Anm. 155. Neben Franz Alfred Six (vgl. unten, Anm. 46) vom SD gehörte auch der Pressesprecher des Reichswirtschaftsministeriums und HAVA-Hausautor, Herbert-Rolf Fritzsche (1900-?), seit 1937 der PPK an. Fritzsche gab bei den Hanseaten die Reihe »Gesetz und Wirtschaft« heraus, in der namhafte wirtschaftspolitische Funktionsträger des Regimes publizierten. 24 In der mit der PPK konkurrierenden Schrifttumsstelle Rosenbergs standen die HAVAAutoren Oskar v. Niedermayer und Friedrich Ernst v. Cochenhausen wichtigen Lektoraten vor. Ein weiteres personelles Scharnier der vormaligen DHV-Verlage zu maßgeblichen literatur- bzw. verlagspolitischen Institutionen war u. a. Gunther Haupt, ein ehemals führender Mitarbeiter des LMV wie der HAVA; er wurde im Nov. 1933 auf Vorschlag Johsts zum Ersten Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer ernannt, ein Amt, das Haupt bis Okt. 1935 innehatte. Schon vorher, Mitte Juni 1933, war mit Hellmuth Langenbucher (1905-1980), NSDAP-Mitglied seit 1929, der vormalige Leiter der Presse­abteilung des LMV zum Hauptschriftleiter des »Börsenblattes des Deutschen Buchhandels« avanciert.

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liche Aufwärtstrend, den die DAF-Verlagsan­stalten in den dreißiger Jahren nahmen, kann vor diesem Hintergrund kaum überraschen.

5.2. Erbstücke des DHV: die Hanseatische Verlagsanstalt und der Langen-Mül­ler-Verlag Die Geschichte der Hanseatischen Verlagsanstalt im Dritten Reich – und ebenso die des Langen-Müller-Verlages – wird hier in vier Phasen gegliedert: erstens in die Vorgeschichte bis 1933, zweitens in die fünf ›Friedens‹-Jahre der Diktatur bis 1938, als die HAVA der wohl wichtigste DAF-Verlag war, sowie drittens in die Zeit von 1938 bis 1942, als das Hamburger Verlagsunternehmen vom Produk­ tionsvolumen, Umsatz usw. her durch den Zentralverlag der Arbeits­front deutlich in den Schat­ten gestellt wurde. Die letzten zwei Kriegsjahre markieren die vierte und letzte Phase der Geschichte des Verlages während der NS-Zeit. Sie werden hier lediglich ge­streift, da die HAVA im Juni 1943 aus dem Besitz der DAF ›entlassen‹ und reprivatisiert wurde. Die Frühgeschichte der Hanseatischen Verlagsanstalt (bis 1933) Wie der keine zwei Jahre vor der NS-Machtergreifung durch eine Fusion ent­ standene, in München beheimatete Langen-Mül­ler-Verlag war auch die in Hamburg ansässige Hanseatische Verlagsanstalt ein eigenständiges Unternehmen innerhalb des Verlagskonzerns, den der DHV aufgebaut hatte. 1893 von der antisemitischen »Deutschsozialen Partei«25 unter dem Namen »Hanseatische Druck- und Verlagsanstalt« gegründet, wurde die HAVA schon frühzeitig zum »Herzstück« (Andreas Meyer)26 der weitgefächerten verlegerischen Aktivitäten des DHV. Obwohl das Hanseatische Verlagshaus eigentlich ein Kind der Deutschsozialen Partei war, besaß es von Anbeginn eine enge Beziehung auch zum DHV. Spätestens nachdem die Deutschsoziale (Reform-)Partei in den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende in die Krise geraten war, spielten Reprä25 Führende Mitglieder der im Frühjahr 1891 gegründeten und nicht zuletzt in Hamburg stark verankerten Deutschsozialen Partei (ab 1894: Deutschsoziale Reformpartei), die 1893 bei den Reichstagswahlen vier Mandate erhielt, waren maßgeblich an der Gründung des DHV beteiligt. Ausführ­lich zur Beziehung zwischen Deutschsozialer Partei und DHV: Hamel, Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft, S. 110-122. In der von der Zentrale für Finanzwirtschaft kurz vor Kriegsbeginn 1939 herausgegebenen Schrift »Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront« (S. 115) wird darüber hinaus auf die engen Beziehungen des Verlages »zu der Schönerer-Bewegung in Österreich« hingewiesen. Diese frühen Beziehungen zur radikalanti­ semitischen, völkisch-all­deutschen Bewegung des Georg Ritter v. Schönerer (1842-1921) galten im »Dritten Reich« als eine Art politischer Ritterschlag, da »der Führer [diese] zu seinen ersten Jugendeindrücken in Wien rechnet«. 26 Meyer, Verlagsfusion, S. 18. Vgl. hierzu und zum Folgenden neben Meyer auch Hamel, Völkischer Verband, S. 135 f., 139-142.

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sentanten des DHV, die den Antisemiten ohnehin zuneigten, eine dominante Rolle im Verlag. Hinter diesem Engagement stand politisches Kalkül, wusste doch die Führung des rechtsextremistischen Angestellten-Verbandes nur zu gut um die bewusstseinsbildende Bedeutung von Büchern und Zeitschriften. 1917 rief der DHV mit der »Deutschnationalen Verlagsanstalt« ein eigenes Unternehmen ins Leben, dem 1918/19 mit dem neugegründeten »Hanseatischen Kunstverlag« sowie dem »Hanseatischen Handelsverlag« zwei gleichfalls DHVeigene Tochter­f irmen assoziiert wurden. 1920 wurde die inzwischen im Mehrheitsbesitz des DHV befindliche Hanseatische Druck- und Verlagsanstalt mit der Deutschnationalen Verlagsanstalt und beiden Tochterfirmen sowie weiteren DHV-nahen Kleinverlagen27 fusioniert und firmenrechtlich als »Hanseatische Verlagsanstalt« neu gegründet. Darüber hinaus wirkte der DHV verlegerisch und buchhändlerisch bahnbrechend, indem er 1916 die erste Buchgemeinschaft, die bereits erwähnte »Deutsch­ nationale Hausbücherei«, gründete. Diese Deutsche Hausbücherei (wie sie ab 1923 hieß) sollte eine »Trutz­burg gegen das Eindringen undeutscher Art« sein.28 Ergänzt wurde die Deutsch­na­tionale Hausbücherei durch die bereits 1904 vom DHV gegründete »Deutschnationale Buchhandlung« und eine Reihe weiterer organisationseigener Buchhand­lungen. Sie wurden ebenso wie die »Deutsche Hausbücherei« 1920 als Tochtergesellschaften in die HAVA übernommen. In den letzten Monaten vor und der ersten Zeit nach der NS-Machter­grei­ fung setzte eine geradezu sprunghafte Expansion der Verlagsanstalt ein. Dies zeigt sich an der Zahl der jährlichen Neuerscheinungen: Bis 1931 verlegte die HAVA ungefähr zwanzig neue Titel; auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1932 waren es bereits 31, und 1933 hatte sich die Zahl der Neuerscheinungen gegenüber dem Vorjahr auf 74 mehr als verdoppelt.29 Wie gut der Verlag die Krise überstand, wie sehr er an ihr und den durch sie ausgelösten Ängsten auch

27 Es waren dies der »Verlag des Deutschen Volkstums« und, neben weiteren Kleinstverlagen, der »Verlag der Fichte-Gesellschaft«. Letzterer sollte, wie der Name schon sagt, den Rechtsintellektuellen der »Fichte-Gesell­schaft von 1914« als »den bewussten Trägern des Nationalen Geisteslebens« (Max Habermann) als Publikationsforum dienen. Nach: Meyer, Verlagsfusion, S. 13. Zu Habermann, einem der einflussreichsten Repräsentanten des DHV, vgl. Kapitel 4, S. 244 f. Die Fichte-Gesellschaft war 1916 von DHV-Mit­ glie­dern gegründet worden, um den radikalnationalistisch verstandenen »deutschen Geist« zur »beherrschenden Macht unseres gesamten Volkslebens [zu] machen«. Sie wurde nach 1918 zu einem der wichtigsten intellektuellen Zirkel der Jungkonservativen Bewegung und zugleich zu einem Bindeglied zwischen dem DHV und der frühfaschistischen Bewegung. Ausführlich: Hamel, Völkischer Verband, S. 126-135, Zitat (aus § 2 der Satzung der Fichte-Gesellschaft): S 130. Die Publikationen der Fichte-Gesellschaft wurden ab 1920 von der HAVA verlegt. 28 So die politische Aufgabenbeschreibung der »Deutschnationalen Hausbücherei« unmittelbar nach ihrer Gründung 1916. Nach: ebd., S. 136. 29 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 152 f.

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ökonomisch profitierte, zeigt stärker noch die Verdoppelung des Umsatzes von 1931 auf 1932.30 Hinter dieser Entwicklung stand wesentlich, dass die HAVA ein Weltanschauungsverlag war, dem die »nationale Missionierungsarbeit« (Reinhard Wittmann) zur Obsession geworden war. Er verstand sich ausdrücklich als »Kampfmittel gegen den jüdischen und undeutschen Geschäftemachergeist in der Verwaltung des geistigen Gutes des deutschen Volkes«.31 Zugute kam der Verlagsanstalt, dass sie als das »institutionelle Rückgrat der Konservativen Revolution« galt,32 einem mit dem Nationalsozialismus konkurrierenden elitären, rechtsintellektuellen Milieu, dessen Repräsentanten gleichfalls einen autoritären Führerstaat forderten und teilweise heftige Sympathien für den italienischen Faschismus entwickelten.33 Damit lag die HAVA in einem Anfang der dreißiger Jahre starken rechtsbürger­ lichen Mainstream, der auch den Absatzmarkt für entsprechende Schriften rasch wachsen ließ. Die politische Positionierung der HAVA gewann an Eindeutigkeit, als mit Benno Ziegler im Spätsommer 1931 ein prominenter Jungkonservativer zum Direktor der HAVA gemacht wurde, der verlegerisch sehr geschickt agierte. Ziegler, der die HAVA bis zu seinem Tod Anfang 1949 leitete,34 und die von ihm 1931 eingestellten leitenden Mitarbeiter, die gleichfalls den Jungkonservativen zuneigten, achteten bei der Konzipierung ihres Verlagsprogramms nämlich 30 Nach Lokatis (ebd., S. 26) und bezogen auf den Zeitraum zwischen Aug. 1931 und Nov. 1932. Die in der Literatur kursierenden Zahlen, die – nach Meyer (Verlagsfusion, S. 19) – auch für die Jahre zwischen 1926 und 1930 einen starken Anstieg ausweisen, sind freilich einigermaßen verwirrend. Manchmal beziehen sie sich auf den gesamten Verlagskonzern des DHV, einschließlich Langen-Müller, dann wieder nur auf die HAVA, entweder mit oder ohne Druckerei und Bücherborn, ohne dass dies ausreichend kenntlich gemacht wird. 31 So die Formulierung aus einer programmatischen Erklärung von 1924, nach: Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 312. Vgl. (mit weiteren Belegen) auch Hamel, Völkischer Verband, z. B. S. 139. 32 1930 hatte die HAVA die Rechte an den Publikationen des 1929 liquidierten RingVerlages als dem Verlag der Konservativen Revolution übernommen, einschließlich der von Heinrich v. Gleichen – einem der zentralen Ideologen der Konservativen Revolution – herausgegebenen »Ring-Bücherei« sowie weiteren Titeln aus dem Umfeld des jungkonservativen »Juni-Klubs«. Zitat: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 5. 33 Der Verlag bot auch selbst Schriften zur »intensiven Auseinandersetzung mit Mussolini« an, u. a. »Faschismus und Nation« von Guido Bortolotto (1932). Vgl. Meyer, Verlagsfusion, S. 170. 34 Ziegler (1894-1949) war seit Spätsommer 1931 Direktor der zuvor kleinen historischpolitischen Verlagsabteilung der HAVA. Da deren Bedeutung während der allgemeinen politisch-wirtschaft­li­chen Krise 1932/33 rapide wuchs, weitete sich Zieglers Einflussbereich in dieser Zeit de facto auf den gesamten Verlag aus. Weil die Machtpositionen der anderen drei Direktoren aus unterschiedlichen Gründen im selben Zeitraum erodierten, wurde Ziegler spätestens 1932 zur entscheidenden Figur in der Verlagsanstalt. Ausführlich: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt S. 23 ff. Nach 1933 gewann Ziegler auch verbandspolitische Bedeutung, u. a. indem er bei Kriegsbeginn zum Leiter der Fachschaft Buchgemeinschaft in der Reichsschrifttumskammer und Obmann des Reichsverbandes de deutschen Zeitungsverleger für die Nordmark avancierte.

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darauf, auch nach ganz rechts ›anschlussfähig‹ zu sein.35 Deshalb partizipierte der Verlag auch am rasanten Aufstieg der Nationalsozialisten ab 1929/30. Bereits 1926 hatte man bei der HAVA eine eigene »Abteilung für Volkstum« eingerichtet, die das Hamburger Verlagshaus zur »geistige[n] Rüst­kammer un­ serer Bewegung« machen sollte, zum »Mittel, um die geistigen Kräfte und Bestrebungen des D.H.V. auf den weitesten Gebieten innerhalb und außerhalb unseres Verbandes zur Geltung zu bringen«.36 Sie war dafür verantwortlich, dass in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre das Gewicht stärker als zuvor auf politische Literatur gelegt wurde. So bot der DHV-Verlag z. B. einem Seekriegshelden wie Alfred v. Tirpitz mit Titeln wie »Deutsche Ohnmachtspolitik im Weltkrieg« (1926), dem rechtsnationalistischen Star­anwalt Friedrich Grimm für antifranzösische Pamphlete oder dem konservativen Journalisten Rolf Brandt u. a. mit einer Schlageter-Biographie (»Leben und Sterben eines deutschen Helden«, 1926) ein Forum. Zu den Schriftstellern, die der HAVA seit den zwanziger Jahren die Treue hielten, gehörte außerdem der ehemalige Sozialdemokrat August Winnig, der sich bis in die vierziger Jahre hinein großer Beliebtheit im rechtsextremistischen Lager erfreute.37 Hinzu traten historisierende Blut- und Boden-Romane. Im Vorfeld der »Machtergreifung« gewann der Verlag außerdem Autoren wie den Historiker Rudolf Craemer, der 1933 mit einer von der HAVA verlegten, »Der Kampf um die Volksordnung« betitelten Schrift hervortrat und ab Juli 1938 zu einem der wichtigsten Mitarbeiter des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der DAF werden sollte.38 35 Ausführlich: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt S. 26-29, sowie Meyer, Verlags­ fusion, S. 19 f. 36 So programmatisch: Albert Zimmermann, Der Deutschnationale HandlungsgehilfenVerband. Sein Werden, Wirken und Wollen, Hamburg (HAVA), o.J. (ca. 1929), S. 122, nach: Meyer, Verlagsfusion, S. 18. Das Folgende nach: ebd., S. 18-21. 37 Der fanatische Antisemit Grimm (1888-1959), seit 1927 außerordentl. Prof. für Internationales Recht in Münster, hatte in der Weimarer Republik erfolgreich rechtsextremistische Feme-Mörder und andere Feinde der Demokratie verteidigt, ehe er ab 1933 zu einem der politisch einflussreichsten Juristen des Dritten Reiches wurde. Brandt (1886-1953) war u. a. in den zwanziger Jahren Schriftleiter des Berliner Lokal-Anzeigers. Winnig (1878-1956) hatte ab 1913 den freigewerkschaftlichen Deutschen Bauarbeiterverband geleitet. 1918/19 hatte er als »Generalbevollmächtigter des Reiches für die baltischen Staaten« und »Reichskommissar für Ost- und Westpreußen« reüssiert. Bis zum Kapp-Putsch (den er aktiv unterstützte) amtierte er außerdem als Oberpräsident von Ostpreußen. Danach konvertierte er offen zum Rechtsextremismus. Winnig bescherte der Verlagsanstalt bis Anfang der vierziger Jahre mehrere auflagenstarke Schriften. 38 Der Historiker Craemer (1903-1941) war seit 1930 bei Hans Rothfels in Königsberg und habilitierte sich 1932 dort. Als einer der führenden Theoretiker der jungkonservativen Bewegung wurden seine zeithistorischen Schriften 1933 indiziert. 1936 stand er vor dem Ende seiner akademischen Karriere, 1937 trat er in die NSDAP ein. Innerhalb des AWI, dem er bis zu seinem Tod im Mai 1941 angehörte, war er für zahlreiche politik- bzw. sozialhistorische Arbeiten verantwortlich, u. a. für solche, in denen Bismarck und die vom Eisernen Kanzler inaugurierte staatliche Sozialpolitik für die Sozialstaatskonzeptionen der DAF vereinnahmt wurde. Wenige Monate vor seinem Tod wurde er in Walter Franks »Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands« kooptiert. Vgl.

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Auf der Erfolgsspur: die Hanseatische Verlagsanstalt bis 1938 Der Regierungsantritt der Nationalsozialisten schien den Verlag weiter zu beflügeln.39 Ab 1933 wuchs die Zahl der Neuerscheinungen geradezu explosionsartig an; im Jahre 1936 hatten sie sich dann gegenüber 1931 mehr als verneunfacht (186 Titel). Die Zahl der Neuauflagen wuchs in ähnlichen Dimensionen, nämlich von durchschnittlich 15 pro Jahr bis 1932 auf ungefähr jeweils achtzig in den beiden Vorkriegsjahren 1938 und 1939.40 Einen besonderen Coup landeten die Hanseaten Zieglers, als es ihnen gelang, Carl Schmitt für die HAVA zu gewinnen. Schmitt als der autoritär-faschistische Staatsrechtsideo­loge in Deutschland, dessen Ausstrahlung weit über nationalsozialistische Kreise tief in das konservative und rechtsliberale Bürgertum hineinreichte, verstärkte das freilich ohnehin markante Profil der HAVA als wissenschaftlicher Verlag völkischer Couleur. Erstes Resultat der Zusammenarbeit mit Schmitt, die bereits 1931 begann, war eine stark überarbeitete Auflage der berühmten Schrift »Der Begriff des Politischen«, die von der Hanseatischen Verlagsanstalt im Oktober 1933 als Broschüre zum Niedrigpreis mit einer für wissenschaftliche Arbeiten sehr hohen Auflage von 6.000 Exemplaren als – so die marktschreierische Werbung  – »politisches Exerzitium des neuen Staates« vertrieben wurde.41 In der von Schmitt herausgegebenen und von der HAVA verlegten Schriftenreihe »Der deutsche Staat der Gegenwart« publizierten so prominente NS-Juristen wie Ernst Rudolf Huber, Theodor Maunz, Paul Ritterbusch, Friedrich Schaffstein, Wolfgang Siebert und Franz Wieacker, die ihren rechtspolitischen Einfluss teilweise auch in der Bundesrepublik behalten sollten.42 An-

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Roth, Intelligenz und Sozialpolitik, bes. S. 153-180, 204; ferner Helmut Heiber, Walter Frank und sein »Reichsinstitut des neuen Deutschlands«, Stuttgart 1966, S. 459 f. Die Turbulenzen, in die die HAVA zwischen Mai und Oktober 1933 vor dem Hintergrund der Gleichschaltung und schließlichen Auflösung des DHV kurzzeitig geriet, weiteten sich nicht zu einer existentiellen Krise aus, sondern konnten rasch beigelegt werden. Vgl. im einzelnen Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 36-41. Vgl. ebd. S. 26, Anm. 75. Die Zahl der Titel sagt freilich nichts über Umfang, Qualität der Buchbindung usw. aus. Bei einer wachsenden Zahl von Titeln ab 1932 handelte es sich eher um – auflagenstarke – Broschüren als um Bücher im engeren Sinne. Vgl. ebd., S. 31. Zu den Broschüren, also Titeln unter 64 Seiten, gehörten freilich so einflussreiche Schriften wie Hans Freyers »Herrschaft und Planung«, Ernst Forsthoffs »Der totale Staat« und Carl Schmitts »Der Begriff des Politischen«. Entsprechend dem Ausbau der Verlagsaktivitäten wurde auch das Personal erhöht. 1932 hatte die Verlagsanstalt ein Lektorat, 1936 verfügte es über sechs (für Wehrwissenschaft, Rechtswissenschaft, Geschichte, Handelswissenschaft, Freizeitliteratur und Belletristik). Ebd., S. 51. Später publizierte Schmitt den »Leviathan« (1938) und »Positionen und Begriffe« (1940) in der HAVA. Zur Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten vgl. ebd., S. 47-60, 66 f. Huber (1903-1990), ab 1933 Ordinarius in Kiel, ab 1937 in Leipzig, ab 1941 Direktor des Rechtswissenschaftlichen Seminars sowie des Instituts für Politik an der Reichsuniversität Straßburg, profilierte sich im Dritten Reich gleichfalls als entschiedener Verfechter des nationalsozialistischen Staatsrechts. Nach 1945 lehrte er u. a. an der Universität Freiburg i.Br., an der Hochschule für Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven sowie, ab

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dere Juristen wie Carl Bilfinger oder Ernst Forsthoff, die während des Dritten Reiches prominent wurden und ebenfalls nach 1945 einflussreich blieben,43 publizierten außerhalb der von Schmitt herausgegebenen Reihe gleichfalls bei der HAVA. Ab 1935, als der Stern Schmitts zu sinken begann,44 mutierte die HAVA dann zeitweilig zum »Hausverlag des SD« (Siegfried Lokatis). Verantwortlich waren dafür Karl August Eckhardt, von Oktober 1934 bis April 1936 Hauptreferent für Recht, Staat, Politik, Geschichte und Wirtschaft in der Hochschulabteilung des Reichsministeriums für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung und ab Dezember 1935 gleichzeitig Referent im Sicherheitsdienst der SS, sowie Reinhard Höhn, der ab 1935 im SD-Hauptamt für Kultur, Wirtschaft und Hochschule verantwortlich war.45 Beide hatten zuvor gleichfalls in Schmitts Schriftenreihe 1962, als Ordinarius an der Göttinger Universität. Ritterbusch (1900-1945), der ab 1941 Ordinarius für Verfassungs-, Verwaltungs- und Völkerrecht an der Berliner Universität war, diverse NS-Funktionen ausübte und sich Ende April 1945 das Leben nahm, fungierte ab 1942 gemeinsam mit Höhn (vgl. Anm. 45) als Direktor der »Internationalen Akademie für Staats- und Verwaltungswissenschaften«. Maunz (1901-1993), ab 1935 außerordentl. Prof., ab 1937 Ordinarius für Öffentliches Recht in Freiburg, war gleichfalls ein profilierter NS-Jurist, der in der ersten Hälfte der vierziger Jahre weiterhin bei der HAVA publizierte. 1952 erhielt Maunz wieder ein Ordinariat für Öffentliches Recht (in München). 1957 wurde er bayerischer Kultusminister, ein Posten, den er 1964 aufgrund seiner NS-Vergangenheit aufgeben musste. Maunz, Mitverfasser eines der wichtigsten Grundgesetz-Kom­men­tare (Maunz-Dürig-Herzog), war später Berater des Rechtsextremisten Gerhard Frey. Gleichfalls profilierte NS-Juristen waren auch die anderen gen. HAVA-Autoren: Schaffstein (1905-2001), der ab 1933 einen Lehrstuhl in Leipzig, ab 1935 in Kiel innehatte und 1941 Direktor des Instituts für Strafrecht an der Reichsuniversität Straßburg wurde, war u. a. maßgeblich an der Umgestaltung des Jugendstrafrechts nach NS-Prinzipien beteiligt; er wurde 1954 zum Ordinarius in Göttingen ernannt (und prägte das frühe bundesdeutsche Strafrecht maßgeblich). Siebert (1905-1959), der ab 1938 als Ordinarius an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin amtierte, wurde 1940 zum Leiter des Jugendrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht ernannt; er erhielt 1953 ein Ordinariat zunächst in Göttingen, 1957 dann in Heidelberg. Wieacker (1908-1994) war ab 1939 Ordinarius in Leipzig, ab 1948 in Freiburg i.Br. 43 Bilfinger (1879-1958) war ab 1924 Ordinarius für Staats- und Völkerrecht in Halle bzw. Heidelberg, ehe er 1943 zum Direktor des renommierten Kaiser-Wilhelm-Instituts bzw. ab 1949 des Max-Planck-Instituts für ausländisches Recht und Völkerrecht ernannt wurde. Forsthoff (1902-1974) war ab 1933 ordentl. Prof. für Staatsrecht in Frankfurt a. M., ab 1936 in Königsberg, ab 1941 in Wien und von 1943 bis 1945 in Heidelberg; von 1949 bis 1967 hatte er den Lehrstuhl für Öffentliches Recht in Heidelberg inne. 1960 bis 1963 war er gleichzeitig Präsident des Obersten Verfassungsgerichtes der Republik Zypern. 44 Die DAF war freilich noch bei Kriegsbeginn stolz darauf, Schmitt über die HAVA an sich gebunden zu haben. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 117. Zum allmählichen politischen Abstieg Schmitts vgl. bes. Dirk Blasius, Carl Schmitt. Preußischer Statsrat in Hitlers Reich, Göttingen 2001, S. 153-180. 45 Eckhardt (1901-1979), ab 1928 Ordinarius in Kiel, 1930 kurzzeitig ordentl. Prof. an der Berliner Handelshochschule, ab 1930 Ordinarius für Deutsches Recht und Handelsrecht an der Bonner Universität, ein Jahr später erneut ordentlicher Professor in Kiel,

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publiziert, sich ihrem wissenschaftlichen Lehrer allerdings zusehends entfremdet. Die Kooperation der HAVA mit Höhn und Eckhardt als herausragenden wissenschaftlichen Repräsentanten des SD46 bot dem Hanseaten-Verlag neben der Übernahme der ab 1935 von Eckhardt im Auftrag des Reichserziehungsministeriums herausgegebenen »Deutsche Rechtswissenschaft«, der verlegerischen Betreuung der Studienreform der Rechts- und Wirtschafts­wissenschaften und der Akquise von ›namhaften‹ Autoren aus den Reihen der SS  – unter ihnen Heinrich Himmler, Werner Best und Hans Frank – noch den großen Vorteil, dass er auf weiteren Feldern als Wissenschaftsverlag, der »dem aus der nationalsozialistischen Revolution geborenen Denken verlegerische Möglichkeiten« bot,47 renommieren konnte. erhielt 1935 ein Ordinariat an der Universität Berlin. 1937 wechselte er wieder an die Bonner Universität; von 1938 bis Kriegsende leitete er außerdem das »Deutschrechtliche Institut des Reichsführer SS« in Bonn. Nach 1945 aus dem Hochschuldienst entlassen, fungierte er als Stadtarchivar und Direktor des Historischen Instituts des Werralandes in Witzenhausen. Höhn (1904-2000), 1933 in die NSDAP und SS eingetreten (ab 1944 SS-Oberführer), avancierte 1935 zum planmäßigen außer­ordentl. Prof. für Staatsrecht an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität; ab 1934 war er u. a. in der genannten Funktion für den SD tätig. 1939 wurde er zum Ordinarius an der Friedrich-WilhelmsUniversität sowie zum Direktor des Instituts für Staatsforschung in Berlin ernannt; ab 1942 fungierte Höhn gemeinsam mit Ritterbusch als wissenschaftlicher Direktor der »Internationalen Akademie für Staats- und Verwaltungswissenschaften«. Außerdem war er von 1934 bis 1941 Schriftleiter des Organs des NS-Rechtswahrerbundes »Deutsches Recht«. Ab 1956 leitete Höhn die »Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft« in Bad Harzburg. Vgl. zu Höhn ausführlich: Adelheid v. Saldern, Bürgerliche Werte für Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen. Das Harzburger Modell, 19601975, in: Gunilla Budde/Eckart Conze/Cornelia Rauh (Hg.), Bürgertum nach dem bürgerlichen Zeitalter. Leitbilder und Praxis seit 1945, Göttingen 2010, S. 165-184, zu Höhns Biographie: S. 179-182. 46 Die Kontakte der HAVA zu SD und SS beschränkten sich nicht auf Höhn und Eckhardt. Es existierte ein ziemlich dichtes Netzwerk. So brachte die HAVA die Zeitschrift »Volk im Werden« heraus, die 1937 und 1938 de facto von Franz Alfred Six geleitet wurde. Auch nachdem die Zeitschrift an den Armanen-Verlag abgegeben wurde, blieben die Kontakte zu Six intensiv. Zwischen 1937 und 1944 publizierte der führende SS- und SD-Mann fünf Titel im HAVA-Ver­lag. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 65 f. Six (1909-1975) führte ab 1935 das Amt »Presse und Schrifttum« bzw. die »Zentralabteilung für Presse und Museum«, ab 1937 dann die »Zentralabteilung Gegnerbekämpfung« im SD-Hauptamt. Er sollte später (1940 bis 1943) Dekan der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität sowie von 1941 bis Kriegsende Chef des Amtes »Weltanschauliche Forschung« im Reichssicherheitshauptamt werden. Six, von 1943 bis 1945 außerdem Leiter des Kulturpolitischen Amtes des Auswärtigen Amtes und noch 1945 zum SS-Brigadeführer ernannt, war ab 1953 Geschäftsführer des Verlages C.W. Leske in Darmstadt, nebenberuflich außerdem Dozent an der von Höhn geleiteten »Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft«, von 1957 bis 1964 Werbe­ leiter der Porsche Diesel Motorenbau GmbH und anschließend selbständiger Unternehmensberater. 47 So das Lob auf die verlegerische Tätigkeit der HAVA in: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 116.

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Folgt man Lokatis, war es vor allem Eckhardt zu verdanken, dass der bis dahin unbekannte Historiker und – seit 1931 – Hausautor der Hanseatischen Verlagsanstalt Walter Frank48 im August 1935 zum Direktor des von ihm begründeten »Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands« wurde. Ohne die HAVA sei dieses Institut »gar nicht zu denken« gewesen.49 Ohne Frank und sein Institut hätte sich aber auch das Unternehmen kaum so prononciert als Verlag profilieren können, der Geschichtswissenschaft und nationalsozialistischen Zeitgeist komplikationslos miteinander zu einer, wie seitens der DAF hervorgehoben wurde, »echten Wissenschaftlichkeit«50 zu verschmelzen verstand.51 Frank fungierte als Aushängeschild des Verlages. So forderte die HAVA anlässlich der Gründungs­f eier des Reichsinstituts am 19. Oktober 1935 den Buchhandel auf, die Bücher Franks werbewirksam in die Schaufenster zu stellen. Die Beziehungen des Hamburger Verlages zu Frank und ebenso zu seinen produktionsfreudigen Mitarbeitern, die gleichfalls fast ausnahmslos bei der HAVA veröffentlichten, blieben überaus eng, auch nachdem Frank 1941 von seinem Direktoren­posten beurlaubt worden war.52 Publikationen aus dem Hause Franks bildeten im Übrigen nur einen Teilausschnitt des historischen Programms der Hanseaten. Hinzu traten zahlreiche Titel zur Antike, zum späten (deutschen) Mittelalter, zum Dreißigjährigen Krieg oder zur preußischen Geschichte. Verlegt wurden außerdem Autoren, die erst nach 1945 zu Ruhm und Ehren gelangten, z. B. Helmut Krausnick.53 48 Im Herbst 1931 war Walter Frank ein von der Notgemeinschaft/DFG gewährtes Forschungsstipendium aufgrund drastischer Etatkürzungen, die die Vorläuferorganisation der heutigen DFG im Krisenjahr hinnehmen musste, gestrichen worden. Vgl. Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut, S. 59 f. Da Frank daraufhin in finanzielle Schwierigkeiten geriet, nahm ihn die HAVA auf Vermittlung von Hans Grimm unter Vertrag – und verpflichtete ihn damit dem Verlag. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 67 f. 49 Ebd., S. 5, 61, 64, 67 ff. W. Frank (1905-1945) hatte in München studiert und war Schüler von H. Oncken, K. Haushofer und K.A. v. Müller. 1927 promoviert, hatte er bereits 1923 für den »Völkischen Beobachter« geschrieben. Nach 1933 machte er eine steile Karriere, zunächst (ab 1934) als Referent für Geschichte in der Dienststelle Rosenberg; im Mai 1935 zum Professor ernannt, schlug er mehrere ihm angebotene Lehrstühle aus. Seit der Gründung seines Instituts galt er als führender deutscher Historiker, mit beträchtlichem Einfluss auf die Besetzung von Lehrstühlen und die Redaktionen von Fachzeitschriften. Ende 1941 wurde er nach Querelen mit Alfred Rosenberg als Direktor des Reichsinstituts beurlaubt. 50 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 117. 51 Hierzu und zum Folgenden ausführlich: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 6774. 52 Wie eng sie waren, hat Lokatis mit der Bemerkung pointiert, dass »die wichtigeren historischen Bücher des Instituts konzeptionell weniger dem Institut als der verlegerischen Gesamtkonzeption der HAVA verpflichtet« gewesen seien; »anscheinend ließ nicht Walter Franks Reichsinstitut, sondern die HAVA die deutsche Geschichte umschreiben«. Ebd., S. 70. 53 Krausnick verlegte bis 1945 bei der HAVA seine beiden bis zu diesem Zeitpunkt einzigen Buchpublikationen, nämlich als Hg. »Neue Bismarckgespräche« (1940) sowie

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Die Historiographie wiederum war nur ein Teil des geistes- und kulturwissenschaftlichen Gesamtprogramms der HAVA ab 1933. Hinzu traten Titel aus anderen Geisteswissenschaften; zu nennen sind neben der Philosophie, Germanistik, Orientalistik und Theologie auch schon frühzeitig z. B. die »Raumordnung«, die im Dritten Reich bekanntlich eine fatale Konjunktur erlebte, und ebenso die »politische Medizin« sowie weitere naturwissenschaftliche Disziplinen.54 Es ist vor diesem Hintergrund kein Zufall, dass die Hanseaten in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zu einem der Hausverlage der DFG wurden und ab 1941 im Rahmen des »Kriegseinsatzes der Deutschen Geisteswissenschaften« – oder (benannt nach Paul Ritterbusch) der »Aktion Ritterbusch« – verlegerisch eine bedeutende Rolle spielten.55 Von ähnlich hoher Bedeutung wie ›zeitgemäße‹ Geschichts- und Kulturwissenschaften war schließlich das breitgefächerte verlegerische Programm der HAVA im Bereich der sog. Wehrforschung und der  – kriegsbezogenen  – Wirtschaftswissenschaften. Unter anderem wurde die HAVA zum Hausverlag der »Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrerziehung« bzw. der »Deutschen Gesellschaft für Wehrwissenschaften« als des ab 1933 zentralen Propagandisten der »Wehrwissenschaften«.56 Bis 1938 galt außerdem der Reichskriegsminister als »Schutzherr des Hauses«, nachdem die HAVA zu einem gewichtigen »Sprachrohr des Kriegsministeriums« (Lokatis) aufgestiegen war, das einschlägigen Ministerialbeamten und Offizieren ein Forum zur Werbung für den »Wehrgedanken« und allerlei historische Exkurse bot. Mindestens ebenso stark wie im Bereich der »Wehrwissenschaften« war die HAVA auf dem Markt für wirtschaftswissenschaftliche Fachliteratur präsent.57 In

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»Holsteins Geheimpolitik in der Ära Bismarck 1886-1890« (1942). Krausnick (19051990), von 1959 bis 1972 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München und Mitverfasser des Gutachtens für den Auschwitz-Prozess 1963 bis 1965, war seit 1932 NSDAP-Mitglied, von 1938 bis 1944 Mitarbeiter der »Zentralstelle der Nachkriegszeit« und wurde 1940 in die Archivkommission des Auswärtigen Amtes berufen. Trotz gewiß beeindruckender Autorennamen war die wissenschaftliche Bedeutung der HAVA nicht so groß, wie Lokatis (Hanseatische Verlagsanstalt, S. 74) dies meint. Zu diesem »Kriegseinsatz« vgl. Frank-Rutger Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg: die »Aktion Ritterbusch« (1940-1945), 3. Aufl., Heidelberg 2007, bzw. (als Überblick) ders., Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften, in: Haar/Fahlbusch (Hg.), Handbuch, S. 338-344. Zur »Deutschen Gesellschaft für Wehrwissenschaften« (DGWW) ausführlich: ­Peter Kolmsee. Die Rolle und Funktion der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges durch das faschis­ tische Deutschland (Diss.), Leipzig 1966; ders., Deutsche Gesellschaft für Wehr­politik und Wehrwissenschaften (DGW), 1933-1945, in: Lexikon zur Parteien­geschichte, Bd. 1, S. 704-710, sowie Jutta Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg. Die propagandistische Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf den Zweiten Weltkrieg, Opladen 1976, S. 43 ff. Dazu gehörte das renommierte fünfbändige »Handwörterbuch des Kaufmanns«, der »Kleine Bott«, das biographische Nachschlagewerk »Deutsche Wirtschaftsführer« und zahlreiche weitere einschlägige bank- und handelswissenschaftliche Handbücher und

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diesem Bereich hatte der Verlag weit vor der NS-Machtergreifung starke Wurzeln geschlagen. Unter Ziegler wurde diese Tradition ab 1933 umsichtig weiter ausgebaut, so dass die HAVA schon bald als der wirtschaftswissenschaftliche Verlag des Dritten Reiches gelten konnte. Ab 1935 gab der Hamburger Verlag u. a. die »Berichte des Instituts für Konjunkturforschung« und ebenso die »Halbjahresberichte« sowie die »Vierteljahreshefte« dieser von Ernst Wagemann geleiteten Forschungseinrichtung heraus.58 Darüber hinaus wurde die HAVA zum Hausverlag Wagemanns und seiner Mitarbeiter. Die intensive verlegerische Zusammenarbeit mit dem 1925 gegründeten und mit dem Statistischen Reichsamt verkoppelten Wirtschaftsinstitut zementierte die enge Kooperation, die das Institut für Konjunkturforschung ab Juni 1933 mit der DAF-Führung und deren Berliner Zentralämtern eingegangen war und die insbesondere dem Arbeitswissenschaftlichen Institut zugute kam.59 Daneben verlegte die HAVA Publikationen und Periodika des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs.60 Gewonnen wurden außerdem so prominente Autoren wie Albrecht Czimatis, der später zum Leiter der wirtschafts- und wissenschaftspolitisch mächtigen »Reichsstelle für Wirtschaftsausbau« avancierte, die im Vorfeld des Vierjahresplanes als »Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe« gegründet worden war.61 Wenn die Verlagsanstalt ab 1935 außerdem drei Übersee-»Rund­schauen«, nämlich die »Ostasiatische Rundschau«, die »Afrika-Rundschau« sowie die »Iberoamerikanische Rundschau« herausbrachte, dann war dies keineswegs ­allein dem Verlagsort und realitätsfernen, nostalgischen Sehnsüchten der Hamburger Großkaufleute geschuldet.62 Das Diktum vom »Lebensraum im Osten«  – ge-

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Lexika (die zum Teil in anderen Verlagen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Bundesrepublik immer neue Auflagen fanden). Hinzu kamen fachwissenschaftliche und fachdidaktische Zeitschriften, etwa »Welt des Kaufmanns« bzw. (ab 1934) »Deutsche Kaufmannspraxis« sowie (bis 1935) »Der deutsche Buchhandlungs­gehilfe«. U.a. verlegte die HAVA von Wagemann (1884-1956), von 1923 bis 1933 Präsident des Statistischen Reichsamtes, von 1925 bis 1945 Leiter des Instituts für Konjunktur­f orschung, eine ganze Reihe populärer Publikationen zum Thema Statistik. Hierzu und zum Folgenden ausführlich: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt S. 43, 152-163. Zur engen Beziehung zwischen beiden Seiten vgl. Roth, Intelligenz und Sozialpolitik, bes., S. 130, 185 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 121. Czimatis (1897-1984), promovierter Ingenieur, seit 1931 Hauptmann einer ArtillerieBatterie (seit Dez. 1935 Major), veröffentlichte 1936 bei der HAVA eine Schrift mit dem Titel »Energie als Grundlage der Kriegswirtschaft«. Er löste Anfang 1938 Fritz Loeb als Leiter des »Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe« ab. Unter ihm wurde dieses wichtigste Amt in Görings Vier­jah­res­plan­be­hörde zur »Reichsstelle für Wirtschaftsausbau« aufgewertet. Seit Jan. 1939 fungierte Czimatis als Verbindungsmann des Reichswirtschaftsministeriums zur Wehrmacht. Anfang Sept. 1939 nahm er als aktiver Offizier am Überfall auf Polen, später am »Frankreichfeldzug« und ab Sommer 1941 am Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion teil. Dies suggeriert Lokatis (Hanseatische Verlagsanstalt, S. 158), wenn er für die NS-Zeit von »einer in nationalen Kreisen nicht unbedingt selbstverständlichen Aufgeschlossenheit für Übersee« und Afrika spricht.

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nährt durch Hans Grimm, der im Schwester-Verlag Langen-Müller publizierte, und sein Wort vom »Volk ohne Raum« – lässt leicht vergessen, dass gerade nationalsozialistische Funktionsträger trotz des Zusammenbruchs des Weltmarktes brennend an Informationen über Südamerika und stärker noch über den Fernen Osten interessiert waren. Dass Afrika im Fokus auch maßgeb­licher NS-Kreise lag, wurde 1940/41 virulent, als nach dem Blitzsieg über die ­Kolonialmacht Frankreich und mit den militärischen Erfolgen Rommels in Nordafrika Mitte 1942 allerorten Pläne für ein neues afrikanisches Kolonialreich und damit auch einen nordafrikanischen Zugang zum militärisch hochbedeutsamen Erdöl im Nahen Osten geschmiedet wurde.63 Nicht zuletzt die Arbeitsfront machte sich unmittelbar nach der Niederlage Frankreichs sehr konkrete Gedanken über eine künftige koloniale Sozialpolitik und begann Lehrgänge für diejenigen DAFFunk­tionäre vorzubereiten, die für den »Kolonialdienst« vorgesehen waren.64 Auch wenn die HAVA ab 1933 vor allem ihr wissenschaftliches Programm stärkte, gab sie deswegen belletristische Traditionen jedoch keineswegs auf. In dieser Hinsicht war für das bildungsbürgerliche Publikum, das zwischen Rechtskonservativismus und Faschismus changierte, und ebenso für die sich vor allem ab 1934 zunehmend verbürgerlichenden nationalsozialistischen Eliten,65 der Langen-Müller-Verlag zwar sicherlich attraktiver. Aber auch die HAVA 63 Vgl. vor allem Karsten Linne, »Weiße Arbeitsführer« im »kolonialpolitischen Ergänzungsraum«. Afrika als Ziel wirtschafts- und sozialpolitischer Kolonialplanungen in der NS-Zeit, Bremen 2002, bzw. ders., Deutschland jenseits des Äquators? Die NS-Kolonialplanungen für Afrika, Berlin 2008. Linne diskutiert zwar die Rolle des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs für die Afrika-Planungen (»Weiße Arbeitsführer«, S. 208 ff.), geht jedoch auf die von Lokatis herausgearbeitete Rolle der HAVA in diesem Kontext nicht ein. Wie wichtig Nordafrika außerdem für ganz konkrete wirtschaftsstrategische Konzepte war, lässt sich namentlich den neueren Arbeiten von Dietrich Eichholtz (Krieg um Öl. Ein Erdölimperium als deutsches Kriegsziel (1938-1943), Leipzig 2006, bes. S. 110-115, bzw. ders., Deutsche Ölpolitik im Zeitalter der Weltkriege, Studien und Dokumente, bes. S. 437-446) entnehmen. 64 Linne, »Weiße Arbeiterführer«, S. 111 f., 114; ders., Deutschland jenseits des Äquators? S. 94-98. Die Unterlagen, die die Hanseaten boten, dürften neben den einschlägigen Expertisen des Arbeitswissenschaftlichen Institutes Grundlage der diesbezüglichen DAF-Schulung gewesen sein. Das kolonialpublizistische Programm der HAVA während der NS-Zeit knüpfte im Übrigen an ältere verlegerische Traditionen des Hamburger Verlages an. Zu denken ist dabei an die oben erwähnte Tirpitz’sche Schrift, außerdem an Titel, die an der Schnittstelle von volkswirtschaftlichem Sachbuch und politischer Bekenntnisschrift angesiedelt waren, etwa an die erstmals 1932 publizierte Schrift Wichard v. Moellendorffs »Konservativer Sozialismus«. Daneben erwarb die HAVA eine ganze Reihe von Zeitschriften, die das Renommee des Verlages innerhalb der neuen braunen Elite erhöhten, z. B. »Der deutsche Student«, das Zentralorgan der Deutschen Studentenschaft. 65 Zur Verbürgerlichung der NS-Funktionseliten vgl. Ulrich Herbert, Wer waren die Nationalsozialisten? Typologien des politischen Verhaltens im NS-Staat, in: Gerhard Hirschfeld/Tobias Jersak, (Hg.), Karrieren im Nationalsozialismus. Funktionseliten zwischen Mitwirkung und Distanz, Frankfurt a. M./New York 2004, S. 17-42, sowie Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, Bd. 1, S. 312-324.

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hatte einige damals renommierte rechtskonservative oder faschistische Romanciers und Lyriker aufzubieten, zuvörderst Ernst Jünger. Jünger, der bereits ab 1930 freundschaftliche Kontakte zu leitenden Persönlichkeiten der HAVA unterhielt, veröffentlichte dort 1932 seinen »Arbeiter«, zwei Jahre später die EssaySammlung »Blätter und Steine« und im Jahr der Berliner Olympischen Spiele den Roman »Afrikanische Spiele«; »Feuer und Blut« und »Das abenteuerliche Herz« arbeitete Jünger noch vor Kriegsbeginn für Neuauflagen in der HAVA um. 1939 erschien schließlich der Roman »Auf den Marmor-Klip­pen«, der ein Renner im konservativen Bürgertum war und bis 1942 in einer Auflage von 82.000 verkauft wurde.66 Als weiterer Magnet für Bildungsbürger entpuppte sich Werner Bergengruen, dessen »Der Großtyrann und das Gericht« Ende 1935 in der Hanseatischen Verlagsanstalt erschien und bis 1941 60.000 mal verkauft wurde. Bemerkenswert ist, dass die für die Verlagspolitik letztverantwortliche TWU der DAF nicht gegen diese oder andere tatsächlich oder vermeintlich dissidente Schriften intervenierte – sondern sich vielmehr über den enormen Absatz der Bücher des HAVA-Erfolgsautors freute.67 Abgerundet wurde das belletristische Angebot der Hanseaten u. a. durch zahlreiche Romane und Erzählungen von NS-Erfolgs­autoren.68

66 Jünger (1895-1998), der vor allem mit seinem 1920 veröffentlichten Roman »In Stahl­ gewittern« (der erst ab 1934 Massenauflagen erreichte) zu einem der bekanntesten Kriegsautoren und einer Kultfigur der Weimarer Rechten aufstieg, wurde 1939 zum Kriegsdienst eingezogen und war von 1941 bis Mitte 1944 Besatzungsoffizier in Paris. Jüngers Kriegstagebuch »Gärten und Straßen« (1942) und der erste Band seines sechsteiligen Tagebuchs »Strahlungen« (1942) erschienen nicht mehr bei der HAVA. 67 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 96. Bergengruen (1892-1964), der den vom NS-Regime eingeleiteten »nationalen Aufbruch« begrüßte, aufgrund der »DreiviertelJudenschaft« seiner Frau und seines stark christlich getönten, rechtskonservativen Weltbildes jedoch mit NS-Organen in Konflikt geriet, publizierte neben dem »Großtyrann« bei der HAVA u. a. 1940 den Roman »Am Himmel wie auf Erden«, der wie der »Großtyrann« als Kritik der NS-Herrschaft interpretiert werden konnte, jedoch ebenso wenig verboten, im ersten Erscheinungsjahr vielmehr 61.000 mal verkauft wurde, oder 1939 den Novellenband »Die Leidenschaftlichen«, von dem bis 1943 55.000 Exemplare abgesetzt werden konnten. Zum hier lediglich grob skizzierten belletristischen Programm der HAVA vgl. ausführlich ebd., S. 89-101; ferner Meyer, Verlagsfusion, S. 132139; Friedländer u. a., Bertelsmann im Dritten Reich, S. 290. 68 Dazu gehörten die Romane von Gustav Schröer und Adolf Bartels, außerdem z. B. Hans Friedrich Bluncks »König Geiserich«. Von Richard Euringer (1891-1953), der bereits in den zwanziger Jahren der NSDAP beitrat und 1935 zum »Reichskultursenator« ernannt wurde, erschienen insgesamt 12 Titel bei der HAVA mit teilweise sehr hohen Auflagen. Heinz Steguweit (1897-1964), der in der Reichschrifttumskammer eine führende Rolle spielte, erreichte z. B. mit den von den Hanseaten verlegten »Jüngling im Feuerofen« Spitzenauflagen von 140.000 Exemplaren. Nach 1945 erzielte der u. a. von der »Bundeszentrale für den Heimatdienst« und dem »Westdeutschen Autorenverband« preisgekrönte Steguweit mit seinen Erzählungen erneut hohe Auflagen.

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In eigenständigem Fahrwasser, orientiert auf Bildungsbürger und Mittelstand sowie gut Freund mit der NS-Bewegung Angesichts der breitgefächerten Palette rechtsextremistischen Schrifttums belletristischer wie wissenschaftlicher Couleur verwundert nicht, dass das Renommee der HAVA innerhalb des nationalsozialistischen Milieus groß und die deutschnationalen Hanseaten zu den wenigen Verlagen gezählt wurden, die »in ihrem Wesen, ihrem Werden und ihrem Wirken […] im Kampf für den Nationalsozialismus und an der geistigen Erneuerung [den wesentlichsten] Anteil haben«.69 Insofern konnte die HAVA in den ersten Jahren der NS-Herr­schaft – gemeinsam mit dem in ihrem Kielwasser segelnden Langen-Müller-Verlag – als das Flaggschiff des DAF-Ver­lagsim­periums gelten. Das war freilich nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite bewegte sich die Hamburger Verlagsanstalt, und ebenso der Langen-Müller-Verlag, politisch-ideologisch de facto außerhalb der Arbeitsfront in eigenständigem Fahrwasser. Folgt man Lokatis, basierte der verlegerische Erfolg der HAVA auf der »Bewirtschaftung eines festen Kundenstammes mit vergleichsweise gut vorher­ seh­baren Kundenbedürfnissen«. Wenn der Hanseaten-Verlag ab 1933 seinen Kundenstamm erweiterte, dann nicht in die Industriearbeiterschaft  – der das politische Hauptinteresse der DAF-Führung galt –, sondern in die neuen Eliten in Wirtschaft, Wissenschaft bzw. Hochschule, Politik und Militär und last but not least die bürgerliche Jugend hinein. Eine (nicht repräsentative) Markt­studie aus dem Jahre 1934, die die HAVA in enger Zusammenarbeit mit der NS-Stu­ dentenschaft erstellte und die etwa 10.000 Kunden der HAVA erfasste, ist hier aufschlussreich: Der Anteil der Arbeitnehmer, vor allem wohl der Angestellten als der traditionellen Klientel der HAVA, lag bei 21,8 %. Bereits danach folgte mit 20,2 % fast gleich­auf die nazifizierte bürgerliche Jugend (außerhalb der Angestelltenschaft). Wie stark sich das gebildete Bürgertum vom rechtskonservativen bis faschistischen Verlagsprogramm angezogen fühlte, weisen die für Lehrer, Studienräte und Hochschullehrer (16,4 %), für »Freie Berufe« (12,4 %) und für Beamte (6,3 %) ermittelten Prozentsätze aus. Die Geistlichen, deren Anteil mit 3,7 % unter den HAVA-Kunden gleichfalls weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt lag, dürften fast ausschließlich protestantisch gewesen sein und zumeist den Deutschen Christen nahegestanden haben. Die hohen Prozentsätze an Kaufleuten und Gewerbetreibenden (5,1 %) sowie – zu einem Zeitpunkt, als gerade erst begonnen wurde, die Reichswehr auszubauen – an Offizieren (1,4 %) verweisen auf die beträchtliche Attraktivität der vor allem für diese Berufsgruppen konzipierten Spartenprogramme »Wehrwissenschaft« und »Handel/Wirtschaft«.

69 Gerhard Schröder, Aus dem Leben politischer Buchverlage, in: Der deutsche Student, 3/1935, Heft 6 (Juni 1935), S. 379-389, hier: S. 379, nach: Florian Triebel, Kultur und Kalkül. Der Eugen Diederichs Verlag 1930-1949 (Diss.), Konstanz 2001, S. 389. Neben der HAVA wurden lediglich der NSDAP-Zentralverlag Franz Eher Nachf. sowie zwei weitere kleinere Unternehmen mit diesem Lob bedacht.

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Der sehr niedrige Anteil von Frauen an der HAVA-Kundschaft (5,4 %)70 bringt zum Ausdruck, dass die belletristischen, aber auch die wehrwissenschaftlichen und sonstigen Titel einem reaktionären bis faschistischen Männlichkeitsbild huldigten und kaum dazu angetan waren, ein weibliches Lesepotential  – das freilich ohnehin weniger kaufkräftig war – zu begeistern. Eine so starke Orientierung auf Kundenschichten, die außerhalb des Verbandsinteresses des Eigentümers Deutsche Arbeitsfront lagen, ließ sich nur erreichen, wenn man sich eine relative Autonomie von eben diesem Eigentümer bewahrte. Verlegerische Unabhängigkeit gegenüber der DAF verschaffte sich die HAVA, indem sie zu zahlreichen wichtigen NS-Insti­tu­tionen und Vorfeldorganisationen der NSDAP engere Beziehungen aufbaute und sich eine möglichst vielfältige ›Organisationskundschaft‹ sicherte. Unabhängigkeit durch Abhängigkeit von vielen, auf diese Formel lässt sich die – alles in allem freilich nur begrenzt erfolgreiche – Strategie der HAVA-Füh­rung bringen. Die Liste der Organisationen und Institutionen, die die HAVA in den ersten Jahren der NS-Herr­schaft als Kunden an sich binden konnte, liest sich wie ein »Who is who« der NS-Bewegung: Neben der SS und ihrem SD, dem Reichswehr- bzw. Reichskriegsministerium sowie dem Reichsinstitut Walter Franks nahmen der Reichsnähr­stand, die NS-Frauen­schaft, der Bund Deutscher Mädel (BDM) und die Hitler-Jugend (HJ) gleich en gros Titel der HAVA ab, etwa das zum »Tag der Hitlerjugend« am 24. Juni 1933 auf den Markt geworfene »Hitlerbuch der Jugend« oder zum »Tag des deutschen Bauern« die Broschüre »Erntedankfest« – die innerhalb von drei Wochen vergriffen war – sowie das Laienspiel »Ewige Ernte« von Hans Franck. Überhaupt waren die zahlreichen neuen ›Feste‹ und Inszenierungen, die das braune Regime und seine Suborganisationen ab Januar 1933 einführten, ein willkommener Anlass, geeignete ›Ratgeber‹ zu produzieren. Darunter waren selbstverständlich auch zahlreiche Ratgeber für die Arbeitsfront, deren Funktionsträger der mittleren Ebene in den ersten Jahren der NS-Herrschaft in der Organisierung der DAF-typi­schen Inszenierungen noch wenig routiniert waren.71 Die wichtigste Organisationskundschaft außerhalb der DAF war der Arbeitsdienst. Sie resultierte aus der engen Bindung zwischen HAVA und DHV. Der DHV wiederum war 1932 und im ersten Halbjahr 1933 ein wichtiger Träger des »Freiwilligen Arbeitsdienstes« gewesen, ähnlich wie der Jungdeutsche Orden,

70 Angaben nach: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 46, Anm. 11. 71 So erschien zum 1. Mai 1934 eine für den »Tag der nationalen Arbeit« verfasste Broschüre »Feste der Arbeit«. Zu den Schlageterfeiern Ende Mai 1933 brachte die HAVA 65.000 Exemplare eines Ladenhüters, der erwähnten Schlageter-Bio­graphie von Rolf Brandt, erfolgreich auf den Markt. Auch sonst konnte die HAVA auf ältere Titel zurückgreifen, etwa die Reihe »Feste und Feiern deutscher Art«, die zwischen 1926 und 1930 erschienen war; sie mussten nach dem Januar 1933 auf die »Anforderungen der Gegenwart« hin oft nur geringfügig modifiziert werden, um erfolgreich abgesetzt werden zu können.

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der Stahlhelm oder die NSDAP.72 Absatzmärk­te in den genannten und weiteren NS-Formationen und Verbänden verschaffte sich der HAVA-Vertrieb im Übrigen nicht in erster Linie über Vereinbarungen auf der Spitzenebene, sondern dadurch, dass er innerhalb der Statushierarchie der betreffenden Verbände gezielt untere und mittlere Funktionäre ansprach und diesen für den Weiterverkauf hohe Mengenrabatte in Aussicht stellte. Der Hamburger Verlag schuf sich so Absatzmärkte, auf denen Konkurrenten anfangs kaum zum Zuge kamen.73 Darüber hinaus fungierten die jeweiligen NS-Organisationen zudem indirekt als Werbeträger der HAVA in weite nationalsozialistische Kreise hinein. Weil die HAVA bereits während der gesamten Weimarer Republik als rechtsextremistischer Verlag ausgewiesen war, griffen Nationalsozialisten in der ersten Zeit meist unbesehen auf Produkte des Hanseaten-Verlages zu. Sie konnten sicher sein, dass der ihnen politisch-ideolo­gisch eng benachbarte Verlag in seinen Büchern, Broschüren und Zeitschriften politische Inhalte transportierte, die mit der eigenen Überzeugung übereinstimmten oder doch wenigstens große Schnittmengen aufwiesen. Das vormals dem DHV gehörende, nun von der DAF übernommene Verlagshaus verfügte als etabliertes Unternehmen in jeder Hinsicht über verlegerische Erfahrungen und eingespielte Routinen – ein Vorteil, der über die genannten Aspekte hinaus vor allem in der Anfangszeit der Diktatur schwer wog, als die NS-Bewegung sich mit der Adaption von Verwaltungsund Wirtschaftsroutinen schwer tat. Dieser Vorteil schwand in dem Maße, wie sich die neuen Machthaber etablierten und die genannten NS-Verbände ihre politischen Ambitionen durch den Aufbau eigener Verlage unterstrichen. Sie erkannten überdies schon bald, dass der Vertrieb von Broschüren, Zeitschriften oder gar Büchern lukrativ sein konnte, wenn man sich darauf innerhalb der eigenen Mas­sen­organisation das Monopol verschaffte; mindestens ließen sich durch den Aufbau eigener Verlage und Vertriebswege Kosten sparen. Bereits Ende 1934 begann sich deshalb der HJ-Buchhandel auf eigene Füße zu stellen. Andere Organisationen zogen nach. Nicht zuletzt die SS kupferte mit ihrem Nordland-Verlag und der angeschlossenen »Buchgemeinschaft für Polizisten« die Verlags- und Vertriebsstruktur der HAVA ab.74 Wenn sich die großen NS-Organisationen eigene Verlage zulegten und eigene Vertriebsstrukturen aufbauten, dann war dies außerdem auf die mindestens latente Furcht vor dem erwähnten politischen Totalitätsanspruch der Arbeitsfront zurückzuführen. Kontrahenten Leys und seiner DAF fürchteten, dass jene ihre Unternehmen einschließlich der Verlage einsetzen würden, um ökonomische 72 Vgl. Kiran Klaus Patel, »Soldaten der Arbeit«. Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933 – 1945, Göttingen 2003, S. 67 ff. Nach Patel verfolgte der DHV »mit dem Engagement im Arbeitsdienst ähnliche Zielvorstellungen wie die NSDAP«. Ebd., S. 85. 73 Zugute kamen der HAVA dabei vielfältige Erfahrungen im DHV-Umfeld bis 1933. Hierzu und zum Folgenden: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 78 ff., 88 f., Zitat: S. 79. 74 Lokatis (ebd., S. 85) spricht von »glatter Kopie«.

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Abhängigkeiten zu schaffen und diese dann zur politischen Einflussnahme zu nutzen. Vor dem Hintergrund, dass z. B. Walter Darré in den dreißiger Jahren zu den schärfsten Rivalen Leys zählte, ist es kein Zufall, dass sich die Beziehungen zwischen der HAVA und dem Reichsnährstand schon bald lockerten und in den Vorkriegsjahren schließlich ganz lösten. Ähnliches galt für Baldur v. Schirach und die Hitler-Jugend, deren Verhältnis zur DAF sich vor dem Hintergrund des von beiden Organisationen veranstalteten Reichsberufswettkampfes zwar einvernehmlicher gestaltete; die HJ wurde jedoch gleichfalls vom Verbandsimperia­ lismus der Arbeitsfront abgeschreckt. Unausgetragene Spannungen – das Verhältnis zwischen HAVA und DAF bis Kriegsbeginn Trotz aller verlegerischen Autonomie wurde die HAVA von der DAF und ihren Suborganisationen in den ersten Jahren der NS-Herrschaft auch als Hausverlag genutzt, da der Zentralverlag der Arbeitsfront anfangs nicht in der Lage war, den Bedürfnissen der DAF nach organisatorischer Selbstdarstellung und praktischen Ratgebern auf den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Organisation zu entsprechen. Dass sie mit der HAVA einen etablierten Verlag mit einem eingespielten Vertrieb besaß, der die Schulungs- und Bildungsaktivitäten des DHV über Jahrzehnte verlegerisch betreut hatte, musste der Führung der Arbeitsfront deshalb als Glücksfall erscheinen. So wie sich die DAF die Erfahrungen der in politischer Schulung und fachlicher Bildung eingespielten HAVA zunutze machte, profitierte der Hamburger Verlag seinerseits von der rasant expandierenden Bildungsarbeit der Arbeitsfront. Daneben verdankte insbesondere KdF den Hanseaten den raschen Aufbau ihres Geselligkeits- und Freizeitwesens. In den ersten Jahren wuchsen die HAVALektoren für »Freizeitliteratur« als (wie die DAF lobte) »praktische Mitgestalter unserer neuen deutschen Volkskultur« in die Rolle eines »konzeptionellen BrainTrusts« (Lokatis) für KdF hinein: Sie standen in »lebhafter Fühlungnahme« mit den Gliederungen dieser Organisation, und auch denen der HJ, des BDM usw., boten um­f assende Beratung und publizierten »praktische Gebrauchs­literatur für die Arbeit der For­mationen«.75 Der DAF-interne Absatzmarkt blieb dem Hanseaten-Verlag freilich nicht dauerhaft erhalten. Ab Mitte der dreißiger Jahre begann sich die DAF von ihrem Hamburger Verlag zu lösen. Zwar blieben relevante Bereiche der Arbeitsfront, 75 Neben einer Schriftreihe »Feste und Feiern deutscher Art«, einem »ersten Handbuch der Freizeitgestaltung im NS-Sinne«, Ratgebern für »Feste der Arbeit« und »Betriebs­ appelle und Kameradschaftsabende«, Liederbüchern oder Stücken für Laientheater gab der Hamburger Verlag zur internen Kommunikation der NS-Freizeitex­per­ten eine hauseigene Zeitschrift, die »Hanseatenkogge«, heraus, in der »alle Gliederungen und Persönlichkeiten in der Freizeitgestaltung« Erfahrungen und Über­legungen austauschen sollten. Vgl. (inkl. Zitate) ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 121 f., ferner Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 75 ff.

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wie die Reichsbetriebsgemeinschaft »Banken und Versicherungen«, bei der sich die HAVA eine Art Belieferungsmonopol gesichert hatte,76 den Hanseaten länger erhalten. Ein entscheidender und bald überlegener Konkurrent erwuchs dem Hanseaten-Verlag innerhalb der Organisation jedoch im verbandseigenen Zentralverlag. Dieser druckte und vertrieb ab der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre fast alle Publikationen und Zeitschriften der verschiedenen DAF-Äm­ter. Dieselbe Entwicklung ließ sich auch für einen anderen zentralen verlegerischen Bereich beobachten. Anfangs entwickelte sich die Anzeigenabteilung der HAVA zu einem Aktivposten, der der gesamten DAF zugute kam. Bereits in der Weimarer Republik galt die Hamburger Verlagsanstalt als das Unternehmen im rechtsextremistischen Lager, das die professionellsten Public-Rela­tions für die eigenen Produkte betrieb. Nach der NS-Machter­greifung stellte die HAVA dann der Arbeitsfront ihr eingespieltes Personal zur Verfügung, das mit geschickten Anzeigenkampagnen wesentlich für die enormen Auflagensteigerungen der DAF-Zeitschriften bereits während der Anfangsjahre der NS-Diktatur verantwortlich zeichnete. Dass die gesamte Anzeigenverwaltung der HAVA, nach Lokatis das »Prunkstück« des Verlages,77 bereits 1934 von Hamburg nach Berlin umzog, war da nur konsequent. Bis 1937 besaß die HAVA das Monopol auf die Akquirierung und Platzierung von Anzeigen in sämtlichen DAF-Zeitschriften. Die Anzeigenabteilung der Verlagsanstalt konnte auf diese Weise ihren Umsatz 1937 schließlich auf 2,7 Mio. RM steigern. Das war ein Viertel des Umsatzes der gesamten HAVA. Wie wichtig das DAF-Anzeigenmonopol war, zeigte sich, als dieses Anfang 1938 der HAVA entzogen wurde und auf den Zentralverlag der DAF überging78  – und sich hierdurch der Umsatz der Anzeigenabteilung der Verlagsanstalt im Geschäftsjahr 1938 mit 1,1 Mio. RM gegenüber dem Vorjahr mehr als halbierte.79 »… eine der einflussreichsten Kulturpositionen für das neue Deutschland«: der Langen-Müller-Verlag bis 1933 Legt man den Umsatz und die Zahl der Beschäftigten zugrunde, war die HAVA mehr als doppelt so groß wie die zweite Verlagsgruppe, die bis 1933 im Besitz des DHV war.80 Diese war das Resultat einer Fusion aus zwei renommierten Ver76 Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 120; Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 155. 77 Dies und das Folgende nach ebd., S. 42 f. 78 Vgl. ebd., S. 43, 106, sowie unten. 79 Infolgedessen sank auch der Gesamtumsatz der Hanseaten von 8,4 Mio. RM 1937 auf 7,6 Mio. RM 1938 ab. Dass 1938 Österreich und die Sudeten dem Deutschen Reich eingegliedert wurden, der HAVA mithin neue Absatzmärkte zuwuchsen, machte sich erst 1939 bemerkbar, als der Umsatz um fast 30 % (27,6 %) auf 9,7 Mio. RM hochschnellte (Tabelle 3.1.). 80 Zum Umsatz vgl. Tabelle 3.1. Die Zahl der Beschäftigten des Langen-Müller-Verlages lag 1918 bei 115, 1934 bei 96 Arbeitern und Angestellten. In den Folgejahren stagnierte sie weiter und lag 1938/39 mit gut 80 Mitarbeitern sogar unter dem Niveau von 1918

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lagsunternehmen, des 1893 gegründeten Albert Langen-Verlags sowie des 1903 entstandenen Georg Müller-Verla­ges. Langen galt weit über die in der Weimarer Republik breite rechte Szene hinaus als ambitionierter literarischer Verlag. Das Münchner Verlagshaus gab u. a. die Werke von Ludwig Thoma heraus, den die DAF als »größten bayerischen Dichter der Neuzeit« klassifizierte und dessen Gesamtauflage beim LMV 1939 bei knapp 1,5 Mio. Exemplaren lag.81 Ein Bestseller-Autor des Verlages war auch Hans Grimm, dessen »Volk ohne Raum« seit 1926 vom LMV mehr als 400.000 mal verkauft wurde. Hanns Johst, Erwin Guido Kolbenheyer und andere faschistische Schriftsteller, die später führende Positionen im NS-Lite­ra­turbe­trieb innehatten, waren ebenso wie Edgar J. Jung und andere Exponenten der Kon­ servativen Revolution weit vor 1933 zu Hausautoren des Langen-Verlages geworden. Daneben war das Unternehmen auf skandinavische Belletristik ausgerichtet und verlegte so prominente Autoren wie Selma Lagerlöf oder Knut Hamsun (mit einer Gesamt­auflage bis 1939 von 1,1 Mio.), zeitweilig außerdem Henrik Ibsen. Auch im nicht-literari­schen Bereich präsentierte sich der Langen-Verlag mit einem »auffallend disparaten Verlagsprogramm« (Andreas Meyer), in das auch z. B. die von Walter Gropius und László Moholy-Nagy herausgegebenen »Bauhausbücher« aufgenommen waren. Auch der Georg Müller-Verlag, der seit 1930 von Gustav Pezold geführt wurde,82 setzte prononciert bildungsbürgerliche Akzente. Ein Schwerpunkt waren literarische Klassiker wie Shakespea­re, Droste-Hülshoff und Baudelaire oder auch politische Klassiker wie Machiavelli. Zum Ärger des DHV brachte Pezold außerdem Heinrich Heines Sämtliche Werke heraus.83 Ansonsten aber, so attestierte der Chefideologe des DHV Wilhelm Stapel,84 der zugleich die Abtei-

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und 1934. Die HAVA beschäftigte dagegen allein im Verlag Anfang 1939 knapp 600 Mitarbeiter (Tabelle 3.3). Einschließlich der großen Druckerei zählte die HAVA Mitte 1939 sogar 820 Belegschaftsmitglieder, mithin ungefähr zehnmal so viele Arbeiter und Angestellte wie der LMV. Die Geschichte der beiden Münchner DHV-Verlage während der Weimarer Republik und ihre schließliche Verschmelzung sind von Meyer (Verlagsfusion) ausführlich dargestellt worden. Die folgenden Zitate: ebd., S. 31, 59. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 127. Pezold (1891-1961), der von 1931 bis zu seinem Ausscheiden Mitte Jan. 1938 auch der maßgebliche Mann des fusionierten Langen-Müller-Verlages wurde, hatte von 1920 bis 1930 die renommierte rechtskonservative Osiandersche Buchhandlung in Tübingen geführt. Heine wurde 1933, Shakespeare 1934 vom LMV abgestoßen. Auch Lion Feuchtwanger hatte beim Müller-Verlag veröffentlicht, mit diesem jedoch schon vor der Fusion mit Langen gebrochen. Der Antisemit, Anti-Republikaner und Stresemann-Gegner Stapel (1882-1954), als Redakteur der vom DHV gegründeten »Deutschen Volksstimme« ein zentraler Exponent der Konservativen Revolution und des deutsch-völkischen Protestantismus, stand der erwähnten Fichte-Gesellschaft und der mit dieser verbundenen Hamburger FichteHochschule vor. Seit 1918 gab er die DHV-Zeitschrift »Das Deutsche Volkstum« heraus. Profiliert hatte sich Stapel vor allem durch Schriften wie »Antisemitismus und Antigermanismus« (1928) sowie »Der christliche Staatsmann« (1932), die ihn als Anti-

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lung »Volks­tum« innerhalb der Hanseatischen Verlagsanstalt leitete,85 1927 dem Müller-Verlag bündig, war auch dieses Unternehmen dem Prinzip verpflichtet, »die Werte des Volkstums zu fördern«.86 Infolgedessen stand dem Erwerb des Ende der zwanziger Jahre überdies angeblich »unter jüdische Bestimmung zu fallen drohenden Verlages Georg Müller«87 durch den scharf antisemitischen DHV politisch gleichfalls nichts im Wege.88 Für den DHV war der Erwerb der Verlage Müller und Albert Langen, für den knapp drei Mio. RM89 aufgewendet werden mussten, betriebswirtschaftlich riskant. Insbesondere der Georg Müller-Verlag war verschuldet, seine Bilanzen waren geschönt. Bis 1933 blieb die wirtschaftliche Lage des LMV defizitär. Die wesentlich aus der wirtschaftlichen Not geborene Verschmelzung des Albert Langen-Ver­lags mit dem deutlich kleineren Georg Müller-Verlag im Mai 1931, die organisatorisch kaum Friktionen hervorgerufen zu haben scheint, hatte erhebliche Synergie­effekte zur Folge. Auch inhaltlich ergänzten sich die beiden in München ansässigen Verlage vorzüglich. So brachte das Unternehmen des 1917 verstorbenen Georg Müller mit August Strindberg seinerseits gleichfalls einen prominenten skandinavischen Schriftsteller in die Ehe mit dem Albert LangenVerlag ein. Es war nicht zuletzt die nordisch-germanische Ausrichtung, die die Verschmelzung beider Häuser aus der Sicht des DHV attraktiv machte und nach 1933 ein Schwerpunkt blieb. Verstärkt wurde mit der Fusion außerdem der traditionell starke deutsch-völ­kische Akzent, weil der Müller-Ver­lag seinerseits eine ganze Reihe heute unbekannter »Grenz- und auslandsdeutscher Dich­ter«90 in das gemeinsame Unternehmen einbrachte. Auch ökonomisch hatte der DHV mit seinen Verlagen Glück. Die Hanseatische Verlagsanstalt prosperierte, und auch der LMV stabilisierte sich 1932/33 –

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semiten und »Theologen des Nationalismus« (DBE) ausweisen. Zu Stapels Stellung im rechts-protestantischen Milieu der Weimarer Zeit vgl. auch Manfred Gailus, Protestantismus und Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Durchdringung des protestantischen Sozialmilieus in Berlin, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 54, 73 f. Stapel leitete diese Abteilung bis Anfang 1938. Nach seinem Ausscheiden aus der HAVA nahm er Kontakte zum Konservativen Widerstand des »20. Juli« auf. So Stapel im DHV-Jahrbuch von 1927, S. 176, nach: Müller, Verlagsfusion, S. 31. Zitat: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 116. Ökonomisch waren die Bedenken auf Seiten des DHV anfangs freilich erheblich. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 16. 1928 erwarb der Müller-Verlag dann Teile des 1855 gegründeten und in Leipzig ansässigen Avenarius-Verlags, in dem ab 1911 das Organ des rechten, faktisch von Stapel geleiteten Dürer-Bundes »Der Kunstwart« herausgegeben wurde. Im selben Jahr beteiligte sich der DHV außerdem am »Volksverein-Verlag« und dem »Verlag Alfred Roth«. Während der auf literarische Zeitschriften spezialisierte Avenarius-Verlag als eigenständiges Unternehmen innerhalb der DAFVerlagsholding weiter existierte, ist unklar, was mit den anderen Beteiligungen nach 1933 geschah. Die Summe schließt die Aufwendungen für den Erwerb des Dr. Benno-Filser-Verlages, Augsburg, ein, der 1930 abgewickelt wurde. Zum Folgenden (inkl. Zitat): Meyer, Verlagsfusion, S. 187 ff. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 127 ff.

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nicht zuletzt dank einer 1931 auf den Markt geworfenen Volksausgabe des Grimm’schen Opus »Volk ohne Raum«, das im sich rechtsextremistisch radikalisierenden Bürgertum und Kleinbürgertum reißenden Absatz fand. Vor allem jedoch auf der politischen Ebene feierte der DHV die Übernahme der beiden Verlage als durchschlagenden Erfolg. Ein Vorstandsmitglied des DHV freute sich Mitte 1931, auf diese Weise habe man vorgebliche Absichten »der Juden« durchkreuzt, die darauf hinausliefen, »dass der geistige Besitz unseres Volkes von Volksfremden, ob sie nun Mosse oder Ullstein heißen, verwaltet wird«.91 Auch Beobachter aus dem demokratischen Lager der Weimarer Republik mussten dem DHV attestieren, mit Übernahme und Fusion des Langen-Müller-Verlages einen großen Coup gelandet zu haben. So konstatierte das »Berliner Tageblatt« am 19. Juni 1931 eine »literarische Diktatur der deutschnationalen Handlungs­ gehilfen«. Und die DAF lobte retrospektiv, dass der DHV mit der Fusion des Jahres 1931 »eine der einflussreichsten Kulturpositionen für das neue Deutschland« geschaffen habe.92 Der Langen-Müller-Verlag unter der Ägide der DAF (bis 1939) Diese letzte Bemerkung war durchaus zutreffend. Der Verlag arrangierte sich weitgehend reibungsfrei mit den neuen Verhältnissen. Es kam zu »keiner erkennbaren Korrektur der bisherigen Verlagspolitik«, wie Andreas Meyer als Chronist des Münchner Verlages lakonisch notiert. Sie war auch nicht notwendig, hatte der Langen-Müller-Verlag mit seinem literarischen Programm und den »Kulturpositionen«, die sich darin spiegelten, tatsächlich einer faschistischen Diktatur in breiten Schichten der ›besseren‹ Kreise den Boden bereitet. So nimmt es denn nicht wunder, dass in der im Juni 1933 in »Deutsche Akademie für Dichtung« umbenannten Sektion für Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste Hausautoren des LMV fast unter sich waren, nachdem Lyriker und Romanciers, denen der Verlag schon Jahre, mitunter Jahrzehnte vor der »Machtergreifung« zu Ruhm, Ehre und hohen Auflagen verholfen hatte, mit der Installierung des »Kabinetts der nationalen Einheit« dort tonangebend geworden waren. Namen von langjährigen Hausautoren des LMV wie den Blut- und Boden-Literaten93 Hans Grimm, Hanns Johst, Erwin Guido Kolbenheyer, Hans Friedrich Blunck, Paul Ernst oder Will Vesper zeugen vom hohen literaturpolitischen Renommee, das der LMV unter den gebildeten NS-Funktionsträgern und in einem national91 Albert Zimmermann, Was geht der Albert-Langen-Verlag den deutsch-nationalen Handlungsgehilfen an? In: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 21. Juni 1931, nach: ­Hamel, Völkischer Verband, S. 144. Daraus auch das folgende Zitat. 92 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 116. 93 Die »Blut- und Boden«-Metapher ist durchaus auch wörtlich zu nehmen: Im Unterschied zu den verfemten »Asphalt-Literaten« erwarben sich die mit opulenten Honoraren ausgestatteten Hausautoren des LMV bzw. der HAVA wie Blunck, Ernst, Grimm, Vesper und andere schon bald nach der NS-Machtergreifung Landgüter. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 102, Anm. 90.

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sozialistisch infizierten Bürgertum genoss.94 Mit Blunck, dem schreibfleißigen Autoren in erster Linie der HAVA, der aber auch beim Münchner Verlag der Arbeitsfront verlegte, und Johst waren die Vorsitzenden der »Deutschen Akademie für Dichtung« und ebenso die Präsidenten der Reichsschrifttumskammer dem Langen-Müller-Verlag eng verbunden. Die Entscheidungsträger auf Seiten der DAF, insbesondere der ab 1938 für Aufsicht und Kontrolle auch der Verlage verantwortliche Chef der TWU Hans Strauch, wussten die literarische Reputation dieser Autoren zu schätzen. Ohnehin hatte Strauch, folgt man Lokatis, mäzenatische Allüren zu entwickeln begonnen. Jedenfalls tastete er die weiterhin durch die Jungkonservativen im Verlagshaus geprägte, bildungsbürgerliche Unternehmenskultur wie schon bei der HAVA auch beim LMV nicht an. Kritik am Verlagsprogramm wehrte er ab. So entgegnete er noch 1939 auf das Ansinnen von dritter Seite, bei den Autoren des LMV auf eine »strengere nationalsozialistische Ausrichtung« zu drängen, dass die TWU sich auch künftig zurückhalten und die LMV-Leitung »den Verlag in schöngeistiger Hinsicht in der bisherigen Form weiterführen« werde.95 Diese Strategie zahlte sich aus. Seit 1934/35 war der Langen-Mül­ler-Verlag auch ökonomisch in der Erfolgsspur. Er warf Gewinne ab96 und konnte seinen Umsatz deut­lich erhöhen. 1932 hatte der Umsatz bei 1,2 Mio. RM gelegen, bis 1937 hatte er sich auf 3,2 Mio. RM fast verdreifacht. 1940 erreichte der Umsatz des LMV schließlich 5,5 Mio. RM (Tabelle 3.1.). Wer kaufte und wer las nun die Bücher des Langen-Müller-Verlages? Genauere Daten zur Zusammensetzung der Kundschaft liegen zwar nicht vor. Die für den Hanseaten-Verlag konstatierte Orientierung auf die herrschenden Schichten der Diktatur und hier wiederum besonders den Elitenachwuchs dürfte aber mindestens ebenso für den Langen-Müller-Ver­lag gegolten haben. Da das Verlagsprogramm des LMV belletristisch war und im Unterschied zu dem der HAVA nicht bestimmte Berufsgruppen ansprach, werden Kaufleute und Offiziere nicht, wie bei den Hanseaten, überrepräsentiert, sondern entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtheit des Bürgertums und Kleinbürgertums vertreten gewesen sein. Wie hoch der Anteil der Frauen war, lässt sich nicht ausmachen; sicher ist allerdings, dass er deutlich über dem der ausgesprochen männlichen Kundschaft der HAVA lag. Formal gestaltete sich die Übernahme der beiden DHV-Verlage durch die DAF in den ersten Jahren der NS-Herrschaft komplizierter als die der Büchergilde Gutenberg mitsamt dem Buchmeister-Verlag, der Verlagsgesellschaft des 94 Neben den genannten gehörten außerdem Friedrich Griese, Wilhelm Schäfer und Emil Strauß als LMV-Autoren der Dichter-Akademie an. Vgl. ebd., S. 4, 103; außer­ dem Hans Sarkowicz/Alf Mentzer, Einleitung zu: dies. (Hg.), Literatur in NaziDeutschland. Ein biografisches Lexikon. Erweiterte Neuausgabe, Hamburg/Wien 2002, S. 14 ff.; Hillesheim/Michael, Lexikon; Barbian, Literaturpolitik, S. 30 f. 95 Aufsichtsratssitzung des LMV vom 25. Febr. 1939, nach: Meyer, Verlagsfusion, S. 218. 96 Die Dividende lag 1935/36 und 1936/67 bei zehn, in den folgenden Jahren bei sechs Prozent. Vgl. ebd., S. 192 f.

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die verlage ADGB und der »Sieben-Stäbe-Verlags- und Druckerei GmbH« (auf die unten einzugehen sein wird). Aufgrund der Selbstgleichschaltung des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes blieben die Hanseatische Verlagsanstalt wie der Langen-Müller-Verlag de jure selbständig. Faktisch war die Eigentümerschaft der Arbeitsfront unstrittig, nachdem Ende Juni 1933 die alte Spitze des DHV abgelöst worden war und durch den Ley loyal ergebenen August Haid sowie weitere Gefolgsleute des DAF-Chefs ersetzt wurde.97 Anfang 1934 übernahm die kurz zuvor gegründete TWU die Aufsicht über die ehemaligen DHV-Verlage. Im November 1935 wurden sie dann auch offiziell dem Arbeitsfront-Konzern einverleibt.98 Bis Frühjahr 1939 besaß der LMV eine nominell selbständige Tochtergesellschaft: Ähnlich wie die HAVA suchte sich der Langen-Müller-Verlag recht erfolgreich auch für den weiten Bereich der NS-gesteuerten Freizeitgestaltung und der abendlichen Unterhaltung zu profilieren, allerdings nicht durch eine Erweiterung des Verlagsprogramms, sondern durch einen separaten »Theaterverlag«, der seinen Sitz in Berlin hatte und dem Langen-Müller-Verlag gleichsam in den Schoß gefallen war. Während der Weimarer Republik firmierte das 1920 gegründete Unternehmen als »Bühnenvolksbund Verlag«. An diesem Bühnenvolksbund e.V. wiederum war der DHV maßgeblich beteiligt gewesen. Er wurde 1933 aufgelöst. Die Führung des LMV, die hier eine Chance witterte, dessen systemkonformes literarisches Programm um eine wichtige Facette zu erweitern, kaufte den kleinen Verlag auf und taufte ihn Mitte Juli 1933 in »Theaterverlag Albert Langen/Ge­org Müller GmbH« um. Dieser LMV-Theaterverlag druckte, wie die 97 Haid (1891-?), der eine kaufmännische Lehre absolviert und eine Handlungsfortbildungsschule besucht hatte, war ein altgedienter DHV-Funktionär der mittleren Ebene. 1908 war er in den DHV eingetreten, 1919 wurde er beim DHV hauptamtlicher Kreisgeschäftsführer. Von Ende Juni 1933 bis Febr. 1934 amtierte Haid, der 1928 in die NSDAP eingetreten war, als Vorsitzender des DHV sowie (unter dem Danziger NSDAP-Gauleiter Albert Forster) als stellvertretender Führer der »Deutschen Angestelltenschaft« der DAF. Von Nov. 1934 bis Anfang 1936 übertrug Ley ihm die Führung des DAF-Berufsgruppenamtes. Im Febr. 1936 musste sich Haid wegen parteischädigenden Verhaltens (»unsittliche Handlungen«) vor dem NSDAP-Gaugericht Hamburg verantworten. Das Verfahren wurde zwar bald eingestellt; die Karriere Haids hatte jedoch einen Knick erhalten. Bis Anfang 1937 leitete er die Berufskrankenkasse der Angestellten in Hamburg. Danach übernahm er in der Hansestadt den Posten des NSDAP-Gauschatz­mei­sters. Zu Haid und zum Prozess der Selbstgleichschaltung des DHV: Hamel, Völkischer Verband, S. 265 ff. Zu den kurzzeitigen Friktionen, die die Übernahme vor allem der HAVA durch die DAF auslöste, vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 36-41. 98 Als Gesellschafter der Langen-Müller-Verlags GmbH firmierten die TWU mit anfangs 1,05 Mio. RM sowie die Vermögensverwaltung der DAF mit 0,15 Mio. RM am Grundkapital des LMV. Im Mai 1936 wurde das Stammkapital auf 400.000 RM herabgesetzt. Davon hielt die TWU 350.000 RM, die Vermögensverwaltung die übrigen 50.000 RM. Notwendig wurde die Senkung des Grundkapitals, weil TWU und Vermögensverwaltung auf die Rückzahlung von Darlehen in einer Höhe von insgesamt 820.000 RM verzichteten.

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organisationsverlage DAF 1939 stolz resümierte, »gute deutsche Volksspiele für die NS.-Formatio-

nen und Vereine« in einer eigenen Reihe unter dem Namen »Volksspieldienst«, die »als eine der wesentlichsten Sammlungen wertvoller Volksspiele anerkannt und weit verbreitet ist«. Darüber hinaus gab er im nationalsozialistischen Sinne »künstlerisch wertvolle Theaterstücke« heraus.99 Im Unterschied zum Mutterunternehmen blieb der kleine Berliner Verlag freilich defizitär und wurde ein halbes Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkrieges unter Ausschluss einer förmlichen Liquidation deshalb unmittelbar auf den LMV als hundertprozentigen Eigentümer übertragen.

5.3. Der Zentralverlag der DAF, die Büchergilde Gutenberg und weitere Organisationsverlage Der Zentralverlag der DAF – ein Verlag ganz anderen Typs Der Langen-Müller-Verlag und die Hanseatische Verlagsanstalt waren traditionsreiche Unternehmen. Der Zentralverlag der Arbeitsfront war dagegen de facto eine Neuschöpfung, auch wenn er auf die Produktionseinrichtungen zweier Verlage vormaliger Gewerkschaften zurückgreifen konnte. Aber nicht nur in dieser Hinsicht unterschied er sich von der HAVA und dem LMV. Hauptaufgabe des Zentralverlages war die Produktion von Presse- und Schulungsmaterial für die Arbeitsfront. Er war ein Agitprop-Unter­neh­men und besaß für die verlegerische Produktion der DAF im engeren Sinne eine Art Monopol. Außerdem konnte er darauf hoffen, mindestens in der Aufbauphase der Arbeitsfront mit Zuschüssen seitens der finanziell üppig ausgestatteten Gesamtorganisation bedacht zu werden. Da er seinen Sitz in Berlin hatte und die Ämter und Abteilungen der Arbeitsfront deshalb penibler als bei dem Münchner und bei dem Hamburger Unternehmen darüber wachen konnten, was in ›ihrem‹ Zentralverlag geschah, war der Zentralverlag nicht nur direkter mit den Wünschen der Zentralämter bzw. der Organisationsleitung konfrontiert, sondern auch Pressionen unmittelbarer ausgesetzt als die Hamburger HAVA oder der Münchner LMV. Dies galt nicht zuletzt für die Zeit ab 1938, als die neuformierte Zentralverwaltung für Finanzwirtschaft und die TWU unter Strauch sorgfältiger als in der ›Ära Brinckmann/Boltz‹ darauf achteten, dass die Arbeitsfront ihre Schriften möglichst kostengünstig produzierte. Für die DAF-Führung war der Berliner Verlag bis 1938 »kein eigentliches Wirtschaftsunternehmen mit Risiko, sondern eine Abteilung der DAF, die sehr viel Geld verbrauche«.100 Das sollte unter der neuen TWUFührung seit Mitte 1938 durch die Einführung genauer organisationsinterner Verrechnungen abgestellt werden; allerdings gelang dies nur begrenzt.

99 Alle Zitate: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 131. 100 Gespräch Leys mit Pezold am 23. Febr. 1938, nach: Lokatis, Hanseatische Verlags­ anstalt, S. 116, Anm. 119.

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Der Sitz in Berlin barg freilich auch Vorteile. Nicht zuletzt konnten die maßgeblichen Akteure des Zentralverlages allein aufgrund der räumlichen Nähe unmittelbarer auf die DAF-Führung Einfluss nehmen als der Hamburger oder der Münchner Verlag. Auch organisationsintern waren sie infolge dieser Herrschaftsnähe besser vernetzt. Dies wusste nicht zuletzt Eberhard Heffe als die entscheidende Figur des Zentralverlages zu nutzen. Heffe war wie so viele andere DAF-Funktionäre 1919 in Freikorps politisch sozialisiert worden und 1920 auf Seiten der extremen Rechten im Baltikum aktiv gewesen. Ab Mitte der zwanziger Jahre hatte er im Berliner Verlagswesen einschlägige Erfahrungen gesammelt.101 Wann genau Heffe die Leitung des Buchmeister-Verlages und der Büchergilde Gutenberg übernahm, ist nicht ganz klar. Mitte 1934 firmierte er jedenfalls als »Verlagsleiter«;102 wahrscheinlich übernahm er die Leitung der beiden freigewerkschaftlichen Unternehmen im April 1934. Im August 1935 erhielt Heffe dann das Amt des »Beauftragten für die Verlagsunternehmungen der DAF«. Anfang September 1936 wurde er förmlich zum Geschäftsführer und Leiter nun des Zentralverlages der DAF bestimmt, um (so Strauch) »die Zusammenfassung aller Verlag- und Druckereiunternehmungen der Deutschen Arbeitsfront mit Ausnahme zweier selbständig bleibender [HAVA und LMV, R.H.] zu einer Organschaft unter Führung des Verlages der DAF vorzubereiten«.103 Die Büchergilde Gutenberg und der Buchmeister-Verlag In den ersten Monaten und Jahren nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten bestand Heffes Hauptaufgabe darin, den Buchmeister-Verlag und vor allem die Büchergilde Gutenberg, »von alten gewerkschaftlichen Schlacken zu befreien«, wie Strauch 1944 resümierte.104 Dies tat Heffe offenbar gründlich. Entgegen kam ihm, dass sich das Verhalten der Spitze der »alten« Büchergilde Gutenberg im Frühjahr 1933 gegenüber den neuen braunen Machthabern grundsätzlich nur wenig von dem der Vorstände der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der Volksfürsorge, des Zentralverbandes deutscher Kon101 Heffe (1899-1972), der nach der Novemberrevolution zunächst im Landesinnern in verschiedenen Freikorps aktiv war und diese Tätigkeit Anfang der zwanziger Jahre als »Militär-Kriminal­berater« in der »Eisernen Division Kowno« im Baltikum fortsetzte, war danach zunächst als Sachbearbeiter beim Magistrat von Berlin beschäftigt. Ab 1924 wurde Heffe im Verlagswesen tätig, u. a. bei Julius Springer und der August Scherl GmbH (Hugenberg-Konzern). 1930 übernahm er dann die Geschäftsführung eines landwirtschaftlichen Verlages. Der NSDAP hatte er angeblich bereits 1921 bis 1923 angehört; 1930 trat er ihr erneut bei. 102 Vgl. Schreiben Heffes an die NSBO innerhalb der Obersten Leitung der NSDAP, vom 13. Aug. 1934 (in: BA Berlin [BDC], PK E 0064), in dem er erklärte, er »werde, wie bisher, auch künftig gern das Arbeitsgebiet ›Jugendertüchtigung‹ übernehmen«. Wahrscheinlich war er bereits zu diesem Zeitpunkt in dem in Entstehung begriffenen, noch nicht konsolidierten Zentralverlag der DAF in leitender Position beschäftigt. 103 Nach: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 105. 104 Zeugnis Strauchs über Heffe vom 31. Mai 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55.

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sumgenossenschaften oder der dem ADGB nahestehenden Wohnungsbaugenossenschaften unterschied. Man versuchte zu überleben, indem man sich an das »Kabinett der nationalen Ein­heit« und die tonangebenden Nationalsozialisten anbiederte und sich von den freien Gewerkschaften distanzierte, obwohl die ihrerseits bereits von der SPD abgerückt waren.105 Einige führende Akteure der Büchergilde um ihren Gründer und Geschäftsführer Bruno Dreßler emigrierten in die Schweiz und bauten in Zürich eine Exil-Gilde auf.106 Die übrigen warteten gelähmt und resigniert ab, was die neuen Machthaber mit ihnen sowie der Mitgliedschaft der Büchergilde vorhatten.107 Wie bei allen anderen freigewerkschaftlichen Unternehmen wurde auch der Vorstand der Büchergilde Gutenberg und ihres Buchmeister-Verlages108 am 2. Mai 1933 abgesetzt. Genau eine Woche später wurde die Büchergilde dann offiziell zunächst durch die NSBO übernommen. Der NSBO-Landesobmann für Westfalen-Nord Walter Nagel, der sich im Mai 1933 in Berlin am Beginn einer großen Karriere glaubte, ernannte sich zum kommissarischen Vorsitzenden des »Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker« und setzte in dieser Funktion Otto Jamrowski zum kommissarischen Leiter der Büchergilde Gutenberg ein. Jamrowski war anscheinend auch der erste Direktor des Zentralverlages der 105 Vgl. Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 136 ff.; Scholl, Büchergilde Gutenberg, S.  B  101. 106 Die Exil-Gilde zählte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mehr als 100.000 Mitglieder, die sich im Unterschied zur »Mutter«-Gilde allerdings aus einem überwiegend bürgerlichen und kleinbürgerlichen Publikum rekrutierten. Vgl. Beate Messerschmidt, »… von Deutschland herübergekommen«? Die Büchergilde Gutenberg im Schweizer Exil, München 1989; ferner Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 139 ff. Neben der prosperierenden Schweizer Exil-Büchergilde mit Hauptsitz in Zürich bauten Emigranten aus dem Dunstkreis Dreßlers (1879-1952) auch in Prag und Wien ExilGilden auf. Die Wiener Exil-Gilde zählte 1934 etwa 8.500 Mitglieder. Sie wurde im März 1938, die kleinere Prager Exil-Gilde nach dem Einmarsch der Deutschen in die »Rest-Tschechei« Mitte März 1939 aufgelöst. 107 Die Klientel der im Oktober 1924 vom »Bildungsverband der [freigewerkschaftlichen] Deutschen Buchdrucker« auf genossenschaftlicher Basis gegründeten Büchergilde Gutenberg war von Anbeginn proletarisch gewesen. Nominell firmierte die Büchergilde als eigenständige Abteilung des Verlages des Buchdrucker-Bildungs­verbandes. Nach außen wirkte sie wie ein sozialdemokratisches Parteiunternehmen; die in ihrem Auftrag produzierten und von ihr vertriebenen Titel wurden in den Publikationen der SPD inseriert. Zudem durfte sie die Einrichtungen sozialdemokratischer Unternehmen, etwa die des Dietz-Verlages, nutzen. Vgl. Bruno Dreßler, Büchergilde Guten­ berg, in: ADGB Berlin-Brandenburg (Hg.), Unternehmungen der Arbeiterbewegung, S. 113-117, sowie die Darstellungen von Scholl, Dragowski und Messerschmidt; ferner Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 306. 108 Der Buchmeister-Verlag war der juristische Mantel für die verlegerischen Aktivitäten der Büchergilde, da die Buchgemeinschaft selbst nicht unmittelbar als Druckerei und Verlag tätig werden konnte. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 105. Hervorgegangen war der Buchmeister-Verlag aus der 1922 vom Bildungs­ verband der Deutschen Buchdrucker erworbenen Leipziger Druckerei »Freie Presse«, die der Bildungsverband 1924 in die Gründung der Büchergilde einbrachte.

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Arbeitsfront. Seine Tätigkeit blieb freilich nur von kurzer Dauer. Nicht nur Nagel fiel 1934 den DAF-internen Machtkämpfen zum Opfer.109 Auch Jamrowski musste gehen.110 Statt seiner trat Heffe an die Spitze der Büchergilde. Ähnlich wie die Volksfürsorge (und auch andere Buchgemeinschaften) war die »Gemeinschaft von Bücherlesern der arbeitenden Klasse«, wie die Büchergilde Gutenberg auch genannt wurde, auf einen nebenamtlichen Vertrauensleute-Korpus angewiesen, der die Gebühren für die Buchgemeinschaft kassierte und den Mitgliedern die Pflichtbücher überbrachte.111 Diese auf Honorarbasis tätigen Vertrauensleute waren in den Milieus der Sozialdemokratie verankert, hatten zahlreiche Mitglieder der Büchergilde geworben und dieser das Gros der Mitgliedschaft selbst auf dem Höhepunkt der Krise der freigewerkschaftlichen Buchgemeinschaft erhalten. Ihnen gegenüber musste die DAF-Leitung Sensibi­ lität walten lassen, wollte sie nicht die Existenz der vom Buchhandel heftig befehdeten Büchergilde und ebenso des Buchmeister-Verlages unmittelbar gefährden. Wie prekär die Lage war, machte Heffe Ende 1935 mit der Bemerkung deutlich, »als wir die Macht übernahmen« sei die Basis der Büchergilde auf »etwa 25 000 Mitglieder, ehemalige Marxisten«, geschrumpft. Das allerdings war eine Aussage, die nicht zutreffend war und die Heffes ›Ver­dienste‹ um den Erhalt der vormals freigewerkschaftlichen Buchgemeinschaft grob übertrieb. Zu Austritten der geschmähten »Marxisten« kam es erst ab Anfang Mai 1933. Bis dahin hatte die Büchergilde ihren Bestand an Mitgliedern, der zu Beginn der Krise bei etwa 75.000 gelegen hatte, aufgrund kräftig ermäßigter Gebühren sogar auf 85.000 erhöhen können. Erst mit der Übernahme der Büchergilde durch die DAF kam es zu einer – vorübergehenden – Austrittswelle (Tabelle 3.2.). 109 Nagel (1901-?), Bergbauingenieur und Grubensteiger, fungierte von Juli 1931 bis April 1934 als Landesobmann der NSBO für das nördliche Westfalen und wurde im Mai 1933 als Gauwalter der DAF für Westfalen eingesetzt. Im April 1934 wurde er auf Betreiben Leys wegen »partei­schä­digenden Verhaltens« amtsenthoben und im Aug. 1934 aus der NSDAP ausgeschlossen. In einem anschließenden Strafverfahren wurde Nagel zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 110 Wann Jamrowski die Leitung niederlegen musste, ist unklar. In Degeners Wer ist’s von 1935 (Zeitgenossenlexikon, Berlin 1935, S. 750) findet sich zu ihm die knappe Eintragung »bis 31. 1. 35 Geschäftsführer der Zeitung ›Der Deutsche‹«; sie war das zentrale Blatt der NSBO und wurde im Zuge der Entmachtung dieser Organisation Anfang 1935 schließlich eingestellt. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von Degeners Wer ist’s von 1935 fungierte Jamrowski noch als »Vorstand der Berliner Druck- und Zeitungsbetriebe A.G.« sowie als »Direktor des Zentralverlags, G.m.b.H.«, d. h. des Zentralverlags der DAF. In den gängigen Darstellungen zur Büchergilde finden sich – über die in allen einschlägigen Darstellungen wiederholte Bemerkung, dieser sei ein SA-Sturmführer gewesen  – keine Hinweise zur Biographie von Jamrowski. In den offiziösen Publikationen der (eigentlich selbstdarstellungs-freudigen) Arbeitsfront finden sich ebenso wenig Hinweise auf die Frühgeschichte des Zentralverlages. Sie war offenbar nicht sonderlich ruhmreich. 111 Im Sept. 1926 lag die Zahl dieser Vertrauensleute bei 539. Vgl. Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 156. Zahlen für die folgenden Jahre liegen nicht vor. Zu vermuten steht, dass sie zu Beginn der Wirtschaftskrise bei zwei- bis dreitausend lag.

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Um den verbleibenden schmalen Bestand an Mitgliedern zu halten und langfristig wieder »erfolgreich arbeiten zu können, konnte der Vertrauensapparat im Reich nicht radikal umgestellt werden«. Deshalb seien, so Heffe in seinem Bericht Ende 1935 weiter, »von Fall zu Fall die alten Vertrauensleute in ihrer Funktion belassen [worden], um damit die Verbindung mit den Arbeitern selbst aufrecht zu erhalten und die Aufgabe einer weltanschaulichen Beeinflussung zu lösen«.112 Diese Aufgabe scheinen Heffe und seine Leute zur Zufriedenheit der DAF-Führung bewältigt zu haben. Jedenfalls finden sich – im Unterschied zu entsprechenden Bemerkungen über den freilich auch weit umfänglicheren ehrenamtlichen Mitarbeiterstab der Volksfürsorge und zu den gleichfalls sehr viel zahlreicheren Beschäftigten der Konsumgenossenschaften – in den Quellen keine Klagen darüber, dass der Vertrauensleute-Korpus der Büchergilde Gutenberg zu einer marxistischen »Brutstätte« oder ähnlichem geworden sei.113 Spätestens 1936 konnten Büchergilde und Buchmeister-Verlag zudem auch ökonomisch als konsolidiert gelten. An den äußeren Daten gemessen konnte die 1924 gegründete Büchergilde Gutenberg an die Jahre vor 1933 nicht nur anknüpfen. Zahlenmäßig übertrafen Heffe und seine Leute schon bald die Erfolge der freigewerkschaftlichen Büchergilde während der Weimarer Republik deutlich: Zu Beginn der Weltwirtschaftskrise war die Buchgemeinschaft des ADGB mit etwa 75.000 Mitgliedern ungefähr doppelt so groß gewesen wie die Deutsche Hausbücherei des DHV (Tabelle 3.2.). Für den kurzzeitig dramatischen Mitgliederrückgang dürfte neben der Ungewissheit, welches Schicksal den beiden Buchgemeinschaften nach ihrer Übernahme durch die DAF bevorstehen würde, auch der massive Druck des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler verantwortlich gewesen sein. Der hatte Mitte April 1933 den »Abbau der Buchgemeinschaften aller Art und ihre Überführung auf den Verlag zur Herstellung, auf das Sortiment zum Vertrieb« gefordert114 und dabei nicht zuletzt die Büchergilde im Blick gehabt. Diese Krise währte allerdings nur kurz. Seit dem Herbst 1933 wuchs die Gemeinde der GildeMitglieder erneut, anfangs freilich nur langsam. Erst 1936 – als die Familieneinkommen von Arbeitnehmerhaushalten rascher zu steigen begannen – übertraf die Zahl der Mitglieder mit knapp 100.000 wieder das Niveau von Anfang 1933. Was veränderte sich nun an der Literaturproduktion der Büchergilde während der Ägide der DAF – im Vergleich zur bis 1933 geübten Praxis? Weniger, als man annehmen sollte: Während der Weimarer Republik wollte die Büchergilde mit preiswerten – gegenüber dem freien Buchhandel um bis zu 70 % ermäßig112 DAF-Zentralbüro (Heffe) an das Polizeipräsidium Berlin vom 1. Nov. 1935, in: BA Berlin, R 58, Nr. 317. 113 Auf Basis retrospektiver Aussagen eines Gilde-Mitarbeiters vermutet Dragowski (Bücher­gilde Gutenberg, S. 142) allerdings, dass Antifaschisten die »Kommunika­ tionsstrukturen ihrer jeweiligen [Gilde-]Ortsgruppen« für die Aufrechterhaltung von Diskussionszusammenhängen genutzt haben. 114 Nach: Roger Charles Pfister, Zur Geschichte der Buchgemeinschaften in Österreich. Eine historische Untersuchung (Ms.-WWW), Wien 2000, S. 29.

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ten – Titeln auch einkommensschwachen Arbeitnehmerschich­ten einen Zugang zur Literatur verschaffen.115 Durch die Bereitstellung von »Büchern voll guten Geistes und von schöner Gestalt«, von »innerer und äußerer Echtheit« wollte man das »werktätige Volk« aus »geistiger Vormundschaft« befreien und vor Schundliteratur bewahren.116 Nicht »um Kampf und schon gar nicht um Klassenkampf« ging es den leitenden Persönlichkeiten der Büchergilde in der freigewerkschaftlich-sozialdemokratischen Ära, sondern – wie den kommerziell orientierten »bürgerlichen« Buchgemeinschaften – um »Ent­spannung, Unterhaltung und Ablenkung« (Bernadette Scholl). Im Vergleich zur Deutschen Hausbücherei war das Buchangebot, das der »Gemeinschaft der Bücherleser der arbeitenden Klasse« – darüber kann die relativ lange Verbotsliste vom Mai 1933 nicht hinwegtäuschen – unterbreitet wurde, politisch deut­lich uninspirierter. Die »Linkskurve« höhnte, die Büchergilde sei eine »Literatur-Konsum-Ge­nos­senschaft«, die ihre Mitglieder statt mit Broten mit »nor­malgewichtigen Büchern« versorge und nach dem Motto handele: »Jedem Deutschen sein eigenes Bücherbrett«.117 Zwar hatte die Büchergilde mehrere Schriftsteller im Programm, die deutliche sozialistische Kontu­ren besaßen; so verhalf sie Oskar Maria Graf mit seiner Autobiographie »Wir sind alle Gefangene« zum Durchbruch. An der insgesamt unpolitischen Signatur, die Literaturproduktion und -ver­trieb der Büchergilde Gutenberg prägte, ändert dies jedoch wenig. Symptomatisch ist vielmehr, dass der Büchergilde-Vor­stand seinen Bestseller-Autoren B. Traven anhielt, Passagen, die allzu deutliche Kritik an sozialdemokratischer und freigewerkschaftlicher Politik zeigten, zu entfernen, da dadurch Leser verschreckt würden.118 Ansonsten sah man sich einem bürgerlichen Bildungs­kanon verpflichtet und verlegte Goethes »Faust«, Schillers Gedichte und andere konventionelle Klassiker. Gewiss verlor das Programm der Büchergilde an Attraktivität, nachdem ab dem 10. Mai 1933 die in der sozialdemokratischen Arbeiterschaft beliebten Werke etwa von Upton Sinclair, B. Traven, Jack London und Arnold Zweig aus dem Programm genommen und durch »Ladenhüter des Langen-Müller-Ver­lages« (Lokatis) ersetzt wurden. Da jedoch das Gros der vor 1933 produzierten Titel auch in nationalsozialistischer Perspektive als unpolitisch gelten konnte, waren die Veränderungen im Verlagsprogramm letztlich nicht sonderlich dramatisch. Die lesehungrige Arbeiterschaft war an unterhaltende Lektüre ohne politischen Anspruch gewöhnt und scheint auch die Ladenhüter des LMV verschlungen 115 Von ihren Gründern war die Büchergilde ausdrücklich als Non-Profit-Unter­nehmen konzipiert und »der übliche Verlegergewinn ausgeschaltet« worden. Er sollte »den Mitgliedern in Form einer besseren Ausstattung der Werke zugute kommen«. Nach: Bücher, Bilder und Ideen. 75 Jahre Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a. M. 1999, S. 9. 116 Zitate nach: Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 28, bzw. Scholl, Büchergilde, S.  B  89. 117 Klaus Neukrantz, Über die Feierabendlyriker, in: Die Linkskurve 2 (1930), Heft 12. Zit. nach: ebd., S. B 90. 118 Vgl. ebd., S. B 101.

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zu haben. Der anfängliche Mitgliederverlust war vermutlich mehr den niedrigen Realeinkom­men als einer ausdrücklichen Ablehnung faschistisch getönter Unterhaltungsliteratur geschuldet, mit der die DAF-Büchergilde aufwartete. Zu bedenken ist freilich, dass auch die proletarischen Leseratten, die sich Dis­tanz zum NS-Regime bewahren wollten, keine echten Alternativen besaßen. Die linke Konkurrenz der Büchergilde war zerschlagen. Bereits bei der Lektüre linker Literatur liefen Leser Gefahr, in das Räderwerk der nationalsozialistischen Denunziationsmaschinerie zu geraten. Gleichgültig aus welchen Motiven auf Bücher der DAF-Gilde zugegriffen wurde: Die mentalitätsprägenden Wirkungen, die von der Gewöhnung an ein literarisch eher dürftiges Angebot ausgingen, das nach 1933 politisch ›bereinigt‹ und um »Blut-und-Boden«-Roma­ne aus der Produktion des Langen-MüllerVerlages ›ergänzt‹ wurde, dürften fatal gewesen sein. Ein solches Angebot beeinflusste auf Dauer nicht nur die ab 1933 hinzugewonnenen, ohnehin eher systemkonformen Mitglieder, sondern zweifellos auch die Kreise der ehemals sozialdemokratischen Arbeiterschaft, die der Büchergilde die Treue hielten. Denn Belletristik, mag sie sich noch so unpolitisch gerieren, transportiert immer auch ideologische Normen. Insofern kam das Programm der nationalsozialistischen Büchergilde nicht ›nur‹ einem verstärkten Rückzug ins Private entgegen, wie er in breiten Arbeitnehmerschichten zu beobachten war. Es trug darüber hinaus seinen Teil zur allmählichen völkischen, tendenziell faschistischen Zurichtung eines nicht unbedeutenden Teils der deutschen Arbeiterschaft bei, selbstredend im Zusammenspiel mit anderen, gewichtigeren Faktoren wie der Beseitigung der Massen­erwerbslosigkeit, den außenpolitischen ›Erfolgen‹ der Diktatur, dem Hitlermythos etc. Der Literaturhunger des reichsdeutschen Proletariats, von dem die Büchergilde in besonderem Maße profitierte, besaß insofern ein Janusgesicht. 1937 hatte sich die Zahl der ›Gutenberger‹ gegenüber dem Vorjahr auf fast 200.000 mehr als verdoppelt. Der »Anschluss« Österreichs und der Sudeten ließ die Mitgliederzahl der Büchergilde weiter in die Höhe schnellen: Bis Ende 1939 wuchs sie auf mehr als 400.000 (Tabelle 3.2). Danach schwächte sich der Zustrom an Mitgliedern ab. Da jedes Mitglied im Durchschnitt jährlich vier bis fünf Bücher abnahm, prosperierte mit der Büchergilde auch der Buchmeister-Verlag. Die Zahl der hauptamtlich Beschäftigten der Büchergilde und ihres Verlages lag inklusive der Zweigniederlassungen zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns bei 182 Arbeitern und Angestellten.119 Die zweite große Buchgemeinschaft im Besitz der Arbeitsfront, die »Deutsche Hausbücherei« (mit dem dazugehörigen Verlag »Bücherborn«, Deutsches

119 Angaben nach: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 105, sowie Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40 (vom Juli 1940), S. 18; für 1940 (vom Jan. 1941), S. 24, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. Vgl. ferner Marrenbach, Fundamente des Sieges, S. 381.

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Buchhaus GmbH120) hielt die Büchergilde weiterhin deutlich auf Abstand. Seit Kriegsbeginn vergrößerte sich der Abstand zwischen beiden DAF-Buchgemeinden sogar noch deutlich: Hatte die Büchergilde Gutenberg Anfang 1939 gut doppelt so viele Mitglieder wie die Deutsche Hausbücherei in ihren Reihen gezählt, waren es Mitte 1940 ziemlich exakt dreimal so viele (Tabelle 3.2.).121 Diesen enormen Mitgliederzuwachs verdankte die Büchergilde ihrer engen Verzahnung mit den DAF- und KdF-Stellen auf der lokalen bzw. betrieblichen Ebene. Im Herbst 1934 hatte es zunächst eine Marktabsprache mit der Deutschen Hausbücherei gegeben, die letzterer die Werbung in der Angestelltenschaft als ihrer traditionellen Klientel vorbehielt, während die Büchergilde weiterhin auf die Arbeiterschaft als weniger lukrative Kunden konzentriert bleiben sollte. An diese Absprache fühlte sich die Büchergilde nicht mehr gebunden, als 1936/37 eine heftige Kontroverse zwischen den zentralen Akteuren der drei DAF-Ver­lage losbrach.122 Als Subunternehmen der eng an die Organisation gebundenen Unternehmensgruppe »Zentralverlag der Deutschen Arbeitsfront« gelang es der Büchergilde weit leichter, neue Kundenschichten zu erschließen, als der Deutschen Hausbücherei, die unter dem Dach der Hansea­tischen Verlagsanstalt blieb. Eine »große Gefahr für die teutonischen Wälder«: der DAF-Zentralverlag bis 1939 Dass die Büchergilde die Deutsche Hausbücherei als ihren DAF-internen Konkurrenten und ebenso der DAF-Zentralverlag die Hamburger und Münchner Verlagshäuser so eindeutig hinter sich lassen würde, war zunächst nicht abzusehen gewesen. Entstanden war der DAF-Zentralverlag aus der 1921 als GmbH gegründeten Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), die u. a. die »Gewerkschafts-Zeitung« als das zentrale Organ des ADGB und weitere Periodika des Gewerkschaftsbundes, ferner Kommentare zum Arbeitsrecht oder auch programmatische Schriften wie die »Wirtschaftsdemokratie« von Fritz Naphtali herausgebracht hatte,123 sowie aus der »Sieben-Stäbe-Verlags120 Innerhalb der HAVA und der Deutschen Hausbücherei firmierten Bücherborn und Deutsches Buchhaus nicht als eigenständiges Unternehmen, sondern als eine »Abteilung unserer Muttergesellschaft«. So eine frühe Selbstdarstellung in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 41. 121 Der Umsatz beider DAF-Buchge­mein­schaften lag dagegen ungefähr gleichauf, da ein Mitglied der Deutschen Hausbücherei mindestens acht Bücher pro Jahr, eines der Büchergilde Gutenberg dagegen nur drei bis vier Titel im Jahr abnehmen musste. 122 Vgl. unten. 123 Vgl. Kurt Niebergall, Die Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, in: ADGB Berlin-Brandenburg, Unternehmungen der Arbeiterbewegung, S. 109-112. Darüber hinaus stellte die Verlagsgesellschaft »auf Wunsch ganze Bibliotheken für Ortsausschüsse, örtliche Verwaltungsstellen und Arbeitersekretariate« des ADGB zusammen. Ebd., S. 112. Neben ihren verlegerischen und buchhändlerischen Aufgaben fungierte die Verlagsgesellschaft außerdem als Beteiligungsgesellschaft des ADGB. So war der ADGB über die Verlagsgesellschaft an der Arbeitsbank, am Verein Sozialer Baubetriebe, an der »Dewog« und anderen beteiligt.

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und Druckerei GmbH«, die bis 1933 Periodika und sonstige Publikationen des Hirsch-Dunckerschen »Gesamtverbandes der deutschen Angestelltengewerkschaften« bis zu dessen Selbstgleichschaltung Ende April 1933 herausgegeben hatte. Infolge der Besetzung der Ge­werkschaftshäuser und der Emigration führender Verbandsfunktionäre war der Betrieb beider Verlagshäuser im Frühjahr 1933 ­f aktisch zusammengebrochen. Im Mai dieses Jahres wurde zunächst offenbar die gesamte Belegschaft entlassen (zumindest die der ADGB-Ver­lags­gesell­schaft). Anfangs beschäftigte der Zentralverlag lediglich 16 neu eingestellte Arbeiter und Angestellte. Nominell insofern ein Kleinunternehmen, verfügte der DAFVerlag allerdings über erhebliche, anfangs brachliegende Produktionskapazitäten, die seinen raschen Ausbau ab 1935 wesentlich erleichterten. Ein Handicap war zunächst, dass die 1933/34 eingesetzten Manager des Zentralverlages nur geringe Erfahrungen auf dem verlegerischen Feld mitbrachten. Den gewieften Vorständen der beiden anderen Verlage waren sie jedenfalls unterlegen. Von der HAVA ließen sie sich das lukrative Anzeigenmonopol in DAF-Publika­tionen und Periodika abschwatzen. Der LMV wiederum nutzte die Unerfahrenheit der Akteure auf Seiten des Zentralverlages, insbesondere deren Unsicherheit, welches politisch-literarische Profil sie der Büchergilde geben sollten, um die vormals gewerkschaftliche Buchgemeinschaft mit anderweitig schwer verkäuflichen Titeln zu beliefern. Auch in puncto Buchhandelsvertrieb war der Zentralverlag in der Anfangszeit auf die Infrastruktur der beiden anderen Verlage angewiesen. Allerdings lernten die Verantwortlichen des Zentralverlages schnell. Spätestens, nachdem Heffe die Verantwortung übernommen hatte, veränderten sich die Konstellationen. Ende 1935 veranlassten Heffe und seine Mitstreiter die DAF-Führung, der HAVA das Anzeigenmonopol, das diese bis dahin für die DAF-Periodika besessen hatte, zu kündigen. Allerdings konnten sie erst ab 1938 auf diese lukrative Einkommensquelle zurückgreifen. Auch sonst wollten sich Heffe und seine Kollegen nicht mehr mit der Rolle des Juniorpartners zufriedengeben. Infolgedessen kam es 1935/36 zu einer Reihe von Konflikten mit der Leitung der HAVA und des LMV, in deren Folge Barrieren aus dem Weg geräumt wurden, die der Entfaltung des Zentralverlages zuvor im Wege gestanden hatten.124 Auf sie wird gesondert einzugehen sein. Zuvor ist der rasante Aufstieg des Zentralverlages während der Vorkriegsjahre in seinen quantitativen Dimensionen grob zu umreißen. Schon angesichts seines faktischen Monopols auf den Druck und Vertrieb der von den verschiedenen Ämtern und den von lokalen und regionalen sowie branchenbezogenen Einheiten der Gesamtorganisation »Deutsche Arbeitsfront« 124 Barbian (Literaturpolitik, S. 145) spricht von »finanziellem Missmanagement« des DAF-Verlags­kon­zerns unter der Leitung Heffes. Das ist angesichts der Korruptions­ skandale und des Chaos der Finanzorganisation des DAF-Apparates während der Ära des DAF-Schatzmeisters Brinckmann (bis Anfang 1938) zwar alles andere als unwahrscheinlich. Pezold, den Barbian hier als Beleg anführt, ist allerdings ein zweifelhafter Zeuge. 1944 hielten Korruptionsvorwürfe gegen Heffe gerichtlicher Überprüfung nicht stand.

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herausgegebenen Publikationen war ein steiler Aufstieg des Zentralverlages programmiert. Mit dem Mitgliederwachs­tum der Arbeitsfront, die 1939 22 Mio. und 1942 schließlich 25 Mio. (ausschließlich deutsche) Arbeitnehmer in ihren Reihen zählte, und der Erweiterung ihrer Tätigkeitsfelder nahmen auch Produktion und Vertrieb des Zentralverlages der DAF gigantische Ausmaße an. Die Zeitschriften summierten sich 1938 zu einer Gesamtauflage von sage und schreibe 256 Mio. Exemplaren.125 Darunter waren freilich sehr auflagenstarke Zeitschriften wie die Zeit­schrift »Arbeitertum«, deren Auflage je Heft 1935 bei 2,1 Mio. Exemplaren gelegen hatte und über 2,6 Mio. (1936), 3 Mio. (1937) und 4,2 Mio. Exemplare (1938) auf schließlich 4,5 Mio. Exemplare Ende 1939 wuchs; die Jahresdruckauflage des »Arbeitertums« stieg entsprechend von 44,6 Mio. (1935), 69,7 Mio. (1937) über 88,1 Mio. (1938) auf 106,7 Mio. Exemplare im folgenden Jahr. Hinzu kamen die Zeitschriften der einzelnen Reichsbetriebsgemeinschaften bzw. (wie sie ab 1938 hießen:) Fachämter der DAF. Allein das Periodikum »Der Aufbau« für die Fachämter »Handel« und »Handwerk« wurde in einer monatlichen Auflage von 0,7 Mio. (1937) bzw. 1,2 Mio. Stück (1938) »zur Unterstützung für die Arbeit in den Betrieben« unter die Mitglieder gebracht. Die Monatsschrift für den Metallbereich der DAF lag bereits im Sommer 1937 bei 1,1 Mio., die für die Reichsbetriebsgemeinschaften »Bekleidung« und »Bau« bei jeweils 0,8 Mio. Stück. Für die Dienststellen der Arbeitsfront erschien außerdem zweimal täglich (!) die »Deutsche Arbeitskorrespondenz«, in der alles für DAF-Funktionäre Wissenswerte aus der »NS-Partei­korrespondenz« zusammengestellt wurde.126 Das war an Zeitungen und Zeitschriften noch keineswegs alles. Daneben gab der Zentralverlag der DAF 15 Fachzeitschriften für »Spezialwissensgebiete« heraus, die 1937 eine Auflage von 2,1 Mio. und 1938 eine von 2,5 Mio. Exemplaren erreichten. Neben zahllosen Broschüren usw. brachte der DAF-Zen­tralverlag ferner 1939 zwölf, im ersten Kriegsjahr (1940) sogar 13 offizielle DAF-Kalender in einer Gesamtauflage von zwei Mio. Stück auf den Markt.127 Damit jedoch nicht genug. Um sich die Dimensionen zu vergegenwärtigen, die die Tätigkeit des DAF-Hausverlages inklusive der verschiedenen Tochter­ gesellschaften schließlich annahm, muss man auch an die 1937 insgesamt 389 Papierfabriken und Druckereien denken, die allein in diesem Jahr vom Zentralverlag Aufträge in Höhe von 9,5 Mio. RM erhielten.128 1938 lagen die Ausgaben des Zentralverlages, ohne Tochtergesellschaften, für Papiereinkauf, Druck, Klischee sowie Buchbinderaufträge bei 14,4 Mio. RM, ein Jahr später bei 14,6 Mio.

125 Vgl. ZfF, Wirtschaftsunternehmungen der DAF 1939, S. 102; ferner Smelser, Hitlers Mann, S. 171. 126 Zur Deutschen Arbeitskorrespondenz vgl. Hachtmann, Koloss, S. 115 f. 127 Angaben nach: Presseamt der DAF, Außendienst, Aufstellung über die DAF-Zeitschriften, vom 1. Nov. 1937, in: Bundesarchiv-Militärarchiv (BA/MA) Freiburg, R 19, Nr. 1010, Bl. 157-179; Wirtschaftsunternehmungen der DAF 1939, S. 101 f., sowie Leistungs­bericht des Leiters der AWU für 1939/40 (Anm. 119), S. 16. 128 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 103.

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organisationsverlage RM.129 Angesichts dieser Zahlen bereits für die Vorkriegszeit hat Ronald Smelser

mit Blick auf die Arbeitsfront und ihren Zentralverlag von einer »Orgie des Druckens« gesprochen, die zur »größten Gefahr für die bayerischen Wälder« (und nicht nur die) geworden sei, »bevor der saure Regen kam«.130 Das rasante Wachstum des Zentralverlages lässt sich auch an der Belegschaftsentwicklung ablesen: Noch im Herbst 1933 verloren sich in den Räumlichkeiten des Zentralverlags keine zwanzig Belegschaftsmitglieder, die mühsam damit begannen, die Produktion wieder aufzunehmen. 1937 war die »Gefolgschaft« auf etwa 690 Arbeiter und Angestellte angewachsen. Ende 1938 zählte der Zentralverlag schließlich 876 Mitarbeiter (Tabelle 3.3.). Als Organisationsverlag profitierte das von Heffe geführte Unternehmen enorm vom Aufstieg der Arbeitsfront zum mitgliederstärksten Verband der NSZeit und von den Kampagnen der beiden Organisationen DAF und KdF. Aber auch Werbeaktivitäten, die sich auf ein bestimmtes Publikum richteten, konnten zum Vorteil des Zentralverlages ausschlagen. So war die jährliche, dreimonatige Fachbuchwerbung ab 1936, die auf Titel für die berufliche Fortbildung wie die wissenschaftliche Produktion aufmerksam machte,131 von erheblicher Bedeutung für den Zentralverlag und ebenso die HAVA, die traditionell auch zahlreiche Publikationen zur fachlichen Weiterbildung verlegte. Beiden Verlagen kam zugute, dass die jeweils örtlichen Formationen der Arbeitsfront eine wichtige Rolle innerhalb der lokalen Werbegemeinschaften spielten, die die Fachbuchwerbung organisatorisch trugen und zu einem öffentlichen Ereignis machen sollten. Die DAF-Gliederungen vor Ort sorgten dafür, dass die Präsentation von Publikationen aus den DAF-Ver­lagen nicht zu kurz kam. Ergänzt wurden diese Werbekampagnen durch Buchausstellungen in Betrieben und Lehrwerkstätten, Arbeitsschulen der Arbeitsfront oder ›normalen‹ Fach- und Berufsschulen usw. Die exponierte Stellung der Arbeitsfront innerhalb dieser Werbekampagnen zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die Eröffnungskundgebung zur ersten Fachbuchwerbung 1936 durch eine feierliche, vom Rundfunk übertragene Rede von Robert Ley eingeleitet wurde, in der dieser über den »Schaffenden und sein Buch« schwadronierte. Weitere Unternehmen in der »verlegerischen Front« der DAF Zur »gemeinsamen verlegerischen Front« des Zentralverlags der DAF zählten daneben der Buchmeister-Verlag (Berlin), als der ehemalige Hausverlag der Büchergilde Gutenberg, sowie eine Reihe assoziierter Verlagshäuser, ferner mehrere große Druckereien. Eine Sonderrolle innerhalb der Zentralverlags-Gruppe der DAF spielte die in Köln ansässige Aufbruch-Ver­lagsgesellschaft mbH. Sie war Mitte Mai 1936 gegründet worden und aus der Gaupressestelle der rheinischen NSBO 129 Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40 (Anm. 119), S. 17. 130 Smelser, Hitlers Mann, S. 171. 131 Ausführlich: Barbian, Literaturpolitik, S. 279-282.

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hervorgegangen. Einen zeitweiligen Sonderstatus durfte dieser Verlag für sich beanspruchen, weil er im Herkunftsgebiet Robert Leys und im Zentrum seines früheren NSDAP-Gaues lag. Die Aktivitäten dieses Verlages waren freilich bescheiden. Sie reduzierten sich im Wesentlichen (daher auch der Name) auf den Druck und den Vertrieb der Zeitschrift »Aufbruch«, die vom stellvertretenden NSDAP-Gauleiter Richard Schaller herausgegeben wurde.132 Schaller unterstand zwar offiziell Josef Grohé, der Ley im Oktober 1931 als NSDAP-Gauleiter für Köln-Aachen beerbt hatte, blieb jedoch weiterhin ein enger Vertrauter Leys und war gewissermaßen dessen Statthalter im Rheinland, der dafür sorgte, dass der DAF-Chef bis Kriegsende eine starke regionale Hausmacht behielt. Schaller und seinen engen Beziehungen zu Ley zuliebe blieb der Kölner Aufbruch-Verlag bis in das erste Kriegsjahr ein separates Unternehmen. Erst Mitte 1940 wurde die Eigenexistenz des mit 18 Beschäftigten kleinen Aufbruch-Verlages aufgegeben und das Unternehmen in den Zentralverlag eingegliedert.133 Nach Kriegsbeginn wurde außerdem die bis dahin eigenständige Lehrmittelzentrale der Deutschen Arbeitsfront GmbH des DAF-»Amtes für Betriebsführung und Berufserziehung« unter das Dach des Zentralverlages gestellt. 1942 lag die Gesamtauflage der von dieser Lehrmittelzentrale produzierten Broschüren und sonstigen Schriften bei gut 3 Mio. und 1943 sogar bei 3,5 Mio. Exemplaren.134 Hintergrund des ungebrochenen Wachstums der Lehrmittelzentrale war die verstärkte Tätigkeit des DAF-»Amtes für Betriebsführung, Berufserziehung und Leistungssteigerung« (wie es seit 1942 hieß) im Bereich der Um- und Aufschulung vor allem deutscher Arbeitskräfte im Kontext des forcierten »Fremdarbeitereinsatzes«. Für das produktions- und publikationswütige Arbeitswissenschaftliche Institut als das politisch-strategische Zentrum der Organisation hatte die Arbeitsfront 1937/38 gleichfalls eine eigenständige Verlagsanstalt gegründet, die Arbeitswissenschaftliche Verlags GmbH mit Sitz in Berlin. Wie wichtig dieser Verlag der Führung der DAF war, lässt sich u. a. daran ablesen, dass Hans Strauch – innerhalb der Arbeitsfront die maßgebliche Persönlichkeit für die Vernetzung und Abstimmung der zahlreichen Unternehmen der Arbeitsfront – auch den Vorsitz 132 Die Auflage dieser Zeitschrift lag im Mai 1937 bei 54.000 und Ende 1938 bei 107.000 Exemplaren. Diese und weitere Angaben nach: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 107. Schaller (1903-1982), Installateur und Bauarbeiter, war ab 1928 Geschäftsführer einer nationalsozialistischen Buchhand­lung und saß ab 1932 auch im Reichstag. Den späteren Leiter der DAF hatte Schaller im Frühjahr 1924 kennengelernt. Unter dem Köln-Aachener NSDAP-Gauleiter Ley ›diente‹ er von 1926 bis Herbst 1931 als Erster Vorsitzender der Ortsgruppe Groß-Köln. Danach fungierte Schaller im Ley’schen Gau als Organisationsleiter. Stellvertretender NSDAP-Gauleiter für Köln-Aachen war Schaller von Juni 1932 bis 1945. 133 Vgl. (inkl. Zitat) Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40 (Anm. 119), S. 18 ff., sowie Deutsche Allgemeine Zeitung vom 3. Okt. 1941. 134 Leistungsbericht des Leiters des AWU der DAF für 1943, S. 53, bzw. Leistungsbericht des DAF-Zentralver­la­ges, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZfF für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33, bzw. ebd., NS 5 III, Nr. 55.

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des Aufsichtsrates dieses Verlages übernahm. 1943 musste der Verlag des AWI seine Tätigkeit allerdings weitgehend einstellen, weil ihm »vom Propaganda­ ministerium weder die eingereichten Planungen noch die hierfür benötigten Papiermengen genehmigt« wurden.135 Neben die genannten trat als weiteres größeres Unternehmen innerhalb der Zentralverlags-Gruppe der Verlag Freude und Arbeit GmbH für Publikationen und Zeitschriften der verschiedenen Ämter der NS-Gemeinschaft KdF. Dieser Verlag trat drei Jahre nach der Gründung der größten Suborganisation der DAF ins Leben. Hintergrund der Entstehung dieses Verlagshauses war der Kongress »Freude und Erholung«, den Ley und KdF im Vorfeld der Olympischen Spiele in Berlin, vom 23. bis zum 31. Juli 1936, mit starker internationaler Beteiligung in Hamburg durchführten. Im Gefolge dieses Kongresses entstand wenig später ein »Internationales Zentralbüro ›Freude und Arbeit‹« mit Sitz in der Reichshauptstadt, das als organisatorisches Scharnier der Arbeitsfront und ihrer Suborganisation KdF zu den sozialpolitischen Strömungen und Abteilungen in den faschistischen und sonstigen rechten Bewegungen in Europa fungieren sollte.136 Weil sich die internationalen Kontakte von KdF und DAF seit dem Hamburger »Weltkongress« erheblich intensiviert hatten, entschlossen sich die Entscheidungsträger der Arbeitsfront und von KdF, unter dem Titel »Freude und Arbeit« eine aufwendig gestaltete Zeitschrift in den wichtigsten europäischen Sprachen herauszugeben, die von Oktober 1936 bis Januar 1943 erschien. Die Gesamt­ auflage der anfangs in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt137 herausgegebenen Monatsschrift, die vor allem die Öffentlichkeiten des Auslandes von den angeblich großartigen sozialpolitischen Erfolgen des NS-Regimes überzeugen und den sozialpolitischen Führungsanspruch der DAF in Europa untermauern sollte, lag bei schließlich 100.000 Stück.138 Neben der Zeitschrift »Freude und 135 Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1943, S. 53, bzw. Leistungsbericht des DAFZentralverlages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134). 136 Vgl. Daniela Liebscher, Freude und Arbeit. Zur internationalen Freizeit- und Sozial­ politik des faschistischen Italien und des NS-Regimes, Köln 2009, bes. S. 496-501, 519-526; Karsten Linne, Die Deutsche Arbeitsfront und die internationale Freizeitund Sozialpolitik 1935 bis 1945, in: 1999. Zeit­schrift für die Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts (1999), 10/1995, S. 65-81. Zu den organisatorischen Folgewirkungen des Hamburger Kongresses innerhalb der DAF vgl. Hachtmann, Koloss, S. 111 f. 137 An die ursprünglich mit dem Auswärtigen Amt getroffene Vereinbarung, dass dem Auswärtigen Amt die Korrekturfahnen der Zeitschrift »zur Begutachtung vor der Drucklegung« vorzulegen seien, hielt sich die DAF schon bald nicht mehr. Vgl. Notizen des Auswärtigen Amtes vom 24. Febr. und 1. März 1940, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA) R 99027. 138 So jedenfalls: Karsten Linne, Sozialpropaganda – Die Auslandspublizistik der Deutschen Arbeitsfront 1936-1944, in: ZfG, 57/2009, S. 237-254, zur Zeitschrift »Freude und Arbeit«: S. 239-246. Die Auflage der ersten Nummer (9/10, 1939) scheint allerdings weit höher gewesen zu sein, als Linne angibt: In einem Schreiben des Auswärtigen Amtes (AA) an die Reichspressekammer vom 30. Okt. 1939 (in: PA AA 99027) ist von »einer zusätzlichen Auflage von 275.000 Stück« die Rede, die nach dem Willen des AA noch einmal durch »eine weitere Auflage in Höhe von 50.000« Exemplaren

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Arbeit« brachte der Verlag ab Juni 1938 die alle zwei Monate erscheinende Zeitschrift »Das Neue Protokoll. Sozialpolitische Weltschau« heraus, gleichfalls in mehreren Sprachen. Dieses Blatt sollte nach dem Willen des Leiters der DAF »den verantwortlichen Männern aller Völker auf sozialpolitischem Gebiet ein brauchbares Instrument ihrer Arbeit sein«.139 Wie hoch der Stellenwert beider Zeitschriften und damit der des Verlages in der Perspektive der DAF-Führung war, zeigte sich an der Zusammensetzung des Vorstandes wie des Aufsichtsrates: Hauptschriftleiter war Walter Kiehl, der persönliche Pressereferent Leys in dessen Funktion als NSDAP-Reichsorganisa­tionsleiter;140 Geschäftsführer wurde Heinz Brüggen, der aus dem Kölner Umfeld Leys stammte und im Frühjahr 1944 Eberhard Heffe als Leiter des DAF-Zentral­verlages beerben sollte.141 Im Unterschied zu den Aufsichtsgremien der kleineren Verlage der Gruppe des DAF-Zentral­verlags, denen (mit Ausnahme des AWI-Verlages) Eberhard Heffe vorsaß, fungierte im Verlag »Freude und Arbeit« Hans Strauch als Aufsichtsratsvorsitzender. Bei Kriegsbeginn zählte dieser Verlag 80 Arbeiter und Angestellte.142 Der Verlag »Freude und Arbeit« besaß keine eigene Druckerei. Gedruckt wurden die dort entworfenen Publikationen ebenso wie zahlreiche der im Zentralverlag der Arbeitsfront herausgegebene Zeitschriften von der August Pries GmbH in Leipzig. Dieses Unternehmen, das 1862 gegründet worden war und bis 1913 nach einem ihrer frühen Besitzer als J.B. Hirschfeld GmbH firmierte, gelangte

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aufgestockt werden sollte. Zusammen wären das 425.000 Stück gewesen. Unabhängig davon war die Zeitschrift ein horrendes Zuschussgeschäft: 1938 lag der Verlust bei 3,2 Mio. RM, 1939 bei immer noch 1,5 Mio. RM. Das Defizit übernahm der Zentral­ verlag der DAF. Zitat: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 108. Die Auflage dieses Blattes war mit 5.000 Exemplaren freilich sehr niedrig. Vgl. Linne, Sozialpropaganda, S. 246 f. Demgegenüber erschien die ebenfalls in mehreren Sprachen für die Auslandspropaganda der DAF herausgegebene »Neue Internationale Rundschau der Arbeit« von Beginn an (Jan. 1941) unmittelbar im Zentralverlag der Arbeitsfront. Kiehl (1895-?) war ein erfahrener Zeitungsmacher. Er hatte von 1919 bis Anfang 1924 in Berlin und Breslau als Journalist gearbeitet. Von Anfang 1924 bis Mai 1933 war Kiehl Herausgeber und Chefredakteur der Wochen­zeitung »Zeit am Montag«, seit Aug. 1932 zugleich Redakteur der »Berliner 12-Uhr-Zeitung«. Seit Frühjahr 1934 fungierte Kiehl als leitender Redakteur der DAF-Zeitung »Der Deutsche«. Von Mai 1938 an amtierte er als Pressereferent der Reichsorganisationsleitung bzw. persönlicher Presse­referent Leys für vier Jahre. Anfang Mai 1942 legte er alle Ämter nieder, offiziell aus »gesundheitlichen Gründen«. Sein Nachfolger als Chefredakteur der Zeitschrift »Freude und Arbeit« wie als persönlicher Referent Leys wurde der Leiter des DAFPresse­am­tes und Hauptschriftleiter der Zeitschrift »Arbeitertum« Werner Scheunemann (1904-?), der ebenfalls bereits vor 1933 journalistische Erfahrungen gesammelt hatte. Brüggen, ein Diplom-Kaufmann, war 1908 in Köln geboren und damit deutlich jünger als Heffe. Er fungierte auch als Geschäftsführer des AWI-Verlages. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 108.

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Ende 1935 in den Besitz der DAF.143 Mitte Juli 1938 wurde die Pries GmbH auch förmlich »in die Organschaft des Verlags der Deutschen Arbeitsfront eingegliedert«. Die Druckerei befasste sich laut Eigendarstellung mit »der Satz-Herstellung sowie dem Werk-, Illustrations- und Buntdruck von Büchern, Zeitschriften, Prospekten und Katalogen in fast allen Sprachen der Welt« und verfügte neben einer Buchbinderei über 44 modernste Setz- und Gießmaschinen aller Systeme sowie 27 Druckmaschinen.144 Die Übernahme durch die DAF führte zu einer dauerhaften Auslastung der Kapazitäten und einem sukzessiven Ausbau des Unternehmens, das bei Kriegsbeginn zu den größten und modernsten Druckereien in Deutschland gehörte. Anfangs für die DAF ein Zuschussgeschäft, erreichte die August Pries GmbH 1937 die Gewinnzone (Tabelle 3.4.). 1935/36 wurden in dem Unternehmen gut 300 Arbeiter und Angestellte beschäftigt; drei Jahre später zählte die Belegschaft mehr als 400 und 1941 fast 600 Beschäftigte. Noch weit schneller erhöhte sich der Umsatz der (wie sie auch genannt wurde:) »Weltsprachendruckerei«: Er vervierfachte sich zwischen 1935 und 1938. Mit einer Belegschaft von mehr als 260 Angestellten kleiner, indes für sich genommen gleichfalls ein großes Druckereiunternehmen war die ehemals freigewerkschaftliche Buchdruckereiwerkstätte GmbH, die ursprünglich gleichfalls in Leipzig ansässig war, ihren Sitz jedoch 1926 nach Berlin verlegt hatte. Ihr Schwerpunkt lag ebenfalls in der Zeitschriftenproduktion. Von der Belegschaftsgröße für damalige Verhältnisse eher mittelständische Unternehmen wa­ren die Bochumer Druckerei GmbH, die bis 1933 dem Verband der Bergbauarbeiter gehört hatte und im Sommer 1940 unmittelbar in den Zentralverlag eingegliedert wurde, sowie die Berliner Großbuchbinderei Franz Wermke mit gut 50 bzw. knapp 130 Beschäftigten (Tabelle 3.3.). Ab 1939 wurden nicht nur außerhalb der Grenzen des »Altreiches« zahlreiche Unternehmen der Gruppe des DAF-Zentralverlages angeschlossen. Auch innerhalb des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 wurden weitere Verlagsunternehmen gegründet. Eines der bedeutenderen war der »Formularverlag«, dessen Funktion der Verlagsname umriss und dessen Gründung die innere Bürokratisierung des »charismatischen Verwaltungsstabes« Deutsche Arbeitsfront spiegelt. Einen Expansionsschub erfuhr dieses Unternehmen durch die Kompetenzerweiterungen Leys, namentlich durch die Übernahme des Reichswohnungskommissariats Ende 1942, das den Formularverlag mit der Produktion diverser Bescheinigungen, Fragebögen und sonstiger Vordrucke »für das vom Führer befohlene Wohnungshilfswerk für Bombengeschädigte« beauftragte.145 Daneben wurde dem Formularverlag Anfang 1943 »vom Generalbevollmäch-

143 Vgl. Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig, Blatt 463, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 42. 144 Zitate: Geschäftsbericht der Aug. Pries GmbH für 1939, in: ebd. 145 Vgl. Leistungsbericht des Zentralverlages der DAF, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134).

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tigten für den Arbeitseinsatz der Vertrieb von Verwaltungsformularen für die ausländischen Arbeitsläger [!] übertragen«.146 Die Arbeitsfront und ihr Zentralverlag als Geburtshelfer des Holtzbrinck-Konzerns Bücher und Zeitschriften mussten nicht nur gedruckt, sondern auch vertrieben werden. Für die Bücher fungierten die vorgestellten Buchgemeinschaften als die zentralen Vertriebskanäle; einen weiteren Teil der Auflagen verkauften die DAF-Verlage über den freien Buchhandel. Bei den Zeitungen und Zeitschriften bildeten die Betriebe und die dort tätigen DAF-Funktionäre den entscheidenden Verteiler. Der Führung der Arbeitsfront war dies allerdings nicht genug. Sie suchte darüber hinaus die Zahl der Abonnenten ihrer Zeitschriften auch im (sonstigen) Privatkundenbereich zu vergrößern. Zu diesem Zweck bediente sie sich einer Firma namens DEVEX und ihrer Drückerkolonnen.147 Die DEVEX aber war nichts anderes als die Keimzelle des heute in der Bundesrepublik zusammen mit dem Springer-Konzern und einigen anderen Medienunternehmen marktbeherrschenden Holtzbrinck-Konzerns. DEVEX war das Kürzel für »Deutsche Verlagsexpedition oHG, Stuttgart«. Dieses Unternehmen bzw. genauer: der Firmenmantel, wurde am 25. September 1935 von Georg v. Holtzbrinck148 sowie Wilhelm Schlösser und Paul Ackermann 146 Aufsichtsratssitzung des DAF-Zentralverlags vom 22. Okt. 1943, in: BA Berlin NS  5 III, Nr. 55. Vgl. außerdem Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1943 (Anm.  134), S. 51, sowie Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 144. 147 Geführt wurden diese Drückerkolonnen von einem weitgehend eigenverantwortlich handelnden Hauptvertreter des jeweiligen WBZ-Unternehmens, der je nach Bedarf weitere, von ihm abhängige Werber einstellen konnte. Diese Werberkolonnen suchten nicht nur neue Abonnenten zu gewinnen, sondern fungierten zugleich vor Ort als Vertriebsapparat, der die Abonnenten belieferte. Die DEVEX und ihre Drückerkolonnen gewannen Abonnenten in erster Linie allerdings nicht vor den Wohnungstüren, sondern durch den Besuch von kleineren und größeren Unternehmen sowie lokaler Behörden und sonstiger Dienststellen, die durch Abonnements von DAFZeitschriften ihre Loyalität dem Regime gegenüber zum Ausdruck brachten. Vgl. im Einzelnen Thomas Garke-Rothbart, »… für unseren Betrieb lebensnotwendig  …« ­Georg von Holtzbrinck als Verlagsunternehmer im Dritten Reich, München 2008, hier: S. 43, 101. 148 Holtzbrinck (1909-1983), der als einer der großen bundesdeutschen Nachkriegsverleger gilt, hatte in Köln Jura studiert und war 1931 Mitglied des NS-Studentenbunds geworden. Er brach sein Studium ab, um Werbeleiter und schließlich Vorstandsmitglied der Deutschen Verlagsgesellschaft zu werden, die u. a. die »Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens« (BUW) produzierte. Ende der vierziger Jahre gründete er in der Nachfolge der BUW die »Stuttgarter Bibliothek« und führte ab 1954 das System des Quartalskaufs ein. 1957 übernahm er vom Droste-Verlag den »Deutschen Bücherbund«, der ab 1960 zum Synonym für seine Buchgemeinschaft mitsamt der Tochterunternehmen »Deutsche Hausbücherei«, »Deutscher Buchklub« und »Evangelische Buchgemeinde« wurde. Ab Ende der sechziger Jahre erwarb Holtzbrinck mehrere Tages- und Wochenzeitungen (»Handelsblatt«, »Saarbrücker Zeitung«, »Südkurier«, »Tagesspiegel«, »Zeit« usw.) und verschaffte seinem Unternehmen, der Stuttgarter

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als seinen Mitgesellschaftern149 erworben. Nominell war das Unternehmen mit dem Kürzel DEVEX zwar bereits 1929 ins Leben getreten; während der Wirtschaftskrise war das Geschäft jedoch zum Erliegen gekommen. Faktisch handelte es sich bei der Übernahme der Firma durch Holtzbrinck und seine Freunde im Herbst 1935 deshalb um eine Neugründung. Hauptzweck des Unternehmens, dessen Aufbau sich bis Anfang 1937 hinzog,150 war der Vertrieb von Zeitschriften, insbesondere der Vertrieb der »Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens«, die Holtzbrinck noch als Student seit 1931 mit aufgebaut hatte und zu deren Mitherausgeber er 1937 wurde. Schwerpunkt der DEVEX blieb der (so die Branchenbezeichnung) »werbende Buch- und Zeitschriftenbuchhandel« (WBZ). Nur ganz allmählich wandelte sich das Vertriebsunternehmen Holtzbrincks in einen Verlag.151 Kontakte zwischen der DEVEX und der Arbeitsfront entstanden zu Beginn des Frühjahrs 1937. Ende April 1937 schloss Heffe mit Schlösser einen Vertrag, der vorsah, dass deren Unternehmen »im Bereich des Gaues Gross-Berlin Sonder­ werbungen« für die Zeitschriften der DAF »unter Einsatz von Werbe­kolonnen durchführen« sollte.152 Wie wichtig die DEVEX schon bald für den Zentralverlag der DAF und den Vertrieb der dort hergestellten Zeitschriften wurde, zeigte sich etwa daran, dass die aufwendig gestaltete Zeitschrift »Schönheit der Arbeit« des gleichnamigen DAF-Amtes zu 60 % über die Drückerkolonnen der DEVEX abgesetzt wurde. Auch z. B. die DAF-Zeitschrift »Freude und Arbeit«, die das

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G. Holtzbrinck GmbH, mit S. Fischer, Fischer-Ta­schen­buch, Rowohlt, Droemer-Knaur, Kindler u. a. auch in der bundesdeutschen Verlagslandschaft erheblichen Einfluss. Schlösser, der im April 1940 der NSDAP beitrat, und Ackermann erwarben Mitte der fünfziger Jahre den (dann 1977 von Klett übernommenen) Cotta-Verlag, nachdem sie bereits Anfang 1950 den Europäischen Buchklub/Stuttgart gegründet hatten, eine der größeren frühen bundesdeutschen Buchgemeinschaften, die einige Jahre später dann an den Bertelsmann-Konzern ging. Hintergrund des schleppenden Aufbaus des neuen Vertriebsunternehmens war das aufwendige Procedere um die Genehmigung der Gründung durch die Reichspressekammer. An sich wurde die Neugründung von Vertriebsunternehmen seit Herbst 1934 nicht mehr erlaubt; hier eine Ausnahme zu gestatten, kann als »weitgehendes Entgegenkommen« der Reichspressekammer gegenüber Holtzbrinck und seinen Mitgesellschaftern interpretiert werden. Der Eintritt Holtzbrincks in die NSDAP am 1. Mai 1933 dürfte dabei förderlich gewesen sein. Auch die Aufnahme neuer Vertriebsobjekte erforderte jeweils separate Bewilligungen, die durch die Parteigenossenschaft Holtzbrincks zweifelsohne befördert wurden. Vgl. Garke-Rothbart, Holtzbrinck, S. 40 ff., 47 f. Im engeren Sinne verlegerische Aktivitäten entwickelte die DEVEX, über die BUW hinaus, erst ab Sept. 1939. Von entscheidender Bedeutung war hier die immer engere Kooperation mit dem Kohlhammer-Verlag. Vgl. ebd., S. 75 ff. Der Vertrag vom 22. April 1937 nannte als Gegenstand dieser »Sonderwerbungen« die DAF-Fachzeit­schrif­ten sowie die von Albert Speer herausgegebene Monatszeitschrift »Schönheit der Arbeit«. Später kamen weitere DAF-Zeitschriften hinzu, vor allem das auflagenstarke Monatsperiodikum »Freude und Arbeit«. Die DEVEX erhielt laut Vertrag vom April 1937 45 % Rabatt sowie für nachgewiesene Jahresaufträge Freihefte. Hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 52-55.

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von Robert Ley im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936 gegründete »Internationale Zentralbüro Freude und Arbeit« herausgab, hatte den Absatz eines beträchtlichen Teils der Auflage dem Holtzbrinck’schen Unternehmen zu verdanken. Welche Dimensionen das Geschäft schließlich annahm, das die DEVEX im Auftrag der Arbeitsfront und ihres Zentralverlages betrieb, lässt sich daran ablesen, dass von den DAF-Zeitschriften mit einer monatlichen Gesamtauflage von knapp dreißig Millionen Ende 1938 ein gutes Drittel durch WBZ-Firmen, darunter als wichtigste die DEVEX, an Einzelabonnenten verkauft wurden.153 Im selben Jahr begann die DEVEX außerdem Bücher aus dem Repertoire der drei großen DAF-Verlage zu vertreiben. Die Beziehungen zwischen der Arbeitsfront und der DEVEX kühlten sich ab, nachdem die Reichs­pressekammer als Aufsichtsbehörde ab Hochsommer 1938 der DEVEX mehrfach vorwarf, mit unlauteren Methoden Abonnenten zu werben, und zunächst Ordnungsstrafen aussprach, später dann den DEVEXGesellschaftern mit dem Ausschluss aus der Reichs­pressekammer drohte. Der Riss zwischen beiden Seiten vertiefte sich, als sich im Frühjahr 1939 immer mehr herausschälte, dass der Zentralverlag der Arbeitsfront den lukrativen Vertrieb der DAF-Zeitschriften selbst übernehmen wollte.154 Zum endgültigen Bruch zwischen dem Zentralverlag und dem Vertriebsunternehmen kam es schließlich, als die Zeitschriften »Schönheit der Arbeit« und »Freude und Arbeit«, die das Hauptgeschäft der DEVEX ausmachten, bei Kriegsbeginn eingestellt werden mussten. Das Unternehmen Holtzbrincks geriet daraufhin an den Rand des Konkurses, konnte in der Folgezeit den Ausfall der DAF-Zeitschriften jedoch durch den Vertrieb von Monatsperiodika anderer NS-Organisationen und -Institutionen weitgehend kompensieren. Beziehungen über den September 1939 hinaus unterhielt die DEVEX mit dem Fachamt »Eisen und Metall« der Arbeitsfront sowie dem Deutschen Volksbildungswerk, das der NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude« zugehörte, die ihrerseits eine Unterorganisation der DAF war. Das DAF-Fachamt beauftragte die DEVEX in Gemeinschaft mit dem Kohlhammer-Verlag, eine mehrteilige Publikationsreihe zur Berufserziehung und über die ökonomischen Verhältnisse in den wichtigsten Sektoren der metallverarbeitenden Industrie zu drucken und zu vertreiben. Zwischen Mitte und November 1939 wurde etwa 250.000 Exemplare dieser Broschüren verkauft.155 Nachhaltiger gestaltete sich die Beziehung zum Deutschen Volksbildungswerk der DAF. Am 16. März 1940 hatten Georg v. Holtzbrinck und Wilhelm Schlösser den Stuttgarter Verlag »Deutsche 153 So wie die DEVEX nicht das einzige Unternehmen war, über das die DAF Privat­ abonnenten zu akquirieren suchte, war die Arbeitsfront nicht die einzige NS-Organisation, die sich des WBZ bediente, um über die organisationseigenen Verteiler hinaus den Stamm an Abonnenten der verbandseigenen Zeitschriften zu erhöhen. Auch die NSDAP hatte von den insgesamt 9,2 Mio. Abonnenten parteiamtlicher Zeitschriften etwa eine Million mit Hilfe von WBZ-Drückerkolonnen geworben. Vgl. ebd., S. 45. 154 Vgl. ebd., S. 64 ff., 68 ff. 155 Ebd., S. 76 f.

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Volks­bücher« übernommen. Dieser Verlag produzierte seit 1900 im Auftrag des 1872 gegründeten Wiesbadener Volksbildungsvereins die »Wiesbadener Volksbücher«. Herausgegeben wurden diese Wiesbadener Volksbücher seit Juni 1939 wiederum vom Deutschen Volksbildungswerk. Für Holtzbrinck war diese Kooperation ein lukratives Geschäft, da die Wiesbadener Volksbücher – u. a. mit Erzählungen Hans Grimms, Heinz Steguweits, Hans Francks und anderer prominenter Autoren  – bis Frühjahr 1943 in einer Gesamtauflage von mehreren Millionen Exemplaren abgesetzt wurden.156 Bereits vor Kriegsbeginn hatte die DEVEX zudem begonnen, die »Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens«, bis Ende der dreißiger Jahre eher eine umfängliche Familienzeitschrift als ein Buch, zu einer Art Hausbücherei auszubauen, die seitdem monatlich an die Abonnenten (auch) Bücher abgab. Das Holtzbrinck’sche Unternehmen begann sich auf diese Weise im eigent­ lichen Verlagsgeschäft zu etablieren und mit der »Bibliothek« eine Buchgemeinschaft aufzubauen, die mit 1941 etwa 40.000 Abonnenten zwar deutlich kleiner war als die Büchergebilde Gutenberg und die Deutsche Hausbücherei, dem ent­stehenden Verlag Holtzbrincks jedoch dauerhaften Absatz und damit eine stabile Existenz versprach.157 Von Bedeutung war dies auch deshalb, weil die Kürzung der Papierkontingente für Zeitschriften- und Buchverlage sowie die Fusion bzw. Einstellung von Zeitschriften vor allem in der zweiten Kriegshälfte den »werbenden Buch- und Zeitschriftenbuchhandel« als das ursprüngliche Geschäftsfeld der DEVEX immer mehr obsolet werden ließen und ihn schließlich gänzlich zum Erliegen brachten.158 Anfang 1943 musste dann allerdings auch die »Bibliothek« Holtzbrincks eingestellt bzw. mit dessen Wiesbadener Volksbüchern fusioniert werden. Die Kooperation zwischen Holtzbrinck und dem Deutschen Volksbildungswerk sowie der DAF bestand indes weiter. Allein im November 1943 produzierte der Verlag Deutscher Volks­bücher 100.000 Bücher für das Volksbildungswerk und noch einmal 150.000 Bände unmittelbar für die DAF. Darüber hinaus partizipierte der Verlag Holtzbrincks seit Mitte 1943 am Frontbuchhandel, der weitgehend in den Händen der Arbeitsfront und ihres Zentralverlages lag.159

156 Vgl. im Einzelnen ebd., S. 105, 110 ff., 114-120, 140-144. Zum Volksbildungswerk vgl. Josef Olbrich, Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland, Opladen 2001, bes. S. 234-247, sowie (als Überblick) Smelser, Hitlers Mann, S. 213 f.; Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 229, 403. 157 Vgl. Garke-Rothbart, Holtzbrinck, S. 81 ff., 121 ff. 158 Im Okt. 1944 verfügte die Reichspressekammer ein generelles Verbot der mobilen Abonnentenwerbung. 159 Vgl. ebd., S. 154 ff. Zum Frontbuchhandel vgl. unten.

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5.4. Konkurrenzen, Konflikte – und das Scheitern der Bemühungen um Verschmelzung der Verlage zu einem Konzern Launenhaft und desinteressiert – zur Aufsicht der Arbeitsfront über ihre Verlage bis 1938 Während der Zentralverlag als eine Art Unterabteilung der Gesamtorganisation funktionierte und straff an die Berliner Zentrale der Arbeitsfront angebunden war, blieben die Beziehungen zwischen Arbeitsfront und den beiden Verlagen, die aus der Erbmasse des DHV in ihr Eigentum übergegangen waren, sehr viel lockerer. Vor allem anfangs konnten diese weiterhin als eigenständige Unternehmen agieren. Die DAF-Füh­rung war in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft mit der Formierung der Organisation sowie mit internen Querelen vollauf beschäftigt. Um in die einzel­nen Verlage hineinzuregieren, fand sie schlicht keine Zeit. Erst nachdem sich die Arbeitsfront 1935 organisatorisch zu konsolidieren begann, fingen die verantwortlichen Stellen der DAF an, die vormaligen DHV-Verlage stärker an die Leine zu nehmen. Aus einer Reihe von Gründen blieb diese Leine jedoch weiterhin ziemlich locker: Auch danach war die Arbeitsfront alles andere als ein im Innern rational strukturierter, schlagkräftiger Verband. Den Charakter eines »charismatischen Verwaltungsstabes« konnte sie zu keinem Zeitpunkt abstreifen. Organisationsinterne Rivalitäten und Eifersüchteleien konnten eingedämmt, jedoch niemals gänzlich abgestellt werden. Des Weiteren führte der ausgeprägte Antiintellektualismus Robert Leys und ebenso seiner Getreuen an der DAF-Spitze dazu, dass jene die Verlage eher als lästigen Appendix ihres riesigen und unübersichtlichen Wirtschaftsimperiums betrachteten  – im offensichtlichen Unterschied zum Volkswagenwerk, aber auch zur Arbeitsbank, zum Wohnungskonzern, zu den Versicherungs­ unternehmen oder zu den Konsumgenossenschaften. Sie besaßen nicht nur die Mentalität kulturloser Kapitalisten, sondern ignorierten auch die ideolo­gisch›volks­pädagogischen‹ Potentiale, die ihnen die beiden im rechtsradikalen Lager verwurzelten ehemaligen DHV-Verlage boten.160 Konkurrenzen und Konflikte Zudem waren die Verantwortlichen der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmen der DAF (TWU) mit verlegerischen Fragen überfordert und vor allem am ökonomischen Erfolg orientiert. Auch nach der Ablösung Karl Müllers Mitte 1935 und der Inthronisierung des DAF- und KdFReichsschatzmeisters Paul A. Brinckmann und seines Stellvertreters Boltz zu den Hauptverantwortlichen für die Wirtschaftsunternehmen der Arbeitsfront blieb die Verwaltung der Wirtschaftsunternehmen weiter im Fluss. Brinckmann und Boltz kümmerten sich noch weniger um die Verlage als ihr Vorgänger Müller. 160 Symptomatisch ist, dass der DAF-Geschäftsführer Otto Marrenbach sich in seinem »Fundamente des Sieges« betitelten und im Zentralverlag erschienenen Rechenschaftsbericht lediglich auf einer Seite, und – sehr untypisch für die Arbeitsfront – ohne konkrete Zahlen vorzulegen, den DAF-Verlagen widmete, während er in dem dickleibigen Opus die Wohnungsgesellschaften und Bauhütten mit drei und das VWWerk sogar mit vier Seiten würdigte.

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Dies änderte sich, als Hans Strauch und Bruno Raueiser nach dem Abgang von Brinckmann und Boltz von Anfang 1938 bis zum Zusammenbruch der Dik­tatur innerhalb der DAF-Führung die Verantwortung (auch) für die Verlagshäuser und Druckereien erhielten. Sie kontrollierten die beiden früheren DHV-Verlage und ebenso den Zentralverlag der Arbeitsfront über die Aufsichtsräte.161 Allerdings mischten sich auch Strauch und sein Stellvertreter Raueiser in aller Regel nicht unmittelbar in die Geschäftspolitik der Verlage ein.162 Die Vorstände und Geschäftsleitungen der vormaligen DHV-Verlage verfügten infolgedessen über große Freiräume und konnten (zunächst) sicher sein, dass ihnen die DAF-Auf­seher bei der Gestaltung der Verlagsprogramme nicht genauer auf die Finger schauten. Diese Freiräume der Ein­zelverlage hatten freilich den paradoxen Effekt, dass die Führungsfiguren der drei DAF-Ver­la­ge Mitte der dreißiger Jahre zu Hahnenkämpfen antraten, nämlich den jeweils eigenen Verlag auf Kosten der beiden anderen zu vergrößern suchten. Erst nachdem sich Pezold, Ziegler und Heffe untereinander in die Haare bekamen, sah sich die Führung der TWU zu Interventionen veranlasst. Machtkämpfe und die Vernetzung der Verlage ab 1938 Nominell waren Heffe, Ziegler und Pezold als Direktoren bzw. Geschäftsführer der drei Einzelverlage einander gleichgestellt. Das änderte sich, als Heffe im Herbst 1935 neben der Leitung des noch im Aufbau befindlichen Zentralverlages zusätzlich das Amt eines »Beauftragten für die Verlagsunternehmen der DAF« erhielt. Wenn Heffe und nicht seinen beiden Konkurrenten der Aufstieg an die Spitze des DAF-Verlagskonsortiums gelang, dann lag dies erstens offensichtlich daran, dass Pezold ein 1930 in den Georg Müller-Verlag eingetretener Außenseiter blieb und Ziegler im DHV sozialisiert worden war und in den Nasen der DAF-Funktionäre den Stallgeruch der Jungkonservativen verbreitete. Beide liefen trotz der politisch-ideo­logi­schen Nähe, die der DHV mitsamt seiner Verlage während der letzten Jahre gegenüber der NS-Bewegung gezeigt hatte, nach 1933 Gefahr, kaltgestellt zu werden, wenn sie ein allzu eigenständiges Profil zeigten. Dass sie sich politisch anbiederten, änderte daran nichts. Heffe war dagegen ein politisch unscheinbarer »Alter Kämpfer« und ein nicht vorbelastetes Eigengewächs der Arbeitsfront. Hinzu kam, dass Pezold acht Jahre und Ziegler fünf Jahre älter waren als Heffe. Sie gehörten noch der »Frontgeneration« an, die den Krieg erlebt hatte, während Heffe – wie die meisten, oft sehr jungen DAF-Funktio­näre163 – bereits zur »überflüssigen Generation« zählte, die erst in den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges eingezogen worden war oder diesen nur vom Hörensagen kannte. 161 Vgl. Kapitel 2, S. 74 ff. 162 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 132, 136 und 143, der namentlich Strauch ein »weitgehendes Verständnis« für die Verlagspolitik der HAVA attestiert. 163 Vgl. Hachtmann, Kleinbürgerlicher Schmerbauch, S. 256.

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Obwohl der Altersunterschied mitunter nur wenige Jahre betrug, konnte diese Generationsdif­f erenz gerade im Rahmen der DAF schnell zu heftigen, für die Betroffenen mitunter existentiellen Konflikten eskalieren.164 Wichtig war außer­ dem die räumliche Nähe oder Distanz zum politischen Zentrum der Arbeitsfront. Heffe und das von ihm geführte Unternehmen wurden ganz anders an die Kandarre der DAF-Führung genommen als Ziegler in Hamburg und Pezold in München. Heffes Position war widersprüchlich: In Berlin war seine Stellung eher subaltern; innerhalb des DAF-Verlags­kon­sortiums durfte er sich nach seiner Ernennung zum »Beauftragten für die Verlagsunternehmen der DAF« als Vorgesetzter Zieglers und Pezolds fühlen. Auseinan­der­set­zungen waren damit program­miert. Auslöser der Konflikte waren Gegensätze zwischen dem ehrgeizigen Pezold und dem eher vorsichtigen Ziegler, die im Februar 1936 eskalierten und Heffe die Stellung eines Züngleins an der Waage verschafften.165 Letzerer sah die Chance gekommen, die beiden ehemaligen DHV-Verlage unter dem Dach ›seines‹ Zentralverlages zusammenzuführen und sich selbst in die Zentralposition innerhalb des Verlagsimperiums der Arbeitsfront zu katapultieren. Zunächst verbündeten sich Heffe und Pezold. Sie verständigten sich da­rauf, die Buch­ gemeinschaften der HAVA und des Zentralverlags – die Deutsche Hausbücherei und die Büchergilde Gutenberg – zwangszufusionieren. Außerdem sahen beide die Errichtung eines Zentrallektorates unter den Fittichen der TWU vor, das im Interesse der DAF die Arbeitsfelder der drei Verlage koordinieren und deren verlegerische Bereiche arbeitsteilig abstecken sollte. Darüber hinaus vereinbarten die beiden, dass ausschließlich der Zentralverlag auf dem lukrativen Feld der DAF-Zeitschriften und -Bro­schüren sowie a­uf dem bis dahin weitgehend von der HAVA beherrschten KdF-Markt tätig sein dürfe. Dem alarmierten Ziegler gelang es bis Ende 1936 durch geschicktes Intrigieren, das Bündnis zwischen Heffe und Pezold aufzusprengen. Er konnte die Fusion der beiden Buchgemeinschaften verhindern und der HAVA den Erhalt ihrer absatzstrategisch zentralen Deutschen Hausbücherei sichern.166 Auch in anderer Beziehung hatten Pezold wie Heffe die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die maßgeblichen Leute der TWU erklärten zwar, sich in interne Kon164 Vgl. (exemplarisch für den Unternehmensberater und Organisationsanalytiker Karl Eicke und die Konflikte, die dieser mit seinem Gutachten über die Deutsche Arbeitsfront vom Juli 1936 auslöste) Hachtmann, Koloss, S. 46 f. Den Konflikten um Karl Müller, den bis 1935 wirtschaftspolitisch ›starken Mann‹ innerhalb der DAF, lagen gleichfalls untergründig auch generationelle Friktionen zugrunde. 165 Dazu und zum Folgenden ausführlich: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 106 ff. Vgl. auch Barbian, Literaturpolitik, S. 139. 166 Auf der entscheidenden Besprechung der führenden Vertreter der TWU (u. a. Brinckmann, Boltz, Bierlein) mit Heffe, Pezold und Ziegler als den leitenden Direktoren der Verlagsunternehmen der DAF am 23. Nov. 1936 ließ Pezold Heffe im Regen stehen. Nur Heffe sprach sich noch für die Fusion der Buchgemeinschaften aus, die damit angesichts einer bewussten Zurückhaltung der TWU (Anm. 167) gescheitert war. Vgl. Niederschrift dieser Besprechung (vom 25. Nov. 1936), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 42.

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troversen zwischen den Verlagen nicht einmischen zu wollen.167 Sanktioniert wurde Mitte November 1936 allerdings eine schärfere Arbeitsteilung zwischen den drei Großverlagen faktisch zugunsten des Zentralverlags der DAF. Dieser erhielt das Monopol auf sämtliche Periodika und Schriften der Arbeitsfront wie den noch profitableren KdF-Markt. Die HAVA sollte sich »auf rein wissenschaftliche bzw. politisch-wis­sen­schaftliche und Zeitschriftenliteratur« beschränken, während sich der LMV auf »das Gebiet der schöngeistigen Literatur« zu konzentrieren hatte.168 In den folgenden Monaten spitzte sich der persönliche Konflikt zwischen Ziegler einerseits und Heffe sowie der TWU andererseits so zu, dass dem HAVAVorstand gekündigt wurde. Aus formalen Gründen wurde die Kündigung allerdings nicht rechtswirksam. Gehen musste dagegen Pezold. Ausschlaggebend war, dass der Chef des LMV sich nicht darauf beschränkt hatte, den Konflikt DAF-intern zu bereinigen. Pezold hatte den Fehler begangen, den »Stellvertreter des Führers« einzuschalten – den schärfsten Rivalen Robert Leys auf den zentralen politischen Bühnen des NS-Regimes. So erklärte Pezold während einer Unterredung mit dem Chef der Arbeitsfront und Reichsorganisationsleiter der NSDAP am 23. Februar 1938 wörtlich, dass er »lediglich dem entsprochen« habe, was ihm »als Wunsch des Stellvertreters des Führers […] mitgeteilt worden sei«. Ley unterbrach erbost, »das sei ja eben, was er mir vorwerfe, dass ich nicht zu ihm gekommen sei«. Pezold sei »daran schuld, dass der Stellvertreter des Führers in die Sache hineingezogen worden sei«. Alle Angelegenheiten, die die DAFVerlage betreffe, seien »ausschließlich seine, Leys, Sache und gehe[n] niemand anderes etwas an«; er, Ley, »lasse sich nicht drein reden«.169 Pezold hatte nicht verstanden, dass die Arbeitsfront als »charismatischer Verwal­tungs­stab« samt ihren Unternehmen ein Herrschaftsfeld war, das Ley vom »Führer« als eine Art Lehen übertragen bekommen hatte und autokratisch führte. Es musste Ley auf das empfindlichste treffen, dass Pezold dem Ley-Konkurrenten Heß Einfluss auf DAF-interne Angelegenheiten einräumen wollte. In seiner Perspektive konnte Ley gar nicht anders, als den illoyalen Pezold Anfang 1938 vor die Tür zu setzen.170 Heß wiederum oder andere hohe NS-Funktionsträger dachten nicht daran, sich für Pezold einzusetzen; es hätte diesem auch nichts genutzt. An Stelle 167 So Boltz gegenüber Ziegler nach einer Aktennotiz vom 23. Sept. 1936, nach: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 105. 168 Niederschrift über die Besprechung am 23. Nov. 1936 (wie Anm. 166). Vgl. außerdem Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 108. 169 Gedächtnisprotokoll Pezolds über seine Besprechung mit Ley am 23. Febr. 1938 in München (an der auch H. Simon teilnahm), nach: ebd., S. 110, Anm. 152. 170 Pezold beging denselben Fehler, den ein gutes Jahr zuvor der erwähnte Unternehmensberater Karl Eicke begangen hatte. Eicke hatte in seinem Konflikt mit Leys Stabsleiter Simon um sein kritisches Organisationsgutachten über die Arbeitsfront gleich­f alls externe Stellen eingeschaltet, nämlich ebenfalls Heß sowie außerdem Schacht und den NSDAP-Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz. Die DAF-Führung veranlasste, dass Eicke aus der NSDAP ausgeschlossen wurde und faktisch Berufsverbot erhielt. Ausführlich: Hachtmann, Koloss, bes. S. 50 ff.

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des entlassenen Pezold übernahmen Walter Fischer und Korfiz Holm die Geschäftsführung des LMV.171 Heffe hatte den Machtkampf mit Pezold und Ziegler zwar gewonnen. Seine Ambitionen jedoch, die drei Großverlage de facto zu verschmelzen,172 zerschlugen sich. Den maßgeblichen literaturpolitischen Funktionären aus dem Dunstkreis des Goebbels-Ministe­riums waren die beiden vormaligen DHV-Verlage zu wichtig; sie wussten deren Unterordnung unter das von Heffe und der TWU geplante Zentrallektorat zu verhindern. Die DAF-Füh­rung ihrerseits hatte bündnispolitische Rücksichten zu nehmen und gab ihre Überlegungen zur Fusion der drei Verlage auf. Ziegler hatte seinen Kopf aus der Schlinge gezogen und stand der HAVA weiter vor, auch nach ihrer Privatisierung 1943. Zudem wurde er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Buchmeister Verlages und der Büchergilde Gutenberg. Heffes Titel als »Beauftragter der DAF für deren Verlage« war zwar nicht mehr viel wert, da die drei großen DAF-Verlage separiert blieben. Aber er blieb Geschäfts­f ührer (mit dem Titel des Direktors) sowohl des Zentralverlages der Arbeitsfront als auch der Büchergilde Gutenberg und ihres Buchmeister-Ver­ lages. Zudem wurde er seinerseits stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Hanseaten und des Langen-Müller-Ver­la­ges, ferner der August Pries GmbH.173 171 Holm (1872-1942), der seit 1919 Miteigentümer des Albert Langen-Verlages war, ­amtierte seit 1932 als Co-Geschäftsführer des LMV, zunächst mit Pezold, später mit W. Fischer und F.A. Beck. Holm blieb im Hintergrund. Der starke Mann im LMV war bis 1938 Pezold. Holm blieb auch in der zweiten Linie, als W. Fischer eingesetzt wurde. Über Fischer ist bis auf dessen NSDAP-Mitglied­schaft wenig bekannt. Er galt als Vertrauter des DAF-Aufsichtsrates, amtierte jedoch nur kurzzeitig. Auf ihn folgte bereits Mitte 1939 F.A. Beck (vgl. unten), dessen Nachfolge von Sept. 1942 bis Febr. 1943 dann kommissarisch der HAVA-Vorsitzende B. Ziegler antrat. Zu Holm: Meyer, Verlagsfusion, S. 56 ff. 172 Während einer Aufsichtsratssitzung des LMV Anfang Dez. 1937 hatte Heffe bereits kundgetan, dass die drei Verlage der Arbeitsfront »aus steuertechnischen Gründen« zu einem einzigen Unternehmen fusioniert werden sollten. Ziegler sollte (neben Heffe) Zweiter Geschäftsführer sowohl des LMV als auch des DAF-Zentralverlages werden. Das war wahrscheinlich nicht nur eine »Provokation« von Seiten Heffes, wie Lokatis vermutet, sondern entsprach Plänen innerhalb der DAF-Füh­rung (nicht nur der TWU). Sie wurden hinfällig, nachdem Pezold in den folgenden Wochen Heß mit den Plänen der Arbeitsfront-Führung bekannt gemacht hatte. Wahrscheinlich ist, dass Heß seinerseits den mächtigen NSDAP-Reichsschatzmeister einschaltete, der seit 1935 in finanzieller Hinsicht ein formelles Aufsichtsrecht gegenüber der DAF besaß und mithin auch jene Pläne zunichtemachen konnte. Dass Pezold während der Aufsichtsratssitzung den Vertretern der TWU gegenüber »mit seinen Beziehungen« gedroht hatte, passt in dieses Bild. Die Entlassung Pezolds wiederum wurde mit Unterschlagungen begründet, die dieser sich hatte zuschulden kommen lassen. Tat­ sächlich musste Pezold »Schulden« in Höhe von 33.000 RM gegenüber dem Verlag einräumen. Vgl. Meyer, Verlagsfusion, S. 218 f. Zum Folgenden vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 109 f. 173 Darüber hinaus war Heffe Aufsichtsratsvorsitzender der meisten Verlage, die zur »Gruppe« des DAF-Zentralverlages gehörten (Aufbruch-Verlag/Köln, Buchdrucker-

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Ende 1939 sollte er mit der Leitung der Zentrale der Frontbuchhandlungen einen weiteren wichtigen Posten übernehmen. Vertieft wurden die personellen Verflechtungen der drei DAF-Verlagsgruppen dadurch, dass Mitte 1938 die HAVA wie der LMV eigentumsrechtlich in Aktiengesellschaften umgewandelt worden waren. Weniger wichtig war, dass die Vorstände der vormaligen DHV-Unter­nehmen nach deren Umwandlung in AGs nun ausführlicher sowohl über ihre Geschäftsführung als auch über die verlegerischen Aktivitäten Auskunft geben mussten. Von größerer Bedeutung war, dass nun die TWU als das Dach des DAF-Wirtschaftsimperiums konzernintern eine schärfere und effizientere Kontrolle ausübte; seitdem saßen die entscheidenden wirtschaftspolitischen Funktionsträger der Arbeitsfront in den Aufsichtsräten der großen Arbeitsfront-Unternehmen. Sie machten dem Namen dieser Gremien Ehre und führten dort auch tatsächlich die Aufsicht – nicht nur in den Verlagshäusern, sondern in allen Teilen des DAF-Konzerns. Die Vernetzung über Aufsichtsratsfunktionen war eine DAF-eigene Form, die die scheinbar disparaten Unternehmen der Arbeitsfront elastisch zusammenband und den stark personalistischen Herrschaftsformen des Nationalsozialismus angepasst war. So saß denn Hans Strauch als der Chef der TWU und die ab 1938 (neben dem Ley-Stell­vertreter Heinrich Simon) entscheidende Figur innerhalb des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront, die Aufsichtsratsmandate geradezu sammelte, auch in den Aufsichtsgremien sämtlicher wichtiger Verlage im Besitz der Arbeitsfront. Bruno Raueiser, neben Strauch der zweite ›starke Mann‹ innerhalb des DAF-Wirtschaftsimperiums, fungierte als stellvertretender Aufsichtsrats­ vorsitzender des Zentralverlages der Arbeitsfront. Wenn Raueiser den Aufsichtsräten der HAVA und dem LMV als den beiden anderen großen Verlagen der Arbeitsfront nur als einfaches Mitglied angehörte, dann kann man dies auch als politische Präferenz der DAF-Führung werten: In ihrem Fokus stand der Zentralverlag; den beiden anderen Verlagshäusern maß sie demgegenüber eine geringere Bedeutung bei.174

werkstätte/Berlin, Großbuchbinderei Franz Wermke/Berlin, Adam Kraft Verlag/ Karls­bad, Wiener Verlagsgesellschaft, Lehrmittelzentrale der DAF). Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender amtierte er im Verlag »Freude und Arbeit«. Heffe wie Ziegler saßen ferner im Aufsichtsrat des Verlages des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der DAF. Ziegler erhielt außerdem die Leitung der Fachgruppe »Buchgemeinschaften« in der Reichsschrifttumskammer; daneben fungierte er als Obmann des Landesverbandes Nordmark im Eichsverband deutscher Zeitungsverleger. 174 Vgl. zu Netzwerk-Funktion und personeller Besetzung der Aufsichtsräte der DAFUnternehmen Kapitel 2, S. 80 ff.

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5.5. Expansion und »Fronteinsatz«: die DAF-Verlage im Krieg Rahmenbedingungen Der Kriegsbeginn veränderte die Rahmenbedingungen für Verlage und Buchhandel mindestens ähnlich stark wie die NS-Machtergreifung 1933.175 Auf der einen Seite blieben Verlage und Buchhandel auch nach dem 1. September 1939 unverzichtbar. Ihre Bedeutung wuchs sogar eher noch, als dass sie sank. Zentral waren die Printmedien als Stabilisatoren der Heimatfront und als ›Seelentröster‹ an den militärischen Fronten. Es entwickelte sich eine regelrechte Lesewut, die bei vielen einer Flucht in die von den tolerierten belletristischen Schriftstellern erzeugten virtuellen literarischen Welten gleichkam. Bereits im Frühjahr und Frühsommer 1940 war es vor allem die (aus der Sicht des SD) »leichte Unterhaltungslektüre« bzw. »minderwertige« oder »seichte Unterhaltungsliteratur«, nach der »eine überaus starke Nachfrage bestand«,176 ein Trend, der sich in der Folgezeit drastisch verstärkte. Hatten bis Ende 1941 daneben auch belletristisch angelegte Kriegsliteratur sowie »Sachbücher« zur Technik eine – wenn auch geringere – Resonanz gefunden, so änderte sich dies mit dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie und den massiveren Luftbombardements ab 1942. Heroisierende Kriegsromane etc. erinnerten danach nur zu sehr an das Grauen, das seitdem die Deutschen an den militärischen und Heimatfronten traf. Die Flucht in die scheinbar harmlose Belletristik verstärkte sich. Je weniger man an den heimatlichen wie militärischen Fronten zu lachen hatte, desto stärker nahm man zu humoristischer Literatur Zuflucht. Das Regime konnte für solcherart Ablenkung nur dankbar sein und trat dem nicht entgegen. So mochte sich der SD zwar über den Geschmack des breiten Lesepublikums mokieren, der bis 1940 auch Margaret Mitchells »Vom Winde verweht« und weitere US-amerikanische Literatur zu reichsdeutschen Bestsellern machte. Mit Verboten oder sonstigen Erschwernissen mussten die NS-Stellen jedoch vorsichtig sein, wollten sie die durch ein ab 1941/42 rapide sinkendes Angebot an Büchern und Romanheften verärgerten Kunden an der Heimatfront nicht unmittelbar gegen sich und damit gegen das Regime aufbringen. Denn gleichzeitig verschärften sich die ökonomischen Zwänge. Die Kontingentierung von Papier wurde bereits im Herbst 1939 eingeführt. Je länger der Krieg dauerte, desto restriktiver wurde sie gehandhabt.177 Trotz z. B. der Lieferung großer Mengen von Papier aus dem von der Wehrmacht besetzten Norwe175 Einen guten Überblick bieten: Barbian, Literaturpolitik, bes. S. 306-313, für die letzte Kriegsphase bes. S. 238-242, 315-319; ergänzend Triebel, Kultur und Kalkül, bes. S. 242-247. 176 Zitate: Meldungen aus dem Reich, Bd. 4, S. 950 (3. April 1940), bzw. Bd. 5, S. 1493, 1752 f. (22. Aug. bzw. 11. Nov. 1940). Vgl. außerdem die in Anm. 184 genannten Belege. 177 Zu den zunehmend bürokratischeren Genehmigungsverfahren, den sich verschärfenden Engpässen bei der Belieferung mit Papier sowie den Schwarzmärkten für diesen Rohstoff ab 1942/43 vgl. vor allem Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 19-24; Hans-

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die daf-verlage im krieg

gen178 ging die Buchproduktion ab dem zweiten Kriegsjahr dramatisch zurück.179 Die Inanspruchnahme von Papierproduktions- und Druckereikapazitäten in den besetzten Gebieten verschaffte nur eine vorübergehende Entspannung,180 obwohl die entsprechenden Verlagerungen erheblich waren.181 Für die einzelnen Verlage rückte die Versorgung mit dem Rohstoff Papier sowie zunehmend außerdem mit Arbeitskräften in den Vordergrund. Die Knappheit an beiden Ressourcen sollte in der zweiten Kriegshälfte zu einem zentralen Hebel für einen beispiellosen Konzentrationsprozess im deutschen Buchhandel werden. Um den Absatz ihrer Bücher mussten sich die Verlage keine Sorgen machen. Zusätzlich unter Druck gesetzt wurde der Buchmarkt von der Nachfrageseite her durch eine »Flucht in die Sachwerte«.182 Da immer mehr Konsumgüter des täglichen Bedarfs rationiert und damit den offiziellen Märkten entzogen wurden, Bücher davon jedoch ausgenommen blieben, wurde der Kaufkraftüberhang zu erheblichen Teilen in Büchern ›angelegt‹.183 Die Verlage bauten ihre Lager­bestände rapide ab. Die Kunden standen schon bald vor leeren Schaufenstern und Bücherregalen. Selbst belletristische Ladenhüter fanden reißenden Absatz, aber auch in der Perspektive der Nationalsozialisten »schädliches und unerwünschtes Schrifttum« kam auf den Markt.184 Es würde wahllos »alles gekauft,

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Eugen Bühler/Olaf Simon, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korrup­ tionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs, Köln 2004, S. 46-51. Vgl. Meldungen aus dem Reich (28. Okt. 1940), Bd. 5, S. 1713. 1940 hatte die Zahl der gedruckten Bücher bei 242,3 Mio. Stück gelegen. 1941 stieg die Buchproduktion auf 341,9 Mio. Stück, um im folgenden Jahr auf 244,2 Mio. Stück zu sinken. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 126, bzw. Barbian, Literaturpolitik, S. 308, Anm. 21. Vgl. etwa Meldungen aus dem Reich, Bd. 16, S. 6417 ff. (Inlandsbericht vom 16. März 1944). Zu einem bevorzugten Standort wurden die Niederlande. Dort konzentrierten die aus dem Reich verlagerten Produktionen bereits 1941 mehr als 10 % der Gesamtproduktion des graphischen Gewerbes. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 57 f.; Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 420 bzw. 669 f. Zitat: Meldungen aus dem Reich, Bd. 9, S. 3317 (16. Febr. 1942). Der »Barumschlag« des Berliner Buchhandels stieg nach den Angaben des Hauptschriftleiters des Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel Gerhard Menz von 1941 allein in der Reichshauptstadt von 1,3 Mio. RM 1937 über 1,5 Mio. RM und 1,8 Mio. RM in den beiden folgenden Jahren auf schließlich 2,5 Mio. RM im Jahre 1940. Nach: Triebel, Kultur und Kalkül, S. 204 f., Anm. 560. Zur konjunkturellen Scheinblüte der ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges sind die vom SD der SS gesammelten »Meldungen aus dem Reich« aufschlussreich. Vgl. insbesondere Bd. 4, S. 949 (3. April 1940); Bd. 5, S. 1367, 1585 ff., 1713 (11. Juli, 19. Sept., 28. Okt. bzw. 11. Nov. 1940); Bd. 6, S. 1926-1929 (23. Jan. 1941); Bd. 7, S. 2533 (17. Juli 1941); Bd. 8, S. 2951 ff. (6. Nov. 1941); Bd. 9, S. 3155 f., 3317-3320, 3351-3356, 3969 ff. (12. Jan., 16. und 23. Febr. bzw. 20. Juli 1942); Bd. 12, S. 4652-4663 (11. Jan. 1943). Zitat: ebd., Bd. 6, S. 3396 (2. März 1942). Vgl. auch (mit weiteren Quellen) Triebel, Kultur und Kalkül, S. 255 f.

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was nach Buch aussah«, klagte der SD. Lediglich die politisch-ideo­logischen Traktate führender Nationalsozialisten seien »wenig verlangt« worden.185 Die Folge der boomenden Nachfrage nach Literatur war, dass – bevor 1941/42 erste »Auskämmaktionen« durchgeführt wurden, der Rohstoff Papier allmählich versiegte und sich ab 1943 Betriebsstilllegungen im Verlagswesen häuften – die Produktionskapazitäten ausgelastet waren und Druckaufträge in zunehmendem Maße ins besetzte Ausland oder in neutrale Länder (Schweden, Schweiz) ver­ geben wurden. Ökonomisch profitierte in erster Linie der reichsdeutsche Buchhandel, aber auch die Erträge vieler Verlagshäuser blieben während der ersten Kriegshälfte, mitunter auch darüber hinaus, beachtlich. Aufstieg und abrupter Fall: die Büchergilde Gutenberg und andere Buchgemeinschaften im Krieg Ebenso fuhren Buchgemeinschaften satte Gewinne ein, allerdings nur bis 1942. Sie konnten sich in den ersten Kriegsmonaten neuer Mitglieder kaum erwehren, die sich von einem Beitritt die regelmäßige Belieferung mit Literatur sowie überhaupt den leichten Zugang zu preiswerten Titeln versprachen. Binnen zweier Jahre verdoppelte sich der Mitgliederbestand der Büchergilde Gutenberg, auf eine halbe Mio. Mitglieder im Sommer 1940. Einen solch starken Anstieg hatten die anderen Buchgemeinschaften nicht zu verzeichnen. Aber auch die Deutsche Hausbücherei vergrößerte in den beiden ersten Kriegsjahren die Zahl der Abonnenten um etwa 30.000, auf 1941 fast 175.000 Mitglieder (Tabelle 3.2).186 Wenn unter den reichsdeutschen Buchgemeinschaften vor allem die Büchergilde prosperierte, dann lag dies nicht nur daran, dass die breiten Arbeitnehmerschichten ein noch weitgehend unausgeschöpftes Kundenpotential waren.187 Die Büchergilde war darüber hinaus weit enger als die Deutsche Hausbücherei mit der Arbeitsfront verbunden und profitierte infolgedessen besonders stark auch von den Auslandsaktivitäten der DAF. So nutzte sie die vom Zentral­verlag der Arbeitsfront und von der »Zentrale der Frontbuchhandlungen« gegründeten, nominell selbständigen Verlage in Prag, Brüssel, Paris, Riga, Kopenhagen und anderen europäischen Metropolen, um bei den militärischen und sonstigen Dienststellen neue Mitglieder zu gewinnen.

185 Meldungen aus dem Reich, Bd. 6, S. 1926 bzw. 1928 (23. Jan. 1941). 186 1942 besaß die Deutsche Hausbücherei 24 größere Zweigstellen und um die 2.000 Buchausgabestellen. 187 Und blieben: Das relativ starke Mitgliederwachstum der Büchergilde Gutenberg sollte nicht vergessen lassen, dass für das Gros der Arbeiterhaushalte (und vermutlich ebenso bäuerlicher Haushalte) bis 1945 und darüber hinaus »der Zeitungsroman der einzig umfangreichere belletristische Lesestoff« blieb und gebundene Bücher dort eher selten zu finden waren. Zitat: Hermann Feller, Fragen um den Zeitungsroman, in: Zeitungsverlag 43/1942, S. 58, nach: Karl-Christian Führer, Medienmetropole Hamburg. Mediale Öffentlichkeit 1930-1960, Hamburg 2008, S. 398.

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Darüber hinaus warb die Büchergilde in den mit dem Dritten Reich verbündeten Staaten unter den dortigen »Trägern des Deutschtums« Mitglieder, etwa in der Slowakei sowie in Ungarn.188 Wie schon die Arbeitsbank und die DAFVersicherungen orientierte sich auch die Büchergilde im Osten Europas nicht auf die Gesamtheit der einheimischen Bevölkerung, sondern lediglich auf die dort lebenden »Volksdeutschen«. Im Osten bemühte sich die Büchergilde mindestens in einigen Fälle allerdings auch um die mit den Deutschen vorgeblich ›rassisch verwandten‹ Bevölkerungen. So beschränkte sie sich in der bilingualen belgischen Hauptstadt nicht darauf, die Buchgemeinschafts-Mitglieder, die nach Brüssel versetzt worden und in den Dienststellen der Wehrmacht, sonstiger NSInstitutionen oder auch reichsdeutschen Unternehmen tätig waren, mit Pflichtexemplaren zu versorgen. Darüber hinaus eröffnete sie 1940 oder 1941 eine Buchhandlung im Zentrum der Stadt, um über die deutschen Besatzer hinaus auch flämische Kundschaft anzulocken.189 Ob die Büchergilde in Ungarn, der Slowakei, in Belgien oder den Niederlanden tatsächlich Fuß fassen konnte, ist allerdings zweifelhaft. Zur Jahreswende 1941/42 nämlich endete der Aufschwung der Büchergilde Gutenberg und anderer Buchgemeinschaften abrupt. Anfang Januar 1942 gab Wilhelm Baur  – der Geschäftsführer des Eher-Verlages und (neben Amann) ›Vater‹ des rasanten Aufstieges des Zentralverlages der NSDAP sowie darüber hinaus Vorsteher des Börsenvereins und damit »Leiter des Deutschen Buchhandels« – eine Anordnung heraus, nach der die Buchgemeinschaften nur noch die Hälfte ihrer Pflichtreihen an Mitglieder ausgeben durften.190 In einer zweiten Anordnung von Anfang 1942 verfügte Baur ein Werbe- und Aufnahmeverbot für neue Mitglieder. Lokatis hat wohl zu Recht vermutet, dass Baur dabei allgemeine Ziele und konkrete unternehmenspolitische Interessen verquickte, nämlich nicht nur die allgemeine ›Büchernot‹ dämpfen wollte, sondern gleichzeitig die DAF-eigene Deutsche Hausbücherei treffen und darüber wiederum vor allem den LangenMüller-Verlag, aber auch die »Hanseaten« sturmreif schießen wollte. Auch der Büchergilde Gutenberg wurde das Wasser abgegraben. Im Unterschied zu bürgerlichen Büchergemeinden wie der »Deutschen Buch-Gemein­ 188 Vgl. Geschäftsführer der DAF, Referat Ausland, an das Auswärtige Amt, Referat ­Partei (zu Hd. Pg. Büttner) vom 9. Febr. 1940, sowie Antwortschreiben des Auswärtigen Amtes (Ref. i.V. AR. Fleißner), vom 20. Febr. 1940, in: PA AA, R 99021. 189 Dies provozierte erheblichen Protest aus dem Goebbels-Ministerium. So mokierte sich der Leiter der Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels Paul Hövel, dessen dem Propaganda-Ministerium zugeordneter Behörde der Buchex- und -import sowie seit Kriegsbeginn die Papierbewirtschaftung oblagen, in einem Schreiben vom 15. Aug. 1941 an Hanns Johst (in dessen Funktion als Präsident der Reichsschrifttumskammer) darüber, dass die Büchergilde Gutenberg ausgerechnet auf »Brüssels Hauptstraße« einen großen Buchladen eingerichtet hatte, in unmittelbarer Nachbarschaft einer Frontbuchhandlung – ein Tatbestand, der auf ein abgestimmtes Vor­gehen beim Aufbau von Filialen beider Seiten schließen lässt. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 102. 190 Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 130.

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schaft« und ebenso zu der 1943 vom Eher-Verlag der NSDAP übernommenen Deutschen Hausbücherei musste die Büchergilde Ende 1944 mitsamt dem Buchmeister-Verlag ihren Betrieb schließlich sogar ganz einstellen.191 Da die Schließung von Verlagen vor allem im letzten Kriegsjahr nur noch begrenzt nach ökonomischen Kriterien erfolgte und (stärker als zuvor) letzten Endes ein Willkürakt war, stellt sich die Frage, warum es ausgerechnet die große Buchgemeinschaft der Arbeitsfront traf. Vorbehaltlich der schlechten Quellenlage lässt sich nur vermuten, dass die DAF als Organisation  – die sich infolge des ungeschickten Agierens ihres Leiters Robert Ley ohnehin viele Feinde gemacht hatte – inzwischen politisch so geschwächt war, dass sie derartigen Schließungsverfügungen keinen wirkungsvollen Widerstand mehr entgegensetzen konnte. Bis 1941 partizipierten die Buchgemeinschaften der Arbeitsfront dagegen überdurchschnittlich vom kriegskonjunkturellen Aufschwung, und ebenso die sonstigen im Verlagsgewerbe tätigen Unternehmen der DAF. Leihbibliotheken und ›modernes Antiquariat‹ Die zuständigen staatlichen Organe stellte das sinkende Angebot an Büchern und Broschüren vor ein Dilemma: Die Papierkontingente ließen sich nicht einfach erhöhen. Auch der allgemeine und sich rasch weiter verschärfende Arbeitskräftemangel ließ eine Ausweitung oder auch nur Stabilisierung des Niveaus der Papierproduktion nicht zu. Fertigungstechnischen Rationalisierungsbemühungen, die durch die üblich werdenden Großauflagen von mehreren 10.000 oder gar 100.000 Exemplaren erleichtert wurden, waren enge Grenzen gesetzt. Gleichzeitig war jedoch die Stimmung im »Altreich« aufrechtzuerhalten; den Lesern sollte die Illusion eines breiten Angebots an Literatur nicht genommen werden. Vor diesem Hintergrund erlebte der Ausbau der Werksbüchereien, in den die Arbeitsfront maßgeblich involviert war und den sie seit 1935 – oft faktisch auf Kosten der jeweils örtlichen öffentlichen Bibliotheken – massiv vorangetrieben hatte,192 nach Kriegsbeginn einen erneuten Schub.193 Aus den bis Anfang 1938 mehr als 191 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 81. 1943 konnten noch 9 Neuerscheinungen und 53 neuaufgelegte Titel in einer Gesamtauflage von 1,1 Mio. Exemplaren ausge­ geben werden. Darüber hinaus wurden im Ausland 14 Titel mit einer Gesamtauflage von 140.000 Exemplaren hergestellt. Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1943 (Anm. 134), S. 52. 192 Zu den Werksbüchereien, ihrem 1934 gegründeten Dachverband »Reichsarbeits­ gemeinschaft [der Betreuer] deutscher Werkbüchereien« sowie zur Rolle der DAF in diesem Kontext vgl. für die Zeit bis 1939 Barbian, Literaturpolitik, S. 357 f., 373. In der Reichsarbeitsgemeinschaft war zwar auch die DAF vertreten; es dominierte jedoch die Reichsschrifttumskammer, die auch den Vorsitzenden dieser Reichsarbeitsgemeinschaft stellte. Ende 1937 gründete die Arbeitsfront mit der Buchabteilung des Deutschen Volksbildungswerkes deshalb eine Konkurrenzorganisation, die den Ausbau der Werksbüchereien dann auf eigene Faust wesentlich forcierte. 193 Vgl. z. B. Meldungen aus dem Reich, Bd. 9, S. 3475 (16. März 1942).

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5.000 Werksbüchereien (mit einem Gesamtbestand von drei Mio. Büchern, d. h. durchschnittlich 600 Titeln je Bibliothek) waren bis 1942 fast 15.000 geworden,194 die freilich meist recht überschaubare Buchbestände verwalteten.195 In den beiden letzten Kriegsjahren wurde der Ausbau des Werks­bibliothekswesens weiter forciert. Das war durchaus konsequent. Denn vor dem Hintergrund der um sich greifenden Zerstörung der Infrastruktur durch Luftbombardements wurde der Industriebetrieb zum Zentrum der Versorgung und allmählich auch zu einer Art Lebensmittelpunkt für breite Schichten der Arbeiter­schaft, deren Bindung an ›ihr‹ Unternehmen in Deutschland ohnehin traditionell stark war. Dass bei der, von den DAF-Funktio­nä­ren vor Ort veranlassten oder mindestens beaufsichtigten Ausstattung der betriebseigenen Büchereien das von den Verlagen der Arbeitsfront produzierte Sortiment bevorzugt erworben worden sein dürfte, liegt nahe. Angesichts der allgemeinen Begierde nach unterhaltsamen Lesestoffen konnten sich die zuständigen, um die Ruhe an der Heimatfront besorgten staatlichen und quasi-staat­lichen Stellen mit dem Ausbau der Werksbüchereien nicht zufriedengeben. So versuchte der Präsident der Reichsschrifttumskammer etwa mit einer Verordnung vom 8. März 1943 dem allgemeinen Lesebedürfnis entgegenzukommen, in der er Sortimentsbuchhandlungen die Angliederung von »Kriegsleihbüchereien« zur Pflicht machte. Deren Aufbau war allerdings vor dem Hintergrund der überbordenden Nachfrage nach Büchern keineswegs einfach. Verschärft wurde der Mangel an Büchern durch die ab 1942 immer heftigeren Luftangriffe, die auch Verlage, Druckereien und Lager nicht verschonten. Darüber hinaus fungierten Bücher zunehmend als eine Art ›Ersatzgeld‹, nämlich als bevorzugtes Tauschobjekt auf den wuchernden Schwarzmärkten. Die Versuche zunächst des Reichskommissars für die Preisbildung, später dann des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels,196 sich auch nur einen groben Überblick über die ausufernden Buchmärkte zu verschaffen, geschweige denn ihn zu kontrollieren und zu regulieren, blieben hilflose Gesten.197

194 Vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 359. 195 Das lässt sich aus den Angaben für Wien schließen: 1938 hatten dort 48 Werks­ bibliotheken existiert; ihre Zahl stieg bis 1944 auf 576 betriebseigene Büchereien, die freilich nur 181.262 Bücher beherbergten. Das waren durchschnittlich 315 Bücher pro Werksbibliothek. Vgl. VB (Wiener Ausgabe) vom 10. Jan. 1944, sowie OMGUS, Die Deutsche Arbeitsfront im 5. Kriegs­jahr, S. 48 f., in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 238. 196 Dem Börsenverein wurde Mitte Sept. 1944 die Befugnis übertragen, Anträge für Preiserhöhungen von Büchern und Broschüren (so sie nicht offen politisch-ideologischen Inhalts waren) zu genehmigen oder abzulehnen. 197 Selbst in den SD-Berichten, die sich namentlich auf Reichsebene mit Kritik an hohen und höchsten Funktionsträgern zurückhielten, wurde die Erfolglosigkeit des Reichskommissars für die Preisbildung mit den Worten, dass selbst die offiziellen Preise für Bücher namentlich in den »modernen Antiquariaten« »seit Kriegsbeginn immer mehr ins Schwimmen gekommen« seien, recht unverblümt zum Ausdruck gebracht. Meldungen aus dem Reich, Bd. 9, S. 3396 (2. März 1942). Vgl. auch ebd., Bd. 11, S. 4332 f. (15. Okt. 1942).

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Der Frontbuchhandel: ein viertes Verlagsunternehmen der DAF? Die vorstehende Skizze der Rahmenbedingungen für den Buchhandel ab 1939 bezog sich im Wesentlichen auf die »Heimatfront« des Großdeutschen Reiches. Mit dem Krieg und dem Einsatz von Millionen von Soldaten in weiten Teilen Europas waren freilich noch in ganz anderer Hinsicht neue Märkte entstanden. An den Bemühungen, den reichsdeutschen Verlagen an den zigtausende Kilometer langen militärischen Fronten sowie der ›Etappe‹ neue Märkte zu erschließen, war nicht zuletzt die Arbeitsfront maßgeblich beteiligt. Unmittelbar nach Kriegsbeginn hatte die DAF begonnen, Verhandlungen mit dem Oberkommando der Wehrmacht darüber aufzunehmen, wie die Fronten mit »gutem deutschen Schrifttum« beliefert werden könnten. Resultat dieser Verhandlungen war die Schaffung einer »Zentrale der Frontbuchhandlungen« (ZdF) bereits am 4. September 1939, in der sich Vertreter der DAF, der Reichsschrifttumskammer, des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, des Oberkommandos der Wehrmacht und des Goebbels-Ministeriums zusammenfanden, um die deutschen Armeen im Osten wie im Westen flächendeckend und möglichst reibungslos mit Lesestoff zu versorgen.198 Organisatorisch federführend war die Arbeitsfront. Sie hatte am 4. September 1939 offiziell die »Gesamtaufgabe« übertragen bekommen, »unsere Soldaten, die am Westwall und an der Nordsee auf Wacht liegen oder nach ihrem Einsatz in Polen« begonnen hatten, dort die grausigen Prinzipien der NS-Rassepolitik umzusetzen, und später fast ganz Europa dem Nationalsozialismus zu unterwerfen, »mit Lesestoff zu versorgen«.199 Die Frontbuchhandlungen aufzubauen, ausreichend mit Ware auszustatten und ihre Standorte den sich verändernden militärischen Front­linien anzupassen, oblag dem Zentralverlag der DAF. Das hierfür erforderliche Kapital stellte die Arbeitsfront-Führung ihrem Zentralverlag treuhänderisch zur Verfügung.200 Die »Zentrale« selbst fungierte mitsamt ihrer Frontbuchhandlungen als eigenständiges Unternehmen und war steuerpflichtig. Ob schon zu diesem Zeitpunkt daran gedacht war, die ZdF auch mit verlegerischen Aktivitäten zu betrauen, ist unklar. Wichtig ist jedenfalls, dass in den entsprechenden Bestimmungen die Entwicklung zu einem eigenständigen Verlagsunternehmen nicht explizit ausgeschlossen war. 198 Zum Folgenden vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel; außerdem dies./Klaus Kirbach, Die Frontbuchhandlung Le Mans und der Frontbuchwagen, in: Buchhandelsgeschichte 1995/3, B 108-117; ferner Frank Vossler, Propaganda in die eigene Truppe. Die Truppenbetreuung der Wehrmacht 1939-1945, Paderborn usw. 2005, S. 208 f., 213. 199 Aufruf Wilhelm Baurs aus dem Börsenblatt vom 17. Okt. 1939. Dies und das Folgende nach: Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 8 ff., Zitat: S. 88. 200 Gleichzeitig unterstand die ZdF der Revisionspflicht der DAF und damit letztlich der Kontrolle der NSDAP, da diese über ihren Reichsschatzmeister seit der Verordnung Hitlers »zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat« vom 29. März 1935 eine Art finanzpolitische Oberaufsicht auch über die DAF ausübte.

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Entscheidend für den rasanten Aufstieg der ZdF bis 1942 war, dass sie ein Monopol in einem kriegswirtschaftlich zentralen Bereich für den Vertrieb von Büchern erhielt. Für den privaten Buchhandel oder auch die Verlage war es ausdrücklich »in keinem Fall angängig, […] im Gebiete der Front buchhändlerische Unternehmen aufzuziehen«, wie Wilhelm Baur in einer Anordnung vom 21. Februar 1940 festlegte. Die ZdF war das Nadelöhr für den Buchhandel mit den militärischen Dienststellen außerhalb des »Großdeutschen Reiches«, jedenfalls in weiten Regionen des nationalsozialistisch besetzten Europas. In die Versorgung der Truppenteile im »Großdeutschen Reich« und außerdem in den Gebieten, die als dauerhaft ›befriedet‹ galten, wie z. B. Frank­reich, Belgien, die Niederlande, Dänemark und Norwegen, durfte sich neben der ZdF allerdings auch der private Buchhan­del einschalten, der dann Vertriebswege über die Teilstreitkräfte oder die Feldpost nutzen konnte, die außerhalb des Zugriffs der ZdF lagen.201 Erst Anfang 1945 setzte die ZdF ein absolutes Monopol auf die Belieferung der gesamten Wehrmacht und ebenso der Waffen-SS durch. Vor dem Hintergrund der Beauftragung der DAF und ihres Zentralverlages mit dem Front­buchhandel war es nur folgerichtig, dass Eberhard Heffe noch 1939 zum Leiter der Zentrale der Frontbuchhandlungen ernannt wurde. Heffe, der Beauftragter Leys für die DAF-Verlage blieb und durch sein neues Amt seine Position innerhalb des Verlagsimperiums der Arbeitsfront stärken konnte, war durch die neue Funktion in eine exponierte Stellung gelangt, die ihm erheb­ lichen Einfluss auf das gesamte reichsdeutsche Verlagswesen verschaffte. Er ging in den folgenden Monaten und Jahren zügig daran, den Frontbuchhandel systematisch für die ›kulturelle Betreuung‹ der Millionenmassen deutscher Soldaten auszubauen – und damit zu einer politisch wie ökonomisch zentralen Institution für das reichsdeutsche Verlagswesen zu machen. Schon bald verfügte die ZdF über eine Reihe an – überwiegend von der DAF gestifteten – Omnibussen, die als mobile Buchläden fungierten und die bis 1942 an allen Fronten rasch vorrückenden Einheiten der deutschen Armeen mit Büchern und Broschüren versorgten.202 Im Zuge der raumgreifenden Okkupation vieler Länder zunächst im Westen und später im Osten entstanden zudem zahlreiche ortsgebundene ZdF-Buchhandlungen. Im besetzten Frankreich zählte 201 Ebd., S. 115 ff. Auch an den Fronten und in der Etappe erst kurz zuvor okkupierter Regionen konnte der Monopolanspruch der ZdF auf den Buchhandel nicht gänzlich durchgesetzt werden, da die entsprechende Anordnung Lücken ließ. So hieß es zwar scheinbar apodiktisch: »Ab sofort hat daher jede Betätigung als Buchhändler […] zu unterbleiben.« Das OKW konnte freilich »besondere Genehmigungen« für Ausnahmen erteilen. Alle Zitate aus einer Anordnung W. Baurs vom 21. Febr. 1940, nach: ebd., S. 89. Vgl. außerdem ebd., S. 94 ff. Infolgedessen bauten in der zweiten Kriegshälfte die Teilstreitkräfte und schließlich auch die Organisation Todt für den eigenen Bereich eigenmächtig vergleichbare Unternehmen wie die ZdF auf. Vgl. unten. 202 Bis Anfang 1940 hatte die Arbeitsfront zwölf große Omnibusse »als fliegende Buchhandlungen« nur für Polen angeschafft. In der Folgezeit scheint die Zahl der »Frontbuchwagen« rasch gewachsen zu sein. Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40 (Anm. 119), S. 18, sowie Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 54, 90.

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man insgesamt etwa sechzig solcher Buchverteilungsstellen, in Belgien knapp die Hälfte. Insgesamt betreute die von Heffe geleitete Einrichtung 1942 etwa dreihundert stationäre Frontbuchhandlungen in ganz Europa.203 Der Umsatz, der hier gemacht wurde, war enorm. Er lag 1940 bei etwa 8 Mio. RM, verdoppelte sich bis 1942 auf knapp 17 Mio. RM, um sich im folgenden Jahr erneut auf 35 Mio. RM zu verdoppeln (Tabelle 3.1.). Dies entsprach grob dem Umsatz, den die drei (anderen) Verlagsgruppen der Arbeitsfront 1941 und 1942 gemeinsam gemacht hatten. Aller kriegsbedingten Verluste zum Trotz bevorratete die ZdF noch Ende 1944 Bücher im Wert von mehr als 20 Mio. RM.204 Die hohe Zahl von mindestens elf Mio. Büchern, die Ende 1944 in den Zentrallagern und kleineren Depots vor sich hin verstaubten, verweist freilich auch darauf, dass die Versorgung der Front zunehmend stockte und schließlich gänzlich zum Erliegen kam, da die Verkehrsinfrastruktur völlig überbeansprucht war und in den letzten Kriegsmonaten zusammenbrach. Organisatorisch war der Frontbuchhandel in vier Ebenen gegliedert. An der Spitze stand die Zentrale in der Reichshauptstadt. Vor der Auslieferung an die Front gingen die Bücher in vier Zentraldepots. Sie hatten ihren Sitz in Berlin, in der Nähe von Chemnitz, in Stuttgart und in Wien. Aus diesen Depots wurden eine Reihe großer Auslieferungslager beliefert, die ihrerseits die Bücher dann den Buchhandlungen in den einzelnen Frontabschnitten zukommen ließen. Im Herbst 1944 existierten 14 solcher Auslieferungslager; die größten befanden sich in Paris (mit 1,6 Mio. Exemplaren), in Riga (0,8 Mio.), in Warschau (0,7 Mio.), in Brüssel (0,6 Mio.), in Oslo (0,5 Mio.) und am Rand von Krakau (0,2 Mio.). Genaue Angaben zu den Beschäftigten lassen sich nur für die Berliner Zentrale machen: Dort war die Belegschaft mit 62 (1942) bzw. 64 (1943) Arbeitern und Angestellten ziemlich übersichtlich. Unterstellt man, dass in jeder der Frontbuchhandlungen mindestens drei Angestellte beschäftigt wurden, dass die mobilen Frontbuchhandlungen von mindestens zwei Mitarbeitern betrieben wurden und dass in den Depots wie den Außenlagern mindestens jeweils zehn Personen beschäftigt wurden, summiert sich die Gesamtzahl der von der ZdF beschäftigten Arbeitnehmer auf (1942/43) etwa 1.300 bis 1.500 Arbeitnehmer, möglicherweise mehr. Wie in der gesamten deutschen Wirtschaft und ebenso den meisten Unternehmen der DAF kam es auch im Frontbuchhandel zu einer Feminisierung der Belegschaften. Anfangs waren Soldaten in die Frontbuchhandlungen abgeordnet worden, die im Zivilberuf Buchhändler oder Bibliothekare gewesen waren. Nach ›Stalingrad‹ wurden freilich auch sie zunehmend an den zusammenbrechenden militärischen Fronten benötigt. Infolgedessen kam es

203 Vgl. Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 411; ferner Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1940 (Jan. 1941), S. 24, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. 204 Zahlreiche Feldpostausgaben erschienen deshalb erst nach dem Krieg auf dem Buchmarkt. Diese und die folgenden Angaben nach: Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 96 ff.

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ab 1943 zu einem starken Anstieg des Anteils weiblicher Beschäftigter im Frontbuchhandel.205 Während der zivile Buchmarkt des »Großdeutschen Reichs« von sich stetig verschärfenden Engpässen geprägt war, blieb die Wehrmacht und mit ihr die Zentrale der deutschen Frontbuchhandlungen fast bis zum Zusammenbruch der Diktatur mit Büchern, Broschüren und Zeitschriften gut versorgt.206 Welche Verlage in welchen Dimensionen die Frontbüchereien belieferten, ist im Nach­ hinein kaum zu ermitteln. Man geht jedoch nicht fehl in der Annahme, dass die drei DAF-Großver­lage zu den privilegierten Partnern der ZdF gehörten.207 Aber auch andere Verlagshäuser profitierten. So wurde die ZdF der mit Abstand wichtigste Vertriebspartner des ostwestfälschen Bertelsmann-Verlages.208 Über die Distribution hinaus bestimmte die »Zentrale der Frontbuchhandlungen« in zunehmendem Maße auch die Produktionsbedingungen der Verlage. Ab Mitte 1942 verfügte sie über nicht unerhebliche eigene Papierkontingente, die sie den für die ZdF tätigen Druckereien und Verlagen nach eigenem Gutdünken zuweisen konnte. Schließlich wurde die ZdF selbst verlegerisch tätig. Hans-Eugen und Edelgard Bühler haben in ihrer grundlegenden Studie zu diesem Wirtschaftsunternehmen mit der schließlich irreführenden (weil lediglich auf distributive Tätigkeiten zielenden) Bezeichnung »Zentrale der Frontbuchhandlungen« konstatiert, dass die Führung der Arbeitsfront die ZdF als ganz Europa umspannendes Verlagsunternehmen habe etablieren wollen – und dass ihr dies auch erfolgreich gelungen sei.209 Folgt man ihrer Darstellung, wurde die ZdF namentlich von der Wehrmacht geradezu gedrängt, sich unmittelbar in die Buchherstellung einzuschalten. Da die Zentrale wie die Filialen der ZdF selbst nicht über Druckkapazitäten und eigene Buchbindereien verfügten, schalteten 205 In den nicht unmittelbar gefährdeten Gebieten wurden in zunehmendem Maße Helferinnen des Deutschen Roten Kreuzes an die Ladentische der Frontbuchhandlungen gestellt, die zuvor in Kurzlehrgängen in die Geheimnisse des Buchhandels eingeführt worden waren. Die Zahl der Frauen, die sich im Rahmen einer im Spätsommer 1943 im Reich durchgeführten Kampagne »Buchhändlerinnen an die Front« meldeten und sich für Buchhandlungen in den besetzten Gebieten rekrutieren ließen, dürfte dagegen gering gewesen sein. Vgl. ausführlich Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 36-39, 93 f.; ferner Bärbel Wegner, Die Freundinnen der Bücher. Buchhändlerinnen, Sulzbach 2001, S. 62. 206 Vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 314. 207 Auch das Arbeitswissenschaftliche Institut, das ja über einen dem DAF-Zen­tralverlag assoziierten eigenen Verlag verfügte, nutzte die Frontbuchhandlungen, um die eigenen Denkschriften und sonstigen Publikationen zur Wirtschaft, Politik, Geschichte, zum Arbeitsrecht, zu den Versicherungssystemen etc. namentlich im Westen »unter den dortigen Wehrmachtsangehörigen zu vertreiben«. Zitat: Das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront 1935-1942 (Febr. 1943), S. 13, in: Michael Hepp/ Karsten Linne/Karl-Heinz Roth (Hg.), Sozialstrategien der Deutschen Arbeitsfront, Teil B: Periodika, Denkschriften und Veröffentlichungen des AWI der DAF, München/London usw. 1992, Microfiche B/2, Nr. 23, Bl. 2016-2052, hier: Bl. 2013. 208 Vgl. Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 413 f. 209 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 91.

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sie für ihre verlegerischen Aktivitäten den Zentralverlag der Arbeitsfront ein, mit dem sie ohnehin personell und wohl auch institutionell engstens verquickt waren. Diese Kooperation lag nicht zuletzt deshalb auf der Hand, weil der Zentralverlag der DAF über zahlreiche Tochterunternehmen in den besetzten Ländern verfügte.210 So wurden die offiziell vom Oberkommando der Wehrmacht ab Ende 1939 herausgegebenen »Tornisterschrif­ten« und ebenso die Anfang 1942 begonnene Reihe »Soldatenbücherei« sowie die »Waffenhefte des Heeres« in Druckereien hergestellt, die damit von der ZdF im Namen der Wehr­machtsführung beauftragt worden waren.211 Da die von der Frontbuch-Zentrale verlegten Schriften nicht in den ›freien‹ Buchhandel kamen, sondern exklusiv für Wehrmachtsangehörige produziert wurden, erhielten die Verlage eine nur geringe Lizenzgebühr;212 dies galt auch etwa für die HAVA und die Romane Jüngers, die im Auftrag der ZdF in Paris in hoher Auflage gedruckt wurden.213 Da die Frontbuch-Zentrale für diese Buchproduktion im Regelfall den Zentralverlag der Arbeitsfront beauftragte, wird man die ZdF allerdings nicht als eigenständigen Verlag, als vierte Verlagsgruppe der Arbeitsfront ansprechen können, sondern deren verlegerische Tätigkeiten sinnvoller unter ›Auslandsaktivitäten‹ des DAF-Zentralverlages rubrizieren müssen. Sie werden deshalb dort ausführlicher thematisiert. Da die Neuproduktion von Büchern der rasch steigenden Nachfrage nicht nachkam und ab 1941 vor dem Hintergrund des allgemeinen Papiermangels sogar deutlich zurückging, fungierte die Zentrale für den Frontbuchhandel zu Teilen auch als eine Art ›modernes Antiquariat‹, das die im »Altreich« aus Privatbeständen gesammelten Bücher den lesehungrigen Soldaten zum Kauf anbot.214 Daneben entstanden seit 1940 mit tatkräftiger Unterstützung der Zentrale der Frontbuchhandlungen zahlreiche Feld- oder Kompaniebüchereien. Allein im »Reichskommissariat Ostland«, also den Baltischen Staaten sowie Teilen Weißrusslands, existiert­en bis Ende 1941 2.500 solcher, oft Lazaretten angegliederten Frontbibliotheken. Wo es nicht gelang, die Frontbüchereien mit Titeln aus dem normalen Buchhandel oder direkt durch die Verlage zu beliefern, gingen die Teilstreitkräfte dazu über, in Eigenregie die dafür vorgesehenen Titel in regionalen Druckzentren neu zu drucken.215 210 Vgl. unten. Zum folgenden Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 101 ff. 211 Zu diesen Druckereien gehörte neben zahlreichen Druckereien vor allem im besetzten europäischen Ausland auch die Hamburger HAVA-Druckerei. Zu den gen. Schrift­ reihen vgl. ebd., S. 184-196. 212 Vgl. Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 464 f., 467. 213 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 28. 214 Zu derartigen Büchersammlungen für die Wehrmacht vgl. z. B. Meldungen aus dem Reich, Bd. 9, S. 3440 ff. (9. März 1942); Bd. 12, S. 4505 ff. (26. Nov. 1942). 215 Für die Wehrmacht im Osten nutzte man dafür ehemals staatliche Druckereibetriebe insbesondere in Riga. Auch in all diesen Fällen fand man die Verlage unter faktischem Bruch des Lizenzrechtes mit Pfennigbeträgen ab. Vgl. ausführlich Bühler/Simon, Blendende Geschäfte, S. 45 f.; Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 41 f., 203 ff.

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Neben den Wehrmachtseinheiten an den Fronten und in der Etappe der besetzten Gebiete versorgte die ZdF darüber hinaus die deutschen Kriegsgefangenen über das Rote Kreuz mit Literatur.216 Ein weiterer Kunde war der »Volksbund für das Deutschtum im Ausland«, der allein 1943 mit einer Lieferung von immerhin 30.000 Bänden »unterstützt« wurde. Im Herbst desselben Jahres stellte die ZdF schließlich »der durch die Terrorangriffe heimgesuchten Bevölkerung Gross-Ber­lins […] 10.000 Bände zur Bücherversorgung zur Verfügung«.217 Derartige Aktionen dürften in der Folgezeit auch für andere Städte organisiert worden sein. Nach außen gab die ZdF offenbar das Bild eines erfolgreichen Unternehmens ab. Dadurch angestachelt, begann auch die Organisation Todt (OT) 1943 – unabgesprochen – mit dem Aufbau eigener Frontbüchereien, die Bücher nicht nur verliehen, sondern im Rahmen einer Reihe namens »Bücher des Frontarbeiters« in eigens eingerichteten Verkaufsstellen der OT-Lager vertrieben.218 Auch die Waffen-SS und die Polizei orientierten sich mit eigenen Buchreihen am Vorbild der ZdF.219 Getrübt wurde der positive Eindruck, den der Frontbuchhandel unter Heffe und seine ganz Europa umfassenden Aktivitäten machte, allerdings dadurch, dass die ZdF in den letzten Kriegsjahren als Treibhaus für Devisenschiebereien und Korruption in Gerede kam. Der Frontbuchhandel: ein Treibhaus für Devisenschiebereien und Korruption? Die rasche Errichtung der Frontbuchhandlungen sowie der entsprechenden Vertriebswege und der Ausbau der Zentrale zu einem großen bürokratischen Apparat – einer Mischung aus Behörde und Verlag – warfen zwangsläufig erhebliche organisatorische Probleme auf. Damit scheinen die Verantwortlichen auf Seiten des DAF-Zen­tral­verlages mitunter überfordert gewesen zu sein. Jeden­f alls offenbarten Luftangriffe, die dadurch bedingte Zerstörung der Infrastruktur sowie die spätestens ab 1942/43 zurückweichenden deutschen Fronten chaotische Strukturen innerhalb der Organisation der Frontbuchhandlungen und ihrer Zentrale. So monierte der Chef der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF Hans Strauch am 20. Mai 1944 in einem Schreiben an seinen Untergebenen Heffe,220 dass die Frontbuchhandlungen nicht regel­mäßig 216 Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1943 (Anm. 134). 217 Auf, wie es in einem Rechenschaftsbericht hieß, ausdrücklichen »Wunsch des Propagandaministeriums«. Alle Zitate aus: ebd. 218 Vertrieben wurden so reizvolle Werke wie »Beton am Atlantik«, aber auch Klassiker z. B. von Otto v. Bismarck, Wilhelm Busch, Theodor Fontane, Heinrich v. Kleist, Wilhelm Raabe, Karl May oder prominente konservative Schriftsteller wie Ernst Jünger. August Winnig verfasste eigens mehrere Broschüren, etwa »Das Liederbuch der OT«, »Der OT-Arzt berät« oder »OT-Sport und Spiele«. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 210-213; Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 490. 219 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 234. 220 Nach: ebd., S. 92 f. Daraus auch die folgenden Zitate.

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überwacht würden; auch sonst vermisse er »eine straffe Organisation«. Die einzelnen Auslieferungslager und Frontbuchhandlungen besäßen »eine nicht zu verantwortende Selbständigkeit«. Vor allem aber gehörten infolge »einer unverantwortlichen Großzügigkeit der Geschäftsleitung« der Berliner Zentrale »De­ visenverstöße zum [A]lltäglichen«, so Strauch. Damit war ein strukturelles Problem angedeutet, mit dem nicht nur die Zentrale der Frontbuchhandlungen und deren leitende Akteure zu tun hatten: Die immer weiter steigende Nachfrage nach der knappen und schließlich versiegenden Ware ›Buch‹ öffnete Raum für den Schwarzhandel mit dem Rohstoff Papier. Dieser Schwarzhandel – und ebenso das gleichfalls illegale Horten von Papier – war, dies unterschlug Strauch, für viele Verlage und eben auch die ZdF und ihre Außenstellen ab 1940 überlebenswichtig. Devisenschiebereien ließen sich dabei oft gar nicht vermeiden. In einem solchen Umfeld lag der Verdacht persönlicher Bereicherung schnell nahe. Strauch sprach in seinem Brandbrief an Heffe denn auch von »willkürlich hohen Überbrückungsgeldern und sonstigen Zuwendungen an die Mitarbeiter, unrechtmäßig liquidierten Reisekosten« sowie angeblich überhöhten »Transitzahlungen an Lieferanten«. Angesichts der Grauzone, in der sich die Akteure der ZdF bewegten, kann nicht verwundern, dass gegen Heffe und zwei seiner Mitarbeiter außerdem Korruptionsvorwürfe laut wurden. Überraschend ist vielmehr, dass diese sich nach eingehender Überprüfung später als haltlos erwiesen.221 Die Liste der Vorwürfe, die Strauch Mitte Mai 1944 gegen Heffe erhob, schloss auch die Arbeitsweise der Berliner Zentrale der Frontbuchhandlungen ein. Strauch klagte, dass eine »Abgrenzung der Arbeitsgebiete unter Leitung verantwortungsbewusster Mitarbeiter« nicht zustande gekommen sei. In der Zentrale wie in den regionalen Filialen seien »einzelne Abteilungen überbesetzt«. Dagegen »fehlte es anderen an geeigneten Kräften«. Angesichts der Massivität der Vorwürfe, die Strauch äußerte, war es nur logisch, dass Heffe einige Tage später gehen musste. Tatsächlich war die Kritik Strauchs wohl in erster Linie Ausdruck interner Machtkämpfe – und Heffe ein willkommenes »Bauernopfer« (Bühler/Bühler). Auffällig ist, dass Strauch seine Vorwürfe erst zu einem sehr späten Zeitpunkt äußerte, fast fünf Jahre nach Gründung der ZdF. Die beklagten Defizite dürften ihm schon vorher bekannt gewesen sein. Sie waren zudem zumindest zu einem Gutteil strukturell bedingt, nämlich auf die seit Ende 1943 angesichts der massiven militärischen Schläge der Alliierten zusammenbrechende Infrastruktur zurückzuführen. Vermutlich fiel die (späte) Kritik Strauchs deshalb so scharf aus, weil er angesichts des desolaten Zustandes der Organisation der Frontbuchhand221 Heffe erhielt nach Einstellung des Verfahrens die stattliche Abfindung von 30.000 RM. Vgl. ebd., S. 23, 92, in kritischer Absetzung zu: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 145. Bereits auf der Aufsichtsratssitzung des Zentralverlags vom 22. Okt. 1943 (in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55) konnte Heffe auf ein insgesamt »positives Resultat der Prüfungen der Zentrale wie der Außenstände« durch das Prüfungsamt bei der Zentralstelle für die Finanzwirtschaft« der DAF verweisen.

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lungen die eigene Person aus der Schusslinie nehmen wollte. Denn tatsächlich oblag die Verantwortung der ZdF in letzter Instanz ihm, als dem Chef der TWU. Da lag es auf der Hand, Heffe zum Sündenbock zu machen. An Heffes Stelle übernahm Ernst Tretow die Leitung des Frontbuchhandels.222 Unter seiner Ägide gelang es der ZdF endlich, ein absolutes Monopol auf »die Versorgung der Wehrmacht und Waffen-SS mit schöngeistigen, politischen und populärwissenschaftlichen Büchern« durchzusetzen. Der Verfall des Frontbuchhan­dels in den letzten Kriegsmonaten und der Untergang des DAFZentralverlages ließen sich dadurch freilich nicht aufhalten. Weiter auf der Erfolgsspur? Der Langen-Müller-Verlag und die Hanseatische Verlagsanstalt 1939 bis 1943 Wie die meisten Unternehmen der Branche wurde auch der Langen-MüllerVerlag vom Kriegsausbruch überrascht. Lange kann diese Überraschung freilich nicht angedauert haben, wenn man sich den kräftigen Umsatzsprung auf 5,5 Mio. RM vor Augen hält, den der LMV im ersten Kriegsjahr machte (Tabelle 3.1.). Das deutliche Umsatzplus hatte mehrere Gründe: Absatzfördernd waren die Buchempfehlungen, die die verschiedenen für die nationalsozialistische Literaturpolitik zuständigen Institutionen herausgaben. In den »Feldpostlisten« des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda stand der Langen-Müller-Verlag in der Rubrik »Romane und Erzählungen« neben dem Eher-Verlag der NSDAP an der Spitze. In den gleichfalls empfehlenden »Schrifttumsverzeichnissen« der Zentrale der Frontbuchhandlungen war der LMV 1941, und vermutlich auch in den folgenden Jahren, in der Sparte »Romane und Erzählungen« mit 177 Titeln einsamer Spitzenreiter; mit großem Abstand folgten Reclam (85), Rütten & Loening (73), Diederichs (45), Eher (39), Insel (37) sowie schließlich die HAVA mit 33 Titeln. Auch in der Rubrik »Unterhaltung, Humor und Übersetzungen aus dem Skandinavischen« belegten der LMV und ebenso die HAVA Spitzenplätze. Ein ähnliches Bild bietet der Blick auf die Listen, die das Oberkommando der Wehrmacht herausgab.223 Verantwortlich für die Umsatzsteigerung im ersten Kriegsjahr war, dass der Langen-Mül­ler-Verlag schon bald nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen in einer »Kleinen Reihe« (wie sie schon bald hießen) handliche Taschenbücher in hoher Auflage herausbrachte. Im Rahmen der vom Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung initiierten »Sonderaktionen Feldpost« gingen 1942 und 1943 Titel des LMV in einer Gesamtauflage von einer halben Million Exemplaren an die Fronten.224 Mit schließlich alles in allem 1,1 Mio. Exemplaren gehörte der Langen-Müller-Verlag zu den zehn wichtigsten direkten Buchlie222 Tretow (über den weitere biographische Angaben nicht vorliegen) war zuvor Prokurist des Zentralverlages der DAF und damit Stellvertreter Heffes dort gewesen. 223 Hier lag der LMV 1940 auf dem 3. Platz. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 25, 28 ff., 33. 224 Vgl. ebd., S. 122.

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feranten der Wehrmacht.225 Darüber hinaus war der LMV mit 15 von insgesamt 113 Titeln der wichtigste Lizenzgeber für die vom OKW herausgegebene »Soldatenbücherei«.226 Unabhängig von diesen Reihen und ebenso den verle­ gerischen Aktivitäten der Zentrale der Frontbuchhandlungen wurden in den besetzten Gebieten Titel des LMV als Lizenzausgaben in hohen Auflagen auf den für ­Soldaten beschränkten Büchermarkt geworfen, so etwa der mehr als dreihundert Seiten starke Roman von E. G. Kolbenheyer »Meister Joachim Pause­ wang« im Reichskommissariat Norwegen in einer Auflagenhöhe von 170.000 Exempla­ren. Ähnlich wie die Hanseatische Verlagsanstalt, die die meisten ihrer Titel nicht mehr in Hamburg, sondern in Prag, Amsterdam, Oslo sowie in Riga drucken und binden ließ,227 dürfte auch der LMV angesichts der sich schon bald einstellenden völligen Überlastung der Druckereien, Buchbindereien etc. mit Aufträgen, später dann der Engpässe bei der Belieferung mit Papier etc. sowie weiterer ökonomischer Probleme während des Krieges zu einem multinationalen Unternehmen mutiert sein. Während der Zentralverlag durch den Aufkauf von Auslandsverlagen bzw. die Neugründung von selbständigen Tochtergesellschaften expandierte, scheint der LMV ähnlich wie die HAVA allerdings nur Produktionsaufträge in das von der Wehrmacht besetzte Europa verlagert zu haben. Außerdem begann man, die Distribution der Verlagsprodukte europaweit zu organisieren, überwiegend in enger Kooperation mit der Zentrale der Frontbuchhandlungen. Die Kundschaft blieb zwar auch außerhalb der Grenzen des Reichs überwiegend deutsch; sie bestand aus Soldaten, den reichsdeutschen Angehörigen der Zivilverwaltungen, den Angestellten der Dependancen deutscher Unternehmen und schließlich den sog. Volksdeutschen. Indes häufte sich die Zahl der Übersetzungen deutscher Titel z. B. ins Norwegische, Spanische, Portugiesische oder Ungarische. Der aggressive Imperialismus NS-Deutschlands brachte den beiden ehemaligen DHV-Verlagen auf eine eigentümliche Weise »ein Plus an Weltoffenheit«, wie Lokatis ironisch formuliert hat.228 Auf dem literarischen Parkett des Dritten Reiches war die Bedeutung des Langen-Müller-Verla­ges ab Ende der dreißiger Jahre freilich zurückgegangen. Besonders schmerzlich war, dass Hans Grimm bereits 1938 zum BertelsmannVerlag abgewandert war. Der relative Bedeutungsschwund des LMV wird durch 225 Die beiden führenden Direkt-Lieferanten der Wehrmacht, der Gütersloher Bertelsmann-Verlag und der Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., stellten mit 19 Mio. bzw. 14 Mio. Titeln den LMV auf diesem Gebiet freilich weit in den Schatten. Vgl. Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 423. 226 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 191-197. Das Folgende nach: ebd., S. 221 f. 227 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 134. Riga und Oslo waren für alle DAFVerlage, für die HAVA und mehr noch für den Zentralverlag, besonders wichtige Produktionsstandorte; denn dort hatte die Zentrale der Frontbuchhandlungen ihre (neben Paris, Warschau und Brüssel) größten Nachschublager für die Ost- und Nordfront, waren mithin die Lieferwege an die ZdF als den wichtigsten Abnehmer im Krieg entsprechend kurz. 228 Ebd., S. 142.

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einen Vergleich mit der Umsatzentwicklung von Bertelsmann besonders deutlich: 1937 lag der Umsatz des Münchner DAF-Verlages um 60 % über dem von Bertelsmann. Bis 1940 war dieser Vorsprung auf knapp 8 % zusammengeschmolzen. 1941, als Bertelsmann seinen Umsatz kräftig steigern konnte, dürfte das Gütersloher Verlagshaus den LMV dann überholt haben (Tabelle 3.1). Ärger als der Langen-Müller-Verlag wurde dessen ›großer Bruder‹ in Hamburg durch den Überfall auf Polen und die sich daran anschließenden Entwicklungen auf dem Buch­markt auf dem falschen Fuß erwischt. Gravierend war vor allem, dass die Hanseatische Verlagsanstalt nicht mit einem langen Krieg und ebensowenig mit einer länger anhaltenden Konjunktur für Verlage und Buchhandel gerechnet hatte. In den Wochen nach Kriegsbeginn entließ die Betriebsleitung der HAVA in völliger Verkennung der Konstellationen in der Verlagsbranche 150 Beschäftigte. Die Belegschaft schrumpfte bis Anfang Oktober 1939 von 820 auf 573 Arbeiter und Angestellte, d. h. um 30 %.229 Dies kam angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die die beiden ersten Kriegsjahre bieten sollten, einer Selbstverstümmelung gleich. Wie sehr die HAVA durch eigenes Verschulden ab 1939 ins Hintertreffen geriet, wird deutlich, wenn man das Hamburger Verlagshaus mit dem Eher-Verlag der NSDAP, aber auch mit Shooting-Stars wie dem Bertelsmann-Verlag vergleicht, der erst im Krieg zu der Größe heranwuchs, die ihn im Nachkriegsdeutschland zu einem marktbeherrschenden Medienkonzern machen sollte. Diese Verlage konnten ihre Umsätze ab 1939 gegenüber der Vorkriegszeit vervielfachen und stellten die kräftige Steigerung des Umsatzes, die die HAVA zwischen 1938 und 1941 dennoch verzeichnen konnte, weit in den Schatten. Aufgrund der Eselei des Vorstandes, bei Kriegsbeginn fast ein Drittel der Belegschaft zu entlassen, und trotz der Massenauflagen der Werke seiner zugkräftigen Autoren für die Front wuchs der HAVA-Umsatz von 1939 auf 1940 lediglich um 12,4 %; Bertelsmann verzeichnet in diesem Jahr ein Umsatz-Plus von 63,3 % (Tabelle 3.1).230 1941 hatte sich der Ham­burger Verlag einigermaßen erholt. Trotz der kriegsbeding­ ten Engpässe auf dem Ar­beitsmarkt konnten fast hundert Arbeitnehmer, darunter vierzig Fremdarbeiter, zusätzlich eingestellt werden. Der Umsatz der Hanseaten erhöhte sich vor diesem Hintergrund von 1940 bis 1941 um immerhin 31 %. Allerdings war die Gütersloher Konkurrenz dem Hamburger Verlag der Arbeitsfront erneut (relativ) davongeeilt: Der Umsatz von Bertelsmann wuchs in diesem Jahr um 58 %. Den Hanseaten gelang es ganz offensichtlich nicht, die politischen Beziehungen, die sie zur Arbeitsfront, aber auch z. B. zum SD und zu anderen gewichtigen Institutionen des NS-Regimes aufgebaut hatten, zu nutzen. Als – weitere – Gründe dafür, dass die Hanseatische Verlagsanstalt die Gelegenheit, die der 229 Vgl. ebd., S. 126 ff. 230 Zur Umsatzsteigerung des Eher-Verlages ab 1938 vgl. Thomas Tavernaro, Der Verlag Hitlers und die NSDAP. Die Franz Eher Nach­f olger GmbH, Wien 2004, S.  70; ferner Othmar Plöckinger, Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers »Mein Kampf« 19221945, München 2006, S. 441.

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Krieg bot, den Umsatz in ähnlichen Dimensionen wie Bertelsmann zu steigern, nicht nutzten, nennt Lokatis »Überbürokratisierung« und »eingefleischte Gewohnheiten aus der gewerkschaftlichen Vergangenheit«. Man war in der noch stark DHV-geprägten Vorstandsetage um ökonomische Solidität bemüht. Obwohl »nicht Profitmaximierung, sondern Risikominimierung oberste Raison beim Verlag« (Lokatis) war,231 wuchs immerhin der Rohertrag der HAVA von 2,3 Mio. RM 1939 über 2,6 Mio. RM und 3,6 Mio. RM in den Folgejahren auf schließlich 3,7 Mio. RM im Jahre 1942. Ab 1940 wurde eine sechsprozentige Dividende an die TWU abgeführt. Gleichzeitig verdreifachten sich die Rücklagen zwischen 1939 und 1941.232 Ab Anfang 1940 begann sich der Hamburger Verlag zunehmend erfolgreich auf die neuen Verhältnisse einzustellen, indem er ähnlich wie der LMV mit seiner »Kleinen Reihe« unter dem Titel »Hanseatenbücherei« gleichfalls eine preiswerte Reihe mit Werken von Blunck, Bergengruen, Jünger u. a. prominenten Autoren in hoher Auflage und einem handlichen Taschenbuchformat herausbrachten. Einzelne dieser Titel erschienen außerdem ab 1942 in hoher Auflage im Rahmen der »Sonderaktionen Feldpost« des Goebbels-Ministe­riums. Daneben ließ das OKW in der vom ihm unmittelbar herausgegebenen »Soldatenbücherei« sowie den »Tornisterschriften« mehrere Titel der HAVA, die z. B. die Wehrmachtsangehörigen über die dem Reich eingegliederten Gebiete wie das Elsass genauer informieren sollten oder »Das Reich als europäische Ordnungsmacht« thematisierten, sowie diverse Romane in Lizenz drucken, ein Teil davon in dem großen, der HAVA angegliederten Druckbetrieb. Mindestens ebenso profitierten die Hanseaten von einer weiteren Sonderdruck-Aktion, der »Dr. Goebbels-Spende für die Wehrmacht«.233 Zum Vorteil der Hanseaten schlug außerdem aus, dass die von ihnen verlegten Titel auf den oben erwähnten Empfehlungslisten des Propaganda-Ministeriums und der einschlägigen Wehrmachtsstellen auf den vorderen Plätzen standen.234 231 232 233 234

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Zitate: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 129. Ebd., S. 135, Anm. 151. Ausführlich: Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, bes. S. 121, 186 f., 189, 192-197, 214 f. In den erwähnten »Feldpostlisten« des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, die für die Soldaten werbewirksam die ›wertvollsten‹ Titel auflisteten und auch an der Heimatfront Werbekraft entwickelten, belegte die HAVA in der Rubrik »Politik und Geschichte« den 3. Platz und in der Rubrik »Romane und Erzählungen« den 4. Platz. Das Oberkommando der Wehrmacht positionierte das Hamburger Verlagshaus 1940 in seinen kriegsbelletristischen Empfehlungslisten an 5. Stelle. Im Schrifttumsverzeichnis der ZdF gelangte die HAVA mit ihren politisch-ideologischen und historischen Titeln 1941 hinter Eher sogar auf Platz 2. In ihrer belletristischen ›Hitparade‹ empfahlen die Zensoren des ZdF auch Titel der von der HAVA verlegten konservativen »Inneren Emigration«, die sich im Reich zu Kassenschlagern entwickelten, etwa von Bergengruen, Wiechert und Jünger; letzterer war auf der Liste von 1941 mit vier, Bergengruen mit drei, Wiechert sogar mit fünf Titeln vertreten. Vgl. ebd., S. 25-28, 30-34. Tatsächlich waren all diese Empfehlungslisten nichts anderes als eine weiche Form der Zensur bzw. indirekter Protektion. Darauf, dass für

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Trotz der guten Beziehungen, die die DAF-Verlagshäuser zu den für das Verlagswesen maßgeblichen Stellen, etwa zur Zentrale der Frontbuchhandlungen unter Eberhard Heffe und ebenso zum OKW sowie zur Waffen-SS, besaßen, waren die HAVA und der LMV vor kriegswirtschaftlich bedingten Problemen keineswegs gefeit. Bis Anfang 1941 verfügte die HAVA dank ausgezeichneter Beziehungen zum Papiergroßhandel über ausreichende Vorräte an Papier, als dem wichtigsten und angesichts des Bücher-Booms ab 1939 arg verknappten Rohstoff. Im Herbst 1941 fehlte dann selbst für die »Lieblingsbücher der Hanseaten« das Papier. So musste die Hanseatische Verlagsanstalt im März 1942 aufgrund von Produktionsengpässen – und um die gegenüber der Wehrmacht eingegangenen Verpflichtungen nicht zu gefährden  – einen Auslieferungsstop bekanntgeben, während der geschickter operierende protestantische Bertelsmann-Verlag eine solche Sperre vermeiden konnte.235 In der Folgezeit verbesserte sich die Situation der HAVA im Vergleich zum übrigen reichsdeutschen Buch- und Druckgewerbe allerdings. Neben Produktionsverlagerungen in die von NS-Deutsch­land okkupierten Gebiete profitierten die Hanseaten von der Diskriminierung vor allem der katholischen Verlage sowie ihres Buchhandels und konnten dort Produktionskapazitäten für sich mit Beschlag belegen; Anfang 1944 arbeiteten schließlich etwa vierzig Druckereien für das Hamburger Unternehmen.236 Auch verlegerisch konnte sich die HAVA erhebliche Spielräume erhalten und weiter solche rechtskonservativen Autoren herausbringen, die dem HardcoreNationalsozialismus gegenüber Abstand hielten. Möglich war dies dank guter Verbindungen zum SD, etwa zu Franz Alfred Six, der innerhalb des SD ab Mitte der dreißiger Jahre für »Presse und Schrifttum« bzw. später die »weltanschauliche Forschung« zuständig und darüber hinaus 1937 zum Mitglied der »Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« unter Bouhler ernannt worden war. Ungefähr zeitgleich war es der Hanseatischen Verlagsanstalt gelungen, Six verlegerisch an sich zu binden. Diese Verbindungen rissen nicht ab,237 ebenso wenig andere Beziehungsnetze, die die HAVA und abgeschwächt auch der LMV zu anderen Zensurbehörden und verlegerisch relevanten Institutionen des NS-Regimes aufgebaut hatten. Mit gebremstem Schaum? Der Zentralverlag 1938 bis 1940 Auch die dritte und größte Verlagsgruppe der Arbeitsfront, deren Zentral­verlag, konnte mit gesteigerten geschäftlichen Aktivitäten aufwarten, jedenfalls anfangs. Ungebrochen blieb bis zum Werbeverbot 1942 nicht zuletzt die aggressive Werbung des DAF-Zentral­ver­lages. So wurde in den SD-Berichten für das späte Frühjahr 1940 davon gesprochen, dass in einigen Regionen dessen »Werber die Plazierung auf diesen Empfehlungslisten zudem enge personelle Netzwerke der HAVA von Bedeutung waren, verweist Lokatis (Han­seatische Verlagsanstalt, S. 146). 235 Vgl. Friedländer u. a., Bertelsmann, S. 475. 236 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 141, Anm. 3. 237 Vgl. ebd., S. 136.

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und Agenten hauptsächlich die Arbeiterschaft überlaufen« und zahlreiche Zeitschriftenabonnements, aber auch »Verpflichtungsscheine über teure Werke« mit der Behauptung verkauften, sie handelten im Auftrage der Arbeitsfront. Weite Kreise der Bevölkerung wären durch ein dreist-selbst­si­cheres, mitunter auch »drohendes« Auftreten der Werber eingeschüchtert worden; »insbesondere hat sich die Arbeiterschaft zu derartigen Käufen verleiten lassen, die teilweise in gar keinem Verhältnis zu ihrem Verdienst stehen«.238 Aggressiv beworben wurden vor allem politisch-ideologische Bücher oder Zeitschriften, die im Unterschied zur belletristischen und humoristischen Literatur oder den mindestens ebenso begehrten Kriminalromanen nur schwer Abnehmer fanden. Unter diesen dürften nicht zuletzt die zahlreichen und vom Zentralverlag der DAF in hoher Auflage gedruckten Broschüren Robert Leys besonders schwer verkäuflich gewesen sein.239 Wenige Tage vor der endgültigen Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad fühlten sich breite Kreise vor allem der großstädtischen Bevölkerung mit politisch-ideologischen Traktaten regelrecht »überfüttert«. Auch die Klage des Lesepublikums darüber, dass für »gute Bücher« keine Papierkontingente mehr vorhanden seien, während für »Zeitschriften, die ›doch kein Mensch liest‹«, weiterhin Papier zur Verfügung gestellt würde,240 dürfte sich wesentlich auch auf die bis 1943/44 im Zentralverlag weiter gedruckten, zahlreichen Zeit­schriften der Arbeitsfront bezogen haben. Blickt man auf die nackten Zahlen, kann höchsten das erste Kriegsjahr für den Zentralverlag der Arbeitsfront als Erfolgsjahr gelten. 1939 lag der Umsatz des Zentralverlages bei knapp 30 Mio. RM. Zu dieser eindrucksvollen Summe trugen allerdings maßgeblich die zahllosen Schulungs- und Mitteilungsblätter der verschiedenen DAF-Institu­tio­nen sowie die ebenfalls in ihren Dimensionen nur schwer abzuschätzenden »Sonderaufträge« der Berliner Zentralämter der Arbeitsfront im Wert von 1938 knapp 14 Mio. RM und 1939 gut 12 Mio. bei, die nicht unter verlegerische Tätigkeiten im engeren Sinne verbucht werden können.241 Die bis Kriegsbeginn ungebremste Produktion von Zeitschriften musste danach deutlich zurückgefahren werden. 1941 und 1942 bewegte sie sich grob auf dem reduzierten Niveau von 1940. Bereits in diesen Jahren, verstärkt dann 1943, mussten zahlreiche DAF-Zeitschriften eingestellt werden oder sie wurden 238 Meldungen aus dem Reich vom 3. Juni 1940, Bd. 4, S. 1210. Zwar wurden in dem Bericht keine Verlagsnamen genannt; der Hinweis auf die DAF und ebenso der Verweis auf die Arbeiterschaft als aggressiv beworbener Klientel legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Werber Käufer in erster Linie für Produkte aus dem DAF-Zentralverlag zu rekrutieren versuchten. Vgl. auch ebd. vom 9. Febr. 1942, Bd. 9, S. 3279. 239 Ohne dass Namen genannt wurden, heißt es im SD-Bericht vom 23. Februar 1942: »Während sich jedes Buch bis zum ›ältesten Ladenhüter‹ leicht verkaufen lasse, bleibe das politische Schrifttum, vor allem die vielen Broschüren, bis zuletzt liegen«. Es sei »schwer, selbst politisch bedeutsame Bücher führender Männer der Politik und der Propaganda zu verbreiten«. Ebd., Bd. 9, S. 3353 (23. Febr. 1942). Vgl. auch bereits ebd., Bd. 5, S. 1752 f. (11. Nov. 1940), sowie später z. B. ebd., Bd. 10, S. 3970 (20. Juli 1942). 240 Ebd., Bd. 12, S. 4654 bzw. 4660 (11. Jan. 1943). 241 Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40 (Anm. 119), S. 16.

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»mit ähnlichen Organen privater Verleger« zusammengelegt sowie in Folge von »Einsparmaßnahmen durch Streckung der Erscheinungsweise oder Kürzung des Umfanges« gestutzt.242 Der Niedergang des überkommenen DAF-Zeitschriften­ wesens wurde freilich partiell dadurch kompensiert, dass die Arbeitsfront bereits ab 1940 in zunehmendem Maße begonnen hatte, zivile ausländische Arbeitskräfte mit propagandistisch-ideologisch wie auch mit unterhaltsam angelegten Periodika zu versorgen. Im Mai 1942 wurde der Organisation die »Fremdarbeiterbetreuung« dann auch förmlich übertragen. In der Folgezeit brachte der DAF-Zentral­verlag in rasch wachsenden Auflagenhöhen fremdsprachige »Arbeiter-Illustrierte«, Fachzeitschriften und -bücher sowie »Anlern- und Lehrmittel zur Übersetzung in Fremdsprachen« zwecks »Einschulung ausländischer Arbeitskräfte« heraus.243 Die Buchproduktion des DAF-Zentralverlages blieb bis 1942 schmal, um 1943 dann vor dem Hintergrund des »Fremdarbeitereinsatzes« gleichfalls deutlich gesteigert zu werden: Die Zahl der Neuerscheinungen an politischem Schrifttum  – belletristische Titel veröffentlichte der Zentralverlag nicht  – lag 1942 bei lediglich zwölf, mit einer Gesamt­auf­lage von knapp 200.000 Exemplaren. Hinzu kamen in diesem Jahr 28 Neuauflagen in einer Auflagenhöhe von gut 140.000, nicht gerechnet »zwei Broschüren des Herrn Reichsorganisa­tionsleiters mit zusammen 4 Millionen Exemplaren«. Im folgenden Jahr konnte Heffe stolz darauf verweisen, dass es dem Zentralverlag aufgrund der Zuständigkeiten der DAF für die nach Millionen zählenden ausländischen Zivilarbeiter, aber auch angesichts weiter forcierter Anstrengungen, deutsche Arbeitskräfte ›aufzuschulen‹, gelungen sei, die Zahl der Neuerscheinungen auf 48 fast zu verdoppeln, mit einer gegenüber 1942 sogar mehr als vierfachen Auflage von fast 900.000 Exemplaren. Die Zahl der Neuauflagen sei auf 21 Titel zwar gesunken, allerdings bei einer gleichfalls erhöhten Gesamtauflage von knapp 300.000 Stück. Für 1943 produzierte man 39 Neuerscheinungen in einer Auflagenhöhe von fast einer Million sowie 22 Neuauflagen mit rund 275.000 Exemplaren.244 Genauere Zahlen für 1944 liegen nicht vor. Dass die verlegerischen Aktivitäten des DAFZentralverlages jedoch breit aufgestellt blieben, ist den bleibend hohen Belegschaftszahlen zu entnehmen: Ende 1944 waren »1.004 Gefolgschaftsmitglieder beim Zentralverlag« sowie 43 Arbeiter und Angestellte beim nominell weiter selbständigen Buchmeister-Verlag beschäftigt.245 1938 hatte die Zahl der beim DAF-Zentralverlag (ohne Tochtergesellschaften) beschäftigten Arbeitnehmer bei 856 gelegen. Präzise Angaben zur Belegschaftsgröße liegen für die ersten Kriegs242 Vgl. Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung des DAF-Zentralverlags vom 22. Okt. 1943, sowie (Zitat:) Leistungsbericht des DAF-Zentralverlages, seiner Tochter­ gesellschaften sowie der ZdF für 1943, beides in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55. 243 Ebd. Zu den Zeitschriften etc. für Fremdarbeiter vgl. unten. 244 Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung vom 22. Okt. 1943 und Leistungsbericht für 1943 (Anm. 242). 245 Monatsbericht des DAF-Zentralverlages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für Dez. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55.

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jahre nicht vor; sie dürfte sich grob zwischen 1.200 und 1.400 bewegt haben.246 Die Vertriebsorganisation des DAF-Zentral­ver­lags blieb bis mindestens Herbst 1943 »in vollem Umfang« intakt.247 Die genannten Auflagenzahlen und die in den Geschäfts- und Leistungs­ berichten ausgewiesenen Umsätze (Tabelle 3.1) beziehen sich auf die Aktivitäten des Zentralverlages als Organisationsverlag, der neben den angesprochenen Periodika für ausländische Arbeiter bzw. aufstiegswillige deutsche Arbeitnehmer ansonsten zumeist dröge politisch-propagan­di­sti­sche Schriften in hoher Auflage herausgab, die kaum jemand lesen wollte. Zwar bemühte man sich, z. B. die Zeitschrift »Arbeitertum« optisch und inhaltlich ansprechend zu gestalten und dort auch dem Wunsch nach Unterhaltung Raum zu geben. Die Attraktivität dieses Blattes, und ähnlich anderer, dürfte sich dadurch jedoch kaum erhöht haben. Zudem waren die Akteure des Zentralverlages in ihrem verlegerischen Handeln auch während des Krieges von den Wünschen und Interessen Robert Leys abhängig, der sich seinerseits nur dem »Führer« verpflichtet fühlte und ansonsten vor allem von der eigenen Bedeutung überzeugt war. Selbstverliebtheit und Eitelkeit Leys spiegelten sich u. a. darin, dass er weiterhin beträchtliche Kapazitäten des DAF-Zen­tralverlages für sich selbst in Anspruch nahm. Die beiden von Heffe erwähnten, in millionenstarken Auflagen gedruckten Broschüren Leys aus dem Jahre 1942 gehörten zweifellos zu den »politisch bedeutsamen Büchern führender Männer der Politik und der Propaganda«, wie der SD unfreiwillig ironisch formulierte, die nach den Beobachtungen des SSGeheimdienstes einsam in den Buchhandlungsregalen verstaubten und derer das Publikum schon vor ›Stalingrad‹ überdrüssig geworden war. Nicht zuletzt wegen der Eitelkeiten Leys blieb der Zentralverlag betriebswirtschaftlich für die DAF ein Zuschussgeschäft.248 Es spricht Bände, dass die Arbeitsfront-Führung nur ganz selten genauere Zahlen über ihr Verlagshaus vorlegte und der Zentralverlag in den ausladenden Selbstdarstellungen der DAF meist nur am Rande angesprochen und dann mit wolkigen Formulierungen abgetan wurde. Aber nicht nur wegen seiner Orientierung auf Ley und den publikationssüchtigen Funktionärsapparat des Organisationskolosses DAF wäre es verfehlt, die Umsatzentwicklung des Zentralverlages mit der von Konkurrenten aus dem verlegerischen ›Normal‹-Ge­werbe, wie dem rechtsprotestantischen Haus 246 Auf der Aufsichtsratssitzung vom 22. Okt. 1943 (Anm. 242) berichtete Heffe als Geschäftsführer des DAF-Zentralverlags, dass – nach der Wende von Stalingrad – Auskämm-Kommissionen von der Berliner Zentrale seines Verlages verlangt hätten, dass »200 Kräfte zur Verfügung gestellt werden«. Man habe »bisher aber nur 45 Kräfte abgegeben« und hoffe, die entsprechenden Dienststellen überzeugen zu können, von einem »weiteren Abzug auf Grund der Wichtigkeit unserer Aufgaben« Abstand zu nehmen. 247 Ebd. 248 Buchungstechnisch wies der Zentralverlag freilich erhebliche Überschüsse aus, noch 1942 einen Gewinn von mehr als 730.000 RM. Vgl. Niederschrift über die AR-Sitzung vom 22. Okt. 1943 (Anm. 242).

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Bertelsmann (Tabelle 3.1.) oder dem vormals jungkon­servativen Eugen-Diede­ richs-Verlag,249 zu vergleichen. Darüber hinaus bietet Tabelle 3.1 insofern ein ungenaues Bild, weil die dort zusammengefassten, vor dem Hintergrund der insgesamt schlechten Quellenlage ohnehin bruchstückhaften Angaben zur Umsatz­ent­wick­lung des Zentralverlages der DAF die Umsätze der nominell selbständigen Tochtergesellschaften so wenig einschließen wie die Aktivitäten, die der DAF-Zentral­verlag im Auftrag der Zentrale der Frontbuchhandlungen entfaltete. Hinzu kam, dass ab 1942 Geschäftsberichte gar nicht oder nur sehr verspätet und dann lediglich vorläufig erstellt werden konnten, weil die Hauptverwaltung des Zentralverlages – wie Heffe dem Aufsichtsrat am 22. Oktober 1943 mitteilen musste – »infolge Verlagerung der Buchhaltung nach Reichenberg und einschneidender Reorganisationsmassnahmen in unseren Gaufilialen mit den laufenden Arbeiten im Rückstand ist« und ein zuverlässiger Geschäftsbericht auf absehbare Zeit nicht erstellt werden könne.250 Der Griff nach österreichischen und sudetendeutschen Verlagshäusern Publikationssucht der führenden Arbeitsfront-Funktionäre und Expansionslust auch dieser Säule des DAF-Wirtschaftsimperiums erklären, warum der Zentral­ verlag der Arbeitsfront während des Krieges auch im besetzten Europa eine breite Tätigkeit entfaltete. Dem ging seine massive Ausweitung seiner geschäftlichen Aktivitäten in die 1938 dem »Großdeutschen Reich« angegliederten Gebiete voraus. Im Visier der unter dem Dach »Zentralverlag« versammelten Unternehmensgruppe war vor allem Österreich. Dort hatte der Nationalsozialist Ernst Sopper251 bereits 1936 für die Berliner Büchergilde zu werben begonnen und ab Ende des Jahres auch offiziös eine Zweigstelle dieser DAF-Buchgemeinschaft aufgebaut. Nach dem »Anschluss« Österreichs übernahm Sopper neben der Büchergilde die Leitung der dortigen Dependance des Zentralverlages der Arbeitsfront. Die Büchergilde Gutenberg beschränkte sich nach der Eingliederung der österreichischen »Ostmark« freilich nicht darauf, den von Sopper gewonnenen kleinen Mitgliederbestand der Buchgemeinschaft sukzessive auszubauen. Sie übernahm schon kurze Zeit später die Wiener »Bücherstube Stadttheater GmbH«. Diese »Bücherstube« war noch während des Dollfuß-Regimes Ende 1933 »in der österreichischen Kampfzeit gegründet [worden], um die Arbeit der [nationalsozialistischen] Büchergilde Gutenberg in Österreich zu tarnen«, und zählte im März 249 Vgl. Triebel, Kultur und Kalkül, S. 428, Tabellenanhang [Tabelle 1]. 250 Niederschrift der AR-Sitzung vom 22. Okt. 1943 (Anm. 242). 251 Sopper (1909-1945/46) hatte sich angeblich bereits mit 14 Jahren der NS-Jugend­ bewegung angeschlossen und war mit 19 Jahren in die NSDAP eingetreten. Mitte der dreißiger Jahre saß er wegen Aktivitäten für die illegale NSDAP mehrfach in Haft. Sopper wurde auch zu einer zentralen Figur des Luser- sowie des Weltmoden-Verlags nach deren Übernahme durch die DAF. 1945 wurde er zunächst von der KPÖ, dann von der Roten Armee festgesetzt und verstarb offenbar in einem Internierungslager.

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1938 etwa 30.000 Mitglieder.252 Auch die Deutsche Hausbücherei als die zweite DAF-eigene Buchgemeinschaft wurde ab 1938 in Österreich aktiv; in welchen Dimensionen genau, ist nicht bekannt.253 Anfang Juli 1939 kaufte die DAF zudem die Adolf Luser Verlags GmbH.254 Diesen Verlag, der einen weit zurückreichenden völkisch-nationalistischen Hintergrund besaß255 und in der »illegalen Zeit« der NSDAP bis 1938 »wertvolle geistige Vorarbeit geleistet [hatte] für die Heimkehr der Ostmark ins Reich«,256 hatte sich nach dem »Anschluss« Österreichs zunächst die Wiener NSDAP unter ihrem Gauleiter Odile Globocnik aneignet,257 um ihn dann an den DAF-Zentralverlag weiterzureichen. Geschäftsführer des Luser-Verlages wurde Anfang 1941 der erwähnte Sopper. Anfang März 1941 gab der Zentralverlag der DAF, der gemeinsam mit einem Tochterunternehmen, dem Buchmeister-Verlag, zunächst 90 % und nach einer Kapitalerhöhung von 200.000 RM auf 800.000 RM Mitte Dezember 1940 dann 97,5 % der Gesellschafteranteile hielt, dem Unternehmen den Namen »Wiener Verlagsgesellschaft mbH«.258 Bereits zuvor hatte das Unternehmen kräftig expandiert. Anfang Mai 1940 hatte es in Wien eine große Buchhandlung übernommen, im Oktober desselben Jahres eine Druckerei (Werthner, Schuster & Co. KG) und Anfang November 1941 eine weitere Druckerei sowie eine Buchbinderei (F. Rollinger) erworben.259 Das Programm des Verlages war breit gefächert. In besonderem Maße hatte er sich nach eigenem Bekunden der »Förderung junger Dichter der Ostmark« ver252 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 105. Die im Frühjahr 1938 in »Büchergilde Gutenberg der Ostmark« umgetaufte ehemalige Bücherstube Stadttheater beschäftigte 1939 15 Angestellte und Arbeiter. 253 Vgl. Pfister, Buchgemeinschaften in Österreich, S. 189. 254 Vgl. Aufsichtsratssitzung des Adolf Luser-Verlags vom 25. Juni 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 37. Nach dem Deutschen Reichsanzeiger vom 17. Febr. 1940 übernahm die DAF das Verlagshaus erst Ende Sept. 1939. 255 Entstanden war der Luser-Verlag im Spätsommer 1925 im »völkisch-nationalen Dunst­kreis« des großdeutsch orientierten »Deutschen Schulvereins Wien bzw. Südmark«. Sein Namensgeber, Gründer und – bis 1938 – Besitzer Adolf Luser (1886-1941) war Gesellschafter und Geschäftsführer der Wiener Buchhandlung OHG »Deutscher Schulverein«. Vgl. o.V., Adolf Luser Verlag (Eckardt-Verlag, Adolf Luser, Wiener Verlags-gesellschaft m.b.H., Wien-Leipzig), bes. (inkl. Zitate) S.  1, 4 f. [http://www. wstlb.at/themen/buchforschung/erste_republik/luser-de.htm], sowie Ursula Schwarz, Das Wiener Verlagswesen der Nachkriegszeit (MA-Arbeit), Wien 2003, S.  179 ff. Danach auch das Folgende. Zum Verlagsprogramm vgl. o.V., Adolf Luser Verlag, S.  9 f. 256 Nachruf auf A. Luser in der Neuen Wiener Zeitung vom 21. Nov. 1941. 257 Als nomineller Besitzer und Strohmann des seit Ende Mai 1938 amtierenden Wiener NSDAP-Gauleiters und späteren hochrangigen SS-Führers Globocnik trat Karl Konrad Bauer (1910-?) auf, der führend im völkischen »Deutschen Schulverein« aktiv war, seit 1931 als »Dietwart« Wiens. Ebenfalls 1931 wurde Bauer Mitglied der NSDAP. Bauer war 1943 bei der Reprivatisierung des Luser-Verlages Mitgesellschafter Soppers. 258 Vgl. Niederschrift über die außerordentliche Gesellschafter-Versammlung des Adolf Luser Verlags am 8. März 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 37. 259 Vgl. Geschäftsberichte der Adolf Luser GmbH. bzw. Wiener Verlagsgesellschaft m.b.H. für 1940 und 1941, in: ebd.

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schrieben. Neben zahlreichen Buchtiteln gab er literarische und politische Zeitschriften wie den »Getreuen Eckart« und »Volkstum im Südosten« oder auch Periodika wie »Der Turner« und »Der Turnwart« heraus.260 Unter der Ägide der DAF – die u. a. über die nach Österreich expandierende Büchergilde einen festen und wachsenden Abnehmerstamm garantieren konnte – expandierte der Verlag kräftig. 1940 konnte er 295.682 Exemplare seiner 47 Neuerscheinungen und 17 Neuauflagen absetzen. Im folgenden Jahr ging die Zahl der Titel, die der Verlag im Angebot hatte, zwar zurück (auf 21 Neuerscheinungen und 32 Neuauflagen); die Gesamtauflage erhöhte sich jedoch auf 505.616 Exemplare. In vergleichbaren Dimensionen stieg auch die Auflagenhöhe der Zeitschriften. Der Gesamtumsatz, der 1939 bei 530.000 RM gelegen hatte, verdoppelte sich bis 1940 (auf 907.000 RM) und im folgenden Jahr noch einmal (auf 2.059.000 RM). 1939 und 1940 hatte der Verlag rote Zahlen geschrieben (19.000 RM bzw. 435.000 RM), 1941 konnte er einen bescheidenen Reingewinn von 11.600 RM verbuchen. Die Belegschaft, die gerade 40 Köpfe gezählt hatte, als die Arbeitsfront den Luser-Verlag übernommen hatte, wuchs danach rasant: Ende 1940 zählte sie 170 Mitarbeiter; nach dem Erwerb einer Großbuchbinderei sowie einer Stein- und Offsetdruckerei im Herbst 1941 stieg die Zahl der Arbeiter und Angestellten auf 273.261 Stimuliert wurde das Verlagsgeschäft in der Folgezeit weiter durch die angesprochenen Sonderaktionen des Propaganda-Ministeriums zur Versorgung der Front mit Literatur. Zwischen 1942 und 1944 wurden die Feldpostausgaben der »Kleinbuchreihe Südost« der Wiener Verlagsgesellschaft in einer Auflagenhöhe von einer halben Million produziert.262 Anfang 1943 entließ die DAF im Rahmen der Reprivatisierung der Hanseatischen Verlagsanstalt sowie des Langen-Müller-Verlags auch die Wiener Verlagsgesellschaft aus ihrer um den Zentralverlag gebildeten Verlagsgruppe. Neue Besitzer des Verlages einschließlich der angeschlossenen Druckereien wurden Ernst Sopper und ein weiterer Wiener Nationalsozialist.263 Sie mussten dann freilich im Kontext der großen Schlie260 Vgl. Aufsichtsratssitzung der Adolf Luser-Verlags GmbH, Wien, vom 25. Juni 1940, in: BA Berlin NS 5 III, Nr. 37. Die letztgenannte Zeitschrift wurde im Febr. 1941 verkauft. 261 Davon waren allerdings 44 zur Wehrmacht eingezogen und 13 dienstverpflichtet. Alle Angaben nach: Niederschriften über die Aufsichtsratssitzung des Adolf Luser-Verlags bzw. der Wiener Verlagsgesellschaft GmbH vom 25. Juni 1940, 28. Mai, 19. Juli und 24. Nov. 1941 sowie 28. Sept. 1942, Geschäftsbericht für 1941, in: ebd. 262 Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 124. Zum Verkauf der Wiener Verlagsgesellschaft vgl. auch unten. 263 Sopper übernahm 60 % der Anteile, sein Kompagnon Karl Konrad Bauer (vgl. Anm. 257) den Rest. Gleichzeitig wurde das Unternehmen in »Wiener Verlag Ernst Sopper & Karl Bauer OHG.« umgegründet. Vgl. Vertrag zwischen dem Verlag der Deutschen Arbeitsfront sowie den Kaufleuten Sopper und Bauer vom 29.  Jan. 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 37; ferner Pfister, Buchgemeinschaften in Österreich, S. 43 ff.; Murray G. Hall, Das Verlagswesen in Österreich 1938 bis 1945, in: Friedrich Stadler (Hg.), Kontinuität und Bruch 1938 – 1945 – 1945. Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Münster 2004, S. 83-92, hier: S. 88 f.; Schwarz, Wiener Verlagswesen, S. 183.

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ßungswelle vom August 1944 die Tore ihres bereits zuvor von Papierknappheit und anderen Restriktionen gebeutelten Unternehmens dichtmachen. Neben dem Luser-Verlag (Wiener Verlagsgesellschaft) geriet außerdem der Verlag für Volksbildung, der seinen Sitz gleichfalls in der österreichischen Hauptstadt hatte, in den Besitz der Arbeitsfront. Dieser Verlag wurde allerdings bereits Mitte 1940 geschlossen.264 Wie ein Kuriosum mutet schließlich der Erwerb des damals größten österreichischen Modeverlages, der Wiener Chic Parisien-Bachwitz AG an. Hintergrund des Erwerbs dieses Großverlages durch die Arbeitsfront und seine Integration in den DAF-Zentralverlag war ein Entschluss Leys vom Herbst 1940, »nach der Niederwerfung Frankreichs […], auf dem Gebiete der Mode dem deutschen Geschmack zur Führung zu verhelfen, um ein für allemal Paris als Modezentrale Europas und der Welt auszuschalten«. Es habe nahegelegen, »zunächst Wien eine neue Aufgabe zu geben und diese Stadt, die bisher auf dem erwähnten Gebiete bereits einen Namen in der Welt hatte, zu einer Modezentrale des Ostens zu machen«.265 Die Bachwitz AG, die 1937 in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten war und als Unternehmen, dessen Verwaltungsräte zu einem großen Teil »Nicht-Arier« waren, Mitte Oktober 1940 eine leichte Beute der DAF wurde,266 bot sich hier als zentrales Instrument an. Denn dieser Verlag bereitete eine Reihe von Pariser Modeblättern (wie »Grand Mode Parisienne«/»Die elegante Frau«, die »La Parisienne«/»Ele­gan­te Wienerin« oder »Revue P ­ arisienne«/»Wiener Mode-Album«) für die österreichische Frauenwelt auf. Ein größerer Teil der Zeitschriften wurde in weitere Sprachen übersetzt und fand in Metropolen wie Madrid, Lissabon, Paris, aber auch New York offenbar großen Zuspruch. Von den vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich etwa fünfzig Zeitschriften, die die Bachwitz AG herausgab,267 gingen mehr als 90 % ins Ausland. Infolgedessen galten die »Zeitschriften dieses Verlages«, die »sich insbesondere an die Hersteller von Modeerzeugnissen« richteten,

264 Vgl. (inkl. Zitat) Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1939/40, S. 18 ff. (Anm. 119), sowie Deutsche Allgemeine Zeitung vom 3. Okt. 1941. Die im Besitz des Volksbildungs-Verlags befindliche Urania-Buch­hand­lung übernahm der Luser-Verlag. Vgl. Aufsichtsratssitzung der Wiener Verlagsgesellschaft vom 28. Mai 1941, in: BA Berlin, NS III, Nr. 37. 265 Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1940 (Anm. 119). 266 Vgl. Abkommen zwischen der DAF und Adolf Luser über den Verkauf der Bachwitz AG vom 10. Okt. 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 44. Der Kaufvertrag wurde Anfang Nov. 1940 geschlossen. Vgl. Deutscher Reichsanzeiger vom 5. Dez. 1941. 267 Die Auflagen dieser Zeitschriften reichten von 1.500 bis 60.000 Exemplaren. Die Belegschaft des Verlages lag 1938 bei etwa 320 Mitarbeitern. Vgl. Vierter Bericht des Wiener Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt sowie der Stadt- und Landesbibliothek, vom 10. Nov. 2003 (aufzurufen im Internet), S. 15 f.; Schwarz, Wiener Verlagswesen, S. 125 ff.

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der DAF-Führung als ein vorzügliches Medium, die »zukünftige Moderichtung« in »Großdeutschland« und schließlich ganz Europa maßgeblich zu prägen.268 Dies solle (so Ley) im engsten Einvernehmen mit der Wiener Mode-Akademie sowie vor allem dem gleichfalls im Herbst 1940 errichteten DAF-Amt »Schönheit und Mode« geschehen. Dieses neue DAF-Amt sollte als Konkurrenzinstitution zum Berliner und zum Frankfurter Mode-Amt, die beide noch 1933 gegründet worden waren, sowie zum 1938 errichteten Wiener Mode-Amt aufgebaut werden.269 Anlass für die Gründung des DAF-Amtes war weniger, dass sich die genannten älteren Mode-Institute »zunehmend unter den Einfluss der Industrie und der Hersteller von textilen Ersatzstoffen« begeben hatten. Ein Dorn im Auge der DAF waren die etablierten Mode-Ämter vor allem, weil sie weiterhin Modelle der Pariser Modeschauen kopierten und produzierten.270 Dem dekadenten französischen Geschmack aber wollte die Arbeitsfront unbedingt den Garaus machen. Ziel des DAF-Amtes »Schönheit und Mode« (nicht zu verwechseln mit dem KdF-Amt »Schönheit der Arbeit«) war es nämlich nicht nur, »den deutschen Menschen in Fragen der Mode zum guten Geschmack zu erziehen«, sondern darüber hinaus »dem Grossdeutschen Reich die führende Stellung auch auf dem Gebiet der Mode – unabhängig von Paris und London – zu sichern«. Folglich bestand die zentrale Aufgabe des DAF-Amtes »Schönheit und Mode« in der »Zusammenfassung, Ausrichtung und Lenkung aller [in Europa] am Mo­de­schaffen und an der Modegestaltung beteiligten Kräfte«.271 Wenn die Arbeitsfront die Bachwitz AG erst zweieinhalb Jahre nach dem »Anschluss« Österreichs erwarb und gleichfalls im Herbst 1940 außerdem das Amt »Schönheit und Mode« ins Leben gerufen wurde, dann geschah dies, weil Robert Ley nach dem Sieg über Frankreich und dem scheinbar bevorstehenden nationalsozialistischen »Endsieg« weitere politische Claims für die DAF abstecken wollte. Zudem schien die Gelegenheit günstig, nachdem ab Sommer 1940 auf Betreiben der deutschen Besatzung sämtliche Modeschauen in Paris abgesetzt werden mussten.

268 Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1940, S. 9 (wie Anm. 119). 269 Zu diesen Mode-Ämtern vgl. Anne Sudrow, Der Schuh im Nationalsozialismus. Eine Produktgeschichte im deutsch-britisch-amerikanischen Vergleich, Göttingen 2010, S. 437-443 (und die dort genannte Literatur). 270 Vgl. (inkl. Zitat) ebd., S. 440. 271 Daneben bestand die Aufgabe des Amtes in der »Modeüberwachung und -ausrichtung der auf Messen, Ausstellungen und sonstigen Veranstaltungen repräsentativer Art gezeigten Modeschöpfungen usw.«. Schließlich sollte es »auf die Produktion durch das Beispiel eigener künstlerischer Entwurfsbearbeitung und einzelner DAFeigener Muster-Manufakturen, -Werk­stät­ten und -studios für das gesamte Gebiet der Mode unter Beachtung der Fragen von Material, Rohstoffen, neuen Werkstoffen, Farbe, Form, Aufmachung usw.« Einfluss nehmen. Darüber hinaus wurde die »Einrichtung von Beratungsstellen in den Gauwaltungen«, langfristig außerdem in den »Ortswaltungen« und Betrieben avisiert. Zitate: Aufgabenbeschreibung des Amtes in: BA Berlin, NS 22, Nr. 345. Im Sommer 1942 wurde das Amt aufgelöst.

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Der Bachwitz AG, die Anfang Mai 1941 in Wiener Weltmoden-Verlags AG umgetauft wurde,272 war in diesem Zusammenhang eine inhaltlich wegweisende und zugleich popularisierende Rolle zugedacht. Das Unternehmen entwickelte freilich schon bald ein Eigenleben, das über den unmittelbaren Modebereich weit hinausführte. Über die Modezeitschriften hinaus wurde das Verlagsgeschäft erheblich erweitert, auch belletristische Literatur sowie Titel zur Malerei, Plastik, Musik und Fotographie sollten herausgegeben werden.273 Durch die »Einstellung neuer Werber« versuchte man zudem, »das bisher vernachlässigte Abonnentengeschäft« zu beleben.274 Zudem wollte das Unternehmen den engeren verlegerischen Rahmen sprengen, indem es in intensiver Kooperation mit dem erwähnten DAF-Amt »Schönheit und Mode«, »im Rahmen des kulturellen und wirtschaftlichen Aufbauprogramms der Deutschen Arbeitsfront, auch mit der Durchführung von Maß­nahmen erziehungspolitischer Art auf dem Gebiete der Mode beauftragt« wurde.275 Das war kein Witz. Noch vor dem Überfall auf die Sowjetunion erwarb die Führung des Verlags in Wien ein »hervorragend gelegenes Lokal«, in dem ein großräumiger »Modeberatungs-Salon« eingerichtet werden sollte.276 Für Mode und »guten Geschmack« war nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die UdSSR allerdings kein Raum mehr. Ohnehin beäugte die Wiener Heeresverwaltung die Aktivitäten der DAF, Wien zur »Modezentrale des Ostens« auszubauen, mit Misstrauen. Sie veranlasste, dass das Unternehmen Ende September 1941 kurzfristig das Verlagsgebäude samt Druckerei räumen musste  – was dem Weltmoden-Verlag einen »nicht zu beziffernden Schaden zufügte«. Die dadurch verursachte längere »Produktionsunterbrechung«, die einen »Ausfall von über 3 Monaten« verursachte, war noch das geringere Problem. Ein weiterer Schlag wurde dem Wiener DAF-Verlag, der Ende 1941 224 Arbeiter und Angestellte beschäftigte,277 wenig später durch das allgemeine Werbeverbot versetzt. Hinzu kam eine immer stärkere Papierverknappung. Der bereits begonnene Umbau des »Modeberatungs-Salons« konnte nicht beendet werden. Ferner mussten ein Teil der gerade erst eingestellten Abonnenten-Werber wieder entlassen und außer­dem die erst kurz zuvor gegründeten Auslieferungsstellen in Hannover und Breslau geschlossen werden.278 Im folgenden Jahr reduzierte das 272 Vgl. Niederschrift der AR-Sitzung der Bachwitz AG vom 8. Mai 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 44. 273 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Wiener Weltmoden Verlag GmbH, o.D. (Nov. 1940), in: ebd.; ferner Schwarz, Wiener Verlagsgesellschaften, S. 126. 274 Geschäftsbericht und Erläuterungen zum Jahresabschluss der Wiener Weltmoden für 1941, in: BA Berlin NS 5 III, Nr. 44. 275 Schreiben der IHK Wien an die Bachwitz AG vom 7. Juni 1941, nach: Schwarz, ­Wiener Verlagsgesellschaften, S. 126 f. 276 Geschäftsbericht und Erläuterungen zum Jahresabschluss der Wiener Weltmoden für 1941 (Anm. 274). 277 Davon waren allerdings 34 dienstverpflichtet oder beim Reichsarbeitsdienst. Ende 1940 hatte die Mitarbeiterzahl bei 189 gelegen. Vgl. ebd. 278 Ebd.

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Unternehmen seine Aktivitäten weiter.279 Im März 1943 musste der (von März 1942 bis Januar 1943 gleichfalls von Ernst Sopper geführte) Weltmoden-Verlag seine Tätigkeit schließlich weitgehend einstellen.280 Auch in den Sudeten wurde der Zentralverlag der Arbeitsfront aktiv. Mit Wirkung vom 1. Januar 1939 gliederte er sich den Adam Kraft Verlag in Karlsbad ein; eine Minderheiten-Beteiligung von 20 % ging an den Buchmeister-Verlag, der seinerseits zur DAF-Verlagsgruppe zählte. Der dem Kraft-Verlag angeschlossene Sudetendeutsche Bücherbund, der 1939 3.600 Mitglieder zählte, wurde der Büchergilde Gutenberg angegliedert.281 Dieser Verlag habe sich, hieß es 1939 in einem Rechenschaftsbericht der TWU, ab 1929/30 »aus kleinsten Anfängen zu einem beachtlichen Unternehmen« entwickelt. Das Unternehmen sei bereits vor der Einverleibung des Sudetenlandes durch das »Großdeutsche Reich« »trotz stärksten politischen Drucks« zu einem stetig wachsenden »Verlag des kämpfenden Sudetendeutschtums« geworden. Nach der Eingliederung der Sudeten in das »Großdeutsche Reich« hoffte der Namensgeber des Karlsbader Verlagshauses, der sein Unternehmen auch nach der Übernahme durch die Arbeitsfront als Geschäftsführer weiter leitete,282 mit seinem Verlag nicht mehr nur »Sammelpunkt des literarischen Lebens der Sudetendeutschen« bleiben zu müssen. Nachdem sein Unternehmen von der DAF mit frischem Kapital ausgestattet worden war, wollte Kraft sich »auf das Gesamtreich ausdehnen, dabei aber seiner besonderen Verpflichtung gegenüber dem volksdeutschen Problem der südosteuropäischen Staaten treu bleiben«.283 Derartige Bemerkungen, aber auch Neuer279 Von 1941 auf 1942 sank die Bilanzsumme von 1,2 Mio. RM auf 0,9 Mio. RM. Allerdings gelang es, 1942 einen Gewinn von 308.000 RM auszuweisen; im Jahr zuvor hatte man dagegen, wohl aufgrund von diversen Investitionen und Neueinstellungen, einen Verlust von 435.000 RM verbuchen müssen. Vgl. Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Wiener Weltmoden Verlags GmbH am 30. Dez. 1942 sowie 25. Mai 1943, in: BA Berlin NS 5 III, Nr. 44. 1943 verzeichnete der Wiener Welt­moden Verlag dann – bei einem Umsatz von lediglich 870.000 RM – erstaun­ licherweise einen Gewinn von 80.000 RM. 280 Vgl. Leistungsbericht des Leiters des AWU für 1943 (Anm. 134), S. 53 f. Ende 1944 war der Weltmoden-Verlag der DAF so klein, dass er »in Bürogemeinschaft mit der Zentrale der Frontbuchhandlungen, Auslieferungs­lager Wien« arbeiten konnte. Vgl. Leistungsbericht des DAF-Zentral­ver­lages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 242), sowie (Zitat:) Monatsbericht ders. für Dezember 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55. 281 Im Gegenzug verpflichtete sich die Büchergilde Gutenberg, eine »sudetendeutsche Buchreihe« aus dem Kraft-Verlag aufzulegen, mit vierteljährlich einer Neuerscheinung. Vgl. Geschäftsbericht des Adam Kraft Verlags für 1939, in: ebd., NS 5 III, Nr. 38. 282 Kraft (1900-?) hatte bis 1938 der rechtsextremen Sudetendeutschen Partei angehört und war nach dem Anschluss dieser Randregion der Tschechoslowakei an das Dritte Reich umgehend der NSDAP beigetreten. 283 Alle Zitate und Angaben: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 106. Daraus auch die folgenden Angaben. Vgl. außerdem Josef Schneider, Der Verleger Adam Kraft. Würdigung der künstlerischen Gesamtpersönlichkeit zum 70. Geburtstag und zum vierzigjährigen Bestehen des Verlages, in: Sudetendeutscher Kultur­almanach VII/1970, S. 105-111, bes. S. 108; Wojciech Kunicki, »– auf dem Weg

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scheinungen wie »Deutsche Front im Südosten«, »Von der SdP. in die NSDAP.«, »Schill (Schauspiel)«, »Treue um Deutschland«, »Schwän­ke und Schnurren aus dem Böhmerwald«, »Die Gotenkönige«, »… ackert tiefer ins umstrittene Land« usw., die der Kraft-Verlag 1939 auf den Markt brachte, außerdem »Bildwerke« mit sprechenden Titeln wie »Grossdeutschland« oder »Sudetendeutsche SA in Polen«, sowie eher auflagenschwache Zeitschriften wie »Das Deutsche Erbe« und »Der Ackermann aus Böhmen«284 machen deutlich, dass sich der Verlag als völkischer Vorposten und nationalsozialistische Speerspitze innerhalb der ehemaligen Habsburger-Mo­nar­chie verstand. Die weitgesteckten Ziele, die die DAF mit dem Kraft-Verlag avisierte, dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein sehr kleines Unternehmen erworben hatte. Beschäftigt wurden bei Kriegsbeginn gerade sechzehn »Gefolgschaftsmitglieder«. Bis Ende 1941 erhöhte sich ihre Zahl auf 24 Arbeiter und Angestellte. Stärker stieg die Buchproduktion. Sie verdreifachte sich allein von 1939 auf 1940 (von 95.000 auf 285.000).285 In den folgenden Jahren konnte die Produktion des sudetendeutschen DAF-Verlages erheblich ausgeweitet werden, nicht zuletzt dank der »Sonderaktion Feldpost« des Goebbels-Ministeriums ab 1942, an der der Kraft-Verlag mit seiner »Volksdeutschen Reihe« sowie den »Karlsbader Feldpostheften« in einer Gesamtauflage von deutlich mehr als einer halben Million führend beteiligt war.286 Anfang 1943 trat der DAF-Zentralverlag dann – im Rahmen der Reprivatisierung der Hanseatischen Verlagsanstalt, des Langen-Müller-Verlags sowie der Wiener Verlagsgesellschaft – den Kraft-Verlag wieder an Adam Kraft ab, der dadurch zum alleinigen Gesellschafter des Unternehmens wurde.287

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in dieses Reich«. NS-Kulturpolitik und Literatur in Schlesien 1933 bis 1945, Leipzig 2006, S. 157 ff.; ferner Stefan Bauer, Das Bild der Heimat in der sudetendeutschen Trivialliteratur nach 1948, in: Peter Heumos (Hg.), Heimat und Exil. Emigration und Rückwanderung, Vertreibung und Integration, München 2001, S. 37-58, hier: S. 50. Die Auflage der Zeitschrift »Das Deutsche Erbe. Blätter für volkhafte Dichtung« ging von 3.600 Stück 1939 auf 2.500 im folgenden Jahr zurück. Vgl. Geschäftsbericht des Adam Kraft Verlags für 1939 und 1940 (wie Anm. 281). Verkaufte Titel. Entsprechend erhöhte sich der Umsatz von 160.000 RM 1939 auf 576.000 RM 1940. Die Bilanzsumme lag Ende 1939 bei 293.000 RM, Ende 1940 bei 474.000 RM, Ende 1941 bei 485.000 RM und 1942 bei 627.000 RM. 1939 musste ein Verlust von 18.000 RM ausgewiesen werden; die folgenden Jahre konnte man mit erklecklichen Reingewinnen aufwarten: 88.000 RM (1940), 400.000 RM (1941) und 360.000 (1942). Vgl. Niederschrift über die AR-Sitzungen des Adam Kraft Verlags vom 30. Juli 1940, 5. Sept. 1941, 16. Dez. 1942 und 10. Mai 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 38. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 122. Vgl. Vertrag zwischen Verlag der DAF und Adam Kraft vom 29. Jan. 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 38.

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Zentralverlag und Frontbuchhandel im Huckepack Wie die anderen Säulen des DAF-Wirt­schaftsimperiums und überhaupt zahllose deutsche Unternehmen expandierte auch der Zentralverlag der Arbeitsfront ab 1940 vor allem, weil er sich im Tross der Wehrmacht im besetzten Europa breitmachen konnte. Wichtig ist, dass der Zentralverlag der Arbeitsfront kein Organisationsverlag blieb. Da die DAF in ihren Reihen nur »schaffende deutsche Volksgenossen« organisierte – das schloss neben den deutschen Staatsangehörigen auch die Volksdeutschen außerhalb der Grenzen des Großdeutschen Reiches ein –, hätte der Verlag in diesem Fall seine Tätigkeit in den okkupierten Regionen und verbündeten Staaten nur in bescheidenem Umfang ausdehnen können. Auftrieb weit über die bisherigen Tätigkeitsfelder hinaus bekam der DAF-Zen­ tral­verlag jedoch, weil er von der von Eberhard Heffe geleiteten Zentrale der Frontbuchhandlungen Huckepack genommen wurde und auf deren Rücken in alle Ecken des nationalsozialistisch beherrschten Europas expandieren konnte. Nominell lediglich mit der Distribution von Titeln, die in reichsdeutschen Verlagen hergestellt wurden, beauftragt, war die ZdF – wie oben dargestellt – auf Drängen der Wehrmacht schon bald über das ursprüngliche Tätigkeitsfeld hinaus unmittelbar im Verlags- und Druckgewerbe tätig ge­worden. Da die Zentrale wie die Depots, Auslieferungslager und (sonstigen) Filialen der ZdF nicht über eigene verlegerische Erfahrungen verfügten, ihnen unmittelbar auch keine Druckereien angeschlossen und sie ohnehin mit dem Zentralverlag der DAF vernetzt waren, lag es für die Verantwortlichen der ZdF nahe, eine enge Kooperation mit dem gleichfalls ja von Heffe geführten Zentralverlag aufzubauen. Mit Unterstützung außerdem der Wehrmacht sowie der Außenstellen der im besetzten Europa rührigen politischen Organisation der Arbeitsfront288 expandierte der Zentralverlag in die großstädtischen Zentren der besetzten Länder sowie der verbündeten Staaten hinein. Anfang 1940 wurde der Prager Verlag der Arbeitsfront gegründet, ein Dreivierteljahr später »Volk en Arbeid NV – La Vie et le Travail SA« in Brüssel. Bis zum Herbst 1941 waren die Tochtergesellschaften des Zentralverlages außerhalb der Grenzen des »Großdeutschen Reiches« vergleichsweise kleine Betriebe. So beschäftigte der am 19. März 1940 als GmbH gegründete Prager »Verlag der Deutschen Arbeitsfront« in den ersten Monaten lediglich neun Arbeiter und Angestellte. Ihre Hauptaufgabe bestand in der »Auslieferung der Gesamtproduktion der Muttergesellschaft«; darüber hinaus hatten sie die in Prag gut 2.000, im besetzten Belgien vermutlich geringere Zahl an Mitgliedern der nationalsozialistischen Büchergilde Gutenberg

288 Vgl. als Überblick (der einzelne Aspekte der DAF-Auslandstätigkeit allerdings etwas überbewertet) Karl-Heinz Roth, Die Sozialpolitik des »europäischen Großraum« im Spannungsfeld von Okkupation und Kollaboration (1938-1945), in: Werner Röhr (Hg.), Okkupation und Kollaboration (1938-1945). Beiträge zu Konzepten und Praxis der Kollaboration in der deutschen Okkupationspolitik, Berlin/Heidelberg 1994, S. 461-565.

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zu be­treuen.289 1942/43 erwarb der Prager DAF-Verlag seinerseits ein weiteres Tochterunternehmen (Nakladatelstvi »Lidè Prace« spolsgr. o./Verlag Schaffendes Volk GmbH).290 Der Überfall auf die UdSSR und die Besetzung riesiger Regionen dort veranlasste den Zentralverlag, seine Auslandsaktivitäten systematisch auszubauen. Zwei Gründe waren dafür maßgeblich: Zum einen fand man in der Sowjetunion ein verstaatlichtes Druckgewerbe vor. In welchem Umfang sich die Arbeitsfront und ihre Verlagsgruppe Druckereien, Buchbindereien etc. aneigneten, ist unbekannt. Dass sie es tat, dürfte angesichts der allgemeinen Praxis und auch der Unternehmenspolitik anderer Teile des DAF-Wirtschafts­impe­riums nicht zweifelhaft sein. Zudem stand der Zentralverlag unter Produktionsdruck, weil spätestens Ende 1941 absehbar war, dass es kurzfristig nicht zu dem von vielen Deutschen erhofften nationalsozialistischen Endsieg kommen würde und riesige neue Fronten mit Millionen lesehungriger Soldaten versorgt werden mussten. Infolgedessen begann der Frontbuchhandel dauerhaftere Strukturen zu entwickeln und die bis dahin lockere Zusam­menarbeit zwischen ZdF und DAFZentralver­lag enger zu werden. Die bestehenden Tochtergesellschaften wurden ausgebaut und neue gegründet: (1.) S.A. Editions »ensemble« (Verlag der DAF) in Paris, (2.) Boghuset A/S in Kopenhagen, (3.) Kringsja Forlag A.S. in Oslo, (4.) Aufbau-Verlag in Lettland mit dem Hauptsitz in Riga, (5.) N.V. Uitgeversmaaschappij »Werkend Volk« in Amsterdam, (6.) Verlag der DAF (für die Slowakei) in Preßburg, (7.) Verlag der DAF in Budapest und (8.) Buch- und Zeitschriftenvertrieb der Deutschen Arbeiter in Rumänien (DAF) AG; der letztgenannte Verlag hatte seinen Hauptsitz in Bukarest und Filialen in Kronstadt und Hermannstadt.291 Später kam noch ein Verlag in Rom (Casa Editrice »Il Tritone«) hinzu. Ende 1943 wurde schließlich die Gründung eines »Weichselland-Verlages« in Krakau vorbereitet. Alle ausländischen Tochtergesellschaften des Zentralverlags konnten 1943 so-

289 Vgl. Geschäftsbericht des Prager Verlages für 1940, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 32. Von der nationalsozialistischen Büchergilde zu unterscheiden ist die sozialdemokratische (Exil-)Büchergilde in der Tschechoslowakei. Sie war, ähnlich wie die oben erwähnte Züricher Exil-Büchergilde, 1933 von Emigranten ins Leben gerufen worden und wurde nach dem Einmarsch der Deutschen in die »Rest-Tschechei« 1939 aufgelöst. 290 Vgl. Leistungsbericht des DAF-Zentralverlages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134). Genaueres ist über diesen Verlag nicht bekannt. 291 Nach dem Ende Sept. 1942 gestellten Antrag des Zentralverlags über die Aufnahme firmenrechtlich selbständiger Tochterunternehmen in den Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Vgl. ebd. sowie Monatsbericht für Dez. 1944 (Anm. 245), sowie Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 101, Anm. 51. Vgl. ferner ebd., S. 66, sowie (auch zum Folgenden) die Leistungsberichte für den Zentralverlag bzw. die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF während der Kriegszeit. Zu der dem dänischen Verlag angeschlossenen Kopenhagener Buchhandlung vgl. außerdem das Schreiben des Bevollmächtigten für Dänemark an das Auswärtige Amt vom 27. März 1941, in: PA AA R 99023.

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wohl ihren Umsatz als auch ihre »eigenverlegerischen Tätigkeiten« noch einmal ausweiten.292 Nicht alle im nationalsozialistischen Europa gegründeten Verlage der DAF waren hundertprozentige Töchter des Zentralverlages. Die meisten der in den besetzten westlichen Ländern, aber auch einige der in okkupierten Regionen der Sowjetunion gegründeten Verlage wurden als Joint-Ven­tu­re-Unternehmen eingerichtet. Die DAF hielt nur einen bestimmten Prozentsatz der Anteile, wäh­rend der Rest in den Händen von nach dem Vorbild der Arbeitsfront neugegründeter Arbeitnehmerverbände war, etwa der Nederlandsche Arbeidsfront oder der flämischen Union der Hand- und Geistesarbeiter als den Schwesterorganisationen der DAF in den beiden westlichen Nachbarländern, aber auch der »Deutschen Arbeiterschaft« in Kronstadt oder einer DAF-ähnlichen »volksdeutschen« Organisation mit Sitz in Riga.293 Damit wurde für die Verlage ein Verfahren gewählt, wie es auch die Arbeitsbank praktizierte, z. B. bei der Gründung der »Bank voor Nederlandsche Arbeid NV«, die zu gleichen Teilen im Besitz der DAF und der Nederlandsche Arbeidsfront war.294 Abgesehen von rassistischen Rücksichtnahmen – beim Umgang mit der Wirtschaft ›verwandter‹ oder weniger ›minderwertiger‹ Völker verbot sich die kolonialistische Attitüde  – hatten derartige Joint-Venture-Verlage den Vorteil, dass diese nach außen als einheimische Unternehmen firmierten und in ihrer Geschäftspolitik nicht mit den massiven Ressentiments konfrontiert waren, die die ansässige Bevölkerung den Unternehmen der DAF oftmals entgegenbrachte. Die genannten Verlage und möglicherweise weitere ab der Jahreswende 1942/43 gegründete Filialunternehmen der DAF im von der Wehrmacht besetzten oder mit NS-Deutschland verbündeten Europa hatten zwar auch die Auslieferung der Schriften und Broschüren der Muttergesellschaft an die von der Arbeitsfront betreuten deutschen Zivilangestellten und -beamten zu besorgen sowie die eher kleine Zahl an Mitgliedern der Büchergilde Gutenberg zu betreuen. Das war jedoch ebenso wenig ihre Hauptaufgabe wie die Produktion von neuen Titeln in Eigenregie, etwa Reiseführer durch die eroberten Regionen295 292 Vgl. Leistungsbericht des DAF-Zentralverlages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 sowie des Leiters der AWU für 1943 (Anm. 134), S. 49 f. 293 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 144. Auffällig ist, dass zumindest die im Westen gegründeten Joint-Venture-Unternehmen der DAF erst ein, zwei Jahre nach der Invasion der Wehrmacht ins Leben gerufen wurden, die niederländische »Uitgeverig Werkend Volk« z. B. 1942. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 59. 294 Vgl. Kapitel 3, S. 173 ff. 295 So brachte der Leiter der ZdF-Frankreich im Pariser Verlag der DAF unter dem Titel »Paris  – Wanderungen durch eine Stadt« einen Reise- und Kulturführer mit »qualitätsvollen Abbildungen« für die französische Hauptstadt heraus. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 225. Die Boghuset A/S, Kopenhagen, nahm im Herbst 1943 eine eigene verlegerische Produktion auf und gab gleichfalls einen Reiseführer  – durch Kopenhagen – mit einer Auflage von 45.000 Stück heraus, der »naturgemäß im wesentlichen bei der deutschen Wehrmacht umgesetzt« wurde, sowie für denselben Kundenkreis einen Taschenkalender heraus. Der Schwerpunkt des Prager Verlages

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oder Kalender für Wehrmachtsangehörige. Ihre zentrale Funktion bestand darin, im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit der Zentrale der Frontbuchhandlungen verlegerisch für die Wehrmacht tätig zu werden und die Produktion der von der ZdF ausgewählten, exklusiv für die Front vorgesehenen Bücher zu organisieren. Hans-Eugen und Edelgard Bühler sprechen in diesem Zusammenhang von einer bewussten »Strategie Heffes«, die Tätigkeit der Frontbuchhandlungen mit der der Auslandsunternehmen des Zentralverlages der Arbeitsfront zu verschmelzen. Die Organisation der Produktion im Auftrag der Wehrmacht durch die Filialbetriebe des Zentralverlages der Arbeitsfront und die Nachschubzentren der ZdF seien im Alltag »kaum noch zu trennen« gewesen.296 Die Produktion dieses eigentümlichen DAF-Unter­nehmens dürfte bis in die letzten Kriegsmonate ziemlich ungebrochen fortgesetzt worden sein, da die Wehrmacht die notwendigen Papiervorräte reservierte und vermutlich auch in ausreichendem Maße Arbeitskräfte unabkömmlich stellte. Zeitungen und Broschüren für »Fremdarbeiter« Prädestiniert war der Zentralverlag der DAF schließlich für den multinationalen, inländischen Zeitschriftenmarkt, die ab 1941 in rasch steigender Auflage herausgegebenen Periodika für so genannte Fremdarbeiter. Die Arbeitsfront war nämlich schon frühzeitig auf dem Gebiet der so genannten »Fremdarbeiterbetreuung« tätig geworden, zunächst im Kontext der Errichtung des »Westwalles« 1938, verstärkt dann ab 1940. Im Mai 1942 wurde ihr die »Fremdarbeiterbetreuung« durch den kurz zuvor ernannten Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel auch förmlich übertragen. Verlegerisch federführend in dem damit entstehenden, ganz neuen Marktsegment war jedoch, folgt man der Studie von Thomas Schiller über die »Lagerzeitungen für Fremdarbeiter«, nicht die Arbeitsfront mit ihrem Zentralverlag, sondern das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Das Ministerium gründete Ende Juli 1941 eine »Fremdensprachendienst-Verlags-GmbH«,297 die zahlreiche Fremdarbeiter-Zeitungen Schaffendes Volk lag dagegen auf der Produktion von diversen Fachzeitschriften sowie »Schulungsblättern, die kostenlos an tschechische Arbeiter und Angestellte abgegeben werden«. Vgl. Monatsbericht des DAF-Zentralverlages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für Dez. 1944 (Anm. 245). 296 Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 102. Sie skizzieren dies exemplarisch für Frankreich. Dort habe man ab Anfang März 1943 »die Herstellung der Bücher zur Selbstversorgung [der deutschen Truppen] an den Verlag der Deutschen Arbeitsfront, Niederlassung Paris«, übertragen. Der wiederum habe einheimische Druckereien beauftragt. Die Kosten seien über »Verrechnungskonten« des Pariser Auslieferungslagers der ZdF abgerechnet worden, das seinerseits »die Erlöse an den DAF-Verlag« transferiert habe. »Diese Regelung, die für Frankreich belegt ist, galt auch für die übrigen ZdF-Zentren.« Ebd., S. 103. Vgl. außerdem ebd., S. 61 ff. 297 Zu Genesis und Organisation dieser »Fremdensprachendienst-Verlags-GmbH« (FV) vgl. ausführlich Thomas Schiller, NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz«. Lagerzeitungen für Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg. Entstehung, Funktion, Rezeption

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herausgab.298 De­ren wöchentliche Gesamtauflage stieg von 155.000 Exemplaren 1942 auf 750.000 im da­rauffolgenden Jahr.299 Anscheinend war die Kooperation zwischen diesem Fremdensprachen­dienst des Goebbels-Ministe­riums und dem Zentralverlag der DAF auf der Ebene der Produktion allerdings enger als Schiller dies suggeriert. Legt man die nicht eindeutigen Formulierungen z. B. im Leistungsbericht der Zentrale für Finanzwirtschaft für 1943 zugrunde, wurden keineswegs sämtliche Fremdarbeiter-Zeitungen durch den Fremdsprachendienst produziert. Ein Teil des Drucks dieser Zeitschriften, etwa 20 %, lag in der unmittelbaren Verantwortung des Zentralverlages.300 Darüber hinaus besetzte der DAF-Zentralverlag wichtige ›Nischen‹ in diesem Marktsegment. So gab er eine Reihe von »Fachzeitschriften zur Aus- und Fortbildung« von Fremdarbeitern heraus und ließ außerdem zahlreiche Anlern- und Lehrmittel des DAF-»Am­tes für Betriebsführung und Berufserziehung« in vor allem westeuropäische Sprachen übersetzen und in hoher Auflage produzieren. In ihrem Leistungsbericht für 1943 sprachen die Zentrale für Finanzwirtschaft und das Amt für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF von einem »Ansatz zu einer Monopolstellung unserer Auslandsverlage für die Herausgabe des sozialpolitischen und berufsfördernden Schrifttums in Fremdsprachen«.301 Das Vertriebsnetz bauten Fremdsprachendienst und Zentralverlag bzw. das für die Verwaltung der Fremdarbeiterlager zuständige DAF-»Amt für Arbeitseinsatz« ge­meinsam auf. Auch sonst war die Kooperation zwischen beiden Seiten eng: Die DAF-La­ger­verwal­tun­gen sowie die örtlichen Dienststellen des »Amtes für Arbeitseinsatz« stellten die Informanten, die aus den einzelnen Lagern, Orten und Regionen berichteten. Im Gegenzug konnten sie in den vom Fremdsprachendienst herausgegebenen Zeitschriften Mitteilungen und Veranstaltungsankündigungen plazieren.302 Ab 1941 initiierte die Arbeitsfront außerdem in regelmäßigen Abständen in den Fremdarbeiterlagern Werbekampagnen für

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und Bibliographie, Hamburg 1996, S. 133-146; ders., Lagerzeitungen für Fremdarbeiter. NS-Propaganda für den »Arbeitseinsatz« 1939-1945, in: 1999, 12/1997, Heft 4, S. 58-70, hier: S. 60 ff. Im Juni 1941 existierten drei, Ende Nov. 1941 bereits zehn von der »FremdsprachenGmbH« herausgegebene Wochenzeitungen. Bis Anfang 1944 war die Zahl der für die verschiedenen Fremdarbeitergruppen bestimmten Zeitschriften auf 34 gestiegen. Erklärte Absicht war, dass »mindestens drei Mann« eine Zeitung zum Preis von 10 Pfennig je Exemplar erwerben sollten. Vgl. Rundschreiben des DAF-Amtes für Arbeitseinsatz an die Gauwaltungen der Arbeitsfront vom 26. Nov. 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 262. Dieses Ziel wurde nicht ganz erreicht. Dazu sowie zur Auflagenentwicklung vgl. Schiller, NS-Propaganda, S. 157 f. Vgl. O. Marrenbach an Sauckel vom 18. Jan. 1944, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 339. Dort wird von »150.000 Exemplaren pro Folge« gesprochen, die in unmittelbarer Verantwortung des DAF-Zentralverlages produziert worden seien. Vgl. Leistungsbericht des Leiters der AWU (und der Zentrale für Finanzwirtschaft) für 1943 (Anm. 134). Vgl. Schiller, NS-Propaganda, S. 143 ff., 158, 163 ff.

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den Fremdsprachendienst303 und verschaffte dessen Zeitungen überhaupt erst einen Massenabsatz. So verwundert denn nicht, dass der Fremdsprachendienst von der vorzüglichen und intensiven Zusammenarbeit mit  – das war typisch für das innere polykratische Gefüge der Arbeitsfront – gleich mehreren Ämtern der DAF geradezu schwärmte.304 Der DAF-Zentralverlag sowie die Zentrale für Finanz­wirtschaft der Arbeitsfront waren mit dieser Kooperation wie überhaupt der Tätigkeit seiner Fremdsprachen-Ab­teilung zufrieden, auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. 1943 habe man, so heißt es resümierend, »Jahresgewinne von mehreren hunderttausend Reichsmark« ausweisen können.305

5.6. Die Privatisierung des Langen-Müller-Verlages und der Hanseatischen Verlagsanstalt Mitte desselben Jahres wurde die nationalsozialistische Öffentlichkeit mit einer überraschenden Nachricht konfrontiert. Das scheinbar unaufhaltsam expandierende Wirtschafts­imperium der Arbeitsfront stieß zwei der größten Verlags­ häuser des Dritten Reiches ab. Warum diese Selbstamputation? Privatisierungsüberlegungen bis Kriegsbeginn Was mit den Verlagen der DAF, die sich im Besitz des DHV befunden hatten, langfristig eigentlich geschehen sollte, wurde in der Führung der Arbeitsfront schon früh diskutiert. Zum ersten Mal stand eine Privatisierung des LangenMüller-Verlages wie der Hanseatischen Verlagsanstalt 1936 zur Debatte. Stein des Anstoßes war das relativ selbständige Agieren der beiden Verlage sowie der Tatbestand, dass sie auf Feldern tätig waren, die der DAF als politischer Organisation eher fremd waren. So erklärte der stellvertretende Reichsschatz­meister der Arbeitsfront Werner Boltz, zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig ein führender Funktionär in der NSDAP-Organi­sa­tions­leitung, am 3. Dezember 1936: »Wenn wir mit unseren Verlagen nicht machen können, was wir wollen, dann haben wir überhaupt kein Interesse daran und stoßen sie lieber ab.« Boltz war freilich skeptisch, dass sich ein solventer Käufer der beiden Verlage würde annehmen 303 Vgl. exemplarisch Rundschreiben des DAF-Amtes für Arbeitseinsatz an die Gauwaltungen der Arbeitsfront vom 26. Nov. 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 262, sowie Rundschreiben der DAF-Gauwaltung Bayerische Ostmark an alle Kreisobmänner, Kreispropaganda- und -pressewalter der DAF vom 5. Juni 1944, in: ebd., NS 5 I, Nr. 144. 304 Neben dem »Amt für Arbeitseinsatz« waren das Presseamt und das »Volkspolitische Amt« der Arbeitsfront an der engen und offenbar weitgehend reibungsfreien Kooperation mit dem Fremdensprachendienst intensiv beteiligt. Vgl. Geschäfts- und Tätigkeitsbericht der Fremdensprachendienst-Verlags-GmbH für 1942/43 (vom 15. Juli 1943), S. 17, in: BA Berlin, R 55, Nr. 271. 305 Genauere Angaben legten das AWU und die Zentrale für Finanzwirtschaft in ihrem Leistungsbericht für 1943 (Anm. 134) freilich nicht vor.

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wollen: »Sehen Sie mal zu, ob Sie einen Dum­men finden, der uns 2 Millionen dafür zahlt.« 306 Alle drei Verlagsgruppen – LMV, HAVA und Zentralverlag – zu einem Konzern zu verschmelzen, wie dies z. B. mit den Bauproduktiv- und den Wohnungsgenossenschaften dann Anfang 1939 zur »Neuen Heimat« geschah, schien ebenfalls kaum möglich. Dazu waren Schwerpunkte und Binnenstrukturen der drei Verlage zu heterogen. Im September 1936 hatte Boltz dem HAVA-Vor­stand Ziegler den im Berliner Zentralbüro der DAF herrschenden Eindruck geschildert, dass »die 3 Unternehmen [wie] Privatbetriebe der 3 Verlagsleiter« handelten. Dort glaube man, vor allem die HAVA und der LMV würden »ihre Produktion ausschließlich [am] Geschmack und der persönlichen Ausrichtung« der jeweiligen Vorstände orientieren. Nach außen bestünde der Eindruck, »dass die 3 Verlagsanstalten mit der Arbeitsfront nichts zu tun hätten«.307 Man wäre beide Verlage wohl schon 1936/37 gern losgeworden, so sich dies ›ausgezahlt‹, d. h. wenn man entweder einen lukrativen Preis erzielt oder im Tausch mindestens gleichwertige Unternehmen – auch anderer Branchen – bekommen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Lukrative neue Unternehmen waren nicht in Sicht; einige Monate vorher hatte die Arbeitsfront im Kampf um die Konsumgenossenschaften vielmehr eine empfindliche Niederlage gegenüber Heß, Schacht und weiteren Kontrahenten einstecken müssen. Überdies stand Ende 1936 noch in Frage, ob die DAF überhaupt wirtschaftliche Unternehmen betreiben dürfe. Eine Abgabe bzw. Privatisierung der beiden vormaligen DHVVerlage hätte dieser Debatte zu Ungunsten der Arbeitsfront weiteren Auftrieb verliehen. Vor allem aber wollten Ley und seine Mitstreiter in ihrem Ringen um Macht und Einfluss dem »Stellvertreter des Führers« und anderen Rivalen nicht noch einen weiteren Triumph gönnen. Zudem waren der LMV und die HAVA wirtschaftlich gesund; beide Unternehmen konnten aller Vorbehalte zum Trotz ebenso wie die anderen Teile des DAF-Konzerns als ökonomischer Unterbau für die machtpolitischen Ambitionen der Gruppe um Ley dienen. Schließlich verstärkten die beiden Verlage positiv die mediale Präsenz der Arbeitsfront. Der Zentralverlag befand sich zu diesem Zeitpunkt dagegen noch im Aufbau, hatte mit zahlreichen Kinderkrankheiten zu kämpfen und konnte den Wunsch der DAF-Führung nach breiter politischer Außendarstellung noch nicht im gewünschten Maße befriedigen. Aus diesen Gründen kam der Eher-Verlag nicht schon vor dem Krieg zum Zug. Dabei hatte Wilhelm Baur, der den Langen-Müller-Verlag als zeitweiliges Mitglied im Aufsichtsrat Ende der dreißiger Jahre aus nächster Nähe kannte, bereits in den Vorkriegsjahren ein Auge auf den Münch­ner DAF-Verlag geworfen. Baur wollte aus dem LMV schon vor dem Krieg einen »Weltverlag schaffen, 306 Boltz gegenüber Pezold am 3. Dez. 1936, nach: Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 109, Anm. 141. 307 Aktennotiz über ein Gespräch zwischen Boltz und Ziegler vom 23. Sept. 1936, nach: ebd., S. 107.

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der über Deutschland hinaus Ansehen besitzt«.308 Über­dies wollte Baur gleichfalls bereits 1937 die Deutsche Hausbücherei übernehmen. Auch diese Pläne musste Baur jedoch aufgeben.309 Warum aber kam es dann sechs Jahre später zu einer weitgehend geräusch­freien und allem Anschein nach konfliktarmen Trans­ aktion, wie Baur sie lange zuvor vergeblich geplant hatte, nämlich zum Verkauf des LMV wie der Hausbücherei an den Zentralverlag der NSDAP? Ein überlegener Konkurrent: der Eher-Verlag der NSDAP Um die schließliche Abgabe von Teilbereichen des DAF-Verlagskonzerns an den Eher-Verlag sowie andere ›Private‹ nachvollziehen zu können, ist es zunächst notwendig, an eine eingangs dieses Kapitels getroffene Feststellung zu erinnern: Die führenden Nationalsozialisten bekannten sich zwar aus Überzeugung grundsätzlich zur »freien Wirt­schaft« und zum dieser zugrunde liegenden Prinzip des Privateigentums. Verlage und mit jenen auch Buchgemeinschaften und überhaupt Vertriebssysteme wurden von ihnen jedoch bestenfalls eingeschränkt der ›normalen‹ Volkswirtschaft zugerechnet. Als zentrale Instrumente politischer Einflussnahme fassten die Protagonisten des Regimes Verlagsgewerbe und Buchhandel eher in Kategorien des Politischen. Infolgedessen war es aus ihrer Sicht nur selbstverständlich, dass im Verlagswesen sehr viel stärker als in der übrigen Wirtschaft politisch interveniert wurde. Der Aufstieg des Zentralverlags der NSDAP, des Verlags Franz Eher Nachf., in eine auf dem Büchermarkt teilweise marktbeherrschende Stellung ist ohnedem nicht zu erklären. Sein Aufstieg ist hier außerdem deshalb kurz zu umreißen, weil danach plausibler wird, warum schließlich auch die DAF-Führung dem NSDAP-Zentralverlag den Vortritt lassen musste und sich vom LMV sowie von der HAVA trennte. Der Eher-Verlag befand sich seit Ende 1920 im Besitz der NSDAP. Sein Aufstieg nach 1933, der in der deutschen Verlagsgeschichte ohne Beispiel ist, wäre ohne wirkungsvolle politische Hebel in den Händen der maßgeblichen Protagonisten nicht möglich gewesen. Neben Wilhelm Baur spielte hier Max Amann eine zentrale Rolle. Amann, der Mentor und als Direktor des Eher-Ver­lages (seit April 1922) Vorgesetzte Baurs, war bereits als NSDAP-Reichsleiter für die Presse (gleichfalls seit 1922) ein politisches Schwergewicht. Mitte Januar 1934 wurde Amann von Hitler mit Vollmachten ausgestattet, »allgemeine Anordnungen für das gesamte Verlagswesen an die gesamte von Parteigenossen verlegte Presse« herauszugeben und außerdem verbindliche »Entscheidung[en] über alle Verlagsfragen von grundsätzlicher, über den einzelnen Verlag hinausgehender Bedeutung« zu treffen. Heß wiederum hatte am 10. April 1934, also wenige Tage vor Gründung der »Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« (PPK), »die Befugnisse des Reichsleiters [Amann] 308 Baur auf der Aufsichtsratssitzung des LMV vom 18. Jan. 1938, nach: Meyer, Verlags­ fusion, S. 217. 309 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 130.

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über alle Unter- und Nebenorganisationen der Partei und Bewegung sowie die Deutsche Arbeitsfront« ausdrücklich ausgeweitet.310 Im Gefolge der Gründung der PPK erhielt der Eher-Verlag dann, wie erwähnt, eine Art parteiamtliches Monopol auf politisch-ideologische Schriften. Schließlich gelang es Amann, der Hitler aus dem Ersten Weltkrieg kannte und seitdem ein enges Verhältnis zu ihm besaß,311 gleichfalls noch im Jahr 1934, Goebbels auszustechen und vom »Führer« die Zusicherung zu erhalten, dass sich der Eher-Verlag den UllsteinVerlag einverleiben dürfe und dieser nicht in die Einflusssphäre des »Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« fallen solle.312 Mit dem Erwerb des Ullstein-Verlages, der um ein Vielfaches größer war als der Eher-Verlag zu diesem Zeitpunkt, war ein entscheidender Schritt zum marktbeherrschenden Konzern getan. Möglich wurde der Kauf u. a. dadurch, dass die DAF-eigene Arbeitsbank dem Eher-Verlag die dafür nötigen Kredite zur Verfügung stellte.313 Die Einverleibung Ullsteins wiederum bildete den Auftakt für eine ganze Kette weiterer Erwerbungen, darunter so renommierter Verlage wie der Deutschen Verlagsanstalt. Bis 1943, also dem Zeitpunkt, zu dem der LMV sowie die Deutsche Hausbücherei in den Besitz des NSDAP-Verlages übergingen, hatte sich das Verlagshaus der Hitlerpartei knapp vierzig größere Verlage angegliedert. Für den Eher-Kon­zern war die Übernahme des Langen-MüllerVerlags und der Deutschen Hausbücherei von der HAVA im Übrigen nicht der letzte Coup. Im September 1944 wurde schließlich die August Scherl GmbH, die den Kern des Hugenberg’schen Pressekonzerns gebildet hatte, zum sagenhaften Preis von 64,1 Mio. RM aufgekauft.314 Im vorletzten Kriegsjahr gehörten zum Eher-Verlag insgesamt etwa 150 Verlagsunternehmen, in denen ungefähr 35.000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt waren. Der Jahresumsatz dieses in der deutschen Geschichte einzigartigen Verlagsimperiums übertraf nach Schätzungen des amerikanischen Historikers Oron J. Hale sogar den der I.G. Farbenindustrie und dürfte dem des gesamten Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront wenigstens gleichgekommen sein.315 Der

310 Nach: ZfF, Wirtschaftsunternehmungen der DAF 1939, S. 97. 311 Amann (1891-1957) hatte im Ersten Weltkrieg als Vizefeldwebel in derselben Kompanie wie Hitler gedient. Als enger Vertrauter des späteren »Führers« war er von 1921 bis 1923 Geschäftsführer der NSDAP; zudem hatte er den Hitler-Putsch mitgemacht. Anfang April 1922 wurde Amann Geschäftsführer des Eher-Verlages und des Völkischen Beobachters. Nach der NS-Machtergreifung übernahm der Reichsleiter für die Presse innerhalb der NSDAP u. a. den Vorsitz des Vereins der Deutschen Zeitungsverleger und die Präsidentschaft der Reichspressekammer. 312 Vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 303. 313 Vgl. Kapitel 3, S. 116. Auch für die (weitere) Expansion auf dem Zeitungsmarkt stellte die Arbeitsbank dem Eher-Verlag Kredite zur Verfügung. Vgl. Kapitel 3, S. 123 f. 314 Zum Gesamtvorgang vgl. Hale, Presse in der Zwangsjacke, S. 306-310; Tavernaro, Verlag Hitlers, S.  73, 77 f.; Barbian, Literaturpolitik, S. 304. 315 Hale, Presse in der Zwangsjacke, S. 25 f.

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die verlage NSDAP-Ver­lag war zudem hochprofitabel. Allein das Anzeigen- und Vertriebsgeschäft des Ullstein-Verlages brachte 1940 Einnahmen von 109,7 Mio. RM.316

Der Eigentumstransfer – eine politische Flurbereinigung Dass der Langen-Müller-Verlag ins Visier des Eher-Verlages, namentlich seiner herausragenden Repräsentanten Max Amann und Wilhelm Baur, geriet, kann nicht überraschen, war das Unternehmen doch das führende belletristische Verlagshaus des Reiches. Warum aber gelang diese Übernahme? Warum wurde daneben auch die Hanseatische Verlagsanstalt privatisiert? Wieso gingen diese Besitzänderungen relativ komplikationslos über die Bühne? Auslöser der Begehrlichkeiten des Eher-Verlages waren unfreiwillig Aktivitäten des kurz vor Kriegsbeginn eingesetzten neuen Leiters des Langen-MüllerVerlages Friedrich Alfred Beck.317 Beck wollte sich nicht mit der Herausgabe nur belletristischer Literatur begnügen und hatte 1940 eigenmächtig begonnen, in rasch wachsendem Maße Schriften offen politischen und weltanschaulichen Inhalts zu produzieren. Die zuständigen Parteistellen hatte Beck vorher nicht konsultiert, und auch Strauch und die TWU waren über diesen Schritt nicht informiert worden. Damit hatte Beck das freilich nicht sehr präzise formulierte Monopol des NSDAP-Zentralverlages vom Frühjahr 1934 auf alle »Manuskripte, die nationalsozialistische Probleme und Stoffe zum Gegenstand haben«, verletzt. Unterstützung seitens der Arbeitsfront konnte Beck für sein Vorhaben, den LMV auch zu einem der weltanschaulich führenden Verlages des Dritten Reiches zu machen, nicht erwarten. Denn auch für deren Führung war es selbstverständlich, dass politisch-pro­gram­matische Schriften entweder im Eher-Verlag oder im Zentralverlag der DAF erschienen.318 Beck musste gehen. Als kommissarischer Leiter des LMV wurde im November 1942 der Chef der HAVA Ziegler eingesetzt. Die Stellung des LMV innerhalb der nationalsozialistischen Verlagslandschaft war jedoch nachhaltig geschwächt. Aus der Sicht des Eher-Verlages schien Ende 1942 die Zeit für eine Art politische Flurbereinigung innerhalb der parteinahen Verlage dann reif. Die allge316 Vgl. ebd., S. 142; ferner den Überblick bei Barbian, Literaturpolitik, S. 302 ff. 317 Der Jungkonservative Beck (1899-?) war in der Endphase der Weimarer Republik Ministerialrat im Preußischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst; er wurde 1933 kurzzeitig als kommissarischer Leiter bei der Regierung in Arnsberg eingesetzt. Beck, der bereits in den zwanziger Jahren Schriften zu zeitgenössischen konservativen Philosophen (Rudolf Eucken, Oswald Spengler u. a.) publiziert hatte – und 1935 in Philosophie an der Universität Königsberg promovierte – versuchte sich unmittelbar nach der Installierung des Reichskabinetts Hitler mit Schriften wie »Deutschlands Wiedergeburt durch den Nationalsozialismus« (1933) und »Deutsche Vollendung, Grundlinien der völkischen Philosophie als Idee zur nationalen Lebensform« (1935) den neuen Machthabern anzudienen. Mitte der dreißiger Jahre leitete er zeitweilig die »Hochschule für Politik« der NSDAP Westfalen-Süd. 318 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 154. Zum ganzen Vorgang, der zur Entlassung Becks führte: ebd., S. 146 f.

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meinen politischen und militärischen Konstellationen legten eine arbeitsteilige Straffung des reichsdeutschen Verlagswesens nahe. Die Zeit des Pläneschmiedens für eine Zukunft nach dem nationalsozialistischen »Endsieg«, die die Expansion des DAF-Wirtschaftsimperiums beflügelt hatte, war endgültig vorbei, die Phase der deut­schen Blitzkriege definitiv zu Ende. Die vernichtende Schlacht um Stalingrad kündigte sich an; in Nordafrika befand sich die Wehrmacht auf dem Rückzug; eine Landung der Alliierten in Südeuropa wurde wahrscheinlicher. Die innenpolitischen Konstellationen waren seit Mitte 1942 durch immer massivere US-amerikanische und britische Luftangriffe, seit 1943 auch bei Tage, geprägt. Goebbels rief einige Wochen nach der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad  – noch vor den hier interessierenden Eigentumstransfers  – den »Totalen Krieg« aus, der auch die totale politisch-psy­cho­logi­sche Mobilisierung der reichsdeutschen Bevölkerung mit allen medialen Mitteln für den Krieg implizierte. Unter dem Druck der massiven militärischen Schläge der Alliierten rückten auch die Entscheidungsträger der NS-Diktatur zusammen. Ihre Rivalitäten um Macht und Einfluss gaben sie zwar nicht auf; sie traten jedoch in den Hintergrund. Gleichzeitig wurden Kompetenzen neu verteilt. Die Arbeitsfront erhielt mit der »Fremdarbeiterbetreuung« und der Erweiterung des Reichskommissariats für den Sozialen Wohnungsbau zum Reichswohnungskommissariat zwei wirtschaftlich und gesellschaftlich zentrale Tätigkeitsfelder zugewiesen. Ganz allgemein trat die DAF angesichts der massiven Veränderungen auf den politisch-militärischen Schauplätzen Europas zudem gegenüber der NSDAP zunehmend ins zweite Glied zurück. Überdies war Ley immer häufiger alkohol- und krankheitsbedingt aktionsunfähig; Bormann und Goebbels gewannen auf seine Kosten an politischem Einfluss. Ab Frühjahr 1942 war schließlich die Kriegswirtschaft unter Speer neu organisiert worden. Verschärfte Papierkontingentierungen, Betriebsschließungen und die »Auskämmung« vorgeblich überzähligen Personals bestimmten in der Folgezeit den Alltag im Buchhandel und in den Verlagen sowie Druckereien. Auch von der ökonomischen Seite gewann das Argument der Synergieeffekte durch Fusionen und Verlagsübernahmen seit Ende 1942 an Bedeutung. Es war nicht zuletzt die schiere Größe des Eher-Verlags, die für eine Übernahme des LMV und der Deutschen Hausbücherei durch den NSDAP-Zen­tral­verlag sprach. All diese Faktoren erklären, warum Ley gegen die Übernahme vor allem des LMV durch den Eher-Verlag nur schwach Widerstand leistete und diesen nach kurzer Zeit aufgab.319 Hinzu kam, dass die vormaligen DHV-Verlage innerhalb der Arbeitsfront und ihres Wirtschaftsimperiums – im Unterschied zu allen anderen Unternehmen der DAF – Fremdkörper geblieben waren. Zwar entwickelte der TWU-Chef Hans Strauch durchaus mäzenatische Allüren, und Ley schätzte die Hausautoren des LMV und der HAVA.320 Die Distanz zwischen der DAF auf 319 Vgl. ebd., S. 147 f. 320 So zitierte der Chef der Arbeitsfront und NSDAP-Reichsor­ga­nisa­tions­leiter in trauter Runde oder auch vor einem größeren Publikum gern seinen Lieblingsautoren Will

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der einen und den beiden ehemaligen DHV-Verlagen sowie deren Publikum auf der anderen Seite blieb jedoch. Die Jungkonservativen im Münchner und Hamburger Verlag verachteten »die nationalsozialistischen Plebs mit geradezu aufreizender Arroganz«, allen voran die »Werkerwelt« der Arbeitsfront.321 Dass sich die DAF-Leute ihrerseits über die ehemaligen Repräsentanten der Konservativen Revolution als reaktionäre Spießer mokierten,322 verschärfte die gegenseitige Entfremdung. Die stark bürgerliche Kundschaft des LMV wie der HAVA stieß sich ebenfalls am proletarischen Ruf, der der Arbeitsfront vorauseilte. Auch vielen Hausautoren galt die Arbeitsfront letztlich als eine Art Wurmfortsatz der verhassten Weimarer ›Pöbelherrschaft‹. Hans Grimm beispielsweise, der in der Weimarer Republik dem Langen-Müller-Verlag hohe Auflagen beschert hatte, sah bereits den Besitzerwechsel seines Verlages vom DHV zur DAF mit Unbehagen. Solange der LMV noch re­lativ autonom agieren konnte, fand sich Grimm mit der veränderten Eigentümerstruktur ab. Als die TWU Langen-Müller an eine etwas kürzere Leine zu nehmen begann, führ­te der Miss­mut zur Trennung. Grimm als der bis dahin mit Abstand prominenteste und auflagenstärkste Schriftsteller des LMV verließ seinen Hausverlag. Ab 1938 durfte sich der Gütersloher Verlag Bertelsmann glücklich schätzen, das bisherige »unbestrittene literarische Aushängeschild« des Langen-Müller-Verlages, nicht zuletzt dessen Bestseller mit dem zur stehenden Redewendung ge­wordenen Titel »Volk ohne Raum«, verlegen zu dürfen.323 Ihm folgte 1941 Will Vesper, der zum Establishment der ›schöngeistigen‹ NS-Literaten gehörte und mit auflagenstarken Titeln wesentlich zum starken belletristischen Standbein der Hanseatischen Verlagsanstalt beigetragen hatte.324 Nicht zu unterschätzen ist schließlich, dass eine ungeschickte Politik Heffes den einflussreichen Wilhelm Baur vergrätzt hatte. Bis Spätsommer 1942 hatte das zum Eher-Konzern gehörende Leipziger Kommissionshaus Lühe & Co. das Monopol auf die Belieferung der Zentrale der Frontbuchhandlungen besessen. Heffe kündigte dieses Monopol Mitte September 1942 auf, weil Lühe & Co. offenbar nicht über genügend Kapazitäten verfügte, eine Belieferung aller Fronten mit Literatur, Zeitschriften etc. zu garantieren.325 Augenscheinlich glaubte er außerdem, dass die ZdF in Gemeinschaft mit dem Zentralverlag in Europa

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Vesper, wenn er erklärte, warum er sich Hitler angeschlossen hatte. Vgl. Smel­ser, Hitlers Mann, S. 30. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 46 bzw. S. 143. Vgl. ebd., z. B. S. 91 f., 95. Vgl. ebd., S. 147; Friedländer u. a., Bertelsmann im Dritten Reich, S. 378. Die Kooperation zwischen den DAF-Verlagen und Bertelsmann war freilich keineswegs nur konflikt­geladen, sondern in vielerlei Hinsicht durchaus einvernehmlich. So gelang es Bertelsmann, von der HAVA die Lizenz des 1931 erstmalig erschienenen Romans »Das harte Geschlecht« von Will Vesper und des Romans »Sturm in Sichdichfür« von Gustav Schröer zu erwerben und mit Auflagen von 250.000 bzw. 126.000 Exemplaren zu Kriegsbestsellern zu machen. Vgl. ebd., S. 143, 401, 483. Vgl. ebd., S. 400 ff. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 107 f.

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inzwischen so gut aufgestellt war, dass sie die Belieferung des äußerst lukrativen europäischen Buchmarkts mit deutschen Titeln selbst in die Hand nehmen konnte. Vielleicht spekulierte er außerdem auf eine geschwächte Stellung von Baur und auch Amann, deren exzeptionelle Position im Verlagswesen sich wesentlich dem engen Bündnis mit Rudolf Heß verdankte; und dieser war ja im Frühjahr 1941 in England verschwunden und im Reich zur Unperson geworden. Er hatte sich jedoch verspekuliert; die Erweiterung der Geschäftsfelder der ZdF, die dieser zu einem kräftigen Umsatzsprung verhalf (Tabelle 3.1.), erwies sich als Pyrrhus-Sieg. Denn Baur ergriff nun seinerseits die Gelegenheit beim Schopfe, den Verlust des Belieferungsmonopols der Fronten und ebenso der europäischen ›Etappe‹ durch den Erwerb des Langen-Müller-Verlags für den Eher-Verlag, dem er als Geschäftsführer vorstand, mehr als wettzumachen. Baur kam erstens zugute, dass sich die Arbeitsfront seit Sommer 1942 auf dem Weg vom politischen Schwer- zum politischen Leichtgewicht befand. Sie hatte sich in zahllose Gesellschaftsfelder ausgedehnt, und damit verzettelt. Diese politisch-organisatorische Überdehnung der DAF und dann der Zusammenbruch der Infrastruktur in den letzten beiden Kriegsjahren führten dazu, dass sich die lokalen und regionalen Einrichtungen der Arbeitsfront vielfach stark mit den kommunalen Behörden bzw. Verwaltungen der Mittelinstanzen verflochten. Gleichzeitig lockerten sich die Bindungen der lokalen und regionalen DAF-Funktionäre an die Berliner Zentrale der Arbeitsfront. Zweitens waren Ley insbesondere mit Bormann und Goebbels ab 1941 mächtige Gegner erwachsen, die die politischen Spielräume der DAF einengten. Drittens hinterließ der Alkoholismus bei Ley immer tiefere Spuren. All dies war den Protagonisten des Eher-Verlages nicht entgangen. Sie wussten um die Schwächung Leys und seiner DAF, nutzten sie aus – und zerschlugen das Konglomerat der DAF-Verlage in seiner bisherigen Gestalt. Der Langen-Müller-Verlag ging in Gänze an den Eher-Konzern über. Als Verlagskonzern, der nach der Übernahme des LMV nun auch in puncto ›schöngeistige‹ Literatur an der Spitze des NS-Verlagswesens stand, benötigte der EherVerlag, der bis dahin seine Produkte ausschließlich über den Massenbuchhandel und die NS-Formationen abgesetzt hatte, ein zusätzliches Vertriebssystem, das ihm einen stabilen Absatz garantierte. Neben dem LMV verleibte sich Eher deshalb außerdem die Deutsche Hausbücherei ein, die bis dahin zu HAVA gehört hatte, allerdings auch eine wichtige Vertriebsorganisation des Münchner Verlagshauses der DAF gewesen war. Die Hanseatische Verlagsanstalt wurde dagegen dreigeteilt. Neben der Deutschen Hausbücherei verlor die DAF auch den Kern der HAVA, den eigentlichen Verlag als den »wirtschaftlich mit Abstand attraktivste[n] Teil des Gesamtkonzerns«.326 Der Verlag ging allerdings nicht an Eher. Er wurde vielmehr von einem Konsortium um mehrere schwerreiche Hamburger Reeder und 326 Vgl. (mit Angaben zu Gewinn und Rendite) Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 135.

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Bankiers (Slo­man, Keichel, Essberger, Reemtsma)327 übernommen; diese hatten schon lange Zeit vorher insbesondere mit den kaufmännischen und handelswissenschaftlichen Sparten des Hanseatischen Verlagshauses eng zusammengearbeitet und wollten die HAVA zum Kern eines »Außenhandelsbraintrusts« (Lokatis)328 entwickeln.329 Die DAF schließlich erhielt die »Hanseatische Druckanstalt GmbH«, eine der modernsten Großdruckereien des Deutschen Reiches. Die Trennung der ­Druckerei vom eigentlichen Verlag ging relativ komplikationslos vonstatten, weil die HAVA-Druckerei bereits seit 1940 ohnehin in erster Linie Fremdaufträge bearbeitete, während umgekehrt mit der Buchproduktion der »Hanseaten« überwiegend Fremddruckereien beauftragt worden waren.330 De facto waren Verlag – sowie Buchgemeinschaft – und Druckerei bereits vor dem förmlichen Verkauf der HAVA an das Hamburger Konsortium weitgehend getrennte Betriebseinheiten gewesen.

327 Ökonomischer Hintergrund des finanziellen Engagements der »Hamburger Reeder­ aristokratie« für die HAVA war, dass die Schifffahrt weitgehend lahmgelegt war und auch perspektivisch riskant schien, während das Verlagsgeschäft vor dem Hintergrund des Booms 1939 bis 1942 als Goldgrube galt. Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 151. Wichtigste Persönlichkeit unter den gen. Personen war Philipp F. Reemtsma (1893-1959), der nach 1933 zugleich eine marktbeherrschende Position im Bereich der Zigarettenproduktion aufbauen konnte. Reemtsma saß auch im Aufsichtsrat des 1941 gegründeten Deutschen Gemeinschaftswerks (Kapitel 6). 328 Ebd., S. 142. Zu den hier grob skizzierten Transaktionen ausführlich: ebd., S. 148-152. 329 Das Ausscheiden aus dem Arbeitsfront-Konzern brachte der HAVA nicht nur Vorteile. Weil das schützende Dach der Arbeitsfront und ihrer TWU fehlte, war die HAVA Restriktionen im letzten Kriegsjahr schutzloser ausgeliefert. Im April 1944 stand die HAVA mit dem Vermerk »Sperre für die gesamte Auslieferung« auf der Liste, die der »Leiter des Deutschen Buchhandels« seit Anfang 1944 allmonatlich herausgab und die für die betroffenen Verlage zu einem (vorübergehenden) Produktionsstopp führte. Vgl. Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 22. 330 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 132. Zu diesen Fremdaufträgen zählten der Druck von Brotkarten, die das Haupt­ernährungs-Amt in Auftrag gegeben hatte, »Gütemarken« für den Reichsvollkornbrotausschuss, Soldbücher für das örtliche Generalkommando oder die vom Oberkommando der Wehrmacht herausgegebenen »Tornisterschriften«, aber auch Bildchen für die Zigarettenbilderalben des ReemtsmaKonzerns. Weitere Auftraggeber waren das Luftfahrtministerium, das Zentralamt für Mineralöle und der Reichsausschuß für volkswirtschaftliche Aufklärung. Hintergrund dieser Abwendung der HAVA-Druckerei von der eigentlichen Buchproduktion war die Sorge, sonst nicht ausreichend mit Papier und anderen Rohmaterialien versorgt zu werden und – vor allem seit Ende 1941 – Personal an die Wehrmacht zu verlieren. Nominell gehörte die HAVA-Druckerei, die auch 1943 noch einen, allerdings schmalen Gewinn einfuhr, zu 12,5 % dem DAF-Zen­tral­verlag und zu 87,5 % der TWU der Arbeitsfront. Vgl. Niederschrift über die ordentliche Gesellschafter­ver­samm­lung der Hanseatischen Druckanstalt GmbH am 15. Nov. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 58.

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Das DAF-Verlagsimperium in den letzten beiden Kriegsjahren Vor wie nach der Trennung von LMV und HAVA verfügte die Arbeitsfront über mehrere sehr große Druckereien. Neben der Druckerei des DAF-Zentralverlags gehörten zum Druck-Imperium der Arbeitsfront ein größerer Druckbetrieb in der österreichischen Hauptstadt, ein weiterer in Bochum sowie mehrere kleine Druckereien. Die mit Abstand größten Druckanstalten der DAF waren die ursprünglich der HAVA assoziierte Hanseatische Druckerei sowie die August Pries GmbH in Leipzig. Die Hanseatische Druckerei zählte in der zweiten Kriegshälfte ungefähr 400 Arbeiter und Angestellte und machte 1942 einen Umsatz von etwa 2,5 Mio. RM. Diese Großdruckerei der DAF wurde durch die alliierten Bombenangriffe vom 25. Juli 1943 (»Unternehmen Gomorr­ha«) freilich erheblich beschädigt. Die Produktion der HAVA-Druckerei musste im Hochsom­mer 1943 mehrere Wochen unterbrochen werden. Dennoch lag der Umsatz in diesem Jahr mit insgesamt 3,7 Mio. RM immer noch deutlich über dem des Jahres 1938 (2,5 Mio. RM).331 Die Leipziger August Pries GmbH, die laut Selbstdarstellung der DAF bei Kriegsbeginn »auf dem Gebiet des fremdsprachlichen Druckens an erster Stelle« stand,332 konnte den Ende 1939 erreichten Belegschaftsbestand von ungefähr 400 Mitarbeitern (ohne Einberufene und Dienstverpflichtete, dafür jedoch mit offenbar zahlreichen Fremdarbeitern333) bis 1943/44 halten und erreichte damit ungefähr die Dimension der Hanseatischen Druckerei. Die »Weltsprachendruckerei«, als die die Pries GmbH auch gern firmierte, beschränkte sich nicht darauf, DAF-Propaganda­material und Ley-Pamphlete herzustellen. Sie rechnete es sich außerdem als Ehre an, Hitlers »Mein Kampf« oder auch »Hermann Göring. Werk und Mensch«, »Reden und Aufsätze« Görings und »Um Blut und Boden« von Walter Darré sowie den Halb- und Fünfjahreskatalog des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler drucken zu dürfen. Pech für die DAF war, dass  – nachdem zuvor schon die HAVA-Druckerei erheblich beschädigt worden und lange Zeit ausgefallen war – der Haupt­betrieb der August Pries GmbH, die 1941 als »wehrwirtschaftlich wichtiger Betrieb« anerkannt und seitdem mit knappen Rohstoffen bevorzugt versorgt worden war, am 4. Dezember 1943 bei einem der Großangriffe auf Leipzig vollständig zerstört wurde. Die Unternehmensleitung konnte sich in dieser Situation glücklich schätzen, 1941 die Firma Walter Kersten, Buch- und Tiefdruckerei in Halle a. S., erworben und in eine »Betriebsabteilung« der Pries GmbH umgewandelt zu haben.334 Der Hallenser Nebenbetrieb musste zwar im Juni 1943 vorübergehend 331 Vgl. Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, 132 f., 144, 163 ff.; ferner Leistungsbericht des DAF-Zentralver­lages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134). 332 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939,S. 109. 333 Vgl. Thomas Fickenwirth/Birgit Horn/Christian Kurzweg, Fremd- und Zwangsarbeit im Raum Leipzig 1939-1945. Archivalisches Spezialinventar, Leipzig 2004, S. 76. 334 Vgl. Geschäftsbericht der Aug. Pries GmbH für 1939 und 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 42; ferner Leistungsbericht des DAF-Zentralver­lages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134).

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geschlossen werden. Nach der Zerstörung des Hauptunternehmens nahm die Zweigstelle jedoch ihre Tätigkeit Anfang 1944 mit einem Teil der Leipziger Belegschaft wieder auf. Ein anderer Teil der vormals Leipziger Produktion der Pries GmbH wurde in einen gepachteten Betrieb in Mecklenburg ausgelagert. Alles in allem hielt sich der Umsatz der Pries AG 1943 infolgedessen auf dem Niveau des Jahres 1942 (Tabelle 3.4.). Die Groß­buchbinderei Franz Wermke GmbH und die Druckerei des Zentralverlags der Arbeitsfront zählten 1942 jeweils ca. 130 Beschäftigte. 1943 wurden zahlreiche deutsche Arbeitskräfte durch Fremdarbeiter ersetzt; Ende 1943 beschäftigte allein die Groß­buchbinderei Wermke 243 Mitarbeiter, die meisten davon ausländische Arbeitskräfte. Ende 1943 bzw. Anfang 1944 erlitten beide Unternehmen »durch Feindeinwirkung Totalschaden«. Ein Teil der Produktion wurde nach kurzer Unterbrechung in »Ausweichstellen« zunächst wieder aufgenommen, im Spätsommer 1944 dann allerdings gänzlich eingestellt. Auch die Buchdruckerwerkstätte, die ihren Umsatz von 0,7 Mio. RM 1942 auf 1,3 Mio. RM im folgenden Jahr gesteigert hatte und Anfang 1944 noch 145 »Gefolgschaftsmitglieder« – darunter zahlreiche Fremdarbeiter – beschäftigte, wurde im Sommer dieses Jahres »unter Verzicht auf eine Verlagerung« ebenfalls dichtgemacht. Dasselbe Schicksal hatten bereits vorher eine Buchbinderei und Offsetdruckerei in der österreichischen Hauptstadt hinnehmen müssen, die zur 1938 von der DAF übernommenen Wiener Verlagsgesellschaft gehörten; sie beschäftigten um die hundert, die Bochumer Druckerei der Arbeitsfront bis zu ihrer Schließung (1942) 53 Mitarbeiter.335 Vom Erlös des Verkaufs der Hamburger Verlagsanstalt erwarb die DAF im Frühsommer 1943 in den Niederlanden eine alteingesessene Großdruckerei, die »Esveha B.L.E. Casselmann« in Den Haag.336 Sie war im Spätsommer 1940 »arisiert« worden.337 Da die »Arisierungs«-Behörden der deutschen Besatzungs335 Angaben nach: Denkschrift Strauchs (als Leiter der TWU), o.D. (Aug./Sept. 1944), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 84; Leistungsberichte des Leiters des AWU für 1943, S. 54 ff., sowie des DAF-Zentralver­lages, seiner Tochtergesellschaften sowie der ZdF für 1943 (Anm. 134). 336 Gegründet worden war das Unternehmen 1878 durch zwei nach den späteren NSRassege­set­zen als »Juden« klassifizierte Niederländer (Simons und Edersheim). Es firmierte zunächst als Papierwaren- und Cartonnagefabrik Ph. Simons & Co., seit 1921 als »N.V. Esveha v/h Ph. Simons & Co.«. 337 Anfang Sept. 1940 hatte ein bis dato leitender Angestellter des Unternehmens (B.L.E. Casselmann) das Vor­kaufsrecht auf sämtliche Aktien der Gesellschaft erhalten. Die »Wirtschaftsprüfstelle« der deutschen Besatzungsmacht hatte dies auf Basis der »Wirtschaftsentjudungsverordnung« Nr. 48/1941 Anfang Okt. 1941 zunächst genehmigt. Sie zog diesen Bescheid jedoch Anfang März 1943 zurück, weil »die Genehmigung unter Anführung irreführender Angaben beantragt«, d. h. vermutlich mit dem Einverständnis der jüdischen (Vor-)Be­sitzer gestellt worden sei. Die für die Überwachung einer ›korrekten‹ Beraubung der niederländischen Juden zuständige »Wirtschaftsprüfstelle« ordnete daraufhin »eine erneute Arisierung des Unternehmens an«. Das Unternehmen ging anschließend an die »Niederländische Aktiengesellschaft für die Abwicklung von (jüdischen) Unternehmen« (NAGU) zurück, die ihrerseits die ›Esveha‹ B.L.E. Cassel-

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macht offenbar Zweifel hatten, ob die erste »Arisierung« nicht im heimlichen Einverständnis mit den jüdischen (Vor-)Besitzern geschehen war, verfügten sie drei Jahre später ein zweites Mal die »Arisierung«, nun an einen Käufer, der über den Verdacht erhaben war, er könne mit den jüdischen Vorbesitzern ein heim­ liches Einvernehmen geschlossen haben – an die Arbeitsfront und ihren Zentralverlag.338 Der Zentralverlag gründete das Unternehmen im Spätsommer 1943 als »ENVEHA. N.V. Maatschappij voor Papierveredelung« nominell neu und ließ dort fortan »Geschäftsbücher, Briefhüllen, Schreibhefte und sonstige Bedarfsartikeln des Schreibwarenhandels« herstellen. Angeschlossen waren dem Unternehmen eine Papierwarengroßhandlung sowie teilweise im Besitz einer Tochtergesellschaft, der »N.V. de Koning«, befindliche Buchläden in Amsterdam und Den Haag. 1943 und 1944 waren knapp 400 Arbeiter und Angestellte für die ENVAHA tätig. Bis zum Herbst 1944 liefen alle Betriebe des niederländischen Unternehmens auf vollen Touren.339 Danach wurde die Produktion sukzessive eingestellt. Angesichts der vorrückenden alliierten Truppen begann die DAF damit, »Waren und Maschinen« der ENVAHA in den scheinbar sicheren Osten der Niederlande abzutransportieren. Anfang 1945 nahm diese »Aktion« zwar einen »erfreulichen Verlauf« und wurde »zügig weiterbetrieben«. Ihren Zielort Groningen, wo die Produktion wieder aufgenommen werden sollte, scheinen diese Transporte jedoch nicht erreicht zu haben.340 Die Zahl der Beschäftigten des gesamten Druck- und Verlagsimperiums der DAF dürfte Mitte 1943 bei mindestens drei- bis fünftausend Arbeitern und Angestellten gelegen haben. Das war viel im Vergleich zum Bertelsmann-Verlag, dessen Belegschaft 1943 gut 200 Arbeit­nehmer zählte. Zieht man dagegen die mann einige Tage später an die Vermögensverwaltung der D.A.F. GmbH veräußerte. Vgl. Kaufvertrag zwischen der NAGU und TWU sowie der Vermögensverwaltung der DAF über den Kauf der »N.V. Esveha v/h Ph. Simons & Co., jetzt genannt Firma ›Esveha‹ B.L.E. Casselmann in Den Haag« vom 9. Sept. 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 53. 338 Am 14. Dez. 1943 traten TWU und Vermögensverwaltung der DAF das Unternehmen an die N.V. Maatschappij voor Papierveredeling‚ Enveha AG, Den Haag, ab, deren Eigentümer wiederum die Hanseatische Druckerei war, die ihrerseits seit Febr. 1943 im hundertprozentigen Eigentum des DAF-Zentralverlags war. Vgl. Vertrag, in: ebd. 339 Der Umsatz der ENVAHA, die »als erstes deutsches Papierverarbeitungswerk in den Niederlanden« galt und das Privileg besaß, unmittelbar »von der Rüstungsinspektion in den Niederlanden betreut« zu werden, lag bei 3 Mio. fl. Im Jan. 1944 wurde die ENVAHA zum »Sperrbetrieb« ernannt, der bevorzugt mit Rohstoffen und Arbeitskräften ausgestattet wurde. Vorstandsvorsitzender des Unternehmens war Ludwig Spoerhase, der auch die HAVA-Drucke­rei leitete. Vgl. Jahresbericht der ENVEHA. N.V. Maatschappij voor Papierveredelung, Den Haag für 1943 (vom 16. Febr. 1944), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 53 bzw. Nr. 55; ferner Leistungsberichte des Leiters des AWU für 1943, S. 54 f., sowie des DAF-Zentralver­lages, seiner Tochtergesellschaften und der ZdF für 1943 (Anm. 134). 340 Vgl. Geschäftsleitung der HAVA an den Leiter des AWU vom 20. Febr. 1945, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55.

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die verlage

35.000 Beschäftigten des Eher-Verlages zum Vergleich heran, wirkt die Gesamtbelegschaft des DAF-Druck- und Verlags­kon­zerns doch recht überschaubar. An der Aufteilung des Hanseatischen Unternehmenskomplexes partizipierte der Zentralverlag der Arbeitsfront zwar auch unmittelbar, da die HAVA 43 Titel an berufsbildenden Schriften und zudem die auflagenstarke Zeitschrift »Deutsche Kaufmannspraxis« an ihn abtreten musste. Alles in allem jedoch war der Verlust der beiden großen ehemaligen DHV-Verlage sowie der beiden kleineren Verlagshäuser in Karlsbad (Adam Kraft Verlag) bzw. Wien (Verlagsanstalt) gleichfalls An­f ang 1943 sowie die Schließung der Büchergilde Gutenberg im Herbst des letzten Kriegsjahres für die DAF-Führung um Ley herb. Aus einem breit aufgestellten Verlagkonzern, der so ziemlich alle relevanten Segmente des deutschen Buchmarktes abgedeckt hatte, war ein auf die politischen Belange der Arbeits­front zurückgestutzter Organisationsverlag geworden. Der Rest ist kümmerliche Episode. Nachdem der Vormarsch der Alliierten in Frankreich nicht zu stoppen war, verfügte Strauch die Schließung fast aller noch funktionstüchtigen Verlags- und Druckereigesellschaften. Lediglich der Zentralverlag sollte »in wesentlich beschränktem Umfange weitergeführt« werden. Aber auch aus diesem Unternehmen wurden im Spätsommer 1944 etwa 450 der verbliebenen Arbeiter und Angestellten, d. h. etwa die Hälfte der Belegschaft, für die letzten verzweifelten militärischen Anstrengungen des NS-Regimes freigestellt.341 In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges degenerierte der Zentralverlag immer sichtbarer zu einem ›Zentral­amt‹ der Berliner Arbeitsfront, das die verbliebenen Zeitschriften und Publikationen der DAF druckte und daneben der Zentrale der Frontbuchhandlungen bei verlegerischen Aufgaben zur Hand ging. Mit dem völligen Zerfall der Arbeitsfront in den letzten Wochen des Dritten Reiches stellte auch der Zentralverlag seine Tätigkeit ein.

341 Vgl. Denkschrift Strauchs (als Leiter der TWU), o.D. (Aug./Sept. 1944), in: ebd., Nr. 84.

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6. Von den Konsumgenossenschaften zum Deutschen Gemeinschafts­werk Von den Konsumgenossenschaften zum Gemeinschafts­werk 6.1. Die Konsumgenossenschaften bis zum Mai 1933 Im Kaiserreich und während der Weimarer Republik Konsumvereine sind Genossenschaften zum gemeinschaftlichen und damit verbilligten Bezug von Lebens-, vor allem Nahrungsmitteln. Die Wurzeln der Konsumgenossenschaften oder Konsumver­eine reichen weiter zurück als die der Bank der Deutschen Arbeit, der Versicherungsgesellschaften, der Verlage des DHV oder der Büchergilde Gutenberg. Im Unterschied zur Volksfürsorge, zur Arbeitsbank und zur Büchergilde besaßen die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen und seit den sechziger Jahren überregional zusammengefassten Konsumgenossenschaften anfangs außerdem kein proletarisches, sondern eher ein mittelständisch-bürger­liches Gepräge. In den freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie stießen die Konsumvereine erst ab dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auf eine dann allerdings rasch wachsende positive Resonanz. 1910 rang sich die SPD auf einem Parteitag zur förmlichen Anerkennung der Konsumvereine durch;1 bereits 1905 hatten die Gewerkschaften die Konsumvereine als »Mittel zur Erhöhung der Lebenshaltung« bezeichnet, ihre Mitglieder zum Beitritt aufgefordert und erklärt, »die Genossenschaftsbewegung in Deutschland aufs tatkräftigste unterstützen« zu wollen.2 Ähnlich wie die Gewerkschaften waren auch die Konsumgenossenschaft gespalten, in den den freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie nahestehenden »Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften« (ZdK; seit 1903) und den kleineren, den christlich-nationalen Gewerkschaften nahestehenden »Reichsverband deutscher Konsumvereine e.V.« (seit 1913). Wichtig im hier interessierenden Kontext ist, dass 1894 eine »GroßeinkaufsGesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften m.b.H.« (GEG) mit Sitz in Hamburg gegründet worden war. Sie verblieb nach 1903 beim Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften. Die GEG, der seit 1910 wiederum zahlreiche genossenschaftlich organisierte Fabriken für Nahrungsmittel aller Art, aber auch für Tabak, Seifen, Streichhölzer u.ä., sowie außerdem Güter und Warenlager assoziiert waren, blieb auch im Dritten Reich unter dem neuen Namen 1 Auf dem Berliner Parteitag von 1892 hatte die SPD den Konsumgenossenschaften die Anerkennung noch verweigert. Bis zur Gründung des ZdK 1903 waren die Konsumvereine im mittelständisch geprägten »Allgemeinen Verband der deutschen Konsumgenossenschaften« zusammengefasst gewesen. 2 Fünfter Kongress der Freien Gewerkschaften, nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 28. Einen guten Überblick über die Geschichte der Konsumgenossenschaftsbewegung bietet Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 11-46.

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Deugro eine Art Schaltzentrale der Konsumvereine, allerdings nun unter ganz anderen politischen und binnenorganisatorischen Vorzeichen. Erst als die Verbrauchergenossenschaften 1941 in die Hände der Arbeitsfront übergingen, verlor sie diese Bedeutung. Noch vor 1914 gelang den im Zentral- bzw. Reichsverband zusammengefassten und durch die Gründung der GEG bzw. die zum Reichsverband gehörige Großeinkaufs- und Produktionsaktiengesellschaft (GEPAG) in Köln zu zwei kompakten Blöcken verschmolzenen Konsumvereinen ein rasanter Aufschwung. Dieser Aufstieg wurde durch Weltkrieg und Inflation kaum unterbrochen. Während des Ersten Weltkrieges erfüllten die Verbrauchergenossenschaften zudem im Rahmen der Versorgung der deutschen Armeen mit Nahrungsmitteln wie der Lebensmittelverteilung wichtige Funktionen – ein Umstand, der ab 1933 zu einem wichtigen Argument für ihren organisatorischen Erhalt wurde. Zum Zeitpunkt der Währungsstabilisierung lag der Umsatz der Konsumgenossenschaften bei knapp sechs Prozent des gesamten »Fachhandels mit Nahrungs- und Genussmitteln«. Innerhalb der folgenden fünf Jahre kletterte dieser Anteil auf etwa zehn Prozent. Absolut verdreifachte sich der Umsatz der Konsumgenossenschaften zwischen 1924 und 1929 sogar (Tabelle 4.1). Zwar sank der Umsatz der Konsumgenossenschaften danach absolut deutlich (bis 1932 um 36,3 %). Da die Gesamtumsätze der Branche aber noch stärker schrumpften, erhöhte sich ihr relatives Gewicht innerhalb des gesamten Einzelhandels während der Krise weiter. Nach unterschiedlichen Angaben lag ihr Anteil am gesamten deutschen »Fachhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln« auf dem Höhepunkt der Krise bei 10,4 % bis 12,9 %.3 Dass die Mitgliederzahl der Konsumvereine von 3,8 Mio. auf 3,5 Mio. (Tabelle 4.1) leicht zurückging, ändert an diesem innergewerblichen Bedeutungsgewinn der Konsumgenossenschaften nichts. Hilflos im Visier einer aggressiven Mittelstandsbewegung (1932/33) Dieser  – von Konsumgenossenschaften selbst gar nicht angestrebte  – krisen­ beding­te Bedeutungsgewinn war politisch fatal. Denn er verstärkte die traditionellen Ängste des von der wirtschaftlichen Depression massiv gebeutelten, selbständigen Einzelhandels und dessen Hassgefühle auf die rationeller wirtschaftenden genossenschaftlichen Verbrauchervereine weiter. Die kleinen Selbständigen wiederum waren bis 1933 eine wichtige Klientel der Nationalsozialisten. Neben dem vehemen­ten Kampf gegen die angeblich »verjudeten« Kaufhäuser war die ideologisch abgrundtiefe Feindschaft gegen die Konsumgenossenschaftsbewegung und deren möglichst umgehende Beseitigung ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der NS-Mittelstandsbewegung. Da die Geschäfte der Konsumvereine öffentlich präsenter waren als z. B. die Filialen der Arbeits3 Angaben zu den Anteilen am gesamten Lebensmitteleinzelhandel nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 454 f., bzw. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 39.

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bank, hatten sie be­reits vor der »Machtergreifung« stärker unter Übergriffen durch SA und den »Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes« unter Theodor Adrian v. Renteln4 zu leiden als die vergleichsweise wenigen Zweigstellen der Volksfürsorge oder der Arbeitsbank. Seit Januar 1933 gingen SA-Leute dazu über, willkürliche und mit gewaltsamen Übergriffen gepaarte »Durchsuchungen« der Verkaufs­stellen von Konsumgenossenschaften vor allem des Zentralverbandes vorzunehmen. Zugleich suchte die NS-Bewegung seit 1931/32 mit »Kampfgemeinschaften gegen Warenhäuser und Konsumvereine« deren Mitglieder und Kunden zu verschrecken und diese den Genossenschaften abspenstig zu machen.5 Der deutliche und schon bald existenzgefährdende Rückgang sowohl des Um­satzes als auch der Mitglieder und ihrer Spareinlagen bei den Konsumgenossenschaften (Tabel­le 4.1) ist wesentlich auf das aggressive Auftreten der NSMittel­standsbewe­gung zurückzuführen. Die – mit Blick auf ihren Mitglieder- und Kundenstamm keineswegs nur auf das proletarische Milieu beschränkten6  – Verbrauchergenossenschaften selbst reagierten auf diese Angriffe uneinheitlich. Nur wenige der Protagonisten des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften wagten offenen Widerspruch; viele waren eingeschüchtert, manche reagierten bereits in den ersten Wochen nach der NS-Machtergreifung opportunistisch. Am 27. März 1933 knickte der sozialdemokratisch orientierte Zentralverband dann endgültig ein. In einer auch öffentlich bekannt gemachten Eingabe an den neuen Reichskanzler und Führer der NS-Bewegung erklärte er, »unein­geschränkt und selbstlos« zur Mitarbeit im »neuen Staat« bereit zu sein.7 Übertroffen wurde der Zentralverband in seinen Anpassungsbestrebungen noch durch den kleineren christlich-nationalen Reichsverband deutscher Konsumvereine. Dieser habe sich »der NSDAP schon 1932 re­gelrecht angebiedert« (Ulrich Kurzer).8 4 Renteln (1897-1946), der seit Nov. 1932 den NS-Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes bzw. die NS-Ha­go führte, wurde von Ley ab Jan. 1934 in die DAF eingebunden. Er stand bis Ende Mai 1939 den Reichsbetriebsgemeinschaften »Handwerk« sowie »Handel« vor und wurde danach Leiter des Hauptarbeitsgebiets »Handel und Handwerk« der DAF. 5 Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 60-73; Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 47-72. 6 Der Anteil abhängig Beschäftigter aus gewerblichen Berufen, d. h. vor allem Industrie­ arbeiter, Angestellte und Gesellen, an der Gesamtheit der im ZdK organisierten 2,9 Mio. Mitglieder lag 1932 bei 69 %; die selbständig Gewerbetreibenden stellten 4,6 %, Landwirte und Landarbeiter jeweils 2,4 %, Angehörige freier Berufe sowie Beamte 9,4 % der ZdK-Mitglieder, 12,2 % waren Rentner, Privatiers etc. Im Gründungsjahr des ZdK 1903 hatte der Anteil abhängig Beschäftigter aus gewerblichen Berufen an der Gesamtheit der ZdK-Mitglieder noch bei 78,3 % gelegen, um danach kontinuierlich abzusinken. Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 422 f. Der kleinere Reichsverband deutscher Konsumvereine dürfte noch stärker die allgemeine Sozialstruktur gespiegelt haben. 7 Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 422 f. bzw. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 87. Vgl. ferner ebd., S. 28 f., 92. 8 Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 74. Vgl. zur Übernahme schließlich auch

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Entgegen den Hoffungen der mittelständischen Sympathisanten des Nationalsozialismus schreckte das vierte Präsidialkabinett unter dem Reichskanzler Hitler davor zurück, die Konsumgenossenschaften in einem radikalen Schritt sofort aufzulösen. Maßgeblich waren dafür ähnliche Gründe, die auch zum Abbruch des Boykotts jüdischer Geschäfte Anfang April 1933 geführt hatten: Das Ausland sollte nicht durch anhaltende und unkontrolliert massive Übergriffe aufgestört und die ohnehin schwierigen ökonomischen Konstellationen durch eine allzu rasche Auflösung der Konsumvereine nicht weiter erschüttert werden. Zudem fürchtete man angesichts der etwa 50.000 Arbeiter und Angestellten, die bei den Konsumgenossenschaften (Tabelle 4.2) beschäftigt waren, dass die anfangs ohnehin nur statistisch-optisch gebändigte hohe Erwerbslosigkeit9 erneut deut­lich ansteigen würde. Um die »erheblichen Schwierigkeiten« und eine weitere »Beunruhigung des Kreditapparates« auszuschließen, ordnete Hitler am 25. April 1933 während einer Kabinettssitzung ausdrücklich an, »dass ein Angriff gegen die Konsumgenos­sen­schaften nicht unternommen werden solle«.10 Das Reichswirtschaftsministerium legte zudem fest, dass weiterhin Kredite zur Stützung der geschwächten Konsumgenossenschaften gewährt werden durften.11

6.2. 1933 bis 1940: Vergebliche Versuche, die Hegemonie über die Verbrauchergenossenschaften zu erlangen Die DAF als unfreiwilliger »Retter« der Konsumgenossenschaften Vorläufig gesichert wurde das Überleben der Konsumgenossenschaften, deren führende Repräsentanten am 2. Mai 1933 relativ glimpflich behandelt wurden,12 durch Auftritte Robert Leys im unmittelbaren Kontext der Gründung der DAF. Die Leitung des »Aktionskomitees zum Schutz der deutschen Arbeit« hatte Ley auch zu einer der entscheidenden Figuren gemacht, die über das weitere Schicksal der Konsumgenossenschaften zu befinden hatten. Drei Tage nach der Besetzung der Gewerkschaftshäuser, die den Endpunkt der Zerschlagung der 9 10

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antisemitischer Rhetoriken durch den Reichsverband außerdem Korf, Konsum­ genossenschaftsbewegung, S. 86 f. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Arbeitsmarkt und Arbeitszeit in der deutschen Industrie 1929 bis 1939, in: AfS, XXVII/1987, S. 177-227. hier: S. 185 ff. Zur Politik des Kabinetts Hitler gegenüber den Konsumgenossenschaften über den Zeitraum Febr. bis April 1933 vgl. ausführlich Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 88-98, Zitate nach: ebd., S. 92, 95 f., sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 88 f. Hintergrund dieser Wende war die Drohung des Vorstandes der ZdK am 22. März 1933, angesichts der »maßlosen Angriffe gegen die Konsumgenossenschaften und ihre Sparkassen […] ihre Sparabteilungen zu schließen und die Auszahlung von Spareinlagen einzustellen« – eine Erklärung, die Befürchtungen an eine (nach dem Juli 1931) erneute Bankenkrise wach werden ließ. Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 93. Vgl. ebd., S. 96 f., 103 f. Vgl. ebd., S. 132.

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organisierten Arbeiterbewegung markierte, am 5. Mai 1933, war Ley von Hitler mit der »Abwicklung« der Konsumgenossenschaften beauftragt worden.13 Am 8. Mai traf Ley mit dem seit 1931 amtierenden Hauptvorstand des Zentralverbands deutscher Konsumvereine Henry Everling14 zusammen. Es waren gewiss nicht allein die guten volkswirtschaftlichen Argumente Everlings, die den angesichts der widerstandslosen Besetzung der Gewerkschaftshäuser und der damit vollendeten Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung siegestrunkenen Ley davon abbrachten, die sofortige Auflösung der Konsumvereine zu betreiben.15 Maßgeblich für das Weiterbestehen der Verbraucher­ genossenschaften war der Pragmatismus der NS-Führung, zunächst vor allem die Furcht, durch übereilte wirtschaftspolitische Maßnahmen das Hitler-Regime, das zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs sicher im Sattel saß, unnötig zu destabilisieren. Mit dem Gespräch zwischen Everling und Ley am 8. Mai 193316 war die Existenz der Konsumgenossenschaf­ten zwar noch nicht endgültig gesichert. In den folgenden Tagen und Wochen nahmen führende Funktionsträger des NS-Regimes jedoch entscheidende Weichenstellungen vor. Der Völkische Beobachter berichtete am 12. Mai 1933 von einem Gespräch zwischen Hitler und Ley am Vortage, an dem vermutlich auch Hugenberg als RWM teilgenommen hatte. Ergebnis dieses Gesprächs sei gewesen, dass die offiziell immer noch langfristig geplante »Abwicklung« der Konsumgenossenschaften in »sichere Hände« gelegt werden solle, nämlich in die Leys und (als dessen Beauftragter:) Karl Müllers. Müller, der als Mitglied des »Aktionskomitees zum Schutz der deutschen Arbeit« für die Beschlagnahme gewerkschaftlicher Bankkonten und des gewerkschaftlichen Immobilienbesitzes zuständig war und kurz zuvor die Leitung der freigewerkschaftlichen Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten übernommen hatte, fungierte nun auch als »Beauftragter der DAF 13 Vgl. VB vom 12. Mai 1933. 14 Everling (1873-1960), 1919 kurzzeitig in Hamburg Senator, war seit 1902 eine der führenden Persönlichkeiten der Hamburger Konsumgenossenschaft »Produktion« und seit 1913 deren Geschäftsführer. Mit seiner Berufung im Juli 1921 zum Geschäftsführer im Hauptvorstand der GEG stieg er zur zentralen Persönlichkeit des ZdK auf. Nach der Übernahme des ZdK durch die DAF fungierte er von Mitte Mai 1933 bis Okt. 1935 als »Beauftragter« des von der Arbeitsfront eingesetzten neuen Leiters der Konsumgenossenschaften Karl Müller, für den ZdK bzw. den aus jenem hervorgegangenen »Reichsbund deutscher Verbrauchergenossenschaften«. Nach seiner Ablösung im Herbst 1935 war Everling mehrfach kurzzeitig in Haft. 1946/47 gehörte er dem Zonenbeirat der Britischen Zone als Mitglied an. In der Bundesrepublik war er führend am Wiederaufbau der Konsumgenossenschaften beteiligt; seit 1948 war er Mitglied im Leitenden Ausschuss des Internationalen Genossenschaftsbundes. Darüber hinaus war er der erste Nachkriegsvorsitzende der aus den Trümmern der DAF-Volks­f ür­sorge wiedererrichteten »Alten Volksfürsorge«. 15 So die auf Selbstzeugnissen beruhende Darstellung Bludaus (NS und Genossenschaften, S. 111 f.) und Hasselmanns (Konsumgenossenschaften, S. 462). 16 Zu diesem Gespräch, an dem neben Everling und Ley auch Erich Grahl (Anm. 18) teilnahm, vgl. vor allem Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 97-100, sowie (neben Bludau und Hasselmann) Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 107.

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für die Konsumgenossenschaften«.17 Er löste Erich Grahl, einen nationalsozialistischen Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft,18 als ›starken Mann‹ innerhalb der GEG ab, der am 5. Mai zum Staatskommissar ernannt worden war, sich jedoch nur wenige Tage in der Illusion wiegen durfte, zur zentralen Figur innerhalb der deutschen Konsumgenossenschaften geworden zu sein. Grahl, seit dem 9. Mai Geschäftsführer der GEG, und Everling »unterwarfen sich« am 22. Mai namens des Vorstandes des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften »für sich und für sämtliche ihrem Verband angeschlossenen Konsumgenossenschaften unwiderruflich und unbedingt der Befehls- und Verfügungsgewalt des Führers der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, und des von ihm als Beauftragten für die Konsumgenossenschaften ernannten Pg. Karl Müller«.19 Nach außen hin hatten sich zwar auch die DAF-Verantwort­ lichen der Forderung nach einer möglichst raschen »Abwicklung« der Genossenschaften angeschlossen. Tatsächlich dachten sie jedoch anscheinend bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ernsthaft daran. Die Führung der noch im Entstehen begriffenen Arbeitsfront sah in der Übernahme der Verbrauchergenossenschaften offenbar vielmehr die Chance, im Einzelhandel als einem zentralen wirtschaftlichen Feld Einfluss zu gewinnen.20 In die »Unterwerfung« Everlings und Grahls waren Reichsministerien und andere Institutionen des NS-Regimes freilich nicht eingebunden; sie war mithin nur von begrenztem politischen Wert. Auch die durch den Austritt von Mitgliedern und die fortdauernde Auszahlung von Spareinlagen21 zunehmend 17 Vgl. Anordnung Leys vom 15. Mai 1933 (»Neuregelung bei den Konsumvereinen – gerechter Ausgleich mit dem Mittelstand«), in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10525, Bl. 131. Vgl. außerdem Pressemitteilung Leys vom 9. Juni 1934, mit der er die befristete Funktion Müllers als »Beauftragter der DAF für die Konsumgenossenschaften« verlängerte (in: ebd., Bl. 129). 18 Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 133. Grahl (1896-?), außerdem Vorstandsvorsitzender der Mannheimer »AG. für Tabakhandel«, war vom Hamburger NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann als Staatskommissar für die GEG eingesetzt worden. Als Stellvertreter Müllers wurde Robert Schloesser eingesetzt. Schloesser (1892-1939), seit 1924 geschäftsführendes Vorstandsmitglied des christlich-nationalen »Reichsverbandes der deutschen Konsumvereine« und angeblich ein Schulfreund Leys, war im Frühjahr 1933 in die NSDAP eingetreten. Zum ganzen Vorgang ausführlich: ebd., S. 108-115, sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 100-106. 19 Erklärung von Everling und Grahl vom 22. Mai 1933, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 15780. 20 Ein Ministerialbeamter aus dem RWM stellte jedenfalls in einem längeren Schreiben an die Reichskanzlei vom 26. Mai 1933 fest, Leys Beauftragter Müller habe dazu »in einer Besprechung vom 24. Mai 33 unzweideutig erklärt, dass diese Formulierung nur taktischen Bedürfnissen entsprochen habe und an der Notwendigkeit der Aufrecht­ erhaltung der Konsumgenossenschaften, schon wegen ihrer Eigenschaft als preisregulierende Faktoren, kein Zweifel bestehen könne.« In: ebd. 21 Angesichts der Massenerwerbslosigkeit waren die Spareinlagen bereits auf dem Höhepunkt der Krise dramatisch um 122 Mio. RM (beide Reichverbände) zurückgegangen. Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 43 f. Nach einem Vermerk aus dem RWM vom 12. Mai 1933 (in: BA Berlin, R 3101, Nr. 15780) waren die Spareinlagen sämtlicher Konsumgenossenschaften bis zu diesem Zeitpunkt auf 220 Mio. RM ge-

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prekäre Situation der Konsumgenossenschaften wurde durch verbale, mit dem Signum der Vorläufigkeit versehene Bestandsgarantien des RWM und anderer sowie durch ein weitreichendes personelles Revirement22 nicht behoben. Mit einigen konkreten Maßnahmen gelang es allerdings, die existenzbedrohende Krise der Konsumgenossenschaften vorerst zu stoppen: Am 12. Mai 1933 wies das Geheime Staatspolizeiamt darauf hin, dass die am 9. Mai von der Ber­liner Generalstaatsanwaltschaft (Landgericht I) verfügte Beschlagnahme des Ver­ mögens der SPD, des Reichsbanners und der sozialdemokratischen Presse die Verbrauchergenossenschaften nicht einschließe. Bis zum 23. Juni 1933 erhielten die Konsumgenossenschaf­ten 14 Mio. RM Reichskredite, weil der Zusammenbruch der großen Berliner Konsumgenossenschaften unmittelbar bevorzustehen schien und die Reichsbank »Erschütterungen, die unter Umständen den allgemeinen Sparkassenverkehr in Mitleidenschaft ziehen können«, unbedingt abwenden wollte.23 Ende Juni wurde ein weiterer Reichskredit in Höhe von 6 Mio. RM für die Konsumgenossenschaften bewilligt. Karl Müller als der kommissarische Chef der Verbrauchergenossenschaften hatte bereits zuvor konstatiert, dass »die Konsumgenossenschaften aus dem deutschen Wirtschaftsleben nicht mehr ausgeschaltet werden« könnten. Ein entscheidendes Argument Müllers war, dass »die deutschen Verbrauchergenossenschaften […] ihre Lebensberechtigung gerade auch im letzten Kriege auf das Evidenteste dargetan haben«. Hinzu träte ihre volkswirtschaftlich wichtige Funktion als »preisregulierende Stellen«. Allein deshalb müssten die Konsumvereine erhalten werden; allerdings seien sie »in die Deutsche Arbeitsfront sunken; d. h. sie lagen deutlich unter dem Niveau, das sie Ende 1933 wieder erreichen sollten (230,5 Mio. RM; vgl. Tabelle 4.1). Zu den anschließenden Restriktionen bei der Rückzahlung der Einlagen  – max. 50 RM monatlich  – und den dadurch bedingten Konflikten ausführlich: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 117 f., 185-188. 22 Dazu gehört auch die Einsetzung von »Beauftragten der Partei« in den Konsumver­ einen seit Mitte Mai. Vgl. ebd., S. 137-140, sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 107 ff. Folgt man Schumann (NS und Gewerkschaftsbewegung, S. 86) waren viele dieser Kommissare NSBO-Funktionäre, die sich auf diese Weise Posten und soziales Ansehen sicherten. Der Austausch des Personals beschränkte sich weitgehend auf die Führungsebene; die meisten einfachen Beschäftigten wurden nicht durch »Alte Kämpfer« ersetzt, sondern blieben auf ihren Arbeitsplätzen, auch zahlreiche Frauen und »politisch vorbelastete« Angestellte. 23 Zitat: Vermerk des Ministerialbeamten Reichardt für Hugenberg vom 13. Juni 1933, S. 3, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10580. Rechtliche Grundlage für die Kredite war ein Passus in der Notverordnung vom 27. Juli 1931, nach dem das Reich Bürgschaften über gesicherte Liquiditätskredite in einer Höhe bis zu 25 Mio. RM übernehmen konnte. Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 118-122. Verantwortlich für die Krise der Konsumgenossenschaften war außerdem »die Luderwirtschaft der Faschisten«, so die SoPaDe-Berichte (1934, S. 245 f.), mit mehreren Beispielen. Plausibel ist diese Feststellung deshalb, weil der ZdK die durch den dramatischen Rückgang der Spareinlagen bewirkte Liquiditätskrise bis Ende 1932 aus eigener Kraft bewältigen konnte, »eine Liquiditätsleistung, die auf eine gesunde Basis und auf eine solide Geschäftsführung schließen lässt«. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 45.

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einzugliedern«.24 Mit Verweis auf ihre zentrale Rolle für die Lebensmittelverteilung im Kriegsfalle sowie ihre preisstabilisierende Bedeutung in Phasen der Nahrungsmittelknappheit hatte Müller eine Argumentationslinie vorgegeben, die in der Folgezeit den grundsätzlichen Erhalt der Verbrauchergenossenschaften möglich machen sollte. Umstritten blieb dagegen ihre Eingliederung in die DAF. Förmlich unterstellt wurden die Konsumvereine der Arbeitsfront bereits am 15. Mai 1933.25 Ein Vierteljahr später wurden die beiden Spitzenverbände im »Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften« zwangs­f usioniert.26 Das Personal tauschten die maßgeblichen neuen Herren zunächst nur in begrenztem Umfang aus, wohl wissend, dass »wir eine gewisse Kontinuität halten müssen […], weil wir die Mitglieder nicht entfremden dürfen, denn die Mitglieder sind Käufer und ohne Käufer keine Konsumgenossenschaft«.27 Die Zahl der Entlassenen ging zwar in die Tausende. Dennoch gehörten Ende 1933 noch neun von zehn Angestellten und Arbeitern der Konsumgenossenschaften zu den »Alten«; sie hatten freilich teilweise erhebliche Gehaltskürzungen zu gewärtigen.

24 Zitate: Müller an das RWM, vom 18. Mai bzw. 24. Juni 1933, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10580. Mit dem »wehrpolitischen Wert« der Konsumvereine, den diese im Ersten Weltkrieg unter Beweis gestellt hätten, argumentierte auch Ley, z. B. im VB vom 30. Juni 1933. Zur kriegswirtschaftlichen Bedeutung der Konsum­genossenschaften zwischen 1914 und 1918 vgl. z. B. Karl Heinz Stuchlik, Die Arbeitsverhältnisse in den deutschen Konsumgenossenschaften von den Anfängen bis 1933, Berlin 1983, S. 52 ff. Hitler selbst war Mitte 1933 unsicher, wie er die Konsumvereins-Frage behandeln sollte: Einerseits sah er sich der zu diesem Zeitpunkt noch starken NS-Mit­telstandsbewegung verpflichtet und wollte die Konsumgenossenschaften »abbauen«; andererseits wusste er, dass »die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln in einer Reihe von Wohngebieten vom Bestand der Verkaufsstellen [der Konsumvereine] abhängig« war. Protokoll der Kabinettssitzung vom 23. Juni 1933, nach: Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933 bis 1938, hg. von Konrad Repgen und Hans Booms. Teil I: 1933/34, Bd. 1: 30. Jan. bis 31. Aug. 1933, Boppard a. Rh. 1983, S. 588. 25 Vgl. Anm. 17. Vgl. außerdem einen Erlass des RWM vom 17. Juli 1933, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 351, Bl. 30 ff. 26 Die Fusion der beiden Spitzenverbände ZdK und RV zum Reichsbund wurde in der Weise vollzogen, dass der deutlich kleinere christlich-nationale »Reichsverband deutscher Konsumvereine« am 21. Aug. 1933 aufgelöst und damit die ZdK faktisch zum Reichsbund erweitert wurde. Sitz der Hauptverwaltung des Reichsbundes war Hamburg. Die GEG firmierte seit dem 14. Aug. 1933 als »Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH (GEG)«, die »Verlagsgesellschaft deutscher Konsumvereine mbH« als »Verlagsgesellschaft der deutschen Verbrauchergenossenschaft mbH«. Betriebe und Vermögen der Kölner GEPAG des alten Reichsverbandes wurden auf die GEG überschrieben. Vgl. entsprechende Bekanntmachungen vom 30. Aug. 1933, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10575, Bl. 68 bzw. 77. 27 So Robert Schloesser (Anm. 18) in einem Referat über »Grundsätzliche Fragen des Konsumgenossenschaftswesens im nationalsozialistischen Staat«, das er auf einer Konferenz der DAF-Bezirksbeauftragen (später: DAF-Gauwalter bzw. -obmänner) am 24. Juni 1933 in Hamburg hielt. Nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 258. Zum Folgenden vgl. ebd., S. 260 f., sowie Tabelle 4.2.

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Von den etwa 7.000 Neueingestellten waren mehr als 4.000 NSDAP-Mitglieder, viele von diesen gleichzeitig in der SA oder SS. Die aggressive Mittelstandskritik an den Konsumgenossenschaften wurde mit der Auflösung des »Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes« am 8. August 1933 und der Überführung seiner Mitglieder in die »Nationalsozialistische Handels-, Handwerks- und Gewerbeorganisation« (NS-Hago), die ihrerseits dann im Oktober 1935 in der DAF-Reichs­be­triebs­gemeinschaft »Hand­werk und Handel« aufging, zwar auf organisatorischem Wege entschärft,28 allerdings keineswegs gänzlich erstickt. Sie schwelte weiter. Leys Konzept einer »Reichsverbrauchergenossenschaft« Ley war 1933 und noch 1934 der festen Überzeugung, die zentrale Verantwortlichkeit für die Ver­brauchergenossenschaften erhalten zu haben. Anfang Juni 1933 raisonnierte Ley vor diesem Hintergrund öffentlich darüber, dass die Konsumvereine langfristig zur »Grundlage des deutschen Handwerks und Mittelstandes« werden könnten.29 Diese frühe, beiläufig in einem längeren Artikel hingeworfene Bemerkung verweist auf den schon mehrfach angesprochenen politischen Totalitätsanspruch der zu diesem Zeitpunkt erst im Entstehen begriffenen DAF.30 Auch gegenüber dem alten Mittelstand wollte Ley die Arbeits­ front zur politisch hegemonialen Organisation machen. Zwei Monate später wurde Ley deutlicher. In der »Konsumgenossenschaftlichen Rundschau« trat er mit einem »Plan zur Umbildung der deutschen Verbraucherbewegung« an die Öffentlichkeit, in dessen Zentrum die Bildung einer »Reichsverbrauchergenossenschaft« stand. Diesen Plan zu erstellen habe ihn der »Führer« beauftragt, erklärte der Chef der Arbeitsfront.31 In der von ihm avisierten Reichsverbrauchergenossenschaft seien sämtliche Konsumvereine zusammenzufassen. Die Verteilerstellen sollten privatisiert werden und an kleine Selbständige übergehen, die Konsumgenossenschaften also ihren Charakter als 28 Die Auflösung des Kampfbundes wurde ausdrücklich mit dem Hinweis begründet, dass mit der »Abwicklung« der Konsumvereine unter der Federführung der DAF auch das zentrale Ziel des Kampfbundes erreicht sei. Vgl. Schumann, NS und Gewerkschaftsbewegung, S. 86. Trotz der Auflösung des Kampfbundes und der Anordnungen Leys, Otto Wageners (der im Juli 1933 seine Funktion als »Reichskommissar der NSDAP für die Wirtschaft« verlor) und v. Rentelns vom 15. Mai 1933 zum Erhalt der Konsumgenossenschaften, der am 6. Juli 1933 noch ein Erlass Röhms folgte, der Übergriffe von SA-Leuten gegen Konsumgenossenschaften verbot, kam es weiterhin zu Repressalien und Angriffen auf Konsumvereine. 29 Robert Ley, Grundsätzliche Gedanken über den ständischen Aufbau und die Deutsche Arbeitsfront, in: VB vom 9. Juni 1933. Vgl. auch Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 150, 171, sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 127 f. 30 Vgl. Einleitung, S. 18 f. 31 In der Tagespresse war dieser Plan Leys gleichfalls ein Thema. Die folgenden Zitate aus der »Konsumgenossenschaftlichen Rundschau« 1933, S. 585 f. Vgl. außerdem Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 171 f., 176 f.

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Genossenschaften wie als Bewegung verlieren, zugunsten einer rein privatwirtschaftlichen Umstrukturierung. Die neue »Zentralgenossenschaft« sollte unbeschränkt expandieren und neue »Läden an den Mittelstand verpachten« können. Die kurz zuvor umgegründete GEG wollte Ley zum ›Herzen‹ seiner Reichsverbrauchergenossenschaft machen. In ihr sollte auch die Einkaufsgenossenschaft des Einzelhandels »Edeka« aufgehen. Die »Zentralgenossenschaft« GEG würde sich dann ihrerseits verpflichten, »in erster Linie Produkte des Handwerks über die Handwerkerinnungen zu kaufen«. Auf diese Weise wäre auch dem von Ley zum Träger eines urdeutschen Gemeinschaftsgeistes stilisierten32 Handwerk gedient, diesem nämlich »ein stabiler Absatzmarkt gesichert«. Außerdem würde so das »Warenhausproblem« schlagartig »gelöst«. Leys Überlegungen waren so diffus wie grundsätzlich: »Das Problem ist ein Gesamtproblem, aus dem man nicht allein einen Einzelkomplex wie die Konsumvereine oder Waren­häuser oder Hebung des Mittelstandes und des Handwerks für sich herausnehmen kann, sondern es ist eine Ganzheit«, die man »immer nur im Hinblick auf die Ganzheit lösen kann«.33 In internen Aufzeichnungen34 sah Ley im Einzelnen vor, dass »die Verbrauchergenossenschaften entweder in einer grossen Reichsverbrauchergenossenschaft oder 13 Landes- bezw. Bezirksverbrauchergenossenschaften (entsprechend den Landes- und Bezirksverbänden der Deutschen Arbeitsfront) zusammengefasst [werden]. Ihre Verteilungsstellen verpachten sie an selbständige Händler. Diese Händler müssen Mitglied der Genossenschaft sein und dürfen auch nur an Genossenschaftsmitglieder verkaufen. Auf dem Firmenschild der Verteilungsstellen stehen dann künftig der Name des Pächters mit einem noch aufzufindenden besonderen Zusatz, der sein Verhältnis 32 Dem Handwerk sollte in der Perspektive des ideologisch mittelständisch orientierten Chefs der Arbeitsfront auch mit Blick auf das eigentliche Industrieproletariat eine zentrale erzieherische (Vorbild-)Funktion zukommen: Erst das von Ley zum Mythos hypostasierte deutsche Handwerk habe die »natürlichen Fähigkeiten unserer Rasse« zur vollen Entfaltung gebracht. Nur durch das Handwerk sei es möglich, »ein neues Arbeitsethos in unser Volk hinein[zu]bringen«, »weil hier noch altes Brauchtum und Gemeinschaftsgeist vorhanden ist«. Rede Leys in Bernau vom 11. Febr. 1937, in: Wilhelm Wernet, Soziale Handwerksordnung, Berlin 1939, S. 452; vgl. Saldern, Mittelstand im »Dritten Reich«, S. 219. 33 Verbunden waren diese Ausführungen mit kräftigen Drohungen Leys gegen jeden, »der von nun an in unverantwortlicher Art Eingriffe gegen die Konsumvereine unternimmt«. Der würde »als ein Feind zu betrachten und dementsprechend zu behandeln« sein. Er »werde solche Elemente rücksichtslos entfernen« und »unschädlich machen«. Rundschreiben Leys vom 8. Sept. 1933, nach: »Konsumgenossenschaftliche Rundschau« 1933, S. 586. Vgl. auch die regionale und überregionale Tagespresse vom 8. Sept. 1933. 34 Alle folgenden Zitate aus: Aufzeichnungen über Leys Konzept einer Reichsverbrauchergenossenschaft, Anlage zu: DAF-Zentralbüro an Ministerialrat Ronde vom RWM vom 29. Aug. 1933, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10575, Bl. 79-81. Vgl. außerdem Robert Ley, Die Konsumvereine im neuen Staat, in: VB bzw. »Der Deutsche« vom 8. Sept. 1933.

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zum Reichsbund ausdrückt. Auch an ein eigenes Abzeichen der Verbraucherund Pachthändler ist zu denken.« In der Reichsverbrauchergenossenschaft sollten »Verbraucher und Händler gemeinsam vorhanden« sein. Ley schwebte eine Art gebundene Marktwirtschaft vor: »Die Händler werden keine freien Händler im Sinne des bisherigen freien Handels mehr sein. Ihnen wird aufgegeben, von der GEG zu beziehen, ferner sind Preise vorgeschrieben«. Hinter diesen Formulierungen  – die noch von diffus-ständi­schen Konzepten geprägt waren, die im Dritten Reich 1933/34 kurzzeitig Konjunktur hatten – standen Ressentiments gegenüber dem vermeintlich ›verjudeten‹ Handel, wie sie sich ähnlich auch bei Hitler finden lassen.35 Unternehmergeist und Marktwirtschaft, deren Funktionalität Ley immer wieder lobte, sollten jedoch keineswegs ausgehebelt, der selbständige Mittelstand lediglich durch einen paternalistisch gestimmten NS-Staat gehegt und geschützt werden.36 Rhetorisch war der Plan einer Reichsverbrauchergenossenschaft ein merkwürdiges Amalgam. Pa­te standen offenbar kriegswirtschaftliche Konzepte, die in Deutschland auch nach 1918 beträchtliche Resonanz gefunden hatten. Mit seiner »gesunden Lösung der Frage der Konsumvereine und Warenhäuser« und damit »der brennenden Fragen des Mittelstandes« suchte Ley in taktischem Kalkül außerdem den ständisch-nostalgischen Haltungen eines selbständigen Mittelstandes entgegenzukommen, der glaubte, durch einen kapitalistischen Marktradikalismus in den Untergang getrieben zu werden. Der Versuch, all diese Aspekte unter einen Hut zu bekommen, erklärt, warum Ley rhetorisch Elemente einer scheinbar verquasten ständischen Ideologie aufnahm. Kurzfristig ging es ihm außerdem vor allem darum, ganz pragmatisch den existentiell gefährdeten Konsumvereinen und genossenschaftlichen Produktionsbetrieben ein Überleben, aber auch dem Handwerk stabile Absatzmärkte zu ermöglichen.37 Es ist deshalb kein Zufall, dass das ständisch anmutende Konzept einer Reichsverbrauchergenossenschaft mit der Entmachtung der NS-Mittelstands­bewe­gung bis 1935 hinfällig wurde. Leys Totalitätsanspruch und Heß’ Werbeverbot: die Niederlage der DAF in der ersten Runde des Kampfes um die Konsumgenossenschaften Schon zuvor hatten die Überlegungen Leys harsche Kritik provoziert, vor allem beim Reichswirtschaftsministerium und beim »Stellvertreter des Führers«, aber auch in den Länderministerien sowie den für den Handel zuständigen wirt35 Vgl. z. B. Adolf Hitler, Mein Kampf, 785.-789. Auflage, München 1943, S. 255 f. 36 Zwar müsse »der Händlergeist kontrolliert werden«, so Ley. Der Handel selbst jedoch gehöre in »eine vom Staat herrührenden Selbstverwaltung«. Diese Selbstverwaltung allerdings solle »weder eine Planwirtschaft sein, da eine solche das Leben ertötet, noch soll sie in eine allgemeine Verwaltung ausarten.« Leys Konzept einer Reichsverbraucher­ genossenschaft (Anm. 34). 37 Vgl. »Der Deutsche« vom 8. Sept. 1933.

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schaftspolitischen Institutionen.38 Alle fürchteten, Ley wolle die Konsumvereine als Reichsverbrauchergenossenschaft zu einem hegemonialen Einhandelskonzern ausbauen. Die breite Kritik dürfte Ley veranlasst haben, seine Pläne umgehend zurückzuziehen.39 Praktisch konterkariert wurden Leys Pläne einer den gesamten alten Mittelstand umfassenden Reichsverbrauchergenossenschaft bereits durch das »Gesetz zum Schutz des Einzelhandels« vom 12. Mai 1933. Dieses Gesetz verbot neben der Errichtung neuer Warenhäuser und Einzelhandelsgeschäfte die Gründung von Verteilerstellen der Verbrauchergenossenschaften.40 Da­ran änderte auch das Gesetz über Konsumgenossenschaften vom 20. Dezember 1933 wenig.41 Zur politisch motivierten Einschnürung der Verbrauchergenossenschaften durch das »Gesetz zum Schutz des Einzelhandels« vom 12. Mai 193342 traten weitere Maßnahmen des »Stellvertreters des Führers«. So untersagte Heß, der die politischen Ambitionen seines Rivalen Ley zu bremsen suchte, den Mitgliedern der NSDAP in einer Anordnung vom 27. Juni 1933, für die Konsumvereine zu werben.43 Um wiederum unkontrollierte Denunziationen gegen die Anfang Mai 1933 eingesetzten lokalen und regionalen »Beauftragten« der DAF bei den Konsumgenossenschaften – in der Regel »Alte Kämpfer« – auszuschließen, ordneten Heß und Ley am 4. Juli 1933 gemeinsam an, dass »Einzelaktionen« gegen diese Beauftragten oder einzelne Verbrauchergenossenschaften »strengstens verboten« seien. Das änderte freilich nichts daran, dass in den folgenden Monaten Organisationen und Angehörige des alten Mittelstands »einen unausgesetzten Kampf 38 Vgl. den Schriftwechsel in: BA Berlin, R 3101, Nr. 19575, bes. Bl. 140-143, 152-154; ausführlich außerdem Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 178-184, das folgende Zitat: S. 183. 39 Noch einmal holte der Leiter der DAF den Plan einer Reichsverbrauchergenossenschaft Ende Mai 1934 kurzzeitig hervor. Vgl. ebd., S. 218 f. Danach verschwand er endgültig in der Schublade. 40 Die Bestimmung war freilich nicht strikt: Sofern »ein Bedürfnis« vorlag, durften durchaus neue Geschäfte gegründet werden. Seit einer Verordnung vom 23. Juli 1934 war Konsumgenossenschaften die Errichtung neuer Filialen mit Einschränkungen auch förmlich wieder erlaubt. Die Laufzeit dieses als »Übergangsregel« konzipierten Gesetzes sollte Anfang Nov. 1934 enden; sie wurde jedoch in der Folgezeit mehrfach verlängert. 41 Das Gesetz vom 20. Dez. 1933 modifizierte das bis dahin gültige Gesetz vom 20. Mai 1898 kaum  – ein Indiz dafür, dass das Schicksal der Konsumgenossenschaften noch nicht entschieden war und das NS-Regime sich alle Möglichkeiten offenhalten wollte. Zum Gesetz vom 20. Dez. 1933 und seinen Vorläufern vgl. als knappen Überblick eine Denkschrift vom 11. Febr. 1949 aus dem Archiv des ehem. RFM über »Die Beseitigung der Verbrauchergenossenschaften (Konsumvereine)«, S. 1 f., in: BA Berlin, R 2 Anhang, Nr. 23. 42 Negative Effekte hatte ferner das »Gesetz über Preisnachlässe« vom 25. Nov. 1933, das den Maximalsatz der Rückvergütung der Höhe des Rabattes auf die im Einzelhandel üblichen drei Prozent festsetzte und damit den Konsumgenossenschaften einen wichtigen Konkurrenzvorsprung nahm. 43 Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 196. Die folgende Anordnung Leys und Heß’ nach: ebd., S. 197, bzw. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 109 f.

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gegen meine Beauftragten« führten und vor »starken Druckmitteln« nicht zurückscheuten, wie Müller als »Beauftragter für die deutschen Verbraucher­ genossenschaften« beispielsweise am 14. Dezember 1933 dem Braunschweigischen Ministerpräsidenten klagte.44 Von den Konsumgenossenschaften selbst war kaum Widerstand gegen ihre von verschiedenen Seiten gewünschte Abwicklung zu erwarten. Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften wirkte gelähmt. In einer internen Anordnung von Anfang Juni 1933 verzichtet er ›freiwillig‹ auf die Anwerbung neuer Mitglieder.45 Dies und das den Konsumvereinen auferlegte Werbeverbot war aus der Perspektive der wirtschaftspolitischen Protagonisten der Diktatur durchaus ambivalent, da die Mitglieder das ökonomische Fundament der Genossenschaften bildeten und ein Zusammenbruch der Verbrauchergenossenschaften auch die Staatsbürgschaften in einer Gesamthöhe von inzwischen 47 Mio. RM gefährdet hätte. Zudem wäre die Entlassung zehntausender Angestellter und Arbeiter ökonomisch wie politisch zu diesem Zeitpunkt weiterhin hochbrisant gewesen. Es war denn nicht zufällig ein Ministerialrat aus dem RWM, der sich dafür aussprach, den Handlungsspielraum der Konsumgenossenschaften nicht allzu sehr einzuschränken und vor einem »Todesstoß« warnte.46 Auch in der Folgezeit, bis weit in das Jahr 1934, wandten sich Vertreter des – den Konsumgenossenschaften grundsätzlich keineswegs freundlich gesinnten – Reichswirtschaftsministeriums vehement gegen negative »Sonderbestimmungen« für die Konsumvereine und wiesen auf die unübersehbaren Folgen eines Konkurses der Verbrauchergenossenschaften hin. Sie stießen jedoch bei Heß und dem zu diesem Zeitpunkt noch mächtigen »Beauftragten des Führers für Wirtschaftsfragen« Wilhelm Keppler sowie anderen Repräsentanten des neuen Regimes auf taube Ohren.47 In den Besprechungen auf höchster Ebene 1933/34 ging es anfangs im Wesentlichen nur um Form und Tempo der Auflösung. Reichskriegsminister Blomberg rettet die Konsumgenossenschaften für den »A.-Fall« Wenn die Konsumgenossenschaften ab 1935 als Unternehmen überlebten, dann hatten sie dies in erster Linie dem Reichswehrministerium zu verdanken. Am 17. April 1934 fand sich eine von Heß einberufene, hochkarätig besetzte Runde zusammen, die über das Schicksal der Verbrauchergenossenschaften entscheiden sollte. Unter den Teilnehmern waren RWM Schmitt, RFM Schwerin v. Krosigk, Heß’ »Beauftragter für Wirtschaftsfragen«, der spätere Präsident der Reichswirtschaftskammer Albert Pietzsch, Heß selbst sowie Karl Müller als Repräsentant der ökonomischen Interessen der DAF.48 Diesem Kreis ließ der selbst nicht an44 45 46 47 48

Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 197. Ausführlich: ebd., S. 192 ff. Aktenvermerk von Dr. Ronde vom 16. Aug. 1933, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10580. Ausführlich: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 205-209. Vermerk aus dem RWM über diese Sitzung (Chefbesprechung), in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10576, Bl. 84 bis 93. Dieser Chef-Sitzung vorausgegangen waren eine oder mehrere

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wesende Reichswehrminister Werner v. Blomberg eine »unbedingt geheim zu haltende« Erklärung vorlegen, die das Weiterbestehen der Verbrauchergenossenschaften und des Reichsbundes als ihrer Dachorganisation aufgrund ihrer Rolle im »A.-Fall«, also dem militärischen Mobilisierungsfall, für unabdingbar erklärte. Eine Auflösung der Konsumgenossenschaften hielt Blomberg apodiktisch »einstweilen für unmöglich«. Der kleingewerbliche, selbständige Handel könne »diese Organisation nicht ersetzen«. Ohne die GEG und ihre Verteilerstellen sei an eine effiziente Versorgung der Reichswehr, aus der dann ein Jahr später die Wehrmacht wurde, nicht zu denken. Sie sei notwendig »für getarnte Ankäufe, für die Stellung [von] Personal bei Einrichtung der Zentraleinkaufsstelle für Heer und Marine, für die erste Versorgung der vordersten deutschen Linie in der entmilitarisierten Zone bei Abwehr eines französischen Einbruchs, zur Mithilfe bei der Räumung der entmilitarisierten Zone von Überschüssen auf dem Ernährungsgebiete, zur Mithilfe bei der Verpflegung der aus der entmilitarisierten Zone im A.Falle aus den gefährdeten Gebieten etwa zurückströmender Flüchtlingsmassen«. Unabhängig davon seien die Verbrauchergenossenschaften »ein wichtiger Preisregulator«.49 Blomberg brachte mit diesen Argumenten insbesondere Heß in die Bredouille. Der sah sich zwischen Skylla und Charybdis eingeklemmt: Auf der einen Seite war er einem unbedingten Bellizismus verpflichtet und konnte deshalb die Argumente Blombergs für die Weiterexistenz der Konsumgenossenschaften nicht ignorieren; auf der anderen Seite fühlte Heß sich weiterhin beim »gewerblichen Mittelstand« im Wort, der »in den Jahren des Kampfes die größ­ ten Opfer für die Bewegung gebracht« habe. Man müsse, so der »Stellvertreter des Führers« sybillinisch, die weitere »Behandlung der Konsumgenossenschaften psychologisch, wirtschaftlich und wehrpolitisch« betrachten; »die letzte Entscheidung über diese höchst schwierige Frage« sei an »anderer Stelle zu treffen«, so Heß, der damit den »Führer« ins Spiel brachte. Die anderen Diskussionsteilnehmer stimmten seinem Vorschlag zu, Hitler das letzte Wort zu überlassen. Einige Wochen später erhöhte Blomberg den Druck, indem er in einem Schreiben an den Reichswirtschaftsminister vom 6. Juni 1934 mit Blick auf die Konsum­genossenschaften »dringend« verlangte, dass »grundsätzliche organisatorische Veränderungen überhaupt vermieden werden« und er vor gravierenden »etwaigen Entscheidungen in dieser Beziehung« eine Art Veto einlegen könne.50 Am 19. Juni 1934 kam es zu einer Unterredung zwischen Hitler, Heß, Schmitt und Schwerin-Krosigk, die offenbar kein eindeutiges Ergebnis hatte. Kurz zuvor war im Reichswehrministerium und im Stab des »Stellvertreters des Führers« der Besprechungen Anfang 1934, auf denen vor allem Heß und Ley sich für eine baldige Liquidierung der Verbrauchergenossenschaften ausgesprochen hatten. Vgl. Vermerk aus dem RWM über eine Sitzung (Chefbesprechung) am 18. Jan. 1934, in: ebd., Bl. 32 bis 33 Rs., sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 133. 49 Zitate: Erklärung von Geheimrat Pieszczek im Namen von Blomberg auf der ChefBesprechung vom 17. April 1934, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10576, Bl. 197 f. 50 In: ebd., Bl. 96.

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Entwurf einer Erklärung ausgearbeitet worden, in der zwar »für eine grundsätz­ liche Lösung« im Sinne der langfristigen Beseitigung der Konsumgenossenschaften votiert wurde, da deren Auflösung »wegen der Unvereinbarkeit kollektivistischer Wirtschaftsführung mit der nationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung unbedingt einmal kommen« müsse – in der jedoch keine zeitlichen Fristen gesetzt wurden.51 Hitler, dem zwar genossenschaftlich-sozialistische Konzepte höchst zuwider waren, der sich jedoch gleichzeitig den von Blomberg vorgebrachten Argumenten nicht verschließen konnte, ließ Heß am 9. Juli 1934 schließlich eine ›salomonische‹ Erklärung verkünden. Danach durfte »wegen Zugehörigkeit zu Verbrauchergenossenschaften kein Parteigenosse oder Volksgenosse angegriffen oder benachteiligt werden«. Unabhängig davon habe sich »die geschäftliche und die Mitgliederwerbung der Verbrauchergenossenschaften wie auch die Werbung des Einzelhandels jedes politischen, weltanschaulichen oder kämpferischen Einschlags zu enthalten«.52 Von einer Auflösung der Konsumvereine war nun zwar nicht mehr die Rede. Hitlers Anordnung ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass die Verbrauchergenossenschaften ihren »weltanschaulichen oder kämpferischen Einschlag« als genossenschaftlich organisierte Selbsthilfeeinrichtungen verlieren und zu ›nor­malen‹ Großunternehmen werden sollten. Damit war den Interessen des Reichs­wehrministeriums genüge getan, das die in der Größe liegende betriebswirtschaftliche Effizienz des Unternehmens erhalten wollte und insbesondere an den großen und modernen Nahrungsmittelbetrieben, vor allem den etwa dreihundert Großbäckereien und den hundert Großfleischereien der GEG bzw. Deugro interessiert war.53 Auch Heß, das Reichswirtschaftsministerium und in gewisser Weise selbst die radikal-faschi­stische Mittelstandsbewegung konnten sich zufrieden zurücklehnen: Ihres »politisch-weltanschaulichen Einschlags« beraubt, wurden die Konsumgenossenschaften zu normal-privatwirtschaftlich organisierten Lebens- bzw. Nahrungsmittelverteil-Stellen mit angeschlossenen Lebensmittelbetrieben degradiert; sie konnten nicht mehr wie vordem  – und ähnlich wie die sozialistischen Bauproduktivgenossenschaften – als Modell einer »Sozialisierung von unten« wirken. Denn für die Konsumvereine als Genossenschaften, als solidarische Einrichtung breiter Sozialschichten mit einer nicht-privaten, basisdemokratischen Organisationsstruktur, markieren die NS-Machtergreifung sowie der »Führer51 In: ebd., Bl. 224. Hierzu sowie zur weiteren Vorgeschichte der Erklärung vom 9. Juli 1934: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 222-226. 52 In: BA Berlin, R 3101, Nr. 10576, Bl. 245. Abgedruckt auch z. B. im VB vom 11. Juli 1934. 53 Während die großen Nahrungsmittelbetriebe aufgrund dieser Intervention weitgehend erhalten blieben und auch nicht privatisiert wurden, waren zu diesem Zeitpunkt »die wichtigsten handwerklichen Produktionsbetriebe in Verbrauchergenossenschaften […] zum größ­ten Teil bereits stillgelegt oder an selbständige Handwerker verpachtet« worden, wie der »Beauftragte für die deutschen Verbrauchergenossenschaften« dem RWM am 23. März 1934 zufrieden mitteilte. In: BA Berlin, R 3101, Nr. 10595, Bl. 86.

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Befehl« vom Juli 1934, der die vorher angebahnten Entwicklungen besiegelte, den zentralen Wendepunkt ihrer Geschichte. Man kann die hohe Bedeutung der skizzierten Veränderungen noch weiter fassen: Die Konsumgenossenschaften waren, gemeinsam mit dem vielfältigen sozialdemokratischen Vereinswesen, den der Arbeiterbewegung nahestehenden Bau- und Wohnungsgenossenschaften, ferner dem Vertrauensleutekörper der Volksfürsorge, der Büchergilde Gutenberg und anderen Organisationen wie Unternehmen, die institutionellen Eckpfeiler der linken proletarischen Milieus der Weimarer Republik gewesen. Nachdem diese Korsettstangen, unter denen die Verbrauchergenossenschaften zu den wichtigsten gehörten, herausgezogen waren, wurde der Zerfall der linken proletarischen Milieus beschleunigt und (wie sich nach 1945 zeigen sollte) de facto unumkehrbar gemacht. Die Rivalitäten und Kontroversen zwischen der Arbeitsfront und dem »Stellvertreter des Führers« sowie dem Reichswirtschaftsministerium sollten nicht den Blick dafür verstellen, dass alle Beteiligten auf Seiten des NS-Regimes an einem Strang zogen, wenn es um die ›Entgenossenschaftlichung der Genossenschaften‹ oder (wie Funktionsträger des NS-Regimes auch formulierten:) um die »Entsozialisierung«54 ging. Die Konsumvereine waren spätestens Ende 1935 »ihrer demokratischen Verfassung beraubt« und hatten »den Charakter der Selbsthilfeorganisationen« verloren, wie in den SoPaDe-Berichte resigniert festgestellt wurde.55 In der Tat: Mit der Fünften Durchführungsverordnung vom 15. Oktober 1935 zum »Gesetz über die Verbrauchergenossenschaften« vom 21. Mai 193556 sowie der anschließend eingeführten »Einheitssatzung für alle Verbraucher­ genossen­schaf­ten« wurden die Genossenschaften politisch entkernt, nämlich ihrer demokratischen Grundstruktur beraubt. Das Recht der Vorstandswahl wie der Zustimmung zur Vornahme einzelner Reichsgeschäfte ging von der Generalversammlung aller Vollmitglieder bzw. (in größeren Genossenschaften) der Vertreterversammlung an den Aufsichtsrat über.57

54 Vgl. Lösungsvorschlag »betr.: Verbrauchergenossenschaften«, o.D. (Febr. 1935; Entwurf ), Anlage zu: Bl. 109 und Rs.: Vertrauliches Rundschreiben des RWM (Min. Rat Dr. Zee-Heraeus, Ger. Ass. Schnuhr) an den RFM, den Reichswehrminister, den RAM, den RIM, den Stellvertreter des Führers und den Beauftragten für Wirtschaftsfragen vom 14. Febr. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 110-121, hier: Bl. 120 (auch in der Endfassung vom 28. Febr. 1935, in: ebd. Bl. 124 bis 129 und 228 bis 233). 55 Zitate: SoPaDe-Berichte, 1938, S. 222. 56 RGBl., 1935, I, S. 905. 57 »Die den örtlichen Mitgliederversammlungen durch das Genossenschaftsrecht gegebene direkte Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Konsumvereine und damit [!] die örtliche politische Beeinflussung im marxistisch-konsumgenos­sen­schaft­li­chen Sinne soll dadurch unterbunden werden«, konstatierte das DAF-Amt Information in einem Sonderbericht vom Okt. 1936 lakonisch. Nach: Karl-Heinz Roth (Hg.), Facetten des Terrors. Der Geheimdienst der »Deutschen Arbeitsfront« und die Zerstörung der Arbeiterbewegung 1933-1938, Bremen 2000, S. 85-118, hier: S. 103, bzw. Bludau, NS und Genossenschaften, S. 196.

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Die Aufhebung der genossenschaftlichen Binnenstrukturen der Konsumvereine und deren Anpassung an die ›normalen‹ Unternehmensformen war unter den Kontrahenten völlig unumstritten. Kontrovers war, wie schnell der ›Tod auf Raten‹ eintreten sollte, den die Nationalsozialisten den Konsumvereinen zugedacht hatten. Die einschlägigen Standesvertretungen des Einzelhandels und Handwerks sowie die Wirtschaftsorganisationen drängten auch weiterhin darauf, »dass dem unverantwortlichen Treiben gewisser konsumgenossenschaftlicher Kreise schnellstens ein Ende bereitet wird«. Die Konsumvereine selbst verhielten sich »mucksmäuschenstill und ganz artig«.58 Das Reichswehrministerium hielt seine schützende Hand über die Konsumgenossenschaften, um sie als kriegswirtschaftlich zentrale Verteilerorganisation zu retten. Und die DAF? Sie war mit der ›Entgenossenschaftlichung der Genossenschaften‹ einverstanden, stand allerdings zunächst auf verlorenem Posten bei ihrem Versuch, sich die Verbrauchergenossenschaften ihrem Wirtschaftsimperium einzuverleiben. Der DAF wird die Verfügungsgewalt über die Konsumvereine entzogen – vorerst Federführend bei den Versuchen, der Arbeitsfront den anfänglich starken Einfluss auf die Konsumgenossenschaften zu nehmen, waren der Präsident der Reichswirtschaftskammer Albert Pietzsch59 sowie vor allem Rudolf Heß. Ein erster geschickter Schachzug gelang dem »Stellvertreter des Führers«, als er in der von ihm mit dem Einverständnis Hitlers veröffentlichten Erklärung vom 9. Juli 1934 Bernhard Köhler als den Leiter der »Kommission für Wirtschaftspolitik« der NSDAP mit der Überwachung der dort getroffenen Bestimmungen betraute60 – und nicht etwa Ley. Politisch war der neue ›starke Mann‹ der Konsumgenossenschaften eindeutig positioniert. Aus seiner politisch grundierten Aversion gegenüber dem Prinzip der Genossenschaften machte er keinen Hehl.61 Hinzu trat die Furcht, dass die Konsumgenossenschaften einen Rahmen für »marxistische Umtriebe« bieten könnten,62 eine Befürchtung, die das DAF58 »Ein offenes Wort zur Konsumvereinsfrage«, in: Deutsche Allgemeine HandwerkerZeitung vom 30. Juni 1933, in: BA Berlin, 3101, Nr. 10580. 59 Zu Pietzsch vgl. Kapitel 4, S. 134, Anm. 140. Zum ganzen hier skizzierten Vorgang Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 217-220. 60 Vgl. Anordnung von Heß an alle Stellen der NSDAP vom 9. Juli 1934, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10576, Bl. 245 bzw. 247; auch im VB vom 11. Juli 1934. Köhler (1882-1939), seit 1920 Schriftleiter des Völkischen Beobachters, führte die NSDAP-»Kommission für Wirtschaftspolitik« vom Juli 1933 bis zu seinem Tod am 25. April 1939 und besaß damit erheblichen wirtschaftspolitischen Einfluss. Von Dez. 1932 bis Juli 1933 war er stellvertretender Leiter dieser Kommission gewesen. 61 Er vermutete hinter »dem verbissenen Festhalten an dem sogenannten ›Genossenschaftsgedanken‹ sehr aktive Reste marxistischer Feindseligkeit gegenüber dem freien Handel«. Köhler an das RWM vom 27. Dez. 1934, S. 2, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 15082. 62 So war Köhler Ende 1933 darüber informiert worden, dass die Mieter der Wohnblocks der Ham­burger Konsumgenossenschaft »Produktion« bei dem Plebiszit vom Aug. 1934 »fast durchweg [mit] absoluten Mehrheiten« gegen die Vereinigung des Reichspräsi-

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Amt »Information« – ein organisationsinterner Geheimdienst –, aber auch das Reichsfinanzministerium teilten63 und die offenbar nicht unbegründet war.64 Im Bewusstsein, mit Heß den stärkeren der beiden Kontrahenten um die Führung der NSDAP im Rücken zu haben65 und vermutlich auch in unmittel­ barer Absprache mit dem »Stellvertreter des Führers« ging Köhler in der Folge­ denten- und Reichskanzleramtes in der Person Hitlers votiert hatten. Zitat aus einem Köhler (und der Gestapo) zugesandten Rundschreiben der NS-Ha­go vom 5. Nov. 1933, nach: BA Berlin, R 58, Nr. 58, Bl. 24 f. 63 Vgl. Bericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 95, 103 f., 106, oder auch z. B. DAF-Amt Information an Gestapo vom 31. Juli 1935, in: BA Berlin, R 58, Nr. 631, Bl. 77. In der Folgezeit spielte die DAF »sicherheitspolitische« Aspekte freilich bewusst hoch, um erneut Einfluss auf die Konsumgenossenschaften zu gewinnen. Zu den Befürchtungen des RFM, mit den Konsumgenossenschaften erhielte man sich ein resistentes sozialdemokratisches Milieu, vgl. Lösungsvorschlag »betr.: Verbrauchergenossenschaften«, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 124-129, hier: Bl. 127; außerdem Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 237, 396 f. 64 Tatsächlich scheinen die Konsumgenossenschaften bis mindestens 1935 einen wichtigen Rahmen für die Aufrechterhaltung von informellen Kommunikationszusammenhängen von Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und auch Kommunisten geboten zu haben. Vgl. dazu sowie zu den »sicherheitspolizeilichen Gründen« bei der Diskussion um die Auflösung der Verbrauchergenossenschaften ausführlich Detlef Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus und Arbeitermilieus. Der nationalsozialistische Angriff auf die proletarischen Wohnquartiere und die Reaktion in den sozialistischen Vereinen, Bonn 1998, S. 575-581; ders., Konsumgenossenschaften als Nischen der Selbstbehauptung in der NS-Diktatur, in: Marlis Buchholz/Claus Füllberg-Stolberg/Hans-Dieter Schmid (Hg.), Nationalsozialismus und Region. Festschrift für Herbert Obenaus zum 65. Geburtstag, Bielefeld 1997, S. 167-184, bes. S. 177-183; Bludau, NS und Genossen­ schaften, S. 128-133; Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 394-402; Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 217-229, 259; ferner Thomas Adam/Stefan Jaunich, Die Leipziger Bau- und Konsumgenossenschaften. Ein sozialdemokratisches Traditions­milieu in der NS-Zeit und frühen DDR, in: IWK 26/2000, S. 200-209, hier: S. 205 f.; Inge Marßolek/René Ott, Bremen im Dritten Reich. Anpassung – Widerstand – Verfolgung, Bremen 1986, S. 223; Heinrich August Winkler, Mittelstandsbewegung oder Volkspartei? Zur sozialen Basis der NSDAP, in: Wolfgang Schieder (Hg.), Faschismus als soziale Bewegung, Hamburg 1976, S. 97-118, hier: S. 102 ff. Auch in den SoPaDe-Berich­ten finden sich für die ersten Jahre der NS-Diktatur Berichte über widerständisches Verhalten im Rahmen der Konsumgenossenschaften. Vgl. z. B. 1934, S. 243. 65 Heß, der ab dem 1. Dez. 1933 durch das »Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat« zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt worden war, musste nach einer Anordnung Hitlers vom 27. Juli 1934 als »Stellvertreter des Führers« prinzipiell an sämtlichen Angelegenheiten der Gesetzgebung beteiligt werden, unabhängig davon, um was es sich im Einzelnen handelte. Heß, der zudem im Unterschied zu allen anderen Ministern mit seinen Entwürfen und Stellungnahmen nicht an bestimmte Fristen gebunden war, mithin Gesetze und Verordnungen nach Belieben verzögern konnte, war damit eine Art ›Überminister‹. Innerhalb der NSDAP hatte sich Heß gegenüber seinem (als NSDAP-Reichsorganisationsleiter:) Konkurrenten Ley bereits durchgesetzt, nachdem Hitler ihn am 21. April 1933 zu seinem »Stellvertreter« ernannt hatte.

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zeit gezielt daran, den Einfluss Leys und seiner DAF auf die Konsumgenossenschaften zurückzudrängen. In einem Rundschreiben vom 13. Dezember 1934 sprach sich Köhler ausdrücklich gegen die Absicht Karl Müllers als des »Beauftragten für die Deutschen Konsumgenossenschaften« aus, dass »zum Zwecke der Wiedergewinnung alter und der Werbung neuer Mitglieder Blocks und Zellen [organisiert würden], da dies die Werbeform einer politischen Bewegung ist«.66 Müller hatte sich geweigert, die von Köhler geplanten Änderungen der Werberichtlinien zu akzeptieren; Köhler hatte daraufhin die Verhandlungen mit Müller abgebrochen.67 Müller seinerseits erklärte Köhler für nicht legitimiert, grundsätzlich Fragen in den Angelegenheiten der Konsumgenossenschaften entscheiden zu können, und wollte direkt mit Heß verhandeln. Der »Stell­vertreter des Führers« lehnte dies jedoch ab und forderte Müller auf, »sich in der Werbefrage unmittelbar mit Herrn Köhler zu einigen«.68 Da sich der Vorstand des Reichs­bundes mit den Vorstellungen Köhlers, dass lediglich eine zurückhaltende »wirtschaftliche« Werbung um neue Mitglieder erlaubt sei und »Kampf- und Propagandagemeinschaften für lebensfremde und verstaubte Wirtschaftsideale nicht geduldet werden«, abfand, war Müller de facto ausgebootet. Hinzu kam, dass Müller wenig später (aus anderen Gründen) von seinen Posten innerhalb der DAF zurücktreten musste.69 Im Grunde waren der DAF die Türen zu den Konsumgenossenschaften bereits durch einen weiteren von Heß herbeigeführten, vorgeblichen Entscheid Hitlers versperrt worden, den dessen »Stellvertreter« am 19. Februar 1935 gegenüber dem RWM Schacht in folgende Worte fasste: »Eine Unterstützung der Konsum-Vereine oder des Verbrauchergenossenschaftsgedankens durch die Partei und ihre Organisationen kann auch in Zukunft keinesfalls in Frage kommen.«70 Dass sie, indem sie eine »Unterstützung der Konsum-Vereine« apodiktisch verboten und gleichzeitig de facto die Werbung neuer Mitglieder untersagten, die Existenz der Verbrauchergenossenschaften aufs Spiel setzten, war Heß und Köhler klar. Wenige Tage zuvor, am 8. Februar 1935, hatten sich Köhler und Staatssekretär 66 Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 236. 67 Vgl. Vermerk des RWM über zwei Besprechungen am 11. und 12. Jan. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 24 f. 68 Vermerk des Oberregierungsrats Holtz auf eine telefonische Mitteilung von Müller vom 23. Jan. 1935, in: ebd., Bl. 46 f. 69 Zwar war K. Müller »der Mitarbeit« bereits seit Anfang 1935 »praktisch ferngeblieben«; förmlich trat er als »Beauftragter für die Deutschen Konsumgenossenschaften« jedoch erst Anfang 1936 zurück. Vgl. Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. S. 91. Seine übrigen DAF-Ämter hatte er bereits am 4. Juli 1935 niederlegen müssen. 70 Heß an Schacht vom 19. Febr. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 225 u. Rs. Die Verbrauchergenossenschaften setzten sich ihrerseits in der Folgezeit vehement gegen den Vorwurf »marxistischer« Sympathien zur Wehr. Vgl. z. B. R. Richter (Leiter des Verbandes der sächsischen Verbrauchergenossenschaften e.V.), »Stellungnahme zu dem Bericht der Geheimen Staatspolizei, vom 30. Oktober 1935«, vom 5. Mai 1936, in: ebd., Nr. 10513. Das tangierte Köhler und andere aber nicht.

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Posse aus dem Reichswirtschaftsministerium sowie Vertreter des Reichsfinanzministeriums und der Reichsgruppe Handel darauf geeinigt, die Konsumvereine zu privatisieren, d. h. zur Veräußerung an den selbständigen Einzelhandel freizugeben. Zudem seien die Verbrauchergenossenschaften »sofort von der Deutschen Arbeitsfront abzulösen und in die Organisation der Wirtschaft (Handel) einzugliedern«.71 Mit dem »Gesetz über die Verbrauchergenossenschaften« vom 21. Mai 1935 wurden die ausgehandelten Modalitäten der Privatisierung der Konsumgenossenschaften verbindlich fixiert und zugleich festgelegt, dass die Auslösung der Spareinlagen der Verbrauchergenossenschaften bis Ende 1940 abzuschließen sei  – ein Passus, der die bei den Konsumvereinen angesammelten Guthaben der Kriegsfinanzierung zugänglich machen sollte.72 Ende Juni 1935 wurden die Konsumgenossenschaften dann von Grund auf neu organisiert. Reichsbund und GEG wurden förmlich voneinander getrennt. Die GEG, die nun in »Deutsche Großeinkaufgesellschaft m.b.H. (Deugro)« umbenannt wurde, war für die Produktionsbetriebe, den Vertrieb sowie die Bankgeschäfte zuständig; der Reichsbund fungierte als Interessensvertretung der Konsumgenossenschaften.73 Zusammengehalten wurden beide Säulen durch Hermann Reiner, der in Personal­union den Vorsitz des Vorstandes der Deugro wie des Präsidiums des Reichsbundes übernahm.74 Die DAF-Führung war an all diesen Entscheidungen nicht mehr beteiligt. Sie ging in Wartestellung, um zu einem günstigeren Zeitpunkt – der sich mit der Befristung der Auslösung der Spareinlagen bis Ende 1940 auch bereits andeutete  – einen erneuten Zugriff auf die Konsumgenossenschaften zu versuchen. Zupass kam der DAF-Führung, dass sich die avisierte ökonomische Stabilisierung der Konsumvereine durch Privatisierung schwierig gestaltete. Die Lage von 72 großen Genossenschaften mit Spareinlagen in Höhe von 65 Mio. RM und 71 Vermerk über die Unterredung vom 8. Febr. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 98 f. 72 Vgl. hierzu auch die SoPaDe-Berichte, 1938, S. 218-228, bes. S. 222. Zum Gesetz vom 21. Mai 1935 wurden insgesamt sechs Durchführungsverordnungen erlassen. Zur ersten »Durchführungsverordnung« vom 31. Okt. 1935 wurden weitere vier »Verordnungen zur Änderung der Ersten Durchführungsverordnung« erlassen, die die Frist für Konkursverfahren der Konsumvereine verlängerten. Vgl. Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), S. 3 ff. Zu den Kontroversen im Vorfeld dieses Gesetzes vgl. ausführlich Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 252-270; ders., Sicherheitspolitische Aspekte im Gesetz über Verbrauchergenossenschaften vom 21. Mai 1935?, in: IWK 26/2000, S. 157-174. 73 Vgl. Sonderbericht des DAF-Amtes Information Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 90 ff. 74 Reiner (1897-?), der Ende 1938 den Vorsitz des Reichsbundes aufgeben musste, bis 1942 jedoch Vorstandsvorsitzender und »Betriebsführer« der Deugro blieb, war zuvor Bezirksvorsitzender der württembergischen Verbrauchergenossenschaften sowie seit 1932 in Württemberg Landtagsabgeordneter der NSDAP gewesen. Er saß außerdem u. a. im Aufsichtsrat der Deutschen Sachversicherungs AG (der DAF) und war Mitglied im Ausschuss für Genossenschaftsrecht der Akademie für Deutsches Recht.

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einer Bilanzsumme von 187,5 Mio. RM galt als so prekär, dass sie »unbedingt liquidiert werden müssen«, so das Reichswirtschaftsministerium Ende 1935.75 Eine noch höhere Zahl galt als hochgradig gefährdet. Tatsächlich wurden lediglich zwei Genossenschaften liquidiert; die übrigen konnten, zusammengefasst in Auffanggesellschaften, weiter existieren.76 Die ministeriellen Akteure, die sich um ihre Bürgschaften von fast 50 Mio. RM sorgten und die gesamtwirtschaftlichen Folgen eines Zusammenbruchs der Konsumgenossenschaften fürchteten, wollten anfangs Gelder der finanzstarken Arbeitsfront für die Konsolidierung und spätere Privatisierung der Genossenschaften in Anspruch nehmen.77 Bereits im Vorfeld des Gesetzes vom 21. Mai 1935, das – wie das DAF-Amt Information eineinhalb Jahre später süffisant anmerkte – »mit allen Schwächen einer Kompromisslösung behaftet« war,78 waren Schacht und Schwerin-Krosigk an die DAF mit dem Ansinnen herangetreten, sich hier finanziell zu engagieren. Da der Arbeitsfront weder politisch noch betriebswirtschaftlich ein substantieller Einfluss auf die Verbrauchergenossenschaften eingeräumt worden war und auch nicht eingeräumt werden sollte, konnten sie nicht überrascht sein, dass Ley dies ablehnte.79 Durch die Suche Schachts und Schwerin-Krosigks nach einem Finanzier offenbar ermuntert, unternahm der Leiter der DAF Anfang August 1935 noch einmal einen Vorstoß, seiner Organisation in den Konsumgenossenschaften bestimmenden Einfluss zu verschaffen, indem er einen Nachfolger für den inzwischen aller seiner DAFÄmter enthobenen Müller als »Beauftragter für die Konsumgenossenschaften« vorschlug und zwei ihm loyal ergebene Arbeitsfront-Funk­tionäre als Vorsitzende des Reichsbundes und der »Deugro« (der ehemaligen GEG) vorschlug. Diese Vorschläge wurden von Schacht, vermutlich im Einvernehmen mit Heß, zurückgewiesen. Darüber hinaus forderte der Reichswirtschaftsminister Ley auf, »die Dienststellen der Deutschen Arbeitsfront anzuweisen, sich künftig jeder Einwirkung, welcher Art es auch immer sei, in der Verbrauchergenossenschafts-

75 Weitere 66 gefährdete Konsumgenossenschaften (mit einer Bilanzsumme von 128,8 Mio. RM und Spareinlagen von 48,7 Mio. RM) galten als sanierungsfähig. Sie und weitere 50 kleinere Genossenschaften (mit einer Bilanzsumme von 13,3 Mio. RM und Spareinlagen von 3,5 Mio. RM) benötigten allerdings einen staatlichen »Zuschuss für die Rückvergütung zur Wiederherstellung ihrer Liquidität«, die nach dem Abzug des Sparvermögens in Frage stand. Aktenvermerk aus dem RWM vom 7. Dez. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10527, Bl. 250 ff. Vgl. auch den weiteren Schriftwechsel ebd. 76 Hierzu sowie zum weiteren Umgang mit den Genossenschaften vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, bes. S. 140-144. 77 Weitere Maßnahmen, mit denen die Reichsministerien die Zuwendungen für die Konsumgenossenschaften zu drosseln versuchten, waren eine deutliche Senkung der Einkommen der bei den Konsumvereinen Beschäftigen sowie die Beseitigung freiwilliger sozialer Leistungen. Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 319. 78 Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 87. 79 Vermerk über eine Besprechung vom 4. April 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 418-422. Vgl. auch Ley an Schacht, vom 16. Mai 1935, in: ebd., Nr. 10526, Bl. 74.

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fra­ge, insbesondere der Groß-Einkauf-Gesellschaft, zu enthalten«.80 Fünf Tage später, am 7. August 1935, berief Ley die von Müller eingesetzten lokalen und regionalen Beauftragten der DAF bei den Konsumgenossenschaften ab.81 An den anschließenden Diskussionen um das weitere Schicksal der Verbrauchergenossenschaften war die Führung der Arbeitsfront nicht mehr beteiligt – mit einer Ausnahme: Ende 1935 konnte sie durchsetzen, dass ihr die fünfzigprozentige Beteiligung des ehemaligen Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften an der Volksfürsorge überlassen wurde.82 Die Liquidation der defizitären Konsumvereine auf dem Wege der Individual­privatisierung von Verkaufsstellen und Lagern, d. h. auf dem Wege ihres Verkaufs an einzelne selbständige Gewerbetreibende, die die vormaligen Verteilerstellen der Genossenschaften als Einzelhandelsgeschäfte weiterführten, kam in der Folge­zeit kaum voran, und die Bemühungen um eine ›Lösung‹ der »Verbrauchergenossenschaftsfrage« verschlangen erhebliche Gelder.83 Statt dass zahl­reiche kleine Geschäfte entstanden, wie dies der NS-Mittel­standsbewegung vorgeschwebt hatte, wurden für die Konsumgenossenschaften ab Ende 1935 eine Reihe großer Auffanggesellschaften gegründet.84 Die Entwicklung der Konsumgenossenschaften 1936 bis 1940 Mit der Verkündung des Vierjahresplans im Herbst 1936 und dem Aufstieg Görings zum Wirtschaftsdiktator Hitlers trat die kriegswirtschaftliche Bedeutung der Konsumgenossenschaften, aber auch ihre preisdämpfende Rolle erneut in den Vordergrund. Die Rolle eines indirekten Preisregulativs hatten die Konsumgenossenschaften bereits zuvor, von 1934 bis 1936, unter Beweis gestellt, wie etwa der Ende Oktober 1936 von Hitler berufene Reichskommissar für die Preisbildung Josef Wagner lobte.85 Ley stimmte gleichfalls ein Loblied auf die Verbrau80 Schacht an Ley vom 5. Aug. 1935 (Entwurf ), in: ebd., Bl. 452 ff., hier: 453. 81 Vgl. Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 103, bzw. Bludau, NS und Genossenschaften, S. 195. Zwar kam es am 8. Aug. noch einmal zu einem Gespräch zwischen Schacht und Ley, in dem Ersterer aber nur seinen Standpunkt bekräftigte, dass ausschließlich die Reichsministerien für das weitere Schicksal der Konsumgenossenschaften zuständig seien und Ley mit der unverbindlichen Bemerkung abspeiste, ihn in Personalangelegenheiten konsultieren zu wollen. Vgl. Schacht an Hess vom 13. Aug. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10526, Bl. 454. 82 Vgl. Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 101. 83 Der gesamte »Liquidationszuschussbedarf« belief sich nach einem Überschlag der »Deutschen Zentralgenossenschaftskasse« auf 75,5 Mio. RM. Bis Ende März 1943 waren nach einer Aufstellung derselben Institution 47,3 Mio. RM an Barzuschüssen gezahlt worden. Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 317 f. 84 Vgl. ausführlich ebd., S. 346-351, 356-372. Die Verkaufsstellen der Konsumgenossenschaften, die in Einzelhandelsgeschäfte umgewandelt worden waren, wurden »fast ausschließlich an ehemalige Lagerhalter der Konsumvereine« veräußert. Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, nach: Roth, Facetten, S. 95. 85 Vgl. Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 392 f. 1934/35 hatten die autarkie-

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chergenossenschaften an, als er behauptete, dass das 1935 von der Wehrmacht besetzte »rheinische Industriegebiet« und im Frühjahr 1938 dann »die Ostmark ohne den Verteilerapparat der Konsumvereine überhaupt nicht ernährt und versorgt werden konnte«.86 Für die verbliebenen Verbrauchergenossenschaften waren die Jahre 1936 und 1937 eine Zeit relativer Ruhe.87 Sie wurde durch Walther Funk aufgekündigt, der am 5. Februar 1938 Schacht als Reichswirtschaftsminister88 nachgefolgt war. Funk schickte sich an, die nach wie vor virulenten Forderungen des kleingewerblichen Mittelstands nach einer Auflösung der Konsumvereine aufzugreifen, und erklärte am 24. Mai 1938 öffentlich, die vormaligen Verbrauchergenossenschaften vollständig zerschlagen zu wollen.89 Der Reichswirtschaftsminister ergriff diese Initiative vermutlich außerdem, weil er fürchtete, dass mit dem »Anschluss« Österreichs vom März 1938 die Verbrauchergenossen­schaften erneut Auftrieb bekommen könnten. In dem in den frühen zwanziger Jahren durch die Arbeiterbewegung geprägten Österreich hatten die Konsumgenossenschaften mit ungefähr einer halben Million Mitglieder eine noch größere Bedeutung besessen als im Deutschen Reich vor 1933.90

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bedingten Nahrungsmittelknappheiten erhebliche Preisauftriebe ausgelöst. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Lebenshaltungskosten und Realeinkommen während des »Dritten Reiches«, in: Vier­teljahrsschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 75/1988, S. 32-73, hier: S. 50-58; ders., Industriearbeit im Dritten Reich, S. 156 ff.; ferner André Steiner, Zur Neuschätzung des Lebenshaltungskostenindex für die Vorkriegszeit des Nationalsozialismus, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2005/2, S. 129-152, bes. S. 131 ff.; ders., Der Brotpreis – ein politischer Preis unter den Bedingungen des NS-Regimes, in: Bähr/Banken (Hg.), Wirtschaftssteuerung durch Recht, S. 365-420, bes. S. 397-409. Zu Wagner: ders., Der Reichskommissar für die Preisbildung. »Eine Art wirtschaft­ licher Reichskanzler«?, in: Hachtmann/Süss (Hg.), Hitlers Kommissare, S. 93-114. Robert Ley, Die Konsumvereine und Verbrauchergenossenschaften, in: »Der Angriff« vom 2. März 1941, abgedruckt auch in: »Der Bevollmächtigte der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« (i.V. Strauch). Die Überführung der verbrauchergenos­sen­schaftlichen Einrichtungen in das Gemeinschaftswerk der DAF GmbH, o.D. (Frühjahr 1941), in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 26. Vgl. ferner »Leistung und Sozialpolitik. Dr. Ley sprach in Leipzig«, in: Angriff vom 7. März 1941. Repressalien waren die Konsumgenossenschaften freilich auch in dieser Zeit ausgesetzt. Vor allem Produktionsbetriebe mussten 1936 bis 1938 geschlossen werden  – obwohl ökonomisch dies nicht notwendig gewesen wäre. Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 149 ff. Schacht war im Nov. 1937 als RWM zurückgetreten; Göring hatte das Ministerium dann zwei Monate kommissarisch verwaltet. Vgl. Erklärung Funks anlässlich der Einführung Franz Haylers als Leiter der Reichsgruppe Handel (RGH) am 24. Mai 1938, nach: VB vom 26. Mai 1938 bzw. SD-Jahresbericht 1938, in: Meldungen aus dem Reich, Bd. 2, S. 171; außerdem Herbst, Totaler Krieg, S. 155; Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 102; Kurzer, Konsumgenossenschaften nach 1936 (IWK 1997), S. 493. Die österreichischen Konsumvereine gingen in der Folgezeit mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung den Weg der reichsdeutschen Verbrauchergenossenschaften; sie

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Funk hatte die Rechnung allerdings ohne das Reichskriegsministerium und die Teilstreitkräfte gemacht. Die verantwortlichen Stellen dort reagierten allergisch auf seine Absichten und erklärten umgehend und unmissverständlich, wie wichtig die Verbrauchergenossenschaften in kriegswirtschaftlicher Hinsicht waren. Keine Woche nach der Erklärung des Reichswirtschaftsministers, er wolle die Konsumgenossenschaften auflösen, stellte der Chef des Heeresverwaltungsamtes Friedrich Karmann91 fest, dass »die Mobilmachungsvorbereitungen der Wehrmacht« wesentlich »auf den Betrieben der Verbrauchergenossenschaft aufgebaut« und Unternehmen »gleichwertiger Art nicht vorhanden« seien. Namentlich die Deugro sei, so formulierte er in einem Schreiben an Funk vom 30. Mai 1938, »die einzige Veredelungs- und Handelsorganisation […], die allen wehrwirtschaftlichen Anforderungen hinsichtlich Verbindung zwischen Verbrauchern, Verteilern und Veredlern genügt«. Sie sei »in dieser Beziehung vorbildlich aufgebaut«. Dagegen hätten sich »weder Groß- noch Einzelhandel […] wehrwirtschaftlich organisiert«. Vor allem der einflussreiche »Wirtschaftsführer« Carl Lüer – ein entschiedener Gegner der Verbrauchergenossenschaften92 – habe versagt; dieser habe 1935 großspurig versprochen, eine der Deugro vergleichbare, jedoch auf dem privaten Einzelhandel basierende Organisation aufzubauen, indessen »seit dieser Zeit leider nichts von sich hören lassen«. Deshalb müsse er, Karmann, sich »wie früher auf den Standpunkt stellen, dass eine Liquidation der GEG [korrekt: Deugro] und der Verbrauchergenossenschaften ausgeschlossen ist, solange nicht eine gleichwertige Organisation an ihre Stelle gesetzt wird«.93 wurden ab 1942 sukzessive in das DAF-Gemein­schaftswerk hinein aufgelöst. Die Konsumgenossenschaften im Sudetenland wurden dagegen nach der Annexion dieser Region »aus politischen Gründen (marxistische Waffenlager usw.)« umgehend »beseitigt«. SD-Jahres­be­richt 1938, in: Meldungen aus dem Reich, Bd. 2, S. 171 f. 91 Karmann (1885-1939), seit 1934 Generalmajor, seit 1936 Generalleutnant, war seit Anfang März 1934 Chef der Obersten Heeresverwaltung. 92 Lüer (1897-1969), seit 1924 Unternehmensberater und Schulungsleiter, seit Dez. 1927 NSDAP-Mitglied und seit 1929 für diese Partei Stadtverordneter in Frankfurt a. M., war von April 1933 bis Dez. 1942 Präsident der IHK Frankfurt a. M., ferner von Juni 1933 bis Juni 1934 Treuhänder der Arbeit für Hessen. Als – außerdem – stellv. Leiter der Reichswirtschaftskammer (1934 bis 1945), Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Hessen (1935 bis 1942), Bezirksleiter der RGI für Hessen, seit 1935 Aufsichtsratsmitglied und von 1941 bis 1943 Aufsichtsrats-Vorsitzender der Adam Opel AG, 1938 bis 1941 sowie erneut von 1943 bis 1945 Vorstandsmitglied der Dresdner Bank und in weiteren Funktionen gehörte Lüer zu den einflussreichsten Wirtschaftspolitikern des Dritten Reiches. Lüer war an der Diskussion um die Zukunft der Konsumgenossenschaften maßgeblich beteiligt und hatte am 11. März 1935 im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes vom 21. Mai 1935 in einer Stellungnahme auf deren umgehende Auflösung gedrängt. In: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 267-276. 93 Nach: Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 382, bzw. Korf, Konsumgenossen­ schaftsbewegung, S. 167 f. Mit seiner Kritik an Lüer bezog sich Karmann auf dessen Vorschlag, unter maßgeblicher Mitwirkung der RGH eine Dienststelle »Wehrwirtschafts- und Waffenwesen« für den Aufbau einer kriegswirtschaftlichen Infrastruktur zu schaffen, die die Versorgung der Wehrmacht wie der Zivilbevölkerung sicherstellen sollte – ohne Verbrauchergenossenschaften. Über Ankündigungsrhetorik war die RGH

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In Anlehnung an die oben angesprochene Stellungnahme Blombergs sowie an bereits in der Weimarer Republik gemachte Überlegungen hatten hohe, mit dem Aufbau der NS-Kriegswirtschaft befasste Offiziere seit 1936/37 wiederholt und im Ton zunehmend schärfer auf die zentrale Bedeutung der Konsumgenossenschaften »für Wehrwirtschaft und Vierjahresplan« hingewiesen.94 Das Haupt­interesse der Wehrmacht galt dabei zum einen den Deugro-Produktionsbetrieben »zur Belieferung der den Wehrmachtsverwaltungen unterstellten Heeresverpflegungs-Ämter«, wie der Geschäftsmann und Konsumgenossenschafts-Experte (sowie Freund von Gottfried Benn, Ernst v. Salomon und Ernst Rowohlt) Egmont Seyerlen, in seiner Funktion als Wirtschaftsberater des Leiters der Wehrwirtschaftsinspektion VII in München, General Stahr, formulierte. Zum anderen wollte die Militärführung die Konsumgenossenschaften und ihre weiterhin bestehenden 11.000 Verteilerstellen als zentrale Instrumente einer auch kurzfristig reibungslosen Versorgung der Zivilbevölkerung und vor allem der Industriearbeiter in den Rüstungsbetrieben erhalten, so Seyerlen,95 dessen Überlegungen insbesondere bei der Mobilmachung im Vorfeld der Besetzung des Sudetenlandes auch praktische Anwendung fanden.96 Anfang Juni 1938 warnte Georg Thomas, der Chef des Wehrwirtschaftsstabes des Oberkommandos der Wehrmacht,97 Funk unmissverständlich »vor Maß-

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offensichtlich nicht hinausgekommen. Seyerlen (Anm. 95) hatte bereits unmittelbar nach Verkündung des Vierjahresplans darauf hingewiesen, dass die Genossenschaften weit effizienter arbeiteten als der private »Kleinladenbetrieb« mit seinem »unverhältnismäßig größerem Einsatz an Arbeitskräften durch die Zersplitterung des Arbeitsaufwandes für Einkauf, Abtransport, Verpackung, Einlagerung und eine Unzahl an Kleinhändlern.« Egmont Seyerlen, Die Bedeutung der verbrauchergenossenschaftlichen Wirtschaftseinrichtungen für Wehrwirtschaft und Vierjahresplan, Ende 1936, nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 169 ff., Zitat: S. 171. Vgl. ebd., S. 157-164; Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 385 ff.; ferner Herbst, Totaler Krieg, S. 155. Vgl. Seyerlen, Verbrauchergenossenschaftliche Wirtschaftseinrichtungen, nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 170. Der Geschäftsmann und Schriftsteller Seyerlen (1889-1972), bis Ende der dreißiger Jahre Wirtschaftsberater der Wehrwirtschaftsinspektion VII, war ab 1940 maßgeblich an der Übernahme der Konsumgenossenschaften durch die DAF beteiligt. Vgl. Joachim Dyck, Der Zeitzeuge. Gottfried Benn. 1929-1949, Göttingen 2006, S. 220 ff. Zu den sudetendeutschen Konsumgenossenschaften, die ähnlich wie in Deutschland zuvor ab 1936/37 von einem Bündnis aus faschistischer Sudetendeutscher Partei und einer antigenossenschaftlichen Mittelstandsbewegung ab 1936/37 aggressiv angegangen wurden und ab Herbst 1938 dem Druck der reichsdeutschen Stellen hilflos ausgeliefert waren, vgl. ausführlich Andreas Reich, Von der Arbeiterselbsthilfe zur Verbraucherorganisation. Die deutschen Konsumgenossenschaften in der Tschechoslowakei 19181938, München 2004, S. 533-552, 572 f. Thomas (1890-1946), seit Aug. 1940 General der Infanterie, war seit 1928 im Heeres­ waffenamt des Reichswehrministeriums für die Rüstungswirtschaft zuständig. Von 1939 bis Nov. 1942 war er Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes im OKW. Im Okt. 1944 wurde er wegen Kontakten zum konservativen Widerstand des 20. Juli 1944 verhaftet. Er verstarb Ende Dez. 1946 in einem amerikanischen Internierungslager.

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nahmen, die eine Auflösung der Einrichtungen der Verbrauchergenossenschaften bezw. der Deutschen Großeinkaufsgesellschaft zum Ziele haben« und verwies auf das »starke wehrwirtschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Organisation bzw. [von] deren Einrichtungen« vor dem Hintergrund ihrer »für den Mob[ili­sie­rungs]-Fall vorgesehenen weitgehenden Heranziehung«.98 Funk setzte danach seine Bemühungen um eine Auflösung der konsumgenossenschaftlichen Auffanggesellschaften zwar fort.99 Spätestens mit Kriegsbeginn musste er sie jedoch einstellen, weil – wie das Reichswirtschaftsministerium am 29. November 1939 unter Hinweis auf ältere Interven­tionen des Oberkommandos des Heeres selbst einräumen musste – »die gegenwärtigen Verhältnisse nicht geeignet [erscheinen], die Frage der Verbrauchergenossenschaften zu lösen«.100 Weil nunmehr »Gründe der Reichsverteidigung« in den Vordergrund traten, musste das politisch ohnehin zunehmend schwächere Reichswirtschaftsministerium außerdem die Feder­f ührung in der »Verbrauchergenossenschaftsfrage« anderen überlassen. Die entscheidende Rolle spielten seitdem Ley und die DAF – ne­ben der Wehrmacht, die weiterhin Obacht gab, dass die kriegswirtschaftlichen Aspekte im Zentrum der Diskussion dieser »Frage« blieben.

6.3. Die Gründung des »Deutschen Gemeinschaftswerkes« Ein Führer-Befehl und dessen Vorgeschichte Wenn die Arbeitsfront im zweiten Kriegsjahr zum – neben dem Reichskriegsministerium bzw. der Führung der verschiedenen Wehrmachtsteile – zweiten zentralen Akteur in der »Konsumgenossenschaftsfrage« aufsteigen konnte,101 dann war dies mehreren Faktoren geschuldet. Entscheidend war, dass die Arbeitsfront des Jahres 1940/41 nicht mehr die der Jahre 1935/36 war. Sie war organisatorisch konsolidiert und gestrafft. Überdies verfügte sie über fast grenzenlose Gelder, die sie weitgehend nach eigenem Belieben einsetzen konnte. Zudem war sie seit 1937/38 zu einem der zentralen Akteure auf den politischen Bühnen des NS-Regimes aufgestiegen. Den Boden für einen erneuten Zugriff auf die Konsumgenossenschaften hatte die Arbeitsfront schon vorher zu bereiten begonnen. Ende 1936 schreckte der Geheimdienst der DAF, ihr »Amt Information«, andere 98 Nach: Kurzer, Konsumgenossenschaften nach 1936, S. 496. Massive Kritik an den Bestrebungen Funks, die Konsumgesellschaften aufzulösen, kam auch vom Hamburger NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann. Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 157. 99 Am 17. Aug. 1938 gab Funk sogar einen Erlass zur Auflösung der Konsumgenossenschaften heraus, der jedoch vor allem aufgrund des Widerstandes des Militärs wenig Wirkung zeigte. Vgl. ebd., S. 157. 100 Nach: Kurzer, Konsumgenossenschaften nach 1936, S. 496. 101 Ley seinerseits machte die kriegswirtschaftlich unverzichtbare Rolle der Konsum­ vereine regelmäßig stark. Vgl. z. B. Ley an Funk vom 24. Mai 1941, S. 7 f., in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337 bzw. R 8120, Nr. 736, Bl. 52-59, hier: Bl. 58 f.

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Teile des nationalsozialistischen Repressionsapparates mit einem Bericht auf, in dem sie in der Deugro, den Auffanggesellschaften sowie den weiter bestehenden Verteilerstellen »marxistische Umtriebe« und überhaupt »sicherheitspolitische« Probleme witterte, derer das Reichswirtschaftsministerium, die »Kommission für Wirtschaftspolitik« der NSDAP und andere nicht Herr würden.102 Neu eröffnet wurde die Diskussion um das weitere Schicksal der Konsumgenossenschaften Mitte 1939 schließlich dadurch, dass von dritter Seite, vom ostpreußischen NSDAP-Gau­leiter Erich Koch sowie dem Deugro-Direktor Reiner, Überlegungen zu einer Reorganisation des konsumgenossenschaftlichen Komplexes vorgelegt wurden. An der anschließenden Diskussion beteiligte sich neben dem RWM auch Robert Ley. Er begründete sein Engagement – nicht ganz korrekt – damit, dass die Verbrauchergenossenschaften mit Mitteln der Gewerkschaften aufgebaut worden seien und der DAF als Nachfolgeorganisation hier ein maßgebliches Mitspracherecht zustehe. Es gelang ihm, Hitler und auch Heß sowie Göring davon zu überzeugen, dass der Arbeitsfront in dieser Angelegenheit eine maßgebliche Rolle zufallen müsse.103 Hintergrund der 1939/40 hinter den Kulissen hochschlagenden Diskussion war eine Bestimmung aus dem Gesetz über die Verbrauchergenossenschaften vom 21. Mai 1935, wonach die Auslösung der Spareinlagen der Verbrauchergenossenschaften spätestens zum 31. Dezember 1940 zu erfolgen hatte. Nach diesem Zeitpunkt waren Deu­gro und Auffanggesellschaften auf externes Kapital angewiesen. Wer anders bot sich hier an als die DAF, die als mitgliederstärkste Massenorganisation des Dritten Reiches über enorme Finanzreserven verfügte? Mit einem positiven Votum der Spitze des NS-Regimes im Rücken sowie vor dem Hintergrund der Vorbereitungen des ›Westfeldzuges‹ und der zu erwartenden wichtigen Rolle der Deugro sowie der Auffanggesellschaften bei der Versorgung des Heeres und wichtiger Teile der Zivilbevölkerung mit Nahrungsmitteln forderte Ley von Funk am 13. April 1940 in einem Memorandum, die Rechtsnachfolger der vormaligen Konsumgenossenschaften der DAF zu unterstellen.104 Auf einer Konferenz am 29. April 1940, an der neben hochrangigen Vertretern 102 Vgl. Sonderbericht des DAF-Amtes Information vom Okt. 1936, in: Roth, Facetten, S. 106. Derartige Berichte sollten allerdings nicht überbewertet werden; oft wurde bereits die Weigerung, den eingeführten Namen eines Konsumvereins durch eine neue, den Kunden unbekannte Bezeichnung zu ersetzen, als »marxistisch« klassifiziert. Vgl. exemplarisch SoPaDe-Berichte Jg. 1938, S. 224-228. Zum Folgenden: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 173 ff. 103 Nach: Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 104 f. 104 In: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337 (S. 3 ff.). Das Konzept von Ley unterschied sich nicht grundlegend von dem, das Koch und Reiner vorgelegt hatten. Auch diese hatten den Konsumgenossenschaften die »Giftzähne des Kollektivismus« ziehen und in einen Konzern verwandeln wollen, dem die genossenschaftliche Vergangenheit nicht mehr anzumerken war. Koch und Reiner allerdings wollten Deugro, Auffanggesellschaften und das verbliebene Vermögen der Konsumgenossenschaften in eine Stiftung verwandeln, die der NSDAP unterstellt werden sollte und an deren Spitze Koch selbst stehen wollte.

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der Arbeitsfront und des Reichswirtschaftsministeriums außerdem maßgebliche Repräsentanten des Oberkommandos des Heeres, der Reichsgruppe Handel, der Deugro sowie der NSDAP-Gauleiter von Hamburg Karl Kaufmann teilnahmen, wurden Leys Überlegungen, die Konsumvereine als Mitgliedergesellschaften endgültig aufzulösen und die Deugro sowie die Auffanggesellschaften der DAF einzuverleiben, befürwortet.105 Ley setzte sich und sein Konzept auch in den Spitzen der NS-Diktatur durch, weil seine drei zentralen Argumente zogen: erstens die Kriegswichtigkeit des konsumgenossenschaftlichen Apparates, zweitens das von ihm wortreich ausgemalte Horrorbild der Konsumgenossenschaften als entscheidende Stützpunkte der Gewerkschaftszentralen des Exils106 und drittens schließlich die scheinbar unbegrenzt sprudelnden Finanzquellen seiner kraftstrotzenden DAF. Hinzu trat der unmittelbare Zugang zu Hitler, der diesen Argumenten die entsprechende politische Durchschlagskraft verschaffte. Am 27. Mai 1940 kam es – nach weiteren Gesprächen zwischen Ley und Funk  – zu einer Vereinbarung zwischen Heinrich Simon als dem Stabsleiter Leys und Friedrich Landfried als dem Staatssekretär Funks, in der das weitere Schicksal der Konsumvereine festgelegt wurde. Konkret sollte die DAF »vermögensmässig die Verbrauchergenossenschaften und die österreichischen Konsumvereine« übernehmen und die Spareinlagen der ehe­maligen Mitglieder ablösen. Die Arbeitsfront verpflichtete sich ihrerseits zur »Privatisierung der Verteilerstellen der Verbraucher­genossenschaften und der bereits gegründeten Auffanggesellschaften«. Ein Einfallstor, das der NS-Organisation einen weitgehenden Erhalt der Verteilerstellen in eigener Regie erlaubte, war eine Passage in der Vereinbarung, in der es hieß, dass die Deugro/GEG samt angeschlossenen Betrieben »durch die DAF zu einer großen Lehr- und Schulungsstätte für den Einzelhandel ausgebaut werden« sollte.107 Die Vereinbarung zweier eher subalterner Entscheidungsträger wie Simon und Landfried war für sich genommen nur von begrenzter Wirkungsmacht. Veranlasst offenbar durch Ley, der im Unterschied zu seinem Kontrahenten Funk unmittelbaren Zugang zu Hitler besaß, wies der »Führer« höchstpersönlich am 4. November 1940 den Reichswirtschaftsminister an, »das Vermögen der GEG und der Konsumgenossenschaften an die Deutsche Arbeitsfront zu überführen«,108 ohne dass er dabei Details der Vereinbarung zwischen Simon 105 Zugleich wurden damit Kochs und Reiners Pläne hinfällig. Ausführlich Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 176 ff. Vgl. ferner Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 104 f. 106 Vgl. z. B. Ley an Göring vom 6. Mai 1940, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337. Zugrunde lagen dem (in der Perspektive der Nationalsozialisten:) Horrorszenario Leys die – bei näherem Hinsehen – eher harmlosen SD-Berichte vom 6. März 1940, nach: Meldungen aus dem Reich, Bd. 3, S. 850 f. 107 Wortlaut der Vereinbarung zitiert nach: Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), S. 6 f. 108 Als Abschrift in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337. Im Wortlaut außerdem in: Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), sowie Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 180.

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und Landfried aufnahm. Das hieß, dass der DAF Spielräume blieben, die Vereinbarung vom 27. Mai 1940 zu ihren Gunsten auszulegen. Funk blieb nichts anderes übrig, als dies zur Kenntnis zu nehmen und widerwillig am 18. Februar 1941 eine »Verordnung zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirt­schaftlichen Verhältnisse«109 zu erlassen, mit der er den »Führer-Befehl« förmlich sanktionierte. Damit war der Weg für die Gründung des Gemeinschaftswerkes (GW) gebahnt. Von der Genossenschaft zur Einzelhandels-»Filialkette« – Gründung und Aufbau In die Präambel der Verordnung vom 18. Februar 1941 wurden zwar Formulierungen wie »Anpassung der verbrauchergenossen­schaftlichen Einrichtungen an die kriegswirt­schaftlichen Verhältnisse« und »einheitlicher Einsatz der gesamten deutschen Versorgungswirtschaft in dem dem deutschen Volke aufgezwungenen Kriege« aufgenommen. Sie stellten allerdings die ein Dreivierteljahr zuvor von Funks Staatssekretär Landfried der Arbeitsfront abgerungene und von Göring sanktionierte »Privatisierungsklausel« (Ludolf Herbst), die die lange zuvor inaugurierte Umwandlung der Verkaufsstellen der Genossenschaften in privatwirtschaftlich betriebene Einzelhandelsgeschäfte festschrieb,110 nicht in Frage. Die Privatisierung sollte allerdings auf die Zeit »nach dem Endsieg« verschoben werden. Sie bezog sich zudem lediglich auf die Verkaufsstellen, nicht dagegen auf die Produktionsstätten, den Großhandel und die Belieferung, die in den Händen des Gemeinschaftswerkes verbleiben sollten. In seiner Binnenorganisation mutet der neue Konzern wie eine moderne Supermarktkette für Lebensmittel in nuce an (allerdings noch ohne Selbstbedienung). Vergleichbar den in den ersten Nachkriegsjahrzehnten in Europa (meist nach älteren Vorbildern aus den USA) entstehenden Einzelhandelsketten waren die ehemals genossenschaftlichen Verkaufsketten des GW eng mit einem einzigen Großhändler, der Deugro bzw. der GEG (wie sie ab 1941 wieder genannt wurde), verbunden. Wie moderne Supermärkte erwarb die Deugro/GEG ihrerseits Grundnahrungsmittel und andere Produkte des täglichen Bedarfs in Massendimensionen zu Großhandelspreisen (sofern sie diese nicht weiterhin in eigenen Betrieben herstellte). Die entsprechenden Waren wurden dann mit Hilfe einer 109 RGBl., 1941, I, S. 106 f. In Auszügen auch in: Bludau, NS und Genossenschaften, S. 126 f. 110 Diese war freilich nicht rechtsverbindlich. Göring hatte in einem Schreiben vom 30.  Nov. 1940 an Funk »unter Zurückstellung grundsätzlicher Erwägungen« sein Einverständnis mit der Umwandlung der Konsumgenossenschaften in das privatwirtschaftlich betriebene GW erklärt. »Meine Zustimmung erteile ich unter der Voraussetzung, dass die Privatisierung der Verkaufsstellen der einzelnen Verbrauchergenossenschaften so schnell wie möglich durchgeführt wird, d. h. innerhalb eines Jahres nach Beginn der Demobilisierung im wesentlichen erreicht ist.« Nach: Herbst, Tota­ ler Krieg, S. 156. Zur Rolle Görings vgl. auch Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 181.

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durchrationalisierten Verteilerorganisation, inkl. Fuhrpark etc., kostengünstig an die neu errichteten sog. Versorgungsringe und deren Einzelhandels-Filialen weitergegeben, die ihrerseits die Produkte dann meist deutlich unter dem durchschnittlichen Preisniveau des kleingewerblich-selbstän­digen Einzelhandels an die Kunden verkauften. Dass ein Großteil der vom Gemeinschaftswerk vertriebenen Nahrungsmittel entweder bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn (Brot, Fleisch, Fett, Käse, Milch, Zucker, Marmelade, Eier und Nährmittel) oder später (Kartoffeln und anderes) kontingentiert und an die reichsdeutschen Verbraucher nur per Karte abgegeben wurde, ändert an der Transformation des GW zu einem discounterähnlichen Konzern grundsätzlich nichts. Für die Gründung des Deutschen Gemeinschaftswerks stellte die DAF als alleiniger Gesellschafter Anfang April 1941 ein Grundkapital von einer Million RM zur Verfügung. Ähnlich wie 1933/34, als sich die Arbeitsfront die gewerkschaftlichen Vermögen und Unternehmen aneignete, ohne für die Nachteile dieses gigantischen Vermögenstransfers, also Folgekosten wie z. B. Pensionszahlungen aufzukommen,111 verfuhr die Arbeitsfront auch bei der Gründung des GW aus der ›Konkursmasse‹ der Konsumgenossenschaften: Sie wurde in einem längeren Prozess zwischen dem 15. Oktober 1941 und 31. Juli 1943 in die Vermögenswerte der einzelnen Verbrauchergenossenschaften »eingewiesen«. D.h. ihr wurden alle Vermögenswerte der Genossenschaften einschließlich der Verbindlichkeiten übertragen. Die Rechtsnachfolge der Konsumgenossenschaften und die damit verbundenen Verpflichtungen trat das GW damit jedoch nicht an.112 Ähnlich eigennützig verfuhr die DAF auch bei der Neuordnung der finan­ ziellen Verhältnisse, insbesondere bei der Auszahlung der ehemaligen Genossenschaftsmitglieder. Eine Durchführungsverordnung vom 24. Juli 1941113 fixierte die Übernahme des genossenschaftlichen Vermögens durch die DAF und ihr GW, einschließ­lich der »Auskehrung der Geschäftsguthaben der Mitglieder der Verbrauchergenossenschaften«, die sich Ende 1940 auf die Summe von 46,6 Mio. RM beliefen (Tabelle 4.1).114 Tatsächlich wurde damit nur der nominelle Wert dieser Einlagen ausbezahlt und die Mitglieder nicht an den (auf Basis ihrer Einlagen gebildeten) Vermögen etc. beteiligt. Perfide war zudem, dass die vormaligen Mitglieder der Konsumgenossenschaften oft genug nicht einmal wirklich in den Genuss der ihnen nominell zustehenden Rückzahlungen ihrer Einlagen kamen. Im Vorfeld der Überführung der Verbrauchergenossenschaften in das Gemeinschaftswerk hatten Reichswirtschaftsministerium und DAF nämlich ausgehandelt, dass die Einlagen der verbliebenen Genossen nach der Über111 Vgl. Kapitel 1, S. 62 ff.. 112 Dies und das Folgende vor allem nach Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 186 ff. 113 RGBl., 1941, I, S. 452. 114 Zur dritten Durchführungsverordnung vgl. unten. Zu den insgesamt sechs Durchführungsverordnungen vgl. Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), S. 9-13. Vgl. zum Folgenden auch Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 188.

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nahme der Konsumvereine durch das DAF-Gemein­schafts­werk diesen nicht bar ausgezahlt, sondern als Spareinlagen bei der Arbeitsbank geführt werden sollten. In der oben erwähnten Vereinbarung zwischen Simon und Landfried vom 27. Mai 1940 hieß es wörtlich: »Der Gesamtbetrag der Bareinlagen wird einem Sperrkonto, das zu Gunsten der Gläubiger zum Zinssatz für gebundene Spareinlagen verzinst wird, zugeführt. Den Termin der Auszahlung bestimmt der Reichswirtschaftsminister nach Kriegsende.«115 Von dem Geld, dass die oft ja den einkommensschwachen Arbeitnehmerschichten angehörenden Mitglieder der Konsumvereine in ›ihre‹ Genossenschaften‹ gesteckt hatten, sahen diese infolgedessen gar nichts oder sie konnten dieses nur mit enormem Aufwand ›flüssig‹ machen. Hinzu kamen weitere Schlupflöcher, die es dem GW erlaubten, die ehemaligen Genossenschaftsmitglieder um ihre Einlagen und Sparguthaben faktisch zu betrügen.116 Zwar musste das Gemeinschaftswerk Kredite in Höhe von 20 Mio. RM aufnehmen, um die Ansprüche aus den verbliebenen Spareinlagen sowie Geschäftsanteilen in Höhe von insgesamt etwas mehr als 65 Mio. RM abzugelten (Tabelle 4.1); den Kredit erhielt das GW von der Bank der Deutschen Arbeit, die im Gegenzug eine größere Zahl an GW-Verkaufs­stellen als Zahlstellen für Kleinsparer nutzen konnte. Unter dem Strich jedoch war das Gemeinschaftswerk und mit ihm die Arbeitsfront der große Gewinner. Sie behielten die Immobilien (inkl. Hypotheken) sowie das Barvermögen der Konsumgenossenschaften. Allein der Grundbesitz, den sich das Gemeinschaftswerk auf diese Weise aneignete, besaß einen Tageswert von etwa 200 Mio. RM. Die Gesamtsumme des dem GW zugefallenen Vermögens belief sich auf die für damalige Verhältnisse gigantische Summe von 321 Mio. RM – so dass die DAF durch die Gründung des GW und die entsprechenden Transfers einen Vermögenszugewinn von fast 275 Mio. RM verbuchen konnte. Die getroffenen Regelungen galten für das »Großdeutsche Reich«. Die österreichischen und sudetendeutschen Konsumgenossenschaften wurden seit 1941 gleichfalls in das Deutsche Gemeinschaftswerk ›integriert‹. Die »Liquidationsüberschüsse« von insgesamt etwa 6 Mio. RM, die die Arbeitsfront bei der Überführung der sudetendeutschen Konsumgenossenschaften in den Besitz ihres Gemeinschaftswerkes erzielte, wurden dem sudetendeutschen Reichsstatthalter 115 Nach: Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), S. 6. 116 So war bereits in der Sechsten Durchführungsverordnung vom 10. Juli 1937 zum Gesetz vom 21. Mai 1935 festgelegt worden, dass die Ansprüche der Genossenschaftsmitglieder auf ihre Einlagen im Falle des Wohnortwechsels oder des ›unbekannten‹ Verbleibs erloschen. In: RGBl., 1937, I, S. 768. Vgl. auch SoPaDe-Berichte, 1938, S. 222; 1939, S. 241 f. Der Vorsitzende und Hauptgeschäftsführer der TWU der DAF Hans Strauch erklärte Anfang 1944 mit Blick auf die skizzierte Praxis geräuschloser Enteignung, dass »keinerlei Klagen aus den Kreisen der über 2 Millionen ehemaliger Mitglieder laut wurden«  – ein Zynismus angesichts des NS-Re­pressivsystems. Rechenschaftsbericht von Hans Strauch über das Deutsche Gemeinschaftswerk vom 10. Jan. 1944, Anlage zu: Ley an Bormann vom 12. Jan. 1944, in: BA Berlin, NS 22, Nr. 338.

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Henlein »zur Verfügung gestellt, zur Unterstützung der Ansetzung von Handwerkern in den Grenzkreisen und zur besseren Ausstattung des Handwerks mit Geräten und Maschinen, zur Neuerrichtung von Handelsgeschäften« sowie zur »Neuerrichtung von Industriegebieten«.117 Nicht nur finanziell markiert die Gründung des Deutschen Gemeinschaftswerks einen fundamentalen Einschnitt. Auch organisatorisch bildet das Jahr 1941 einen scharfen Bruch. Das Gemeinschaftswerk wurde im Vergleich zu den alten Konsumgenossenschaften und ebenso im Vergleich zu dem Komplex aus verbliebenen Genossenschaften, Auffanggesellschaften und Deugro, der sich zwischen 1936 und 1940 herausgebildet hatte, von Grund auf neu aufgebaut und in insgesamt vier große Bereiche gegliedert: ‒‒ Die bisherigen Konsumgenossenschaften formierte die DAF in insgesamt 135 regionale, als GmbH firmierende »Gemeinschaftswerk-Versorgungsringe«. In ihrer geographischen Gliederung waren die Versorgungsringe, deren Verteilerstellen nun nicht mehr nur den Mitgliedern, sondern jedermann zum freien Verkauf offenstanden, an den Landesbauernschaften orientiert (und nicht, wie ursprünglich geplant, an den DAF-Gauen). ‒‒ Die verbliebenen sieben Warenhäuser der vormaligen Verbrauchergenossenschaften wurden in »GW-Kaufhaus-Gesell­schaf­ten GmbH« umgewidmet. ‒‒ Die Deugro wiederum wurde aus dem GW-Komplex ausgegliedert und in »Deutsche Großeinkaufs-Gesellschaft m.b.H.« (GEG) Hamburg rückbenannt. Gemeinsam mit der »GW-Großein­kauf« Wien firmierte sie als »Organgesellschaft des Gemeinschaftswerks für die Großhandelsstufe im Altreich und in der Ostmark« und belieferte die Versorgungsringe.118 ‒‒ Die verbliebenen Produktionsbetriebe der Deugro/GEG, außerdem die der »Großeinkaufgesellschaft für die österreichischen Consumvereine« (GÖC) in Wien sowie fünf weiterer vormals genossenschaftlicher Gesellschaften wurden Anfang August 1941 gleichfalls separiert und zur »Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks der DAF G.m.b.H.« (IGW) zusammengefasst – ein Aspekt, der (darauf wird zurückzukommen sein) deren sukzessive Schließung bzw. ihren Verkauf an Private erleichterte.119

117 Archiv des ehem. RFM vom 11. Febr. 1949, Denkschrift (Anm. 41), S. 14 (mit Verweis auf eine Aktennotiz aus dem RFM vom 31. Juli 1941). Die Privatisierung und die entsprechenden Enteignungsprozesse der sudetendeutschen Genossenschaftsmitglieder hatten freilich früh eingesetzt und schon im Sommer 1939 einen ersten Höhepunkt erlebt. Dem Gemeinschaftswerk fielen nur wenige verbliebene Reste der sudetendeutschen Konsumgenossenschaftsbewegung zu. Vgl. Anm. 96. 118 Vgl. Rundschreiben des »Bevollmächtigten der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« (i.V. Strauch) an die Aufsichtsräte und Vorstände der ehem. Konsumgenossenschaften, vom 21. März 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 26. 119 Zur innerbetrieblichen Prüfung der Unternehmen des Gemeinschaftswerks und seiner Tochtergesellschaften wurde eine eigene Gesellschaft, die »Allgemeine Treuhand-

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Bis Herbst 1942 war die Gründung des GW im »Altreich«, bis Sommer 1943 auch in den »Alpen- und Donaugauen« abgeschlossen.120 Darüber hinaus ging die »Saarländische Einkaufs- und Verkaufs A.G.« (Sevag) mit Sitz in Neunkirchen im GW auf.121 Nur in Einzelfällen – und mit der Unterstützung einflussreicher Unternehmensleitungen – gelang es Konsumgenossenschaften, sich erfolgreich gegen die Eingliederung in das DAF-Gemeinschaftswerk zu wehren.122 Abgerundet wurde der Transformationsprozess von der Genossenschaft zur privatwirtschaftlichen Supermarkt-Kette dadurch, dass mehrere Durchführungs­ verordnungen zur Verordnung vom 18. Februar 1941 die bereits mit der erwähnten Fünften Durchführungsverordnung vom 15. Oktober 1935 zum Gesetz über die Verbrauchergenossenschaften vom 21. Mai 1935 veranlasste Aufhebung der vormaligen Rechte der General- und Vertreterversammlungen der Konsumvereine und deren Abtretung an die Aufsichtsräte und Vorstände der neuen Gesellschaften festschrieben – und die ›Entgenossenschaftlichung der Konsumgenossenschaften‹ definitiv machten. Parallel dazu wurde die Ausschaltung politisch missliebiger Mitarbeiter forciert. Göring hatte bereits im Frühjahr 1937 veranlasst, dass »staatspolitisch unzuverlässige« Personen von der Gestapo namhaft zu machen und umgehend zu gesellschaft«, gleichfalls mit Sitz in Hamburg, gegründet. Vgl. Die Wirtschaftsunternehmen der DAF, in: Berliner Börsen-Zeitung, vom 4. Okt. 1941. 120 Vgl. Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944 (Anm. 116), Bl.  22, sowie außerdem ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33, bzw. ThHStA Weimar, Thüringisches Wirtschaftsministerium (TWM), Nr. 4326, Bl. 16-77, hier: Bl.  22. Die »Alpen- und Donaureichsgaue« wurden erst aufgrund der fünften Durchführungsverordnung vom 22. Dez. 1942 zur Verordnung vom 18. Febr. 1941 in das DAF-Gemein­schafts­werk (RGBl. 1942, I, S. 213) einbezogen. Aufgrund der abweichenden Rechtsverhältnisse in der »Ostmark« gestaltete sich die Gründung der »Versorgungsringe« des GW aus den ehemaligen österreichischen Konsumvereinen relativ zeitaufwendig. Vgl. Rundschreiben des DAF-inter­nen »Überführungsstabs des Bevollmächtigten für das Gemeinschaftswerk« (i.A. Thormählen), vom 11. März 1942, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. 121 Die Sevag war ein 1924 gegründeter, genossenschaftlich organisierter Lebensmitteldiscounter mit insgesamt 31 Verkaufsstellen für einfache Konsumartikel in den Bergarbeiterstädtchen der Saar. Nach der »Heimkehr des Saargebietes ins Reich« fiel das Unternehmen an die DAF. Mitte 1939 beschäftigte die Sevag 140 Arbeiter und Angestellte. Der Umsatz der Sevag lag 1938 bei 2,4 Mio. RM, 1939 bei 3 Mio. RM und erreichte 1940 schließlich 3,6 Mio. RM. Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 148, sowie Leistungsbericht des AWU für 1939/40 (vom Juli 1940), S. 22, bzw. für 1940 (vom Jan. 1941), S. 27, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. 122 Vgl. z. B. Stolberg Zink AG für Bergbau und Hüttenbetrieb an die Fachgruppe ­Metallerzbergbau der Wirtschaftsgruppe Bergbau vom 15. April 1943, sowie die Reaktion des Gemeinschaftswerks: Der Bevollmächtigte der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse (gez. Strauch) an das RWM vom 22. April 1944 (Abschriften), beides in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 279. Anlass für die Intervention der Stolberg Zink AG war, dass ein leitender Angestellter des Unternehmens im Vorstand der Genossenschaft saß. Zum Procedere der Überführung vgl. BA Berlin, NS 5 I, Nr. 26.

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entlassen seien.123 Trotzdem blieben in den Genossenschaften Restbestände eines sozialdemokratischen Milieus erhalten. Die Überführung der Konsumgenossenschaften in das GW – das als »oberstes Führungsorgan und Muttergesellschaft« aller genannten Gesellschaften fungierte124 – nutzte die DAF, um die personelle Gleichschaltung weiter voranzutreiben und für die Besetzung der Leitungs­ positionen in den Versorgungsringen die »geeigneten, politisch, charakterlich und fachlich zusagenden Betriebsführer aus[zu]wählen«. Selbst danach blieb jedoch die Zahl derjenigen Mitarbeiter groß, die schon vor 1933 den Konsumgenossenschaften angehört hatten und »aus einer idealistischen Einstellung zum Genossenschaftsgedanken als kleine Angestellte oder Arbeiter in die Konsumvereine gegangen sind«, wie Simon 1944 resümierend feststellte.125 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Angaben zum Leitungspersonal, die JanFrederik Korf auf Basis der Personalakten erhoben hat: Die weit überwiegende Mehrheit der von ihm erfassten insgesamt 258 Geschäftsführer der Versorgungsringe war vor 1933 in die Dienste der Konsumgenossenschaften getreten. Lediglich 65, d. h. ein Viertel, waren nach der NS-Machtergreifung eingestellt worden. Die alteingesessenen Geschäftsführer scheinen freilich zu einem erheblichen Teil zum Nationalsozialismus ›bekehrt‹ worden zu sein oder glaubten, sich anpassen zu müssen: 203 oder 78,7 % von ihnen gehörten der NSDAP an.126 Auch unter den ›einfachen‹ Angestellten und Arbeitern waren personelle Kontinuitäten zwischen (großen) Verbrauchergenossenschaften bzw. den Auffanggesellschaften bis 1940 und den ab 1941 geschaffenen Verbraucherringen, in die diese überführt wurden, erheblich. Vermutlich nicht nur im Leipziger Bezirk wurden die Beschäftigten des dortigen Verbandes der Konsumvereine »ausnahmslos in die neue Suborganisation der Deutschen Arbeitsfront übernommen«.127 Während die Führung des GW das sozialdemokratisch-genossenschaftliche Milieu – sofern es sich anpassungsbereit zeigte – nicht gänzlich zerstörte, waren DAF und GW-Vorstand in ihrem Antisemitismus unerbittlich. Bis 1939, und möglicherweise darüber hinaus, kannte mindestens die Betriebsordnung der Deugro keinen »Arierparagraphen«. Das änderte sich – spätestens – Anfang 123 Stellungnahme Görings vom 13. Mai 1937, in: BA Berlin, R 58, Nr. 629. Vgl. auch Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 227 f. Seit 1936 mussten zudem bei einem Stellenwechsel innerhalb des verbrauchergenossenschaftlichen Gesamtkomplexes politische Führungszeugnisse vorgelegt werden. Vgl. ebd., S. 261 f. 124 Zitat: Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944 (Anm. 116). 125 Dies dürfte vor allem für die 9.000 Arbeitnehmer der Zentralverwaltung des GW gegolten haben, in geringerem Maße für die 22.000 Arbeiter und Angestellten in den Produktionsbetrieben und nur ausnahmsweise für die insgesamt 32.000 fast ausschließlich weiblichen und überwiegend jungen Beschäftigten in den Verkaufsstellen des GW. Zitate und Zahlenangaben aus: Heinrich Simon, Die Überführung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen in das Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront GmbH. Abschlußbericht des Bevollmächtigten der DAF, Lobeda/ Thür. 1944, S. 52 f., nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 262. 126 Vgl. ebd., S. 265 f. 127 Adam/Jaunich, Leipziger Bau- und Konsumgenossenschaften, S. 206.

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1944, als in einer neuen Betriebsordnung vom 7. Februar dieses Jahres ausdrücklich eine »positive Einstellung zur nationalsozialistischen Weltanschauung und die arische Abstammung« der Mitarbeiter wie ihrer Familien zur »Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu unserer nationalsozialistischen Betriebsgemeinschaft« gemacht wurde. Am 27. März 1944 legte der GW-Vorstand außerdem fest, dass »jüdisch versippte« Belegschaftsmitglieder umgehend aus der »Betriebsgemeinschaft« auszuscheiden hätten, ein Beschluss, dem entsprechende Entlassungen folgten.128 Fast überflüssig festzustellen, dass den Verteilerstellen des GW die Abgabe von Lebensmitteln an Menschen, die durch die NS-Rassegesetze als »Juden« stigmatisiert waren, verboten war.129 Verbündete oder Kontrahenten? Der »Bevollmächtigter der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse«, ein schwacher Vorstand und ein starker Aufsichtsrat Am 8. März 1941 bestellte Ley seinen Adlatus Heinrich Simon zum »Bevollmäch­ tigten für die verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen«. Deren Vor­stände waren Simon rechenschaftspflichtig, dieser ihnen gegenüber weisungsbefugt.130 Zudem durfte Simon nach Gutdünken Satzungen der Verbrauchergenossenschaften, der GEG/Deu­gro etc. verändern; schließlich konnte er in Absprache mit dem Reichswirtschaftsministerium und dem Aufsichtsrat Vorstände einsetzen und abberufen. Der Leiter des Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmen der DAF, Hans Strauch, wurde Simons Stellvertreter. Beide wiederum waren ermächtigt, »Unterbevollmächtigte« zu ernennen. Infolgedessen wurden die Alltagsgeschäfte des Gemeinschaftswerks wesentlich von Karl Grosche sowie Claus Thormählen bestimmt.131 Zum Leiter des Stabes zur Überführung der Konsum128 Vgl. (inkl. Zitate) ebd., S. 263 f. 129 Folgt man Korf (ebd., S. 200), sprach der Vorstand ein solches Verbot förmlich erst am 11. Sept. 1942 aus. Die Auslieferung von Waren durch das GW an die Ende 1938 eingerichteten »nur für Juden zugänglichen Spe­zialläden [war] hiervon nicht berührt.« 130 Vgl. Rundschreiben des »Bevollmächtigten der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« (i.V. Strauch) an die Aufsichtsräte und Vorstände der ehem. Konsumgenossenschaften, vom 9. März 1941, in: NS 5 I, Nr. 26. 131 Grosche (1893-1945), der 1932 der NSDAP beigetreten war, hatte von 1921 bis 1924 an der Universität Berlin ohne Abschluss Nationalökonomie studiert und war in den zwanziger Jahren als kaufmännischer Angestellter in verschiedenen metallverarbeitenden Betrieben in Berlin, Rotterdam, London, Prag und Wien beschäftigt gewesen. Für die DAF war er seit Anfang 1934 hauptamtlich tätig, zunächst als Mitarbeiter der DAF Schleswig-Holstein, seit März 1934 in führender Stellung innerhalb des DAF-Amtes »Abwehr« bzw. »Information« (seit 1. Mai 1935 als persönlicher Referent des Leiters dieses DAF-Amtes). Ab April 1938 fungierte er als »Mob. und Abwehrbeauftragter« der DAF (Hauptabteilungsleiter) sowie gleichzeitig als Leiter des »Amtes Organisations-Sonderaufgaben beim Reichsorganisationsleiter«. Grosche, der damit zum engeren Kreis der Berliner DAF-Führung zählte, war außerdem  – ehrenamt-

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genossenschaften in das DAF-Gemeinschaftswerk war bereits im Sommer 1940 Egmont Seyerlen ernannt worden; er fungierte ab März 1941 als einer der beiden Hauptgeschäftsführer.132 Die GEG/Deu­gro wiederum wurde bis 1942 vom bereits erwähnten Hermann Reiner geführt.133 Das zuvor in der »Verbrauchergenossenschaftsfrage« federführende Reichswirtschaftsministerium hatte Simon zwar bereits in der oben referierten Vereinbarung vom 27. Mai 1940 als »Bevollmäch­tigten für die verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen« anerkannt. Umstritten war in der Folgezeit allerdings, wie weit die Kompetenzen Simons gingen. Während das Reichswirtschaftsministerium bei allen grundsätzlicheren Entscheidungen ein Vetorecht behalten wollte, erklärte Simon gegenüber dem Ministerium 1942 apodiktisch, »dass es mir überlassen bleiben muss, diejenigen Massnahmen zu ergreifen, welche die mit der Durchführung verbundenen Risiken abschirmen, und für die wirtschaftliche Betätigung des GW und seiner Organe diejenigen Voraussetzungen zu schaffen, wie sie für jeden gleichgearteten Betrieb der gewerblichen Wirtschaft selbstverständlich sind«.134 Der Konflikt blieb bis Kriegsende offen. Angesichts vor allem eines hochkarätig besetzten Aufsichtsrats (s.u.) konnte sich Simon mit seinen weitgehenden Kompetenzansprüchen jedenfalls nicht vollständig durchsetzen. Am 1. April 1941 wurde das »Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront m.b.H.« offiziell ins Leben gerufen. Zum Vorstand des DAF-Gemeinschaftswerks bestellte Simon Mitte März 1941, als Konzession an den einflussreichen NSDAP-Gauleiter von Hamburg Karl Kaufmann, den Senatssyndikus und »Be-

lich – für das SD-Hauptamt Berlin (bei Heydrich) tätig. Anfang Dez. 1943 wechselte Grosche in eine leitende Stellung im Reichssicherheitshauptamt, später zum Stab des SS-Abschnitts XV. Grosche, der 1945 durch Suizid endete, war neben seiner Rolle als Geschäftsführer des Bevollmächtigten für das Gemeinschaftswerks außerdem Stellvertreter Strauchs und Vorstand der GEG. Zur Biographie Simons, Strauchs und Thormählens vgl. Kapitel 2. 132 Über den zweiten Hauptgeschäftsführer Josef Heimbach liegen biographische Angaben nicht vor. Zu Seyerlen vgl. Anm. 95. In der unmittelbaren Nachkriegszeit musste sich Seyerlen wegen seiner Beteiligung am faktischen Raub der Konsumgenossenschaften durch die DAF in mehreren Spruchkammerverfahren verantworten, was den mit ihm befreundeten Ernst v. Salomon zu dem Roman »Der Fragebogen« (1951) inspirierte. 133 An seine Stelle trat bis Mai 1945 der SS-Oberführer Hans Meyer. Über Meyer und ebenso über Hans Niemann, ein ehemaliger Mitarbeiter des Karstadt-Konzerns, der von Aug. 1942 bis Sommer 1944 neben H. Meyer als Geschäftsführer amtierte, ließen sich weitere biographische Angaben nicht eruieren. 134 Simon an das RWM vom 27. April 1942, S. 1-4, hier: S. 3, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. Entsprechend forsch trat Simon auf. So verlangte er die uneingeschränkte Kompetenz zur Gründung neuer Verteilerstellen durch das GW mit den Worten, er müsse es deshalb »ablehnen, mir das Gesetz des Handelns im Rahmen meiner Zuständigkeit aus der Hand nehmen zu lassen.« Ebd., S. 4. Tatsächlich konnte er sich damit gegenüber dem starken Aufsichtsrat des GW nicht durchsetzen.

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auftragten« Kaufmanns in Berlin, Wolfgang Essen.135 Faktisch allerdings übernahm der erwähnte Grosche die Geschäfte des Vorstandsvorsitzenden, nach dem Ausscheiden Essens im Herbst 1942 auch nominell. Da die Vorstände und Geschäftsführungen des GW und der GEG von Simon und Strauch an einer relativ kurzen Leine geführt wurden, konnten die DAFVerantwortlichen auch tolerieren, dass drei von sechs Geschäftsführern schon vor 1933 für die GEG tätig gewesen waren. Anders war dies mit dem Aufsichtsrat. Dieser bestimmte maßgeblich die Richtung, die das Gemeinschaftswerk in der Folgezeit unternehmenspolitisch einschlagen konnte und die Grenzen, die es einzuhalten hatte. Die Stärke des GW-Aufsichtsrates spiegelt sich in seiner Zusammensetzung. Im Unterschied zu den Aufsichtsgremien der anderen Säulen des Arbeitsfront-Wirt­schaftsim­pe­riums bestimmte der Aufsichtsrat die Tätigkeitsfelder und die Geschäftspolitik des GW in weit stärkerem Maße. Dies lag wesentlich daran, dass die Kompetenzen zwischen Simon sowie dem Aufsichtsrat nicht exakt abgegrenzt waren, und an der personellen Besetzung des Aufsichtsrats. In der Arbeitsbank, den Versicherungen sowie den Verlagen waren die Repräsentanten der DAF weitgehend unter sich geblieben. Die Aufsichtsgremien der regional gegliederten Neue Heimat-Ges­ellschaften, aber auch z. B. der Stettiner Vulkan-Werft waren darüber hinaus um Repräsentanten der Region oder Honoratioren der Städte, in denen das jeweilige Unternehmen seinen Hauptsitz hatte, ergänzt worden. Am maßgeblichen Einfluss der DAF-Vertreter auch in diesen 135 Essen (1903-1965) musste sich auf eine weitgehend nominelle Tätigkeit für das GW beschränken, weil er von Mitte 1940 bis 1941 als Oberkriegsverwaltungsrat in Antwerpen engagiert war und von 1942 bis 1944 als Bevollmächtigter des Reichskommissars für die Seeschifffahrt im Mittelmeer und im Schwarzen Meer fungierte. Essen, eigentlich Diplom-Landwirt, war 1937 der NSDAP beigetreten. Von 1934 bis 1941 war er NSDAP-Gauwirtschafts­berater; gleichzeitig arbeitete er in dieser Zeit in führender Position beim Hamburger Wirtschaftssenator. Ab Ende 1936 firmierte Essen als Hamburger »Sonderbeauftragter für Wirtschaftsförderung und Vierjahresplan«; in dieser Funktion war er maßgeblich an der »Arisierung« der Hamburger Wirtschaft beteiligt. Außerdem amtierte Essen zeitweilig als Hamburger Senatsyndikus sowie 1937/38 als Leiter des Hamburger »Arbeitsbeschaffungs­amts«. Ab 1935 war er als Beauftragter des Hamburger Weltwirtschafts-Instituts, in dessen Kuratorium er saß, für die Abstimmung der Tätigkeit dieses renommierten Instituts auf die Bedürfnisse der einschlägigen NS-Stellen verantwortlich. Essen saß außerdem im Aufsichtsrat der Deutscher Ring-Versiche­run­gen, der zur DAF gehörenden Hanseatischen Verlagsanstalt sowie bis 1941 der Saarländischen Sevag. Seit 1942 arbeitete er außerdem für den SD und die Waffen-SS. 1945 wurde Essen verhaftet, aber schon 1947 aus dem Internierungslager Neuengamme entlassen. Er gründete ein eigenes Geldinstitut (Essen-Finanz), das sich als Finanzier vor allem von Neubauprojekten der Neuen Heimat Hamburg hervortat. Von 1954 bis 1965 war er u. a. am Flugzeugunternehmen Ludwig Bölkow, einem Vorläufer des Airbus-Konzerns, finanziell maßgeblich beteiligt. 1953 rief Essen die Klopstock-Stiftung zur Förderung der geistes- und religionswissenschaftlichen Forschung ins Leben. Drittes Mitglied im GW-Vorstand war Josef Heimbach (vgl. Anm.  132).

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Aufsichtsräten änderte sich dadurch nichts. Im Aufsichtsrat des Deutschen Gemeinschaftswerkes waren dagegen alle Institutionen des NS-Regimes vertreten, die auf irgend­eine Weise in die Probleme des Einzelhandels und der Konsumgenossenschaften involviert waren.136 Als zumeist führende Vertreter der jeweiligen politischen Institution warfen die einzelnen Aufsichtsräte ein erhebliches Gewicht in die Waagschale. Neben Simon und Strauch, die dem Aufsichtsgremium des Gemeinschaftswerkes vorsaßen, entsandte das DAF-Fachamt »Handel und Fremdenverkehr« seinen Leiter Georg Gallert,137 die »Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF« ihren Leiter Bruno Raueiser, die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse ihren Präsidenten Hans Helferich138 der Hamburger Reichsstatthalter Kaufmann einen Vertreter namens Peperkorn, das Oberkommando des Heeres Generalstabsintendanten Ernst Pieszczek,139 und das Reichswirtschaftsministerium einen Ministerialrat Rother, der seit 1933 intensiv mit der »Konsumvereinfrage« befasst war. Die »freie Wirtschaft« vertrat der einflussreiche Hamburger Großunternehmer Philipp Reemtsma.140 Die einflussreichste Figur im Aufsichtsrat des Gemeinschaftswerkes war Franz Hayler.141 Hayler, seit Mai 1938 Leiter der Reichsgruppe Handel, war lange Zeit 136 Dies war nur vergleichbar der Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der gleichfalls 1941 gegründeten Bauhilfe der DAF für den sozialen Wohnungsbau eGmbH. Vgl. Kapitel 7, S. 453-459. 137 Gallert (1906-?), war seit 1929 zunächst als Block- und Zellenwart in der NSDAP, ab 1932 dann als Mitglied der neugegründeten NSV aktiv, seit 1933 als Gebietsinspekteur der NSV und der WHW für Süddeutschland. Anfang 1935 wechselte er in die NSDAP-Reichsorganisationsleitung Robert Leys, um dort zunächst im Reichsamt für Volkswohlfahrt, seit 1. März 1939 im Stab des Reichsorganisationsleiters tätig zu werden. Seit dem 1. April 1942 leitete er das Fachamt »Handel und Fremdenverkehr« der DAF. Zu Raueiser vgl. Kapitel 2, S. 84 f. 138 Helferich (1891-1945), von 1925 bis 1929 Landrat in Hamburg-Harburg, von 1929 bis 1932 Verbandsdirektor des Danziger Raiffeisenverbandes, von Anfang 1932 bis 1945 Präsident der Preußischen, seit Okt. 1932 der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse in Berlin, saß außerdem im Aufsichtsrat der Deutschen Genossenschafts-Hypothe­ ken­bank AG, der Wiener Genossenschaftlichen Zentralbank der Ostmark AG, der Berliner Gesellschaft für Getreidehandel AG, der Frankfurter Mühlen AG sowie der Hefftschen Kunstmühle AG in Worms vor; ferner gehörte Helferich dem Aufsichtsbzw. Verwaltungsrat wichtiger Banken (u. a. Deutsche Industriebank, Deutsche Siedlungsbank und Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt) und weiteren wichtigen Institutionen an. Helferich, der zum Umfeld des konservativen Widerstands des 20. Juli 1944 gehörte, starb im Sept. 1945 in einem sowjetischen Internierungslager in Posen. 139 Pieszczek (1876-?), seit 1921 hoher Ministerialbeamter im Reichswehrministerium, war kurz nach Kriegsbeginn zum Generalstabsintendanten im OKW ernannt worden; er fungierte außerdem als Syndikus der Deutschen Tiefkühlgesellschaften Berlin. 140 Zu Reemtsma vgl. Kapitel 5, S. 364. 141 Hayler (1900-1972) hatte an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik, den Kämpfen gegen die revolutionäre Aufstandsbewegung im Ruhrgebiet im Anschluss an den Kapp-Putsch sowie an den oberschlesischen Kämpfen gegen Polen ebenso

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Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes gewesen, bevor er innerhalb der Wirtschaftlichen Selbstverwaltung in führende Funktionen aufstieg. Vor allem er achtete im Aufsichtsgremium des Deutschen Gemeinschaftswerks sorgsam darauf, dass dem kleingewerblichen Einzelhandel im GW kein übermächtiger Konkurrent erwuchs. Machtvoll war die Stellung Haylers nicht in erster Linie aufgrund seiner hohen wirtschaftspolitischen Funktionen oder weil er den Titel »Wehrwirtschaftsführer« führte, sondern weil hinter ihm »der große Schatten Heinrich Himmlers auftauchte« (Ludolf Herbst). Innerhalb der SS hatte Hayler seit Anfang der vierziger Jahre den Rang eines »Brigadeführers« inne, der ungefähr dem eines Generalmajors entsprach. Entscheidend war sein »ausgezeichnetes persönliches Verhältnis zu Himmler« und  – mit Blick auf das DAF-Gemein­schafts­ werk –, dass beide »wirtschaftliche Probleme aus mittelständischer Perspekti­ve betrachteten«.142 Himmler, den Ludolf Herbst sogar zur »Schlüsselfigur der mittel­ständischen Nachkriegsplanungen und -überle­gun­gen« gemacht hat, veranlasste Mitte November 1943, dass Hayler als Staatssekretär ins RWM eintrat und als Stellvertreter des Reichswirtschaftsministers fungierte, mithin auch hier als ›Aufpasser‹ von Seiten der SS auftrat. Mit dem »Reichshauptamtsleiter« Hermann Reischle, den das Reichsernährungs­mi­ni­sterium entsandte,143 saß noch teilgenommen wie am Hitler-Putsch 1923. 1923 gehörte er dem Freikorps »Oberland« an, Anfang Dez. 1931 trat er in die NSDAP, im März 1934 in die SS ein. Neben der Reichsgruppe Handel, deren Führung er 1938 übernahm, leitete Hayler bereits seit 1934 (bis 1943) u. a. die Wirtschaftsgruppe Einzelhandel sowie (für das DAF-Gemeinschaftswerk besonders wichtig) die Wirtschaftsgruppe Gemeinschaftseinkauf. Darüber hinaus saß Hayler in weiteren diversen Aufsichtsräten (u. a. der Industriebank und der Continentalen Öl AG) sowie Verwaltungs- und Beiräten (u. a. Reichsbank und Werberat der deutschen Wirtschaft). 1946 trat er als Zeuge im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess auf. Später gelangte er als Inhaber und Hauptgeschäftsführer der München Ex- und Importfirma Hayler GmbH aktiv erneut zu Ansehen. 142 Vgl. Herbst, Totaler Krieg, zu Hayler, S. 153 f., 259 f., Zitate: S. 260. Das folgende Zitat: ebd., S. 154. 143 Der promovierte Staatswissenschaftler und Volkswirt Reischle (1898-1993), nach der Novemberrevolution Mitglied des Freikorps »Studentenbataillon Tübingen«, gehörte zunächst dem Stahlhelm an. Beruflich war er in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre im Bankgewerbe und in der Industrie beschäftigt gewesen, ehe er dann in leitender Stellung beim Reichsverband des deutschen Gartenbaus e.V. sowie der Deutschen Gartenbau-Kredit AG tätig wurde. 1931 trat Reischle der NSDAP bei; bereits im Nov. 1931 wurde er innerhalb der Reichsleitung der NSDAP für die Agrarwirtschaftspolitik zuständig, die er ab 1932 leitete (seit 1933 als Stabs- bzw. Reichsamtsleiter). Nach der NS-Machtergreifung ernannte Darré ihn zum Reichskommissar im Reichsernährungsministerium sowie zum Leiter des Stabsamtes des Reichsbauernführers. Seit Ende 1933 war er außerdem Mitglied des Generalrats der deutschen Wirtschaft sowie stellvertretender Präsident der Deutschen Rentenbank. 1933 wurde Reischle außerdem in die SS aufgenommen. Dort wurde er bereits 1935 zum »Brigadeführer« ernannt. Innerhalb der SS war er in führender Funktion, u. a. als wirtschaftspolitischer Berater und Vertrauter Darrés im Rasse- und Siedlungshauptamt tätig; von Mitte 1934 bis Mitte 1936 und erneut von Mitte 1937 bis Ende 1938 leitete er dieses wichtige SS-Amt. Von Spätsommer 1935 bis Anfang 1937 übte er als stellv. Kurator innerhalb

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ein zweiter hoher SS-Funktionär und Vertrauter Himmlers im Aufsichtsrat des DAF-Unter­nehmens. Mit der personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrates, namentlich solch mächtigen ›Aufpassern‹ wie Hayler und Reischle, hielten die politisch-ökono­ mischen Kontrahenten der DAF, vor allem das Reichswirtschafts- und das Reichsernährungsministerium bzw. der Reichsnährstand sowie die Reichsgruppe Handel die ökonomischen Ambitionen im Zaum, die die Arbeitsfront mit dem GW verfolgte. Gleichzeitig war garantiert, dass die ›Entgenossenschaftlichung der Konsumgenossenschaften‹ konsequent zu Ende geführt wurde. Insbesondere Hayler hatte sich durch die Aufnahme in den Aufsichtsrat nicht vom Saulus zum Paulus gewandelt hatte. Er blieb ein kämpferisch gestimmter Vertreter des selbständigen Mittelstandes und setzte Mitte 1942 durch, dass das Gemeinschaftswerk nur in Abstimmung mit der Reichsgruppe Handel neue Geschäfte eröffnen oder aufkaufen durfte.144 Auch Reischle und der von ihm repräsentierte Reichsnährstand, der von der dem GW abgezwungenen Aufgabe der Import- und der Großhandelskonzessionen (s.u.) profitieren sollte, wollte es Hayler und seiner Reichsgruppe Handel nachmachen und suchte seinerseits das Gemeinschaftswerk gleichfalls weiter einzuschnüren. Seine Forderung, mindestens einen Teil der agrarischen Produktionsbetriebe des Gemeinschaftswerks zu privatisieren, scheiterte allerdings im September 1942.145 Der Aufsichtsrat war für die Richtungsentscheidungen des Gemeinschaftswerkes sowie die Kontrolle des Finanzgebarens des GW zuständig. Unterhalb dieser Ebene waren die DAF-Verant­wort­lichen bemüht, sich möglichst große Freiräume zu errichten. Gleich zu Beginn des Frühjahres 1941 legte Simon fest, dass die GEG als das wichtigste Subunternehmen des DAF-Gemein­schafts­wer­kes eine Gesellschaft ausdrücklich »ohne Aufsichtsrat« bleiben solle.146 Der Verzicht auf ein Aufsichtsgremium war freilich zweischneidig. Auf der einen Seite konndes »Ahnenerbes« der SS maßgeblichen Einfluss aus, da der eigentliche Vorsitzende des Kuratoriums – Heinrich Himmler – sich durch Reischle vertreten ließ. Im Krieg firmierte Reischle als Führer im Stab des Reichsführers-SS, ab 1944 war er beim SSPersonalhauptamt. 144 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 190; Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 107. Einen weiteren Vorstoß der RGH, den Rabatt abzuschaffen, konnte das Gemeinschaftswerk dagegen abwehren – und sich damit einen Konkurrenzvorteil erhalten, da das GW wie vordem die Genossenschaften aufgrund seiner besseren Bezugsbedingungen eher Rabatt als die meisten privaten Einzelhändler gewähren konnte. 145 Folgt man Ditt (Konsumgenossenschaften, S. 107 f.), wurde dieser Angriff, der der erste Schritt zu Liquidation der GEG/Deugro gewesen wäre, von Vertretern des RWM abgewehrt, die die von der RGH unterstützte Forderung des Reichsnährstandes für unvereinbar mit Funks Verordnung vom 18. Febr. 1941 – und damit dem vorausgegangenen »Führer-Befehl« – hielten. Die DAF oder das »Gemeinschaftswerk« waren an diesen Verhandlungen gar nicht beteiligt – die deshalb vermutlich nur Vorverhandlungen waren, um unterschiedliche Positionen der Kontrahenten der DAF zu vereinheitlichen. 146 Vgl. Rundschreiben Strauchs an die Aufsichtsräte und Vorstände der ehem. Konsumgenossenschaften, vom 21. März 1941 (Anm. 118).

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ten Simon und die Arbeitsfront-Funkt­ionäre innerhalb der GEG nach eigenem Gutdünken handeln. Auf der anderen Seite begaben sie sich damit der Chance, sich Bündnisgenossen zu verschaffen, indem sie Vertreter einflussreicher Institutionen des Regimes in einem solchen Aufsichtsgremium platzierten. Infolgedessen war die GEG ziemlich schutzlos Angriffen mittelstandsorientierter Institutionen sowie von Rivalen der DAF ausgeliefert, die eine marktbeherrschende Stellung des GW im Lebensmittelhandel fürchteten. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass namentlich die GEG/Deugro in der Folgezeit erhebliche Federn lassen musste (ein Aspekt übrigens, der einen erneuten Aufschwung der Konsumgenossenschaften ab 1945 erheblich behinderte). Gestutzte Federn – Beschneidungen der Tätigkeitsfelder von GEG und Gemeinschaftswerk Um Befürchtungen des privaten Import- wie des Großhandels vor einer übermächtigen Konkurrenz auszuräumen, musste die GEG auf ihre bisherigen Importkonzessionen für wichtige ›Kolonialwaren‹ wie Tee und Kaffee verzichten. Das war zunächst durchaus zu verschmerzen, da im Krieg die Außenhandelsbeziehungen nach Übersee ohnehin faktisch zusammengebrochen waren. Die verbliebenen Außenhandelsaktivitäten wurden zwei neu gegründeten Gesellschaften übertragen, der »Waren-Ein- und -Ausfuhr GmbH (WEAG) – Ein- und Ausfuhrstufe« sowie der »OSTEX GmbH, Wien«.147 Besonders wurde das Gemeinschaftswerk dadurch getroffen, dass ihm bis 1943 außerdem der Großhandel mit Getreideerzeugnissen, Nährmitteln, Kaffee­ ersatz, tierischen und pflanzlichen Fetten, Eiern, Geflügel, Spirituosen usw. entzogen wurde. Empfindlich wurde das GW außerdem durch den Entzug der Mehlverteilerkarte tangiert. Im April 1944 wurden schließlich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der verstärkten Bombenangriffe, der Zerstörung der Infrastrukturen des Reiches und der Ausdünnung des GEG-Fuhrparks, die regionalen Niederlassungen der GEG den Versorgungsringen zugeschlagen. Im Effekt lief all dies auf eine strukturelle Schwächung der GEG sowie eine Dezentralisierung des GW hinaus, durch die die regionalen Versorgungsringe zum Schwerpunkt des GW-Komplexes wurden.148 Auch die im Spätsommer 1941 aus dem konsumgenossenschaftlichen Komplex bzw. dem GW ausgegliederten und in der Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks der DAF GmbH (IGW) zusammengefassten Produktionsbetriebe verloren an Bedeutung. Das GW musste zahlreiche Fabriken stilllegen, ohne dass 147 Vgl. »Die Wirtschaftsunternehmen der DAF«, in: Berliner Börsen-Zeitung vom 4. Okt. 1941. 148 Weiter geschwächt wurde die GEG durch die Einführung des sog. innerbetrieblichen Preises (»offener Preis«), durch den die GEG/Deugro zur Offenlegung ihrer Lieferbeziehung gezwungen wurde. Die Folge war, dass die Versorgungsringe die Groß­ handelspreise und damit die Gewinnspanne der GEG kräftig drücken konnten. Vgl. im einzelnen Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 209 ff.

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Stellen der Arbeitsfront hier hindernd eingreifen konnten. So wurde Anfang Mai 1942 eine der Zigarettenfabriken, etwa zur gleichen Zeit je eine Spirituo­sen- und eine Fischfabrik, allesamt mit Sitz in Hamburg, stillgelegt. Anfang 1944 folgte eine gleichfalls in der Hafenstadt ansässige Chemische Fabrik, die u. a. Schuhcreme hergestellt hatte, Ende 1944 die große Rauchtabakfabrik der IGW in Hamburg-Altona. Die Bürstenfabrik in Stützengrün am Fuße des Erz­gebirges wurde Anfang 1945 geschlossen. Andere hatten mit erheblichen Problemen zu kämpfen, etwa der Einberufung oder der Dienstverpflichtung größerer Teile der Belegschaften. Kriegswirtschaftlich gerechtfertigt waren die Schließungen bzw. Restriktionen im Allgemeinen nicht, da die genossenschaftlichen Produktionsbetriebe traditionell zu den modernsten ihrer Wirtschaftssparte gehörten. Hinter den Barrieren, die sich vor zahlreichen Produktionsbetrieben der IGW türmten, stand eine gezielte Lobbyistenpolitik der bei Stilllegungsentscheidungen maßgeblichen Fachgruppe »Einzelhandel« und der örtlichen Industrie- und Handelskammern. Sie protegierten kaum kaschiert privatwirtschaftliche Unternehmen auf Kosten der vormals genossenschaftlichen Betriebe.149 Auffällig ist, dass von den zahlreichen Nahrungsmittelbetrieben des GW bis 1945 nur relativ wenige geschlossen wurden. In dieser Hinsicht erwiesen sich die Wehrmacht und ihr großes Interesse an einer Grundversorgung der Truppen mit Back- und Fleischwaren sowie anderen Nahrungsmitteln als starker politischer Bündnispartner. Ökonomisch erheblich beschädigt wurden auch andere Bereiche des ehemals konsumgenossenschaftlichen Komplexes. Bis 1941 hatte die GEG über große eigene Speditions- und Transportabteilungen verfügt. Sie wurden mit der Gründung des GW ausgegliedert und als »Deutsche Transportgesellschaft m.b.H. (DeTeGe)« verselbständigt.150 Dabei blieb es jedoch nicht. Darüber hinaus wurde dieses lukrative und für die GEG/Deugro zentrale Tätigkeitsfeld zunehmend privaten Spediteuren zugeschanzt. Bereits ab 1933 wurde die Bremer Speditionsfirma Friedrich Bohne von vielen Verbrauchergenossenschaften, die nun von Nationalsozialisten geführt wurden, mit dem Warentransport zwischen GEG, Zentrallagern und Verkaufsstellen beauftragt. Die Kostensätze, zu denen Bohne diese Transporte übernahm, lagen um ein »Vielfaches höher« als die, die zuvor von der GEG-eigenen Transportabteilung veranschlagt worden waren. In einzelnen Fällen übernahm Bohne den Fuhrpark der Genossenschaften gleich ganz, reduzierte die Belegschaft und erhöhte die Arbeitsbelastung der verbliebenen Kraftfahrer »durch Zusammenlegung von Touren außerordentlich«.151 Obwohl seine Gewinne beträchtlich gewesen sein müssen, machte Bohne Vertragsforde149 Vgl. ebd., S. 211-214. 150 Vgl. Rundschreiben des »Bevollmächtigten der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« (i.V. Strauch) an die Aufsichtsräte und Vorstände der ehem. Konsumgenossenschaften, vom 21. März 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 26, sowie »Die Wirtschaftsunternehmen der DAF«, in: Berliner Börsen-Zeitung vom 4. Okt. 1941. 151 Vgl. (inkl. Zitat) SoPaDe-Berichte, 1935, S. 1359 f.

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rungen in Höhe von einer knappen halben Mio. RM geltend, als einige Konsumgenossenschaften aufgrund des Gesetzes vom 21. Mai 1935 liquidiert werden mussten – ohne selbst die entsprechenden Leistungen erbracht zu haben.152 Anstatt Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder die Firma Bohne zumindest auf Distanz zu halten, wurde dieses Privatunternehmen 1942 sogar zum Teilhaber der DeTeGe gemacht. Zugleich wurde das Bremer Speditionsunternehmen als »Fachberatungsstelle« mit der Aufgabe betraut, den Fuhrpark der einzelnen Versorgungsringe auf die DeTeGe zu übertragen. Es ließ sich dies mit der fürstlichen Summe von 284.500 RM honorieren; dabei hätte die Firma Friedrich Bohne »diese Aufgabe ohnehin erfüllen müssen« (Jan-Frederik Korf ). Darüber hinaus profitierte das Bremer Unternehmen von der Privatisierung der Deugro und der Ausgliederung des ursprünglichen genossenschaftlichen Fuhrparks, weil die DeTeGe seit 1941 über die Bohne-Spedition für ihren Fuhrpark Reifen, Öl und Kraftstoff bezog, ein Gewinnausfall für die GEG/Deugro, der sich auf etwa 30.000 RM jährlich belief. Stärker noch als durch diese Zusammenarbeit mit dem Bremer Spediteur Bohne litt der verbliebene Fuhrpark der DeTeGe darunter, dass bereits »bei Kriegs­ausbruch durchschnittlich 50 % bis 70 % der Fahrzeuge [der Konsumgenossenschaften] von der Wehrmacht eingezogen worden« waren153 und in der Folgezeit nicht ersetzt werden konnten. Die Versorgungsringe standen zwar im Zentrum des GW-Komplexes. Aber auch sie hatten Einbußen hinzunehmen. Von den knapp 13.000 Verkaufsstellen 1940/41 wurden in der Folgezeit 407 förmlich geschlossen, weitere infolge der Luftangriffe ab 1942 zerstört.154 Schmerzlich war außerdem, dass das GW den von den Konsumgenossenschaften betriebenen Kohlenhandel weitgehend einstellen musste.155 Begründet wurde dies damit, dass dessen Weiterbestehen mit dem Lebensmittelhandel – als dem GW überlassenen Tätigkeitsfeld – angeblich nicht vereinbar war. Einen gewissen Erfolg konnte Simon mit der am 26. August 1942 erlassenen »Dritten Anordnung zur Durchführung der Verordnung zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die

152 Dies und das Folgende (inkl. Zitate) nach Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 208 f. 153 Vgl. Stellungnahme der DeTeGe vom 29. Aug. 1941 zu »Planung und Stand der Überführung« der ehem. Konsumgenossenschaften in das DAF-Gemein­schaftswerk, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. 154 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 190. 155 Zum Umgang mit den Brennstoffgenossenschaften vgl. exemplarisch Rundschreiben des Ländlichen Genossenschaftsverbandes Rhein-Main-Neckar e.V. »an unsere Brennstoffbezugsgenossenschaften« vom 10. April 1943, sowie Verbindungsmann der Dienststelle des Bevollmächtigten der DAF für den Gau Hessen-Nassau an den Vorstand des Allgemeinen Konsumvereins für Ems und Umgebung eGmbH, vom 1. April 1943 (Abschriften), bzw. Verbrauchergenossenschaft »Glückauf« eGmbH Barsinghausen an die Dienststelle des Bevollmächtigten der DAF, Hamburg, vom 3. Juni 1943, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 279. Vgl. allgemein Korf, Konsumgenossenschafts­ bewegung, S. 190.

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kriegswirtschaftlichen Verhältnisse« verbuchen.156 Dort wurde festgelegt, dass die restriktiven Bestimmungen der Gesetze »zum Schutz des Einzelhandels« vom 12. Mai 1939 und »zum Schutze des Großhandels« vom 15. Januar 1940 die Entfaltung der Tätigkeit des Gemeinschaftswerkes nicht behindern durften. Trotz aller Beschränkungen war das, was blieb, beeindruckend. Vor allem konnte der Trend eines ökonomisch scheinbar unaufhaltsamen Abstiegs gestoppt werden (Tabellen 4.1 und 4.2). Bis zur Umgründung in das Deutsche Gemeinschaftswerk 1940 war der Umsatz der Konsumgenossenschaften gegenüber ihrem besten Weimarer Jahr (1929) um fast zwei Drittel (62,1 %) eingebrochen. Trotz der geschilderten Restriktionen stieg der Umsatz des DAF-Gemeinschafts­ werks danach kontinuierlich. Er lag 1943 – einschließlich aller angeschlossenen Gesellschaften – im »Altreich« bei 813 Mio. RM. Gegenüber 1940 war dies eine Steigerung von fast 50 % (48,8 %), gegenüber 1942 trotz aller Zerstörungen und der militärischen Wende im Osten wie im Süden immer noch ein Zuwachs von 3,9 %. Einschließlich Österreich, Sudeten und Elsass belief sich der Umsatz 1943 sogar auf etwa 1,2 Mrd. RM.157 Die Reingewinne waren zwar relativ bescheiden (1942: zwei Mio. RM; 1943: knapp eine Mio. RM).158 Ein Zuschussgeschäft war das Gemeinschaftswerk für die DAF jedoch nicht.

6.4. Expansion und Untergang des »Deutschen Gemeinschaftswerkes« Das Gemeinschaftswerk als Teil eines »europäi­schen Wirtschaftskörpers« Der um pathetische Worte nie verlegene Ley hatte Anfang 1941 vollmundig angekündigt, mit dem neuen Nahrungsmittelkonzern »unserem deutschen Volke 156 In: Deutscher Reichsanzeiger, Nr. 201, vom 28. Aug. 1942. Dieser Durchführungsverordnung ging eine heftige Kontroverse zwischen dem RWM und dem »Stab« des Bevollmächtigten für das Gemeinschaftswerk voraus, in der sich Simon und die DAF durchsetzten. Vgl. das DAF-interne »Führungsstab des Bevollmächtigten« für das GW (i.A. Thormählen), vom 11. März 1942, sowie Vermerk des Vorstands des GW (gez. Thormählen) vom 30. Juni 1942, inkl. Anlagen, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. 157 Zu den Bilanzen der Deugro vgl. die Geschäftsberichte für 1941, 1942 und 1943 in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 29, zu denen der GW-Industriebetriebe deren Geschäftsberichte für 1942 und 1943, in: ebd., Nr. 30. Für die GW-Kaufhaus GmbH liegt nur der Geschäftsbericht für 1944 vor, in: ebd., Nr. 31. 158 Sie flossen in die Rücklagen des Gemeinschaftswerkes. Vgl. Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 106. Strauch sprach in seinem Rechenschaftsbericht über das Gemeinschaftswerk vom 10. Jan. 1944 (S. 5 f., Anm. 116) davon, dass sich die »[Roh-]Erträge 1943 im Vergleich zum Jahre 1942 um 17 bis 18 Mill. RM, d. h. um 2 % vom Umsatz verbessert« hätten, obwohl »1943 die mit der Gesetzesdurchführung [d. h. auf die Verordnung vom 18. Febr. 1941 zurückgehenden] anormalen Überführungs- und Einweisungsarbeiten nicht abgeschlossen waren. Bei weiterer planmässiger Ausrichtung sind weitere Ertragsverbesserungen zu erwarten.« Zahlen für 1944 liegen nicht vor.

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eine weitere Kraftquelle unserer Existenz für Jahrhunderte hinaus« zur Verfügung zu stellen.159 Darüber hinaus wollte der Chef der DAF das GW zu einem ernährungspolitischen »Musterbetrieb« sowie zur »Hohen Schule des Einzelhandels« machen.160 Unter dem Motto »Kampf dem Verderb« richteten Arbeitsfront und GW darüber hinaus Versuchsküchen und Kundenberatungsstellen ein, deren Mitarbeiter Tipps etwa über die Frischhaltung und eine optimierte Bevorratung von Nahrungsmitteln gaben.161 Ley ging es dabei nicht in erster Linie um eine Dienstleistung am Einzelhandel und am individuellen Konsumenten. Er wollte seinen »planvoll zusammengeschweißten« Einzelhandels-Konzern von der Distributionsseite her zum »größten europäi­schen Wirtschaftskörper auf dem Ernährungsgebiet« machen.162 Ihm sollte wesentlich die Verteilung vor allem von Agrarprodukten obliegen, die in ganz Europa hergestellt, ins Deutsche Reich transportiert und dort an die – rassisch privilegierte – »deutsch-ari­sche« Bevölkerung verteilt werden sollten. Auf diese Weise wurde das Gemeinschaftswerk mit der sozialpolitischen Hauptaufgabe verknüpft, die der DAF seit Kriegsbeginn zugewiesen war. Es wurde zu einem Instrument zur Beruhigung der Stimmung an der ›Heimatfront‹ und zur positiven Integration breiter Arbeitnehmerschichten in das NS-System. »Die Läden der Versorgungsringe haben genau wie die Läden der ehemaligen Verbrauchergenossenschaften vorwiegend die Arbeiterbevölkerung und den Arbeiterhaushalt zu bedienen«, erklärte Heinrich Simon als Bevollmächtigter für das GW im Frühjahr 1942. Gleichzeitig warnte er vor der Schließung von Ver­ teilerstellen dieses DAF-Unter­neh­mens, wie sie die Reichsgruppe Handel mit ihren Untergruppen sowie die örtlichen Industrie- und Handels- sowie Wirtschaftskammern immer wieder durchzusetzen versuchten, sowie einer weiteren Begrenzung des dem GW verbliebenen Warenangebots. Jede Schließung und ebenso »jede neue Bezugsquelle, die wegen [der] Ausgliederung bestimmter Artikel aufgesucht werden« müsse, »wirkt sich ausschliesslich auf die Arbeiterhausfrauen aus«.163 Viele Arbeiterhausfrauen und Mütter waren in der Industrie 159 Ley, Konsumvereine und Verbrauchergenossenschaften (Anm. 86), bzw. »Leistung und Sozialpolitik. Dr. Ley sprach in Leipzig«, in: Angriff vom 7. März 1941. 160 Beide Schlagworte benutzte Ley z. B. in: »Leistung und Sozialpolitik. Dr. Ley sprach in Leipzig«, in: Angriff, vom 7. März 1941 bzw. nach: Deutsche Allgemeine-Zei­tung vom 3. Okt. 1941. Vgl. auch ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1940 (Jan. 1941), S. 7, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. 161 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 183. 162 So ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 160), S. 7. 163 Simon an das RWM, vom 27. April 1942, S. 4, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. In den dreißiger Jahren und Anfang der vierziger Jahre erhöhte sich der Anteil verheirateter Frauen und Mütter unter den Industriearbeiterinnen dramatisch. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Industriearbeiterinnen in der deutschen Kriegswirtschaft, 1936-1944/45, in: GG, 19/1993, S. 332-366, hier: S. 335 ff. Damit wuchs die Dreifachbelastung dieser Frauen enorm – ein gravierendes Problem, das NS-Regime und Industrie durch Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit, durch Hausarbeitstage, Kindergärten usw. zu entschärfen suchten. Die Argumentation Simons bezieht sich auf diese Problemkonstellation.

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beschäftigt und auf kurze Einkaufswege angewiesen. Die Schließung von GWVerteilerstellen hätte diese Wege erheblich verlängert. Mit dieser Argumentation zielte Simon nicht allein auf den bloßen Erhalt des Status quo. Aller Einwände der Reichsgruppe Handel und anderer zum Trotz wollte die DAF weitere GW-Filialen errichten. Simon und Ley dachten dabei an Geschäfte in den Händen von Privatleuten, die von den Versorgungsringen und der GEG beliefert würden. Sie wollten »Verteilerstellen für unsere für diesen Beruf befähigten Soldaten, die aus dem Kriege zurückkehren, offen und freihalten«.164 Gemeint war damit die Versorgung von Veteranen, denen das Kriegshandwerk im Alter oder für den Fall der Invalidität durch die Aussicht auf eine kleine selbständige Existenz schmackhaft gemacht werden sollte. Gleichzeitig beabsichtigte der Chef der Arbeitsfront, wie er Anfang März 1941 in der DAF-Ta­ges­zeitung »Der Angriff« erklärte, mit dem Gemeinschaftswerk in »die neugewonnenen Gebiete im Osten und im Westen, die heute schon sehr schwer unter dem Mangel eines genügenden Verteilerapparates in der Ernährungswirtschaft und in der Versorgung der Bevölkerung leiden«, zu expandieren. Tatsächlich versuchte die DAF die in Polen sehr starken Konsumgenossenschaften des Spolem-Ver­ban­des165 an sich zu reißen, in der Absicht, diese dem Deutschen Gemeinschafts­werk einzuverleiben. Sie scheiterte damit allerdings,166 gab ihre Versuche jedoch nicht auf. Ebenfalls bereits Anfang März 1941 behauptete Ley großspurig: Für die Versorgung der »Bevölkerung« in den okkupierten Gebieten wie für die Wehrmacht »konnte ich bereits jetzt aus dem großen Apparat 164 Dieses und das folgende Zitat: Ley, Konsumvereine und Verbraucher­genossenschaften (Anm. 86), bzw. »Leistung und Sozialpolitik. Dr. Ley sprach in Leipzig«, in: Der Angriff, vom 7. März 1941. Daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. außerdem z. B. Wirtschafts- und sozialpolitische Rundschau der DAF vom 31. Mai 1943 (»Das Gemeinschaftswerk der DAF«). 165 Zum »Centralny Zwiazek Spóldzielni Spozywców« (Spolem) gehörten neben der Großeinkaufszentrale in Warschau vor dem deutschen Überfall auf Polen 1.800 kleinere Genossenschaften mit 400.000 Mitgliedern (einschließlich landwirtschaftliche Genossenschaften); Spolem war damit der größte Handelskonzern Polens. Von den deutschen Besatzern als eine der ganz wenigen eigenständigen Organisationen toleriert, um die Grundversorgung der polnischen Bevölkerung im »Generalgouvernement« aufrechtzuerhalten, verdoppelte sich ihr Mitgliederbestand bis 1942 im Vergleich zur Vorkriegszeit. Danach wurde Spolem immer schärferen Restriktionen ausgesetzt (um nach 1945 wieder eine wichtige Rolle in der realsozialistischen Staatswirtschaft zu spielen). Anfang der vierziger Jahre wurden die knapp 2.000 kleinen Spolem-Genossenschaften zu 46 großen »Bedarfsgenossenschaften« und 13 Produktivgenossenschaften zusammengefasst. Vgl. Imma Swart, Deutschland und der Osten. Quellen und Forschungen zur Geschichte ihrer Beziehungen, Bd. 11, Leipzig 1943, S. 154, 159 ff.; Klaus-Peter Friedrich, Zusammenarbeit und Mittäterschaft in Polen 1939-1945, in: Christoph Dieckmann/Babette Quinkert/Tatjana Tönsmeyer (Hg.), Kooperation und Verbrechen. Formen der »Kollabo­ration« im östlichen Europa 19391945, Göttingen 2003, S. 113-150, hier: S. 124 ff.; Karl Brandt, Germany’s Agriculture and Food Policies in World War II, Stanford 1953, S. 12 f.; Loose, Kredite für NSVerbrechen, S. 410 f. 166 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 22 f.

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der Konsumvereine genügend Kräfte zur Verfügung stellen und damit den Verteilerapparat in den neueroberten Gebieten sichern«. Das war mehr Ankündigungsrhetorik denn Realität. Ihr folgte freilich schon bald eine entsprechende Praxis. Neben Betrieben in den okkupierten Gebieten der Sowjetunion, die dem GW-Komplex zugesprochen wurden, um die Wehrmacht ›vor Ort‹ effizient und ohne den Aufwand langer Transportwege mit Grund­ nahrungsmitteln versorgen zu können, war die GEG/Deugro ab Mitte Mai 1942 außerdem an der »Deutschen Tee-Plantagen- und Handelsgesellschaft«, die ihren Sitz in Berlin und ihre Anbaugebiete im südlichen Kaukasus besaß, beteiligt.167 1943 erwarb die Arbeitsbank für das Deutsche Gemeinschaftswerk zudem Aktien im Wert von nominell knapp 1 Mio. RM von der Continentale Handels AG.168 Um seinen Anspruch, im gesamten nationalsozialistisch besetzten Europa auch agrarpolitisch zu den zentralen Akteuren zu gehören sowie in der Nahrungsmittelbranche tätige Unternehmen vom GW abhängig zu machen, verwirklichen zu können, veranlasste Ley die Arbeitsbank darüber hinaus, Großkredite zu vergeben, die einen deutlich konturierten landwirtschaftlichen Hintergrund besaßen. Dazu gehörten bis zur Jahreswende 1942/43 Kredite in Höhe von 6,3 Mio. RM an die Landwirtschaftliche Zentralstelle in Krakau, 6 Mio. RM an die »Arbeitsgemeinschaft von Herstellern tiefgefrorener Nahrungsmittel GmbH (Ahens)« mit Sitz in Düsseldorf, 4,1 Mio. RM an die »Transdanubia, Ein- und Ausfuhrhandelsgesellschaft mbH« (Berlin), 2,5 Mio. RM an die Vieh- und Fleischzentrale in Kauen, die als »Maistas« firmierte, 2,3 Mio. RM an die in Riga beheimatete Zentralhandelsgesellschaft für landwirtschaftlichen Absatz und Bedarf GmbH sowie weitere Großkredite an ähnliche Agrarunternehmen. Darüber hinaus war die Bank der Deutschen Arbeit an agrarpolitischen Konsortialkrediten beteiligt, mit 5,8 Mio. RM z. B. an einem Großkredit für die »Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse«.169 Ziel dieser scheinbar generösen Kreditvergabe zu meist unüblich niedrigen Zinsen war die Herstellung von Abhängigkeiten, die dem GW langfristig Vorteile verschaffen sollten. Bei seinen Expansionsplänen vor allem Richtung Osten konnte sich das GW mithin auf die Arbeitsbank und vermutlich weitere Unternehmen innerhalb des breit aufgestellten DAF-Konzern stützen. Zugute kam dem GW außerdem das Wohlwollen der Wehrmacht und ebenso mindestens eines Teils der Besatzungsbehörden. Darüber hinaus war ihm beim Aufbau eines »Verteilerapparat in den neueroberten Gebieten« die Einbindung Franz Haylers in die Interessen 167 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 207. 168 Erläuterungen der vorläufigen Zentrale-Bilanzen zum 31. Dez. 1944 sowie des Zwischenabschlusses zum 30. April 1945, Anhang zu: Bericht über die bei der Bank der Deutschen Arbeit durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1944 sowie des Zwischenabschlusses zum 30. April 1945, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613. 169 Alle Angaben nach: Erläuterungen der Posten zum Jahresabschluss der Arbeitsbank zum 31. Dez. 1943, Anlage 2 zu: Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die Bank der Deutschen Arbeit, Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1943, vom 14. Aug. 1944, in: ebd., Nr. 8614.

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des Gemeinschaftswerkes von Nutzen. Als Ley im März 1941 seine Pläne für die Ost­expansion des GW ankündigte, wusste er, dass der Leiter der Reichsgruppe Handel den Aufbau einer »Förderdienst« GmbH plante, deren Aufgabe in der »Übernahme von Haftungen und Garantien für Dritte bei der Verselbständigung von Jungkaufleuten und beim planmäßigen Einsatz von Einzelhandelskaufleuten« in den okkupierten Ostgebieten bestehen sollte. Mitte September 1941 wurde dieser »Förderdienst« unter dem Vorsitz von Hayler ins Leben gerufen.170 Der »Förderdienst« beschränkte sich nicht auf die Bereitstellung von Anfangskapital für angehende selbständige »Jungkaufleute«; dazu war diese Einrichtung aufgrund ihrer beschränkten Kapitalausstattung ohnehin nur begrenzt in der Lage. Darüber hinaus sollte der »Förderdienst« auch die Aus- und Weiterbildung der Jungkaufleute ermöglichen. Zudem beabsichtigte Hayler in den baltischen Ländern sowie in den übrigen besetzten Gebieten der Sowjetunion mit seinem »Förderdienst« selbständige Handwerker aus den Reichsgebieten auf ihre Ansiedlung im »Neuen Osten« vorzubereiten. Die Handwerksbetriebe im »Altreich«, erklärte Himmler einen Monat nach der Gründung des »Förderdienstes«, sollten zu »Mutterbetriebe[n] der Jungbetriebe in den neu erworbenen Gebieten des Ostens werden«.171 All diese Absichten legten eine enge Kooperation mit der DAF, namentlich ihrem Fachamt »Handel und Handwerk«, ihrem Zentralamt für »Betriebsführung und Berufserziehung« sowie nicht zuletzt dem Gemeinschaftswerk, nahe – zumal Ley ganz ähnliche Pläne hegte. Der Osten Europas wurde für das Gemeinschafts­werk und ebenso zahlreiche andere Unternehmen der DAF freilich nur kurz zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Im Hochsommer 1942, spä­testens mit der Kriegswende von Stalingrad, verflogen die Sieges­träume. Mit ihnen verwehten auch alle Pläne für einen von der DAF und ihrem Gemeinschaftswerk im »Neuen Osten« betreuten Mittelstand. Die Expansion des NS-Regimes über weite Teile Europas war für Ley und sein Gemeinschaftswerk nicht nur Anlass für hochfliegende Träume. Das GW machte sich die Okkupation weiter Regionen des Kontinents auch ganz konkret zunutze, indem es geraubte oder unter Druck stark ›verbilligte‹ Lebensmittel aus den besetzten Gebieten ins Reich importierte und preiswert in den Verteiler- und Verkaufsstellen anbot. Besonders begehrt waren ›Importartikel‹ aus Frankreich. Für Raubwaren aus diesem westlichen Nachbarland besaß das Gemeinschaftswerk in Metz eine »Eco GmbH Versorgungsbetrieb für Lebensmittel und Bedarfsartikel«. Die Eco GmbH war nicht nur ein Handelsunternehmen. Sie hatte sich im besetzten Frankreich zudem Bäckereien, Fleischereien und Weinlager angeeignet und fungierte überdies zugleich als Versorgungsring für die Region Metz. Aufgrund dieser Dreifach-Funktion war die Eco GmbH knapp hinter Berlin und Wien mit einem Jahresumsatz von 25,8 Mio. RM bis 170 Vgl. (inkl. Zitate:) Herbst, Totaler Krieg, S. 159. 171 Auf diese Weise könne »ein ständiger und lebendiger Blutkreislauf zwischen Alt- und Jungbetrieben sichergestellt« werden. Himmler an den Reichshandwerksmeister vom 13. Okt. 1941, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 278, Bl. 72 ff. Vgl. auch Herbst, Totaler Krieg, S. 159.

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1943 zum drittgrößten Versorgungsring des GW geworden.172 Den Hauptanteil am Umsatz der Eco GmbH machte der Handel mit französischem Wein aus. Allein im Oktober 1943 tätigte das GW über die Eco GmbH Weinlieferungen aus Frankreich im Wert von etwa fünf Mio. RM, die dann über die Verteilerstellen der Versorgungsringe an deutsche Kunden gingen. Auch die Deugro akquirierte Waren »aus höchst zweifelhaften Quellen« (JanFrederik Korf ). Eine zentrale Rolle spielte dabei die »Rohstoffhandelsgesell­ schaft m.b.H. – Rohstoff-Einkauf Frankreich«. Sie firmierte unter dem eingängigen Kürzel ROGES, war im Dezember 1940 von Göring gegründet worden, befand sich in Reichsbesitz und unterstand zunächst dem Reichswirtschafts-, später dem Reichsrüstungsministerium. Zweck der ROGES war, wie in einem ersten Rechenschaftsbericht vom Februar 1942 festgestellt wurde, die »Erfassung und Verwertung der Beute in allen besetzten Gebieten sowie Einkauf, Lagerung und Wiederverkauf von kriegswichtigen Rohstoffen«. Allein während der fünf Monate zwischen dem 16. Mai und dem 14. Oktober 1942 wurden auf den Konten der ROGES Wareneinkäufe in Höhe von 700 Mio. RM verbucht. Die ROGES fungierte als ein monopolähnlicher Zwischenhändler für Frankreich, der die in Frankreich, seit En­de September 1943 außerdem in Italien angeeigneten Raubwaren oder ›billig erworbenen‹ Arti­kel an Großhändler des »Altreichs« mit kräftigem Gewinn weiterreichte.173 Das Spektrum an »Roh­stoffen«, das die ROGES beschaffte – genauer: zusammenraubte –, war breit: Es schloss neben Nahrungsmitteln aller Art außerdem z. B. Schuhe, Arbeitsanzüge und Textilien für (Zwangs-)Ar­beiter ebenso ein wie Werkzeuge, andere Gegenstände des »technischen Bedarfs bis hin zu ganzen Betriebseinrichtungen« oder auch Chemikalien und andere kriegswichtige Materialien wie schließlich sogar Uranerze ein.174 Zu den Großhändlern, die engen Kontakt zur ROGES als Lebensmittellieferanten hielten, gehörte die GEG/Deugro. 1944 erwarb das dem GW-Komplex verbundene Großhandelsunternehmen Waren im Wert von 5,4 Mio. RM, die während

172 Zum Vergleich: Der – gleichfalls mit ›Importtätigkeiten‹ befasste – Versorgungsring für Saarbrücken erzielte 10,7 Mio. RM, der ausschließlich auf die Verteilung von Waren konzentrierte Versorgungsring Magdeburg 5,2 Mio. RM Umsatz. Die Versorgungsringe Berlin und Wien mit einem Vielfachen an Kundschaft wiesen 1943 Um­sätze in Höhe von 31 bzw. 28 Mio. RM aus. Dies und das Folgende nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 198 ff. 173 Vgl. (inkl. Zitat) Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt a. M. 2005, S. 173 f. 174 Zur ROGES vgl. (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Hans Umbreit, Der Militärbefehlshaber in Frankreich 1941-1944, Boppard a.Rh. 1968, S. 212; Barbara Hopmann, Von der MONTAN zur Industrieverwaltungs­gesellschaft (IVG) 1916-1951, Stuttgart 1996, S. 74, Anm. 17; Hayes, Degussa im Dritten Reich, S. 247; Rainer Karlsch/­ Zbynek A.B. Zemann, Urangeheimnisse. Das Erzgebirge im Brennpunkt der Welt­ politik 1933-1960, 2. Aufl., Berlin 2003, S. 11.

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der Aktion »Klare« im italienischen Adriagebiet von den deutschen Besatzern beschlagnahmt worden waren.175 Im Dienste der Wehrmacht sowie des industriellen Fremdarbeiterund Häftlings-»Ein­satzes« Das Gemeinschaftswerk trug mithin auf oft genug moralisch mehr als anrüchige Weise wesentlich dazu bei, dass die ›Heimatfront‹ bis in die letzten Kriegs­ wochen ausreichend mit Grundnahrungs­mitteln beliefert wurde. Darüber hinaus war das DAF-Unternehmen einer der großen Nahrungsmittellieferanten, der die Wehrmacht großflächig belieferte und die Versorgung deutscher und verbündeter Soldaten bis in die letzten Kriegsmonate sicherstellte. Es war vor allem die Wehrmacht – und hier insbesondere das Heeresverwaltungsamt – gewesen, die den Erhalt der Produktionsbetriebe der Konsumgenossenschaften bzw. Deugro und ab 1940/41 des Gemeinschaftswerkes innerhalb des verselbständigten Komplexes der Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks der DAF GmbH (IGW) gefordert hatte. Interesse besaß das Militär in erster Linie an den Betrieben, die Grundnahrungsmittel herstellten. Ihm war es zu verdanken, dass das GW 1942 noch über 280 Bäckereien und knapp fünfzig Fleischereien verfügte. Bis Ende 1943 stieg deren Zahl weiter auf gut dreihundert Bäckereien und achtzig Fleischereien.176 An sich besaßen die Versorgungsringe eine noch größere Anzahl von Betrieben für Grundnahrungsmittel. Bis 1943 waren von den insgesamt 368 Bäckereien des Jahres allerdings sechzig vorübergehend oder dauerhaft still­gelegt worden. Von den verbliebenen 308 Bäckereien produzierten 83, und zwar die größeren Betriebe, ausschließlich für Lieferungen an die Wehrmacht.177 In den Jahren 1942 und 1943 lieferte das Gemeinschaftswerk den verschiedenen Wehrmachtsteilen »jährlich rund 55 Mill. Brote für rund 466.000 Soldaten«; es könne, so erklärte Strauch in einem Rechenschaftsbericht Anfang 1944, »bei entsprechender Ausnutzung der Kapazität [noch] beträchtlich höhere Leistungen erbringen«.178 Die Umsätze allein der Bäckereibetriebe beliefen sich 1943 auf 98,8 Mio. RM; davon wurden etwa 40 % durch Lieferungen an die Wehrmacht erzielt.179

175 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 208. Zu den Aktivitäten der ROGES in Italien vgl. Maximiliane Rieder, Deutsch-italienische Wirtschaftsbeziehungen. Kontinuitäten und Brüche 1936-1957, Frankfurt a. M. 2003, S. 312 f. 176 Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 120), Bl. 28, sowie Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944, S. 3 (Anm. 116). 177 Angaben nach: Arbeitstagung mit den Leitern der Führungsbezirke in Chemnitz vom 14. Aug 1944, nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 231. 178 Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944, S. 4 f. (Anm. 116). 179 Für den militärischen Verbrauch wurden 1943 750.000 dz Roggen- und Weizenmehl verbacken, für den zivilen Konsum etwa ein Drittel mehr (1 Mio. dz). Angaben nach: Arbeitstagung vom 14. Aug 1944 (Anm. 177).

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Zur Versorgung der deutschen Zivilangestellten in den besetzten Gebieten der Sowjetunion sowie zur »Unterstützung« der dort in der Etappe stationierten Truppen der Wehrmacht gründete die DAF 1942/43 außerdem eine »Osteinsatz GmbH« als Tochtergesellschaft ihres Gemeinschaftswerkes. Diese Gesellschaft übernahm »im Wege der Patenschaft«, so die euphemistische Umschreibung einer de facto vermutlich räuberischen Aneignung, eine »grössere Fleischwarensowie eine Brotfabrik in Minsk«. Diese Unternehmen belieferten große Teile der an der Ostfront eingesetzten deutschen Truppen. In der Minsker Fleischwarenfabrik sowie der dortigen Brotfabrik musste eine »Gefolgschaft von insgesamt rd. 900 Köpfen […] bei nur 24 Reichsdeutschen« für die Versorgung der deutschen Besatzer arbeiten. 1943 produzierten sie Wurst- und Fleischwaren im Wert von 3,8 Mio. RM und etwa 18 Mio. [!] kg Brote.180 Auch die erwähnte »Deutsche Tee-Plan­tagen- und Handelsgesellschaft«, die im Kaukasus aktiv wurde, entstand mit massiver Unterstützung und im Eigeninteresse der Wehrmacht. Die Pläne des GW für den Aufbau einer Kette an Nahrungsmittelbetrieben im besetzten Europa gingen noch weiter. Allein in Woroschilowsk plante das GW Anfang 1943 die Übernahme von vier Mühlen sowie einer Teigwaren- und einer Malzfabrik.181 Spätestens Ende 1943 zerstoben diese Träume. Aufgrund der militä­rischen Rückschläge der Wehrmacht mussten auch die genannten Unternehmen aufgegeben werden. Infolge der Konzentration von Produktion und Handel auf die Wehrmacht erhöhte sich der Anteil des Großverbrauchergeschäfts am Gesamtumsatz des Gemeinschaftswerkes von 12,1 % 1942 auf 15,2 % im folgenden Jahr sowie schließlich 20,6 % 1944. Die Höhe der in diesen drei Jahren im Großverbrauchergeschäft erzielten Umsätze lag bei insgesamt 377 Mio. RM. Das Gros davon dürfte auf die Lieferungen an die Teilstreitkräfte entfallen sein; einschließlich der 1941 und bis Frühjahr 1945 erzielten Umsätze werden die im Wehrmachtsgeschäft getätigten Umsätze während des Krieges bei alles in allem mindestens etwa 200 bis 250 Mio. RM gelegen haben. Neben der Wehrmacht als Großkunden (einschließlich der Belieferung von Kriegsgefangenenlagern) sowie außerdem dem Reichsarbeitsdienst belieferte das DAF-Gemeinschaftswerk auch die eigene Organisation. Zum Großkunden war die Arbeitsfront ab Anfang der vierziger Jahre geworden, weil sie für eine rasch wachsende Zahl von Lagern für »Fremdarbeiter« zuständig wurde. Im Mai 1942 war der DAF vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz in einer Generalvollmacht die gesamte »Betreuung« der Fremdarbeiter einschließlich der Lagerverwaltung übertragen worden. De facto organisierte das zuständige DAF-»Amt für Arbeitseinsatz« vor allem die sog. Gemeinschaftslager. Das waren Lager, in denen oft Hunderte, manchmal Tausende von ausländischen Arbeitskräften unterschiedlichster Nationen untergebracht waren, die nicht in einem 180 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 120), Bl. 29. 181 Sitzung des Vorstandes des GW vom 8. Jan 1943, nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 207.

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einzigen großen Unternehmen, sondern in einer ganzen Reihe kleiner oder mittlerer Betriebe zum (so der durchaus treffende NS-Terminus:) Arbeitseinsatz gezwungen wurden.182 Vor allem diese Gemeinschaftslager, in einigen Fällen außerdem Fremd­ arbeiterlager von Großbetrieben, etwa der I.G. Farbenindustrie in Mannheim, wurden durch die jeweils örtlichen Versorgungsringe mit Brot beliefert.183 Nicht zuletzt die Nahrungsmittel, die über eine  – oft extrem schlechte  – Grund­ versorgung hinaus als Leistungsprämien angeboten wurden, um die Fremdarbeiter zu einer Erhöhung des Arbeitstempos zu reizen, kamen aus den Depots des Gemeinschaftswerkes. In Berlin richtete der GW-Vorstand in Kooperation mit dem DAF-»Amt für Arbeitseinsatz« (AfA) 1943/44 eigens ein Verbindungsbüro ein, das die Akquise solcher Lebensmittel und ihre Lieferung an die Fremdarbeiterlager organisierte. In den Genuss derartiger Artikel ka­men allerdings nur die in der rassistischen Hierarchie des Fremdarbeitereinsatzes vergleichsweise privilegierten west- und nordeuropäischen Arbeiter. Anfang 1944 führte dieses »Büro Berlin« »allein 50 Waggons Lebensmittel für französische Arbeiter ein, die im Einvernehmen mit dem AfA verteilt werden«. Daneben »läuft noch eine Weinverteilung« an.184 Unter dem Betreff »Lieferung zur Abschöpfung der Kaufkraft ausländischer Arbeiter« machte sich der Vorstand des Gemeinschaftswerkes zum Komplizen des NS-Regimes bei der Ausplünderung derjenigen Fremd­arbeiter, die aufgrund eines perfiden Lohnanreizsystems zwar über höhere Geldbeträge ver­f ügten, diese jedoch nicht und nur sehr schwer in die Heimat transferieren konnten. So schätzte sich die GW-Führung auf der Vorstandssitzung vom 26. Februar 1944 glücklich, dass »von der Fachgruppe Schmuckwarenindustrie ein größerer Posten Bijouteriewaren gekauft werden konnte, der bei einem Einstandspreis von 1 Million Reichsmark zum fünffachen Preis an ausländische Arbeiter abgesetzt werden« sollte. Mit »270 % an abzuschöpfenden Beträgen« profitierte auch das Reich. Der Vorstand freute sich, dass »die Einschaltung des GW in diese Aktion zugleich die Ausschaltung zahlreicher Großhändler und Agenten mit Hilfe des Staates« bedeutete, »stimmte diesem Abschluss zu und billigte auch grundsätzlich dieses System«. Man sei »auch für die Folgezeit bereit, sich dem Staat für derartige Zwecke zur Verfügung zu stellen«.185 Daneben lieferten Versorgungsringe und GW-Produktionsbetriebe an Arbeits­ erziehungslager, die eingerichtet waren, um unbotmäßige deutsche – meist jugendliche – Arbeitskräfte zu disziplinieren. Vor allem im letzten Kriegsjahr stieg das Versorgungswerk mit seinen regionalen Verteilerstellen schließlich zu einem wichtigen Lieferanten von Grundnahrungsmitteln für Konzentrationslager auf, etwa für das Außenlager des KZ Neuengamme in Hersbruck oder das Haupt182 In Lagern, die Großunternehmen angeschlossen wurden, spielten die Arbeitsfront und das zuständige Zentralamt im Alltag zumeist dagegen keine maßgebliche Rolle. Dies galt selbst für das DAF-eigene Volkswagenwerk. Vgl. Kapitel 8, S. 537 f. 183 Dies und das Folgende nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 230-235. 184 Arbeitstagung vom 14. Aug 1944 (Anm. 177), nach: ebd., S. 235. 185 Nach: ebd.

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lager sowie mehrere große Außenlager des KZ Buchenwald.186 Gemeinschaftswerk und GEG/Deugro gehörten zum dichten Geflecht an deutschen Unternehmen, die Fremdarbeiter- und Konzentrationslager am Laufen hielten – und beschäftigten ihrerseits Fremdarbeiter aus zahlreichen Nationen sowie vereinzelt auch KZ-Häftlinge, um Produktion und Distribution aufrechtzuerhalten. Seit 1943 war vor allem der »weitaus größte Teil der GW-[Produktions-]Betriebe mit einem anormal großen Kontingent ausländische[r] Arbeitskräfte versehen«.187 Die letzten Kriegsjahre: elastische Anpassung an eine zusammenbrechende Infrastruktur Die Organisation des Gemeinschaftswerks in regionalen Versorgungsringen  – die in den letzten Kriegsmonaten noch weiter untergliedert wurden  – hatte einen großen Vorteil, der in der zweiten Kriegshälfte rasch an Gewicht gewann: Sie verschaffte dem gesamten Konzern eine enorme Elastizität, die es seinen regionalen und lokalen Einrichtungen aller Zerstörungen der Infrastruktur zum Trotz erlaubte, sich flexibel auf die sich rasch wandelnden Konstellationen einzustellen. Auch die in den letzten Kriegsjahren insgesamt etwa 300 Zentral- und Auslieferungslager wurden in das Netzwerk der Versorgungsringe eingepasst. Als effizient erwiesen sich die Versorgungsringe des Gemeinschaftswerk vor allem in den immer häufigeren »Fällen von massierten Luftangriffen für die dann sofort notwendige Massenverpflegung der betroffenen Bevölkerung«, so Hans Strauch in einem Rechenschaftsbericht von Anfang 1944. »In Hamburg, Lübeck, Köln, Ludwigshafen und München übernahm das Gemeinschaftswerk in den ersten Tagen nach der Katastrophe fast die gesamte Versorgung nicht nur durch Verkaufsstellen, sondern durch Belieferung des gesamten Einzelhandels« so lange, bis der private »Großhandel wieder aktionsfähig war«. Bei einem »Ausfall von Betrieben« des GW zur Herstellung von Grundnahrungsmitteln sprangen umgehend »benachbarte Versorgungsringe [ein], z. B. in Wuppertal, Remscheid, Kassel, Stuttgart«. Um in derartigen Notsituationen die Versorgung der betroffenen Bevölkerung sicherzustellen, wurde außerdem zusätzlich zu den Verteilergeschäften in den Stadtteilen, deren Zahl insgesamt vor allem aufgrund von Bombenangriffen von 12.500 1943 auf 11.650 im folgenden Jahr zurückging, »der Einsatz fahrbarer Behelfsverkaufsstellen« kurzfristig organisiert.188 Das waren Möbelwagen, die mit Regalen ausgestattet wurden und jeweils Grund-

186 Vgl. ebd., S. 233 f. 187 Strauch an den (Berliner) Reichstreuhänder der Arbeit, vom 15. Mai 1944, nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 248. Vgl. ausführlicher Kapitel 9, S. 539 f.. 188 Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944 (Anm. 116), Zitate: S. 5 bzw. S. 10. Vgl. auch z. B. die Bemerkungen eines führenden GW-Vertreters während einer Zusammenkunft von Vertretern des Handwerks und Handels im Kinosaal des DAF-Gemein­schaftswerks Hamburg am 24. Mai 1943, nach: Korf, Konsum­ genossenschaftsbewegung, S. 233.

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nahrungsmittel für rund tausend Personen transportieren konnten.189 Im Allgemeinen musste man freilich auf mobile Verkaufsstände zurückgreifen, die zusammenklappbar und zu Fuß oder mit dem, was man an fahrbaren Untersätzen gerade zur Hand hatte, leicht zu transportieren und schnell aufzustellen waren. Dezentrale Organisation und Improvisation erklären auch, warum neben der Hamburger Zentrale bis Mitte 1944 lediglich ein einziger Versorgungsring (Remscheid) für längere Zeit »total ausfiel«.190 Das Gemeinschaftswerk, erklärte Ley 1944 gegenüber Bormann nicht ganz zu Unrecht, habe sich vor diesem Hintergrund »heute in den bombengeschädigten Gebieten, Städten und Gauen nicht nur bewährt«. Es stehe vielmehr fest, »dass ohne sein Vorhandensein die Probleme der Ernährung und Versorgung mit Bedarfsartikeln überhaupt nicht hätten gelöst werden können«.191 Aufgrund der dezentralen Organisation des Gemeinschaftswerks war es auch möglich, den Zusammenbruch der Hamburger GW-Zentrale nach den verheerenden Bombenangriffen auf Hamburg im Juli 1943 und der Zerstörung der Hauptgebäude zu kompensieren. Die Zentrale des Gemeinschaftswerks wurde auf die Burg Lobeda bei Jena verlegt, die Belegschaft der Hauptverwaltung von etwa tausend auf sechshundert Mitarbeiter reduziert. Weil die Zentrale nun noch stärker als zuvor schon von den Versorgungsringen abgekoppelt war, wurden als Zwischeninstanzen insgesamt 14 »Führungsbezirke« eingezogen. Ihnen wurden aus dem IGW-Komplex, der aufgelöst wurde, außerdem die jeweiligen Produktionsbetriebe zugeordnet. Um vor einem erneuten Ausfall der Zentrale gewappnet zu sein, erhielten die Versorgungsleiter des jeweils umsatzstärksten Versorgungsrings innerhalb eines Führungsbezirks umfassende Kompetenzen.192 Nicht nur Bombenangriffe, auch andere Faktoren erschwerten die Tätigkeit des Gemeinschaftswerkes erheblich. Ein wachsender Teil des männlichen Personals wurde eingezogen. Bereits unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion sprach einer der Verantwortlichen der DeTeGe von »Personalmangel, insbesondere an Kraftfahrern an vielen Orten«.193 Diese Ausfälle konnten jedenfalls in der ersten Kriegshälfte durch den Einsatz von Fahrschülern der Wehrmacht sowie von Angehörigen des NSKK wenigstens partiell wettgemacht werden.194 Nach ›Stalingrad‹, der Landung der Alliierten auf Sizilien, dem Putsch gegen Mussolini und der vernichtenden Niederlage am Kursker Bogen gegen die Rote Armee war das immer weniger möglich. Das Gemein­schaftswerk musste zahl­ reiche weitere männliche »Gefolgschaftsangehörige« an die Fronten abgeben, obwohl die »ausschliesslich kriegswichtige Arbeit« des Unternehmens unbestrit189 190 191 192 193

Vgl. ebd., S. 192 f. Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944 (Anm. 116), S. 2. Ley an Bormann vom 12. Jan. 1944, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 338. Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 194 f. Stellungnahme der DeTeGe vom 29. Aug. 1941 zu »Planung und Stand der Überführung« der ehem. Konsumgenossenschaften in das DAF-Gemeinschaftswerk, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22. 194 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 197 f.

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ten war.195 Allein zwischen Ende 1943 und Mitte 1944 schrumpfte die Belegschaft der Produktionsbetriebe von 22.000 auf knapp 16.000 Arbeiter und Angestellte. In den Verkaufsstellen des GW wurden um die Jahreswende 1943/44 insgesamt 32.000 fast ausschließlich weibliche und überwiegend junge Arbeitnehmer beschäftigt; ihre Zahl ging auf 28.000 ein halbes Jahr später zurück. Auch die Zentralverwaltung des GW und der GEG/Deugro dürfte von den etwa 9.000 Arbeitnehmern, die dort Ende 1943 beschäftigt waren, in den folgenden Monaten zahlreiche abgegeben haben.196 Der Fuhrpark war nicht nur wegen des Mangels an Kraftfahrern in einem desolaten Zustand. Der größere Teil der Lastkraftwagen und kleineren Transporter war zum Kriegsanfang oder aber zu Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion von der Wehrmacht beschlagnahmt worden.197 Ersatzteile für die verbliebenen Fahrzeuge waren nur schwer zu beschaffen. Reparaturhandwerker fehlten. Benzin wurde zunehmend knapper. Die Zerstörung von Straßen und Brücken, Eisen­bahnsträngen und Güterwaggons erschwerte den Transport. In den letzten beiden Kriegsjahren verschärften sich diese Engpässe. Gedämpft wurden die aus einer exponentiell ansteigenden Zerstörung resultierenden Versorgungsprobleme dadurch, dass der logistische Aktionsradius der Versorgungsringe stetig reduziert wurde. Seit 1942/43 wurden die einzelnen Versorgungsringe in enger Kooperation mit dem Reichsnährstand »nach Gauen und Landesbauernschaften in sich abgegrenzt«.198 In den letzten zwei Jahren wurde diese Regionalisierung der konsumgenossenschaftlichen Verteilerorganisation noch kleinteiliger gestaltet und auf diese Weise in den meisten Regionen bis in die letzten Kriegswochen eine enge Verbindung zwischen Erzeugern und Konsumenten aufrechterhalten. Strauch – von Seiten der TWU de facto der maßgebliche Mann für das Gemeinschaftswerk, während Simon als, neben Marrenbach, zweiter Stellvertreter Leys mit zahlreichen weiteren Funktionen überlastet war – konnte sich vor diesem Hintergrund 1944 einen Seitenhieb auf den kleingewerblichen Einzelhandel, der das DAF-Gemein­schafts­werk weiterhin mit Argusaugen betrachtete, nicht verkneifen: »Reichhaltige Erfahrungen in verschiedensten Gebieten zeigen, dass im Katastrophenfall ein auf kleinsten Existenzen aufgebauter, in sich 195 Denkschrift des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF, o.D. (Aug./Sept. 1944), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 84. Strauch hatte die Denkschrift aufgesetzt, um den militärischen Dienststellen Hinweise zu geben, welche DAF-Unternehmen aus den Reihen des »an sich schon stark geschmolzenen Personals« noch Arbeitnehmer »für Zwecke der Rüstung freigeben könnten«. Mit Blick auf das Gemeinschaftswerk vermerkte er lapidar, dass weiteres Personal nicht mehr freigesetzt werden könne. 196 Angaben nach ebd. bzw. Simon, Überführung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen in das GW der DAF. Abschlußbericht 1944, S. 52 f. (Anm. 125), nach: Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 262. 197 Vgl. Stellungnahme der DeTeGe vom 29. Aug. 1941 (Anm. 193). 198 Auf diese Weise hätte das GW zugleich die »vom Reichsnährstand verfolgte Tendenz einer Regionalisierung der Verteilerwirtschaft« unterstützt. So Strauch, Das Deutsche Gemeinschaftswerk, vom 10. Jan. 1944 (Anm. 116), S. 2.

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nicht scharf zusammengefasster […] Verteilungsapparat nicht in der Lage ist, einen Großeinsatz im ersten entscheidenden Moment zu leisten«. Nur »Großbetriebe mit weitstreuendem Aktionsradius und gestaffelter Ausweichmöglichkeit« könnten »durch Feindeinwirkung geschaffene Lagen« im »Großeinsatz meistern und überwinden«. Davon abgesehen sei das Gemeinschaftswerk »für die Aufrechterhaltung von Preis- und Lohnstandard bzw. deren Verbesserung im Interesse des Verbrauchers« unabdingbar. Zudem seien DAF und Gemeinschaftswerk dafür prädestiniert, »volksverpflichtete Einzelhändler« zu erziehen. Überhaupt habe der »individualprivate« Einzelhandel, so zitierte Strauch seinen Vorgesetzten Ley, »als Masstab für [die] Bedeutung und Berechtigung privater Unternehmerinitiative den Nachweis der tatsächlichen Befähigung und des freiwillig übernommenen Risikos zu erbringen«.199 Der politische Stellungskrieg der DAF mit dem Einzelhandel, der bereits die Entstehung des GW begleitet hatte, schwelte weiter.200 Er wurde bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes nicht beigelegt.

199 Ebd., S. 4 f. bzw. S. 6. 200 Vgl. dazu auch z. B. Simon an das RWM vom 27. April 1942, S. 4, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 22, oder Ley an Bormann vom 12. Januar 1944, in: ebd., Nr. 338.

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7. Wohnungsgenossenschaften, Bau- und Siedlungsgesellschaften

Die Konsumvereine und die mit ihnen verbundenen Produktionsbetriebe und Verteilerorganisationen (GEG/Deugro) waren der eine große Genossenschaftsstrang, den sich die DAF einverleibte. Der zweite waren die Wohnungsbaugenossenschaften. Während die DAF die Verbrauchergenossenschaften von 1933 bis 1935 nur vorübergehend in ihre ›Obhut‹ übernehmen konnte und danach bis 1940 den Einfluss auf die Konsumgenossenschaften verlor, um diese 1940/41 schließlich doch als weiteres großes Unternehmen ihrem Wirtschaftsimperium anzugliedern, gelang ihr bei den Wohnungsbaugesellschaften der Zugriff gleich im ersten Anlauf. Allerdings, und dies ist ein zweiter wichtiger Unterschied, übernahm sie nicht die Gesamtheit der reichsdeutschen Wohnungsgenossenschaften, sondern nur die Gesellschaften, die zuvor im Besitz der freien oder christlich-nationalen Gewerkschaften gewesen waren oder diesen bzw. der sozialdemokratischen Partei nahegestanden hatten.

7.1. »Sozialisierung von unten« – die linke Wohnungs- und Baugenossenschaftsbewegung bis 1933 Die Geschichte der gemeinnützigen Bau- und Wohnungsvereine reicht ähnlich wie die der Konsumgenossenschaften weit in das 19. Jahrhundert zurück. Nach einer ersten Welle von Genossenschaftsgründungen von Mitte des Jahrhunderts bis etwa 1875, als mit Einsetzen der Gründerkrise die meisten der gemeinnützigen Unternehmen für einen Arbeiterwohnungsbau wirtschaftlich aufgeben mussten, setzte Anfang der neunziger Jahre des vorvorigen Jahrhunderts eine zweite noch größere und vor allem dauerhaftere Gründungswelle ein. Politisch war diese Bewegung weit gefächert. Sie deckte das ganze Spektrum von konservativ-reformbürgerlichen Kreisen bis hin zu linkssozialistischen Strömungen innerhalb der frühen Sozialdemokratie ab.1 Durch den Ersten Weltkrieg wurde die 1 Einen Überblick über die Frühgeschichte der von der organisierten Arbeiterbewegung getragenen Wohnungsbaugenossenschaftsbewegung bieten Novy/Prinz, Geschichte der Gemeinwirtschaft, S. 36-55. Wolfgang Hofmann, Der soziale Wohnungsbau und seine gemeinnützigen Träger, in: Rudolf Baade, Kapital und Wohnungsbau in Berlin 1924 bis 1940. Die öffentliche Förderung in der Weimarer Republik und im NS-Staat, Berlin 2004, S. 11-20. Exemplarisch für das bürgerlich-reformerische Wohnungsgenossenschaftswesen: Claus Ber­net, Kultureinrichtungen der Bau- und Wohnungsgenossenschaften vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus. Am Beispiel des Berliner Sparund Bauvereins (1871-1945), Göttingen 2008. Exemplarisch für die sozialdemokratisch geprägten Baugenossenschaften: Adam/Jaunich, Die Leipziger Bau- und Konsumgenossenschaften, S. 201 f.

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Welle der Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften lediglich kurzzeitig unterbrochen. Nach der Revolution von 1918/19 sowie mit der Währungsstabilisierung ab 1924 erlebten gerade die linksgewerkschaftlich geprägten Genossenschaften unter ihnen einen weiteren massiven Aufschwung. Innerhalb der Wohnungsbaugenossenschaftsbewegung sind zwei Grundformen zu unterscheiden. Die erste Variante von Wohnungsbauvereinen ging auf die künftigen Mieter zurück; sie schlossen sich als Genossen zusammen, um erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Die zweite Variante nahm von den Produzenten, also den Bauarbeitern, Architekten und Ingenieuren, ihren Ausgang; sie gründeten genossenschaftliche Bauproduktivgesellschaften, um die eigene Arbeitslosigkeit zu überwinden und darüber hinaus oft in der Absicht, initiativ für einen vorbildlichen Arbeiterwohnungsbau zu wirken. Der Boom des genossenschaftlichen Wohnungsbaus ab 1919 basierte vor allem auf den Gründungen der zweitgenannten Variante, den Bauproduktivgenossenschaften.2 Wenn die meisten Bauproduktivgenossenschaften der frühen Weimarer Republik sich verstetigten und nicht, wie ihre wilhelminischen Vorgänger, schon relativ bald wieder von der Bildfläche verschwanden, dann war dies darauf zurückzuführen, dass sie ab 1919 in eine neue Unternehmensform, die »Bauhütte«, überführt wurden und formalrechtlich die Gestalt einer »G.m.b.H.« annahmen. Entscheidend war, dass alle »an der Ausführung eines Baues Beteiligten sich auf ein gegenseitiges Treuhändertum einstellen«. Formal bedeutete dies, dass die Führungs-, Entscheidungs- und Verwaltungsgremien der Bauhütten paritätisch besetzt wurden, zur einen Hälfte mit Vertretern der Belegschaft, zur anderen Hälfte mit Repräsentanten aus dem Umfeld der Bauhüttenbewegung, also den Gewerkschaften, Bau- und Konsumgenossenschaften oder auch den sozial­demokratisch beherrschten Kommunen. Im Herbst 1920 wurden die Bauhütten im »Verband Sozialer Baubetriebe« (VSB) zusammengefasst. In dem der Verstetigung der Bauproduktivgenossenschaft zugrunde liegenden Konzept waren die »Bauhütten« als Zellen einer schrittweise zu sozialisierenden Bauwirtschaft gedacht. Mit Blick auf die DAF-Ägide ist von Bedeutung, dass die Bauhütten im Verbund mit den Wohnungsgenossenschaften sowie kommunaler Unterstützung in der La­ge waren, auch die Errichtung großer Siedlungen und Wohnungsbauprojekte erfolgreich zu stemmen. Zudem verfügte der VSB bis 1933 über eine Reihe eigener Baustoffbetriebe. Erleichtert wurde der Erfolg der Bauproduktivgenossenschaften durch eine enge Kooperation zwi­schen Bauhütten und freigewerkschaftlich-sozialdemokratisch geprägten Wohnungsbaugenossenschaften, wie der GEHAG, der GEWOBAG usw.3 Sie schlossen sich im Frühjahr 1924 zur »Deutschen Wohnungsfürsorge A.-G. für Beamte, Angestellte und Arbeiter« (DEWOG) zusammen und 2 Dies und das Folgende nach Novy/Prinz, Geschichte der Gemeinwirtschaft, S. 99-142. 3 In Berlin war dies vor allem die Anfang 1924 gegründete Gemeinnützige HeimstättenSpar- und Aktiengesellschaft mbH (GEHAG), eine Fusion von fünf sozialistischen Bau­genossenschaften, in Frankfurt a. M. die gleichfalls Anfang der zwanziger Jah­re ins Leben gerufene GEWOBAG (Gemeinnützige Wohnungsbau AG), in Schwerin die dortige »Heimstättengesellschaft«, in Breslau die »Neuland« und in Hamburg die dort

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fungierten als »Produzentenorganisation der Bauhüttenbewegung von der Konsumentenseite her« (Klaus Novy/Michael Prinz). Für die Finanzierung bot sich die freigewerkschaftliche »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten« an, die ebenso wenig zufällig um die Jahreswende 1923/24 entstanden war und in der Folgezeit die Entwicklung groß angelegter, sozialreformerischer Wohnungsbauten nach Kräften förderte. Auch die katholischen Gewerkschaften gründeten nach dem Vorbild der sozialdemokratisch orientierten Arbeitnehmerverbände Bauproduktivgenossenschaften, sog. »Bauge­werk­schaften e.G.«. Sie schlossen sich 1929 zum »Reichsverband Deutscher Bauproduktivgenossenschaften« zusammen. Vergleichbar der freigewerkschaftlichen DEWOG riefen die christlich-nationalen Gewerkschaften die »Deutsche Heimbau AG« als Wohnungsfürsorgegesellschaft ins Leben, die ihrerseits dann regionale Ableger wie z. B. die »Gemeinnützige Wohnungsbau Oberschlesien GmbH« gründete. Eine weitere große Wohnungsbaugenossenschaft entstand auf Initiative der Hirsch-Duncker­schen »Gesamtverbandes der deutschen Angestelltengewerkschaften«, die »Heimat. Gemeinnützige Bau- und SiedlungsAktien­gesellschaft«.4 Ein noch gewichtigerer wohnungspolitischer Faktor war die »Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten« (GAGfAH). Sie wurde schon bald vom rechtskonservativen und antisemitischen Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband (DHV) beherrscht.5 Bis 1933 hatte die GAGfAH in 255 Städten knapp 10.000 Einfamilienhäuser und fast 25.000 Wohnungen gebaut – ein Wohnungsbestand, den das DHV-Unternehmen, das während des Dritten Reiches selbständig blieb, bis 1939 fast verdoppeln konnte.6 Dominant innerhalb des sozialreformorientierten Wohnungsbaus blieben jedoch die freigewerkschaftlich-sozialdemokratisch orientierten Genossenschaften. Die im Verband Sozialer Baubetriebe zusammengeschlossenen Produktivgenossenschaften errichteten im Jahrzehnt nach der Revolution 1918/19 etwa 100.000 Wohnungseinheiten, allein 1929 knapp 18.000 Wohnungen, davon fast drei Viertel für die der politischen Linken verbundenen Wohnungsgenossenschaften. Auch beschäftigungspolitisch besaßen die Bauhütten erheb­liche Bebeheimatete »Ge­meinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft« – um nur einige zu nennen. 4 Die »Heimat« hatte ihren Sitz in Berlin, trat selbst als Bauherrin auf, betreute aber auch Projekte örtlicher Wohnungsbaugenossenschaften, die den Hirsch-Duncker­schen Gewerkschaften nahestanden. Sie ging 1941 in der GEHAG auf. 5 Gegründet worden war die GAGfAH ursprünglich von allen Angestelltenverbänden, mit massiver Unterstützung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Sie geriet jedoch bereits Anfang der zwanziger Jahre ins Fahrwasser der DHV. Die GAGfAH besaß fünfzig Tochtergesellschaften, sog. Heim-AGs, die für die einzelnen Wohnungsbauoder Siedlungsvorhaben als Bauherren auftraten. 6 Ende 1939 verfügte die GAGfAH nach Angaben des Reichsverbandes des gemeinnützigen Wohnungswesens über 53.506 Wohneinheiten. In: BA Berlin, R 43 II, Nr. 1007, Bl.  65. Angaben für 1933 nach: Fritz Irwahn, 60 Jahre DHV. Deutscher Handlungsgehilfen-Verband 1893 bis 1953. Ein historischer Auftrag, hg. vom Deutschen Handlungsgehilfen-Verband, Hamburg o.J., S. 17.

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deutung. Im Jahr vor Einbruch der Weltwirtschaftskrise beschäftigten die etwa 130 Sozialen Baubetriebe ungefähr 30.000 Arbeitnehmer. Die Weltwirtschaftskrise sowie die Politik des Präsidialkabinetts Brüning bereiteten dem Reformwohnungsbau ein Ende. Insbesondere infolge der Notverordnung vom 1. Dezember 1930, durch die die Hauszinssteuer empfindlich reduziert wurde, brach ein wichtiger Teil der Finanzierungsvoraussetzungen für den gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbau weg. Infolge der monetaristischen Politik der Präsidialkabinette ging der Wohnungsbau allgemein von mehr als 315.000 vor Einsetzen der Krise auf etwas mehr als 130.000 fertiggestellte Wohneinheiten bis 1932 zurück. Weit stärker schrumpften die Aktivitäten der Träger des gemeinnützigen Wohnungsbaus: Die von ihnen errichteten Wohneinheiten sanken binnen zweier Jahre, von 1930 auf 1932, von 121.000 auf 27.000. Ihr Anteil am – ohnehin dramatisch einbrechenden – Gesamtwohnungsbau verringerte sich von über 40 % auf unter 15 % (Tabelle 5.1). 1929 zeichnete der VSB noch für 16,1 % aller von gemeinnützigen Wohnungsbauträgern fertiggestellten Wohneinheiten verantwortlich. Danach sank dieser Anteil deutlich unter 10 %.7 Die Wohnungs- und Baugesellschaften der DAF bis 1939

7.2. Die Wohnungs- und Baugesellschaften der Arbeitsfront bis Kriegsbeginn Vorläufiges Überleben mit gerupften Federn – Bauhütten und vormals freigewerkschaftliche Wohnungsgesellschaften fest in den Händen der Arbeitsfront Der weit größere Teil der Mitte 1933 insgesamt 2.667 registrierten Wohnungs(bau) genos­sen­schaf­ten  – mit insgesamt 771.000 Genossen und einem Eigenkapital von 465 Mio. RM8  – war mittelständisch oder bürgerlich geprägt und wurde durch die NS-Machter­grei­f ung nur peripher tangiert. Zusammengefasst waren die Bau- und Wohnungsgenossenschaften außerhalb der Arbeiterbewegung im »Reichsverband der deutschen Wohnungsfürsorgegesellschaften«, an dessen Spitze bis 1938 Willi Gutzmer,9 danach Julius Brecht10 stand. 7 Zudem mussten sich etwa die im DEWOG-Verbund zusammengefassten freigewerkschaftlichen Wohnungsbaugenossenschaften darauf beschränken, von sozialdemokratisch geprägten Kommunen beauftragt, Erwerbslosensiedlungen und andere (genossenschaftliche) Wohnungsselbsthilfeprojekte bei Bauplanung und -leitung zu betreuen. Vgl. als Überblick: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 27-38; Novy/Prinz, Geschichte der Gemeinwirtschaft, S. 138 f. 8 Angaben nach: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 42. 9 Gutzmer fungierte in der Folgezeit als Leiter des Verbandes Berliner und schlesischer Wohnungsunternehmen. Während Gutzmer in Grenzen mit der Arbeitsfront kooperiert hatte und dafür mit einem Aufsichtsratsmandat in der DAF-eigenen GEWOBAG (Frankfurt a. M.) belohnt worden war, das er bis Anfang der vierziger Jahre behielt, war sein Nachfolger Brecht institutionell, über Aufsichtsrats-Mandate etc., nicht mit der DAF verbandelt. 10 Brecht (1900-1962) war seit Ende der zwanziger Jahre Mitarbeiter und Geschäftsfüh-

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Während die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften außerhalb des Milieus der organisierten Arbeiterbewegung schon bald in ruhigerem Fahrwasser schwammen, sahen sich die ehemals sozialistischen Wohnungs- und ebenso die Bauproduktivgenossenschaften früh bedrohlichen Fährnissen ausgesetzt. In den ersten Monaten nach der Übergabe der politischen Macht an die Nationalsozialisten Anfang 1933 schien sogar eine Auflösung der vormals gewerkschaftseigenen oder -nahen Genossenschaften nicht ausgeschlossen. Die politisch auftrumpfende selbständige Bauwirtschaft, vor allem das kleingewerblich strukturierte Maler-, Tischler und Glasereihandwerk, forderte eindringlich, dass ihm die verhasste genossenschaftliche Konkurrenz vom Hals geschafft würde.11 Auch Gutzmer und ebenso sein Nachfolger Brecht erhöhten den Druck auf die sozialistisch-sozialreformerischen Genossenschaften sowie insbesondere die Bauhütten, indem sie erklärten, diese seien »Überreste der marxistischen Staatsführung und Wirtschaft«, mithin aufzulösen. Das selbständige Bauhandwerk und die bürgerlich-konservative Wohngenossenschaftsbewegung konnten zwar im Verbund mit nationalsozialistischen Landesregierungen durchsetzen, dass die Bauhütten von öffentlichen bzw. staatlich oder kommunal geförderten Bauvorhaben ausgeschlossen wurden. Die Zahl der Bauhütten verringerte sich infolge derartiger Benachteiligungen von knapp 130 in den Jahren 1930/31 auf Ende 1934 nurmehr 83 aktive Bauhütten. Zudem musste der Verband Sozialer Baubetriebe sämtliche Baunebenbetriebe sowie eigene Architekturbüros aufgeben.12 Mit der Forderung nach einer vollständigen Liquidierung der Bauhütten konnten sich deren Gegner jedoch nicht durchsetzen. Dies war nicht darauf zurückzuführen, dass die Spitzen des VSB und ebenso viele Protagonisten der im sozialistischen Milieu verankerten Wohnungsgenossenschaften ähnlich wie die anderen Stränge der gewerkschaftsnahen Genossenschaften und Unternehmen versucht hatten, sich den Nationalsozialisten anzubiedern.13 Entscheidend war vielmehr, dass Robert Ley Interesse an den Bauhütten und Wohnungsgenossenschaften entwickelt hatte. Der Chef der neu gegründeten Arbeitsfront er­klärte Anfang Juli 1933 in offensichtlicher Übereinrer der Westfälischen Heimstätte. Seit 1936 amtierte er als Leiter der kurpfälzischen Heimstättengesellschaft Bad Dürkheim. Neben seiner Funktion als Vorsitzender des »Reichsverbandes der deutschen Wohnungsfürsorgegesellschaften« fungierte er ab 1942 als Leiter der Abteilung »Wohnungs- und Siedlungspolitik« der »Deutschen Akademie für Wohnungswesen« (Abt. A). Ab 1946 war er zunächst Sachverständiger für die Aufbaugesetzgebung im ostwestfälischen Lemgo, ehe er 1948 Leiter des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen und ab 1950 wieder Präsident des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen wurde. Seit 1957 saß er außerdem im Bundestag. Vgl. auch Harlander, Heimstätte und Wohnungsmaschine, S. 43, 53, 146. 11 Vgl. ebd., S. 43 ff. Zum Druck auf die Bauhütten vgl. exemplarisch für Thüringen: Peter Rütters, Die Bauhütten im Konfliktfeld zwischen DAF-Aufbau und NS-Mittelstandspolitik. Von der Schwierigkeit der Deutschen Arbeitsfront, Gewerkschaftsunternehmen erfolgreich zu übernehmen, in: IWK 26/2000, S. 175-199, bes. S. 188-197. 12 Vgl. ebd., S. 196 bzw. S. 198, Anm. 97. 13 Vgl. ebd., S. 177 f.

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stimmung mit anderen Spitzenvertretern des NS-Regimes, dass es »unverantwortlich« sei, »die Bauhütten sofort zu zerschlagen« und den dort beschäftigten »Volksgenossen« die Arbeit zu nehmen. Gleichzeitig konnte er glaubwürdig versichern, dass die DAF die beim selbständigen Handwerk verhassten angeblich »marxistischen Methoden« dieser Genossenschaften »selbstverständlich ablehne«.14 Ley beließ es nicht bei markigen Worten. Er hatte bereits zuvor Nägel mit Köpfen gemacht, indem er auch die Bauhütten der Aufsicht durch Karl Müller überwies. Müller, der Anfang Mai 1933 von Ley als Unterpfleger des enteigneten SPD- und Gewerkschaftsvermögens eingesetzt worden war, wenig später als »Beauftragter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF« sowie Geschäftsführer der Arbeitsfront umfassende Vollmachten erhielt und außerdem das DAF-»Amt für Selbsthilfe« bzw. »Selbsthilfe und Siedlung« leitete, setzte seinerseits den Architekten Franz Strasser als »Sonderbeauftragten« für die Bauhütten bzw. den VSB als Dachverband ein.15 Zu einem wirkungsvollen Hebel, die sozialistisch getönten Bauvereine und Wohnungsgesellschaften in den Besitz der Arbeitsfront zu überführen und ihnen den genossenschaftlichen Charakter zu nehmen, wurde das am 14. Juli 1933 erlassene »Gesetz zur Sicherung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen«.16 Dieses Gesetz leitete aus der vorgeblichen »Teilhaberschaft« des Staates an Darlehen, Steuerbefreiungen etc. dessen Recht ab, den Wohnungs- und Baugenossenschaften bzw. -gesellschaften Vorstände und Aufsichtsräte zu oktroyieren, deren »Lebensgang und Gesinnung Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten«.17 Damit war formal ein Rahmen geschaffen, die im sozialistischen Milieu verankerten Bau- und Wohnungsvereine gleichzuschalten und führende Vertreter der Genossenschaften, die im Verdacht standen, der SPD, der KPD oder den freien Gewerkschaften sowie der RGO anzugehören oder mit jenen sympathisiert zu haben, und ebenso Genossenschaftsvertreter, die nach den nationalsozialistischen Rassekriterien als »jüdisch« galten, zum Rücktritt zu zwingen.18 Darüber hinaus wurden noch 1933 die ja ziemlich weitgehenden genossenschaftlichen Mitbestimmungsrechte außer Kraft gesetzt. Derart gleichgeschaltet und auf NS-Konformität getrimmt, verabschiedete z. B. der bis 1933 »marxistisch« geprägte »Leipziger Bauverein« für seinen umfäng14 Erklärung Ley vom 7. Juli 1933, in: BA Berlin, Rep. 43 II, Nr. 531, Bl. 77 f. 15 F. Strasser (1906-1995), Architekt in München, seit 1930 NSDAP-Mitglied, war offensichtlich aufgrund der engen Bekanntschaft mit K. Müller in diese Position, die er bis 1935/36 behielt, gehievt worden. Vgl. Rütters, Bauhütten, S. 180 f., Anm. 24. Zum Umgang mit den Bauhütten in der Ära Strasser, der Einsetzung von »Treuhändern« und Bezirksbeauftragten usw., vgl. ebd., S. 185 ff. 16 RGBl. 1933, I, S. 484. 17 Bauen, Siedeln, Wohnen 10/1938, S. 235. Vgl. auch Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 40, 42. 18 Ein anscheinend erheblicher Teil der sozialistischen Bau- und Wohnungsgenossenschaften war nicht bereit, die alten Vorstände abzuwählen. Daraufhin wurden ihnen NSDAP-Leute oktroyiert und die unbotmäßigen Delegierten ihrer Funktion ent­ hoben. Vgl. exemplarisch Ender/Jaunich, Leipziger Genossenschaften, S. 203 f.

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lichen Wohnungsbestand 1936 eine Satzung, wonach »Personen jüdischer Abstammung« künftig weder Haupt- noch Untermieter sein sollten und nur noch »Arier« Mitglieder der Genossenschaft werden durften. Es handelte sich hier um eine ›Initiative von unten‹, die dem »Gesetz über die Mietverhältnisse der Juden« vom 30. April 1939 um drei Jahre vorgriff. Mit dem »Gesetz zur Sicherung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen« im Rücken ›säuberte‹ die DAF-Führung auch die Belegschaften der Bauhütten in der Folgezeit rigoros. Zahlreiche Angestellte der mittleren und unteren Hierarchieebene sowie Bauhandwerker wurden entlassen und durch »Alte Kämpfer« ersetzt. Bereits auf dem ersten Bauhüttentag der Arbeitsfront am 25. August 1933 konnte F. Strasser stolz vermelden, dass die Belegschaften der Bauhütten zu »ungefähr 60 vH« aus Parteigenossen bestünden, ein großer Teil überdies in der SA und SS Mitglied sei.19 Siedeln in der »Volksgemeinschaft« Entgegen vieler Selbstdarstellungen des NS-Regi­mes blieb die Wohnungsbautätigkeit ab 1933 deutlich hinter der während der Weimarer Republik zurück – obwohl sich infolge der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik die Zahl der Eheschließungen, die Geburtenrate und damit die Nachfrage nach Wohnungen kontinuierlich erhöhten. Verschärft wurde der Wohnungsmangel durch die Verlagerung von Industrien nach Mittel- und Ostdeutschland sowie den Abriss von Altbauwohnungen, um politisch-repräsentativen, militärischen und industriellen Großbauten Platz zu machen. Die Klagen über Wohnungsmangel blieben infolgedessen chronisch und wurden im Laufe der Zeit immer dringlicher.20 Aufrüstung und Primat des Bellizismus limitierten jedoch intensivere Anstrengungen. Schon kurze Zeit nach der Gründung der Arbeitsfront traten Ley und seine Mitstreiter mit einem großspurigen Sonderprogramm für den Kleinsiedlungsbau an die Öffentlichkeit.21 Bis Frühjahr 1934 wurden die ersten sog. 19 Nach: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 45, bzw. Rütters, Bauhütten, S. 184. 20 Die von der amtlichen Statistik verzeichnete Wohnungszunahme täuschte zudem faktisch Steigerungsraten nur vor: Neue Wohneinheiten wurden zu einem großen Teil durch die Teilung größerer Wohnungen in Kleinwohnungen hergestellt, in einem substantiellen Sinne also nur begrenzt wirklich neuer Wohnraum geschaffen. Vgl. Hachtmann, Industriearbeit, S. 284 (Tabelle 28). Zur Siedlungs- und Wohnungsbaupolitik allgemein ab 1933 vgl. Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, bes. S. 66-73, 112-119; Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat und Wohnungsmarkt, bes. S. 237-250; ders., Anspruch und Realität. Das Scheitern der nationalsozialistischen Wohnungsbaupolitik 1933-1945, in: VZG, 45/1997, S. 225-256. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen vgl. bes. Max Büge/Friedrich Griesheimer (Hg.), Der Bau von Volkswohnungen. Die Bestimmungen und Erlasse, Eberswalde/Berlin/Leipzig 1940. 21 Hierzu und zum Folgenden vgl. Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 53 ff.

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wohnungsgenossenschaften, bau- und siedlungsgesellschaften SA-, SS- und Frontkämpfersiedlungen erstellt (in Frankfurt a.d.O. sowie in

Berlin-Britz). Für sie und ebenso die wenig später aufgelegten größeren Siedlungsprojekte für Bergleute im Aachener Kohlenrevier, in Schlesien sowie in der Rheinpfalz fungierte die inzwischen DAF-eige­ne GEHAG als Bauträ­ger.22 Bis zur NS-Machtübernahme war der Aktionsradius der GEHAG weit­gehend auf die Reichshauptstadt beschränkt gewesen. Von 1933 bis zur Gründung der Neue Heimat-Gesell­schaf­ten im Frühjahr 1939 avancierte die GEHAG dort, wo keine regionalen Baugesellschaften der Arbeitsfront existierten, zum wichtigsten reichsweiten Siedlungs- und Woh­nungsbauträger der NS-Organisation. Sie wuchs damit (wie sich die Arbeitsfront brüstete:) zum »zweitgrößten gemeinnützigen Wohnungsunternehmen Deutschlands« heran.23 Besonders aktiv war die GEHAG in den ersten drei Jahren nach der NS-Machtergreifung. Aufgrund seiner Rolle als reichsweiter Bauträger vermehrte das Unternehmen von 1933 bis einschließlich 1936 seinen Wohnungsbestand um fast fünfzig Prozent. Aber auch die anderen vormals freigewerkschaftlichen Bau- und Wohnungsgesellschaften erstellten in ähnlichen Dimensionen neuen Wohnraum (Tabelle 5.2). Hintergrund dieser Entwicklung waren die mit dem martialischen Schlagwort »Arbeitsschlacht« umschriebenen umfangreichen Arbeitsbeschaffungs­maß­nah­ men, die die Diktatur politisch stabilisierten und auch dem Hochbau zugute kamen. Zudem hatte sich die DAF-Führung mit ihren großmäuligen Ankündigungen selbst unter politischen Druck gesetzt. Die bis 1935/36 anhaltende Präferenz der Arbeitsfront für den kleinteiligen Siedlungsbau erklärt sich aus einer in den Anfangsjahren in der gesamten NSBewegung verbreiteten diffus großstadtfeindlichen Haltung sowie aus pronatalistischen Prämissen. So hoffte z. B. der Vorstandsvorsitzende der GEHAG und spätere Leiter des DAF-Heim­stättenamtes Ernst v. Stuckrad, dass die »Wiederverwurzelung der schaffenden deutschen Menschen im deutschen Heimat­ boden«, d. h. die in Siedlerhäuschen mit Gartenland verpflanzten Arbeiterfamilien, fruchtbarer würden und mehr »erbgesunde« Kinder zeugten.24 Hinzu 22 Die Siedlung für Bergleute im Aachener Kohlenrevier umfasste 585, die in der Rheinpfalz 845 »Heimstätten«, die in Schlesien sogar 698 Siedlungshäuschen und 457 Kleinwohnungen. Vgl. GEHAG 1924-1957, S. 26 ff.; Wolfgang Schäche, 75 Jahre GEHAG, 1924 bis 1999, Berlin 1999, S. 101. Zu den siedlungspolitischen Aktivitäten der GEHAG im Aachener Raum vgl. Ralph J. Jaud, Der Landkreis Aachen in der NS-Zeit. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem katholischen Grenzgebiet 1929-1944, Frankfurt a. M. usw. 1997, S. 490-497. 23 Zitat: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 65. Entsprechend wurde der Berliner Verwaltungsapparat der GEHAG ab 1935 ausgebaut und um Zweigstellen ergänzt. Neben der Zentrale in Berlin und Filialen für die gen. Siedlungsprojekte in Aachen, Gleiwitz und Ludwigshafen baute die GEHAG bis 1938 Zweigstellen in Braunschweig, Dessau und Cottbus auf. Vgl. ebd., S. 66. 24 Ernst v. Stuckrad, Das deutsche Siedlungs- und Wohnungswesen, in: Jahrbuch der nationalsozialistischen Wirtschaft, hg. von Otto Mönckmeyer, München 1937, S. 112-127, hier: S. 115. Stuckrad (1890-?) war von Febr. 1937 bis März 1939 Leiter des DAF-Heimstättenamtes, davor stellvertretender Leiter dieses wichtigen DAF-Amtes. Er war im

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kamen Intentionen, wie sie auch den insbesondere von der Schwerindustrie des 19.  Jahrhunderts praktizierten sozialpaternalistischen Werkswohnungsbau geleitet hatten. Diesem war es nicht allein darum gegangen, qualifizierte Stammarbeiter und unverzichtbare Angestellte über Haus- oder Wohneigentum oder günstige Mietverhältnisse an das Unternehmen zu binden. Dem Werkswohnungsbau habe außerdem – so erklärte August Heinrichsbauer, publizistisches Sprachrohr der Schwerindustrie auch während des Dritten Reiches  – immer schon die Absicht zugrunde gelegen, im »Kampf gegen den Marxismus und seine Begleiterscheinungen« die »Werte und Zusammenhänge des Volkstums« zu kräftigen.25 Wie wählten die Wohnungsbaugesellschaften nun die Siedler und Mieter für die Neubauten aus? Ausge­schlossen als Siedler oder Mieter waren zunächst die Menschen, die nach den NS-Ge­setzen als »jüdisch« oder »halbjüdisch« stigmatisiert wurden. Darüber hinaus wurden in die Auswahl ausdrücklich nur »rassisch wertvolle und erbgesunde Siedlerfamilien« einbezogen. Dies richtete sich gegen vorgeblich »minderwertige, namentlich an vererblichen geistigen und körper­ lichen Gebrechen leidende Siedler, deren kranker und asozialer Nachwuchs nur die Gesamtheit belastet und die Volkskraft schwächt«, so die Formulierung in den Richtlinien des Reichsarbeitsministers für Neusiedlungen vom 21. September 1933.26 Die »arische« Abstammung musste bis mindestens zu den Urgroßeltern nachgewiesen werden. Frauen hatten zudem über vergleichsweise intime Dinge wie etwa die Regelmäßigkeit ihrer Monatsblutungen Auskunft zu geben. An der Auswahl der Siedler waren zahlreiche Stellen beteiligt  – neben dem Arbeits-, dem Wohlfahrtsamt sowie der Gesundheitsbehörde auch das von NSDAP und DAF gemeinsam getragene zuständige Gauheimstättenamt. Folge dieser »Überbürokratisierung« (Karl-Christian Führer) waren ein aufwendiger und langwieriger Selektionsprozess – und eine hohe Quote von mehr als 20 % an Ablehnungen.27 Mit der Ausstellung eines »Eignungsscheins«, der den Siedspäten Frühjahr 1933 zum »Notvorstand« der GEHAG ernannt worden und fungierte von 1934 bis 1945 als »ordentlicher« Vorstandsvorsitzender der größten gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Reichshauptstadt. 25 August Heinrichsbauer, Industrielle Siedlung im Ruhrgebiet der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Essen 1936, S. 69. Heinrichsbauer (1890-?) gab von 1919 bis 1933 den von der Ruhrindustrie subventionierten Rheinisch-westfälischen Wirtschaftsdienst heraus und war auch sonst als Wirtschaftsjournalist ein emsiger Lobbyist der Schwerindustrie. Zu seiner Rolle als Verbindungsmann zwischen der rheinisch-westfälischen Ruhrindustrie und der Hitler-Bewegung ab 1930 vgl. Henry Ashby Turner, Jr., Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 171 f. Seit 1940 fungierte Heinrichsbauer als Hauptgeschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft, seit 1943 als Hauptgeschäftsführer des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins. Seit Anfang 1950 leitete er die Presseabteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. 26 Nach: Jaud, Aachen in der NS-Zeit, S. 495. Vgl. auch Ute Peltz-Dreckmann, Nationalsozialistischer Siedlungsbau. Versuch einer Analyse der die Siedlungspolitik bestimmenden Faktoren am Beispiel des Nationalsozialismus, München 1978, S. 400 f. 27 Eine Ablehnung konnte wiederum die Stigmatisierung des Bewerbers und seiner Fami-

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lern, die das vorgegebene rassistische Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen hatten, attestierte, dass »in politischer und charakterlicher, gesundheitlicher und erbbiologischer Hinsicht und gegen die siedlerische Befähigung Bedenken nicht erhoben werden«,28 war das Selektionsprocedere nicht abgeschlossen. Die Siedler hatten darüber hinaus innerhalb einer dreijährigen Probezeit gärtnerische Fähigkeiten nachzuweisen. Erst danach konnten sie damit rechnen, dass ihnen das Grundstück übertragen wurde. Die »Probezeit« verlängerte sich, wenn eine Siedlerfamilie sich »der Gemeinschaft nicht so eingefügt [hatte], wie es von ihnen gefordert werden muss«. In Einzelfällen kam es vor, dass selbst kinderreiche Familien die Siedlerstelle wieder räumen mussten, wenn das väterliche Familienoberhaupt die verlangte gärtnerische Kompetenz vermissen ließ. Nach einer Stichprobe gelangten 1937 nur 40 % der ursprünglichen Antragssteller auch tatsächlich in den Besitz ihrer Siedlerstelle, 20 % mussten ihr Häuschen räumen, 40 % eine Verlängerung der Probezeit hinnehmen.29 Die GEHAG und andere DAF-eigene Gesellschaften achteten besonders penibel auf die Einhaltung der Richtlinien und Vorschriften für die Vergabe von Siedlerstellen. Zusätzlich verpflichteten sie ›ihre‹ Siedler, Schulungskurse zu besuchen und sich einer eingehenden Wirtschaftsberatung zu unterziehen. Darüber hinaus mussten Siedler und Mieter von DAF-Wohnungen mit häufigen Hausbesuchen rechnen. Entsprachen die Eindrücke, die die Kontrolleure dabei sammelten, nicht den üblichen bürgerlichen Sozialnormen (Sauberkeit, Ordnung etc.) oder besuchte gar ein Kind die Hilfsschule, stand mithin der Verdacht des »rassisch Minderwertigen« im Raum, lief die Familie Gefahr, schärferen Restriktionen ausgesetzt zu werden.30 Eine schwierige Reorganisation: Deubau und Neue Heimat (1936-1939) Besonders 1936 war die Siedlungs- und Wohnungsbautätigkeit der Bau- und Wohnungsgenossenschaften der DAF ausgesprochen rege. 1937 schwächten sich diese Aktivitäten auffällig ab, um im anschließenden Jahr erneut kräftig anzuziehen (Tabelle 5.2). Hinter diesem Auf und Ab stand weniger der allgemeine Trend, volkswirtschaftliche Kapazitäten auf rüstungswichtige Bauten um­zulenken. Das deutliche Abflachen der Wohnungsbautätigkeit der DAF-Unternehmen 1934 gegenüber 1933 sowie von 1936 auf 1937 war vor allem auf interne Pro­bleme des Konzerns zurückzuführen. Einzelne der den Gewerkschaften geraubten Wohnungsbaugesellschaften verbuchten zeitweilig hohe Verluste, weil sie schlecht geführt wurden. So hatte die DEWOG als die Dach­ge­sellschaft der ursprünglich lie nach sich ziehen. Ausführlich zur Siedler-Selektion: Führer, »Idealform«, S. 161 ff. Nach seinen Angaben wurden reichsweit von 67.000 Bewerbungen ungefähr 15.000 abschlägig beschieden. In einigen Regionen und Städten konnte die Ablehnungsquote weit höher liegen, bei bis zu fast zwei Dritteln (Mannheim). 28 Nach: Jaud, Aachen in der NS-Zeit, S. 495. 29 Vgl. (inkl. Zitat) Führer, »Idealform«, S. 164. 30 Vgl. Jaud, Aachen in der NS-Zeit, S. 495 f.

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freigewerkschaftlichen Wohnungsbaugenossenschaften am 30. Juni 1934 noch einen nominellen Gewinn von 1.916 RM ausgewiesen. Ein Jahr später verzeichnete sie – auf Grund von Wertberichtigungen und hohen Verwaltungskosten – einen Verlust von 280.326 RM. Die Arbeitsfront musste der DEWOG mit einer Finanzspritze von 749.300 RM aushelfen.31 Sichtbare Spitze des Eisberges an Unfähigkeit und Korruption und entscheidender Faktor für den Rückgang der Wohnungsbautätigkeit der DAF-Gesellschaften bis Frühjahr 1938 war der an anderer Stelle geschilderte Korruptionsskandal »Anton Karl«,32 benannt nach einem Makler, der im Auftrag der Deutschen Bau AG (Deubau) gegen Provision Aufträge akquirierte und dabei in großem Maßstab führende Nationalsozialisten mit Bestechungsgeldern schmierte. Die Deubau war am 27. August 1936 ins Leben gerufen worden.33 Sie fungierte als Muttergesellschaft der verbliebenen ehemaligen Bauhütten34 – deren Zahl sich bis Mitte der dreißiger Jahre gegenüber Ende der zwanziger Jahre knapp halbiert hatte – und trat damit nominell an die Stelle des Verbandes Sozialer Baubetriebe (VSB).35 Im Unterschied zum dezentralen VSB war die Deubau allerdings von vornherein ein stark zentralistisch ausgerichtetes Unternehmen. 31 Angaben nach Schreiben des Direktors der Deutschen Bau- und Bodenbank AG Robert Schoepf an den Ministerialdirektor im RAM Rettig vom 7. März 1936, Anlage zu: ders. an Geheimrat Dr. Poersch­ke vom 6. März 1936, in: BA Berlin, R 2, Nr. 18596. Demgegenüber galten die GEWOBAG in Frankfurt a. M., die Berliner GEHAG, »Einfa« und »Heimat« als wirtschaftlich gesund. Schoepf (1894-?) gehörte außerdem zum Vorstand der Frankfurter Metallgesellschaft AG. Ab 1933/34 war er im Aufsichtsrat der GEHAG, »Einfa« und DEWOG; später übernahm er den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz der GEHAG. Der DAF blieb Schoepf eng verbunden; ab Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre saß er außerdem im Aufsichtsrat der Neuen Heimat/Graz sowie der Volksfürsorge Lebensversicherung/Hamburg und der Deutscher Ring Oesterreichische Lebensversicherung/Wien. 32 Vgl. Kapitel 3, S. 147-151. 33 Verantwortlich für die Gründung der Deubau waren außer Biefel und Bierlein (Anm. 34) der DAF-Schatz­meister Paul A. Brinckmann, der Leiter des DAF-Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmungen Werner Boltz, der Geschäftsführer der DAFVermögens­verwaltung Alexander Halder, August Christoffel sowie Heinz Reitbauer, beide Vorstandsmitglieder der Arbeitsbank. Vgl. Bericht der Deutschen Wirtschafts­ prüfungs- und Treuhand AG über die Deubau zum 31. Dez. 1936, in: BA Berlin, R 8120, Nr. 714, sowie Feststellungsbericht des Revisionsamtes der NSDAP vom 14. Febr. 1938 über die Bauunternehmen der DAF, S. 6, in: BA Berlin, NS 1, Nr. 811. Zu Brinckmann, Bierlein, Boltz und Halder vgl. Kapitel 2, S. 72-76, 86. 34 Das Grundkapital der Deubau betrug insgesamt fünf Mio. RM. Davon hielt die Arbeitsbank 4,99 Mio. RM die restlichen Anteile als Einzelpersonen Hugo Biefel und der stellvertretende Geschäftsführer der TWU Ludwig Bierlein. Ende 1936 übernahm dann das DAF-Geldinstitut die Gesamtheit der Deubau-Aktien. Am 1. Okt. 1941 wurde das Grundkapital der Deubau auf 10 Mio. RM verdoppelt; davon hielt die TWU 7,5 Mio. RM und die Vermögensverwaltung der DAF 2,5 Mio. RM. Vgl. Frankfurter Zeitung vom 14. Nov. 1941 sowie Protokoll der Hauptversammlung der Deubau vom 20. Dez. 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 28. 35 Die formaljuristische Liquidation des VSB wurde allerdings erst am 17. März 1937 be-

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Nachdem die Deubau die mit dem Skandal »Anton Karl« verbundene tiefe Krise überwunden hatte, begann ein systematischer Ausbau des Unternehmens. Am 4. Mai 1938 gab sich die Deubau eine neue Satzung, in der als Zweck des Unternehmens die »Ausführung von Bau- und ähnlichen Arbeiten für eigene und fremde Rechnung« festgelegt sowie die Beteiligung oder Neugründung von Tochterunternehmen »in jeder Form« möglich wurde.36 Mit der letzten Bestimmung hatte sich die Deubau durch die Hintertür Möglichkeiten verschafft, die der VSB unter dem Druck der kleingewerblichen Bauwirtschaft hatte aufgeben müssen: der Erwerb bzw. die Neugründung von Baunebenbetrieben. Trotz der Verwicklung in den Skandal um Anton Karl wies die Deubau bereits in ihrem Geschäftsbericht für 1937 »erhebliche Aufwendungen zur Vergrößerung des Maschinen- und Geräteparks« aus. Hatte der Vorstand schon in seinem Geschäftsbericht für 1937 von einem »auf breiter Grundlage erfolgten Ausbau unserer Organisation« gesprochen, war für 1938 von einer »sehr erheblichen Steigerung des Geschäftsumfanges« die Rede. Gleichzeitig wurden in zahlreichen größeren Städten des Reiches Niederlassungen gegründet. Den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten konzentrierte die Deubau allerdings nicht, wie man angesichts ihrer Herkunft aus dem VSB und damit dem sozialreformerischen Wohnungsbau annehmen sollte, auf den »Arbeiterwohn­stätten­bau«, sondern auf kriegswichtige Bauvorhaben. 1938 und 1939 lag ein Schwerpunkt »unser[es] Einsatz[es] bei den Arbeiten am Westwall, wo wir unter Zurückstellung größerer [anderweitiger] Bauausführungen im Reiche die uns übertragenen Aufgaben termingemäß durchgeführt haben«.37 Neben umfänglichen Arbeiten für Bunker, Stollen und Panzersperren an der Grenze zu Frankreich wurde die Deubau »im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft mit anderen Großfirmen bei dem auf viele Jahre berechneten Bau des ›Deutschen Stadions‹ in Nürnberg eingesetzt«.38 Daneben war die Deubau bei einer ganzen Reihe von anderen Proschlossen. Der Prozess der Liquidation wurde bis 1945 nicht vollständig abgeschlossen. Vgl. undatiertes Memorandum aus der unmittelbaren Nachkriegszeit über »Die Vermögenswerte, die die DAF im Zuge der Auflösung der Gewerkschaften übernommen hat«, Teil IV: »Russische Zone, Ostsektor Berlin, von Polen und Russland besetzte Ostgebiete« (o.V.), S. 8, in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 3490. 36 In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 28. Vorstandsvorsitzender der Deubau war von Sommer 1936 bis Anfang Dez. 1937 Josef Bücherl. Er wurde durch Paul Grostück abgelöst. Grostück (1884-?), Dr.-Ing. und seit 1920 preuß. Regierungsbaumeister, stammte aus dem Kreis Waldbröl, der Heimatregion Leys und weiterer Mitglieder der DAF-Führungsriege. Als »Betriebsführer« fungierte seit 1938 der Regierungsbaumeister a.D. Carl Laux (1882-?). Im Aufsichtsrat saß u. a. Clemens Klotz (1886-1969), der im Auftrag der DAF zahlreiche Bauten plante, u. a. das »Bad der Zwanzigtausend« in Prora auf Rügen. Klotz schied Ende 1943 »mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand« aus dem Aufsichtsgremium der Deubau aus. Vgl. Strauch an Klotz vom 31. Dez. 1943, in BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. 37 Diese und die folgenden Zitate aus den Geschäftsberichten der Deubau für 1937 und 1938, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 28. 38 Ebd. Am Nürnberger Großprojekt waren neben der Deutschen Bau AG die Philipp Holzmann AG, Hochtief und die Siemens Bau-Union beteiligt. Vgl. Manfred Pohl,

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jekten engagiert. Dazu zählten nach einer Aufstellung Mitte 1938 von der DAF als Auftraggeber forcierte Projekte wie das Volkswagenwerk, Woh­nungen in der KdF-Stadt (Wolfsburg), das »Bad der Zwanzigtausend« in Prora auf Rügen39 und der – kostenträchtige – Neubau bzw. Ausbau von drei »Ordensburgen« der Arbeitsfront, aber auch (meist kleinere) Aufträge von privaten Unternehmen wie der Daimler Benz AG, der Ruhrgas AG, von Siemens & Halske, der SiemensSchuckert-Werke oder der Spinnstoffwerke Glauchau AG. Daneben erhielt die Deubau durch die Teilstreitkräfte eine ganze Reihe von Aufträgen; neun kleinere und größere Projekte sollte das Unternehmen für die Luftwaffe, sieben für das Heer und eines für die Marine verwirklichen. Weitere Auftraggeber waren die SS sowie die NSDAP-Reichs­ju­gendführung. Die insgesamt fünf Aufträge, die die Deubau von gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften erhielt, nahmen sich dagegen eher bescheiden aus.40 Infolge dieser guten Auftragslage erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten bis Sommer 1939 auf 8.200. Der Umsatz lag 1938 bei 34 Mio. RM und 1939 bei 42 Mio. RM. Das war zwar eine kräftige Steigerung; indes hatte die Deubau damit gerade einmal ein Drittel des Umsatzvolumens erreicht, das der Verband Sozialer Baubetriebe 1930 verbuchen konnte (Tabelle 5.4). Gehemmt wurde der weitere Ausbau der Deubau bereits seit 1938 durch den sich zunehmend verschärfenden Mangel an qualifizierten Bauarbeitern sowie lange Lieferfristen für Baumaschinen. Die Affäre »Anton Karl« hatte die Deubau seit Anfang 1938 dagegen hinter sich gelassen. Bei Kriegsbeginn befand sich das DAF-Unternehmen auf dem besten Weg, zu den großen Konzernen der Branche aufzuschließen. Neben der Deubau waren auch die Wohnungsgesellschaften der DAF in den Strudel der Affäre um Anton Karl gezogen worden. Hinzu traten weitere hausgemachte Fehler. Ein vom NSDAP-Reichs­schatzmeisteramt veranlasster Bericht vom Februar 1938 machte unverblümt die »Fehlbesetzungen in der Geschäfts­leitung« der DAF-Woh­nungs­gesellschaften für deren »steigende Verluste« verantwortlich.41 Es war deshalb nur folgerichtig, dass die Führung der Arbeitsfront ab Ende 1938 das ganze Geflecht an Wohnungsbau-Unternehmen neu organisierte und als regionale Neue Heimat-Gesellschaften »straff ausrichPhilipp Holzmann. Geschichte eines Bauunternehmens 1849-1999, München 1999, S. 222; Eckart Dietzfelbinger/Gerhard Liedtke, Nürnberg  – Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände. Vorgeschichte und schwieriges Erbe, Berlin 2004, S. 59; Doosry, Reichsparteitagsgelände, S. 304. 39 Die Deubau war eines von insgesamt acht großen Bauunternehmen, die jeweils einen der großen Gebäudeflügel des KdF-Bades bauten; darunter waren neben der Deubau die Holzmann AG, die Siemens Bau-Union, Dyckerhoff und Widmann sowie Hochtief. Vgl. Jürgen Rostock/Franz Zadnicek, Paradiesruinen. Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen, 8. Aufl., Berlin 2008, S. 78. Zur KdF-Stadt vgl. Kapitel 8, S. 511 f. 40 Einzelaufstellung der größeren Bauvorhaben der Deubau, o.D. (Mitte 1938), in: BA Berlin, R 8120, Nr. 10. 41 Zitat: Feststellungsbericht vom 14. Febr. 1938 (Anm. 33), S. 5, zu den Verlusten ebd., S. 3. Zu dem Korruptionsskandal, der unter dem Namen Anton Karl in die Geschichte einging, vgl. Kapitel 3, S. 147-150.

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tete« und »einheitlich führte«.42 Die Verwaltung der den ehemals gewerkschaft­ lichen Genossenschaften gehörenden Wohneinheiten und ebenso die regionalen Wohnungsbauaktivitäten wurden auf die mehr als vierzig in ihrer betrieblichen Reichweite den Gaugrenzen der NSDAP und DAF angepassten Unternehmen konzentriert und diesen Anfang 1939 der Name »Neue Heimat« gegeben. Lediglich die GEHAG bestand unter ihrem alten Kürzel weiter. Sie fungierte seit 1939 faktisch freilich als eine Art Neue Heimat Berlin. Bestände außerhalb des Gaues Groß-Berlin gab sie an die neuen regionalen Neue Heimat-Gesellschaften ab;43 umgekehrt konnte sie sich die Wohnungsimmobilien zuvor selbständiger, im Besitz der DAF befindlicher Wohnungsgesellschaften angliedern.44 Die reichsweite Neuorganisierung der DAF-Woh­nungs­gesell­schaften erleichterte zum einen deren Lenkung durch die Berliner Zentrale. Das war jedoch nicht der einzige Zweck der Neuformierung. Gleichzeitig wurden die einzelnen Neue Heimat-Gesell­schaften enger an die jeweiligen DAF- und teilweise auch an die NSDAP-Gauorga­nisationen gebunden.45 Diese Verknüpfung von öko42 Zitate: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 57. 43 Insgesamt musste die GEHAG im Aug. 1939 5.114 bezugsfertige Wohn- und Funktionseinheiten (Läden u.ä.) sowie 766 in Bau befindliche Wohnungen an die jeweiligen im Entstehen begriffenen Neue Heimat-Gesell­schaften abgeben. Auch 766 bereits genehmigte Wohnungseinheiten, mit deren Bau durch die GEHAG noch nicht begonnen worden war, wurden zwischen 1939 bis 1941 an die jeweiligen Regionalgesellschaften abgetreten. Der Eigentumstransfer zog sich über längere Zeit hin. Noch 1942 wurden in Nürnberg/Fürth 868, in Gleiwitz 96 und Braunschweig 286 Wohnungen auf die jeweils regionalen Neue Heimat-Gesellschaften übertragen. In den letzten Jahren wurde die Beschränkung der GEHAG auf den Berliner Großraum dann teilweise wieder rückgängig gemacht. Im Frühjahr 1943 wurden der GEHAG die Wohnungs- und Siedlungsbestände der »Bergmanns-Heimstätten Oberschlesien« zugesprochen. Vgl. Bericht des Vorstandes an den Aufsichtsrat der GEHAG für 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 57, sowie GEHAG 1924-1957, S. 31; Schäche, 75 Jahre ­GEHAG, S. 102 f. 44 So wurden Immobilien und Vermögen der »Einfa« im Aug. 1939 auf die GEHAG übertragen. Auch die 1925 vom »Gewerkschaftsbund der Angestellten« gegründete »Heimat«, Gemeinnützige Bau- und Siedlungs-AG mit einem Bestand von insgesamt 6.332 Wohneinheiten wurde 1941 in die GEHAG eingegliedert. Vgl. Geschäftsbericht der GEHAG für 1941, erstellt Febr. 1944 (!), in: ebd.; GEHAG 1924-1957, S. 28, 31; Schäche, 75 Jahre GEHAG, S. 102. Nicht unter dem Einheitsetikett »Neue Heimat« rief die Führung der Arbeitsfront neben der GEHAG zur Jahreswende 1938/39 außerdem die »Allgemeine Hausbau- und Grundstücksgesellschaft GmbH« für den Bau der KdF-Stadt sowie die »Neuland«-Wohnungsbau­gesell­schaft für die Errichtung der städtischen Infrastruktur (Geschäfte, Gaststätten, Gewerbebetriebe etc.) des späteren Wolfsburg ins Leben. Die Anfang Nov. 1938 konstituierte »Neuland« war nominell eine Umwidmung der in Weimar ansässigen »Mitteldeutschen Wohnungsfürsorgeund Siedlungsgesellschaft (Miwog)«. Faktisch entstand eine neue Wohnungsbaugesellschaft. Vgl. auch Kapitel 8, S. 511 f. 45 Insbesondere die Besetzung der Aufsichtsräte spiegelte dies deutlich. So wurde der Aufsichtsrat der Neuen Heimat Danzig-Westpreußen vom NSDAP-Gauleiter Albert Forster geleitet. Neben einem Ersten stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz für Hans Strauch, den Chef der TWU der DAF, wurde ein Zweiter stellvertretender Aufsichtsratsvorsitz für den stellvertretenden NSDAP-Gauleiter Otto Andres geschaffen. Im

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nomischem und politischem Strang der DAF-Wohnungs­baupolitik war gewollt. In der Folgezeit redeten die Gauwaltungen der Arbeitsfront bei den bezirklichen Bauprogrammen ein gewichtiges Wörtchen mit. Im Übrigen hatte die mit der Gründung der Neue Heimat-Gesellschaften verbundene Auflösung kleiner Wohnungsbaugenossenschaften den Effekt, dass die von den Nationalsozialisten ungelieb­te demokratische Mitbestimmung der Genossenschaftsmitglieder, die vor allem in den kleinen Wohnungsgenossenschaften zum Tragen gekommen war, endgültig beseitigt wurde und Führerprinzip sowie schroffe innerbetriebliche Hierarchien Einzug hielten. Parallel zur Neuformierung der DAF-Wohnungsbauunternehmen bündelte die Führung der Arbeitsfront auch die für die Wohnungsbaupolitik zuständigen Institutionen der politischen Organisation. Die im Juni 1934 unter dem Ar­chitekten und Speer-Stellvertreter im KdF-Amt »Schönheit der Arbeit« Julius Schulte-Frohlinde46 gegründete Bauabteilung wurde Anfang 1937 mit den Planungsabteilungen des vormals von NSDAP und DAF gemeinsam betriebenen »Reichsheimstättenamtes« sowie des KdF-»Amtes Schönheit der Arbeit« zum »Architekturbüro der DAF« fusioniert. 1938 wurde dieses Architekturbüro mit einer Abteilung »Bauüberwachung« und einer Meldestelle für Bauvorhaben dann zum »Bauamt« der Arbeitsfront unter der Leitung von Heinrich Simon zusammengefasst.47 Das DAF-»Amt Haus und Heim« wiederum wurde Anfang 1939 mit dem Reichsheimstättenamt zum DAF-»Reichsheimstättenamt (Haus Aufsichtsrat saßen neben dem DAF-Gauwalter Edwin Kamin außerdem u. a. der Regierungspräsident von Danzig (Wilhelm Huth), der Oberbürgermeister von Danzig (Georg Lippke) und der Präsident des Danziger Landesarbeitsamtes (Karl Gabriel). Ähnlich war dies in Hamburg: Hier gehörten zwei Senatsdirektoren (Carl Merck und Wilhelm Tegeler) sowie der Senatssyndikus der Hansestadt (A. Grapengeter) dem Aufsichtsrat der NH an. Vgl. den (publizierten) Geschäftsbericht der NH Danzig-Westpreußen, S. 3, sowie der NH Hamburg für 1940, S. 5. Vgl. außerdem Kapitel 2, S. 89. 46 Schulte-Frohlinde (1894-1968) hatte von 1925 bis 1929 in führender Position in der Kölner Stadtbaudirektion gearbeitet und amtierte von 1929 bis 1934 als städtischer Baurat in Nürnberg. In dieser Funktion unterhielt er seit 1933 engen Kontakt zu Albert Speer in dessen Funktion als Planer der Reichsparteitage der NSDAP. 1934 trat er als Leiter des KdF-Amtes »Schönheit der Arbeit« in die Dienste der DAF, offiziell als Stellvertreter Speers. Die Bauabteilung im Stabsamt, später Bauamt der DAF, leitete SchulteFrohlinde von 1936 bis Sept. 1940. Von dieser Leitungsfunktion wurde er entbunden, um sich ganz der Planung und Leitung der Münchner Großbauten der DAF widmen zu können. Schulte-Frohlinde, der 1939 außerdem von Todt zum Leiter des Arbeitskreises »Baugestaltung« im NS-Bund Deutscher Technik ernannt wurde und 1943 (nach anderen Angaben 1941 oder 1938) von Hitler zum Professor für Architektur an der TH München ernannt wurde, wurde außerdem vom »Führer« höchstselbst mit den Wiederaufbauplanungen für Bonn betraut. Ab 1945 arbeitete er erfolgreich als selbständiger Architekt in Bremen – und stand der dortigen Ortsgruppe des Bundes Deutscher Architekten vor –, ehe er Anfang 1952 nach Düsseldorf als Leiter des dortigen Hochbauamtes wechselte (bis 1959); in der Landeshauptstadt Rheinland-Westfalens zeichnete er verantwortlich für die meisten öffentlichen Hochbauten dieser Zeit. 47 Vgl. Peltz-Dreckmann, NS-Siedlungsbau, S. 184; Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 140 f.; Hachtmann, Koloss, S. 108 f., 169 ff., 213 f.

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und Heim)« zusammengelegt und der Leitung des jungen NS-Karrieristen Paul Steinhauser unterstellt.48 Der DAF-Wohnungs­bau­gewann bereits 1938 erneut an Fahrt. Hatte sich die Zahl der von Wohnungsunternehmen der Arbeitsfront fertiggestellten Wohnungseinheiten von 1936 auf 1937 lediglich um 6,3 % vermehrt, wuchs sie von 1937 auf 1938 um beachtliche 17,6 %. Dahinter stand ein durch die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt induzierter wohnungspolitischer Paradigmenwechsel: Statt des Siedlungsbaus präferierte das Reichsheimstätten­amt der DAF (und NSDAP) seit 1937 die Errichtung von Geschosswohnungen. Geschuldet war dieser Paradigmenwechsel dem Vierjahresplan vom September 1936, der die forcierte Aufrüstung festschrieb. Es wäre dysfunktional gewesen, Arbeitskräfte weiterhin »im deutschen Heimatboden« zu verwurzeln; sie sollten vielmehr entsprechend rüstungs- und kriegswirtschaftlichen Bedürfnissen leicht hin- und hergeschoben werden können. Entsprechend lautete die Parole auch für die DAF-Unter­nehmen nun: Mietwohnungsbau. Wie finanzierten die DAF-Gesellschaften ihre Neubauprojekte? Bis 1938 trat die Volksfürsorge Lebensversicherung als zentraler Finanzier auf. Sie gewährte der GEHAG und der DEWOG für Neubauvorhaben Hypotheken, bis 1936 in einer Höhe von insgesamt 9,6 Mio. RM. Umfangreicher noch waren die Hypotheken, die die Volksfürsorge für den Bau von Siedlungen und Wohnungen für Wehrmachtsangehörige zur Verfügung stellte, die teilweise gleichfalls unter der Trägerschaft der DAF und ihrer Wohnungsgesellschaften durchgeführt wurden. Sie summierten sich bis 1936 auf 20,5 Mio. RM.49 Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre war es vor allem die Bank der Deutschen Arbeit, die zinsgünstige Kredite gewährte, um die Aktivitäten der Neue Heimat-Ge­sell­ schaften zu stimulieren.50 48 Der promovierte Augsburger Rechtsanwalt Steinhauser (1902-?) hatte dem Freikorps Epp angehört und wurde seit 1931 in der NSDAP und ihren Vorfeldorganisationen aktiv, u. a. als stellvertretender Kreisführer des NS-Rechtswahrerbundes und als juristischer Berater der NSDAP-Kreisamtsleitung für Augsburg-Stadt. Von April 1933 bis Ende Febr. 1939 amtierte Steinhauser als Stadtrat für Grundstücks-, Siedlungs- und Wohnungswesen (inkl. städtische Gärten, Liegenschaften, Siedlungs- und Heimstättenwesen, inkl. Zwangsenteignungen) und Beigeordneter der Stadt Augsburg, seit Aug. 1933 außerdem als Stadtsyndikus. Darüber hinaus fungierte er zunächst als Leiter des NSDAP-Gauamtes »für ständischen Aufbau«. Bis Anfang 1939 führte Steinhauser außerdem das DAF-Gauheimstättenamt Schwaben. Am 1. März 1939 avancierte er zum Leiter des DAF-Heim­stät­ten­amtes. In der zweiten Kriegshälfte führte Steinhauser daneben die wohnwirtschaftlichen Verbände des Deut­schen Reichs. Zu Steinhausers Augsburger Tätigkeit finden sich zahlreiche Hinweise in: Gotto, NS-Kommunalpolitik. 49 Nach: Böhle, Volksfürsorge, S. 33. 50 Unmittelbar nach der Ernennung Leys zum Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau (RKSW) Ende 1940 wies die DAF die Bank der Deutschen Arbeit an, dem organisationseigenen Bauunternehmen »mittelfristige Kredite mit einer Laufdauer von bis zu 10 Jahren zu einem spesenfreien Zinssatz von 4 ½ v.H. zu gewähren.« Heinrich Simon, Der Deutsche Wohnungsbau nach dem Kriege, in: Der soziale Wohnungsbau

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Die von der DAF präsentierten Zahlen zum Bau- und Auftragsvolumen wirken eindrucksvoll. Al­les in allem sollte das Gewicht der Unternehmen der Arbeitsfront als Bauträger vor allem von Woh­nungen jedoch nicht überbewertet werden. Der Anteil der DAF-Unternehmen am gemeinnützigen Wohnungsbau lag zwischen 1933 und 1939 im Schnitt bei knapp einem Zehntel aller jährlich neu erstellten Wohnungseinheiten, am gesamten – ab 1933 zunehmend reprivatisierten – Woh­nungsneubau bei lediglich zwei bis drei Prozent. Die gewerkschaftsnahen Wohnungsbaugenossenschaften waren während der Weimarer Republik weit aktiver gewesen. Auch der Begriff »Arbeiterwohn­stättenbau« war ein Euphemismus. Nutznießer des DAF-Woh­nungs­baues waren in erster Linie Angestellte sowie kleinere, einkommensstarke Gruppen der Arbeiterstamm­belegschaften. Der Wohnungsbau als politisches Einfallstor für Ley und seine Arbeitsfront (1934-1939) Alle Schwächen, Friktionen und Skandale hinderten die Arbeitsfront nicht daran, schon frühzeitig das wohnungsbaupolitische Gewicht ihrer Unternehmen in politische Machtansprüche umzumünzen. Insbesondere versuchte sie, eine ›siedlungspolitische‹ Führerschaft des im April 1934 gegründeten und bis Frühjahr 1937 gemeinsam mit der NSDAP-Reichsleitung betriebenen Reichsheimstättenamtes gegenüber dem Reichsarbeitsministerium durchzusetzen. Bereits der erste Ansturm auf die Kompetenzen des in diesem Politikfeld eigentlich tonangebenden Reichsarbeitsministeriums endete mit einem Teilerfolg für die Arbeitsfront, als der spätere Leiter des DAF-Heim­stättenamtes Johann Wilhelm Ludowici51 im April 1934 zum Stellvertreter Gottfried Feders in dessen Funktion als »Reichs­kommissar für das Siedlungswesen« ernannt wurde. Dass Feder schon bald scheiterte und dessen Kompetenzen als Reichssiedlungskommissar an das Reichsarbeits­ministerium zurückfielen, änderte nichts daran, dass die in Deutschland, 1/1941 (1. Jan.), Heft 1, S. 2-15, nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 150-163, hier: S. 160. Zuvor hatte die Arbeitsbank, wenn sie im Auftrag der DAF tätig wurde, zwar auch bereits Kredite mit Zinsen von »einem Prozent unter den üblichen« gewährt, allerdings mit kürzerer Laufzeit, zur »Zwischenfinanzierung«, wie der Geschäftsführer der DAF Otto Marrenbach (Fundamente des Sieges, S. 374) formulierte. Vgl. auch Gert Kähler, Nicht nur Neues Bauen!, in: ders. (Hg.), Geschichte des Wohnens, Bd. 4: 1918-1945. Reform, Reaktion, Zerstörung, Stuttgart 1996, S. 303-452, hier: S. 420. Zur Rolle der Arbeitsbank als Finanzier der DAF-Woh­ nungs­bauaktivitäten vgl. ferner Karl-Heinz Roth, Das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront und die Ostplanung, in: Mechtild Rössler/Sa­bine Schleiermacher/Cordula Tollmien (Hg.), »Generalplan Ost«. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin 1993, S. 215-231, hier: S. 217. 51 Ludowici (1896-1983), ein promovierten Ingenieur, der 1910 in das mittelständische Bauunternehmern seines Vaters (Ludowici Ziegelwerke) eingetreten war und 1927 dessen Hauptgesellschafter wurde, war in frühfaschistischen Bewegungen politisch sozialisiert worden. Er trat bereits 1923 in die NSDAP ein. Das DAF-Heimstät­tenamt führte Ludowici seit Mai 1934. Er wurde Anfang 1937 abberufen, weil er stur am Primat des Siedlungs­baues festhielt.

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wohnungsgenossenschaften, bau- und siedlungsgesellschaften DAF fortan eine wohnungsbaupolitisch starke Position einnahm. Ihr Gewicht wuchs noch, nachdem nach der Verkündung des Vierjahresplanes der Bau neuer großindustrieller Produktionsanlagen begann und in den oft abgelegenen, kaum industria­lisierten Regionen ein großzügiger »Arbeiterwohnstättenbau« notwendig wurde.52 Noch Ende 1936 übertrug Göring – den Hitler Anfang September 1936 unter dem Titel »Beauftragter für den Vierjahresplan« als eine Art Wirtschaftsdiktator eingesetzt hatte – der Arbeitsfront das »Siedlungswerk des Vierjahresplans«. Das Etikett »Siedlungswerk« war im Grunde irreführend. Tatsächlich zielte das Programm in erster Linie auf die Errichtung von mehrgeschossigen Mietwohnungshäusern für die Arbeitskräfte, die in den neuen Industrieanlagen beschäftigt werden sollten.53 Der Bau von unternehmenseigenen Werkswohnungen verbot sich, weil die betreffenden Arbeitskräfte dann an das jeweilige Unternehmen gebunden worden wären und nicht entsprechend den rüstungspolitischen Bedürfnissen des Regimes flexibel hätten eingesetzt werden können. Deshalb sah Göring in der zudem finanzkräftigen DAF und ihren Unternehmen einen geeigneten Partner, den gesamten »mit der Industrieausweitung bzw. -ver­lage­rung in Zusammenhang stehenden Wohnungs- und Siedlungsbau zu betreuen bzw. durchzuführen«.54 Diese Beauftragung der Arbeitsfront stieß allerdings auf erhebliche Vorbehalte beim Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsminister, bei der Reichsgruppe Industrie und weiteren Institutionen des NS-Regimes.55 Eindrucksvoll bestätigt wurden die Bedenken der politischen Rivalen der Arbeitsfront durch die Affäre »Anton Karl«. Göring sah sich deshalb genötigt, Ende 1937 den Auftrag an die 52 Vgl. ausführlich Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 55, 57 ff. 53 Vgl. Denkschrift der DAF, Das Siedlungswerk des Vierjahresplans, o.J. (1937), in: BA Berlin, R 41, Nr. 915, Bl. 97-104, sowie Haerendel, Kommunale Wohnpolitik, S. 142 ff. 54 Zitat: Niederschrift über eine am 11. Febr. 1937 im DAF-Schatzamt durchgeführte Besprechung, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18. Dass aus den genannten Gründen »die Werkswohnung, auf längere Sicht gesehen, sozialpolitisch [nicht] erwünscht« sei, wurde von den führenden Köpfen der DAF wiederholt auch öffentlich herausgestellt. Zitat: Rudolf Schmeer, Moderne Wohnungswirtschaft, in: Bauen, Siedeln, Wohnen 9/1937, S. 224 ff., hier: S. 224. Ähnlich auch z. B. Otto Wetzel, Betriebsheimstätten statt Werkwohnungsbau, in: Bauen, Siedeln, Wohnen 11/1939, S. 99 f., nach: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 92, oder später Hans Wagner in einem undatierten Vortrag: »Der Wohnungsbau als soziale Aufgabe«, in: BA Berlin, Rep. 43 II, Nr. 1009, Bl. 106-129, hier: Bl. 127. Der Architekt und Ingenieur Wetzel (1905-1982), seit 1922 bzw. erneut ab 1925 NSDAP-Mitglied, war von 1934 bis 1945 u. a. Leiter der Presse- und Propagandaabteilung des DAF-Heimstättenamtes. Wagner (1902-?), seit 1927 Geschäftsführer gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften und Ende 1931 in die NSDAP eingetreten, fungierte von 1940 bis Anfang 1944 als Geschäftsführer des RKSW bzw. RWoK, 1943 außerdem kurzzeitig als Leiter des DAF-Heimstättenamtes. 55 Zitat: Reichsfinanzminister an Göring vom 9. April 1938, in: BA Berlin, R 2, Nr. 18 596. Ähnlich auch: RGI an Generaldirektor Eugen Vögler (in dessen Funktion als Leiter der Wirtschaftsgruppe Baugewerbe) vom 28. Juli 1938, in: BA Berlin, R 12 I, Nr. 257.

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die wohnungs- und baugesellschaften der daf bis 1939 DAF zurückzuziehen. Er übertrug die Aufgabe der Koordination des »Siedlungswerkes« zunächst der »Reichsstelle für Wirtschaftsausbau«,56 im Frühjahr 1938 dann einer bereits Ende 1935 gegründeten »Arbeitsgemeinschaft Arbeiterwohnstättenbau«, der neben den genannten Ministerien und Organisationen auch die Arbeitsfront angehörte. Die Konflikte zwischen der Arbeitsfront auf der einen sowie der Ministerialbürokratie und den Repräsentanten der Industrie auf der anderen Seite wurden damit freilich nur in diese Arbeitsgemeinschaft verlagert, die infolgedessen weitgehend paralysiert blieb57 – ein Tatbestand, der Ende 1940 die Ernennung Leys zum »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« begünstigte. Institutionell hatte die Arbeitsfront ihr Ziel, allein für den »Arbeiterwohnstättenbau« zuständig zu sein, zwar noch nicht erreicht. Das änderte aber nichts daran, dass Leys Organisation das von Göring gebotene Einfallstor nutzte und ihren Einfluss innerhalb des Wohnungsbaues in der Folgezeit systematisch ausbaute. Zentraler Träger eines »Arbeiterwohnstättenbaus« entsprechend den Zielen des Regimes könne nur die DAF sein, wiederholten führende Funktionsträger der Organisation seit dem letzten Vorkriegsjahr gebetsmühlenartig. Am 25. August 1938 erklärte Ley auf einer Tagung der Siedlungsreferenten der Partei, ihrer Gliederungen sowie angeschlossenen Organisationen, »dass die Lösung des Wohnungsproblems eine soziale Aufgabe sei und damit ausschliesslich eine Aufgabe der DAF«. Er habe »bei der Deutschen Arbeitsfront bereits organisatorisch alle Vorbereitungen getroffen, um führend den künftigen Arbeiterwohnstättenbau im grossen Ausmass durchzuführen«.58 Mit Äußerungen wie diesen wollte Ley nicht etwa der Marktbeherrschung oder gar einer ökonomischen Monopolisierung des gesamten deutschen Wohnungsbaus durch die Neue Heimat-Gesellschaften der Arbeitsfront den Boden bereiten. Ihm ging es darum, dem Reichsarbeitsministerium die Koordination der Wohnungsbaupolitik im Deutschen Reich zu entziehen und diese Kompetenzen auf sich selbst und ›seine‹ DAF zu 56 Die »Reichsstelle für Wirtschaftsausbau« war aus dem im April 1936 gegründeten Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe als dem innerhalb des »Rohstoff- und Devisenstabes« (dem Vorläufer der Vierjahresplanbehörde) wichtigsten Amt hervorgegangen. Sie wurde 1939 in »Reichsamt für Wirtschaftsausbau« umbenannt und entwickelte sich in der Folgezeit unter dem I.G. Farben-Vor­stand Carl Krauch zu einer der wirtschaftsund wissenschaftspolitisch einflussreichsten Institutionen des NS-Regimes. 57 Innerhalb der »Arbeitsgemeinschaft Arbeiterwohnstättenbau« erklärte sich das DAFHeimstät­ten­amt zur federführenden Institution und stieß dabei auf erheblichen Widerspruch vor allem der Reichsgruppe Industrie (RGI). Vgl. RGI an E. Vögler vom 28. Juli 1938, S. 2 (wie Anm. 55). Vgl. außerdem Aktenvermerk von Lohmann (RGI) vom 30. Jan. 1939, sowie RGI an E. Vögler vom 21. Febr. 1939, S. 2, beides in: BA Berlin, R 12 I, Nr. 257. 58 Ley rechnete offenbar bereits zu diesem Zeitpunkt damit, in absehbarer Zeit zum RKSW ernannt zu werden. Die ihm anberaumte Sitzung, erklärte Ley wörtlich, sollte »Einigkeit über das Ziel und den Weg dazu« herstellen, »wenn der Führer mit der Frage der Lösung an ihn [Ley] herantrete«, was »über kurz oder lang« der Fall sein werde. Bericht über die Sitzung vom 25. Aug. 1938 durch NSKK-Standartenführer Birk, vom 21. Sept. 1938, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 302, Bl. 8-10.

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übertragen.59 Mit dem Ausbau und der »Straffung« des DAF-Wohnungskonzerns sowie der gleichzeitigen Neuformierung der zuständigen Ämter hatte die Führung der Arbeitsfront ihre Schlagkraft auf diesem Sektor politisch tatsächlich beträchtlich erhöht.

7.3. »Sozialer Wohnungsbau« in der ersten Kriegshälfte Die Neue Heimat Der Wohnungsbau kam in den ersten Wochen nach dem Überfall auf Polen aufgrund einer scharfen Kontingentierung von Baumaterialien vorübergehend zum Erliegen, allerdings nicht vollständig.60 Nach der Serie erfolgreicher Blitzkriege wurden diese Restriktionen 1940 aber wieder gelockert. Die Rüstungsproduktion und ebenso Bauten für militärische Zwecke wurden zurückgefahren; Produktionskapazitäten standen wieder in größerem Umfang für zivile Aufgaben zur Verfügung. Zwar konnte der neugeordnete Wohnungskonzern der Arbeitsfront statt der avisierten 20.000 Wohnungen61 zwischen dem 1. Januar 1939 und dem 31. März 1941 nur insgesamt 10.694 neue Wohneinheiten errichten62 und seinen Gesamtbestand auf insgesamt etwa 85.000 Wohnungen erhöhen;63 das waren nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen vier und acht Prozent des Bestandes sämtlicher gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften.64 Die 59 Vgl. z. B. Robert Ley, Was hat die Partei mit Wohnungsfragen zu tun? In: Bauen, Siedeln, Wohnen, 18/1938, S. 563 ff. 60 Leiter des Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF (AWU), Leistungsbericht für 1939/40, Juli 1940, S. 12, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. Da »nach Ausbruch des Krieges Eisen, Zement und Steine fast ausschließlich nun für wehrwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stehen mussten«, wurde die Arbeit auf dem Gros der Baustellen der DAF-Wohnungsbaugesellschaften »stillgelegt, während andere nur unter schwierigsten Verhältnissen und Aufbietung aller Kräfte sowie Ausnutzung jeder erdenklichen Möglichkeit weitergeführt wurden.« Letzteres galt für »solche Wohnungsbauten, die für wehrwirtschaftlich wichtig erklärt« wurden. Trotz der partiellen Still­legungen der Baustellen der DAF-Wohnungsgesellschaften erhöhte sich der Umsatz der Deubau (Tabelle 5.4). 61 Vgl. ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 58. 62 Rechenschaftsbericht Strauchs vom 3. April 1941, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 302, Bl. 3. 63 Mitte 1941 verfügten die zu diesem Zeitpunkt 42 Wohnungs- und Siedlungsunternehmen der Arbeitsfront sowie weitere elf Tochterunternehmen der DAF über einen Gesamtbestand von ca. 63.000 Wohnungen als ihrem unmittelbaren Eigentum. Hinzu kamen zu diesem Zeitpunkt etwa 22.000 in Fremdeigentum befindliche, von der Arbeitsfront »betreute« Wohnungs- und Siedlungseinheiten. Vgl. Deutsche Allgemeine Zeitung vom 3. Okt. 1941. 64 Nach einer Aufstellung des »Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e.V.« (RDGW) lag der Anteil der DAF-Wohnungen an der Gesamtheit der bis Ende 1939 von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften erstellten Wohnungen lediglich bei 3,6 %. In: BA Berlin, Rep. 43 II, Nr. 1007, Bl. 65 f. Dieser Prozentsatz ist allerdings deutlich zu niedrig angesetzt, u. a. weil einige Wohnungsbaugesellschaften der Arbeitsfront nicht berücksichtigt wurden, aber auch der Altbestand zu

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Führung der Arbeitsfront wollte sich damit jedoch nicht bescheiden. In welchen Dimensionen sie plante, zeigte sie mit der Erhöhung des Grundkapitals aller im Bausektor tätigen DAF-Unter­neh­men von 9,9 Mio. RM 1938 auf 67,2 Mio. RM Anfang 1941.65 Bereits zwischen Hochsommer 1940 und Frühherbst 1941 hätten, so konnte Strauch als Leiter des AWU und Chef der TWU »voller Stolz« resümieren, »die Wohnungsbaugesellschaften der Deutschen Arbeitsfront sich in den derzeitigen Brennpunkten des sozialen Wohnungsbaues voll ein[ge]schaltet«.66 Zumindest in Einzelfällen scheinen örtliche DAF-Stellen Druck auf Unternehmen, die planten, Werkswohnungen zu errichten, ausgeübt zu haben, sich deshalb »mit der ›Neuen Heimat‹ in Verbindung zu setzen« – was diese auch taten, um es sich mit der Arbeitsfront nicht zu verderben.67 Neben dem Bestand von 85.000 Wohneinheiten waren Anfang 1941 zusätz­ liche 24.000 Wohnungen in Bau, weitere 14.300 Wohnungen im Planungsbzw. Vorbereitungsstadium – das Gros in der KdF-Stadt (Wolfsburg),68 in der Nähe der 1938 von der Arbeitsfront erworbenen Stettiner Vulkan-Werft,69 in

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niedrig angesetzt wurde. In die Statistik des RDGW floss außerdem der Tatbestand nicht ein, dass die Arbeitsfront neue Wohnhäuser errichtete, während sich ein sehr großer Teil der von der Gesamtheit der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften erstellten ›neuen‹ Wohneinheiten aus der Teilung vormals großer Wohnungen resultierte (da insbesondere in den In­du­striezentren der Bedarf an kleinen, preiswerten Wohnungen hoch war und immer weniger befriedigt werden konnte). Die Statistik selbst und die dort niederlegten geringen Werte für die DAF-Wohnungsbau­aktivitäten waren für den RDGW ein Kampfinstrument gegen die Hegemonieansprüche der Arbeitsfront im gemeinnützigen Wohnungsbau. Gleichwohl und trotz der bis 1942 noch einmal verstärkten Wohnungsbauan­strengungen dürften die DAF-Unternehmen die Acht-Prozent-Marke während des Dritten Reiches zu keinem Zeitpunkt überschritten haben. Vgl. Rechenschaftsbericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeitsfront Strauch, vom 3. April 1941, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 302, Bl. 3. Die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 3. Okt. 1941 (nach: ebd., R 43 II, Nr. 530, Bl. 44) bezifferte das Gesamtkapital der DAF-Wohnungsbaugesell­schaf­ten sogar auf knapp 80 Mio. RM, allerdings einschließlich eines Teils des Immobilienbesitzes. AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 60), S. 13. Vgl. (Zitat) Phrix-Gesellschaft m.b.H. an die DAF-Gauwaltung Mark Brandenburg vom 18. Dez. 1940; Notiz des Kaufmännischen Sekretariats der Kurmärkischen Zellwolle und Zellulose (KuZeZe) AG vom 21. Dez. 1940; DAF-Gauwaltung Mark Brandenburg, Abt. Soziale Selbstverantwortung und Gestaltung an die KuZeZe AG vom 1. Febr. 1941, alles in: Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Pr.Br. Rep. 75, KuZeZe AG, Wittenberge, Nr. 232. Da nach dem Überfall auf die Sowjetunion der zivile Wohnungsbau im Reich erneut und nun dauerhaft ins Stocken kam, mutierte die KdF-Stadt vor allem zu einer Stadt der großflächigen Barackenlager. Bis 1940/41 wurden keine zweitausend Wohnungen fertiggestellt. Zur KdF-Stadt vgl. allgemein Marie-Luise Recker, Die Großstadt als Wohn- und Lebensbereich im Nationalsozialismus. Zur Gründung der »Stadt des KdF-Wagens«, Frankfurt a. M./New York 1981; Harlander, Heimstätte und Wohn­ maschine, S. 173-179; außerdem Kapitel 8, S. 510 f. Vgl. Geschäftsbericht der Stettiner Vulkan-Werft für 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 52.

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den dem »Großdeutsche Reich« eingegliederten »Ostgebieten einschl. Sudetenland« sowie vor allem in den Gegenden, in welche die Deutschen aus Südtirol umgesiedelt werden sollten.70 Darüber hinaus fasste die DAF in den besetzten Gebieten Polens für »Volksdeutsche« und reichsdeutsche Verwaltungsbeamte einen gleichfalls von den eigenen Unternehmen getragenen großdimensionierten Wohnungsbau ins Auge. Im Juli 1940 befanden sich »rd. 60 % aller noch z.  Zt. aufrechterhaltenen Wohnungs­bauten im Reich« in der Obhut der Unternehmen der Arbeitsfront.71 Langfristig planten die DAF-Unterneh­men ein noch viel weitergehendes, »riesiges Bauprogramm«. Allerdings ließe sich, so Strauch, noch »nicht übersehen, wann mit dem Beginn bezw. der Fertigstellung gerechnet werden könne«. Jedenfalls bereiteten sich die DAF und ihre Gesellschaften darauf vor, »nach dem Friedensschluss« die »unbedingt nötige Großoffensive auf die Wohnungsnot« anzugehen und wollten bereits jetzt »ein­satzbereit dastehen«.72 Zu dieser ins Auge gefassten »Großoffensive« gehörte auch eine großzügige und moderne Ausstattung der Wohnungen selbst. Es war kein Zufall, dass Ley und seine führenden Mitarbeiter, unmittelbar nachdem Hitler den Chef der Arbeitsfront am 15. November 1940 zum »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« ernannt hatte, mit Plänen für ein riesig dimensioniertes Volkskühlschrank-Werk in der Nähe Wiens vor die nationalsozialistische Öffentlichkeit traten. Statt, wie bis dahin üblich, mit Speisekammern sollten die in Größenordnungen bis zu einer Million geplanten »Sozialwohnungen« mit Volkskühlschränken ausgestattet werden. Man plane sogar »ein Gesetz, dass jede Neubauwohnung mit einem Kühlschrank ausgestattet werden soll, auch die Altwohnungen sollten durch einen Kühlschrank ergänzt werden«.73 »Sozialer Wohnungsbau« – Genesis und Funktion eines Schlagwortes Ihre ab Ende der dreißiger Jahre entfalteten Bauaktivitäten wie ihre immer großartiger dimensionierten Visionen bündelte die Arbeitsfront im Begriff des 70 Letztere machten im Frühjahr 1941 den größten Teil der geplanten Wohnungen aus: »Aus dem bisherigen Programm für die Südtiroler-Umsiedlungsaktion von zusammen 19.000 Whg. kommen auf die DAF-Woh­nungs­unternehmen […] allein 13.800 Whg.«, mithin 72,6 %. Rechenschaftsbericht Strauchs vom 3. April 1941 (wie Anm. 62). Vgl. außerdem AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 60), S. 13. 71 Vgl. zu diesen Plänen ebd. Für die GEHAG liegen genauere Daten vor. Sie stellte 1940 in Berlin 92 und in anderen Regionen des Deutschen Reiches 674 Wohneinheiten fertig. Anfang 1941 waren in der Reichshauptstadt 1.298 und im übrigen Reich 1.764 Wohnungen unter der Bauträgerschaft der GEHAG im Bau. Insgesamt stellte das Berliner Unternehmen von 1940 bis 1944 2.803 Wohneinheiten fertig. Vgl. GEHAG 1924-1957, S. 31. 72 Vgl. den AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. 60), bes. S. 13. 73 Ley nach: König, Volksprodukte, S. 148. Zu den geplanten Größenordnungen des Werkes für 60-Liter-Volkskühlschränke zu einem avisierten Preis von 300 RM vgl. Kapitel 8, S. 517.

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»Sozialen Wohnungsbaues«. Der Begriff selbst mutet unverfänglich an und hat auch manchen Historiker verführt, die mit ihm heute verbundenen positiven Konnotationen auf die Jahre vor 1945 zu projizieren. Tatsächlich war die nach 1945 in der Bundesrepublik zum sozialpolitischen Schlüsselbegriff aufgestiegene Formel vom »Sozialen Wohnungsbau« ursprünglich ein Kampfbegriff, der immer weitergehende Kompetenzansprüche der Arbeitsfront und mit diesen den Ausbau des DAF-Baukon­zerns legitimieren sollte. Eingeführt wurde er Anfang 1938 vom Reichsheimstättenamt der Arbeitsfront.74 Hinter dem Schlagwort versteckte sich zunächst ein Paradigmenwechsel: Statt wie zuvor auf eher länd­ liche Siedlungen mit einzelnen Häusern orientierte die Ley’sche Organisation ab 1936/37 auf den mehrgeschossigen Mietwohnungsbau. Geprägt wurde das neue Schlagwort, um politische Konkurrenten unter Druck zu setzen. Sein großer Vorteil war, dass es nicht präzise definiert war: Während das spätestens seit 1936 in der Defensive befindliche Reichsarbeitsministerium den Begriff möglichst eng auszulegen suchte, um nicht noch weitere Kompetenzen in diesem wichtigen sozialpolitischen Sektor zu verlieren, machten Ley und die Arbeitsfront nach der Ernennung Leys zum Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau (RKSW) am 15. November 194075 das Schlagwort »Sozialer Wohnungsbau« zu einem »zentralen Vehikel« (Tilmann Harlander)76 für eine Generalermächtigung der Arbeitsfront, die den politischen Zugriff auf sämtliche Facetten 74 Vgl. Reichsheimstättenamt der DAF (Hg.), Richtlinien zur Heimstättensiedlung, in: Siedlung. Planungsheft der DAF, Berlin 1938, S. 9. Wörtlich heißt es dort: »Der große allgemeine Wirtschaftsaufschwung der letzten vier Jahre hat […] zugleich die dem so­ zialen Wohnungsbau gestellten Probleme verschärft. Die Unterbringung mehrerer Millionen Volksgenossen in gesicherten Arbeitsverhältnissen hat die Nachfrage nach gesunden Wohnungen […] unerhört gesteigert. […] Die Lage bestimmt den eindeutigen Kurs auf den Arbeiterwohnstättenbau im Vierjahresplan.« Vgl. Christian Schneider, Stadtgründung im Dritten Reich. Wolfsburg und Salzgitter: Ideologie, Ressortpolitik, Repräsentation, München 1979, S. 117; Dieter Münk, Die Organisation des Raumes im Nationalsozialismus. Eine soziologische Untersuchung ideologisch fundierter Leitbilder in Architektur, Städtebau und Raumplanung des Dritten Reiches, Köln 1993, S. 334. 75 Vgl. Erlass vom 15. Nov. 1940, in: RGBl. 1940, I, S. 1495-1498. Abgedruckt auch in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 318 f. Zum RKSW vgl. bes. Marie-Luise Recker, Der Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau. Zu Aufbau, Stellung und Arbeitsweise einer führerunmittelbaren Sonderbehörde, in: Rebentisch/Teppe (Hg.), Verwaltung contra Menschenführung, S. 333-350, hier: S. 334 ff.; Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung, S. 336-344, sowie neben den von Recker genannten Quellen außerdem bes. BA Berlin, R 2, Nr. 19481; R  12 I, Nr. 257; R 43II, Nr. 1009 und NS 25, Nr. 1110. Der RKSW bzw. RWoK besaß Vorläufer in dem noch vor dem Ende des Ersten Weltkrieges im Hochsommer 1918 eingesetzten Preußischen Staatskommissar für das Wohnungswesen sowie in dem unter Brüning Anfang Okt. 1931 eingesetzten »Reichskommissar für die vorstädtische Kleinsiedlung«. Vgl. Ludwig Preller, Sozialpolitik in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1978 (EA 1948), S. 69 f., 491 f. Nach der NS-Machter­greifung firmierte Gottfried Feder kurzzeitig als »Reichskommissar für das Wohnungswesen« (s.o.). 76 Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 212.

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des »großdeutschen« Wohnungsbaus legitimieren sollte. Reichsarbeitsminister Seldte und sein Ministerium suchten ihrerseits das Schlagwort »gesteuerter Wohnungsbau« zu etablieren, konnten sich damit jedoch nicht durchsetzen.77 Die Arbeitsfront verschrieb sich nicht uneigennützig dem »Sozialen Wohnungsbau«. Die von ihren Unternehmen geschaffenen Wohnungen dienten, so formulierte die DAF in einer auflagenstarken Broschüre Anfang 1939 ganz offen, der Reproduktion der Arbeitskräfte; sie sollten »Gesundheit und Kraft für den täglichen Arbeitseinsatz« erhöhen. In der Formulierung, dass die »Wohnstätte jedem Deutschen eine Burg sein« solle,78 klingen sprachlich daneben bereits die avisierten Eroberungszüge NS-Deutschlands an. Dass nur »deutsche Menschen«, »eine Auslese der hochwertigen Elemente«, bei gleichzeitigem »Zurückdrängen der minderwertigen Volksteile« in den Genuss eines ausreichenden Wohnraumes, mit (damals keineswegs selbstverständlich:) fließendem Wasser und hygienischen Nasszellen ausgestattet, kommen sollten,79 verstand sich aus der Perspektive der DAF von selbst. Wie eng der »Soziale Wohnungsbau« mit dem nationalsozialistischen Rassismus verknüpft war und wie sehr er in einem durchaus buchstäblichen Sinne raumgreifend sein sollte, machte Heinrich Simon Anfang 1941 deutlich. Simon leitete im Auftrage Leys de facto das Reichskommissariat für den sozialen Wohnungsbau; er war zudem bereits Ende September 1939 zum »Bevollmächtigten für die Bau-, Wohnungs- und Siedlungswirtschaft im Generalgouvernement« ernannt worden und hatte seitdem erste einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet einer rassistisch segregierten Wohnungsbaupolitik gesammelt. In dem im Folgenden ausführlicher zitierten programmatischen Aufsatz steckte er die Politikfelder des gerade ernannten, »führerunmittelbaren« Sonderbeauftragten ab.80 Zentrales Ziel des RKSW sei, dass »das deutsche Volk nach dem Kriege (1.) ausreichend Nachwuchs hervorbringen [muß], um die zur Durchdringung des neuerworbenen Raumes erforderliche Volkszahl zu erreichen, [und] (2.) in den neugewonnenen Gebieten Wohnraum für die Ansiedlung von Volksgenossen bereitstellen« müsse. »Die neuen Gebiete müssen [von Deutschen] besiedelt werden. Dazu braucht man nicht nur Wohnstätten, Bauernhöfe und Arbeiterwohnungen. Der übernommene Bestand ist im Osten und Westen so unzureichend, dass er eine ausreichende Unterkunftsmöglichkeit für die anzusiedelnden [deutschen] Volksgenossen nicht bietet. Die rasche Besiedlung beispielsweise des Ostens scheitert am mangelnden Wohnraum, ganz abgesehen davon, dass die vorhandenen Wohnungen selbst auch für den nach deutschen Begriffen 77 78 79 80

Vgl. ebd., S. 96 f., 212 f., 216 f. Zitate: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 57. Bericht über die Sitzung vom 25. Aug. 1938 (Anm. 58), Bl. 8. Heinrich Simon, Der Deutsche Wohnungsbau nach dem Kriege, in: Der soziale Wohnungsbau in Deutschland, 1/1941 (1. Jan.), Heft 1, S. 2-15, nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 150-163.

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schlechtwohnenden Arbeiter keine Anziehungskraft ausüben. Könnte der Osten gute Wohnmöglichkeiten bieten, so würde es viel leichter sein, für seine Besiedlung zu werben.« Der »soziale« Wohnungsbau Leys, des neuen Reichskommissariats und auch der

DAF sollte sich also auf die neuen, dem Altreich angegliederten Ostgebiete kon-

zentrieren, insbesondere auf das zum »Generalgouvernement« degradierte Polen. Das »Gefälle« zwischen den Wohnverhältnissen im »Altreich« und den okkupierten, dem Reich angegliederten Gebieten müsse »nicht nur ausgeglichen, sondern es müssen alle Maßnahmen getroffen werden, dass der Ostraum in Zukunft eine erhöhte Anziehungskraft für die unternehmungsbereiten, tüchtigen Volksgenossen bietet«.81 Die Wohnverhältnisse in den okkupierten Gebieten sollten für die »deutschen Volksgenossen« so attraktiv gestaltet werden, dass sich ein Sog in Richtung »Osten« entwickelte. Zugleich machte Simon aus dem rassistischen Pronatalismus als der zentralen Richtschnur der DAF-Wohnungs­politik keinen Hehl. Es würden »jährlich Tausende und aber Tausende von Kindern nicht geboren werden, weil die schlechten Wohnverhältnisse den Eltern den Mut dazu nehmen«. Für ein nationalsozialistisch beherrschtes Europa sei dies höchst fatal; denn »allein der Osten braucht Millionen deutscher Einwohner«.82 Auch andere Repräsentanten der DAF-Wohnungsbaupolitik forderten zur Erhöhung der »biologischen Leistung« vom deutschen Volk apodiktisch »Anstrengungen in der Gegenwart«, um »wettzumachen«, was »in der Vergangenheit versäumt« worden sei.83 Rassistisch aufgeladen war der von der DAF und dem Reichskommissariat geplante »soziale Wohnungsbau« außerdem, weil er in den geplanten Dimensionen nur mit einem Riesenheer an billigen Arbeitskräften zu realisieren gewesen wäre  – Arbeitskräfte, die aus den osteuropäischen Nationen rekrutiert worden wären, denen die Nationalsozialisten den Status von Helotenvölkern zugedacht hatten. Symptomatisch ist ein Vermerk aus der Reichskanzlei unmittelbar nach dem siegreichen »Westfeldzug«, in dem es unter Anspielung auch auf die wohnungs­baupolitischen Pläne der DAF hieß, »dass im künftigen Friedensvertrag die besiegten Länder Baumaschinen, Baumaterial und auch Bauarbeiter zu stellen hätten«. Auf diese Weise hoffte man, den immer gravierenderen Arbeitskräftemangel zu beheben. Denn dieser sei dadurch entstanden, »dass die Fortführung der großen Bauten des Führers und eine gleich­zeitige großzügige Regelung des Wohnungsbauprogramms gleichzeitig und nebeneinander aus

81 Ebd., S. 2 [H.i.O.]. Zur Unzufriedenheit reichsdeutscher Beamter der Besatzungsverwaltung, die sich im Osten des »Großdeutschen Reiches« sowie im Generalgouvernement in primitive Wohnverhältnisse einfinden mussten, vgl. Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung, S. 187. 82 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), ebd. 83 Hans Wagner, Noch mehr Wohnungsbau-Normen und -Typen. Erläuterung zur Übergangsregelung, in: Bauwelt 20/1941, S. 1, nach: Kähler, Neues Bauen, S. 437.

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Mangel an Menschen, Material und Maschinen« bei Beschränkung nur auf die reichsdeutschen Ressourcen »nicht möglich« sei.84 Von der Fiktion, seine wohnungsbaupolitische Visionen durch eine rücksichtslose Ausbeutung von Helotenvölkern verwirklichen zu können, wollte ­Robert Ley nicht einmal im letzten Kriegsjahr abgehen. Noch Mitte Februar 1945 erklärte er: »Ausgehend von den heutigen Beschäftigten von 30 Millionen Menschen, von denen 10 Millionen ausländische Arbeiter sind, wird man für den Wohnungsbau nach dem Kriege von vorn­herein mit diesen 10 Millionen ausländischen Arbeitern und unter Umständen noch mit 10 Millionen weiteren rechnen können, so dass […] mit etwa 20 Millionen ausländischer Arbeiter unter Führung von etwa 2 Millionen deutscher Facharbeiter der gesamte Wohnungsbau geleistet werden« könne.85 Dieses Zitat  – ein Indiz für den völligen Realitätsverlust führender Nationalsozialisten selbst in den letzten Kriegsmonaten – illustriert, in welch menschenverachtender wie irrwitziger Weise der »soziale Wohnungsbau« Leys und seiner DAF rassistisch grundiert war und auf der Ausbeutung eines versklavten Millionenheeres vor allem osteuropäischer Arbeitskräfte basieren sollte. Ein Kampfbegriff war der »soziale Wohnungsbau« für die Arbeitsfront schließlich deshalb, weil sich mit ihm der massive Ausbau des Baukonzerns der DAF legitimieren ließ. Auch dazu äußerte sich Heinrich Simon in seinem zitierten programmatischen Aufsatz über den »Deutschen Wohnungsbau nach dem Kriege« von Anfang Januar 1941. Was die Gesellschaften der Neuen Heimat mit ihrer »klaren, regionalen, der Organisationsform der Partei entsprechenden« Abgrenzung »systematisch« begonnen hätten, müsse »zum Grundsatz der gesamten gemeinnützigen Wohnungs­wirtschaft erhoben werden«. Aus der Avantgarde-Rolle, die Simon den Neue Heimat-Gesellschaf­ten zuschrieb, erwuchsen wirtschaftspolitische Führungsansprüche. Aus dem »ungeordneten Haufen« an zahllosen Wohnungsbaugesellschaften und Bauträgern müsse eine über­sichtlich geordnete, kartell­artig aufgebaute Branche entstehen: »Entsprechend dem Organisationsprinzip der Partei müssen die Wohnungsunternehmen so zu Wohneinheiten zusammengefasst werden, dass in jedem politischen Gau eine zentrale Hauptgesellschaft und in Abhängigkeit von dieser in jedem politischen Kreis eine Kreisgesellschaft entsteht.«86 Die Neue Heimat sollte hierbei innerhalb des »Gaues« zum Kern werden, um den sich jeweils weitere Bauträger und Wohnungsbaugesellschaften gleichsam anlagerten. Folglich plante die Führung der Arbeitsfront, namentlich der für den gesamten Wohnungsbaukomplex 84 Vermerk aus der Parteikanzlei vom 16. Aug. 1940, nach: Recker, »Stadt des KdF-­ Wagens«, S. 77. 85 Ley in einer Besprechung des RWoK am 14. Februar 1945, nach: Aktenvermerk Neupert vom 15. Febr. 1945, in: BA Berlin, R 4002, Nr. 102, Bl. 120-124, hier: Bl. 122. Im Wortlaut in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 332-334. 86 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 7 [H. i. O.]

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verantwortliche Heinrich Simon, den systematischen Ausbau der Neue HeimatRegionalge­sellschaften. Die ersten Stilllegungs- und Auskämm-Aktionen des NS-Regimes ab Ende 1941 veranlassten Hans Strauch als Leiter des Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF unter dem Gesichtspunkt der Rationalisierung  – sowie einer möglichen Freisetzung von Arbeitskräften aus Kleinbetrieben für die Front –, die Forderung nach einer Ressourcenkonzentration auf wenige große Bauunternehmen deutlicher zu formulieren. In einem Anfang Februar 1942 publizierten Aufsatz erklärte Strauch apodiktisch, »dass der neue deutsche Wohnungsbau mit seiner Typisierung und seinen mechanisierten Baumethoden eine allzu starke Übersetzung der Trägergesellschaften schon aus organisatorischen Gründen verbietet«. Neugründungen von Wohnungsbaugesellschaften seien auf Ausnahmefälle zu beschränken, die »Notwendigkeit der Starkmachung der überörtlichen Gesellschaften« dagegen »zwangsläufig«.87 Noch unmissverständlicher verlangte der Leiter des DAF-Fachamtes »Das Deutsche Handwerk« Hans Sehnert 1941 die »Ausmerzung der Zwerg­wirtschaft« und ein Überleben nur der »nach modernsten Gesichtspunkten ausgerüstet[en] und aufgebaut[en] Woh­ nungsbaubetriebe«.88 Die Forderungen jener beiden hohen DAF-Funktionäre sind nicht als Plädoyers für eine Monopolisierung des zivilen Wohnungsbaues durch die DAF-Bauunternehmen misszuverstehen. Sehnert führte ausdrücklich das Kriterium der »Rentabilität« ins Feld. Er machte damit deutlich, dass hinter seinem Statement neben der kriegswirtschaftlich grundierten Suche nach Synergie­effekten (Einsparung von personellen und materiellen Ressourcen) außerdem das schlichte betriebswirtschaftliche Kalkül stand, dass die notwendigen umfänglichen fixen Kosten für moderne Baufahrzeuge und -maschinen sowie weitere technische Rationalisierungsmaßnahmen nur von Großunternehmen mit einer entsprechenden Kapitaldecke (und Kreditwürdigkeit) aufgebracht werden könnten. Es handelte sich mithin um ein Plädoyer für ›Modernisierung‹, relativ unabhängig von politisch-ideologischen Vorzeichen. Dass Strauchs und mehr noch Simons Überlegungen dennoch Ängste in der Privatwirtschaft weckten und außerdem die Kontrahenten der Arbeitsfront auf den Plan riefen, vor allem das Reichsarbeitsministerium sowie die nicht in DAF-Besitz befindlichen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, lag angesichts der engen Verknüpfung der DAF-Bauunternehmen und -Wohnungs­ 87 Hans Strauch, Der Einsatz der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen im sozialen Wohnungsbau, in: Der soziale Wohnungsbau in Deutschland, 2/1942 (1. Febr.), Heft 5, S. 67-70, Zitat: S. 69, zitiert nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 233. 88 Nach: ebd., S. 37. Sehnert (1906-?), ursprünglich selbständiger Bürstenmachermeister, leitete bis 1945 die NSDAP-Ortsgruppe Halle a.S. und fungierte außerdem als Landeshandwerksmeister sowie als Präsident der Landeshandwerkskammer des Bezirks Sachsen. Ley berief ihn Mitte 1938 zum Leiter des gen. Fachamtes, im Herbst 1941 außerdem zum Leiter der »Sozial-Gewerke des Deutschen Handwerks« sowie des DAF-Amtes »für Sozialgestaltung in Handwerk und Handel«.

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gesellschaften mit dem Reichskommissariat für »sozialen Wohnungsbau« sowie dem riesigen politischen Apparat der NS-Massenorganisation auf der Hand. Sie fürchteten, dass die Führung der Arbeitsfront »den Wohnungsbauunternehmen der DAF allmählich eine Monopolstellung auf dem Gebiete des Wohnungsbaus zu verschaffen« versuche.89 Zwar betonten Simon und andere, die Neue Heimat sowie die Deubau und andere reichsweit tätige Hochbauunternehmen der Arbeitsfront sollten keineswegs zum alleinigen »Träger des kommenden deutschen Wohnungsbaues« werden. Auch langfristig sei nicht beabsichtigt, ein Monopol zu errichten; denn es sei »des Führers ausdrücklicher Wunsch, dass die Privat­ initiative, wo immer nur möglich, an diesem großen sozialen Bauwerk mitbeteiligt wird«.90 Die DAF-Unternehmen sollten anderen nur als Vorbild dienen sowie in koordinierender Funktion tätig werden. Das Misstrauen von Rivalen und höchsten Funktionsträgern des NS-Regimes, denen die »Privatinitiative« am Herzen lag, konnte die DAF-Führung damit jedoch nicht zerstreuen, zumal Erlasse Leys die Hegemonie großer Wohnungsbauunternehmen in der Branche weiter zu stärken suchten.91 Noch zwei Monate vor seinem Tod warnte der Generalbevollmächtigte für die Bauwirtschaft und Reichsminister für Bewaffnung und Munition Fritz Todt vor der Entwicklung der Bauunternehmen der Arbeitsfront zu »konzernähnlichen Produktionsstätten«.92 Und auch Speer und Bormann vermuteten, dass Ley mit den Baugesellschaften der Arbeitsfront eine Art Monopol für den Wohnungsbau anstrebte.93 89 Vgl. z. B. Aufzeichnung betr. »Einschaltung der DAF auf dem Gebiete des gemeinnützigen Wohnungsbaues«, Anlage zu einem Vermerk für Seldte vom 9. Sept. 1940, S. 6, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 1007, Bl. 80-89 Rs., Zitat: Bl. 85. Ähnlich auch z. B. Tätigkeitsbericht des Gauamtes für Kommunalpolitik Magdeburg-Anhalt für Dez. 1940, in: BA Berlin, R 25, Nr. 1110, Bl. 158. 90 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 6. 91 Bereits das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vom 21. Febr. 1940 (RGBl. 1940, I, S. 438) hatte »Bedürfnisprüfungen« eingeführt, die die »Verschmelzung« kleiner, kaum rationalisierter und wenig leistungsfähiger Baubetriebe mit großen Unternehmen ermöglichen sollten. Mit einem Erlass vom 14. Nov. 1940 forcierte Ley diese »Verschmelzungen«, indem er die Vorlage gauweiter »Verschmelzungspläne« verlangte. Dass sich derartige Verfügungen angesichts der Dominanz von DAF-Funktionären in den regionalen und lokalen Apparaten des RKSW zur Eingliederung kleiner, handwerklicher Unternehmen in den DAF-Baukonzern nutzen ließen, liegt auf der Hand. Vgl. Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 65-68. Zu den Resultaten der »Ver­schmelzungs«-Aktionen vgl. Heinzgeorg Stöcker, Die Entwicklungsphase der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft unter dem Einfluß der Unternehmungsformen, Köln 1976, S. 193 f. 92 Todt an Bormann vom 13. Dez. 1941, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 253, Bl. 176 f. Vgl. auch Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 239 f. 93 In einem Schreiben an Bormann vom 13. Dez. 1941 vermutete Speer, dass Ley »den Wohnungsbau weitgehend selbst bzw. durch die Deutsche Arbeitsfront durchführen möchte«, eine Vermutung, die Bormann teilte, denn er notierte am Rand ausdrücklich: »Ja«. In: BA Berlin, NS 6, Nr. 251, Bl. 116-119, hier: Bl. 118. Abgedruckt in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 320 f.

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7.4. Auf dem Weg zum marktbeherrschenden Baukonzern – Neugründung und Tätigkeitsfelder reichsweit aktiver Unternehmen (ab 1941) Es waren freilich weniger die eigentlichen Wohnungsunternehmen, also die bis Ende 1943 auf 43 Hauptgesellschaften (Neue Heimat und GEHAG) und 14 Tochterunternehmen angewachsenen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaften der DAF, die derartige Befürchtungen weckten, als vielmehr die Deutsche Bau AG (Deubau) sowie die »Bauhilfe der DAF für den sozialen Wohnungsbau eGmbH« als die Dachorganisation der Produktions- bzw. Baune­benbetriebe der Arbeitsfront. Aufgrund der expansiven Tätigkeit der als Neue Heimat firmierenden DAF-Woh­nungsge­sell­schaf­ten gehörte die Deubau »schon heute zu den größten deutschen Baufirmen«, wie es in der »Deutschen Allgemeinen-Zeitung« vom 3. Oktober 1941 hieß. Noch bedeutender war die Bauhilfe. Es waren vor allem diese beiden Gesellschaften, die Speer, Bormann, Todt und andere fürchten ließen, dass die Arbeitsfront, die unter dem Dach der beiden Gesellschaften ab Anfang 1941 in rascher Folge Tochterunternehmen ins Leben rief, langfristig einen übermächtigen, vertikalen Konzern aufbauen wollte, der die privatwirtschaftliche Konkurrenten zu erdrücken drohte. Hinzu trat die unübersehbare Verknüpfung von politischen Kompetenzen und ökonomischen Interessen. Die Gründung der Bauhilfe und ebenso der Deubau resultierte aus Überlegungen, die in der neuen Behörde des RKSW unmittelbar nach deren Gründung entstanden waren. Beide Dachgesellschaften zielten auf die Gründung von regionalen »Gaueinsatzgesellschaften« für die »Beschaffung von Material, Geld, Menschen, Maschinen«.94 Ähnliches hatte Heinrich Simon in seinem bereits mehrfach zitierten programmatischen Artikel vom 1. Januar 1941 gefordert.95 Wenig später wurden die Bauhilfe und die Deubau ins Leben gerufen. Sie sind hier ebenso wie einige weitere Unternehmen vorzustellen, die die DAF zum Kern ihres Baukonzerns machen wollte. Die Bauhilfe Die im April 1941 gegründete, am 24. Mai 1941 ins Handelsregister eingetragene und von Hans Schönbein96 geführte Bauhilfe war von vornherein als Groß­ unternehmen mit einem flächendeckenden Netz an Niederlassungen konzi94 Vermerk vom 1. Febr. 1941 über eine Sitzung vom 29. Jan. 1941, in: BA Berlin, NS 25, Nr. Nr. 1110, Bl. 174 ff. Vgl. auch Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 243. 95 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 12. 96 Schönbein (1896-?) war seit 1929 in Frankfurt a. M. zunächst als selbständiger Architekt tätig, dann von 1934 bis 1945 als Baustadtrat. Seit 1939  fungierte er als Vorstandsvorsitzender der Neuen Heimat Hessen-Nassau sowie außerdem als Geschäftsführer der Neue Heimat-Gesell­schaften in Mainfranken, Franken und Bayerische Ostmark. Daneben saß er im Aufsichtsrat zahlreicher weiterer Neue Heimat-Unternehmen. Seit Herbst 1941 stand Schönbein der Abt. C (»Rationalisierung des

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piert.97 In den regionalen Bauhöfen sollten der gleichfalls regional gegliederten Deubau, deren Tochterunternehmen sowie weiteren Baugesellschaften Werkzeuge, moderne Geräte und Maschinen sowie genügend Baustoffe und sonstige Baumaterialien zur Verfügung gestellt werden. Diese Funktionen, die die DAF und der RKSW der Bauhilfe zudachten, insbesondere deren Tätigkeit »für den sozia­len Wohnungsbau als Großhändler«, riefen umgehend den Protest des Baugroßhandels und der einschlägigen Wirtschaftsorganisationen hervor. Die Unter­abteilung Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel der Wirtschaftskammer Thüringen, und vermutlich nicht nur sie, machte »die größten Bedenken geltend«. Abgesehen von der Konkurrenz, die der Thüringer Bauhof für die »über 100 Baustoffhandlungen und die annähernd 100 leistungsfähigen Holzhandlungen« sowie die »40 Firmen« für »sanitären Installationsbedarf« darstellte, verschärfte die offene Anwerbung von kaufmännischen Angestellten und technischen Fachkräften sowie Hilfsarbeitern die ohnehin angespannte Situation auf den Arbeitsmärkten zusätzlich. Die beim Reichsverkehrsministerium beantragte »Bereitstellung von 2.000 Lastkraftwagen« ging angesichts der ohnehin langen Lieferfristen für LKW gleichfalls auf Kosten der Konkurrenz und beeinträchtigte zudem die Produktion von Militärlastwagen.98 Auch der Reichswirtschafts­minister99 sowie der Reichsminister für Bewaffnung und Munition befürchteten, dass sich die Bauhilfe der DAF »einen gewaltigen Fuhrpark zulegt. In den eigenen Reparaturwerkstätten werden dann nicht nur Geräte repariert, sondern es werden auch neue gebaut. Die Werkstätten sind dann zu klein, es werden Fabriken erworben, und schliesslich weiß man nicht mehr genau, ob die Arbeitsfront eine soziale Betreuerorganisation ist oder ein Konzern, der Küchenherde, Badewannen, Betonmaschinen und Baugeräte fabriziert.«100 Die Verhandlungen zwischen Ley und seiner Behörde sowie der DAF auf der einen und dem Reichswirtschaftsministerium sowie der Reichswirtschaftskammer und den Reichsgruppen auf der anderen Seite über Größe und Befugnisse 97

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Bauvorgangs«) der Deutschen Akademie für Wohnungswesen vor. Zu dieser Akademie vgl. auch unten. Das Stammkapital der Bauhilfe lag zunächst bei 10 Mio. RM und wurde schon wenig später auf 13 Mio. RM aufgestockt (ohne Tochtergesellschaften), eine für Unternehmen der Baubranche sehr hohe Summe. Hierzu sowie zum Folgenden: Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF (ZfF)/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33 bzw. ThHStA Weimar, Thüringisches Wirtschaftsministerium (TWM), Nr. 4326, Bl. 16-77, hier: Bl. 32-44. Vgl. außerdem Fleischhauer, NS-Gau Thüringen, bes. S. 240-243; ferner Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 239, bzw. Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 29. Zitate: Unterabteilung Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel der Wirtschaftskammer Thüringen an Fritz Sauckel (in seiner Funktion als NSDAP-Gauleiter und Reichsstatt­ halter) vom 24. Nov. 1941, in: ThHStA Weimar, TWM, Nr. 4326, Bl. 3-8. Zu Funk vgl. Vermerk des Thüringischen Wirtschaftsministeriums vom 25. Febr. 1942, in: ebd., Bl. 11 f. Todt an Bormann vom 13. Dez. 1941 (Anm. 92).

auf dem weg zum marktbeherrschenden baukonzern

der Bauhilfe und ihrer Bauhöfe zogen sich bis Anfang 1942 hin. Im Vergleich zu ihren ursprünglichen Plänen musste das DAF-Unternehmen einiges abspecken. Geplant waren etwa vierzig Bauhöfe. Errichtet wurden zunächst 16 dieser Materiallager und Verleih-Stationen für Baumaschinen und -werkzeuge. Nicht nur deren Zahl blieb hinter den ursprünglichen Absichten zurück, auch deren Ausbau wurde »angesichts der gegenwärtigen Arbeitseinsatzlage« gebremst.101 Zudem erhielt die Bauhilfe einen »Beirat«, in dem – ähnlich wie der Aufsichtsrat des Deutschen Gemeinschaftswerks – die Kontrahenten Leys und der DAF repräsentiert waren. Vor allem die Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums sowie der Reichsgruppe Handel und der Fachgruppe »Baustoffhandel« dürften eher als scharfe Aufpasser denn als wohlwollende Unterstützer der Bauhilfe aufgetreten sein.102 Die Hoffnung, dass die DAF von ihren »riesigen Plänen« Abstand nehmen würde und die Bauhilfe »zunächst wohl keine praktische Bedeutung erlangen« würde,103 erwies sich dennoch als trügerisch. Anfang 1942 ging das Gerücht um, dass »die ›Bauhilfe‹ erwägt, ob sie eine Reichsstelle oder Reichsvereinigung in der Art der Reichsvereinigung Kohle einrichten solle«,104 also eher wie ein Kartell und branchenweites Koordinationsorgan nach dem für die Kohleförderung und -ver­arbeitung 1941 geschaffenen Vorbild fungieren solle. Dieser Plan wurde jedoch schnell fallengelassen – und die Bauhilfe als Dachunternehmen der DAFBaubetriebe sowie weiterer Bauunternehmen ausgebaut. Die Bauhilfe wurde dabei sowohl als eigenständiges Unternehmen für die Herstellung von Baurohstoffen bzw. halbfertigen Teilen als auch als Großhändler tätig. Eine Dachgesellschaft war sie außerdem insofern, als sie sich im Lauf der Zeit eine Reihe von Tochterunternehmen angliederte. Auf erneuten Expansionskurs gelangte die Bauhilfe ausgerechnet durch die Ausweitung der alliierten Flächenbombardements. Noch bevor Ley das Deutsche Wohnungshilfswerk (auf das gesondert einzugehen ist) förmlich aus der Taufe hob und neben anderen Unternehmen auch die Bauhilfe mit der Errichtung von Behelfsheimen beschäftigte, beauftragte der Chef der Arbeitsfront noch in seiner Funktion als RKSW Anfang September 1942 die Bauhilfe mit der »Errichtung von Ersatzwohnungen für Bombengeschädigte«. Dem folgte keine zwei Wochen später eine von Ley gemeinsam mit Speer herausgegebene An­ 101 Vgl. Bericht des Leiters der Fachgruppe Eisen- und Metallwaren der Wirtschaftsgruppe Groß- und Außenhandel während der Beiratssitzung vom 26. Jan. 1942, in: ThHStA Weimar, TWM, Nr. 4326, Bl. 13. 102 Vertreten waren an Institutionen außerdem der Generalbevollmächtigte für die Regelung der Bauwirtschaft, das Ministerium Speer sowie die DAF und ein Vorstandsmitglied der Bauhilfe. Vgl. Landesvertretung Thüringen in Berlin an den Thür. Wirtschaftsminister vom 25. März 1942, in: ebd., Bl. 14 f. 103 Bericht des Leiters der Fachgruppe »Eisen- und Metallwaren« vom 26. Jan. 1942 (Anm. 101). 104 Landesvertretung Thüringen an den Thür. Wirtschaftsminister vom 25. März 1942 (Anm. 102).

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ordnung gleichen Inhalts, am 23. Oktober 1942 die Ernennung Leys zum Reichswohnungskommissar (RWoK) sowie am 15. November 1942 ein Führer-Erlass, der Ley mit dem Bau von Behelfsunterkünften beauftragte (und das Deutsche Wohnungshilfswerk, auf das unten gesondert eingegangen wird, in den Grundzügen bereits vorwegnahm). Am 26. November 1942 schloss Ley in seiner Rolle als Reichswohnungskommissar vor diesem Hintergrund mit der Bauhilfe einen »Vertrag« ab, nach dem die Errichtung von Bauhöfen »in den einzelnen Gauen« verbindlich vorgeschrieben und diese mit der »Bereitstellung aller für die Durchführung [des Wohnungshilfswerkes] erforderlichen Ein­richtungen wie Geräte, Baumaschinen, Werkzeuge, Last- und Personenwagen nebst Treibstoffen, Fahrern usw.«, der »Beschaffung und ggf. Lagerung aller notwendigen Baustoffe, Bauteile und sonstigen Baumaterialien« sowie der »Bereitstellung von Bauarbeiterkolonnen (in- und ausländische Arbeitskräfte) sowie der Unterbringung und Betreuung« dieser Arbeitskräfte beauftragt wurde. Infolgedessen wurde die Zahl der Bauhöfe bis Frühjahr 1944 auf schließlich 33 gegenüber 1941 verdoppelt.105 Zudem wurden die einzelnen Bauhöfe massiv ausgebaut  – sofern es den Verantwortlichen der Niederlassungen der Bauhilfe gelang, die notwendigen materiellen und personellen Ressourcen zu mobilisieren. Die Angaben zur Belegschaftsgröße bieten hier Anhaltspunkte. Das rechtliche Instrumentarium für eine letztlich unbegrenzte Erweiterung der Bauhof-Belegschaften hatte Sauckel bereits Anfang September 1942 in seiner Funktion als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz der Bauhilfe bereitgestellt, indem er dem DAF-Unternehmen gestattete, »geeignete leitende Kräfte, Techniker und Bankkaufleute aus der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft« zur Not auch »unverzüglich« über die Arbeitsämter dienstverpflichten zu können.106 Obwohl es ab 1942/43 kaum mehr möglich war, deutsche Arbeitskräfte zu rekrutieren, wiesen die Zweigniederlassungen der Bauhilfe teilweise hohe Belegschaftszahlen aus. Der Bauhof für den »Gau Düsseldorf« beispielsweise, der im ersten Jahr nach seiner Gründung Mitte September 1942 etwa vierhundert Ostarbeiter beschäftigt hatte,107 verfügte Ende Februar 1944 insgesamt über knapp 105 Zur Anordnung Leys vom Anfang Sept. 1942 vgl. Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 7. Sept. 1942, in: ThHStA Weimar, TWM, Nr. 4326, Bl. 15 f. Zur Anordnung Leys und Speers vom 17. Sept. 1942 vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 37. Zur Gründung eines Bauhofs in der Folge dieser Vereinbarungen vgl. Rafael R. Leissa/Joachim Schröder, Zwangsarbeit in Düsseldorf. Struktur, Organisation und Alltag im Arbeitseinsatz von Ausländern im nationalsozialistischen Düsseldorf, in: Clemens v. Looz-Corswarem/ Rafael R. Leissa/Joachim Schröder, Zwangsarbeit in Düsseldorf. »Ausländereinsatz« während des Zweiten Weltkrieges in einer rheinischen Großstadt, Essen 2002, S. 19362, hier: S. 90 f. 106 Vgl. Anordnung des GBA an die Präsidenten der Landesarbeitsämter vom 7. Sept. 1942 (Anm. 105). 107 Vgl. Leissa/Schröder, Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 90. Untergebracht wurden diese »Ostarbeiter« in einem Lager mit elf Holzbaracken, das die Stadt Düsseldorf in Kooperation mit dem DAF-AfA errichtet hatte.

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1.200 Angestellte und Arbeiter. Andere Bauhöfe in bombengefährdeten Gebieten mit einer Konzentration an kriegswichtigen Betrieben waren nur wenig kleiner. In Regionen dagegen, die kaum von Luftangriffen bedroht waren, blieben die Bauhöfe bescheidener dimensioniert; der für München-Ober­bayern beispielsweise beschäftigte lediglich vierhundert Arbeitskräfte. Insgesamt zählte die Bauhilfe ein gutes Jahr vor dem Ende der Hitler-Diktatur knapp 13.000 Arbeitnehmer, die meisten von ihnen (88,1 %) »Ostarbeiter«.108 Sie waren eine Art ›Leiharbeiter‹, die – vergleichbar der sehr viel größeren Organisation Todt – für konkrete Bauprojekte, insbesondere für den Behelfswohnungsbau für ausgebombte deutsche »Volksgenossen«, eingesetzt und auch an andere Bauträger ausgeliehen wurden. Im letzten Kriegsjahr scheinen überdies KZ-Häftlinge, außerdem italienische, mög­ licherweise auch französische Militärinternierte, eingesetzt worden zu sein, ferner schließlich Angehörige aus der deutschen Bevölkerung, die als »arbeitsunfähig« schon lange aus dem Erwerbsleben ausgeschieden waren.109 Die Bauhilfe beschränkte sich nicht auf den Ausbau ihrer Bauhöfe, deren Bedeutung sie mit eindrucksvollen Zahlen zu Produktion und Transportleistungen zu unterstreichen versuchte.110 Da­neben gründete bzw. erwarb das DAF-Unternehmen bis Ende 1943 fünf große Baustoff- und Betonunternehmen, die ihrer108 Vgl. den nach einzelnen Bauhöfen und je nach Belegschaftsgruppe aufgeschlüsselten Bericht der Bauhilfe eGmbH vom 29. Febr. 1944 über den Stand zum 31. Jan. 1944, in: BA Berlin, R 4002, Nr. 139, Bl. 1-111. Fünf größere »Arbeitslager der Bauhilfe der DAF« in Melsungen (für 60 bis 70 Personen, vom Aug. 1943 bis März 1945), in Oberhausen (für 140 Personen), in Bochum (50 Personen), in Duisburg (300 Personen), Düsseldorf (50 Personen) und Wuppertal (140 Personen; alle: 1944/45) sind im »Catalogue of Camps and Prisons in Germany and German-Occupied Territories 1939-1945« verzeichnet, hier nach: Martin Weinmann (Hg.), Das nationalsozialis­tische Lagersystem (CCP), 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1998, S. 158, 415. Die Listen des CCP sind unvollständig. Allein in Düsseldorf existierten statt des im CCP verzeichneten einen Lagers ab 1943 mindestens drei Fremdarbeiter-Lager. Vgl. Klaudia Wehofen, Nachweis der Lager, Haftstätten und Wohnplätze ausländischer Arbeiterinnen und Arbeiter in Düsseldorf, in: LoozCorswarem/Leissa/Schröder (Hg.), Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 543-633, hier: S. 551, 591, 597. Über die konkreten Aktivitäten der Bauhilfe eGmbH und ihre Einbindung in das NS-Gefüge finden sich in den einschlägigen Regionalstudien nur selten Hinweise. Vgl. neben Leissa/Schröder (Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 90 ff.) Silke Raab, Zwangsarbeit in der Stadt Aachen. Ausländereinsatz in einer westdeutschen Grenzstadt während des Zweiten Weltkrieges, Aachen 2002, S. 64; ferner Kapitel 9, S. 538 f. 109 Anke Schulz spricht in diesem Zusammenhang von »unmenschlich, grausamen Bedingungen«, unter denen in Hamburg Militärinternierte offenbar von einem Subunternehmen der DAF-Bauhilfe eingesetzt wurden. Vgl. Anke Schulz, Zwangsarbeiterlager und Konzentrationslager in Lurup, Eidelstedt und Stellingen (am 26. Febr. 2010 aufgerufen unter: ‹http://www.geschichtswerkstatt.lurup.de/zwangsarbeiterlager. htm›.) Vgl. ferner Hans Ellger, Zwangsarbeit und weibliche Überlebensstrategien. Die Geschichte der Frauenaußenlager des Konzentrationslagers Neuengamme 1944/45, Berlin 2004, S. 175. 110 So wurden bis Ende 1943 durch die Bauhilfe 30 Mio. Ziegelsteine, 40.000 cbm Kies, 8,6 Mio. kg. Zement, 155 t Eisen usw. produziert und jeweils an Ort und Stelle transportiert. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 44.

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seits über jeweils mehrere Werke verfügten. Es waren dies die »Baustoffwerke GmbH«, der eine Kalksandsteinfabrik in Hartmannsdorf und mehrere Ziegeleien in Mecklenburg gehörten,111 die »Linzer Kies-, Mörtel- und Betonwerke GmbH« mit gleichfalls mehreren Werken, die »Betonwerke Oberdonau GmbH« gleichfalls mit Sitz in Linz,112 die »Kärntner Ziegelwerke Völkermarkt GmbH« sowie die Mitte Dezember 1942 gegründete »Montadom Bauplatten und Montagehaus GmbH«, Kattowitz. Zum letztgenannten Unternehmen gehörten drei Werke, die Dachpappen und verwandte Baustoffe sowie Betonfertigteile herstellten.113 Ein weiteres Unternehmen im Besitz der Bauhilfe, die »Baustoffwerke Teupitz GmbH«, stellte Betonfertigteile für Massivbaracken sowie Splitterschutzgräben und Glastüren her. Es tat dies zu einem Großteil im Auftrag des Generalbevollmächtigten für die Bauwirtschaft bzw. des Generalbauinspekteurs für die Reichshauptstadt. Daraus lässt sich schließen, dass die Kooperation zwischen dem Bauimperium Speers und dem Leys anfänglicher Vorbehalte zum Trotz auf der praktischen Ebene schließlich recht eng war. Zu Kooperationen kam es ab 1942 schließlich mit den Deutschen Erd- und Steinwerken (DESt) der SS.114 111 Nämlich die Ziegeleien Finkenwerder und Grabow, beide wurden ab 1943 kriegsbedingt stillgelegt. Darüber hinaus war sie an drei weiteren mecklenburgischen Ziegeleien maßgeblich beteiligt (in Teterow, Woldeck und Goldberg). Diese und die folgenden Angaben nach: ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 40-43. Zur Kärntner Ziegelwerke Völkermarkt GmbH vgl. außerdem: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 51. Mit dem Aufkauf bzw. der Errichtung all dieser Werke setzte sich die Bauhilfe über ursprüngliche Absprachen zwischen Ley und Todt hinweg. Vgl. Franz Wilhelm Seidler, Fritz Todt, München 1986, S. 346 f. 112 Dieses Unternehmen firmierte 1943 als »im Aufbau befindlich« und wurde Ende diesen Jahres »vorübergehend stillgelegt«. Beabsichtigt war allerdings, ab Anfang 1944 »in dem Werk Betonfertigteile nach dem System Speer« herzustellen. Ob es dazu kam, geht aus den vorhandenen Unterlagen nicht hervor. 113 Die »Montadom Bauplatten und Montagehaus GmbH« gehörte lediglich zur Hälfte der Bauhilfe, die andere Hälfte befand sich in Privatbesitz. Die Kärntner Ziegelwerke Völkermarkt GmbH, die die Bauhilfe am 6. Mai 1940 übernommen hatten und die auf eine Jahresproduktion von 7 Mio. Steinen ausgelegt waren, konnte Ende 1940 nur teilweise den Betrieb aufnehmen. Ende 1943 wurde das Werk »aus kriegsbedingten Gründen« stillgelegt. 114 So band sich die Bauhilfe Anfang Febr. 1942 als Abnehmer von Baumaterialien an die DESt und deren in Prambachkirchen in der Nähe von Linz geplantes Großziegelwerk. Zwar wurde im Herbst 1941 mit der Errichtung dieses Werks begonnen, das mit einer Jahresproduktion von 30 Mio. Ziegeln deutlich größer als die im Besitz der Bauhilfe befindlichen Betriebe gewesen wäre. Es wurde jedoch niemals in Betrieb genommen. Vgl. Bertrand Perz, KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter der Reichswerke »Hermann Göring« in Linz, in: Oliver Rath­kolb (Hg.), NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der Reichswerke »Hermann Göring AG Berlin« 1938-1945, Bd. 1: Zwangsarbeit – Sklavenarbeit: Politik-, sozial- und wirtschaftshistorische Studien, Wien/Köln/Wei­mar 2001, S. 449-590, hier: S. 468 f.; Hermann Kaienburg, Vernichtung durch Arbeit. Der Fall Neuengamme. Die Wirtschaftsbestrebungen der SS und ihre Auswirkungen auf die Existenzbedingungen der KZ-Gefangenen, 2. Aufl., Bonn 1991, S. 113.

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Neben den genannten Tätigkeitsbereichen erschloss sich die Bauhilfe weitere Arbeitsfelder. Vermutlich in Kooperation mit der Arbeitsbank übernahm sie zwecks Kreditsicherstellung Bürgschaften für von der DAF initiierte Bauprojekte. Ferner errichtete und vermietete sie Wohnlager. Auch dies geschah vor allem im Zusammenhang mit Projekten, bei denen Unternehmen der Arbeitsfront als Bauträger fungierten.115 1942/43 vermietete sie zudem Bürobaracken, etwa auf Veranlassung des Kärntner NSDAP-Gauleiters und gleichzeitigen Gauwohnungskommissars.116 Diese Aktivitäten werden in den beiden letzten Kriegsjahren noch erheblich ausgeweitet worden sein. Die Deubau Die Bauhilfe war in erster Linie ein Leasing-Unternehmen sowie ein Baustoffhandel. Die Deutsche Bau AG (Deubau) dagegen war ein Hochbauunternehmen, das im Hochsommer 1936 die Nachfolge des Verbandes Sozialer Baubetriebe (VSB) als der Dachorganisationen der ehemals sozialistischen Bauhütten angetreten hatte, im Unterschied zum VSB die vormaligen Bauproduktivgenossenschaften allerdings zu einem zentralistisch geführten, reichsweit tätigen Bauunternehmen mit bei Kriegsbeginn etwa 8.000 Arbeitern und Angestellten verschmolz. Bereits in den beiden Vorkriegsjahren hatte sich die Deubau auf überregionale oder nur von Großunternehmen zu stemmende Bauträgerschaften zu konzentrieren begonnen. Dazu gehörte neben dem Bau des Deutschen Stadions und des »KdF-Bades der 20.000« in Prora nahe Binz auf Rügen eine ganze Reihe von Projekten für die Teilstreitkräfte, Ordensburgen und Schulungsreinrichtungen für die DAF sowie Aufträge von Industrieunternehmen, die angesichts der begrenzten Kapazitäten der Deubau überwiegend entweder in »Arbeitsgemeinschaften mit anderen Großfirmen« ausgeführt oder durch Beauftragung jeweils örtlicher Bauunternehmen bewältigt wurden.117 Dennoch konnten die »in Ausführung befindlichen Bauten für die Partei und ihre Gliederungen, für die Privatindustrie sowie umfangreiche Wohnungsbauten nur zum Teil fertiggestellt werden. An ihre Stelle traten nach dem Überfall auf Polen zunehmend Bauten der Kriegswirtschaft und der Landesverteidigung, bei denen wir bis zur Leistungsgrenze unserer Leistungsfähigkeit beschäftigt waren«, hieß es im Geschäftsbericht der Deubau für 1939. Grenzen setzten der Leistungsfähigkeit und damit der von der DAF avisierten Unternehmensexpansion vor allem »Schwierigkeiten bei der Verstärkung unserer Gefolgschaft«. Für die Jahre 1941 und 1942 musste die Deubau in der Berliner Zentrale und ebenso ihren Niederlassungen in 17 reichsdeutschen Großstädten dann sogar »eine Verknap115 Im Leistungsbericht für 1943 der ZfF bzw. des AWU (Anm. 97; Bl. 43) werden Wohnlager in 13 Städten, überwiegend in Österreich, genannt, in denen insgesamt 3.250 Arbeitskräfte untergebracht wurden. 116 Bis Ende 1943 wurden Bürobaracken mit insgesamt 352 Büroräumen errichtet. Für 1944 war der Bau von Baracken mit 520 Büroräumen geplant. Vgl. ebd. 117 Vgl. oben, S. 436.

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pung« bzw. Verringerung unserer Gefolgschaftsstärke« und einen »Kräfteabzug durch weitere Einberufungen zur Wehrmacht« hinnehmen, obwohl sie in wachsendem Maße Fremdarbeiter und Kriegsgefangene als Bauarbeiter rekrutierte.118 Infolgedessen ging die Deubau seit 1940/41 mehr noch als bis Kriegsbeginn zur »Schaffung von Leistungs­gemeinschaften« über, d. h. zur Einbeziehung örtlicher Baugesellschaften als Subunternehmen der Deubau. Parallel dazu expandierte die Deubau durch Zukauf lokaler Bauunternehmen sowie Baustoffbetriebe, so etwa 1942 durch den Erwerb eines größeren Saarbrücker Bauunternehmens.119 Die Kernbetriebe der Deubau wurden bereits ab Sommer 1940 und dann verstärkt seit Herbst 1942 in rasch wachsendem Maße für »Bauten der Wehrmacht einschl. Organisation Todt, Reichsbahn öffentl. Hand und rüstungswichtige Industriebetriebe« eingespannt.120 Allein die Organisation Todt (OT), die zunehmend in die Rolle des zentralen Auftraggebers für kriegswichtige Bauten hineinwuchs, vergab an die Deubau nur im Geschäftsjahr 1940/41 Aufträge im Rechnungswert von 19,8 Mio. RM.121 Bereits in diesem Jahr wurde das Volumen der von der OT an die Deubau vergebenen Aufträge lediglich von der Philipp Holzmann AG sowie zwei weiteren großen Bauunternehmen übertroffen.122 In der Folgezeit erhöhte sich das Volumen der Bautätigkeit des DAF-Bauun­ternehmens für die OT sowie für verschiedene Gliederungen der Wehrmacht weiter. Geographischer Schwerpunkt der Bautätigkeit bzw. Baubetreuung kriegswichtiger Projekte durch die Deubau waren die »besetzten West­ gebiete«.123 In der Normandie sowie in Bordeaux errichtete die Deubau in den letzten Kriegsjahren Niederlassungen, die schon bald zu den umsatzstärksten des Unternehmens gehörten.124 Offensichtlich wurde die Deubau zum Nutznießer einer engen Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsfront und der OT. Beide Seiten bauten diese Kooperation zum gegenseitigen Vorteil aus und zurrten sie in der zweiten Kriegshälfte zunehmend enger. So nutzten örtliche und regionale Stellen der Arbeitsfront ihre Möglichkeiten, in größerem Maßstab »Einberufungen von Arbeitskräften 118 119 120 121 122

Geschäftsberichte der Deubau für 1939 bis 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 28. Geschäftsbericht der Deubau für 1942, in: ebd. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 45. Vgl. Pohl, Philipp Holzmann, S. 252. Welche Unternehmen in besonderem Maße von den nach dem sog. Frankreichfeldzug rasch wachsenden Aufträgen der OT profitierten, geht aus einer Aufstellung der OT für 1940/41 hervor. Bevorzugtes Unternehmen war die traditionsreiche (1849 gegründete) Philipp Holzmann AG, die in diesem Zeitraum Aufträge im Wert von 33,6 Mio. RM erhielt. Auch das Auftragsvolumen der Firmen Deidesheimer (21,2 Mio. RM) und Burmeister (20,2 Mio. RM) war etwas größer als das der Deutsche Bau AG, die mit den erwähnten 19,8 Mio. RM freilich knapp dahinter folgte. Danach kamen mit großem Abstand die Unternehmen Berger (11,2 Mio. RM), Wayss & Freytag (10,7 Mio. RM) sowie die Siemens Bau-Union (9,6 Mio. RM). Angaben nach: Pohl, Philipp Holzmann, S. 252. 123 Dies und das Folgende nach: ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 45. 124 Vgl. Betriebsabrechnung Jan. bis einschl. Juni 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56.

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aus Betrieben für den Fronteinsatz der OT. vor[zu]neh­men, ohne dass das bisherige Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß gelöst und das zuständige Arbeitsamt eingeschaltet wird«, wie sich der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel beschwerte.125 Die DAF, der durch Sauckel im Mai 1942 die gesamte »Fremdarbeiterbetreuung« im »Altreich« einschließlich der Lagerverwaltung übertragen worden war, ließ sich dadurch nicht bremsen. Sie akquirierte unter den Fremdarbeitern in ihrer Verfügungsgewalt auch in der Folgezeit Arbeitskräfte für die OT, konsultierte nach der Intervention Sauckels dabei allerdings regelmäßig die diesem unterstellten Arbeitsämter. Im letzten Kriegsjahr gestaltete sich die Kooperation zwischen der OT und der DAF so intensiv, dass Speer und Ley im November 1944 daran dachten, die beiden Organisationen zu fusionieren bzw. die OT in der DAF aufgehen zu lassen.126 Trotz der seit 1940 engen Zusammenarbeit mit der OT ließ sich die Deubau im Unterschied zu den meisten ihrer privaten Konkurrenten allerdings nicht zu einer Art »Untereinheit der OT« (Man­fred Pohl) degradieren. Sie war weiterhin auch für andere Auftraggeber tätig und blieb nicht zuletzt im Wohnungsbau engagiert, wenn auch mit stark abnehmender Tendenz. Der Umsatz, den die Deubau mit Wohnungsbauprojekten machte, schrumpfte bereits 1940 auf 6,6 Mio. RM, d. h. auf ein knappes Fünftel des Gesamtumsatzes. Fast doppelt so hoch wie der Anteil des Wohnungsbaues (18,9 %) war der der Wehrmachts­bauten (32 %) sowie der der Industriebauten (30,3 %) am Gesamtumsatz der Deubau; es folgten Bauten der öffentlichen Hand (7,4 %), Bauten der DAF (7,7 %), der Reichsbahn und Reichsautobahn (3,1 %) sowie »sonstige Bauten« (0,6 %).127 Bis 1943 sank der Umsatz der Deubau im Wohnungsbau auf nur noch 3,7 Mio. RM, ein gutes Zehntel des Gesamtumsatzes. In den letzten beiden Kriegsjahren drehte sich dieser Trend. Die Deutsche Bau AG wurde wieder verstärkt im ›Wohnungsbau‹ im weitesten Sinne des Wortes aktiv, nämlich bei dem vom Reichswohnungskommissar Ley und seinem Stellvertreter Simon im Zusammenhang mit dem »Deutschen Wohnungshilfswerk« ab 1943 initiierten Behelfsheimbau. Der Behelfsheimbau blieb zwar weit hinter den vollmundigen Ankündigungen Leys zurück. Das änderte jedoch nichts daran, dass die Deubau an der massenhaften Fertigung und Errichtung von hölzernen »Finnland-Häu­sern« (wie die Deubau selbst die provisorischen Wohn­baracken nannte) bzw. »Ley-Buden« (wie sie im Volksmund auch bezeichnet wurden) sowie der Produktion von Bausegmenten und Fertigteilen für Werkhallen und Unterkunftsbaracken für Arbeitskräfte im Rahmen einer raschen Behebung von Luftkriegsschäden maßgeblich beteiligt wurde. Beteiligt war die Deubau schließlich ganz offensichtlich am Aufbau bzw. der Erweiterung von Konzentrationslagern sowie der dorthin verlagerten Produktions­ 125 Rundschreiben des GBA vom 1. Okt. 1942, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 294. 126 Vgl. Notizen über die DAF-Amtsleitersitzungen vom 16. und 23. Nov. 1944, in: ebd., Nr. 341; außerdem Speer an Ley vom 11. Nov. 1944, in: ebd., R 3, Nr. 1588, Bl.  204206. 127 Vgl. Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 60), S. 20.

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stätten. Jedenfalls gehörte das DAF-Unternehmen zu den 25 Unternehmen, die an der Errichtung des KZ Auschwitz II (Auschwitz-Birkenau), einschließlich der Massenvernichtungs­anlagen, beteiligt waren.128 Diese neuen Arbeitsfelder und deren hohe Prioritätensetzung ermöglichten es der Deubau, allen Materialengpässen zum Trotz, in der zweiten Kriegshälfte eine ganze Reihe weiterer Betriebe aufzubauen. Ein großes Werk im heutigen Berlin-Spandauer Ortsteil Hakenfelde war seit der Jahreswende 1942/43 »in der Hauptsache mit der Herstellung von Bauteilen zur Beseitigung von Luftschutzschäden« befasst. Ein zweites Werk in Heidewaldburg nahe Königsberg i.Pr. fertigte gleichfalls »Bauteile für Luftschutzeinrichtungen« sowie außerdem »Konstruktionsteile für die Industrie«. Dieses zweite Werk war noch um die Jahreswende 1943/44 »auf Veranlassung des Generalbevollmächtigten für die Bauwirtschaft im Ausbau begriffen«. Ein drittes Werk in Neuss a.Rh. sollte eine »quartalsmäßige Produktion von 3.000 Behelfsheimen liefern« und ging Anfang April 1944 in Betrieb.129 Diese drei und ein vierter Betrieb in Radaunetal bei Danzig sollten Fertigteile für provisorische Industrie- bzw. Wohnbauten auf Basis eines neuen Werkstoffs herstellen, des sog. Stahlsaitenbetons, der gegenüber klassischen »Stahlbetonträgern eine Ersparnis von 85 % bis 90 % Stahl« bringen sollte. Das war angesichts der chronischen Materialengpässe der deutschen Kriegs­wirtschaft hochattraktiv. Außerdem erleichterten die »in Grosserienfabrikation hergestellten Stahl­saitenbetonteile den Übergang zur montagemäßigen Bauart« und ebenso die Demontage, so dass »die Einzelteile für weitere Verwendung wieder zur Verfügung stehen«. Im Endausbau könne in den vier Betrieben »jährlich mit einem Ausstoß von Baracken für etwa 4-500.000 Arbeiter gerechnet« werden. Spezial­ausführungen von Fertigteilen aus Stahlsaitenbeton wurden außerdem für »zahlreiche Bunkerbauten« an der Atlantikküste verwandt, nachdem »günstige Beschussergebnisse, die von den 3 Wehrmachtsteilen mit Kalibern bis zu 38 cm durchgeführt wurden«, deren Tauglichkeit unter Beweis gestellt hatten.130 Pech für die Deubau war, dass das Werk in Neuss ausgebombt wurde und das Danziger Werk nicht fertiggestellt werden konnte, so dass nur 128 Ingo Loose, Die Commerzbank und das Konzentrations- und Vernichtungslager Au­ schwitz-Birkenau, in: Herbst/Weihe (Hg.), Commerzbank, S. 272-309, hier: S. 307. 129 Vermerk für Stobbe-Dethleffsen (Chef des Amtes Bau beim Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft) vom 29. Febr. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. 130 Ebd. sowie Ausführungen Wilhelm Kepplers (in seiner Funktion als Staatssekretär im RWM) anlässlich der Besichtigung der Hoyer-Stahlsaiten­be­ton­werke durch Vertreter der zuständigen Behörden am 11. Febr. 1944, in: ebd. Entgegen den enthusiastischen Ausführungen Kepplers war das Stahlsaitenbeton-Verfahren anscheinend keineswegs ausgereift und führte zu zahlreichen Problemen, etwa bei der Errichtung von Massenunterkünften für Zwangsarbeiter bei VW 1943/44. Vgl. Manfred Grieger, Wolfsburg-»Laagberg«, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel, Der Ort des Terros. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme, München 2007, S. 551-555, hier: S. 551 f.

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die Anlagen in Berlin-Hakenfelde sowie Königsberg-Heidewaldburg tatsächlich in Betrieb ­gingen.131 Darüber hinaus wurden Ende 1943 an vier weiteren Orten (Augsburg, Karlsruhe, Mitteldeutschland, Krakau) Werke der Deubau geplant bzw. mit deren Errichtung bereits begonnen. Überlegungen, in Dnjepropetrowsk ein neuntes Werk für Fertigteile aufzubauen, mussten »kriegsbedingt aufgegeben« werden. Über die eigenen Fabrikationsstätten hinaus wurden im »rheinischen Bims­ gebiet«, d. h. in der Nähe von Hochöfen des Ruhrreviers, sechs Unternehmen reaktiviert, die – auf »Bimsbasis« – Leichtbauplatten herstellen sollten.132 Daneben besaß die Deutsche Bau AG ab 1940 zwei Unternehmen zur Rohstoffbeschaffung, nämlich die Deutsche Natursteinwerke GmbH mit einem vergleichsweise hohen Stammkapital von 1,25 Mio. RM, ab 1942 2 Mio. RM, sowie die kleineren »Bühlentaler Granitwerke Ernst Contini GmbH« (mit einem Grundkapital von 65.000 RM Ende 1943). Beide Unternehmen besaßen mehrere Steinbrüche. Die Deutschen Natursteinwerke wiederum verleibten sich ihrerseits andere kleine Unternehmen ein, so 1941 die Firma Rupp & Moeller, einen 1875 gegründeten Karlsruher Grabmalhersteller.133 Im Rahmen der Deubau waren die beiden Natursteinunternehmen eigentlich »für einen Grosseinsatz in der Steinbearbeitung für Friedensaufgaben gedacht und sollten dementsprechend ausgebaut werden«. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion mussten diese Pläne fallengelassen werden. Die Belegschaft der Deutschen Natursteinwerke GmbH lag Ende 1943 bei 135 Arbeitern und Angestellten. Ein Teil von ihnen hatte »Steine für Zwecke zu Landesverteidigung zu bearbeiten«, ein anderer war »im Osten im Spezialeinsatz«. Angaben darüber, wie groß die Belegschaften der anderen, hier genannten Werke waren, liegen nicht vor. Die Angaben in Tabelle  5.4 umfassen nur die Deubau mitsamt ihren Niederlassungen, nicht dagegen die vor allem in der zweiten Kriegshälfte immer zahlreicheren Tochtergesellschaften. Insgesamt dürfte die Zahl der Arbeiter und Angestellten, die dem Gesamtkomplex der Deubau zuzurechnen waren, 1944 zwischen 12.000 und 20.000 gelegen haben; die übergroße Mehrheit unter ihnen waren Fremdarbeiter.134

131 Vgl. Vorstand der Deubau an W. Keppler vom 27. Okt. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. 132 Vgl. hierzu sowie zum Folgenden ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl.  45 f. 133 Vgl. Anett Beckmann, Mentalitätsgeschichtliche und ästhetische Untersuchungen der Grabmalplastik des Karlsruher Hauptfriedhofes, Karlsruhe 2006, S. 142 f. 134 Vgl. auch Kapitel 9, S. 538 f. Über die Fremdarbeiterlager der Deubau ist kaum etwas bekannt. Ein kleineres Lager unterhielt sie etwa in Düsseldorf (für 50 Arbeitskräfte), in Neuss sowie in Hamburg. Vgl. Weinmann, Lagersystem, S. 415; Friederike Littmann, Ausländische Zwangsarbeiter in der Hamburger Kriegswirtschaft 1939-1945, Hamburg/München 2006, S. 206; Andrea Niewerth/Christoph Roolf, Zwangsarbeit in Neuss während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945), Neuss 2005, S. 189.

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Rationalisierung um jeden Preis: die Sonderbau GmbH Die Deutsche Bau AG beschränkte sich nicht auf den Aufbau von Betrieben, die Fertigteile für Wohn- und Betriebshallen herstellten, sowie auf den Erwerb und Betrieb von Ziegeleien und Natursteinwerken. Bedeutend war auch ein anderes ihrer Tochterunternehmen, die »Sonderbau GmbH«. Sie war aus der um die Jahreswende 1938/39 entstandenen »Abteilung Sonderbau« innerhalb der DAF hervorgegangen und wurde bis Ende 1943 mit einem Grundkapital von 500.000 RM ausgestattet. Bereits die »Abteilung Sonderbau« hatte sich »von Anfang ihrer Tätigkeit an für die Entwicklung neuer Bauweisen eingesetzt mit dem Ziel der fabrikatorischen Herstellung möglichst großer Bauelemente des Rohbaus und der schnellen Arbeitskräfte einsparenden Montage derselben«. Sie hatte dabei schon vor Kriegsbeginn eng mit dem »Büro des Generalbauinspekteurs Professor Speer« kooperiert. Im Januar 1939 hatte Speer in seiner Funktion als GB-Bau das Architektenbüro der DAF unter Schulte-Frohlinde mit den Vorarbeiten für eine reichsweite »Rationalisierung im Wohnungsbau« beauftragt.135 Dieses wiederum stützte sich seinerseits bei der Bewältigung dieser Aufgabe u. a. auf die »Abteilung Sonderbau«, die mit »Versuchen an einer größeren Baustelle Berlins […] verschiedene neue Baumethoden« auch praktisch erprobte136 und auf diese Weise die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten weiter intensivierte. Faktisch war die »Abteilung Sonderbau« eine Art DAF-Amt für die Rationalisierung des Hochbaus gewesen. Angesichts der weit über den Konzern der Arbeitsfront hinausreichenden Bedeutung und der Möglichkeit zur kommerziellen Verwertung der Rationalisierungsexperimente dieser Abteilung war es nur folgerichtig, dass sie nach Kriegsbeginn weiter ausgebaut und als Sonderbau GmbH verselbständigt wurde. Ebenso plausibel war es, dass die Sonderbau GmbH der Deubau locker angegliedert wurde, sollte diese doch die Ergebnisse der Sonderbau in der Massenfertigung umsetzen. Neben der praktischen Erprobung von unterschiedlichsten Formen von Rationalisierungskonzepten, die von einer Verbesserung der Werkzeuge und Maschinen bis zur Entwicklung neuer Baustoffe reichten, war es Aufgabe der Sonderbau GmbH, Patente zu erwerben, mit denen die Rationalisierung im Baugewerbe vorangetrieben werden konnte. Der Gesellschaft ging es nicht zuletzt darum, Erfindungen von »Gefolgschaftsmitgliedern« auf dem Sektor des Hochbaus zu verwerten; das NS-Regime hatte »Gefolgschaftserfindungen« ab 1942 durch vielfältige Anreize systematisch zu

135 Vgl. Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 99 f. 136 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 10. Vgl. auch ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 60), S. 5.

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stimulieren versucht137 und den betrieblichen Einheiten der DAF hier eine wichtige Rolle zugewiesen.138 Die Sonderbau GmbH forcierte Normung sowie Typisierung. Außerdem entwickelte sie, gemeinsam mit anderen, Betonfertigteile für Notunterkünfte, die in den letzten Kriegsjahren sogar in die Massenfertigung gingen.139 Die Gesellschaft und die von ihr beschäftigten baufachlichen Experten können deshalb als frühe Wegbereiter des Plattenbaus bezeichnet werden. Einzelne Baustoffbetriebe als Tochtergesellschaften gingen in der zweiten Kriegshälfte bereits zur Massenproduktion von Fertigwänden zwecks »montagemäßiger Bauart« über. Ihrerseits knüpften die Wohnungsbau-Rationalisierer der DAF an entsprechende Tendenzen der Weimarer Republik an, wie sie nicht zuletzt in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre von den im Verband Sozialer Baubetriebe zusammengefassten Bauhütten und der GEHAG forciert worden waren. Angesichts der militärischen und politischen Konstellationen konnte sich der Plattenbau während des Dritten Reiches – von den Fertigteilen für Holzbaracken abgesehen – freilich nicht wirklich entfalten; er gelangte erst nach 1945/48 in der DDR und ebenso in der Bundesrepublik in großem Maßstab zur Anwendung. Deutlicher NS-spezifisch, nämlich auf die bellizistische Autarkiepolitik der Diktatur zugeschnitten, war die Beschäftigung der Sonderbau GmbH mit der Entwicklung von solchen »deutschen« Baustoffen für den Hochbau, die es erlaubten, knappe Baustoffe ersetzen zu können, die – wenn überhaupt – sonst kostenaufwendig aus dem Ausland importiert werden mussten. Dazu gehörten etwa Naturbimsstein oder auch der porösere »Hüttenbims«, der durch Aufschäumen der Hochschlackenschmelze mit Wasser entstand, und seine Verwendung als Grundstoff für Leichtbetonsteine. In Verhandlungen mit 27 Hochofenwerken habe man erreichen können, dass diese die Produktion von Hüttenbims bis zu einer Menge von acht Mio. Tonnen massiv steigern würden, »mit 137 Vgl. dazu die entsprechenden Verordnungen Görings vom 12. Juli 1942 und 20. März 1943, in: RGBl. 1942, I, S. 366, bzw. RGBl. 1943, I, S. 257. Vgl. Andreas Kranig, Lockung und Zwang. Zur Arbeitsverfassung im Dritten Reich, Stuttgart 1983, S. 135-138; zur Einordnung dieser Gesetzgebung außerdem Margrit Seckelmann, Der »Dienst am schöpferischen Ingenium der Nation«. Die Entwicklung des Patentrechts im Nationalsozialismus, in: Bähr/Banken (Hg.), Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, bes. S. 278. 138 Vgl. Vereinbarung zwischen dem Leiter des Hauptamtes Technik der NSDAP und dem Leiter der Deutschen Arbeitsfront über die Beratung und Gewährung von Rechtsschutz auf dem Gebiete des Gefolgschaftserfinderrechts, o.D., Anlage zu: Rundschreiben des DAF-Rechtsamtes vom 31. Juli 1942, in: BA Berlin, NS. 5 I, Nr. 294. Zur praktisch-stimulierenden Rolle der Arbeitsfront, die für größere Betriebe eigene »DAF-Beauf­trag­te für das betriebliche Vorschlagswesen« benannte, vgl. OMGUS, The German Labor Front in the 5 th year of war (vom 25. April 1944), S. 23-28, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 238. 139 In die Massenfertigung gingen diese Betonfertigteile für Behelfsunterkünfte in einem Werk der Preussag in Rüdersdorf. Vgl. Bernhard Stier/Johannes Laufer, Von der PREUSSAG zur TUI. Wege und Wandlungen eines Unternehmens 1923-2003, Essen 2005, S. 246.

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denen etwa 5 Milliarden Steine in Reichsformat hergestellt werden können«. Mit den IG-Farben-Werken verhandelten die Rationalisierer der Sonderbau GmbH Ende 1940 »wegen der Weiterentwicklung des Iporitbetons auf breiterer Grundlage«.140 Daraus entstand bis 1943 »der neu gefundene Baustoff ›Porenbeton Fredl‹«, der (so wusste die DAF-Zentralstelle für Finanzwirtschaft im Februar 1944 zu berichten), »sich bereits sehr gut bewährt hat«.141 Noch im selben Jahr wurde »Porenbeton Fredl« in einem »Fabrikationswerk im Süden des Reiches« in Serie produziert. Mit drei Kalksandsteinwerken in Ost- und Westpreußen wurden Anfang 1944 Verhandlungen mit dem Ziel geführt, dass diese ihren Betrieb ebenfalls »auf diese Art Leichtbeton umstellen«.142 Das Motiv, knappe Baustoffe durch »deutsche Werkstoffe« zu ersetzen, stand auch hinter der Entwicklung des erwähnten »Stahlsaitenbetons« durch die Sonderbau GmbH. Er garantiere, so Heinrich Simon, »durch seine fundamentalen Eiseneinsparungen eine weitgehende Entlastung an den mangelnden Baustoffen Eisen und Holz«. Die Deubau trieb bereits 1941 die Vorarbeiten so weit voran, dass »die Erstellung der Stahlsaitenbetonfabriken in großen Gebieten des Altreichs, in der Ostmark sowie den ehemals polnischen Gebieten« begonnen werden konnte.143 Allerdings lief die Massenfertigung aufgrund der oben skizzierten sowie weiterer Probleme nicht so reibungslos an, wie sich Simon dies wünschte.144 Die DAF als Immobiliengesellschaft: »Bau- und Betreuungsgesellschaft« und »Gesellschaft für Landsiedlung« Weitere Unternehmen komplettierten das Bau- und Siedlungsimperium der Arbeitsfront. Die wachsende Zahl an Immobilien der DAF war entweder unmittelbar der Vermögensverwaltung, bzw. den entsprechenden Stellen der Ämter bzw. Suborganisationen (z. B. KdF), zugeordnet oder befand sich im Besitz der einzelnen DAF-Unternehmen. Langfristig avisierte die Arbeitsfront vor dem Hintergrund insbesondere ihrer wohnungsbaupolitischen Pläne einen weiteren umfänglichen Erwerb von Grundstücken – und suchte sich hierfür ein geeignetes unternehmenspolitisches Instrumentarium zu verschaffen. Diese Überlegungen mündeten in die Gründung einer Bau- und Betreuungsgesellschaft mbH. Sie 140 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 12. Vgl. auch Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Anm. (58), S. 15. 141 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 46. 142 Ebd. 143 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 12. Vgl. auch Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 238, Anm. 135, sowie Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 127), S. 4 f. 144 Anders als die euphorischen Ausführungen Simons glauben machen wollten, war das Verfahren offenbar doch nicht so ausgereift. Im Leistungsbericht der AWU/ZfF für 1943 (Anm. 97; Bl. 45) wird deutlich bescheidener davon gesprochen, dass »das Hoyer’sche Stahlsaitenbetonverfahren« lediglich »eine wertvolle Ergänzung des derzeit gebräuchlichen Baumaterials darstellt.« Es kam auch nur selten zur praktischen Anwendung. 1943/44 lief »in diesem Bausektor ein Auftrag des GB-Bau für 3.000 Behelfsbauten«.

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wurde am 20. Juli 1940 ins Leben gerufen, als die Euphorie über die nationalsozialistischen »Blitzsiege« hochschlug und sich (auch) die DAF auf die Zeit nach dem erhofften baldigen »Endsieg« vorbereitete. Die Bau- und Betreuungsgesellschaft verwaltete zunächst den für Bauzwecke erworbenen, rasch wachsenden Grundbesitz der DAF-Woh­nungs­bau­gesellschaften.145 Gedacht war das Unternehmen in diesem Zusammenhang als Bauträger für knapp 10.000 Wohneinheiten, deren Bau »nach Beendigung des Krieges ohne Verzug« begonnen werden sollte. Das Neubauverbot für Zivilbauten seit Anfang Februar 1942 machte der Bau- und Betreuungsgesellschaft »die Erfüllung ihrer Aufgaben, nämlich Bauen für eigene Rechnung und Betreuung fremder Bauten, unmöglich« und all diese Pläne zu Makulatur. Ende 1942 befasste sich die Gesellschaft nur noch mit der »Verwaltung ihrer unbebauten Grundstücke« und beschäftigte hauptberuflich lediglich eine Sekretärin. Die bis dahin erworbenen Flächen im Besitz des Unternehmens (insgesamt ca. 350.000 qm), die allesamt in der Hauptstadtregion lagen, wurden überwiegend für »kleingärtnerische und landwirtschaftliche Nutzung« zur Verfügung gestellt, ein kleiner Teil ab 1943 als Baugrundstücke genutzt, auf denen Ley’sche Behelfsheime errichtet wurden.146 1933 hatte die DAF außerdem die als gemeinnützig anerkannte Gesellschaft für Landsiedlung m.b.H. mit Sitz in Stettin übernommen. Sie war am 22. August 1930 vor dem Hintergrund der Verschuldung des ostelbischen Großgrundbesitzes sowie der hereinbrechenden Krise gegründet worden. Zweck der Gesellschaft war die Errichtung von Neubauernhöfen sowie »die Vergrößerung von bereits bestehenden landwirtschaftlichen Stellen«, also die Absicht, aus Kleinbauern bzw. landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben Vollbauernstellen zu machen. Bis 1939 erwarb die Gesellschaft für Landsiedlung im »Altreich« in größerem Umfang Grund und Boden, meist ehemalige Gutsherrschaften.147 Darauf wurden, »im Einvernehmen« mit dem Reichsernährungsmini­sterium, neue Bauernhöfe errichtet, die anschließend von der Landsiedlungs-Gesell­schaft in Kooperation mit dem Reichsnährstand und den örtlichen Kreisbauernschaften »betreut« wurden. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion, als dort riesige, 145 Das Stammkapital von 4 Mio. RM wurde von der TWU (3,98 Mio. RM) sowie der Vermögensverwaltung der DAF (20.000 RM) gehalten. Vgl. Verband Berliner Wohnungsgenossenschaften, Bericht über die Prüfung der Bau- und Betreuungsgesellschaft (BBG) der DAF für das Geschäftsjahr 1942, im Mai 1944 (!), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 57. 146 Vgl. Geschäftsbericht der BBG für 1942; Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der BBG vom 11. Juli 1944, beides in: ebd., sowie ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 37. 147 Im Besitz der Gesellschaft für Landsiedlung waren Anfang 1939 4.446 ha landwirtschaftliche Nutzfläche sowie entsprechende Gebäude. Die Landsiedlungs-Gesellschaft selbst beschäftigte in der Berliner Zentrale und ihren Zweigniederlassungen sechzig Arbeiter und Angestellte. Vgl. (inkl. Zitate:) Die wirtschaftlichen Unterneh­mungen der DAF 1939, S. 94. Wie groß die Zahl der Neubauern war, die durch die Gesellschaft in ihren Be­sitz gelangt waren, geht aus dieser Darstellung und ebenso den späteren Rechenschaftsberichten nicht hervor.

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scheinbar unbegrenzte Flächen die SS, aber auch die DAF und andere veranlassten, Neusiedlungspläne in ganz anderen Dimensionen zu konzipieren, wurden die Aktivitäten im »Altreich« erst einmal auf Eis gelegt. Zuständig war die Gesellschaft außerdem für den Aufkauf der Ländereien in der Nähe des Ley’schen Geburtsortes Waldbröl im Bergischen Land, die für das dort geplante Volkstraktorenwerk vorgesehen waren.148 Schließlich erwarb die Gesellschaft für Landsiedlung bis 1943 »5 landwirtschaftliche Großbetriebe zum Zwecke der Ernährungssicherung und landwirtschaftlichen Mehrerzeugung«. Damit war die DAF unter die Großgrundbesitzer gegangen. Darüber hinaus bereitete die genannte Gesellschaft agrarwissenschaftlichen Forschungen der Arbeitsfront den Boden, indem sie »auf Veranlassung des OKH« Ländereien und Immobilien aufkaufte, auf denen ab 1941 »Anbauversuche zur Gewinnung von Pflanzenkautschuk mit Erfolg« durchgeführt wurden. Diese eher beiläufige Bemerkung war eine Anspielung auf eine später in Kooperation der IG Farbenindustrie von der DAF eingerichtete Großforschungseinrichtung. Diese hatte zum Ziel, vom Import des für die Reifen- und Gummiherstellung zentralen Naturkautschuks aus den ostasiatischen und südamerikanischen Plantagengebieten, der unter den Bedingungen des Krieges zusätzlich erschwert war,149 unabhängig zu werden und den industriell gewonnenen synthetischen Kautschuk nicht zu ersetzen, aber zu ergänzen.150 Zu diesem Zweck begannen deutsche Stellen, darunter die Arbeitsfront, nach dem Überfall auf die Sowjetunion mit der Züchtung einer kautschukähnlichen Pflanze, die in osteuropäischen Regionen 148 Nach Mommsen/Grieger (Volkswagenwerk, S. 446) kam der Aufkauf von Grundstücken für das Volkstraktorenwerk »in vielen Fällen einer Enteignung nahe«. Nach Kriegsbeginn musste die Gesellschaft für Landsiedlung ihre Tätigkeit kurzzeitig einstellen. Vgl. Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939, S. 21 f., bzw. für 1940, S. 26, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87. Nach 1945 verlegte die Gesellschaft für Landsiedlung ihren Sitz nach Kiel. Sie bestand zunächst als eigenständiges Unternehmen weiter und wurde dann Anfang 1963 in den gewerkschaftlichen Neue Heimat-Konzern eingegliedert. Das Folgende nach: ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 37. 149 Bis Mitte 1941 wurde Naturkautschuk in größeren Mengen über die Sowjetunion eingeführt. Danach konnte das Dritte Reich nur noch kleinere Mengen brasilianischen und fernöstlichen Kautschuks unter extremem Aufwand durch U-Boote und Blocka­ de­brecher in den deutschen Herrschaftsbereich ›importieren‹. Vgl. dazu die Daten bei Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft des Nationalsozialismus, Berl­in 2007, S. 271 (Tabelle 6). Zwar erbeutete die Wehrmacht in den okkupierten Ländern größere Mengen Naturkautschuk; der reichte allerdings für den enormen militärischen Bedarf nicht aus. Der Mangel an Gummi wurde, allen Appellen zur Sparsamkeit, zur Reduzierung des Fahrtempos usw. zum Trotz, während des Krieges immer größer. 150 Zwecks großtechnischer Produktion von synthetischem Kautschuk wurde nach Verkündung des Vierjahresplans das erste Buna-Werk der I.G. Farbenindustrie in Schkopau errichtet. Abgesehen davon, dass die Produktion dort schon bald mit den immer weiter gesteckten Produktionszielen nicht Schritt halten konnte, war es damals noch unmöglich, allein auf Basis synthetischen Kautschuks belastungsfähige Reifen für LKWs herzustellen; die Beimengung eines gewissen Quantums an Naturkautschuk blieb notwendig. Vgl. ebd., S. 270.

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angebaut werden konnte (Kok Saghys), um den bisher aufwendig eingeführten südostasiatischen bzw. südamerikanischen Kautschuk zu substituieren.151 Die Visionen der DAF-Führung Die skizzierte Expansion der Neue Heimat-Gesellschaften, Deubau, Bauhilfe und anderer Bau- und Immobilienunternehmen der Arbeitsfront sollte nur der Anfang sein. Die Pläne der Arbeitsfront waren noch ausgreifender und nicht lediglich auf die Expansion des Konzerns ausgelegt. Ende 1940 etwa plante »das zuständige Fachamt der DAF. gemeinsam mit der Fachgruppe [Baustoff- und Ziegeleiindustrie] in mehreren Gauen Musterziegeleien ein[zu]richten, um durch diese auf dem Wege der Schulung die fachliche Leistung der einzelnen Betriebe zu erhöhen«.152 Die Wende auf den Kriegsschauplätzen ab 1941/42 machte diese Überlegungen zwar zunichte. Sie sind jedoch eines von zahlreichen Indizien für die weit ausgreifenden Ambitionen der Arbeitsfront. In diesen Kontext gehören auch Überlegungen der DAF-Führung, eine »Deutsche Baubank« zu gründen. Diesen Plan hatten der Reichsarbeits- und der Reichsfinanzminister sowie Göring zwar 1938 abgelehnt.153 Er wäre nach einem nationalsozialistischen »Endsieg« aber wieder aufgelegt worden. Unabhängig davon betätigten sich die Arbeitsbank und die ohnehin finanzstarke DAF als Geldgeber bzw. Finanzmittler für Projekte der zahlreichen Bauträger und Baustoffproduzenten, die sich im Besitz der Organisation befanden. Zusätzlich verbreiterte die Bank der Deut151 Erste Versuche in diese Richtung waren mit aus Moskau eingeführten Samen von »Taraxacum Kok Saghys« in kleinerem Rahmen bereits 1938 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung begonnen worden. Nachdem im Sept. 1941 den Deutschen in der Sowjetunion mehrere Zentner Saatgut Kok Saghys, »zahlreiche russische Spezialisten« und einschlägige Literatur in die Hände gefallen waren, begannen u. a. die SS und die DAF mit der intensiven Erforschung der Möglichkeiten, die diese Pflanze für die Gewinnung von Naturkautschuk bot. Die Arbeitsfront gründete ein Kautschuk-Institut in Löwenberg/Schlesien, das seit seiner Eröffnung 1943 bis 1945 von Kurt Hess geführt wurde. Hess (1888-1961), 1918 bis 1921 ausserordentl. Prof. an der TH Karlsruhe, ab 1952 Honorarprofessor an der TH Hannover, leitete ab 1921 die Abteilung für organische Chemie am renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, die von 1931 bis 1943 von der IG Farben finanziert wurde, und hatte ein eigenständiges Verfahren zur Gewinnung von Naturkautschuk aus Kok Saghys entwickelt. Bereits vorher hatte die DAF ein eigenes Labor für einheimischen Naturkautschuk eingerichtet, das von Bodo Lafferents, dem Vorstandsvorsitzenden des VW-Werks (Kapitel 2, S. 88), in seiner Eigenschaft als Chef der Forschungs- und Verwertungsgesellschaft m.b.H. der DAF initiiert worden war. Anfang 1943 richtete die Arbeitsfront zum selben Zweck außerdem ein Labor in Auschwitz ein. Vgl. Susanne Heim, Kalorien, Kautschuk, Karrieren. Pflanzenzüchtung und landwirtschaftliche Forschung in Kaiser-Wilhelm-Instituten 1933-1945, Göttingen 2004, S. 139 ff.; ferner Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im »Dritten Reich«. Die Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Göttingen 2007, Bd. 2, S. 705. 152 Simon, Wohnungsbau nach dem Kriege (Anm. 80), S. 12. 153 Vgl. Kapitel 3, S. 103 f.

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schen Arbeit die Basis des Baukonzerns der Arbeitsfront, indem sie Beteiligungen an weiteren Bauunternehmen einging.154 Die 1940/41 geplante massive  – dann freilich nur teilrealisierte  – Ausweitung der Wohnungsbauaktivitäten der Neue Heimat-Ge­sellschaften und die Gründung der genannten, auf Expansion getrimmten Unternehmen war auf die Ambitionen abgestimmt, die das Reichskommissariat für den sozialen Wohnungsbau entwickelte. Es entstand ein politisch-industrieller Komplex, der institutionell und personell immer schwerer zu entwirren war. Um den in riesigen Dimensionen ins Auge gefassten »Sozialen Wohnungsbau« realisieren zu können, plante das neue Reichskommissariat die Bildung von »Gaueinsatzgesellschaften« mit entsprechenden Gliederungen auf der Kreis- und Ortsebene. Aufgebaut werden sollten diese »Gaueinsatzgesellschaften« um den Wohnungsbaukonzern der DAF, so erklärte Hans Wagner, der als Ministerialdirektor neben H. Simon die entscheidende Figur innerhalb der zu diesem Zeitpunkt noch im Entstehen begriffenen Behörde des Reichskommissars war,155 gegenüber Vertretern des Hauptamts für Kommunalpolitik während einer Besprechung am 29. Januar 1941. Die Neue Heimat-Gesell­schaften firmierten dabei ausdrücklich als »Gauträger«.156 Diese wiederum sollten in engerer Kooperation mit den Kommunen und weiteren regionalen Bauträgern die vom »Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau« geplanten Programme verwirklichen. In den Folgemonaten wurde dieses Konzept vorangetrieben und der Druck auf mögliche Konkurrenten des DAF-Wohnungsbau­kon­zerns weiter

154 So besaß die Arbeitsbank sämtliche Anteile an der »Bauhüttenbeteiligung Schlesien GmbH«, der »Bau- und Wohnungsgenossenschaft Breslau von 1892« und der »Heimstätten Baugenossenschaft« mit Sitz in Köln. Vgl. »Übersicht über die Beteiligungen« der Arbeitsbank 1943, Anlage zu: Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die Bank der Deutschen Arbeit, Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1943, vom 14. Aug. 1944, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8614. Hinzu traten personelle Verflechtungen. So saß Hans Strauch, der Chef der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF, dem Aufsichtsrat der Baustoffwerke Teupitz GmbH vor. Auch z. B. der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitz des Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsbank Carl Rosenhauer bei der »Allgemeinen Baugesellschaft Lenz & Co. (Kolonialge­sellschaft)«, Berlin, lässt auf die Absicht einer Verflechtung des DAF-Baukonzerns schließen. Darüber hinaus saß Rosenhauer im Aufsichtsrat der Stettiner Portland-Zementfabrik in Züllchow (Pommern). Vgl. Kapitel 2, S. 86. 155 Sich selbst stellte Wagner als »Geschäftsführer des Reichswohnungskommissars« vor. Diese Selbstbezeichnung ist bemerkenswert, weil mit dem »Reichswohnungskommissar« eine Bezeichnung eingeführt wurde, die erst knapp zwei Jahre später offiziell wurde. Hinter diesem Lapsus linguae standen offensichtlich bereits zu diesem Zeitpunkt sehr viel weitergehende Überlegungen von Ley, H. Simon, H. Wagner und anderen, die sie erst Ende 1942 mit der Kompetenzerweiterung Leys durchsetzen konnten. 156 Vgl. Vermerk über die Sitzung vom 29. Jan. 1941, in: BA Berlin, NS 25, Nr. 1110, Bl. 174. Wagner erklärte außerdem ausdrücklich: »Träger der Durchführung sind die Kreiswohnungsgesellschaften und die jeweilige Gaugesellschaft ›Neue Heimat‹.«

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erhöht.157 Gleichzeitig sollten die Kompetenzen der Gemeinden weiter reduziert, nämlich auf die Erhebung von Bedarfsmeldungen, die bei dem Gauwohnungskommissar zu sammeln seien, begrenzt werden. Als selbständige Bauträger waren sie nicht mehr vorgesehen.158 Den nach DAF-Gauen gegliederten Neue Heimat-Ge­sellschaften hätten diese »Gaueinsatzgesellschaften«, wären sie in vollem Umfange realisiert worden, enormen Auftrieb verschafft. Eine Verstaatlichung des Wohnungsbaus durch die Arbeitsfront via »Neue Heimat« war allerdings zu keinem Zeitpunkt intendiert. Sie wäre auch nicht funktional gewesen. Denn eine Verstaatlichung oder auch nur eine scharfe Wohnungszwangswirtschaft hätten zur Folge gehabt, dass die Unzufriedenheit mit den Wohnverhältnissen, die vor dem Hintergrund des sich in den dreißiger Jahren weiter verschärfenden Wohnraummangels chronisch war, unmittelbar dem Regime angelastet worden wäre. Indem die private Verfügungsgewalt über Wohneigentum nicht angerührt wurde und selbst moderate Formen der Wohnraumbewirtschaftung nur nach langem Zögern eingeführt wurden, blieben die Hausbesitzer eine Art politisch-psychologischer Puffer, der die Unzufriedenheit mit der Wohnungs(bau)po­litik des Hitler-Regimes dämpfte.159 Es verwundert deshalb nicht, dass Ley noch Anfang 1944 erklärte, er wolle weder einen verstaatlichten Wohnungsbau noch auch nur eine substantielle staatliche Wohnungsbausubventionierung.160

157 Harlander (Heimstätte und Wohnmaschine, S. 244) verweist vor allem auf einen Erlass vom 14. Nov. 1941, der die »Verschmelzungsaktion« bestehender Wohnungsbaugesellschaften außerhalb der Arbeitsfront forciert und in diesem Kontext »die Beseitigung unliebsamer Konkurrenten der DAF-Unternehmen« zum Ziel gehabt habe. 158 Vgl. ebd., S. 245 f. Harlander resümiert seine Darstellung dahingehend, dass die Kommunalpolitiker ab Ende 1941 davon ausgingen, »dass nun die DAF zu Lasten der Gemeinden den Wohnungsbau übernommen habe.« Wichtig auch sein Hinweis auf die langfristigen, weit über 1945 hinausreichenden Wirkungen: Die »Pla­nungen des RKWS [hätten] die weitere Entkommunalisierung und Zentralisierung des Wohnungswesens« eingeleitet und damit »einer Tendenz [den Weg bereitet], die sich auf Jahrzehnte hinaus als stabil erweisen sollte.« 159 Vgl. vor allem Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat, S. 340-343; außerdem Recker, Sozial­politik, S. 265. In der am 27. Febr. 1943 von Ley herausgegebenen »Verordnung zur Wohnraumlenkung« (RGBl. 1943, I, S. 127) waren keine genaueren Bestimmungen über die Beschlagnahmung von unterbelegtem Wohnraum enthalten; ansonsten wurde lediglich das zwangswirtschaftliche Instrumentarium der Wohnungspolitik der zwanziger Jahre reaktiviert. Erst in einer Verordnung vom 21. Juni 1943 (RGBl. 1943, I, S. 355) ließ sich der widerstrebende Hitler zu begrenzten öffentlichen Eingriffen in bewohnte Räume überreden. Aber selbst die dadurch geschaffenen Möglichkeiten wurden kaum genutzt. 160 Ley, Wohnungsbau in Deutschland, S. 50. Vgl. auch Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat, S. 24 f. sowie Kapitel 10, S. 577.

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Stilllegung auf Raten: der Wohnungsbau der Neuen Heimat 1941 bis 1944 Dem eigenen Bekunden nach wollte die DAF-Führung vielmehr der privaten Konkurrenz Beine machen. Sie war, wie Hans Strauch als Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen in der Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der Arbeitsfront befriedigt resümierte, damit auch erfolgreich. Mit der im Frühjahr 1939 einsetzenden »Arbeitsaufnahme der Neuen Heimaten in den deutschen Gauen wurden viele Träger, die bisher wenig oder gar nicht bauten, plötzlich munter«. Strauch war dies »ein nicht zu unterschätzender Erfolg auf diesem Gebiet«.161 Bis zur Jahreswende 1940/41 weiteten die Neue Heimat-Gesellschaften ihre Bauaktivitäten erneut kräftig aus. In den Jahren 1941 und 1942 – als der nationalsozialistische »Endsieg« in greifbarer Nähe schien, ab Anfang 1942 dann zwar hinausgeschoben, für optimistische DAF-Funk­tionäre in absehbarer Zeit jedoch immer noch wahrscheinlich war – wurden die Wohnungsbauprogramme sogar noch erheblich größer dimensioniert. Tabelle 5.6 bietet hierüber einen gewissen Aufschluss. Zu berücksichtigen ist freilich, dass die dort wiedergegebenen Zahlen, die auf zeitgenössischen Daten im offiziösen Organ des RKSW ba­sieren, unvollständig sind. Von den 1941/42 bestehenden insgesamt 42 Neue Heimat-Ge­ sell­schaften machten lediglich 17 Angaben über ihre für 1941/42 geplanten bzw. begonnenen Bau­aktivitäten. Auch die übrigen 25 Neue Heimat-Gesellschaften dürften Bauaktivitäten entfaltet haben; vor allem aber werden sie ebenfalls Pläne entwickelt haben, die gewiss nicht bescheiden waren. Berücksichtigt man, dass lediglich 14, also ein Drittel sämtlicher Neue Heimat-Gesellschaften Angaben zu den kurz- und mittelfristigen Planungen publiziert haben, dürfte eine Zahl von 100.000 geplanten Wohneinheiten, die der Baukonzern der Arbeitsfront entweder selbst zu realisieren oder – über kommunale »Heimstätten«162 – zu betreuen beabsichtigte, nicht zu hoch gegriffen sein. Gegenüber dem, was 1939/40 ins Auge gefasst wurde, wäre dies eine Versechsfachung gewesen. Zu einer solchen Ausweitung ihres Wohnungsbauprogramms sah sich die DAF nicht allein vor dem Hintergrund ihrer Rivalität mit dem Reichsarbeitsministerium und einer möglichst günstigen Positionierung ihres Baukonzerns angesichts des scheinbar bevorstehenden Endsieges veranlasst. Hinzu traten die Okkupation weiterer Gebiete und ihre Einverleibung in das »Großdeutsche Reich«. Die dort wohnenden, zu »Reichsdeutschen« aufgestiegenen »Volksdeutschen« mussten, so die Sicht der DAF, gleichfalls mit modernen »Sozialwohnungen« versorgt werden. Österreich konnte aufgrund einer großzügigen, 161 Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (Anm. 127), S. 2 f. 162 Die »Heimstätten« waren von Ländern, preußischen Provinzialverwaltungen und Gemeinden nach 1918 gegründete Wohnungsfürsorgegesellschaften. Ihre wohnungs­ politische Bedeutung war beträchtlich: Allein zwischen 1933 und 1937 errichteten oder (das war die Regel:) betreuten sie den Bau von mehr als 150.000 Wohneinheiten. Ausführlich: Friedrich Lütge, Wohnungswirtschaft. Eine systematische Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Wohnungswirtschaft, 2. überarb. Auflage, Stuttgart 1949, S. 278-284.

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linkssozial­demokratisch geprägten Wohnungsbauförderung und sehr agiler Genossenschaften mit einem auch im Vergleich zum »Altreich« entwickelten Wohnungsbau aufwarten; gravierend waren hier die Defizite lediglich in ländlich geprägten Regionen. In den danach annektierten Gebieten war die Wohnungsnot jedoch groß. Bereits »in den sudetendeutschen Gebieten gehen die künftigen Aufgaben im Wohnungs- und Siedlungsbau weit über die Aufgaben im Altreich und in Österreich hinaus«, so eine zeitgenössische Studie des Instituts für Konjunkturforschung. Während der Wohnungsfehlbestand im »Altreich« auf 22 % und in Österreich auf 20 % zu veranschlagen sei, liege er – nach diesen Angaben aus dem Jahre 1940 – in den Sudeten bei »etwa 30 v.H.«. Die Zahl der Wohnungen, die allein im Sudetenland dringend zu errichten seien, wurde auf 300.000 beziffert.163 Noch gravierender war das Defizit an Wohnungen in den anschließend okkupierten und dem »Großdeutschen Reich« eingegliederten Gebieten. Im Sudetenland hatte die dortige Neue Heimat bis 1941/42 etwa 500 Wohnungen fertiggestellt; 1.500 befanden sich in Bau. In Danzig/West-Preußen hatte die dortige Schwestergesellschaft zwar nur 168 Wohneinheiten begonnen. Dafür plante die Neue Heimat dieses »Gaues«, 1.700 Wohnungen in absehbarer Zeit zu bauen. Davon wurden bis Ende September 1943 gut tausend fertiggestellt.164 Im »Warthegau« wurden mehr als doppelt so viele bereits begonnen und noch mehr, nämlich 4.000 Wohneinheiten, beantragt und genehmigt; die Planzahlen der Neuen Heimat dieses »Gaues« waren von allen regionalen Bauprogrammen mit 4.390 Wohnungen am höchsten (Tabelle 5.6). Um dieses Ziel zu erreichen, errichtete die DAF-Gauwaltung »Wartheland« seit 1940 mehrere »Bauhöfe« außerhalb der Bauhilfe, um dort in Kooperation mit dem DAF-Amt »für Leistungsertüchtigung, Betriebsführung und Berufserziehung« und unter dem Motto »Mauern im Takt« junge polnische Männer innerhalb von acht bis zehn Wochen »ganz exerzier- und taktmäßig« zu Bauhandwerkern anzulernen. Von Anfang 1940 bis Anfang 1944 wurden auf diese Weise mehr als 7.000 Polen »zu Bauhilfsarbeitern gemacht«. Ziel des ehrgeizigen Bauprogramms war es freilich nicht, die vorgeblich »minderwertige« polnische Bevölkerung mit gesundem und großzügigem Wohnraum zu versorgen. Der »großdeutsche Osten« sollte vielmehr für die reichsdeutschen Okkupanten an Attraktivität gewinnen. Es ging »vor allem [darum], die vielen Tausende [an Deutschen] unterzubringen, die in den Osten strömten, um ihren dienstlichen und beruflichen Pflichten in dem neuen Reichsgau nachzukommen«.165

163 Angaben und Zitate nach: Walter Fey, Der künftige Wohnungs- und Siedlungsbau. Grundlagen einer volkswirtschaftlichen Planung, Berlin 1939, S. 49. 164 Vgl. Neue Heimat Danzig-Westpreußen an den Leiter des AWU (Strauch) vom 19. Dez. 1943, in: BA Berlin, NS 5 II/31. Vgl. ferner den (veröffentlichten) Geschäftsbericht der Neue Heimat Danzig-Westpreußen für 1940. 165 Zitate: Hans-Erich Graßhoff, Mauern im Takt, in: »Wirtschaftspolitischer Dienst« vom 29. Juni 1944. Vgl. auch oben, Anm. 81. Das DAF-Amt »für Leistungsertüchtigung, Betriebsführung und Berufserziehung« war aus dem Ende 1925 gegründeten

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Aus diesen und allen anderen weitgreifenden Plänen wurde nichts. 1941 und 1942 lag die Zahl der fertiggestellten Wohnungen reichsweit bei etwa 100.000, die der begonnenen dürfte weit höher gewesen sein. Legt man die – zweifellos geschönten  – Angaben Leys zugrunde, wurden 1943 immer­hin noch 118.000 Wohnungen fertig gestellt.166 Davon waren 15.500 oder 13,1 % durch die Neue Heimat und andere DAF-Unternehmen gebaut worden, in »Normalbauweise«, wie betont wurde.167 Den Gesamtbestand aller DAF-Wohnungsbau­gesellschaften an Wohneinheiten bezifferte der »Angriff« vom 26. Oktober 1944 auf 95.500.168 In den letzten beiden Kriegsjahren mussten sich die auf 43 Hauptgesellschaften (Neue Heimat und GEHAG) und 14 Tochterunternehmen angewachsenen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaften der DAF169 auf die Verwaltung von Woh­nungen beschränken. Und auch der Schwerpunkt der Tätigkeit der DAFBauunternehmen verlagerte sich.

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»Deutschen Institut für technische Arbeitsschulung« (DINTA) hervorgegangen, das 1933 in die DAF eingegliedert und 1935 als DAF-AfBuB ausgebaut worden war. Vgl. Robert Ley, Bericht über die Wohnraumbeschaffung im Jahre 1943, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 581, Bl. 174-182, hier: Bl. 182. Auch abgedruckt in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 323-327. Vgl. o.V., Die DAF schafft neuen Wohnraum, in: »Angriff« vom 26. Okt. 1944. Vgl. außerdem ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 35. Dort wird wolkig festgestellt, dass bis Ende 1943 unter der Verantwortung der »Bauhilfe GmbH« noch mehrere tausend Wohnungen entstanden seien, die meisten freilich »ohne Installation« bzw. »rohbaufertig«. Von den Einzelgesellschaften der DAF liegen lediglich für die GEHAG genauere Angaben vor. Der Gesamtbestand an Wohnungseinheiten (WE) stieg von 17.223 WE Ende 1941 auf 24.202 WE zwei Jahre später und schließlich auf 24.224 WE Ende 1944 – davon waren 2.900 WE im Krieg zerstört worden oder wenigstens unbewohnbar. GEHAG 1924-1957, S. 32; Schäche, 75 Jahre GEHAG, S. 123. Zwischen regulären Wohnungen und Behelfsheimen wurde freilich nicht genau unterschieden. Tatsächlich, das wird nur angedeutet, dürfte es sich bei einem größeren Teil der noch fertiggestellten Wohneinheiten um Behelfsheime gehandelt haben. Davon waren 12.500 Eigenheime und Siedlereinheiten, der Rest Geschosswohnungen. Die Behelfsheime sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Über die knapp 100.000 eigenen Wohnungen hinaus verwalteten die DAF-Wohnungsbaugesellschaften weitere 9.000 Wohneinheiten »auf fremde Rechnung«. Vgl. neben dem »Angriff« vom 26. Okt. 1944 außerdem: »Auch 1943 noch gute Wohnungsbauleistungen der DAFWohnungs- und -Siedlungsgesellschaften«, in: »Wirtschaftspolitischer Dienst« vom 24. Okt. 1944 sowie weitere Zeitungsartikel in: BA Berlin, R 12 I, Nr. 258 und Nr. 261. Der Personalbestand aller Gesellschaften (Verwaltungen) lag am 31. Dez. 1943 bei insgesamt 2.427 Arbeitskräften. Von den 1.745 männlichen Angestellten und Arbeitern waren allerdings 662 oder 37,9 % »unter Waffen oder im Kriegsdienst«, weitere 56 (3,2 %) waren anderweitig dienstverpflichtet. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97).

7.5. Vergebliche Improvisation: der Baukonzern in den letzten Kriegsjahren »Ley-Lauben« für »Volksgenossen« Die skizzierten Pläne wie überhaupt die großsprecherischen »sozialen« Bauprogramme der Arbeitsfront wurden seit Spätherbst 1941 zu Makulatur. Nachdem die deutschen Heere vor Moskau in Schnee und Eiseskälte steckengeblieben waren und ihre ersten großen Niederlagen einstecken mussten, wurde der Arbeiterwohnstättenbau erneut und diesmal endgültig zurückgefahren.170 Ende 1941 waren außerdem die USA in den Krieg eingetreten. Die ganz andere Reichweite ihrer durch Jäger relativ abgesicherten Bomberflotten und deren Fähigkeit, auch tagsüber Luftangriffe zu fliegen, leiteten einen Paradigmenwechsel auch im Wohnungsbau ein. Statt großartiger Nachkriegsprogramme waren nun die Errichtung von vorübergehenden Wohnunterkünften und eine Aufteilung des immer knapper werdenden Wohnraums angesagt. Am 15. Januar 1943, wenige Tage vor der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad, als sich die endgültige Kriegswende bereits deutlich abzeichnete, verbot Hitler die »Vorbereitungen und Planungen für künftige Friedensaufgaben«, mithin auch alle »städtebaulichen Planungen, soweit sie erst für die Nachkriegszeit Bedeutung haben«.171 Stattdessen müsse, ordnete Ley als Reichswohnungskommissar (RWoK) in einem Erlass vom 15. März 1943 an, nun »zum Bau von Behelfsunterkünften an Stelle von normalen Wohnungsbauten übergegangen werden«.172 Beide Verfügungen bezogen sich auf die Planung und Genehmigung von Neubauten, nicht dagegen auf die Fertigstellung schon begonnener Wohnungsgebäude.173 Bereits zuvor, am 17. September 1942, also noch vor der Ernennung Leys zum Reichswohnungskommissar am 23. Oktober 1942,174 hat170 1941 wurden im Großdeutschen Reich insgesamt etwa 75.000, 1942 noch etwa 50.000 bis 60.000 Wohnungseinheiten fertiggestellt. Vgl. Vermerk Parteikanzlei vom 12. März 1942, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 251, Nr. 123 f., sowie Ley an Speer vom 13.  Febr. 1943, in: ebd., Nr. 199, Bl. 108; ferner Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 226 f. 171 Dies betonte der RMI noch einmal ausdrücklich in einem Erlass vom 6. April 1943. Im Wortlaut in: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 412. 172 Im Wortlaut in: ebd., S. 409-412. 173 Die »Fertigstellung der bereits im Bau befindlichen Wohnungen« sei »vordringlich«, ordnete Ley in seinem Erlass vom 15. März 1943 ausdrücklich an. Vgl. außerdem die Anordnung Speers als GB-Bau, in der er festlegte, dass alle Bauvorhaben stillzulegen seien, wenn sie bis zum 1. Aug. 1944 nicht fertiggestellt seien. Im Wortlaut in: ebd., S. 429 f. 174 Dass er zum RWoK ernannt würde, war Ley selbst schon einige Tage vorher bekannt. Vgl. einen Vermerk des RFM Schwerin v. Krosigk vom 21. Okt. 1942 über eine Besprechung mit Ley, in der dieser ihn auch über die geplante Behelfsheim-Aktion unterrichtete. In: BA Berlin, R 2, Nr. 18 564a, Bl. 31. Die Befugnisse, die Ley am 23. Okt. als RWoK erhielt, waren trotz einer erheblichen Kompetenzerweiterung gegenüber dem RKSW keineswegs total. In einer geheimen Vereinbarung mit Ley hatte sich Speer zuvor entscheidende Kompetenzen für ein künftiges Reichsbauministerium

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ten Speer und Ley die »Schaffung von Behelfsunterkünften für Bombengeschädigte« angeordnet,175 zunächst als »Sondermaßnahme«. Ein knappes Jahr später, am 9. September 1943, wurde die »Son­dermaßnahme« ausgeweitet und Ley das »Deutsche Wohnungshilfswerk« übertragen, d. h. die flächendeckende Errichtung von Behelfsunterkünften.176 Zentraler Bauträger und zugleich Koordinator der Errichtung der im Volksmund auch »Ley-Lau­ben«, »Ley-Buden« oder schlicht »Hundehütten« genannten provisorischen Unterkünfte sollte die oben vorgestellte Bauhilfe GmbH der Arbeitsfront sein.177 Die Auswahl der »Einzelsiedler« aus der rasch wachsenden Zahl der Bombengeschädigten, die in den Behelfsheimen untergebracht werden sollten, lag dagegen in der Verantwortung der örtlichen DAF-Stel­len.178 Anfangs errichtete die Bauhilfe selbst auch größer dimensionierte Behelfsunterkünfte, zum Teil zweistöckige Baracken mit bis zu 16 Wohnungen. Das Programm, zweigeschossige »Behelfsunterkünfte für Bombengeschädigte« zu errichteten, wurde offiziell erst im Frühjahr 1944 eingestellt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Zahl der beanspruchten Arbeitskräfte und ebenso der Materialverbrauch in keinem Verhältnis zum Ergebnis standen. Schon zuvor waren die Bauhilfe, die Deubau und die anderen mit dem Wohnungshilfswerk beauftragten Bauunternehmen dazu übergegangen, kleine Behelfsunterkünfte vornehmlich aus Holz für Einzelfamilien aufzubauen.179 Außerdem halfen die

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gesichert. Vgl. Vermerk von Gölz vom 24. Okt. 1942, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 251, Bl. 256 f. Abgedruckt in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 322, bzw. Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 403 f. Zum RWoK vgl. außerdem vor allem Recker, Reichskommissar, S. 347 ff.; Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung, S. 342-345. Im Wortlaut in: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 401. RGBl. 1943, I, S. 535. Diese Verordnung und außerdem alle wichtigen Anordnungen Leys und Speers auch in: BA Berlin, R 11, Nr. 353, Bl. 134-137. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 37 f.; ferner Recker, Sozialpolitik, S. 252. Nach einem Erlass Leys vom 22. Sept. 1943 (im Wortlaut in: BA Berlin, Rep. 12 I, Nr. 258) konnten neben der Bauhilfe und anderen »wirtschaftlichen Unternehmen« auch »Gemeinden und Gemeindeverbände« sowie »Einzelpersonen« als Träger des Behelfsheim-Baues fungieren. Bemerkenswert ist im Übrigen, dass zumindest einzelne Großunternehmen, etwa die Mannesmann-Röhrenwerke, ab Jan. 1944, tätig wurden und auf eigene Faust Behelfsheime für ausgebombte Belegschaftsangehörige errichteten, die im Zuge eines »späteren Ausbaus« in den betriebseigenen Wohnungsbesitz integriert werden sollten. Vgl. BA Berlin, Rep. 12 I, Nr. 260. Die örtlichen DAF-Stellen waren außerdem angewiesen, Baukarten, die zum Bezug nicht erfasster Rohstoffe berechtigten, und Baufibeln, die notwendiges Wissen zum Aufbau und zur Einrichtung von Behelfsheimen in kompakter Form präsentierten, auszugeben. Vgl. entsprechende, namentlich meist nicht gezeichnete Artikel u. a. in: VB vom 22. Jan. und 17. Febr. 1944; National-Zeitung vom 2. Febr. und 16. März 1944. Zu den Abmessungen der beiden standardisierten Grundtypen (Reichstyp 001 sowie Kriegseinheitstyp), zu den verwendeten Rohstoffen etc. vgl. die Grundrisse, Querschnitte und Beschreibungen in: BA Berlin, R 11, Nr. 353, Bl. 133; ferner Arne Keilmann, Normung als Kriegsaufgabe – Ernst Neufert und die Behelfsunterkünfte für Bombengeschädigte, in: ‹http://www.architektur-geschichte.de/pages/neufert_

der baukonzern in den letzten kriegsjahren DAF-Unternehmen ausgebombten Reichsdeutschen bei der Beschaffung von Möbeln, Matratzen und anderem Hausrat. Infolge des Auftrags des RWoK an die Bauhilfe, zum Scharnier zwischen seiner Behörde und der privaten Bauwirtschaft zu werden und daneben in möglichst umfangreichem Maße auch selbst als Bauunternehmen tätig zu sein, wuchs die Zahl der in den Zentralbetrieben der Bauhilfe (ohne Bau­höfe) beschäftigten Arbeiter und Angestellten geradezu explosionsartig. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion hatte die Bauhilfe ihre Tätigkeit erheblich zurückfahren müssen und war die Belegschaft entsprechend stark geschrumpft. Im Frühjahr 1942 arbeiteten in der Zentrale der Bauhilfe nur noch 35 Angestellte. Die Beauftragung vom November 1942 markierte hier eine grundlegende Wende. Ende 1943 war der personelle Apparat der Bauhilfe allein in der Zentrale auf 1.020 Angestellte (inkl. 386 »betriebseigene Facharbeiter«), 526 deutsche Facharbeiter (»Reichsarbeitseinsatz«) und 11.406 Ostarbeiter angewachsen. Letztere konnten als Baukolonnen auch an andere Bauunternehmen ›ausgeliehen‹ werden. Diese Zahlen, die weder die auf den Bauhöfen beschäftigten Arbeitskräfte noch die Belegschaften auf den bis zur Jahreswende 1942/43 in Linz, Kattowitz, Kiel, Köln und Klagenfurt errichteten Zweigstellen180 einschließen, und hier wie­derum die Angaben zur Zusammensetzung der Gesamtbelegschaft, bedeuten nichts anderes, als dass die Tätigkeit dieses Arbeitsfront-Unternehmens – und ähnlich des gesamten DAFBaukon­zerns – in der zweiten Kriegshälfte auf extensiver Zwangsarbeit basierte.181 Statt der vom RWoK vollmundig angekündigten eine Million Behelfsheime wurden im Rahmen des Wohnungshilfswerks bis zum 1. Oktober 1944 lediglich 77.000 provisorische Unterkünfte errichtet.182 Davon wurden 22.000 oder bfb_textpag.html› (aufgerufen am 26. Febr. 2010); Werner Durth/Niels Gutschow, Träume in Trümmern. Stadtplanung 1940-1950, München 1993, S. 60; Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 269. 180 Die Zweigstellen in Linz, Kattowitz und Kiel wurden bis Anfang 1944 vor dem Hintergrund allgemeiner Arbeitskräfteknappheit und auch sonst begrenzter Ressourcen wieder aufgelöst. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 38 f. 181 Ebd. Vgl. auch Kapitel 9, S. 538 f. Die Zahl der »ständig« für die Bauhilfe eingesetzten Fahrzeuge lag Ende 1943 bei 140 PKW und LKW, die der »zeitweise« in Anspruch genommenen bei mehr als 300. 182 Vgl. Vorlage Klauß vom 29. Jan. 1945, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 299, Bl. 71 f., hier: Bl.  71. Im Wortlaut auch in: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 331. Zur regionalen Verteilung vgl. eine Statistik vom 10. Aug. 1944, die Ley an Bormann sandte, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 299, Bl. 57-59, sowie Berichte der einzelnen Wirtschaftskammern an die RGI über den Stand des Behelfsheimbaues (und weiteren Schriftwechsel) im letzten Kriegsjahr in: BA Berlin, Rep. 12 I, Nr. 259. Bis zum Hochsommer 1944 waren 53.000 Behelfsheime fertiggestellt worden, weitere 23.000 in Bau. Vgl. Aktenvermerk über eine Besprechung mit Brecht (Leiter des Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens) vom 4. Aug. 1944, in: BA Berlin, Rep. 12 I, Nr. 258 bzw. Nr. 259. Zum Behelfswohnungsbau ausführlich: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 69 ff.; Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik, S. 419 ff.; Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 267-271. Weitere

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knapp 30 % (28,6 %) von DAF-eigenen Bauträgern aufgebaut.183 Die Bauhilfe der Arbeitsfront gab darüber hinaus im Rahmen einer Sonderaktion noch 1.455 »finnische Holzhäuser« mit 2.910 Wohneinheiten bei finnischen und deutschen Fabriken in Auftrag; bis Jahresende waren davon fast alle (1.423) ausgeliefert und von Wohnungsbaugesellschaften der Arbeitsfront bzw. durch Bauträger der Reichsbahndirektion in den von frühen Bombenangriffen besonders betroffenen Großstädten vor allem des Rheinlands und Westfalens montiert.184 Die konkreten Ergebnisse des Ley’schen Notwohnungsbaues waren zwar ausgesprochen mager. Das hinderte den DAF-Wohnungs­baukonzern aber nicht daran, die Ley als Reichswohnungskommissar übertragenen Kompetenzen zu nutzen, um den Druck auf die unabhängigen gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen auszuüben, sich den Gesellschaften der Arbeitsfront einzugliedern.185 Reibereien nicht nur mit diesen Unternehmen und Kommunalverwaltungen, sondern auch einzelnen Gauwohnungskommissaren bzw. deren Beauftragten waren die Folge.186 Aber nicht nur die Neue Heimat-Gesellschaften und andere DAF-Bauunternehmen kämpften mit harten Bandagen. Das konnten auch andere. So versuchten manche Gauwohnungskommissare ihrerseits regionalen Bauträgern eine Monopolstellung zu verschaffen – und die Neue Heimat wie auch andere Firmen an den Rand zu drücken. Der Beauftragte des Danzigwestpreußischen Gauwohnungskommissars beispielsweise wollte die Neue Heimat im Frühjahr 1944 zwingen, Baugrundstücke an die von ihm protegierte »Ostdeutsche Bau- und Maschinenbauindustrie GmbH« abzugeben, »also gewissermaßen zu enteignen«.187 Die Bauhilfe der DAF wiederum sollte im ostpreußischen Nachbargau der »Ostdeutschen Bau- und Maschinenbauindustrie

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umfängliche Schriftwechsel, Anordnungen etc. mit den Versprechungen Leys und zu seinen Aktivitäten des RWoK findet sich in: BA Berlin, R 11, Nr. 353. Nach: o.V., Die DAF schafft neuen Wohnraum, in: »Angriff« vom 26. Okt. 1944. Vgl. auch die Angaben in den Berichten der Bauhilfe für Jan. und Febr. 1944, vom 31. Jan. bzw. 29. Febr. 1944, in: BA Berlin, R 4002, Nr. 139, Bl. 6 bzw. Bl. 105. Danach mutierte die Behelfsheim-Aktion zur Sisyphosarbeit: Von den durch die Bauhilfe eGmbH im Monat Jan. 1944 lediglich 147 »bezugsfertigen« Behelfsunterkünften sowie 120 »bezugsmöglichen« Ley-Lauben (»ohne Installation«, also sanitäre Anschlüsse) wurden 55 (20,6 %) wieder zerstört, von den im Febr. 1944 fertiggestellten 186 provisorischen Unterkünften für »arische Volksgenossen« mit und 102 ohne Wasseranschluss wurden 58 (19,1 %) Behelfsunterkünfte »durch Feindeinwirkung vernichtet«. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 97), Bl. 39. Vgl. Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 277. Vgl. die Kontroverse zwischen dem Beauftragten des Danzig-westpreußischen Gauwohnungskommissars mit der dortigen Neuen Heimat, bei der es darum ging, welcher Typus von Behelfsheimen gebaut wurde. Die Folge des Streits und weiterer »größerer Verwirrungen im Gau Danzig« war, dass der Beauftragte des Gauwohnungskommissars der Neuen Heimat mindestens vorübergehend die Errichtung von Behelfsheimen verbot. Vgl. Vermerk vom 13. April 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 31. Vgl. Oberpräsident der Provinz Ostpreußen an ZfF/AWU vom 3. Juni 1944 sowie (Zitat:) Amtsleiter des AWU (Direktor Weissbach) an den RWoK (zu Hd. FischerDieskau) vom 10. Juni 1944, in: ebd.

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GmbH« 1.500 jüdische Zwangsarbeiter zu Verfügung stellen, ein Ansinnen, das die Bauhilfe umgehend ablehnte.188 Auch wenn der DAF-Baukonzern in den meisten Regionen stark genug blieb, derartige Angriffe abzuwehren, so war seine Position doch ziemlich unmittelbar abhängig von der politischen Stellung Leys im Herrschaftsgefüge der NS-Diktatur. Sein ›Pech‹ war, dass der Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion Albert Speer, als »Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft« (GB-Bau) ein Rivale Leys, war 1942 und 1943 weit mächtiger als der Chef der Arbeitsfront. Speer ließ Ley an der ausgestreckten Hand verhungern. Er war nicht bereit, dem Reichswohnungskommissar die erforderliche Menge Rohstoffe und die benötigten Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen und versagte Ley Mitte Februar 1943 rundweg die Zuteilung der von diesem erbetenen 100.000 Tonnen Eisen.189 Selbstredend ließ sich das mit kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten begründen: Militärische Bauten besaßen Priorität gegenüber einer ausreichenden Versorgung der ausgebombten Bevölkerung auch nur mit kärglichen Notwohnungen. Spätere Vorschläge der Behörde des RWoK als Reaktion auf derartige Rohstoffdefizite muten mitunter skurril-verzweifelt an, etwa wenn Leys Reichskommissariat ab Hochsommer 1944 den Bau von Lehmhütten für deutsche »Volksgenossen« propagierte.190 In den letzten Kriegsmonaten kam der Behelfsheim-Bau völlig zum Erliegen. Die Belegschaften der in den östlichen Gebieten des »Großdeutschen Reiches« tätigen Neue Heimat-Gesellschaften, die in den letzten Kriegsjahren überwiegend aus Fremdarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häft­lin­gen bestanden, wurden angesichts der »näherrückenden Ostfront […] weitestgehend in den Kreis der vorsorglich zu treffenden Abwehrmassnahmen einbezogen« und mussten »im nach Osten gelegenen Vorfeld Verteidigungslinien errichten«.191 Und auch die Neue Heimat-Gesell­schaf­ten selbst unterstellten sich bereitwillig »mit ihrer gesamten Belegschaft« den jeweiligen Einsatzleitern der Organisation Todt.192 Baracken für Fremdarbeiter Lager und mit ihnen Baracken traten bereits zu Beginn der dreißiger Jahre ihren »Siegeszug« an. Sie wurden keineswegs nur für »Gemeinschaftsfremde« errichtet, 188 Vgl. ebd. sowie NH Ostpreußen an den Amtsleiter des AWU (Direktor Weissbach) vom 5. Juni 1944, in: ebd. 189 Vgl. Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 264. 190 Vgl. Aktenvermerk vom 4. Aug. 1944 über eine Besprechung beim RWoK am 3. Aug. 1944, in: BA Berlin, Rep. 12 I, Nr. 258. 191 NH Danzig-Westpreußen an das AWU vom 3. Aug. 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 31. 192 Vgl. NH Danzig an den OT-Einsatzleiter im Bezirk der Rüstungsinspektion XX vom 3. Aug. 1944, als Anlage, in: ebd. Die Unterstellung unter die OT erfolgte ohne »vorherige Fühlungnahme mit Berlin«, d. h. mit der dortigen DAF-Zentrale.

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sondern galten nationalsozialistischen Zeitgenossen durchaus positiv auch als »naturbedingter Ausdruck für die Entfaltung des deutschen Zeitgenossen«.193 Während des Krieges trat zwar die repressive, disziplinierende und aussondernde bzw. hierarchisierende Seite der Lager in den Vordergrund, und mit ihnen Baracken als die dominierende Form der Lagerunterkunft  – je länger der Krieg andauerte, desto stärker. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch deutsche »Volksgenossen« weiterhin und nach den Bombenangriffen sogar verstärkt in den primitiven Unterkünften provisorischer Lager lebten. Insbesondere die Behelfsheime im Rahmen des Wohnungshilfswerks, die letztlich nicht mehr waren als größere Holzschuppen, ließen die Baracke darüber hinaus zum Symbol von Not und Improvisation werden. Symptomatisch ist, dass die DAF noch Ende Januar 1944 »eine fabrikmäßig hergestellte Einfamilien-Leichtbaracke« in den Mittelpunkt einer Ausstellung des Deutschen Wohnungshilfs­werkes über Muster-Behelfsheime in Bad Salzuflen stellte. Die Aufstellung dieser Einfamilien-Leicht­ba­racke »dauert nur 15 Minuten«, berichtete Ley bei der Eröffnung der Ausstellung stolz. Sie sei so »leicht«, dass »ein einziger Gueterzug [davon] 3.000 Stueck transportieren kann«.194 Im Alltag des »Altreichs« omnipräsent waren Baracken freilich weniger aufgrund derartiger Einfamilien-Leichtbaracken oder sonstiger Behelfsunterkünfte für deutsche »Volksgenossen«; deren Zahl blieb insgesamt überschaubar. Zum schließlich selbstverständlichen Bestandteil vor allem in Industrieregionen wurden Baracken hauptsächlich deshalb, weil in ihnen die schließlich viele Mil­ lionen zählenden Fremdarbeiter untergebracht wurden. Baracken wurden in Serien hergestellt, waren preiswert, ließen sich leicht auf- und abbauen – und erlaubten ein vergleichsweise rasches Verschieben auch größerer Arbeitermassen je nach kriegswirtschaftlichem ›Bedarf‹. Die Arbeitsfront hatte mit der Errichtung von Barackenlagern für ausländische Arbeitskräfte bereits im Zusammenhang mit dem Bau des 630 Kilometer langen Westwalles von Mai 1938 bis September 1939 Erfahrungen gesammelt.195 Seit dem 15. Juni 1938 war die DAF u. a. für die Bereitstellung eines Teils der Unterkunftsräume der insge­samt etwa 350.000 überwiegend in Barackenlagern 193 Adolf Mertens, Schulungslager und Lagererziehung, Dortmund 1937, S. 7, nach: Kiran Klaus Patel, »Auslese« und »Ausmerze«. Das Janusgesicht der nationalsozialistischen Lager, in: ZfG, 54/2006, S. 339-365, hier: S. 339. 194 Kölnische Zeitung vom 23. Jan. 1944, nach: OMGUS, The German Labor Front in the 5 th year of war (Anm. 138), S. 56. 195 Zwar spielte die DAF bereits in den Barackenlagern der ab 1934/35 für den Autobahnbau zusammengefassten Arbeitskräfte eine wichtige Rolle, allerdings in erster Linie bei deren »Freizeitbetreuung«. Die Beschaffung und der Aufbau der Unterkunfts-, Wirtschafts-, Küchen- und »Gemeinschafts«-Baracken blieben zunächst »Angelegenheit der Bauleitung der Reichsautobahn oder der herangezogenen Unternehmerfirmen«. Das änderte sich sukzessive erst ab 1938. Vgl. (inkl. Zitate): »Tätigkeit der DAF auf dem Gebiet der Gemeinschaftslager, der Erstellung von Arbeiter-Baracken-Lagern und deren Bewirtschaftung«, o.V., o.D. (1944), S. 2, in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 3.

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unterge­brachten Westwall-Arbeiter zuständig.196 Die von der DAF dort gewonnenen Erfahrungen veranlassten den Beauftragten für den Vierjahresplan Hermann Göring am 4. September 1940, in »Richtlinien« über die Behandlung der im Ruhrbergbau beschäftigten westeuropäischen Fremdar­beiter festzulegen, dass diese in geschlossenen Lagern unterzubringen und die Lager selbst von der Ar­beitsfront zu betreuen seien.197 Die Verfügung Görings wie­derum war für die DAF der Anlass, noch im September 1940 das bisherige »Sozialamt« zum »Amt für Arbeits­ein­satz« auszubauen. Dieses Amt wurde in der Folgezeit für alle Aspekte der der Arbeitsfront übertragenen »Fremdarbeiter-Betreu­ung« zuständig. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion und dem Einströmen von Millionen von »Ostarbeitern« wuchs der Arbeitsfront und ihrem »Amt für Arbeitseinsatz« damit ein in seiner kriegswirtschaftlichen Bedeutung kaum zu überschätzendes Aufgabenfeld zu. Formalisiert wurde die Pauschalkompetenz der »Fremdarbeiterbetreuung« – und damit auch des Aufbaues von Fremdarbeiterlagern – durch den thüringischen NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel. Sauckel gab am 7. Mai 1942, d. h. wenige Wochen nachdem er zum »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« ernannt worden war, einen Erlass heraus, mit dem er die Befugnisse, die die DAF in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft bereits vorher wahrgenommen hatte, auf die gesamte In­dustrie ausweitete. Diese Kompetenz machte wiederum die »Vermögens-Verwaltung der DAF GmbH, Abt. Arbeiter-Ba­rackenbau-Lager« für einen großen Teil sämtlicher Fremdarbeiterlager zum entscheidenden Bauträger – insbesondere für die von der Arbeitsfront errichteten sog. Gemeinschaftslager.198 Um diese Aufgabe bewältigen zu können, gründete die Abt. Arbeiter-Ba­rackenbau-Lager der Arbeitsfront Anfang April 1941 eine Häuser- und Barackenbau GmbH mit Sitz in BerlinCharlottenburg. Mehrheitsgesellschafter war die Arbeitsfront bzw. ihre Vermögensverwaltung, Mitgesellschafter das Reichssicherheitshauptamt der SS sowie das Reichsarbeitsministerium.199 Diese Barackenbau GmbH errichtete ab 1941 in allen Regionen des »Altreiches« Lager für ausländische Zivilarbeiter. Darüber hinaus stand die DAF-Gesellschaft einzelnen Unternehmen mit Rat und Tat bei 196 Ley selbst hatte – in seiner Funktion als Reichsorganisationsleiter der NSDAP – die DAF damit beauftragt. Am 6. Juli 1938 wurde das Sozialamt der DAF durch Ley – nun in seiner Funktion als Chef der DAF – mit der Betreuung der bei den »Bauvor­haben ›West‹ und ›Ost‹« beschäftigten Arbeiter betraut. Vgl. Marrenbach, Fundamente des Sieges, S. 178 ff. Für den Westwall und andere große Baupro­jekte des NS-Regimes wurden Arbeitskräfte aus insgesamt 17 Natio­nen geworben. 197 Vgl. Herbert, Fremdarbeiter, S. 100. 198 Bereits bevor Sauckel die DAF mit der »Fremdarbeiterbetreuung« beauftragte, spielte die Organisation hier eine führende Rolle. Nach Angaben des »Wirtschaftsdienstes« vom 23. Febr. 1942 betreute die DAF Anfang 1942 insgesamt 4.580 »Gemeinschaftslager«. Von diesen verwaltete die Arbeitsfront fast ein Viertel (1.003) direkt. 199 Vgl. Rundschreiben des DAF-Amtes für Arbeitseinsatz an alle Gauobmänner der Arbeitsfront­bzw. deren »Vertreter im Amt« vom 15. April 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 262.

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der Beschaffung von Baustoffen und Baumaschinen, bei der Finanzierungsberatung usw. zur Seite, wenn diese eigene Fremdarbeiterlager aufbauen wollten.200 Zumeist wurden die »Vermögens-Ver­waltung der DAF GmbH, Abt. ArbeiterBaracken­bau-La­ger« und die Häuser- und Barackenbau GmbH lediglich koordinierend tätig, »unter Zuhilfenahme eines örtlichen Architekten« sowie »ein oder mehrerer, in der Regel örtlicher Unternehmer«, die seitens der lokalen Arbeitsfrontstelle »mit der praktischen Ausführung beauftragt« worden waren.201 Für die Fremdarbeiterlager wurde in der Regel auf leicht zu montierende, serienmäßig hergestellte Holzbaracken zurückgegriffen, überwiegend des Typs »R.A.D.« (Reichsarbeitsdienst). Massive Flachbauten waren die Ausnahme. Je länger der Krieg andauerte, desto mehr wurde die Beschaffung von Holz als zentralem Baustoff zum Problem. Diese Mangellage erlaubte es der Arbeits­front schon vor dem Sauckel-Er­lass vom Mai 1942, »bautechnisch« in eine Schlüsselposition zu gelangen. Bereits im Frühjahr 1941 klagte die Reichsgruppe Industrie in einem Runderlass an die Wirtschaftsgruppen und Industrieabteilungen der Wirtschaftskammern, dass der Barackenbau für Betriebe mit ausländischen Arbeitern schwierig würde, weil ›normale‹ Dienststellen in zunehmendem Maße »nicht mehr über ausreichende Kontingentsmengen von Bauholz verfügen«. In solchen Fällen sei, so empfahl die RGI, die »Sonderdienststelle Lagerbau« innerhalb des für die »Fremdarbeiterbetreuung« zuständigen DAF-Amtes für Arbeitseinsatz einzuschalten; denn diese Stelle verwalte umfängliche eigene Holzkontingente.202 Im April 1941 hatte auch der Reichsarbeits­minister die Unternehmen in einem Erlass darauf hingewiesen, dass sich die Arbeitsfront bereit erklärt habe, den Unternehmer als »Bauherrn bei der zentralen Beschaffung von Baracken, die der Unterbringung der in den nächsten Wochen zusätzlich einzusetzenden Arbeitskräfte in den kriegswichtigen Betrieben dienen sollen«, beizustehen und benötigte Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Alle diesbezüglichen »Anforderungen« seien an die »Sonderdienststelle Lagerbau« des DAF-Amtes zu richten, die dann »die zur Herstellung der Baracken erforderlichen Baustoffkontingente von dem zuständigen Baustoffträger« anfordere.203 200 Vgl. Andreas Heusler, Ausländereinsatz. Zwangsarbeit für die Münchner Kriegswirtschaft 1939-1945, München 1996, S. 214; Herbert, Fremdarbeiter, S. 127; Linne, DAF und die Freizeit- und Sozialpolitik, S. 75 f.; Walter Struve, Aufstieg und Herr­schaft des Nationalsozialismus in einer industriellen Kleinstadt. Osterode am Harz 1918-1945, Essen 1992, S. 431 f. 201 »Tätigkeit der DAF auf dem Gebiet der Erstellung von Arbeiter-Baracken-Lager« (Anm. 195). Über das konkrete Procedere bietet z. B. die Abrechnung der DAF-Vermögensverwaltung an die DAF-Bauüberwachung noch vom 19. Febr. 1945 (in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 6) Aufschluss. 202 Runderlass der RGI vom 26. April 1941 an die Wirtschaftsgruppen und Industrieabteilungen der Wirtschaftskammern, in: BA Berlin, R 11, Nr. 1242, Bl. 121 u. Rs. bzw. 122 u. Rs. 203 Erlass des RAM vom 3. April 1941, als Anlage zu: Runderlass der RGI vom 22. April 1941 an die Wirtschaftsgruppen und Industrieabteilungen der Wirtschaftskammern, in: ebd., Bl. 123 u. Rs.

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Unter dem Strich ist die Stellung der Häuser- und Barackenbau GmbH bei der Errichtung von Fremdarbeiterlagern nicht überzubewerten. Trotz nominell weitreichender Kompetenzen dieser DAF-Gesellschaft waren viele private Unternehmen und Auftraggeber in den Bau von Baracken für ausländische Arbeiter eingeschaltet; aktiv wurden nicht zuletzt zahlreiche kommunale sowie betriebliche Bauträger. Vor allem in den letzten beiden Kriegsjahren war angesichts immer gewaltigerer Zerstörungen Improvisation gefragt. Die nominelle Bau­ trägerschaft spielte allenfalls eine untergeordnete Rolle. Bordellbaracken »zum Schutze der deutschen Frau und des deutschen Blutes« Lediglich in einer Hinsicht gelang es der DAF, sich im Rahmen der »Fremdarbeiterbetreuung« und der dafür notwendigen Bautätigkeiten Ansätze eines Monopols zu verschaffen – bei der Errichtung von Unterkünften von Prostituierten für ausländische Arbeitskräfte. Bereits zu Beginn des Frühjahres 1939 hatte Hitler in Erwartung des bevorstehenden Kriegs die Einrichtung von Bordellen für Ausländer gewünscht.204 In einem Erlass vom 7. Dezember 1940 rief die Parteikanzlei die NSDAP-Gauleiter dazu auf, aktiv zu wer­den und zu verhindern, dass sich die sexuellen Bedürfnisse ausländischer Arbeitskräfte unkontrolliert entluden. Einzelne Großunternehmen wie die IG Farbenindustrie, die Tausende von ausländischen Arbeitskräften beschäftigte, waren sich bereits frühzeitig des Problems bewusst. Sie hatten schon vor dem Erlass auf eigene Faust »im Interesse unserer einheimischen deutschen Bevölkerung« Verhandlungen mit der DAF sowie der örtlichen Polizei-Leitstelle über die Errichtung von Fremdarbeiter-Bordellen aufgenommen, die IG Farben Wolfen bereits im Frühjahr 1940.205 Nachdem im Herbst 1941 die Industrie des »Altreichs« immer stärker auf den Zwangseinsatz von ausländischen Arbeitskräften umgestellt wurde, schien der flächendeckende Aufbau von Bordellbaracken für »fremdvölkische Arbeiter« zunehmend dringlicher, »in erster Linie zum Schutze der deutschen Frau und des

204 Die Absicht zur Einrichtung von Bordellen für Fremdarbeiter aus rassistischen Gründen »geht zurück auf einen Befehl des Führers vom April 1939«. Vermerk vom 17.  Sept. 1941 über eine Besprechung im RSHA mit Vertretern der DAF, des RAM und des RWoK am 16. Sept. 1941, in: BA Berlin, R 11, Nr. 1243, Bl. 86 ff., hier: Bl.  86. Zum Gesamtkomplex der Bordellbaracken für ausländische Arbeitskräfte vgl. bereits Herbert, Fremdarbeiter, S. 77, 126 f.; außerdem Spoerer, Zwangsarbeit, S. 202-205; Heusler, Ausländereinsatz, S. 212-222; Michaela Freund-Widder, Frauen unter Kontrolle. Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in Hamburg vom Ende des Kaiser­reichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik, Münster 2003, S. 175-179; Christa Paul, Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus, Berlin 1994, bes. S. 118-122, 223; Smelser, Hitlers Mann, S. 267. 205 Die IG Farben-Werke Wolfen und Schkopau sowie das Buna-Werk errichteten ihre Bordellbaracken in Eigenregie, da die Barackenbau GmbH der DAF »erheblich teurer baut«. Vgl. IG Farbenindustrie Wolfen an die IG Farbenindustrie Premnitz vom 6. März 1942, in: BLHA Potsdam, Pr. Br. 75, IG Farben-Werk/Premnitz, Nr. 1788.

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deutschen Blutes«.206 Unter dem Vorsitz der DAF-Gauwalter sollten die Leiter der Polizei-Kriminal-Leitstellen, die Präsidenten der Landesarbeitsämter und die jeweiligen Kommunaldezernenten zusammenkommen und über Zahl, Größe und Standorte der Ausländerbordelle in den einzelnen Bezirken beraten. Mit der Gründung der Barackenbau GmbH der Arbeitsfront im April 1941 stand auch das Unternehmen für den Aufbau geeigneter Räumlichkeiten bereit. Für die Finanzierung kamen entweder die größeren Unternehmen am Ort207 oder die jeweiligen Kommunen auf.208 Wo dies nicht möglich war, sprangen die DAF oder ihre Häuser- und Barackenbau GmbH ein. Wenn die DAF-Barackenbau GmbH in der zweiten Kriegshälfte so engagiert auf dem Feld der Produktion und des Aufbaus von Bordellbaracken tätig war und zur sichtbaren Spitze eines gewinnträchtigen »gigantischen Zuhälter­wesens« (Ulrich Herbert) wurde, das um den »Fremdarbeitereinsatz« herum errichtet 206 Alle Zitate aus: Vermerk vom 17. Sept. 1941 über eine Besprechung im RSHA mit Vertretern der DAF, des RAM und der RWK am 16. Sept. 1941, in: BA Berlin, R 11, Nr. 1243, Bl. 86 ff., hier: Bl. 86. 207 Häufig wurden Gemeinschaftsabkommen mit der Häuser- und Barackenbau GmbH der DAF abgeschlossen. Vgl. z. B. den Vertrag zwischen den Arado-Flugzeugwerken/ Rathenow, den IG Farbenwerken Premnitz und Döberitz sowie weiteren vier Unternehmen mit dem DAF-Barackenbauunternehmen vom 12. Febr. 1942, in: BLHA Potsdam, Pr. Br. 75, IG Farben-Werk, Premnitz, Nr. 1788. Neben den IG Farben ­waren auch die Hermann-Göring-Werke in Linz Bordell-Pioniere. Vgl. Karl Fallend, Zwangsarbeiterinnen: (Auto-)Biographische Einsichten (NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der »Reichswerke Hermann Göring AG Berlin« 1938-1945), Wien/ Köln/Weimar 2001, Bd. 2, S. 105 ff. 208 Vgl. Heusler, Ausländereinsatz, S. 215-221; Christa Tholander, Fremdarbeiter 1939 bis 1945. Ausländische Arbeitskräfte in der Zeppelin-Stadt Friedrichshafen, Essen 2001, S. 271-275; Annette Schäfer, Zwangsarbeiter und NS-Rassenpolitik. Russische und polnische Arbeitskräfte in Württemberg 1939-1944, Stuttgart 2000, S. 156-160; dies., Zwangsarbeit in den Kommunen. »Ausländereinsatz« in Württemberg 19391945, in: VZG, 49/2001, S. 53-75, bes. S. 73 ff.; ferner Claudia Thoben, Prostitution in Nürnberg. Wahrnehmung und Maßregelung zwischen 1871 und 1945, Nürnberg 2007, S. 651; Ulrich Chaussy/Chri­stoph Püschner, Nachbar Hitler. Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg, Berlin 2007, S. 166. Vgl. ferner z. B. Annegret Hansch-Singh, Rassismus und Fremdarbeitereinsatz im Zweiten Weltkrieg, Berlin 1991, S. 169; Katharina Hoffmann, Zwangsarbeit und ihre gesellschaftliche Akzeptanz in Oldenburg 1939-1945, Oldenburg 2001, S. 217; Susanne Hohlmann, Pfaffenwald: Sterbe- und Geburtenlager 1942-1945, Kassel 1988, S. 61; Fabian Lemmes, Zwangsarbeit in Saarbrücken. Stadtverwaltung, lokale Wirtschaft und der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener 1940-1945, St. Ingbert 2004, S. 236 f.; Almuth Püschel, Zwangsarbeit in Potsdam. Fremdarbeiter und Kriegsgefangene, Potsdam 2002, S. 85; Elmar Blessing, Die Kriegsgefangenen in Stuttgart. Das städtische Kriegsgefangenenlager in der Ulmer Straße und die »Katastrophe von Gainsburg«, Stuttgart 2001, S. 42; Roman P. Smolorz, Zwangsarbeit im »Dritten Reich« am Beispiel Regensburgs, Regensburg 2003, S. 133; Ralf Stremmel, Kammern der gewerblichen Wirtschaft im »Dritten Reich«. Allgemeine Ent­wicklung und das Fallbeispiel Westfalen-Lippe, Dortmund 2005, S. 417; Littmann, Zwangsarbeiter, S. 564 f.; Jens-Christian Wagner, Die Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau Dora, Göttingen 2004, S. 175 f.

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wurde, dann war hierfür auch die bürgerliche Distinktion der reichsdeutschen Wirtschaftseliten verantwortlich. Es war ein klassisches Lehrstück in Sachen Doppelmoral: Die Industriellen und ihre Manager glaubten, dass ihre Betriebe auf »Fremdarbeit« angewiesen seien; ihnen war auch bewusst, dass sexuelle Bedürfnisse an den Grenzen von Nation und Rasse nicht haltmachten und hier eine wie auch immer geartete ›Abhilfe‹ geschaffen werden musste. Man wollte sich jedoch mit dieser ›unappetitlichen‹ Angelegenheit selbst die Finger nicht ›schmutzig‹ machen. In der zeitgenössischen Rhetorik: Die leitenden Persönlichkeiten der privatwirtschaftlichen Unternehmen machten »gewisse Bedenken« geltend, selbst den Besuch ›ihrer‹ Fremdarbeiter bei Prostituierten organisieren zu müssen. Sie hatten Glück und mussten die »gewissen Einrichtungen zur gesundheitlichen Versorgung der ausländischen freien männlichen Arbeiter«209 auch nicht in Eigenregie aufbauen und beaufsichtigen. Der Reichsarbeitsminister konnte Ende 1941 die ob der Aussicht, sich möglicherweise zu Bordellwirten aufschwingen zu müssen, pikierten Unternehmer beruhigen. Er könne versichern, »dass von der freien Wirtschaft nicht gefordert wird, die Errichtung von Bordellen oder gar ihre Verwaltung selbst in die Hand zu nehmen«.210 Es sei die Häuser- und Barackenbau GmbH, die »auf Veranlassung der Deutschen Arbeitsfront« nach reichseinheitlichen Richtlinien die »Planung und Errichtung der Bordellbaracken« organisieren würde. Auch »deren Verwaltung« werde durch die DAF unmittelbar veranlasst, konnte der Reichsarbeitsminister Unternehmer und Manager beruhigen. »Die Mitwirkung der Betriebe wird sich im Wesentlichen auf die Hergabe von Baugrund sowie auf die vorläufige Finanzierung der Bauvorhaben beschränken«.211 Finanziert wurde der Aufbau der »B.-Bara­cken« – wie die Bordelle im vercodeten Jargon der DAF und Unternehmer genannt wurden – durch eine anteilige Umlage aller Unternehmen, die mehr als zwanzig »fremdvölkische« Arbeitskräfte beschäftigten. Warum sprang die Arbeitsfront ein? Warum schulterte sie auch dieses ›unappetitliche‹ Geschäft, das ihr Image gewiss nicht verbesserte? Um den Ruf der DAF stand es ohnehin schlecht. Ihr Engagement für Bordelle konnte sie zudem als rassistisch grundierte ›vaterländische Pflicht‹ legitimieren. Zum einen lag es ohnehin auf der Hand, die DAF zu beauftragen. Sie hatte sich im Bereich der Lagerverwaltung und des Aufbaus von Barackenstädten profiliert und außerdem im Bereich der »Fremdarbeiterbetreuung« Erfahrungen gesammelt, lange 209 Zitat: IHK [München] an den »Betriebsführer oder Stellvertreter« der BMW-Flugmotorenwerke vom 21. Nov. 1941, in: BA Berlin, R 11, Nr. 1243, Bl. 19. Zum distanziert-pikierten Umgang der Unternehmen mit der Frage der möglichen Errichtung bzw. des Ausbaus von Bordellbaracken vgl. auch z. B. eine Aktennotiz der IG Farbenindustrie Berlin, Rechtsabteilung, vom 26. April 1942, in: BLHA Potsdam, Pr. Br.  75, IG Farben-Werk, Premnitz, Nr. 1788. 210 Schreiben des RAM an die »Adolf-Hitler-Spende« (zu Hd. Herrn Dr. Achenbach oViA) vom 18. Dez. 1941, als Anlage zu Rundschreiben der RWoK an die Industrieund Handelskammern vom 4. Febr. 1942, in: ebd., Bl. 13 u. Rs. (mehrere Exemplare). 211 Ebd., Bl. 16 u. Rs. und 18 u. Rs.

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bevor sie durch Sauckel damit förmlich betraut wurde. Ein weiterer Grund, warum sich manche DAF-Funk­tionäre nicht scheuten, zu Bordellbetreibern zu werden, war der seit der Jahreswende 1941/42 rasch wachsende Bedarf an immer mehr deutschen Soldaten. Für niedrige wie hohe DAF-Funktionäre gewann die Möglichkeit, in der Heimat weiterhin »kriegswichtigen« Aufgaben nachgehen zu können und nicht die Etappe mit der Front vertauschen zu müssen, gegen Kriegsende zunehmend an Attraktivität. Eher unwahrscheinlich ist es dagegen, dass die NS-Organisation auf Kompetenzzuwachs setzte; dazu war die faktische Zuhältertätigkeit selbst hartgesottenen DAF-Funktionären zu anrüchig. Anfänglich sollte die Arbeitsfront mit ihrem Unternehmen nur in Ausnahmefällen zum Zuhälter werden – wenn »infolge der Vielzahl der an diesen Einrichtungen interessierten Unternehmungen eine Finanzierung der [Bordell-]Firmen nicht möglich ist«.212 Die rasch anschwellenden Ströme an Fremdarbeitern aus ganz Europa machten aus der Ausnahme schon bald die Regel; die Baracken­bau GmbH der DAF engagierte sich flächendeckend im gesamten Altreich. Aufgrund des Mangels an Holz und anderen Baustoffen ging die Errichtung von Bordellen freilich nur schleppend voran. Der SD gab im November 1943 an, dass zu diesem Zeitpunkt »an ca. 60 Einsatzstellen Bordelle« für Ausländer mit »ca. 600 Prostituierten« in Betrieb seien; 50 wei­tere seien in Bau »und werden in Kürze ihrer Bestimmung übergeben«.213 Geplant waren weit mehr von diesen Einrichtungen; die Gesamtkosten aller Bordelle für Fremdarbeiter, die man aufzubauen plante, um »die Reinerhaltung des deutschen Blutes« zu sichern, wurden auf 25 Mio. RM geschätzt. Die Errichtung eines Ausländer-Bordells bezifferte der SD auf »im Durchschnitt RM 100.000,-«;214 andere Stellen gingen von deutlich geringeren Produktionskosten aus. Mittelfristig scheinen also mindestens 250 größere Fremdarbeiter-Bordelle geplant gewesen zu sein. Dass sich der Konzern der Arbeitsfront das anzügliche Geschäft mit Prostituierten gut bezahlen ließ und die Errichtung sowie den Unterhalt der Einrichtungen betriebswirtschaftlich kalkulierte, war naheliegend. Langfristig wollte man hohen Profit herausschlagen. So rechnete die Häuser- und Barackenbau GmbH »mit einer Amortisierung der Anlagen in etwa 7 bis 8 Jahren«,215 nach anderen Berechnungen sogar bereits nach zweieinhalb bis vier Jahren,216 und kalkulierte die Einnahmen »pro Zimmer und Frau inkl. volle Pension [auf ] etwa

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Rundschreiben des AfA an die DAF-Gauobmänner vom 15. April 1941 (Anm. 199). Meldungen aus dem Reich vom 29. Nov. 1943, Bd. 15, S. 6069 bzw. 6071. Ebd. Schreiben des RAM an die »Adolf-Hitler-Spende« vom 18. Dez. 1941 (wie Anm. 210). Vgl. Rundschreiben der Bezirksgruppe Ruhr an die Bergwerksdirektoren über die Einrichtung von Bordellen für ausländische Arbeiter vom 15. Sept. 1941, in: Klaus Tenfelde/Hans-Christoph Seidel/Jens Adamski, Zwangsarbeit im Bergwerk. Der Arbeitseinsatz im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Bd. 2: Dokumente, Essen 2005, S. 269 f. (Dok. 85).

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10,- RM«.217 Die Hoffnungen auf hohe und dauerhafte Gewinnmargen zerschlugen sich bekanntlich. In den letzten Kriegsmonaten wurde ein Teil der bis dahin errichteten »B.-Baracken« dann sogar ›zweckentfremdet‹, nämlich in Sanitäts­ baracken umgewandelt.

7.6. Selbst im Wohnungsbau: Kriegsfordismus Der Barackenbau für »deutsche Volksgenossen« wie für Fremdarbeiter und Prostituierte markiert die zugespitzte Form und zugleich die letzte Phase eines überbetrieblich wesentlich von der DAF forcierten Kriegsfordismus. Noch 1940 hatten sich die Arbeitsfront und ihr Baukonzern in den Bahnen einer klassisch fordistischen Argumentation bewegt, als sie versprachen, allen deutschen Volksgenossen große, gesunde und gleichzeitig erschwingliche »Volkswohnungen« zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel war ohne massiv reduzierte Produktionskosten nicht zu erreichen. Auf der Tagesordnung standen »Rationalisierung« und »Leistungssteigerung«. Massenfertigung und Massenkonsum bilden bekanntlich die beiden hervorstechenden Seiten des Fordismus. Massenfertigung und Massenkonsum – dafür wollten der Wohnungsbaukonzern und ebenso die anderen Säulen des DAF-Konzerns die Voraussetzungen schaffen. Kriegsfordismus als spezifischer Typus des Fordismus hebt per definitionem auf einen Primat des Bellizismus ab. Die Prioritäten werden auf Kriegsvorbereitung und -führung gelegt, die Produktionskapazitäten vordringlich für Aufrüstung und Kriegswirtschaft reserviert. Es bleibt beim Versprechen des Massenkonsums. Dass weite Teile der deutschen Wirtschaft ab 1933 bzw. spätestens ab 1936 einen solchen kriegsfordistischen Charakter besaßen, ist evident. Dem DAFKonzern kam hierbei die Aufgabe zu, dem Versprechen des Massenkonsums für deutsche Volksgenossen den Schein der Realitätstüchtigkeit zu verpassen und, in seiner Rolle als ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹, die Grundlagen für eine langfristig durchaus ernsthaft ins Auge gefasste, indes rassistisch segregierte fordistische Massenkonsumgesellschaft zu schaffen. Innerhalb des DAF-Baukonzerns kam der Sonderbau GmbH in diesem Zusammenhang die Rolle einer fordistischen Entwicklungsabteilung zu. Während die Sonderbau GmbH Wege suchen und erproben sollte, die Rationalisierung des Hochbaues voranzutreiben, hatten die Bauhilfe und die Deubau erfolgreich erprobte Formen der Rationalisierung auf breiter Basis zu verallgemeinern. Die Bauhilfe sollte Bauunternehmen moderne Geräte, Maschinen sowie neue funktionale Baumaterialien, möglichst »deutsche Werkstoffe«, und schließlich sogar Arbeitskräfte (Fremdarbeiter-Kolonnen) zur Verfügung stellen – und so 217 Die DAF Häuser- und Barackenbau GmbH an die Reichswirtschaftskammer vom 22. Dez. 1941, in: BA Berlin, R 11, Nr. 1243, Bl. 26. Ob die Arbeitsfront beim Aufbau und bei ihren betriebswirtschaftlichen Kalkulationen auf die Kenntnisse erfahrener Bordellwirte zurückgriff, geht aus den Unterlagen nicht hervor.

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der Massenfertigung im Hochbau den Weg bahnen. Die Deubau sowie die Baustoff- und sonstigen Baunebenbetriebe im Besitz der Arbeitsfront hatten auf Massenfertigung fußende und überhaupt vorbildlich organisierte Unternehmen zu sein, die auf die übrige private Bauwirtschaft eine Art Sogwirkung ausübten. Es nimmt vor diesem Hintergrund nicht wunder, dass die Deubau auch Vorreiter bei der Einführung und Ausweitung tayloristischer Produktionsregime war. (Der Implementierung klassisch-fordistischer Varianten der Fertigungstechnik und Arbeitsorganisation standen – und stehen – dagegen die Eigentümlichkeiten der Produktionsweise des Baugewerbes hinderlich im Wege.) Konkurrenz-basierte Kooperation: das Verhältnis zum Bau-Imperium Albert Speers Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass die Bauunternehmen der

DAF mit anderen, ebenfalls modern anmutenden baugewerblichen Unterneh-

menskomplexen kooperierten. Zu einer engen Zusammenarbeit kam es ins­ besondere mit einem Konglomerat aus privatwirtschaftlichen Unternehmungen und be­hördenähnlichen Sonderkommissariaten – mit dem Stadtplanungs-, ­Architektur- und Bauimperium Albert Speers. Auch dieses ›Imperium‹ verknüpfte ganz ähnlich wie der DAF-Konzern politische Funktionen – insbesondere Speers Stellung als »Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin« (GBI-Berlin) und als »Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft« (GB-Bau)218 – mit privatwirtschaftlichen Interessen zu einem unentwirrbaren Komplex.219 Die Kooperation zwischen diesen beiden ›Imperien‹ schloss Friktionen keineswegs aus. Die oben angesprochenen Konflikte um knappe Ressourcen und die Reibereien, die zwischen Ley und Speer sowie den Institutionen, denen diese vorstanden, immer wieder ausbrachen, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen beiden politisch-ökonomischen Imperien zu einer (wie ich das nennen würde:) konkurrenz-basierten Kooperation220 kam. Diese konkurrenzbasierte Kooperation hielt allen Konflikten zum Trotz bis in die letzten Kriegs218 GBI-Berlin war Speer 1937 geworden. Die Funktion des GB-Bau hatte Speer 1942 von Fritz Todt ›geerbt‹; dieser hatte das Amt des GB-Bau Ende 1938 erhalten. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang daran, dass Speer ab 1933 nicht zuletzt durch Ley gefördert worden war, u. a. indem dieser ihn zum Leiter des Amtes »Schönheit der Arbeit« gemacht hatte. Entgegen der – apologetischen und in vielerlei Hinsicht verzerrenden – Darstellung Speers in seinen »Erinnerungen« war das Verhältnis zwischen ihm und Ley über lange Strecken ausgesprochen einvernehmlich. 219 Vgl. Kapitel 10, S. 594ff. 220 Die Beziehungen der Funktionsträger und der Herrschaftsinstitutionen der Diktatur einschließlich der NS-Organisationen untereinander waren durch ein eigentümliches Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz charakterisiert. Speer war sich dieses auf seiner Rivalität mit Ley gründenden Spannungszustandes im Bereich der Baupolitik bewusst – und begrüßte noch 1944 den Wettstreit zwischen den »zwei Apparaten«, auch weil er deren Produktivität und »Schlagkraft« stimuliere. Vgl. Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, S. 60.

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monate. Dies gilt selbst für die Zeit nach dem 24. August 1944, als Ley aufgrund eines Hitler-Erlasses über den »Kriegseinsatz der Bauverwaltung« seine Kompetenzen als Reichs­wohnungs­kom­missar (RWoK) weitgehend an Speer abgeben musste. Die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten begann früh. Bereits im Januar 1939 hatte Speer das Architekturbüro der DAF unter Julius SchulteFrolinde beauftragt, für ihn in seiner Funktion als GBI-Berlin nach den »beim Westwallbau erprobten Methoden der Großbaustellen und der Techniken der Rationalisierung« nun auch für die geplante Mega-Metropole Berlin entsprechende Vorarbeiten für eine sehr viel weitergehende »Rationalisierung im Wohnungsbau« durchzuführen.221 Speer wusste, dass die Bau-Abteilung und das Architekturbüro der DAF schon länger mit entsprechenden Projekten befasst waren. Mit dieser »Verbindung« wurden die zwischen beiden Seiten schon vorher bestehenden lockeren Beziehungen zur DAF auf Dauer gestellt, zumal »die Interessenlage im Hinblick auf Großbaustellen, eilige Erprobung und weitere Rationalisierung auf beiden Seiten identisch« war.222 Architekturbüro und Bauabteilung der Arbeitsfront waren nicht das einzige Scharnier zwischen den Ley’schen Reichskommissariaten sowie dem DAF-Baukonzern auf der einen und dem Speer’schen Bau-Imperium auf der anderen Seite. Zwischen beiden ökonomisch-politischen Komplexen entstand ein zunehmend dichteres Netzwerk. So war 1941 dem Ley’schen Sonderkommissariat für sozialen Wohnungsbau neben anderen Abteilungen des Reichsarbeitsministeriums auch die 1898 gegründete, 1933 zunächst dem Reichsarbeitsministerium unterstellte Deutsche Akademie für Wohnungswesen e.V. 223 angegliedert worden. Der Abteilung B dieser Wohnungs-Akademie, die die »Rationalisierung des Bauvorgangs« zum Gegenstand hatte, schließlich 185 Mitarbeiter zählte und zum Bezugspunkt auch der Speer-Bauexperten wurde, stand Hans Schönbein vor, der Abteilung C (»Normung und Typung«) Hans Spiegel.224 Schönbein leitete gleichzeitig die 221 Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 99. 222 Ebd., S. 100. 223 Ley übernahm auch offiziell den Vorsitz dieser Akademie. Vgl. Arne Keilmann, Vom Verrat der eigenen Ideale. Planungen zum Wohnungsbau nach dem Kriege in der deutschen Akademie für Wohnungswesen e.V., in: Tilmann Harlander/Wolfgang Pyta (Hg.), NS-Architektur: Macht- und Symbolpolitik, Berlin 2010, S. 135-152; ders., Deutsche Akademie für Wohnungswesen e.V. Forschungsstelle des Reichswohnungskommissars zur Erzielung von Höchstleistungen im Bau- und Siedlungswesen (aufgerufen am 26. Febr. 2010 unter: ‹http://www.architektur-geschichte.de/pages/ neufert_bfb_textpag.html›.) 224 Leiter der Abt. A (»Grundsätzliche Fragen der Wohnungs- und Siedlungspolitik«) und Präsident der Akade­mie für Wohnungswesen wurde Bruno Schwan, seit den zwanziger Jahren Geschäftsführer des Deutschen Vereins für Wohnungsreform. Vgl. Keilmann, Deutsche Akademie für Wohnungswesen. Ein weiteres zentrales Forum der Kooperation zwischen den Bau-Rationalisierungsexperten war die »Deutsche Akademie für Bauforschung e.V.«, die 1920 als »Deutscher Ausschuss für wirtschaftliches Bauen« gegründet, 1934 umbenannt und 1937 von Berlin nach Dresden verlegt worden war. Seit den Vorkriegsjahren war diese Akademie als Expertenorgan

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Bauhilfe, also eines der drei Unternehmen innerhalb des DAF-Baukon­zerns, deren besonderes Anliegen die Rationalisierung des gesamten deutschen Baugewerbes war. Die Aka­demie, die u. a. die Musterentwürfe für die Ley’schen Behelfsunterkünfte auszuarbeiten hatte, und hier wiederum die von Schönbein geleitete Abteilung, waren zentrale Hebel, die diversen Rationalisierungsmaßnahmen im Hochbau auch praktisch zu forcieren. Dies geschah keineswegs nur im Interesse der DAF-Bauunternehmen. Auch andere große Unternehmen, z. B. Werke des Preussag-Konzerns, partizipierten an den Ergebnissen dieser Experten­f oren.225 Wohnungen am fließenden Band – die »Hausbaumaschine« Noch in den letzten Vorkriegsjahren hatten sich die einschlägigen Ämter der DAF intensiv mit Möglichkeiten einer Art Fordisierung des Wohnungsbaus befasst.226 Grundlage effizienter Rationalisierung waren die Normung und Typisierung von Wohneinheiten und -gebäuden. »Typisierung und Normung« wiederum, so formulierte Schönbein 1941 als Credo, müssten unmittelbar »mit industriellen Fertigungsmethoden verbunden« werden, um substantielle Rationalisierungseffekte zu erzielen.227 Das begann bei der Herstellung von Betonfertigteilen und Barackenelementen nach dem Baukastenprinzip. Der Industrieund Wohnungsbau selbst basierte auf dem Einsatz moderner Baumaschinen und Fließbänder und hatte eine möglichst weitgehende Einführung von »Fließarbeit« zum Ziel.228 Zudem ging es nicht nur um eine möglichst schnelle (»fließende«) und kostensparende Erstellung von Rohbauten. Eine »scharfe Begrenzung der Typenzahl« war auch z. B. für die Möbelfertigung (»Einheitsmöbel«) vorgesehen. Auf diesem Gebiet wie überhaupt im Bereich des Wohndesigns hatte das lange Zeit von Speer geleitete Amt »Schönheit der Arbeit« der Arbeitsfront seit Mitte der dreißiger Jahre mit Musterentwürfen wichtige Vorarbeiten geleistet.229 In der zweiten Kriegshälfte wurde diese Praxis vor dem Hintergrund der kriegs-

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für Fragen der Bautechnik institutionell eng mit dem GB-Bau, dem Reichsamt für Wirtschaftsausbau, dem Reichsarbeitsministerium sowie ab 1940 mit den Ley’schen Reichskommissariaten verflochten. Nachfolgeeinrichtung ist das 1946 gegründete Institut für Bauforschung e.V. in Hannover. Zur Biografie Schönbeins vgl. Anm. 96, zu der Spiegels Anm. 239. So erhielt neben den oben genannten DAF-Werken außerdem das Werk Rüdersdorf der Preussag dem Auftrag, Betonfertigteile für die Behelfsheime im Rahmen des Deutschen Wohnungshilfswerks zu konzeptualisieren und später dann seriell zu fertigen. Die Preussag war es auch, die zum Mehrheitseigner einer »Deutschen Fertigbau-Gesellschaft« wurde, die Massenunterkünfte für Ausgebombte und einfache Industriehallen lieferte und montierte. Vgl. Stier/Laufer, Von der Preussag zur TUI, S. 303. Vgl. Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, S. 30. Nach Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 27. Zitat: Harlander/Fehl (ebd., S. 100) in Anlehnung an entsprechende Forderungen des Bau-Rationalisie­rungs­ex­perten Wilhelm Lübbert. Vgl. Chup Friemert, Produktionsästhetik im Faschismus. Das Amt »Schönheit der Ar­beit«, München 1980, bes. S. 278, 285, 287 f.; ferner Peter Reichel, Der schöne

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bedingten Mangelwirtschaft auf die Spitze getrieben. Anfang 1944 verfügte Ley als RWoK, dass nur mehr »reichseinheitlich genehmigte Sparmodelle«, für die möglichst wenig Holz verbraucht werden musste, in möglichst hoher Stückzahl gefertigt werden durften.230 Einig waren sich der RWoK und der GB-Bau als die beiden ab 1942 wohnungspolitisch tonangebenden Instanzen sowie die mit ihnen verbundenen Bauunternehmen, dass Normung, Typisierung, »Rationalisierung«, Leistungssteigerung und fließende Fertigung den Behelfsheimbau wie den Wiederaufbau der zerstörten Städte und ebenso den »Deutschen Hausrat« prägen sollten. Umstritten war, ob der durchrationalisierte Wohnungsbau und ebenso die Stadtplanung der Zukunft einem reichsweiten Einheitstypus folgen sollten (wie Speer dies vorschwebte) oder aber variiert und regionalen Traditionen und Eigenheiten angepasst werden sollten (so der Wille des Reichswohnungskommissariats).231 Hinter dem letztgenannten Konzept, das der RWoK und die DAF, aber auch z. B. Walter Groß als der »rassepolitische« Wächter der NS-Bewegung232 favorisierten, standen im Unterschied zu den Vorstellungen des stärker technokratisch geprägten Speer deutlich rassistische Überlegungen. Die (so die Selbstbezeichnung:) »biologisch-organische« Variante hob auf vorgeblich rassische Unterschiede sowie »landschaftliche« Traditionen ab und funktionierte nach einer Art Baukastenprinzip: Die Grundelemente (»Reichs-Kernform«) waren identisch, die Fassaden (»gauweise Hülle«) sollten die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. Dies waren Differenzen im Detail. Das Prinzip der Rationalisierung stellte keine der beteiligten Seiten infrage. Selbst der an sich großstadtfeindliche Walter Groß wollte einen modernen Wohnungsbau mit »weitgehender Rationalisierung und Minimierung von Grundrisstypen«.233 Am 26. März 1945 for­mulierte Ernst Neupert, der langjährige führende Rationalisierungsexperte im DAFHeim­stät­tenamt und beim RWoK,234 in einer Denkschrift über »Normung im

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Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus, Frankfurt a. M. 19932, S. 316. Vgl. zur Rationalisierung im Wohnungsbau, der Möbelfertigung etc. neben Harlander (Heimstätte und Wohnmaschine) und Harlander/Fehl (Hitlers Sozialer Wohnungsbau) auch z. B. Werner Durth, Architektur und Stadtplanung im Dritten Reich, in: Michael Prinz/Rainer Zitelmann (Hg.), Nationalsozialismus und Modernisierung, 2. Aufl., Darmstadt 1994, S. 139-171, bes. S. 165; ferner Haerendel, Kommunale Wohnpolitik, S. 411 ff., oder Münk, Organisation des Raumes, S. 262. Vgl. hierzu und zum Folgenden Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 39-44; Durth/Gut­schow, Träume in Trümmern, bes. S. 61. Groß (1904-1945) war u. a. 1933 Gründer und Leiter des »Aufklärungsamtes für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege« (seit April 1934: »Rassenpolitisches Amt«) der NSDAP. Nach: Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, S. 65. Neupert (1910-?) hatte von 1930 bis 1933 an der Staatlichen Hochschule für Baukunst in Weimar studiert. 1938/39 leitete er die Planungsstelle Dresden des DAF-Heimstättenamtes. Ende 1939 übernahm er die Leitung der Hauptabteilung Städtebau und Wohnungsplanung des Reichsheimstättenamtes der Arbeitsfront und befasste sich

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Unterschiedliche Perspektiven auf die Hausbaumaschine (nach Ernst Neufert 1943) Abb. o. aus: Pahl-Weber/Schubert, Volksgemeinschaft, S. 337. Abb. u. aus: Harlander, Zwischen Großstadtfeindschaft und Bombenkrieg, S. 226.

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Bewegliche Schalungsmachinerie (nach Ernst Neufert 1943) Abb. aus: Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, S. 39.

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Wohnungsbau« die Devise, die alle führend am NS-Wohnungsbau Beteiligten einte: »Die zukünftigen großen Bauaufgaben verlangen eine weitgehende Rationalisierung«, die auf Normung und Typisierung als den zentralen »Maßnahmen zur arbeitssparenden Vereinheitlichung« basiere.235 Der Rationalisierungsfetischismus, dem die Protagonisten innerhalb des DAFBau­kon­zerns und ebenso des Speer-Bauimperiums frönten, trieb skurrile Blüten. So entwickelte etwa Ernst Neufert, der Rationalisierungsexperte Speers,236 1943 eine »bewegliche Schalungsmaschinerie« auf Rollen. Auf die Spitze getrieben wurde der Rationalisierungsfetischismus mit der gleichfalls auf Neufert zurückgehenden Idee einer »Hausbaumaschine«. Dahinter stand die Vorstellung von einer – zunächst für die Reichshauptstadt Berlin konzipierten – gigantischen, fabrik­ähnlichen Produktionsanlage, die als Kranbahn auf Schienen langsam vorwärts rollen sollte und dabei an der Vorderseite sozusagen mit Material und Arbeitskräften gefüttert wurde, damit an der Rückseite der bezugsfertige mehrgeschossige Wohnzellenbau herauswuchs.237 Diese Wohnungsbaumaschine für »endlose Gebäudebänder«238 mag retrospektiv wie eine unfreiwillige Karikatur wirken. Dahinter standen jedoch gigantomanische Pläne der NS-Diktatur. Die Produktion »endloser Gebäudebänder« per »Hausbaumaschine« sollte die Besiedlung scheinbar unbegrenzter »Räume«

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dort vorrangig mit der »Siedlungsgestaltung« und »totalen Planung« in den okkupierten polnischen sowie später den sowjetischen Gebieten. Nach einem Fronteinsatz 1942 bis 1944 kehrte Neupert nach Berlin zurück und wurde dort von Ley zu seinem »Beauftragten für die Gestaltung der Wohngebiete in den vom Führer als Wiederaufbaustädte bezeichneten Städten« ernannt. Vgl. Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, S. 45 f. Nach: ebd., S. 71. Neufert (1900-1986) markiert wie kaum ein anderer die auch personellen Kontinuitäten über die Epochenbrüche 1933 und 1945 hinweg. Er hatte bei Walter Gropius am Bauhaus Dessau studiert. Dort wirkte er ab 1924 als Dozent. 1925 wurde er zum Prof. ordiniert. An der Baufachschule Weimar leitete er die Bauabteilung. 1930 ging er in derselben Funktion an die private Kunstschule von Johannes Itten in Berlin. 1936/37 war Neufert kurzzeitig als Architekt selbständig. 1937 ernannte ihn Speer zum Leiter der Abteilung »Werksmäßiger Wohnungsbau« beim GBI-Berlin; 1943 wurde er außerdem dessen Beauftragter für Normungsfragen (im GB-Bau). Von 1945 bis zu seiner Emeritierung 1965 genoss er als Ordinarius an der TH Darmstadt und Architekt zahlreicher Verwaltungsbauten, Industrieanlagen und Wohnsiedlungen hohes Ansehen. Nachhaltigen Einfluss gewann Neufert durch seine Handbücher, vor allem seine »Bau-Entwurfslehre«, die 1936 erstmals veröffentlicht und 2009 in der 39. Auflage herausgegeben wurde, sowie seine »Bauordnungslehre«, die zuerst 1943 erschien und 1965 immerhin eine dritte Auflage erlebte. Vgl. Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 242 f. sowie Elke Pahl-Weber/ Dirk Schubert, Die Volksgemeinschaft unter dem steilen Dach? Ein ideologiekritischer Beitrag zum Wohnungs- und Städtebau der Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hamburg, in: Axel Schildt/Arno Sywottek (Hg.), Massenwohnung und Eigenheim. Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg, Frankfurt a. M./New York 1988, S. 306-359, hier: S. 335 ff. Ebd., S. 335.

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im Osten Europas ermöglichen, die nach der avisierten Vertreibung der einheimischen Bevölkerung tatsächlich weitgehend menschenleer gewesen wären. Neugegründete Städte und Großsiedlungen mit Plattenbau-Wohnungen, die wie am Fließband produziert und mit allem modernen Komfort ausgestattet waren, sollten einer »erbgesunden« deutschen Bevölkerung, die einem massiv pronatalistischen Druck ausgesetzt gewesen wäre, das Besiedeln des ›Ostens‹ schmackhaft machen. Aus den irrwitzigen Visionen der Politikstrategen im Baukonzern der Arbeitsfront, beim RKSW sowie dem GB-Bau und GBI-Berlin wurde nichts. Die Ernennung Leys zum Reichswohnungskommissar Ende 1942 stand unter gänzlich veränderten Vorzeichen. Nun ging es darum, die angesichts der alliierten Flächen­bombardements rasch wachsende Wohnungsnot durch Behelfsheime einzudämmen. Dieser Aufgabe versuchte das RWoK nachzukommen, indem es einen zentralen Aspekt der Rationalisierung, die Typisierung, auf die Spitze trieb. Zwar wurden improvisierte Behelfsheime, bei denen auf die vorhandenen örtlichen Baustoffe zurückgegriffen wurde, toleriert. Je länger aber der Krieg andauerte, desto stärker drangen die zuständigen Stellen darauf, dass lediglich zwei Einheitstypen von Behelfsheimen gefertigt und aufgestellt wurden: der »Kriegseinheitstyp«, den Neufert im Auftrag des mit Ley konkurrierenden GB-Bau entwickelt hatte, und der »Reichseinheitstyp 001«, den der Reichswohnungskommissar vorschrieb. Die vom Volksmund »Ley-Lauben« getauften Primitivbaracken, erklärte Hans Spiegel, einer der Rationalisierungsexperten des RWoK, der auch den 20 bis 22 qm großen »Reichseinheitstyp 001« entworfen hatte, seien »wie jedes Gebrauchsgut zweckmäßig und schön zu planen und zu bauen  – aber als Serienerzeugnis der Kriegswirtschaft«.239 Sie sollten sich aus vorgefertigten Bauteilen »im Montagebau an Hand von Baufibeln wie im Ankerbaukasten« zusammensetzen lassen.240 Gerade die zweite Kriegshälfte wurde zum »Experimentierfeld äußerster Rationalisierungsanstrengungen« (Tilmann Harlander). Hinter diesem Faible für »Rationalisierung« stand auch und gerade bei der Arbeitsfront eine Art fordistische Grundhaltung, die weit über die bloße Implementierung ›deutscher‹ Varianten des fordistischen Produktionsregimes oder gar nur von Fließbändern hinausging.241 Der serielle »soziale Wohnungsbau« 239 Nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 44. Ausführlich zur Rationalisierung beim Behelfsheimbau: ebd., S. 70-80. Spiegel (1893-1987), seit 1920 selbständiger Architekt in Düsseldorf, seit 1932 Honorarprofessor an der RWTH ­Aachen, führte seit April 1941 die Abt. IV. beim RKSW. Seit Herbst desselben Jahres leitete er die Abt. B (»Normung und Typung«) der Deutschen Akademie für Wohnungswesen. Nach 1945 war Spiegel erneut selbständiger Architekt in Düsseldorf; 1963 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. 240 Robert Ley, Das deutsche Wohnungshilfswerk, in: Der Wohnungsbau in Deutschland, 3. Jg./1943, Heft 23/24, S. 352 ff., hier: S. 353, nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 321. 241 Dies kann hier nur angerissen werden. Zur Spannbreite des Fordismus und zur fordistischen Praxis bis 1945 vgl. Rüdiger Hachtmann, Fordismus, in: Docupedia.

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markierte eine wichtige Facette im Rahmen eines umfassenden sozialpolitischen Konzepts der DAF, das sich an Ford orientierte. Massenfertigung sollte Massenkonsum generieren. Die »Volkswohnungen« der Neuen Heimat, »vollelektrifiziert« und ausgestattet mit Mustermöbeln von »Schönheit der Arbeit«,242 modernen und hygienischen Nasszellen sowie den von Ley geplanten »Volkskühlschränken«, folgten diesem Muster. Es war ein Fordismus, der gleichzeitig auf die Rolle der DAF als »volksgemeinschaftlicher Dienstleister« zugeschnitten war. Denn das Fordismus-Konzept, das die Arbeitsfront entwickelte, sollte immer auch rassistisch segregieren: Nur erbgesunde »deutsche Volksgenossen« kamen in den Genuss geräumiger, mit allen Elementen damaligen Komforts ausgestatteter »Sozial-Wohnun­gen«. Denen wiederum wurden die Wohnungen nicht aus altruistischen Motiven heraus zur Verfügung gestellt; diese sollten vielmehr zu »Brutplätzen« (Wolfgang König)243 werden, unter dem Postulat einer maximalen Vermehrung der »deutsch-arischen Rasse«. Außerdem stand der Fordismus, dem die DAF folgte, unter dem Primat des Bellizismus, d. h. unter dem Vorbehalt der Aufrüstung sowie der Kriegswirtschaft. Die deutsche »Volks- und Leistungsgemeinschaft« sollte lediglich langfristig – und durchaus ernsthaft – zur Massenkonsumgesellschaft werden. Insofern ist für die NS-Zeit eher von einer Art Kriegsfordismus zu sprechen, dessen Züge im Laufe der Zeit immer schärfer konturiert wurden. Für die ersten beiden Kriegsjahre hat Harlander denn auch »von einer Art von fordistischer Radikalisierung« gesprochen, der die Bau-Planer insbesondere im DAF- und SpeerImperium folgten, »euphorisiert durch die anfänglichen Blitzkriegserfolge«.244 Das Ende der Blitzsiege führte nicht zu einem Bruch mit der fordistischen Orien­tierung. Allerdings degenerierte diese in der zweiten Kriegshälfte schließlich zu einer Kümmerform des Kriegsfordismus, zu einer Art Baracken-For­ dismus. Ausführungen des führenden RWoK-Ratio­nalisierungsexperten Hans Spiegel aus dem Jahre 1944 ist anzumerken, wie sehr der Fordismus das Ley’sche Reichskommissariat prägte, selbst die dort konzipierten »Ley-Lau­ben«: »Das Behelfsheim ist ein Kriegserzeugnis mit allen den charakteristischen Kennzeichen des kurzlebigen Massenverbrauchsgutes, wie Serienfertigung, weitestgehender

Zeitgeschichte, 27.10.2011, URL: http://docupedia.de/zg/. Ders./Adelheid v. Saldern, »Gesellschaft am Fließband«. Fordistische Produktion und Herrschaftspraxis in Deutschland, in: Studies in Contemporary History/Zeithistorische Forschungen 6/2009, Heft 2, S. 186-208; dies./Rüdiger Hachtmann, Das fordistische Jahrhundert. Eine Einleitung, in: ebd., S. 174-185 (und die dort genannte Literatur). Zur fordistischen Grundhaltung der DAF vgl. Hachtmann, DAF-Gesamtdarstellung. 242 Vgl. König, Volksprodukte, S. 130 f., 238. 243 Ebd., S. 257. 244 Tilmann Harlander, Zwischen Großstadtfeindschaft und Bombenkrieg – Stadtwohnen 1933 bis 1945, in: ders. (Hg.), Stadtwohnen. Geschichte, Städtebau, Perspektiven, München 2007, S. 220-231, 226.

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Einsatz der Normierung, äußerste Werkstoffausnutzung, Ersatz der Handarbeit durch Maschinenarbeit [und] Verbrauch in Massen.«245 Bemerkenswert sind die Kontinuitäten. Indem die DAF mit ihrem Baukonzern  – sowie weiteren Sektoren ihres Wirtschaftsimperiums – und auch sonst zahlreiche der für die Lenkung der Industrie zuständigen Institutionen des NS-Re­gimes zentrale Elemente des Fordismus aufnahmen und ihnen teilweise überhaupt erst zum Durchbruch verhalfen,246 markiert die NS-Zeit ein eigentümliches und vor allem in seinem Rassismus sowie Bellizismus spezifisches Zwischenstück des kurzen »fordistischen Jahrhunderts« im deutschen Raum. Ein »schwärmerischer Amerikanismus« hatte in den »Goldenen Zwanzigern« zur »modischen Attitüde« von Stadtplanern und Architekten gehört.247 Die Arbeitsfront, ihr Konzern und ebenso das Speer-Imperium und andere knüpften daran an. Dass sie das durch die Weltwirtschaftskrise diskreditierte Schlagwort »Fordismus« nicht explizit aufnahmen, ändert daran nichts. Gerade der Baukonzern der Arbeitsfront knüpfte seinerseits an ältere Traditionen an. Denn vor allem die Bauhütten und freigewerkschaftlichen Wohnungsgesellschaften hatten sich als »Speerspitze einer Rationalisierungsbewegung« (Peter Kramper248) profiliert, die Teile des Baugewerbes der Weimarer Republik erfasste. Beim Bau beispielsweise der Hufeisen-Siedlung in Berlin-Britz ab 1925 durch die GEHAG, der ersten großflächigen Genossenschaftssiedlung mit mehr als tausend Wohnungseinheiten und Reihenhäusern, wurden in großem Stil Baukräne auf Gleisen sowie Fließbänder und Bagger verwendet. Der DAF-Konzern nahm diese Tradition auf und forcierte sie insbesondere ab 1938, nach der Konsolidierung und organisatorischen Straffung des riesigen Unternehmenskomplexes aus Neue Heimat-Gesellschaften, Deubau sowie dann den 1941 gegründeten Gesellschaften. Die ganz »auf den technischen Fortschritt setzende Behörde Leys«, die dieser Ende 1940 als Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau aufbaute, und mit dieser das ganze Konglomerat an DAF-Baubetrieben legten (so haben Tilmann Harlander und Gerhard Fehl resümiert) die Grundlagen für den »Durchbruch zum genormten, rationalisierten Massenwohnungsbau der Großsiedlungen«249 in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Dass ausgerechnet dem Dritten Reich dabei eine Schlüsselstellung zukam, war kein Zufall. Der Namensgeber des Fordismus hatte vor 1933 enthusiastische An245 Hans Spiegel, Gestaltung und Ausführung der Behelfsheime, in: Wirtschafts-Dienst 1944, Heft 1-2, S. 9 f., 13 f., nach: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 268. 246 Vgl. Hachtmann/Saldern, »Gesellschaft am Fließband«, bes. S. 196 ff. 247 Vgl. z. B. Durth/Gutschow, Träume in Trümmern, Zitat: S. 273, sowie Gerhard Fehl, Welcher Fordismus eigentlich? Eine einleitende Warnung vor dem leichtfertigen Gebrauch des Begriffs, in: Regine Bittner/Henning Brüning (Hg.), Zukunft aus Amerika. Fordismus in der Zwischenkriegszeit: Siedlung, Stadt, Raum, Dessau 1995, S. 1937, bes. S. 25 ff. 248 Peter Kramper, Neue Heimat. Unternehmenspolitik und Unternehmensentwicklung im gewerkschaftlichen Wohnungs- und Städtebau 1950-1982, Stuttgart 2008, S. 64. 249 Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers, Sozialer Wohnungsbau, S. 13. Vgl. auch bereits Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde, S. 224 f.

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hänger in allen politischen Lagern gefunden. Ford – der als genialer Tüftler, Antisemit und sozialpolitischer Visionär führende Nationalsozialisten seit Anfang der zwanziger Jahre in seinen Bann gezogen hatte250 – und überhaupt »Amerika« blieben im Dritten Reich nach dem Kriegseintritt der USA, bis in die letzten Kriegsjahre, ein Faszinosum und großes Vorbild sowie eine permanente Herausforderung. Nicht zuletzt die Wohnungsbaupolitiker der Arbeitsfront blickten mit Bewunderung über den ›großen Teich‹. Symptomatisch für diese Fixierung auf »Amerika« ist das Bonmot, dass der Geschäftsführer der DAF-Bauhilfe Hans Schönbein im Juni 1942 fand: In den USA schuf »der erste Weltkrieg die Massennachfrage nach Kraftwagen und ermöglichte deren Massenherstellung. Der Zweite Weltkrieg wiederholt diesen Vorgang im Wohnungsbau.«251 Das freilich war die Perspektive des Stadtplaners und Architekten. Auch im deutschen Fahrzeugbau harrten die fordistischen Visionen noch der Verwirklichung.

250 Vgl. Hachtmann, »Begründer der amerikanischen Technik«. Auch Adam Tooze (Ökonomie der Zerstörung, z. B. S. 15) hat in seiner grundlegenden Arbeit zur NSWirtschaftsge­schichte hervorgehoben, dass die USA der Dreh- und Angelpunkt des Denkens Hitlers und überhaupt der führenden Nationalsozialisten waren. 251 Hans Schönbein, Wirtschaftliche Planung und Fertigung im sozialen Wohnungsbau, in: Der Soziale Wohnungsbau in Deutschland, 2. Jg./1942, Heft 11 (1. Juni), S. 330-336, hier: S. 334, nach: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 310 ff., bzw. Tilman Harlander, Kleinsiedlung, Volkswohnung, sozialer Woh­nungsbau – Anmerkungen zur »Modernisierung« der Wohnungspolitik in der NS-Zeit, in: Klaus M. Schmals (Hg.), Vor 50 Jahren … Auch die Raumplanung hat eine Geschichte!, Dortmund 1997, S. 73-90, hier: S. 85.

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8.1. Das Volkswagenwerk Fordismus im automobilen Entwicklungsland – die Rahmenbedingungen Von Massenfertigung in »amerikanischen« Dimensionen konnte für den Fahrzeugbau als dem zentralen fordistischen Industriesektor bis 1933 nicht einmal ansatzweise gesprochen werden. Die Anzahl der PKW in Relation zur Bevölkerungsdichte lag weit hinter den USA und ebenso hinter Großbritannien und Frankreich zurück. Träger einer frühen Volksmotorisierung war im Deutschen Reich nicht das Automobil, sondern das Kraftrad.1 Da der Absatz von PKW begrenzt blieb, blieben auch die Möglichkeiten zur Implementierung tayloristischer und vor allem fordistischer Produktionsregime in der Automobilindustrie bis Mitte der dreißiger Jahre beschränkt; Autos wurden in aller Regel noch stark nach handwerklichen Mustern gefertigt. Innerhalb der Branche hatten lediglich die Unternehmen die betriebliche Fertigung nach amerikanischen Vorbildern auszurichten begonnen, die auch tatsächlich in USBesitz waren. Dies waren die deutschen Fordwerke, die im Mai 1931 den Betrieb aufnahmen und zwischen 1933 und 1939 immerhin auf einen Marktanteil von 4,5 % bis 8 % kommen sollten, sowie vor allem die Adam Opel AG, die sich seit 1931 vollständig im Besitz von General Motors befand.2 Opel dominierte den reichsdeutschen Markt mit einem Anteil zwischen 35 % und 43 %. Zwar kam der »P 4«, den Opel ab Ende 1935 auslieferte und als »Volkswagen« vermarktete, mit einem Kaufpreis von 1.450 RM den Vorstellungen des NS-Regimes von 1 In den dreißiger Jahren fuhr ungefähr die Hälfte des weltweiten Bestandes an Motorrädern auf deutschen Straßen. Vgl. Steinbeck, Motorrad. 2 Zu den Rationalisierungsanstrengungen insbesondere bei Opel und Ford vor 1933 vgl. vor allem Jürgen Bönig, Einführung von Fließarbeit in Deutschland bis 1933. Zur Geschichte einer Sozialin­novation, Münster/Hamburg 1993, Bd. 1, S. 442-451; Anita Kugler, Arbeitsor­ganisation und Produktionstechnologie der Adam Opel Werke (von 1900 bis 1929), Berlin 1985, bes. S. 49 f.; dies., Von der Werkstatt zum Fließband. Etappen der frühen Automobilproduktion in Deutschland, in: GG, 13/1987, S. 304-339; außerdem Michael Stahlmann, Die erste Revolution in der Autoindustrie. Management und Arbeitspolitik von 1900 – 1940, Frankfurt a. M./New York 1993, S. 71 ff.; Heidrun Edelmann, Vom Luxusgut zum Verbrauchsgegenstand. Die Geschichte der Verbreitung von Personenkraftwagen in Deutschland, Frankfurt a. M. 1989, S. 42 f.; Henry Ashby Turner, Jr., General Motors und die Nazis. Das Ringen um Opel, Berlin 2006, bes. S. 19, 30; Johannes Reiling, Eine transatlantische Irrfahrt: Zur deutschen Geschichte der Unternehmungen Henry Fords von 1924 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Michael Wala (Hg.), Gesellschaft und Diplomatie im transatlantischen Kontext, Stuttgart 1999, S. 149-164. Zu den Marktanteilen der größeren Automobilunternehmen ab 1933 vgl. König, Volksprodukte, S. 153. Zu den Marktanteilen in- und ausländischer Unternehmen während der Krise: Bönig, Fließarbeit, Bd. 1, S. 426.

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einem »Volksauto« bereits recht nahe.3 Ein Problem blieben freilich die begrenzten Absatzchancen, die auch durch Steuererleichterungen für PKW-Käufer und -Besitzer nicht grundlegend verbessert wurden, sowie die hohen Produktionskosten vor dem Hintergrund der Autarkiepolitik. Auch der Autobahnbau (bis Ende 1938 immerhin 3.000 Kilometer) stimulierte den Absatz nur begrenzt. So rentierte sich die Produktion des »P 4« für Opel nicht; das Modell wurde 1938 wieder vom Markt genommen. Zwar blieb Deutschland auch während des Dritten Reiches aufgrund niedriger Realeinkommen ein automobiles Entwicklungsland. Dennoch setzten sich ab Mitte der dreißiger Jahre Fließbänder in der Automobilproduktion zunehmend durch. Zur Jahreswende 1935/36 nahm das Werk für die Produktion für den mittelschweren bzw. leichten LKW »Opel Blitz« in der Stadt Brandenburg den Betrieb auf. In diesem Werk – das ab Mitte 1942 Heinrich Nordhoff, der spätere Generaldirektor des Volkswagenwerkes leitete  – wurden das erste Mal im Deutschen Reich Maschinenstraßen, insgesamt 27 vollautomatische Transportbänder und Fertigmontagebänder, die das gesamte Werk durchzogen, zu einem einheitlichen Produktionsprozess verknüpft, so dass hier tatsächlich von »hundertprozentiger Fließarbeit« (Jürgen Bönig) gesprochen werden konnte.4 Abnehmer des »Opel Blitz« war in erster Linie die Wehrmacht. Es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet ein Werk war, das im großen Stil schon vor 1939 das Militär belieferte, das zum fordistischen Pionier wurde und die Gesamtheit der betrieblichen Produktionsstrukturen an »amerikanischer« Fertigungstechnik und Arbeitsorganisation ausrichtete. Das Militär setzte auf 3 Vgl. Turner, General Motors , S. 60-73; Edelmann, Luxusgut, S. 171 f. Andere, gleichfalls als »Volkswagen« vermarktete PKW waren deutlich teurer. Vgl. König, Volksprodukte, S. 153, 162-165. 4 Betont wird der Modernitätsschub, für den das Opel-Werk in Brandenburg stand, z. B. von Heinrich Hauser, Opel. Ein deutsches Tor zur Welt Frankfurt a. M. 1937, S. 192; H.  C. Graf von Seherr-Thoss, Die deutsche Automobilindustrie. Eine Do­ku­men­ta­tion von 1886 bis heute, Stuttgart 1974, S. 284 ff., 288; Stahlmann, Autoindustrie, bes. S. 88. Zum Brandenburger Opel-Werk vgl. außerdem (ohne differenzierte Thematisierung des dort implementierten fordistischen Produktionsregimes) Turner, General Motors, S. 74-77, sowie Bernd Krause, Der ›Blitz‹ aus Brandenburg – die Opel-Werke, in: Gerd Heinrich/Klaus Heß/Winfried Schich/Wolfgang Schöß­ler (Hg.), Stahl und Brennabor. Die Stadt Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert, Potsdam 1998, S. 447 ff. Im Rüsselsheimer Stammwerk waren bis 1937 96 laufende Bänder mit einer Gesamtlänge von fast zwölf Kilometern installiert worden. Vgl. Stahlmann, Autoindustrie, S. 88; Hauser, Opel, S. 201. Im Vergleich zu Opel blieb die Einführung der Fließfertigung bei Daimler-Benz zögerlich und wurde erst kurz vor Kriegsbeginn in größeren Dimensionen realisiert. Vgl. ebd., bes. S. 178 ff., sowie vor allem Neil Gregor, Stern und Hakenkreuz. Daimler-Benz im Dritten Reich, Berlin 1997, bes. S. 38-44, 104, 158 f., 169 f.; Bernand P. Ballon, Mercedes in Peace and War. German Automobile Workers, 1903-1945, New York 1990, S. 224; Karl-Heinz Roth, Der Weg zum guten Stern des »Dritten Reichs«: Schlaglichter auf die Ge­schichte der Daimler-Benz AG und ihrer Vorläufer (1890-1945), in: Das Daim­ler-Benz Buch. Ein Rüstungskonzern im »Tausendjährigen Reich«, Nördlingen 1987, S. 27-382, bes. S. 155, 199, 216.

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große Serien und Massenproduktion und garantierte Massenabsatz – die Voraussetzung für die Einführung fordistischer Produktionsregime. Außerhalb der Nahrungsmittelindustrie, des Kraftrad- und Fahrradbaus sowie der Schuh­ industrie5 wurden während des Dritten Reiches Fließbänder vor allem in den neuen, weit überdurchschnittlich expandierenden Branchen und Unternehmen eingeführt, die gleichfalls in erster Linie für die Teilstreitkräfte fertigten; neben dem Fahrzeug- und Motorenbau und der Elektroindustrie war dies vor allem der Flugzeugbau.6 Es war der nationalsozialistische Primat des Bellizismus, der die Einführung fordistischer Produktionsweisen enorm begünstigte. Unterstützt wurde die Einführung und Ausweitung von Fließfertigung durch staatlich induzierte Typenreduzierungen sowie durch eine überbetriebliche Standardisierung und Normierung in der Phase der forcierten Aufrüstung ab 1937/38.7 Rassisch segregierender Massenkonsum und die Begeisterung der Nationalsozialisten für den US-amerikanischen Automobilkönig Die Gründung des Volkswagenwerks8 unweit der Kleinstadt Fallersleben9 schien dagegen nicht dem nationalsozialistischen Primat des Bellizismus zu folgen. Der 5 Für die Schuhindustrie hat Anne Sudrow (Schuh im Nationalsozialismus, bes. S. 220-224, 230 f.) unlängst gezeigt, dass moderne Produktionstechniken nicht so verbreitet waren und nicht extensiv und ›perfekt‹ Anwendung fanden, wie dies die Untersuchung von Bönig (Fließbandarbeit, II, S. 665-680) nahelegt. In der Nahrungsmittelindustrie fanden Fließbandsysteme bereits seit der Jahrhundertwende Anwendung. Hier profilierten sich nicht zuletzt die in der GEG zusammengefassten Produktionsbetriebe der Konsumgenossenschaften seit den zwanziger Jahren als Vorreiter moderner Fertigungstechniken. Zu den Produktionsstrukturen im Fahrrad- und Motorradbau vgl. Steinbeck, Motorrad, S.  189 ff.. 6 Zur Elektroindustrie, in der Großbetriebe wie Siemens, AEG und Osram bereits Mitte der zwanziger Jahre Fließinseln einrichteten, vgl. vor allem Heidrun Homburg, Rationalisierung und Industriearbeit: Arbeitsmarkt, Management, Arbeiterschaft im Siemens-Konzern Berlin 1900-1939, Berlin 1991, S. 491 f., 507-520; Bönig, Fließbandarbeit, I, S. 223-346. 7 Vgl. als Überblick, Hachtmann, Industriearbeit, S. 71-81. 8 Zu Entstehung und Geschichte des Volkswagenwerkes vgl. ausführlich Mommsen/ Grieger, Volkswagenwerk, sowie außerdem vor allem König, Volksprodukte, S. 151-191; ferner Edelmann, Luxusgut, S. 202-217; Gassert, Amerika im Dritten Reich, S. 151-155 (und die dort genannte ältere Literatur). 9 Entscheidend war für die Ortswahl die unmittelbare Anbindung an den Mittellandkanal und an die Reichsbahnstrecke Berlin-Hannover-Ruhrgebiet, von eher untergeordneter Bedeutung die Nähe zur Ost-West-Auto­bahn. Von Bedeutung war außerdem die – militärstrategisch wichtige – relative Ferne zu industriellen Ballungszentren (Ruhrgebiet und Berlin, mit Einschränkungen außerdem Hannover und Braunschweig) sowie die Hoffnung, in dieser damals relativ dünn bevölkerten Region der preußischen Provinz leichter Arbeitskräfte rekrutieren zu können – eine Hoffnung, die sich weitgehend als Illusion entpuppte: Zum einen konkurrierten die Volkswagenwerke mit den HermannGöring-Werken in Salzgitter um Arbeitskräfte, zum anderen gab es in der Region keine ausgebildeten Facharbeiter für die Fahrzeugindustrie – weshalb die Volkswagen GmbH zusätzlich zum Hauptwerk frühzeitig ein sog. Vorwerk als Ausbildungsstätte aufbaute.

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KdF-Wagen sollte vielmehr vor allem – so schien es – ein entscheidender Schritt des Dritten Reiches hin zu einer modernen, zivilen Massenkonsumgesellschaft werden. In seiner bekannten Rede vom 11. Februar 1933 zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Berlin hatte Hitler erklärt, dass »man in der Zukunft die Ki­lometerzahl der für den Kraftverkehr angelegten Straßen« als Maßstab »für die Lebenshöhe der Völker« anlegen werde. Wie in »Amerika« müsse auch in Deutschland billig gefertigt werden, um »die Kraft­wagenbesitzer in Deutschland in die Millionenzahl steigern« zu können. Der PKW solle – so verkündete er 1936, wiederum anlässlich der Eröffnung der IAA in der Reichshauptstadt  – »vom Luxus-Objekt einiger weniger zum Gebrauchs-Objekt für alle werden«. Denn »das deutsche Volk hat genau dasselbe Bedürf­nis, sich des Kraftwagens zu bedienen, wie […] das amerikanische«. Langfristig könne im Deutschen Reich ein Markt für zwölf Millionen PKW, innerhalb der nächsten Jahre wenigsten für drei oder vier Millio­nen geschaffen werden. Dies setze freilich voraus, dass man »die Anschaffungs-, Betriebs- und Erhaltungskosten […] in ein tragbares Verhältnis zum Einkommen dieser breiten Masse unseres Volkes zu bringen [trachte], wie wir dies in Amerika an einem so glanzvollen Beispiel«, eine of­f ensichtliche Anspielung auf das Ford’sche T-Mo­dell, »bereits als gelungen gelöst [sic] sehen können«. Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie habe dies bisher nicht geleistet, die Errichtung eines Volkswagenwerkes »mit rücksichtsloser Konsequenz« sei deshalb unumgänglich. Mit dem KdF-Wagen (wie der Volkswagen offiziell tituliert wurde) würde, erklärte »der Führer« dann bei der Grundsteinle­gung des Volkswagenwerkes am 26. Mai 1938, der PKW zum »Volksverkehrsmittel« werden und nicht mehr wie bisher ein »klassentrennendes Mittel« sein.10 Programm und Protektion eines billigen Volksautos gehörten politischideologisch in die Sphäre der Arbeitsfront. Dies war unbestritten. Denn der KdF-Wagen war ein soziales Lockangebot, das nicht zuletzt eine sta­tusträchtige Kompensation für fehlende pol­itische Partizipation sein sollte. Zu­dem verlieh das Versprechen auf ein »Volksauto«, das für die große Masse der Arbeit­ nehmer erschwinglich sein würde, dem Ideologem einer sozialharmonischen »Volksgemein­schaft« Glaub­würdigkeit und Suggestivkraft. Tatsächlich war die von Hitler, Ley und der DAF erstrebte Massenkonsumgesellschaft, in deren Zentrum der »Käfer« stehen sollte, keine ideologische Schimäre, keine bloße »Illusion« (Wolfgang König), nicht nur ein sozialdemagogisches Versprechen. Dahinter standen durchaus ernsthafte Überzeugungen. Dass das KdF-Auto und andere Volksprodukte bis Kriegsbeginn das Volk nicht erreichten,11 ändert an der 10 Zitate: Max Domarus (Hg.), Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945. Kommentiert von einem Zeitgenossen, München 1965, Bd. 1, S. 208 f., 369 f., 576 ff., Bd. 2, S.  867. 11 Nur 5 % unter den VW-Sparern 1942 galten als Arbeiter, weitere 10 % als Lohnempfänger; 29 % waren Angestellte und 17 % Beamte. Etwa 40 % der Sparverträge zielten auf die Anschaffung von Geschäftswagen; unter diesen Sparern waren nicht nur kleingewerblich Selbständige, sondern auch größere Betriebe, die »einen Teil ihrer Fahrzeugflotte auf das preiswerte Fahrzeug umstellen« wollten. Ein Drittel der Sparer

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subjektiven Ernsthaftigkeit des Ziels nichts. Allerdings war das mit dem »Deutschen Volkswagen«12 verbundene Integrationsangebot rassistisch vergiftet. Der KdF-Wagen als Massenkonsumgut war von Anfang an nur für deutsch-»arische« Arbeitnehmer gedacht. Der eigene PKW und seine extensive Nutzung auf den neuen Autobahnen sollten dem deutschen »Herrenmenschen« nicht zuletzt auch ein »Gefühl für weite Räume« ver­schaffen. Das Konzept Volkswagen lässt sich insofern auch als Aspekt einer ›mentalen Vorbereitung‹ auf die nationalsozialistische Eroberungspolitik interpretieren. Obwohl als erster Schritt hin zu einer rassistischen Massenkonsumgesellschaft konzipiert, spielte die gleichzeitig und für das NS-Regime selbstverständliche Orientierung auf künftige Kriege für das Volkswagenprojekt gleichwohl eine wichtige Rolle. Nicht nur die Führung der Wehrmacht, auch die NS-Führung wusste, dass moderne Kriege hochbeweglich sein würden und die Beherrschung moderner Fahrzeuge voraussetzten. Autofahrer, die zivile PKW fuhren, konnten auch Militärlastwagen oder Panzer lenken. Viele Fahrer von Armeefahrzeugen mussten sich, nachdem der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, tatsächlich kaum umstellen: Der KdF-Wagen selbst wurde mit geringfügigen Modifikationen zum massenhaft produzierten Kübelwagen. Unabhängig von derartigen Erwägungen war das Volkswagenwerk eine Huldigung an den »Ford­schritt« (Kurt Tucholsky) und Ausdruck einer glühenden Verehrung für den US-amerikanischen Automobilbaupionier, der noch 1938 mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches  – als dem höchsten Orden, den das Dritte Reich zu vergeben hatte – ausgezeichnet wurde.13 Anlage und Architektur des Hauptwerkes am norddeutschen Mittellandkanal waren fast eine Kopie des hatte bereits zuvor einen PKW besessen. Auch ein anderes Ziel, das der Förderung der Mobilität »arischer« erbgesunder Familien, wurde verfehlt. Familien mit vier und mehr Kindern machten lediglich 5,3 % aller KdF-Wagen-Sparer aus. Vgl. König, Volksprodukte, S. 180 f.; außerdem Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 201. Nach König (ebd., S. 181 ff.) und Tooze (Ökonomie der Zerstörung, S. 184 f.) war im Übrigen nicht die Anschaffung, sondern der Unterhalt – vor allem Benzin – kostentreibend und schreckte einkommensschwächere Familien vom Abschluss eines Kaufvertrags trotz der moderaten Ratenzahlungen und Zinsen ab. 12 Mit der Gründung der »Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH« (Gezuvor) am 28. Mai 1937 wurde diese Bezeichnung zum – neben »KdF-Wagen«  – zweiten offiziellen Etikett des PKW. Von der Bezeichnung »KdF-Wagen« in Verbindung mit dem DAF-Logo hatte sich die unbeliebte Arbeitsfront ein besseres Image in der Arbeiterschaft erhofft. Tatsächlich wurde die Bezeichnung »KdF-Wagen« schon vor allem intern und gegenüber den KdF-Sparern verwendet. Im alltäglichen Sprachgebrauch bürgerte sich rasch der Terminus »Volkswagen« für den »Käfer« ein. 13 Zum nationalsozialistischen »Amerikanismus« vgl. vor allem Gassert, Amerika im Dritten Reich, sowie Hachtmann, »Begründer der amerikanischen Technik. Im Unterschied zum (auch nach 1941) positiven Bezug Hitlers und anderer führender NSFunktionsträger auf Henry Ford war das (übergreifende) Amerika-Bild dagegen von Ambivalenz geprägt. Vgl. neben Gassert z. B. Detlef Junker, Die Kontinuität der Ambivalenz: Deutsche Bilder von Amerika, 1933-1945, in: Wala (Hg.), Gesellschaft und Diplomatie, 164-180, oder Grieger, River Rouge, S. 163-173, u. a. S. 171.

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zwischen 1917 und 1933 von Ford errichteten Hauptwerkes am »River Rouge« in Dearborn/De­troit, des damals modernsten Automobilwerkes der Welt.14 Auf ausdrück­lichen »Wunsch Hitlers« unterstützte die Ford-Zentra­le in Dearborn den Aufbau des Volks­wagenwerkes; Ford öffnete Ferdinand Porsche, dessen Sohn Ferry und deren Mitarbeitern die Türen selbst in die Detroiter Entwicklungs- und Fertigungsstätten, die anderen Besuchern verwehrt blieben.15 Noch vor der Grundsteinlegung warb Porsche eine größere Zahl einschlägiger Experten aus Detroit ab, darunter etwa den Diplom-Inge­nieur Fritz Kuntze, der als leitender Ingenieur im Großkraftwerk des Ford-Wer­kes am River Rouge tätig gewesen war und im Sommer 1937 erste Planskiz­zen für das Volkswagenwerk zu Papier brachte.16 Auch fertigungstechnisch sollte das Werk auf den modernsten »amerikanischen« Stand gebracht werden. Ford war freilich nicht nur der Namensgeber einer Form betrieblicher Rationalisierung, die weit über den Fahrzeugbau hinaus die gesamte verarbeitende Industrie während des kurzen 20. Jahrhunderts revolutionierte. Einen bei zahllosen Unternehmern und Managern, aber auch Gewerkschaftlern und Politikern aller Lager oft überbordenden Enthusiasmus löste darüber hinaus der – in seiner im November 1923 erstmals auf Deutsch erschienenen Autobiographie formulierte – Anspruch Fords aus, den sozialen Antagonismus zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Zufriedenheit aller dauerhaft entschärfen zu können. Die Vision Fords, mit seinen auf Massenfertigung und Massenkonsum basierenden Prinzipien der kapitalistischen Industriegesellschaft dauerhaft eine krisensichere Zukunft öffnen zu können, führte in ganz Europa zu einem sozialtechnokratischen Machbarkeitswahn, der kaum einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich auszulassen schien – und in einem kraftvollen Echo nachhallte, das bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum zu überhören war.17 Bereits in den frühen zwanziger Jahren waren die Nationalsozialisten geradezu von einem fordistischen Taumel erfasst worden. Wilhelm Hoegner, bis 1933 einer der wichtigsten sozialdemokratischen Politiker Bayerns und nach 1945 für einige Jahre Ministerpräsident des Freistaates, beobachtete in den Monaten vor dem Hitler-Putsch Ende 1923, dass »Ford in der nationalsozialistischen Partei eine große Rolle« spielte; Hitler und seine Anhänger wollten »ihn nach Mün­chen kommen lassen und hier wie einen Kö­nig emp­f angen«.18 Es war das Amalgam 14 Vgl. Ernst Mittig, Industriearchitektur des NS-Regimes: das Volkswagenwerk, in: Gabi Dolff-Bone­käm­per/Hiltrud Krier (Hg.), Städtebau und Staatsbau im 20. Jahrhundert, München/Berlin 1996, S. 77-112, hier nach der Version im Internet: http:// www.dhm.de/ausstellungen/aufbau_west_ost/katlg06.htm, S. 1-12, hier: S. 3. (Aufgerufen am 27.  Sept. 2007.) 15 Vgl. Fehl, Welcher Fordismus eigentlich?, S. 25, sowie Reiling, Unternehmungen Henry Fords, S. 156. 16 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 31, 250 f., 407 f. 17 Vgl. Hachtmann, Fordismus (Docupedia); ders./Saldern, »Gesellschaft am Fließband«. 18 Hitler und Kahr. Die bayeri­schen Napoleonsgrößen von 1923. Ein im Untersuchungs-

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aus Ford’schen Versprechungen und fordistischer Ideologie, das den US-amerikanischen Automobilkönig zum Heros der nationalsozialistischen Bewegung machte. Dazu gehörten sowohl der exzessive Antisemitismus, ein biologistischreaktionäres Menschenbild und ein sozialtechnokratischer Machbarkeitswahn, der einen Kapitalismus ohne Krisen suggerierte, als auch die ganz profanen Vorteile des fordistischen Produktionsregimes, nämlich eine unerhörte Steigerung der Produktion wie die herrschaftstechnischen Vorteile, die die Unterwerfung des Arbeiters unter das vom Fließband diktierte Tempo versprach. Die Arbeitsfront knüpfte an diese Tradition in zahllosen Facetten ihrer praktisch-politischen Aktivitäten an  – allerdings ohne das während der Weltwirtschaftskrise diskreditierte Schlagwort »Fordismus« aufzunehmen. Die ab 1934/35 enge Kooperation mit dem 1925 gegründeten »Reichsausschuss für Arbeits(zeit)studien« (REFA), der die deutsche Version des Taylorismus entwickelt hatte, die diversen Rationalisierungskampagnen der Arbeitsfront ab 1937/38, die »Betriebsführer«-Schulungen, die Kampagnen für eine Modernisierung der betrieblichen Sozialpolitik, selbst Aspekte der von der DAF konzipierten Gesundheitspolitik und vieles andere mehr verweisen auf eine fordistische Herkunft. Auch die Ideologeme der »Betriebsgemeinschaft« und der »Menschenführung« verdankten Ford und seiner ab 1923 in Hunderttausenden von Exemplaren verkauften (und im Dritten Reich wieder aufgelegten) Autobiographie einen mächtigen Auftrieb.19 Dass die Arbeitsfront Henry Ford mit dem Volkswagenwerk ein architektonisches Denkmal setzte, war nur konsequent. Die Arbeitsfront als Finanzier und Eigentümer Folgerichtig war es auch, dass das neue preiswerte Auto, das man im Volkswagenwerk herstellen wollte, nicht statt der bisherigen PKW angeboten werden sollte, sondern in Konkurrenz zu ihnen. Hitler, Ley und die anderen maßgeb­ lichen Funktionsträger des nationalsozialistischen Führerstaates waren überzeugte Anhänger einer  – sozialdarwinistisch aufgeladenen  – Marktwirtschaft. Auch nur unwesentliche Teile der Automobilindustrie in staatliche Regie zu ausschuß des bayerischen Landtages aufgedeckter Justizskan­dal, Teil II., hg. vom Landes­hauptausschuß der SPD in Bayern. München 1928, S. 102, nach: Kurt Gosswei­ ler, Kapital, Reichs­wehr, NSDAP 1919-1924, Köln 1982, S. 360. Vgl. außerdem z. B. Werner Maser, Die Frühge­schichte der NSDAP. Hitlers Weg bis 1924. Frankfurt a. M./ Bonn 1965, 88 f., oder Fehl, Welcher Fordismus eigentlich?, S. 24 f. 19 Selbst das Ende 1925 gegründete deutsch-völkische DINTA, das dann nach 1933 zum DAF-Amt »für Betriebsführung und Berufserziehung« wurde und u. a. eng mit dem REFA zusammenarbeitete, war aller verbalen Distanzierungen zum Trotz vom in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre hochschlagenden »Geist des Taylorismus und Fordismus« geprägt. Vgl. dazu (mit weiterführender Literatur) Rüdiger Hachtmann, Ein Kind der Ruhrindustrie? Die Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie von 1913 bis 1949, in: Wilfried Rudloff (Hg.), Regionale Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (Westfälische Forschungen 60/2010), S. 73154, bes. S. 79 ff.

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übernehmen, lag außerhalb ihres Denkhorizonts. Der auch für Einkommensschwächere erschwingliche KdF-Wagen war als Stachel gedacht, die angesichts voller Auftragsbücher satten privaten Automobilunternehmen zu verbilligter Produktion und damit zu fertigungstechnischer und arbeitsorganisatorischer Rationalisierung anzuregen. Nachdem sich herauskristallisierte, dass die etablierte Automobilindustrie das ökonomische Risiko scheute und nicht bereit war, zu den von Hitler geforderten Konditionen einen preiswerten Volkswagen zu produzieren,20 glaubte sich Robert Ley berufen, den Wunsch Hitlers zu erfüllen. Grundsätzliche ökonomische Einwände wischte er vom Tisch, einschließlich der Vorbehalte betriebswirt­ schaftlich versierter Fachleute aus den Reihen des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der Arbeitsfront.21 Für den Aufbau der zentralen Anlagen bestand nach den Schätzungen von Bodo Lafferentz als des vorgesehenen Geschäftsführers der Volkswagen GmbH ein Finanzierungsbedarf von mindestens 200 Mio. RM. Unter den verantwortlichen DAF-Funktionären herrschte Unklarheit, wie diese Summe beizubringen war. Im Herbst 1937 stellte die Arbeitsbank der DAF für das Volkswagenwerk einen Kredit von 50 Mio. RM zur Verfügung. Darüber hinaus sollte die Arbeitsbank nach dem Willen Leys finanziell nicht strapaziert werden. Dem Chef der DAF war zwar der Wille des »Führers« Befehl. Den Zusammenbruch seines Konzerns wollte er jedoch nicht riskieren. Ley war schon ungehalten angesichts des für die Arbeitsbank relativ hohen Kredits, weil die Hausbank der DAF »nur über 67 Millionen RM Spareinlagen verfüge und infolgedessen nicht langfristig 50 Millionen investieren könne«.22 Immerhin ließen sich noch zwei weitere Geldquellen erschließen: Die prosperierenden Versicherungsunternehmen der DAF räumten dem Volkswagenwerk 1939 gleich­f alls einen hohen Kredit von 30 Mio. RM ein; zur weiteren Finanzierung wurden auch sie dann allerdings nicht mehr herangezogen.23 Eine dritte Geldquelle wurde durch das »Gesetz über die Gewährung von Entschädigungen bei der Einbeziehung oder dem Übergang von Vermögen« erschlossen, das am 9. Dezember 1937 Rechts­ kraft erhielt.24 Dieses Gesetz erlaubte der Arbeitsfront nicht nur die Legalisierung des Raubes des gewerkschaftlichen Vermögens 1933. Es ermöglichte außerdem eine weitere ›Finanzspritze‹ für das Volkswagenwerk: Etwa ein Drittel der Liegenschaften der ehemaligen Gewerkschaften, deren Wert auf insgesamt etwa 100 Mio. RM geschätzt wurde, machte die DAF-Führung kurzfristig für die Errichtung des Volkswagenwerkes flüssig.25 20 21 22 23

Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 56 ff., 64 ff. Vgl. ebd., S. 34, 123 ff. Das folgende Zitat: ebd., S. 128. Aktenvermerk des RWM vom 3. Juni 1938, nach: ebd., S. 206. Vgl. Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (vom Juli 1940), S. 7, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87, sowie Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 207 f., 212. 24 RGBl. 1937, I, S. 1333 ff. 25 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 209 ff.

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Gegen den Willen Leys und der Finanzverantwortlichen der Arbeitsfront, die vor allem Sparkassen und die Sozialversicherungsanstalten als Kreditgeber heranziehen wollten, wurde das Werk bei Fallersleben mithin de facto hauptsächlich durch Eigenmittel der DAF finanziert. Erst für Neuinvestitionen Anfang 1942 sprang das Luftfahrtministerium mit einem Betrag vom 48 Mio. RM ein.26 Eine weitere wichtige Geldquelle waren die Beträge, die bis Ende 1939 immerhin 272.397 und bis Okt. 1944 schließlich 336.638 Sparer für einen KdF-Wagen27 aufbrachten. Produktionsprogramm und Beschäftigtenstruktur Am 28. Mai 1937 wurde die »Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH« (Gezuvor) gegründet, am 26. Mai 1938 der Grundstein gelegt. Die Umbenennung der »Gezu­vor« in »Volkswagenwerk GmbH« datiert auf den 16. September 1938. Die avisierten Dimensionen der Automobilproduktion waren megaloman. Ley erklärte, im Volkswagenwerk sollten jährlich eineinhalb Millionen KdF-Wagen hergestellt werden. Das Produktionsvolumen des Detroiter Hauptwerks von Ford wäre damit deutlich übertroffen worden. Realistischere Planungen, etwa von Bodo Lafferentz als dem entscheidenden Mann im Volkswagenwerk, gingen – nach Abschluss der geplanten drei Ausbaustufen des Werkes – von einer Jahres­produktion von 450.000 »Käfern« aus.28 Bis September 1939 war die erste Ausbauphase zwar noch nicht gänzlich abgeschlossen. Weite Teile des Werkes standen jedoch, so dass de facto bei Kriegsbeginn die Produktion aufgenommen werden konnte. Zu einer Massenfertigung von zivilen PKW kam es allerdings nicht. Insgesamt wurden bis 1945 gerade einmal gut tausend zivile KdF-Wagen hergestellt.29 Ab August 1940 stellte das Volkswagenwerk vor allem Kübelwagen für die Wehrmacht her. Die Option, zur Massenproduktion ziviler Autos zurückzukehren, blieb freilich erhalten. Produktionstechnisch ließen sich die Anlagen leicht vom Kübelwagen auf den »Käfer« umstellen. Die NS-Propaganda nährte die Illusion einer baldigen zivilen Nutzung. Indem sie den KdF-Wagen an der See, im Gebirge und in anderen lieblichen Landschaften zeigte und die Arbeitsfront überdies einen der Prototypen des KdF-Wagens in ihrer Berliner Dauerausstellung präsentierte, setzte (wie Wolfgang König festgestellt hat) »die Kriegsberichterstattung die Friedenspropaganda für den Volkswagen fort«.30 Noch 1940 sprach eine Illustrierte von »einer wahren KdF-Wagen-Psychose«.31 26 27 28 29 30 31

Vgl. ebd., S. 603 f. Vgl. ebd., S. 1025 (Tabelle 1a). Vgl. ebd., S. 164, 190, 251 f. Zu Lafferentz vgl. Kapitel 2, S. [82]. Vgl. ebd., S. 1032 (Tabelle 11). Zitate: König, Volksprodukte S. 172. Motor und Sport 17 (1940), S. 4, nach: ebd. Vgl. (einschl. bereits produktionstechnischer Vorbereitungen 1940 für eine Umstellung auf Zivilproduktion) außerdem Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 396-402.

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Erst Ende 1941 stellte das Volkswagenwerk die Produktion weitgehend auf Rüstungsgüter um,32 allerdings immer noch nicht vollständig.33 Insgesamt wurden gut 66.000 Kübel- und Schwimmwagen für das Heer gefertigt.34 Darüber hinaus fungierte das Volkswagenwerk lange Zeit als eine Art Zulieferer bzw. Hilfs­betrieb der Luftwaffe. Es wurden Tragflächen und Zellen der Ju 88 und Ju 188 sowie der Focke-Wulf Ta 152 und Ta 154 produziert oder repariert, Teile von Panzerabwehrkanonen, Panzermotoren sowie, im zweiten Halbjahr 1940 im Kontext der Vorbereitung der »Operation Seelöwe«, Panzerwagen für die Invasion in England mit Schwimmkörpern ausgerüstet. Außerdem fertigte man technisch simple Produkte wie Tellerminen, Panzerfäuste, Panzerlaufräder, Torpedohüllen und Bunkeröfen, aber auch die Flugbombe Fi 103, die eine Reichweite von 250 Km hatte und 850 kg Sprengstoff transportieren konnte. Ab Herbst 1943 begannen die Suche nach bombensicheren Produktionsstätten in Höhlensystemen sowie stillgelegten Stollen und die Untertage­verlagerun­ gen von Maschinen und anderen Werks­einrichtungen, ohne dass an den neuen Produktionsstandorten die Fertigung wirklich angelaufen wäre.35 Im Unterschied etwa zu den Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront und zur Bank der Deutschen Arbeit, die ab 1938 eifrig darum bemüht waren, im Ausland Unternehmen aufzukaufen, expandierte die Volkswagen GmbH nicht über die Grenzen des »Großdeutschen Reiches« hinaus. Mit einer Ausnahme: 1943 wurde das Zweigwerk des Automobilkonzerns Peugeot in Montebéliard akquiriert und für einige Zeit zum Zulieferer von Gussteilen für die Montage des Kübelwagens im Hauptwerk am Mittellandkanal.36 Der Umsatz des Volkswagenwerkes, einschließlich des sog. Vorwerks in Braunschweig,37 entwickelte sich kräftig und erreichte 1944 fast die 300-Millio­ nen-Grenze (Tabelle 6.2). Bis 1941 arbeitete das Volkswagenwerk defizitär. 32 Vgl. ebd., S. 38 f. 33 Die Planungen für den KdF-Volkswagen wurden bis kurz vor Kriegsende fortgeführt. Vgl. ebd., S. 38. 34 Ausführlich: ebd., S. 327-332, 383, 388-394. Zu einem gleichfalls auf Basis des Volks­ wagens entwickelten Gelände-Schwimm-Wagen vgl. ebd., S. 402-405. 35 Ausführlich: ebd., S. 803-858. Danben nahm VW ab Anfang 1942 die Produktionshallen der Neudeker Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei AG in der Nähe von Karlsbad (Sudeten) für die Fertigung von Flugzeugteilen in Anspruch. Ein Teil der Fertigung der Flugbombe Fi 103 wiederum wurde im Sommer 1944 nach Schönebeck an der Elbe, in Räumlichkeiten der Kaiserbrauerei Allendorff verlegt. Ebd., S. 606 f., 701, 703. Zur Dezentralisierung der VW-Produktionsstätten im letzten Kriegsjahr vgl. ebd., S. 876-881. 36 Ausführlich: ebd., S. 650-676. Kurzzeitige Pläne Bodo Lafferentz’ vom Sommer 1941, die Pariser Fordwerke in den Besitz der DAF zu überführen, scheiterten. Vgl. ebd., S. 934. 37 Dieses Vorwerk hatte die Funktion, einen Stamm an qualifizierten Arbeitskräften heranzuziehen. Denn die wurden dringend benötigt, da man im (heute) Wolfsburger Raum nicht auf einschlägig qualifizierte Arbeitskräfte zurückgreifen konnte. Gleichzeitig wollte das »Amt für Betriebsführung und Berufserziehung« der Arbeitsfront das Vorwerk zum Vorbild für deutsche Facharbeiter-»Erziehung« generell machen. Vgl.

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Nachdem es sich unter der Federführung von Anton Piëch38 zu einer Gemischtwaren-Fertigungsstätte unterschiedlichster Rüstungsprodukte entwickelt hatte, erwirtschaftete es 1942 erstmals einen bilanziellen Überschuss von 1,3 Mio.  RM.39 Die Sum­me der Nominalgewinne lag in den Jahren 1940 bis 1944 bei etwa 20 Mio. RM. Die tatsächlichen Profite dürften höher gelegen haben, in den Büchern jedoch nicht ausgewiesen, sondern in Wertberichtungen auf das Anlageund Umlaufvermögen versteckt worden sein. Mommsen und Grieger schätzen die Summe der »stillen Gewinne« 1940 bis 1944 auf »fast 38 Millionen RM«, ein Betrag, der die anfänglichen Verluste bis auf eine geringe Restsumme fast vollständig ausglich.40 Die Belegschaft des Volkswagenwerks, das Ley mit unfreiwilliger Selbstironie auch als »Olympia der Arbeit« bezeichnete,41 war vor dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktkonstellation, dem Mangel nicht nur an Metall-, sondern auch an Bauarbeitern, ab 1935/36 von vornherein als multinationale geplant. Bereits kurze Zeit nach Baubeginn rekrutierte die Unternehmens­leitung von VW in enger Kooperation mit Ley und der DAF-Führung mehrere tausend »Gast­arbeiter« aus dem faschistischen Italien.42 Den Bauarbeitern der Apenninhalbinsel folgten schon bald Metall­f ach­arbeiter sowie vor allem ungelernte Arbeitskräfte nicht allein aus Italien, sondern auch aus Tschechien, der Slowakei und anderen Nachbarstaaten, seit Ende 1939 vor allem aus Polen sowie ab 1941 aus der Sowjetunion. Neben zivilen Fremdarbeitern wurden seit 1943 außerdem Kriegsgefangene, italienische »Militärinternierte« sowie schließlich KZ-Häftlinge unter sehr oft erbärmlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen.43 Die »Amerikanisierung« der Produktionsstrukturen sollte den massenhaften Einsatz von unqualifizierten »Fremdarbeitern« und damit die rassistische Segregation der Belegschaft erleichtern. Ein gutes Vierteljahr vor dem Überfall auf die Sowjetunion erklärte Otto Dyckhoff, der Technische Direktor des Volkswagenwerkes,44 dass für »die Bedienung der automatischen Maschinen

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ausführlich ebd., S. 170, 227-249. Zu den Beschäftigtenzahlen des Vorwerkes und der Zusammensetzung der Belegschaft dort vgl. Tabelle 6.1. Piëch (1894-1952), Schwiegersohn Porsches und ursprünglich Rechtsanwalt in Wien, trat im Mai 1933 in die wenig später verbotene österreichische NSDAP ein. Im Juni 1941 wurde Piëch neben F. Porsche und Lafferentz Hauptgeschäftsführer des Volkswagenwerkes. Nach 1945 war er maßgeblich am Aufbau der F. Porsche AG und der Porsche-Holding beteiligt. Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 612. Vgl. ebd., S. 622 f. Rede Leys vor den Belegschaften der Werke Leverkusen, Elberfeld und Dormagen der I.G. Farbenindustrie, in: VB vom 2. Aug. 1938. Vgl. auch Mittig, Industriearchitektur, S. 2; Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 190. Ausführlich zu den Arbeits- und Lebens­verhältnissen dieser ersten zivilen Fremdarbeitergruppe im VW-Werk: ebd., S. 288-311. Zu den Arbeitsbedingungen und Lebensumständen der zahlreichen anderen Gruppen an ausländischen Arbeits­kräften, Kriegs­ gefangenen und KZ-Häftlingen vgl. ebd., S. 566-598, 713-799. Vgl. die Daten ebd., S. 1025, 1027 ff. Dyckhoff hatte zuvor bei Opel gearbeitet, bevor er Mitte 1937 zur Gezuvor ging und

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[…] in nicht allzu langer Zeit primitivere Menschen aus dem Osten und dem Süden« rekrutiert würden. Deutschen Arbeitskräften wären dann Kontrolltätigkeiten vorbehalten oder sie würden als Werkzeugmacher und Einrichter tätig sein.45 Tatsächlich spiegelte die Belegschaftsstruktur bei VW46 die Vorstellungen der Arbeitsfront von einer nach rassistischen Kriterien hierarchisierten Arbeitnehmerschaft geradezu idealtypisch. Der Angestelltenbereich wurde von Deutschen dominiert. Ebenso war das mit 14 % der produktiven Gesamtbelegschaft schmale Segment an Facharbeitern fest in »arischer« Hand und waren in NS-Perspektive gleichfalls ›selbstverständlich‹ alle Vorarbeiter- und Mei­sterstellen sowie sonstigen Leitungsfunktionen mit Deutschen besetzt.47 Vor allem seit Mitte 1941 wuchs in den Betrieben der KdF-Stadt die Zahl der ausländischen Arbeits­kräfte sprunghaft. Bereits 1942 wur­den die deutschen Arbeitnehmer zur Minderheit innerhalb der Gesamtbelegschaft. 1943 sowie 1944 stellten die ausländischen Arbeiter ungefähr zwei Drittel und Anfang 1945 schließlich vier Fünftel sämtlicher Arbeitskräfte (Tabelle 6.1). Das war ein weit höherer Prozentsatz als in der gesamten Fahrzeugindustrie. Nicht zuletzt dank der guten Beziehungen Ferdinand Porsches und der DAF zu den Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz gelang es insgesamt ziemlich erfolgreich, auf die benötigten Kontingente an »Fremdarbeitern« sowie Kriegsgefangenen und schließlich sogar KZ-Häftlingen zuzugreifen. Die Mentalität der leitenden Manager war, folgt man Mommsen und Grieger, von einem mit »moralischer Indifferenz« gepaarten »technokratischen Pragmatismus« geprägt.48 Die Leiden der verschiedenen Zwangsarbeitergruppen, darunter seit Frühjahr 1944 auch deportierter ungarischer Juden und Jüdinnen, interessierte sie nicht.49

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dann ab 1938 im Volks­wagenwerk einer der drei Hauptgeschäftsführer wurde. Er schied Mitte 1941 aus den Diensten des VW-Werkes aus und war danach in vergleichbarer Funktion bei den BMW-Werken in Spandau tätig. Vortragsmanuskript Dyckhoffs vom 18. März 1941, nach: Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 410. Vgl. auch ders., Massenerzeugung durch Automatisierung. Anregungen aus dem Volkswagenwerk, in: Maschinenbau 20/1941, S. 147-150. Ausführlich: Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 406-534. Zu den katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen vor allem der – meist jugendlichen – »Ostarbeiter« vgl. ebd., S. 566-598. Von Anfang 1941 bis Herbst 1942 wurden außerdem zunächst 700, später etwa 1.000 – deutsche – Militärstrafgefangene bei VW eingesetzt, zu diesem Zeitpunkt ein Novum in der deutschen Industrie. Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 429-432, 531. Zitate: ebd., S. 46 f.; vgl. außerdem (resümierend) z. B. ebd., S. 724, 728, 738 f., 752 u.ö. Zum KZ »Arbeitsdorf« ebd., bes. S. 508-515, zum Außenkommando Laagberg des KZ Neuengamme ebd., S. 766-799, zum Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener ebd., S. 544-565. Zur Produktionsgeschichte des VW-Werkes im letzten Kriegsjahr vgl. ebd., S. 876-896. Zu den Arbeits- und Lebensbedingungen der im Hauptwerk eingesetzten ungarischen Juden und Jüdinnen und ihrer Geschichte bis zur Befreiung, vgl. ebd. S. 896-902.

das volkswagenwerk

Eine Barackenagglomeration namens »KdF-Stadt« Die modernste Automobilfabrik der Welt sollte zugleich die »vorbildliche deutsche Arbeiterstadt« besitzen, so Hitler in seiner Rede zur Grundsteinlegung des Volkswagenwerkes am 26. Mai 1938.50 Die »Stadt des KdF-Wagens«, das heutige Wolfs­burg,51 sollte in einer aufgelockerten Bauweise mit größeren Grünflächen eine »halbländliche Lebensweise« (Marie-Luise Recker)52 ihrer Bewohner möglich machen. Darüber hinaus sollten in den Planungen für Wolfsburg »die sozial- und gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen des Regimes exemplarisch realisiert« werden und, so Recker, »die Vision der DAF-Planer von der künftigen Sozialverfassung Deutschlands anschaulich hervortreten«.53 Tatsächlich hatte die Arbeitsfront, ungeachtet einer rhetorischen Nivellierung des Status’ zwischen Arbeiter und Angestellten, nicht etwa eine sozialegalitäre Gemeinschaft aller »schaffenden Volksgenossen« im Auge. Sie wollte auch die deutschen Kernbelegschaften schroff hierarchisieren – von den intern wiederum aufgesplitterten Fremdarbeitern ganz zu schweigen. Entsprechend sollten die Wohn- und Lebensverhältnisse des einzelnen »Gefolgschaftsmitgliedes« abgestuft sein: Die besser verdienenden Angestellten wurden mit den größten und komfortabelsten Wohnungen ausgestattet; ihnen folgten die niederen Angestelltengruppen, danach Facharbeiter und schließlich die nachrangigen Be­legschaftsseg­men­te.54 Nüchtern betrachtet führten die Pla­nungen für Wolfsburg Konzepte eines älteren Werkswohnungsbaus nur fort. Bauträger waren die eigens für Wolfsburg am 2. November 1938 gegründete »Neuland«-Woh­nungsbau­gesell­schaft der Arbeitsfront sowie die für die Errichtung der städtischen Infrastruktur (Geschäfte, Gaststätten, Gewerbebetriebe etc.) ins Leben gerufene Allgemeine Hausbau- und Grundstücks GmbH.55 Finanziert wurden die Wohnungsbauten weitgehend durch staatliche Vorleistungen, da die durch die Mobilisierung von Geldmitteln für den Bau des Volkswagenwerkes beanspruchte DAF bzw. deren für die Kreditgewährung herangezogenen Bankund Versicherungsunternehmen zu einer weitergehenden finanzpolitischen 50 Nach: Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II, S. 866. 51 Den Namen »Wolfsburg« erhielt die vormalige »KdF-Stadt« wenige Wochen nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes, am 25. Mai 1945. 52 Recker, »KdF-Stadt«, Zitat: S. 30. Vgl. neben Recker außerdem Schneider, Stadtgründung, S. 29-54. 53 Vgl. Recker, »Stadt des KdF-Wagens«, Zitat: S. 28, zur sozialen Segregation ebd., bes. S. 49 f., bzw. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, (Zitat:) S. 35. 54 Geplant waren außerdem mehrstöckige Großgaragen, die die eigentlichen Wohngebiete von Lärm freihalten sollten. Zum architektonisch beton­ten Größenwahn gehört außerdem, dass die VW-Unter­nehmensführung ein riesiges Hotel für die Abholer des KdF-Wagens plante und mit jährlich mehreren Hunderttausen­den Besuchern rechnete. Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 266, bzw. Recker, »Stadt des KdFWagens«, S. 36. 55 Vgl. ebd., S. 21 f. bzw. 129.

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Verantwortung nicht bereit waren.56 Entgegen ihren ursprünglichen Absichten entschloss sich die Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmen der DAF unter Strauch allerdings schließlich doch dazu, wenigstens für eine Überbrückungsfinanzierung erhebliche Geldmittel vorzuschießen.57 In der KdF-Stadt sollten, wenn das Volkswagenwerk in allen Ausbaustufen fertiggestellt sein würde, insgesamt 90.000 Menschen wohnen.58 Tatsächlich wurden von den bis 1942 knapp 24.000 geplanten Wohneinheiten59 nicht einmal 3.000 Wohnungen fertiggestellt. Rüstungswirtschaftliche Prioritäten ließen eine weitergehende Verwirklichung der Planungen nicht zu. Eine effiziente städtische Infrastruktur wurde bis 1945 nicht geschaffen. Überdies waren die städtebaulichen Planungen auf eine weitgehend reichsdeutsche VW-Belegschaft und Einwohnerschaft zugeschnitten, nicht dagegen auf eine multinationale Belegschaft mit einem ab 1941 hohen Anteil vor allem an ost­europäischen Zwangs­ arbeitern. Während des Krieges wucherte das spätere Wolfsburg als Agglomeration von Baracken und Lagern, in denen die verschiedenen Arbeiter-Kategorien untergebracht wa­ren, rund um das Werk herum.60

8.2. Traktoren, Schiffe und Treibstoff Die Prominenz des Volkswagenwerks lässt leicht übersehen, dass die Arbeitsfront weitere Großbetriebe plante, die, wären sie realisiert worden, den Fahrzeug- wie den Schiffsbau als Branchen kräftig durcheinandergewirbelt hätten. Allerdings gelang es Ley und der NS-Massenorganisation nur begrenzt, ihre weitreichenden Pläne auch tatsächlich ins Werk zu setzen. Pläne für ein »Volkstraktorenwerk« und die Massenfertigung weiterer Volksprodukte Erste Überlegungen, nach dem Volkswagenwerk ein zweites Riesenunternehmen aus dem Boden zu stampfen, datieren auf den Sommer 1939. Die Motive, ein Volkstrak­toren­werk61 zu errichten, waren vielfältig: Eine entscheidende 56 Den Finanzbedarf für die KdF-Wagen-Stadt veranschlagte Ley auf 150 Mio. RM. Zu den Finanzierungsproblemen vgl. ebd., S. 65-77. 57 Vgl. ebd., S. 77. 58 Die Zahl von 90.000 Einwohnern war für den Zeitpunkt nach Abschluss der dritten Ausbaustufe des Volkswagenwerkes geplant, die  – ohne Krieg  – 1942 vollzogen sein sollte. Vgl. ebd., S. 29, 32. 59 Von den Wohneinheiten war das Gros als Geschosswohnungen und nicht einmal 2.000 als Eigenheime bzw. Siedlerstellen geplant. Vgl. ebd., S. 33. 60 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 740-765. 61 Zum Folgenden ausführlich: Birgit Rosendahl-Kraas, Die Stadt der Volkstraktorenwerke. Eine Stadtutopie im »Dritten Reich«. Die Planungen und Großbauten der Deutschen Arbeitsfront für die Stadt Waldbröl, Wiehl 1999, bes. S. 65-83. Vgl. außerdem Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 442 ff.; König, Volksprodukte, bes.

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Rolle spielte erstens das Ziel der »Nahrungsfreiheit«, d. h. eine Agrarpolitik, die das »Altreich« und später das »Großdeutsche Reich« »blockadefest«, d. h. in der Nahrungsmittelversorgung import­unabhängig machen sollten; militärische Abenteuer und auch lang­an­haltende Kriege sollten möglich werden, ohne dass die Heimatfront durch ›Steckrübenwinter‹ wie ab 1915/16 zu Unruhen, vielleicht gar zu einer zweiten Novemberrevolution provoziert würde. Dass dafür eine möglichst flächendeckende Technisierung, d. h. vor allem eine Ausstattung der Landwirte mit Traktoren als universellen Arbeits- und Transportmaschinen, unabdingbar war, war unstrittig. Angesichts der begrenzten ökonomischen Ressourcen des Deutschen Reiches und des Primats der Aufrüstung ließ sich dies zunächst nicht in Angriff nehmen. Ley allerdings verfügte mit der DAF über eine Organisation, die auch ein solches Großunternehmen auf mittlere Sicht finanziell hätte stemmen können. Die vom Chef der Arbeitsfront geplanten Schlepper zum ­»illusorischen Preis« (Wolfgang König) von 990 RM62 sollten aber nicht allein »die mühselige Arbeit des Kleinbauern erleichtern« und eine »intensive Bearbeitung« der Böden ermöglichen sowie den empfindlichen, infolge der Landflucht ab 1935 dramatisch verschärften Mangel an agrarischen Arbeitskräften kompensieren. Zugleich sollte der Volkstraktor außerdem, zweitens, eine sozialökonomische Neuordnung der Landwirtschaft, nämlich »eine vollständige Umwälzung in den Bezirken des kleinbäuerlichen Besitzes herbeiführen«, wie Ley in einer Rede vom 14. Dezember 1940 erklärte.63 Dies schloss ein, dass Landwirte in ›urdeutschen‹ Regionen freigesetzt wurden, um in den vorgeblich weiten Räumen des »Ostens« angesiedelt zu werden. Ein drittes Motiv, ein Volkstraktorenwerk zu bauen, war die Rivalität Leys und der Arbeitsfront mit dem Reichsnährstand. Auf dieses eigenartige institu­ tionelle Gebilde, das dem Reichsernährungsminister Walter Darré – und später dessen Nachfolger Herbert Backe – unterstand, hatte die DAF schon früh Einfluss zu nehmen versucht. Ihre Bemühungen, die Landarbeiter der Oberaufsicht des Reichsnährstandes abspenstig zu machen und in die Arbeitsfront einzugliedern sowie außerdem eine Art Monopol über die Freizeitgestaltung und ebenso die Bildungsarbeit in ländlichen Gebieten zu erlangen, scheiterten zwar. Aber Ley wäre nicht Ley gewesen, wenn er seine Bemühungen aufgegeben hätte, sich und der Arbeitsfront auch die landwirtschaftlich Erwerbstätigen zu unterwerfen. Die massenhafte Produktion preiswerter Volkstraktoren, zu der der finanziell klamme Reichsnährstand nicht in der Lage gewesen wäre, hätte Ley diesem Ziel ein gutes Stück näher gebracht. S. 236 ff.; ferner ders., Das Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft. »Volksprodukte« in Politik, Propaganda und Gesellschaft des »Dritten Reiches«, in: ZUG, 48/2003, S. 132-163, bes. S. 149. 62 Zu den technischen Daten des Volkstraktors vgl. König, Volksprodukte, S. 237. Dort auch Angaben zur Entwicklung des deutschen Marktes für landwirtschaftliche Zug­ maschinen ab 1933. 63 Zit. nach: Rosendahl-Kraas, Stadt der Volkstraktorenwerke, S. 65.

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Viertens standen das Volkswagenwerk und Ferdinand Porsche Pate für das geplante Volkstraktorenwerk. Porsche hatte sich während seiner USA-Reise vom »Fordson«, dem in den Ford-Werken in moderner Massenfertigung hergestellten Trecker, beeindrucken lassen. Von Hitler mit dem Bau eines billigen Schleppers ›für jedermann‹ beauftragt, stellte Porsche Anfang September 1938 die ersten Prototypen eines Volkstraktors, des »Typs 110«, vor; dieser war allerdings noch nicht serienreif und wurde in den Folgejahren weiterentwickelt. Porsche seinerseits wollte allerdings kein Volkstraktorenwerk in Waldbröl, sondern eines in unmittelbarer Nähe vom bereits bestehenden Volkswagenwerk bei Fallersleben.64 Dies wusste Ley zu verhindern. Er argumentierte, dass infolge der relativen Nähe zum Rhein die Anlieferung von Rohstoffen leichter sei und die Gegend zudem über ein großes Potential an ungelernten Arbeitskräften verfüge. Davon abgesehen sei der Standort fernab der traditionellen Industriezentren vor Luftangriffen weitgehend sicher. Tatsächlich jedoch – und damit ist das fünfte Motiv genannt – wollte Ley das Volkstraktorenwerk aus lokalpatriotischen Gefühlswallungen heraus in Waldbröl, seinem Geburtsort, errichten.65 Ley und die von ihm hinzugezogenen Experten begannen vergleichsweise spät, seit Mitte 1939, konkretere Überlegungen für ein Volkstraktorenwerk anzustellen. Ley gelang es relativ schnell, den »Führer« auf seine Seite zu ziehen und diesen auch von der Wahl des eigentlich ungünstigen Standorts Waldbröl zu überzeugen. In einem Erlass vom 4. November 1940, der Ende Februar 1941 noch einmal bekräftigt wurde,66 ordnete Hitler an, »dass für die Produktion des von Dr. Porsche erfundenen Traktors die Errichtung der notwendigen Fabrikanlagen in Waldbröl, Gau Köln-Aachen, sofort in Angriff genommen werden«.

64 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 443 f. 65 Das verschlafene Waldbröl selbst, das 1932 den Status der Kreisstadt verloren hatte, wollte Ley auf 100.000, später auf 200.000 Einwohner vergrößern und damit zur größten Stadt zwischen Kassel und Köln machen, mit einer Oper, einem Schauspielhaus, einer Hochschule sowie S- und U-Bahnen, die die geplanten »Planetenstädte« mit dem Kern von Waldbröl verbinden sollten. Kirchen waren nicht vorgesehen, ein KdF-Hotel war dagegen bereits vor Kriegsbeginn errichtet worden. Ausführlich zu Leys WaldbrölVisionen: Rosendahl-Kraas, Stadt der Volkstraktorenwerke, S. 72 f., 77-83. 66 Beide Erlasse im Wortlaut in: ebd., S. 67 bzw. 69 ff. Zuvor hatte die Fachgruppe »Landmaschinenbau« so energisch wie vergeblich bei Heß und bei Hitler gegen das geplante Volkstraktorenwerk protestiert. Vgl. König, Volksprodukte, S. 237 f.

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Dennoch kam das Volkstraktorenwerk über das Planungsstadium nicht hinaus.67 Bis 1944 kaufte die DAF 350 ha Land auf.68 Geplant waren vier riesige Produktionshallen von je 100.000 m2 Grundfläche. Ausgelegt werden sollten die Fertigungsanlagen auf eine tägliche Produktion von 500 bis 1.000 Trecker, so Bodo Lafferentz, der Hauptgeschäftsführer des Volkswagenwerks; Ley sprach sogar von einer Jahresproduktion von 300.000 Schleppern. Die Zahl der Arbeitskräfte, die in der laufenden Produktion von Traktoren beschäftigt werden sollten, schwank­te zwischen 9.000 und 20.000.69 Ein Problem war freilich bereits der Aufbau des Unternehmens, vor allem die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Bauarbeitern. Da im Bergischen Land schon lange keine einheimischen Arbeitskräfte mehr zu rekrutieren waren und allmählich auch der Zustrom an zivilen Fremdarbeitern versiegte, plante Ley im Frühjahr 1942 ein Kriegsgefangenen- sowie ein Konzentrationslager, deren Insassen »in einer provisorischen Baustufe Wirtschafts- und Unterkunftsbaracken aufstellen« sollten.70 Dieser Plan wurde zwar 1943 aufgegeben, das Ziel der Errichtung eines Volkstraktorenwerkes jedoch deshalb keineswegs fallen gelassen.71 Erst der Zusammenbruch des NS-Regimes machte auch den gigantomanischen Planungen Leys für das Volkstraktorenwerk den Garaus. Wäre das Unternehmen in den Dimensionen errichtet worden, die Ley vorschwebten, hätte der »Volkstraktor« – ähnlich wie der KdF-Wagen – eine marktbeherrschende Stellung erhalten. Die Gesamt­kosten für das Volkstraktorenwerk und den Umbau Waldbröls wurden 1941 auf eineinhalb Milliarden RM geschätzt.72 In fordistischen Großwerken hergestellte Volkswagen und Volkstraktoren waren nicht die einzigen »Volksprodukte«, die die Arbeitsfront auf ihre Agenda setzte. Ende 1940 traten Robert Ley und seine DAF mit der Idee eines »Volks67 Zum Architekten des Volkstraktorenwerkes wurde Karl Preus (1905-1995) ernannt. Preus war in Köln geboren; er hatte an der TH Stuttgart studiert und anschließend in Köln zunächst als privater Architekt gearbeitet. Anfang der dreißiger Jahre freundete sich Preus mit Clemens Klotz an, der gleichfalls aus Köln stammte, mit Ley frühzeitig – über Hugo Simon, den Vater Heinrich Simons – Bekanntschaft geschlossen hatte und zum Hausarchitekten der DAF avancierte, der das »Bad der Zwanzigtausend« in Prora auf Rügen plante und außerdem u. a. das von Ley Ende 1935 erworbene Gut Rottweil bei Waldbröl vollständig umbaute. Preus gewann die Protektion Leys und avancierte im Sept. 1940 zum »Generalbaureferenten« und Leiter des Bauamtes der DAF (bis 1945). Nach 1945 war Preus als freier Architekt im Rheinland tätig, zuletzt in Bad Godesberg. 68 Die ungefähr fünfzig auf diese Weise um ihre ökonomische Existenz gebrachten Bauern sollten nach Lothringen ausgesiedelt und dort mit größeren Höfen ›entschädigt‹ werden. Vgl. Rosendahl-Kraas, Stadt der Volkstraktorenwerke, S. 73, 80. 69 Ebd., S. 72 f. (inkl. mehrerer Abbildungen der Entwürfe). 70 Vor allem Juden sollten als KZ-Häftlinge zur Arbeit gepresst werden. Vgl. Mommsen/ Grieger, Volkswagenwerk, S. 446; Grieger, River Rouge am Mittellandkanal, S. 169. 71 Noch im Febr. und März 1945 stellte die Porsche KG der Volkswagen AG, d. h. der DAF, einen Betrag von 138.000 RM für Arbeiten an der Konstruktion des Volks­ traktors in Rechnung. Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 447. 72 Vgl. ebd., S. 443.

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kühlschranks« auf den Plan. Ein Massenmarkt für elektrische Kühlschränke hatte sich erst seit Anfang der dreißiger Jahre auszubilden begonnen – in den USA. Dort stieg die Zahl der Haushalte, die über eine strombetriebene Kühl­ anlage verfügten, von 4,5 Mio. 1933 auf 12 Mio. sechs Jahre später. Im Deutschen Reich waren 1933 lediglich 20.000 Kühlschränke in Betrieb, 1939 immerhin 200.000.73 Für deutsche Arbeiterhaushalte blieben selbst kleine Kühlschränke – von 60 Litern zu einem Preis von 300 RM (1935) – unerschwing­lich. Unter dem Motto »Kampf dem Verderb« kamen bereits 1933 erste Überlegungen auf, dem »Volk ohne Raum« auf breiter Basis preiswerte Kühlschränke zur Verfügung zu stellen. Das Reichswirtschaftsministerium hatte sich bereits unter Schacht für einen preiswerten »Volkskühlschrank« erwärmt. Das Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit erklärte, auf Basis einer »Gemeinschaftsarbeit« der einschlägigen Firmen nach dem Vorbild des »Volksempfängers« die Massenfertigung von »Volkskühlschränken« organisieren zu wollen; die angesprochenen Unternehmen sahen sich jedoch nicht in der Lage, einen Kühlschrank zu einem auch für breitere Arbeitnehmerschichten erschwinglichen Preis zu fertigen. Die DAF focht all dies nicht an. Hans Wagner, der neben Heinrich Simon in dem zu diesem Zeitpunkt innerhalb des im Aufbau befindlichen Verwaltungsstabs des »Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau« die entscheidende Figur war, erklärte, die Arbeitsfront und die von ihr kontaktierten Industrieunternehmen würden in absehbarer Zeit einen Kleinkühlschrank zu einem Preis von 50 bis 60 RM auf den Markt bringen können. Ein knappes Jahr später, im Oktober 1941, erklärte der gerade zum »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« gekürte Robert Ley, die Vorbereitungen seien so weit gediehen, dass statt der zunächst avisierten Produktion von einer Million Volkskühlschränken nun – »im ersten Jahr nach dem Krieg« – bis zu zwei Millionen Stück hergestellt werden könnten.74 Ungeachtet zahlreicher technischer Probleme, die der Bau eines auch für Arbeiter erschwinglichen und (so Ley) mindestens zwanzig Jahre haltbaren Kühlschranks nach Ansicht von Experten aufwarf, plante Ley ein großdimensioniertes, von der DAF finanziertes Werk für »Volkskühlschränke« in der Nähe von Wien zu errichten.

73 Dies und das Folgende nach König, Volksprodukte, S. 137-150. Vgl. außerdem ders., Scheitern einer NS-Konsumgesellschaft, S. 146, 150; Martina Heßler, »Mrs. Modern Woman«. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung, Frankfurt a. M./New York 2001, S. 366-379; Michael Wildt, Technik, Kompetenz, Modernität. Amerika als zwiespältiges Vorbild für die Arbeit in der Küche, 1920-1960, in: Lüdtke u. a. (Hg.), Amerikanisierung, S. 78-95, hier: S. 84; Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Göttingen 2008, S. 123 ff. 74 Ley nach: König, Volksprodukte, S. 148. Zum »Sozialen Wohnungsbau« der DAF, in den die Pläne Leys für eine fordistische Massenfertigung von Volkskühlschränken einzubetten sind, vgl. Kapitel 7, S. 446 ff..

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Der erste Schritt auf dem Weg zum Schiffsbaukonzern: die Stettiner Vulkan-Werft Die megalomanen Visionen, die Ley für die Massenfertigung von Volkstraktoren und Volkskühlschränken entwickelte, blieben Wunschträume. Anders war dies mit dem Werften­im­perium, das die DAF aufzubauen plante. Hier wurden immerhin erste Schritte in die Wege geleitet, indem die Arbeitsfront im August 1938 die während der Weltwirtschaftskrise stillgelegte Vulkan-Werft in Stettin, ursprünglich ein Tochterunternehmen der Bremer Vulkan-Werft zum Bau von Seeschiffen, aufkaufte und in der Reichshauptstadt die Wiking-Schiff­bau­ gesellschaft mbH gründete, die Binnenschiffe bauen sollte. Die traditionsreiche, 1857 gegründete, in Bredow bei Stettin beheimatete Vulkan-Werft75 zählte lange Zeit zu den führenden deutschen Werften im zivilen sowie  – seit Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts  – im militärischen Schiffbau;76 nach der Jahrhundertwende wurde in Hamburg ein gleichfalls rasch wachsendes Tochterunternehmen (Hamburger Vulkan) aufgebaut.77 Trotz erheblicher Überkapazitäten im reichsdeutschen Schiffsbau und der Stillegung zahlreicher Werften existierte die Stettiner Vulkan-Werft nach 1918 zunächst weiter. Ihr Überleben nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatte sie wesentlich dem Reichs­ma­rine­amt zu verdanken, da dieses schon frühzeitig den Aufbau einer neuen Flotte ins Auge fasste und sich neben vier anderen Werften (Blohm & Voss/Hamburg; AG Weser/Bremen, Schichau-Werft/Elbing und GermaniaWerft/Kiel) die Leistungsfähigkeit sowie die Erfahrungen der Vulkan-Werft im 75 Die Forschung über dieses Unternehmen ist dürftig. Armin Wulle (Der Stettiner Vulcan, Herford 1989, S. 9-107) beschränkt sich im Wesentlichen auf die technische Beschreibung der Schiffe, die bis Ende 1929 auf der Vulkan-Werft gebaut wurden. Für die NS-Zeit ist diese affirmative ›Leistungsschau‹, die die wirtschaftliche Entwicklung und die Politik des Unternehmens, die Struktur der Belegschaft und überhaupt die Verhältnisse auf der Werft ausblendet, unergiebig. Vgl. ebd., S. 108. Auch anderswo sind die Stettiner Vulkan-Werft und die Ambitionen der Arbeitsfront, einen Werftenkonzern aufzubauen, nicht ausführlicher thematisiert worden. Erwähnt wird die Wiederinbetriebnahme der Vulkan-Werft 1938 zwar von Kyra T. Inachin (Der Gau Pommern – eine preußische Provinz als NS-Gau, in: John/Möller/Schaarschmidt [Hg.], Die NS-Gaue, S. 280-293, hier: S. 290), die Rolle der DAF jedoch unterbewertet, nämlich auf eine bloße finanzielle »Beteiligung« reduziert, die des pommerschen NSDAP-Gauleiters Schwede-Coburg dagegen überbewertet. Bei König (Volksprodukte, S. 208) findet sich lediglich beiläufig der Hinweis, dass die DAF plante, die Vulkan-Werft aufzukaufen. Die weitere Entwicklung wird auch dort nicht behandelt. 76 Im Zentrum stand zunächst der Bau von Binnenschiffen. Seit 1867 wurden für die preußische und deutsche Marine dann zahlreiche hochseetüchtige Kriegsschiffe, später auch große Hochseedampfer für die zivile Schiffahrt gebaut. Ab 1859 produzierte die Stettiner Vulcan-Werft außerdem Lokomotiven. Um die Wende zum 20. Jahrhundert beschäftigte das Unternehmen etwa 7.000 Arbeiter und war damit eine der größten Werften des Deutschen Reiches. 77 Gegründet wurde die »Werft Vulcan A.G. Hamburg« 1905. Zusammengefasst wurden beide Großbetriebe unter dem Dach »Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan« (ab 1913: »Vulkan«). 1911 wurde der Firmenhauptsitz von Stettin nach Hamburg verlegt.

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Kriegsschiffbau, darunter nicht zuletzt im U-Bootbau, erhalten wollte.78 Zwar erhielt die Stettiner Vulkan-Werft vor diesem Hintergrund umfängliche öffentliche Zuschüsse sowie staatliche Kredite und Bürgschaften. Die Restriktionen durch den Versailler Vertrag waren jedoch so massiv, dass an einen Kriegsschiffbau in den avisierten Dimensionen nicht zu denken war. 1928 musste die Pommersche Vulkan-Werft stillgelegt werden.79 Von Oktober 1933 bis Mitte März 1934 dienten Gebäude der brachliegenden Werft als KZ.80 An eine Wiederaufnahme des Schiffsbaus dachte zunächst niemand. Erst die DAF weckte das Stettiner Unternehmen im Hochsommer 1938 aus einem fast zehn Jahre währenden Winterschlaf. Zweck des Erwerbs der Werft waren die Erweiterung der KdF-Flotte durch zahlreiche Schiffsneubauten, die auf der Pommerschen Werft gefertigt werden sollten, sowie weitere »große Aufgaben, die sich der Reichsorganisationsleiter in sozialpolitischer Hinsicht nach dem Kriege gestellt hat«, wie es 1940 in einem Rechenschaftsbericht so lakonisch wie nebulös hieß.81 Zugleich war der Erwerb und der faktische Neuaufbau der Werftanlagen Teil einer Art regionaler Entwicklungshilfe, die 78 Mit dem Ziel der Wiederaufnahme der U-Bootproduktion und der technologischen Weiterentwicklung hatte die Stettiner Vulkan-Werft gemeinsam mit der Germaniaund der Schichau-Werft 1922 ein getarntes Entwicklungsbüro in den Niederlanden gegründet, das in enger Zusammenarbeit mit dem Reichsmarineamt Konstruktionsaufträge für den Bau von U-Booten für verschiedene europäische Staaten übernahm. Vgl. Andreas Meyhoff, Blohm & Voss im »Dritten Reich«. Eine Hamburger Großwerft zwischen Geschäft und Politik, Hamburg 2001, S. 37. Zu den zivilen Schiffsbauten, die ab 1920 in Stettin vom Stapel liefen, vgl. Wulle, Vulcan, S. 96 ff. 79 Zuvor, 1926/27, hatte die »Deutsche Schiff- und Maschinenbau AG« (Deschimag; ab 1945: AG Weser), ein Zusammenschluss von norddeutschen Werften mit dem Hauptsitz Bremen, die Stettiner und die Hamburger Vulkan-Werft (sowie die Neptun-Werft/ Rostock und weitere kleinere Schiffbauunternehmen) erworben. Allein dem damit verbundenen Konzentrationsprozess fielen zwischen Ende 1927 und Ende 1929 fast 15.000 Arbeitsplätze zum Opfer. Vgl. Meyhoff, Blohm & Voss, S. 42. Im Unterschied zur Stettiner Werft wurden die Hamburger Vulkan-Werke nicht stillgelegt, sondern 1930 von der Deschimag an die Kieler Howaldtswerke verkauft. Die Abteilung für Lokomotivbau der Stettiner Vulkan-Werft wiederum, in der bis Mitte der zwanziger Jahre immerhin 4.000 Lokomotiven gefertigt worden waren, ging 1928 an die August Borsig GmbH in Berlin. 80 Es war eines der wenigen frühen KZ, das der SS unterstand. Vgl. Andrea Rudorff, Misshandlung und Erpressung mit System. Das Konzentrationslager »Vulkan-Werft« in Stettin-Bredow, in: Wolfgang Benz/Bar­bara Distel (Hg.), Instrumentarium der Macht. Frühe Konzentrationslager 1933-1937, Berlin 2003, S. 35-69; dies., StettinBredow, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel/Angelika Königseder (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager, München 2005, S. 204-207; Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 1933-1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner, München 2001, S. 348-352; Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der Konzentrationslager 1933 bis 1939, 3. Aufl., Berlin 1993, S. 98 f., 140; Robert Thévoz/Hans Branig/Cécilie Lowenthal-Hensel (Hg.), Pommern 1934/35 im Spiegel von Gestapo-Berichten und Quellen, Köln/Berlin 1974, S. 31 (Darstellung). 81 Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940, S. 9, in: BA Berlin, NS III, Nr. 87.

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Ley nicht zuletzt aus bündnispolitischen Erwägungen praktizierte. Denn mit dem finanziell erheblichen Engagement, das für die DAF mit der Errichtung der Werft verbunden war, konnte Ley als Reichsorganisationsleiter der NSDAP den zuständigen pommerschen Gauleiter der Partei, Franz Schwede-Coburg, für sich gewinnen, wünschte dieser doch nichts sehnlicher, als dass das stillgelegte Unternehmen zu »altem Ansehen« zurückkehren solle. Darüber hinaus bot die Vulkan-Werft »mit ihrer günstigen Lage und dem großen vorhandenen Grund und Boden die Voraussetzungen für den Ausbau zu einer Großschiffswerft«.82 Von den Plänen Leys und der DAF erfuhren die Marine, das Reichswirtschaftsministerium und andere Stellen, deren Interessen mindestens mittelbar tangiert wurden, Mitte Mai 1938 erst durch Pressemeldungen.83 Sie reagierten alarmiert und beraumten kurzfristig eine Sitzung an, die hochkarätig besetzt war und vom Leiter des »Amtes für deutsche Roh- und Werkstoffe« – dem wichtigsten Amt innerhalb der Vierjahresplanbehörde Görings – Generalmajor Fritz Loeb geleitet wurde. Besonders scharf war die ablehnende Haltung der Fachgruppe »Schiffbau«, in der die etablierten Werften den Ton angaben, sowie der Marine. Beide fürchteten, eine Wiedereröffnung der Stettiner Vulkan würde die ohnehin angespannte Rohstofflage weiter verschärfen und zwischen den Werften einen heftigen Kampf um knappe Facharbeiter und Ingenieure entfachen, der die Leistungsfähigkeit des deutschen Schiffbaus nachhaltig zu schwächen drohe.84 Ihre Einwände konnten die Entscheidung Leys, der der Sitzung vom 28. Mai 1938 fernblieb und den Leiter der NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude« Bodo Lafferentz geschickt hatte, nicht beeinflussen. Bemerkenswert ist, dass sich der Chef der Arbeitsfront auch über einen zunächst gegenteiligen Entscheid Hitlers hinwegsetzte. Hitler hatte Anfang Juni 1938 Bedenken Görings und Raeders zunächst nachgegeben und ausdrücklich bestimmt, dass die »Arbeiten zur Wiedereröffnung der Vulcan-Werft nicht in Angriff genommen werden sollten«.85 Anscheinend gelang es Ley wenig später, den »Führer« umzu82 Ebd., S. 10. Zum Vorstandsvorsitzenden wurde der Landesbaurat und Leiter des pommerschen NSDAP-Gauwirtschaftsamts Bruno Mackels ernannt (über den sonst nichts weiter bekannt ist). Aufsichtsratsvorsitzender war der Stettiner Wirtschaftsfunktionär und Ratsherr Gebhard Holtz (1897-1972), Inhaber des ortsansässigen Handelsunternehmens Tetzlaff & Wenzel. Holtz war eine lokale Größe, nämlich Vizepräsident der Stettiner IHK und in leitenden Funktionen in der Wirtschaftskammer Pommerns sowie der bezirklichen Gliederung der Wirtschaftsgruppe Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel. Außerdem gehörte er dem Beirat der Deutschen Reichs­bank und der Reichsgruppe Handel an; ferner amtierte er als Beisitzer des Berliner Reichswirtschaftsgerichts. 83 Vgl. den Schnellbrief des RWM vom 19. Mai 1938 – an die Reichskanzlei, das OKW, den Beauftragten für den Vierjahresplan, die Wehrwirtschaftsinspektion II, die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, den Reichsverkehrsminister und andere, in: BA Berlin, R  43 II, Nr. 262, Bl. 3. 84 Vgl. Aktenvermerk der Reichskanzlei vom 28. Mai 1938 über eine Sitzung zur geplanten Wiedereröffnung der Stettiner Vulkan-Werft (mit Vertretern der in Anm. 83 genannten Institutionen), in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 262, Bl. 4 ff. 85 Vermerk der Reichskanzlei über die Wiedereröffnung der Vulkan-Werft in Stettin vom

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stimmen.86 Ley sowie sein Adlatus Lafferentz jedenfalls begannen ungerührt von allen Einwänden noch im Sommer 1938, ihr Stettiner Projekt auch tatsächlich aus der Taufe zu heben87 – ein Indiz dafür, wie stark die politische Stellung der Arbeitsfront und ihres Chefs zu diesem Zeitpunkt war. Ursprünglich war vorgesehen, in der Stettiner Werft KdF-Schiffe in großem Stil zu bauen. Als die Werft 1939/40 ihre Produktion aufnahm, mussten diese Pläne zwar fallen gelassen werden. Das Konzept, die Stettiner Werft zu einem zentralen Standort für den Neubau von KdF-Schiffen zu machen, wurde indes nicht aufgegeben,88 selbst nach der Landung der Alliierten in der Normandie nicht. So heißt es – in einer absurd anmutenden Verkennung der Überlebensperspektiven des NS-Regimes – in der Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsausschusses des Aufsichtsrates des Stettiner DAF-Unternehmens vom 24. Juli 1944, dass »Blohm & Voss und Vulkan-Werft zusammen [die Planung für die] Entwicklung der KdF-Schiffe bearbeiten«.89 Das Grundkapital lag zum Zeitpunkt der Neugründung der Stettiner Vulkan-Werft bei 4,55 Mio. RM. Im Frühjahr 1940 erhöhte die Arbeitsfront das Grundkapital und stellte dem Unternehmen weitere 15 Mio. RM zur Verfügung. Bis Ende 1940 wurde das Stammkapital der Stettiner Vulkan-Werft auf 24 Mio. RM erhöht.90 Sämtliche ein Jahrzehnt zuvor stillgelegten Produktionsstätten der Vulkan-Werft wurden innerhalb eines Jahres wiederhergestellt. Kurz nach Kriegsbeginn wurde der Betrieb aufgenommen. Darüber hinaus wurden die Werftanlagen sukzessive erweitert. Die erste Ausbaustufe war 1942/43 abgeschlossen. Noch vor Kriegsbeginn wurde die Werft in die Aufrüstung »produktiv eingeschaltet«. Bis Ende 1940 führte sie an knapp neunzig, bis Ende des folgenden Jahres an insgesamt zweihundert kleine­ren Kriegsschiffen Reparaturarbeiten aus

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14. Juni 1938, in: BA Berlin, R 43 II, Nr. 262, Bl. 7. Vgl. auch Meyhoff, Blohm & Voss, S. 220. In der (parteioffiziellen) Pommerschen Zeitung hieß es am 17. Juli 1938 unter der Überschrift: »Wiederaufbau des Stettiner Vulcan«, dass Göring – und mit ihm wohl auch Hitler – den »großen Plan« Leys und Schwede-Coburgs nun doch »genehmigt« habe. Damit würde »nun endlich der letzte Rest von Systemsünden aus dem Stettiner Stadtbild getilgt«; »Neubauaufträge für die Werft liegen schon auf Jahre hinaus vor«. Vgl. einen entsprechenden Bericht (»Arbeitsbeginn auf dem Stettiner Vulcan«) im Stettiner General-Anzeiger vom 2. Aug. 1938; ferner die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 12. Juli 1940. Vgl. z. B. Niederschriften über die Sitzung des Aufsichtsrates der Stettiner VulkanWerft vom 14. Dez. 1940 und 14. Okt. 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 52. In: ebd., Nr. 55. Vgl. Deutscher Reichsanzeiger vom 7. März 1939, 9. April 1940 und 19. Dez. 1940. Vom Stammkapital hiel­ten die TWU der Arbeitsfront Ende 1940 19,5 Mio. RM und die Vermögensverwaltung der DAF zwei Mio. RM. Anteile in Höhe von 500.000 RM waren im Besitz des Provinzialverbandes Pommern (Stettin), 120.000 RM hatten die Pommersche Provinzial Lebensversicherungs-Anstalt Stettin und 50.000 RM die Pommersche Feuersozietät zugeschossen. 1.830.000 RM hielten weitere diverse Versicherungsgesellschaften aus der Region.

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und errichtete zu diesem Zweck zwei Schwimm­docks. Am 22. Juni 1940 lief der erste Schiffsneubau vom Stapel. In der Folgezeit baute man kleinere Kriegs­ schiffe.91 Bis mindestens Anfang 1944 waren die Produktionskapazitäten sämt­ licher Werftanlagen »ständig voll ausgelastet«.92 Infolge einer nicht ausreichenden Versorgung vor allem mit Stahl entwickelten sich allerdings »die Arbeiten an den Schiffsneubauten nur sehr schleppend«. »Sogar im U-Bootbau«, auf den sich die Stettiner Werft ab 1941 spezialisiert hatte, kam es aller Kriegswichtigkeit zum Trotz »immer wieder zu Störungen«.93 Was der Aufsichtsrat der VulkanWerft wolkig als »Störung« bezeichnete, waren freilich weniger Probleme der Rohstoff- oder Arbeitskräfte-Beschaffung als vielmehr Versuche namentlich Rudolf Blohms, dem Stettiner DAF-Unternehmen den existenzsichernden U-Bootbau zu nehmen und die Marineaufträge vor allem dem eigenen Unternehmen, der Blohm & Voss-Werft in Hamburg, zuzuschanzen. Der einflussreiche »Wehrwirtschaftsführer« Blohm94 hatte mit seinen faktisch vor allem von Konkurrenzdenken geprägten Bestrebungen schließlich Erfolg: In der zweiten Kriegshälfte wurde der Stettiner Vulkan-Werft der U-Bootbau entzogen, offiziell unter dem Postulat der Rationalisierung und Produktionskonzentration.95 Das änderte allerdings nichts daran, dass der Vulkan-Werft nach dem Kriegseintritt der USA offenbar eine zentrale Rolle für die deutsche Kriegführung in Übersee zugedacht war. 1942/43 begann ein Ingenieur-Team der Vulkan-Werft Pläne zu entwickeln, mittels 32 Meter langer Schleppbehälter, die einen Durchmesser von fünf Metern und eine Wasserverdrängung von 500 Tonnen haben sollten, die Heeresrakete A4 von See aus gegen die US-amerikanische Ostküste in Stellung zu bringen. Die ersten drei Prototypen dieser Schleppbehälter wurden 1944 bei der Vulkan-Werft in Auftrag gegeben, kamen jedoch angesichts der Lage auf den Kriegsschauplätzen nicht mehr zum Einsatz.96 91 Vgl. Einladung an den Aufsichtsrat vom 4. Juni 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 52 bzw. Nr. 55. Zahlenangaben nach: Niederschriften über die Aufsichtsratssitzungen vom 14. Dez. 1940 bzw. 14. Okt. 1941, in: ebd. 92 Zitate: ZfW/AWU, Leistungsbericht für das Jahr 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33. Vgl. auch die Geschäftsberichte für 1940 und 1941 sowie Vorstandsbericht vom Sept. 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 52. 93 Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung vom 14. Okt. 1941 (Anm. 88). 94 Blohm (1885-1979) wurde 1914 Gesellschafter und gemeinsam mit seinem Bruder Walter faktisch Leiter der von seinem Vater mitbegründeten Werft Blohm & Voss. Seit 1933 Preußischer Staatsrat, seit 1934 führend in der Reichsgruppe Industrie und 1937 zum »Wehrwirtschaftsführer« ernannt, gehörte er im Rahmen der Speer’schen Wirtschaftlichen Selbstverwaltung ab Frühjahr 1942 als Leiter des »Sonderausschusses Kriegsschiffe« zu den einflussreichsten Persönlichkeiten. 95 Vgl. Meyhoff, Blohm & Voss, S. 353. Von 18 geplanten U-Booten wurde auf der Stettiner Werft anscheinend lediglich eines fertiggestellt, der Bau der übrigen nach der Intervention Blohms auf die Lübecker Flender-Werke sowie die Hamburger Werft H.C. Stücklen umgelenkt. Vgl. Wulle, Vulcan, S. 108. Zum U-Bootbau des Stettiner Vulkan in der zweiten Kriegshälfte vgl. Rainer Busch/Hans Joachim Röll, Der U-Boot-Krieg 1939-1945, Bd. 2: Der U-Bootbau auf deutschen Werften, Hamburg 2003, S. 260 ff. 96 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 914.

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Zwangsarbeiter für die Stettiner DAF-Werft Ein Grunddilemma der Stettiner Werft, das die insgesamt niedrigen Produktionszahlen wesentlich erklärt, war das Defizit an einschlägig qualifizierten Arbeitskräften. Die Zahl der Facharbeiter, die bis zur Stilllegung 1928 auf der Werft beschäftigt gewesen, danach »berufsfremd« tätig waren und ab 1938 in Umschulungswerkstätten für ihren alten Beruf requalifiziert werden mussten, war klein. Das Gros der Werftarbeiter musste mühselig und zeitaufwendig angelernt werden, da »der Werft auferlegt war, keine Fachkräfte von anderen Werken abzuziehen«.97 Mitte 1940 verfügte das DAF-Unterneh­men über immerhin 740 Arbeiter und hundert Angestellte; bis Ende dieses Jahres wuchs die Belegschaft auf 1.061 Mann.98 Bis zum Überfall auf die Sowjetunion bildeten ausländische Arbeitskräfte innerhalb der Gesamtbelegschaft eine kleine Minorität. Das änderte sich ab Herbst 1941. Zivile Fremdarbeiter, die freiwillig nach Stettin kamen, um auf der DAF-Werft zu arbeiten, reichten freilich nicht aus, um den großen Bedarf an Arbeitskräften zu befriedigen. Angesichts des weiteren Ausbaus der Werft und des Drucks zu einer entsprechenden »Vermehrung der Gefolgschaft [als] vordringlichster Aufgabe« erblickte der Aufsichtsrat des Unternehmens »in den russischen Kriegsgefangenen das Hauptreservoir« an weiteren Arbeitskräften.99 Es war diese, unter elendigen Bedingungen lebende Gruppe von Arbeitskräften, die maßgeblich dazu beitrug, dass die Belegschaft der Stettiner Vulkan-Werft ab Ende 1942 sprunghaft wuchs. Im Oktober 1942, als bereits Menschen aus »17 verschiedenen Nationen in unserer Gefolgschaft« arbeiteten,100 lag die Zahl der Werftarbeiter bei 1.306, der Anteil ausländischer Arbeitskräfte unter ihnen bei 27 %. Bis Januar 1943 hatten sich die Zahl der Lohnempfänger auf 1.502 und der Anteil der Fremdarbeiter auf 33 % erhöht. Im Juni diesen Jahres beschäftigte die DAF-Werft bereits 1.894 Arbeiter, darunter 45 % ausländische Arbeiter. Im November 1943 erreichte die Belegschaftsgröße mit gut 2.000 Arbeitnehmern einen Spitzenwert, der bis in die letzten Kriegsmonate ungefähr gehalten werden konnte. Infolge der Aufhebung der U.k.-Stellung deutscher Arbeiter angesichts der Schlacht um Stalingrad und schließlichen Niederlage der Wehrmacht wuchs der Anteil ausländischer Arbeitskräfte von 49 % im November 1943 auf deutlich über 50 % Prozent im folgenden Jahr.101 97 Vertrauliche Ergänzungen zum Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55. Vgl. auch Geschäftsbericht für 1940, sowie Vorstandsbericht vom 7. Okt. 1941 in: ebd., Nr. 52. 98 Angaben nach: Niederschriften über die Aufsichtsratssitzungen vom 21. Juni bzw. 14. Dez. 1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 52 bzw. 55. 99 Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung vom 20. Nov. 1942, in: ebd. 100 Ebd. 101 Zahlen (nur Lohnempfänger) nach: Bericht an den Arbeitsausschuss des Aufsichtsrates der Stettiner Vulkan Werft vom 15. Febr. 1943, in: ebd. Berichte oder auch nur Hinweise auf die  – vermutlich katastrophalen  – Arbeits- und Lebensbedingungen der Fremdarbeiter liegen ebenso wenig vor wie Angaben zu ihrer nationalen Zusam-

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Der hohe Prozentsatz an meist unqualifizierten und ökonomischer wie außerökonomischer Disziplinierung wehrlos ausgesetzten ausländischen Arbeits­ kräften bildete einen starken Anreiz, die Produktion systematisch zu taylori­ sieren. Deren geringe Vorbildung und Berufserfahrung würde »durch eine entsprechende Aufgliederung der Fertigung in etwa ausgeglichen«, erklärte die Geschäftsleitung in ihrem »Leistungsbericht« für 1943. Die Vulkan-Werft wurde zum Vorreiter einer mit brachialer Disziplinierung kombinierten Taylorisierung innerhalb der reichsdeutschen Werftindustrie, d. h. einer Branche, die sich von ihrem Produktionsprofil her eigentlich nur schlecht taylorisieren ließ.102 Mit Hilfe des REFA wurden die Akkorde systematisiert und »verwissenschaftlicht«. 1942/43 versuchte die Betriebsleitung, eine abgewandelte Form des »Lohnkataloges Eisen und Metall«, mit dem seit Mai 1942 in der gesamten metallverarbeitenden Industrie zum ersten Mal in Deutschland ein auf einem – summarischen – System der Arbeitsbewertung basierendes Leistungslohnsystem eingeführt wurde, zu praktizieren. Ende 1943 äußerte sich die Geschäftsleitung der Vulkan-Werft hoffnungsfroh, dass »der im Jahre 1943 durchgeführte Ausbau der Organisation des Arbeitsablaufes verbunden mit der Leistungslohn-Ordnung dem Unternehmen eine erhöhte Wirtschaftlichkeit und der Gefolgschaft zugleich eine gerechtere Entlohnung sichern« werde.103 Tatsächlich konnten jedenfalls die 1941 noch hohen pekuniären Verluste des Unternehmens in den Folgejahren deutlich reduziert werden. Betonschiffe für den »Führer« Das Aufgabenfeld des Stettiner Unternehmens war weit gefasst und schloss die Beteiligung an der Entwicklung neuer Schiffstypen ein. Zwar war die VulkanWerft durch Luftangriffe vom 6. Januar 1943, 13. April und 18. Mai 1944 bereits stark in Mitleidenschaft gezogen. Das hinderte den Aufsichtsrat jedoch nicht, in seiner Sitzung vom 24. Juli 1944 festzulegen, dass die Entwicklungsabteilung der DAF-Werft »die Steuerung der Arbeiten für die Ausrüstung der Betonschiffe übernehmen solle«.104 Sie sollte dabei mit einem eigens für die Entwicklung mensetzung. Die Zahl der (wahrscheinlich ausschließlich deutschen) Angestellten lag Ende 1929 bei 203, darunter waren 48 Frauen. Außerdem bildete die Werft zu diesem Zeitpunkt 26 Lehrlinge aus. Nach: ebd. 102 In der gesamten Werftindustrie lag der Anteil der Akkordarbeiter zwar bei 80 bis 90 %; es waren in aller Regel jedoch pauschale ›Erfahrungs‹-Akkorde, die dem einzelnen Arbeiter relativ große Freiräume ließen. Zur Produktionsstruktur und zu den Problemen, den Schiffsbau auf die Kriegswirtschaft umzustellen und taylorisierte Fertigungsweisen sowie darauf aufbauende Lohnsysteme einzuführen, vgl. Siegel, Leistung und Lohn, bes. S. 143-165; ferner Recker, Sozialpolitik, S. 196 f. 103 ZfW/AWU, Leistungsbericht für Jahr 1943 (Anm. 92). Vgl. auch Vorstand an den Aufsichtsrat der Stettiner Vulkan-Werft AG vom 29. Sept. 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55. 104 In: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 55. Zur Gründung des Sonderausschusses »Betonschiffe« im Juni 1942 vgl. Gregor Jansen, Das Ministerium Speer, Berlin/Wien 1968, S. 113;

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dieses Schiffstyps gegründeten DAF-Unter­neh­men zusammenarbeiten, mit der um die Jahreswende 1940/41 ins Leben gerufenen Wiking-Schiff ­baugesell­schaft mbH. Diese Gesellschaft hieß ursprünglich »Betonschiffbau GmbH« und hatte ihren Verwaltungssitz in Berlin-Wilmers­dorf. Im ursprünglichen Namen war bereits angedeutet, dass es sich bei der WikingSchiff­bau­gesell­schaft (jedenfalls anfangs) um eine Art Forschungs­institut der skurrilen Art handelte. Das Unternehmen, das die DAF bis Ende 1943 mit einem Stammkapital von 4 Mio. RM ausstattete, sollte einen besonderen »deutschen Werkstoff« auf seine Seetauglichkeit prüfen, nämlich Schiffe nach dem »Stahlsaitenbetonverfahren« bauen. Ziel war, so erklärte der Vorsitzende der Gesellschaft zu Beginn des Frühjahres 1944, »zunächst an einem kleinen Versuchsfahrzeug die Brauchbarkeit unserer Bauweise zu beweisen, um dann […] mit der serienmässigen Herstellung von Schiffen zu beginnen«.105 Errichtet werden sollte die geplante Werft in Ziegenort, eine Landgemeinde von 1939 knapp 3.000 Einwohnern an der Mündung des Papenwassers in das Große Haff und nicht allzu weit von Stettin entfernt. Das Projekt selbst, der Bau eines Betonschiffes, ging offensichtlich auf Gottfried Feder zurück, der die Idee eines Eisen­betonschiffes in der letzten Phase des Ersten Weltkrieges auch zu realisieren begonnen hatte.106 Die Phase einer serienmäßigen Fertigung von Betonschiffen wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht, da bis 1944 »die für unsere Schiffbaustelle in Ziegenort angeforderten Kontingente« an Rohstoffen wie Arbeitskräften abgelehnt wurden. Die Werft konnte deshalb nicht in den geplanten Dimensionen errichtet werden, so dass »wir«, wie der »Betriebsführer« der Wiking-Gesellschaft klagte, »der deutschen Kriegswirtschaft noch keine eisensparenden SSB-Fahrzeuge zur Verfügung stellen können!«107 Immerhin gelang es im Herbst 1943, einen ersten »Stahlsaitenbeton-Güter­kahn« vom Stapel laufen zu lassen, der von der »Transportflotte Speer« übernommen wurde.108 Neben Binnenschiffen wurde auch für

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Karl-Heinz Ludwig, Technik und Ingenieure im »Dritten Reich«, Düsseldorf 1974, S. 73. Der Geschäftsführer der Wiking-Schiffbaugesellschaft Fr. Richter an Dipl.-Ing. Desch vom 20. März 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. Wenige Tage später, am 4. Mai 1944, ernannte der TWU-Chef Hans Strauch Bodo Lafferentz und Johannes Dickmann neben Richter zu Mitgeschäftsführern der WS-Gesellschaft. Das erste und bis 1943 in Deutschland einzige dieser Eisenbetonschiffe war durchaus schwimmfähig und lief im Nov. 1918 vom Stapel. Ob es »Feders Namen in die Annalen der Schiffbautechnik, ihn selbst aber an den Rand des Bankrotts« brachte, wie Karl-Heinz Ludwig (Technik und Ingenieure, S. 73) süffisant angemerkt hat, ist allerdings zweifelhaft. Das angeblich erste Schiff aus Eisenbeton war bereits 1849 in Frankreich gebaut worden und wurde 1859 auf der Pariser Weltausstellung präsentiert. In den USA lief 1892 ein erstes Eisenbetonschiff vom Stapel. Das größte Eisenbetonschiff wurde 1918, also ungefähr gleichzeitig mit dem ersten deutschen Betonschiff, gebaut und maß mehr als hundert Meter Länge. Vgl. W. Petry, Zur Frage des Eisenbetonschiffbaues, Charlottenburg 1920 (nach: ›http://forum-marinearchiv.de‹. Aufgerufen am 27. Jan. 2010). Fr. Richter an Desch vom 20. März 1944 (wie Anm. 105). ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 92).

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die Ostsee der »Bau von Betonschiffen in Sonderbauweise mit vorgespannten Stahlsaiten« ins Auge gefasst und mehrere Schiffstypen schließlich praktisch erprobt. »Die vor Vertretern der Marine, der Reichsbehörden und der Werftindustrie durchgeführten Grossversuche hinsichtlich der Eignung des Stahlsaitenbetons zum Schiffsbau ergaben in überzeugender Weise die besondere Eignung dieses Werkstoffes für diesen Zweck.«109 Wirklich überzeugend scheinen diese Demonstrationen jedoch nicht gewesen zu sein. Der Chef der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF Hans Strauch äußerte jedenfalls wenig später erhebliche »Bedenken gegen die ganze Angelegenheit«.110 Aufbau eines Werftenkonzerns im europäischen »Südostraum« Aufgabe der Wiking-Schiffbaugesellschaft war freilich nicht nur die Entwicklung neuer Schiffstypen. Sie war darüber hinaus als Dach für offenbar zahlreiche Werften vor allem im Südosten Europas gedacht. Wahrscheinlich 1941 erwarb die Wiking-Schiffbaugesellschaft noch unter ihrem anfänglichen Namen »Betonschiffbau GmbH« eine Minderheitenbeteiligung von knapp 40 % an der 1926 gegründeten »Bulgarischen Schiff-, Lokomotiv- und Waggonbau AG (Koralowag)« in Varna.111 Am 26. Mai 1942 ging die Koralowag gänzlich in den Besitz der DAF-Ge­sellschaft über. Bei der Firma handelte es sich um ein, für bulgarische Verhältnisse, großes Unternehmen, das verschiedene Sparten des Fahrzeugbaus abdeckte. 1942/43 wurden für die bulgarische Staatseisenbahn insgesamt 400 Güterwaggons gebaut. Schwerpunkt des Unternehmens war der Bau und die Reparatur von Fährschiffen der Kriegsmarine sowie von Fischkuttern; 1942 war die Koralowag außerdem für die Innenausstattung zweier großer Handelsschiffe zuständig. 1943 wurde der Varnaer Werftbetrieb zudem mit der Ausrüstung von Tankern beauftragt, die in der Rostocker Neptun-Werft gebaut worden waren. Zum Zeitpunkt der Inbesitznahme durch die DAF waren die Fertigungs­ anlagen des bulgarischen Unternehmens in einem offenbar schlechten Zustand. 109 So resümierend: ebd. Mehrere Gutachten zur Stahlsaitenbeton-Bauweise und zu daraus gefertigten Betonschiffen finden sich in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. 110 Niederschrift über die zweite Sitzung des Arbeitsausschusses des Aufsichtsrates der Stettiner Vulkan Werft AG, am 24. Juli 1944, in: ebd., Nr. 55. 111 Die Prager Ringhofer-Tatra-Werke A.G. hielten knapp 45 %, ein einzelner Aktio­när (Lorenz Mörck) die übrigen gut 17 %. Vgl. Protokoll einer Besprechung vom 26. Juni 1942, in: ebd., Nr. 56. Die Prager Ringhofer-Tatra-Werke hatten sich im Besitz des Berliner Generalkonsuls Albert Gorgas befunden. Der in Bukarest ge­borene Gorgas (1896-1941) war eine der Größen im Immobiliengeschäft der Reichshauptstadt. So stand er an der Spitze des Vorstandes der Berliner Grundbesitz-Verwaltungs AG und der Volkswohnheim Gemeinnützige AG und hatte den Aufsichtsratsvorsitz der Berliner Grundverwertungs-AG, der Kaiser-Keller AG und der Union Immobilien Verwertungs AG inne; darüber hinaus war er Mitglied der Aufsichtsgremien zahlreicher weiterer Unternehmen. Sein Tod Ende 1941 machte den Weg zur vollständigen Übernahme der Koralowag durch die DAF frei.

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Die von der Arbeitsfront geplante Instandsetzung und Modernisierung sowohl des Waggonbaus als auch der Werftanlagen ließen sich wegen immer schärferer Materialengpässe nur in begrenztem Umfang verwirklichen. Die ins Auge gefasste, weit darüber hinausgehende massive Erweiterung des Werkes, die 1942 durch umfangreiche Grundstückskäufe vorbereitet wurde, war vor dem Hintergrund sich rasch verschärfender kriegswirtschaftlicher Engpässe gleichfalls nicht mehr zu realisieren.112 Dass der Ausbau der Koralowag nach der Übernahme des Unternehmens durch die DAF dennoch voranging, lässt sich an der Entwicklung der Belegschaftsgröße ablesen. Anfang Januar 1941 beschäftigte das Unternehmen 130 Arbeiter. Bis Frühjahr 1942, als die Koralowag in den hundertprozentigen Besitz der Arbeitsfront überging, hatte sich die Arbeiterbelegschaft ungefähr verdreifacht. Am 1. Juli 1942 zählte sie dann 480, am 1. Januar 1943 693 Köpfe. Bis Ende 1943 hatte sich die Belegschaft schließlich mit 1.181 Arbeitern gegenüber Anfang 1941 fast verzehnfacht (ohne die zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Angestellten). Vor allem der Werftbetrieb der Koralowag litt allerdings unter ähnlichen Problemen wie die Stettiner Vulkan-Werft: Der Arbeitsmarkt war von Facharbeitern längst leergefegt, »so dass auf Hilfsarbeiter zum Anlernen zurückgegriffen werden musste«. Deren Schulung war freilich zeitaufwendig; auch konnten sie Fachkräfte nicht adäquat ersetzen.113 Trotzdem sei die Umsatz- und Gewinnentwicklung im Schiffsbau in den Jahren 1942 und 1943 »in allen Teilen befriedigend« gewesen, heißt es im Leistungsbericht der DAF-Zentralstelle für Finanzwirtschaft, mit »Rücksicht auf die Geheimhaltungspflicht« ohne genauere Angaben.114 Bedeutendster Auftraggeber war bis 1944 die deutsche Kriegsmarine. Langfristiges Ziel der DAF war es, die Werft zu einem einflussreichen Unternehmen auch auf dem Markt des zivilen Hochsee- und Binnenschiffsbau in Südosteuropa zu machen. Wie wichtig der Arbeitsfront das Varnaer Großunternehmen war, lässt sich daran ablesen, dass der Leiter der TWU Hans Strauch persönlich den Aufsichtsratsvorsitz übernahm und zu seinem Stellvertreter den Leiter des DAF-Wirtschafts­am­tes Karl Bertrams bestimmte.115 Da Bulgarien kein besetztes, 112 Angaben nach: Bericht des Vorstandes der Koralowag an den Verwaltungsrat über die Tätigkeit der Gesellschaft, o.D. (Ende 1942/Anfang 1943), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 56. 113 Zahlenangaben und Zitat aus: Bericht des Vorstandes der Koralowag für 1943, in: ebd. 114 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 92). 115 Bertrams (1909-?), promovierter Jurist und in der rechtsextremistischen Studentenbewegung sozialisiert, war Anfang 1932 in die NSDAP eingetreten und ab Anfang 1935 Leiter der Gestapo Schneidemühl. Von Okt. 1936 bis Frühjahr 1937 fungierte er als Adjutant des »Beauftragten des Führers für Wirtschaftsfragen‹« Wilhelm Kepp­ler, danach übernahm er leitende Positionen beim Reichskommissar für die Preisbildung Josef Wagner. Von Okt. 1940 bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes leitete Bertrams, der wie Ley aus Waldbröl stammte und deshalb rasch dessen Vertrauen gewann, das Wirtschaftspolitische Amt der DAF. Von Ende April 1940 bis Okt. 1941 führte er

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sondern nominell ein mit NS-Deutschland verbündetes Land war, musste der Schein der Kooperation gewahrt und Bulgaren in die Geschäftsführung sowie den Aufsichtsrat aufgenommen werden, unter ihnen Dimiter Sawov, der im Juni 1944 zum Finanzminister des südosteuropäischen Landes ernannt wurde.116 Auch danach blieben freilich die von der Arbeitsfront eingesetzten Personen tonangebend – bis Anfang September 1944 mit der Besetzung Bulgariens durch die Rote Armee die zuständige Sowjetische Kontrollkommission die Verwaltung der Koralowag übernahm. Über die Koralowag hinaus plante die Arbeitsfront die Übernahme weiterer Werften in Südost-Europa und ihre Eingliederung in die Holding der WikingSchiffbaugesellschaft. Dies gelang freilich nur in ersten Ansätzen. Immerhin erwarb die DAF-Holding im Sommer 1942 eine Werft »in der Ägäis« (so die unbestimmte Ortsangabe), d. h. wahrscheinlich in dem von deutschen Truppen besetzten Teil Griechenlands.117 Diese »auf Veranlassung des Reichskommissars für die Seeschiffahrt […] durch militärische Initiative in Gang gebrachte Werft« befasste sich wie die Wiking-Schiffbaugesellschaft vornehmlich mit dem Betonschiffbau. Bremen als neben Fallersleben und Waldbröl dritte KdF-Stadt? Über die bisher geschilderten Ansätze eines Werftenkonzerns hinaus wollte ­Robert Ley innerhalb des Deutschen Reiches Stadtväter auch andernorts mit dem Bau von DAF-eigenen Werften beglücken. Bereits 1936 war im »Arbeitertum« zu lesen, dass der Chef der Arbeitsfront plane, dreißig neue Schiffe für die touristische Großorganisation der NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude« bauen zu lassen.118 Überdies wolle er, erklärte Ley dann Anfang 1938, für den Bäder-Verkehr auf der Nord- und Ostsee sowie die KdF-Binnenschifffahrt zwanzig weitere Schiffe in Auftrag geben.119 In der Folgezeit nahmen diese Visionen immer großartigere Dimensionen an.120 Eine gewisse Überzeugungskraft besaßen die Pläne Leys, weil eineinhalb Jahre vor Kriegsbeginn ein erster Schritt gemacht

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gleichzeitig die »Abteilung Arbeit und Sozialwesen« beim Reichskommissar für Norwegen (Terboven). Sawov (1887-1951), seit 1919 Mitglied in den Verwaltungsräten verschiedener bulgarischer Großbanken, gehörte zu den einflussreichsten Wirtschaftspolitikern des südosteuropäischen Staates. 1945 wegen Kriegsverbrechen zu 15 Jahren Haft verurteilt und während der Haft verstorben, wurde er 1996 posthum rehabilitiert. Die genauen Eigentumsverhältnisse sind unklar. Anscheinend war auch die Reichsmarine an der Ägäis-Werft beteiligt. 1943/44 fanden Verhandlungen mit dem Ziel einer vollständigen Übernahme dieser Werft durch die DAF statt. Vgl. ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 92). Vgl. »Arbeitertum« vom 15. Mai und 1. Juni 1936. Vgl. Monatshefte für NS-Sozialpolitik, 1938, S. 152. Vgl. Frommann, Reisen im Dienste politischer Zielsetzungen, S. 291. Zum Folgenden vgl. ebd., S. 284-292, sowie Horst R. Heberling, Der Plan eines »Kraft durch Freude«Hafens in Bremen (HS-Arbeit), Bremen 1999.

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fahrzeug- und schiffsbau

worden war. Im März 1938 trat die »Wilhelm Gustloff« ihre Jungfernfahrt an; im selben Monat lief die »Robert Ley« unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit vom Stapel. Sie bildeten den Hintergrund für die freudige Überraschung, die Ley den Bremern bereitete, als er die Hansestadt am 30. April 1938 besuchte. Für den Bau solcher KdF-Schiffe, so erklärte Ley, benötige er eine eigene Werft, und die wolle er in Bremen bauen. Finanzielle Probleme gebe es nicht. Die Arbeitsfront würde via Arbeitsbank für die Errichtung der Werft weitgehend gradestehen. Überdies würde er, Ley, beim »Führer« durchsetzen, dass die Kriegsmarine keine Rechte geltend machen und die avisierte KdF-Werft für den Bau von Kriegsschiffen in Beschlag nehmen könne. Die Bremer Werftindustrie war begeistert. Die Deutsche Maschinenbau AG (Deschimag) erklärte dem Wirtschaftssenator schon wenige Tage später, dass sie in der Lage und auch gern bereit sei, eine solche Werft auf Rechnung der DAF zu errichten. Die Kosten würden sich, grob geschätzt, auf 15 Mio. RM belaufen. Das Projekt habe freilich einen Haken. Nicht der Aufbau eines solchen Unternehmens werfe größere Probleme auf, erklärte die Deschimag, sondern die Bereitstellung von Arbeitskräften für den laufenden Betrieb. Das Anerbieten der Deschimag, das der Bremer Wirtschaftssenator umgehend an die Arbeitsfront weiterleitete, ohne auf das Problem der Arbeitskräftebeschaffung einzugehen, wurde dort allerdings mit Zurückhaltung aufgenommen. Das für den KdF-Tourismus zuständige Amt »Reisen, Wandern, Urlaub« erklärte Anfang Juni 1938, dass man »eine KdF-Werft in Bremen […] aufgrund der derzeitigen Verhältnisse vorerst zurückstellen« müsse. Das Hauptproblem sei der Arbeitskräftemangel. Auch Ley erklärte wenig später, dass die Finanzierung zwar kein Problem sei, dass man aber »keine Menschen« für eine KdF-Werft habe. Zunächst wolle man sich deshalb darauf beschränken, die Stettiner Vulkan-Werft weiter auszubauen. Um die Jahreswende 1940/41 wurden die Pläne, Bremen zum Standort einer KdF-Werft zu machen, endgültig begraben. Aber warum hatte sich der Chef der DAF ausgerechnet Bremen als Standort einer (weiteren) Werft auserkoren? Bremen war schon länger im Fokus der DAF- und KdF-Führung. Seit 1935 stach ein Teil der KdF-Flotte von Bremerhaven aus in See. Nach Plänen des KdFAmtes »Reisen, Wandern, Urlaub« von Anfang 1936 sollte die Hansestadt selbst (nicht ihr Vorort Bremerhaven) zum zentralen Ausgangspunkt für die geplante Hochseeflotte der DAF-Suborganisation werden. Der Bremer Wirtschaftssenat rea­gierte umgehend und unterbreitete der Arbeitsfront bereits im April 1936 einen Vorschlag für den von KdF gewünschten Hafen, der bis August 1938 zu einem detaillierten Plan ausgearbeitet wurde. Dieses Konzept sah eine gigantische Abfertigungsanlage mit einem Gästehaus für mehr als 3.000 KdF-Touristen, einen eigenen Bahnhof, eine Großgarage, einen Leuchtturm, eine Festhalle, ein Einkaufszentrum, ein Fernheizwerk, Verwaltungsgebäude und weitere Anlagen vor. Die geschätzten Gesamtkosten von knapp 25 Mio. RM waren eher zu niedrig veranschlagt. Selbstverständlich hätte außerdem die Weser erheblich

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vertieft werden müssen. Kurzfristig ließ sich das nicht verwirklichen. Endgültig zerschlugen sich diese Pläne um die Jahreswende 1940/41  – nachdem die Arbeitsfront einerseits die projektierten Hafenbecken als nicht groß genug für die künftigen KdF-Schiffe bezeichnet hatte. Zudem erklärte die Organisation, nicht für die Kosten aufkommen zu wollen, die ein solcher Ausbau des Bremer Hafens bedeutet hätte. Damit erübrigten sich auch die Pläne für eine KdF-Werft. Treibstoff für die Arbeitsfront Fahrzeuge, gleichgültig ob Autos oder Schiffe, benötigen Benzin bzw. Öl, um in Bewegung gesetzt werden zu können. Insofern war es folgerichtig, dass sich die DAF schließlich auch um den Erwerb eines Erdölfeldes bemühte. Dies geschah freilich erst zu einem sehr späten Zeitpunkt – Ende Oktober 1944, nachdem die Rote Armee den Angriff auf Ostpreußen begonnen und dessen nordöstlichen Teil bereits erobert hatte, während die Amerikaner Aachen eingenommen hatten. Auch die südosteuropäische Frontlinie der Deutschen geriet immer mehr ins Wanken, nachdem Belgrad von jugoslawischen Partisanen und sowjetischen Heeresverbänden erobert worden war. Der Roten Armee gelang es zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht, über den Dukla-Pass in die Slowakei vorzudringen, so dass der slowakische Aufstand unterdrückt werden konnte und die Slowakei noch einige Wochen im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich verblieb. Zu diesem Zeitpunkt bereiste Ludwig Bierlein, seit Juni 1937 stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer der TWU, zusammen mit dem stellvertretenden NSDAP-Gauleiter für Südhannover-Braunschweig Heinrich Peper121 und dem Besitzer der Internationale Tiefbohr AG (ITAG), Generalkonsul Hermann v. Rautenkranz, 122 alle Erdölfelder in der Slowakei und in den noch nicht von den Alliierten eroberten Gebieten Rumäniens. Ihre Absicht war es, der weiterhin außerordentlich solventen Arbeitsfront (bzw. der TWU) die Mehrheit einer ergiebigen und ausbaufähigen Förderstätte zu verschaffen. ›Fündig‹ wurde man 121 Peper (1902-1984), seit 1936 unter Rust stellv. NSDAP-Gauleiter für SüdhannoverBraun­schweig, war auf Antrag Leys Anfang 1944 u.k.-gestellt worden und wurde für den Chef der DAF in unterschiedlichen Angelegenheiten als eine Art Sonderbeauftragter tätig. Im Nov. 1944 wurde er zur Waffen-SS einberufen. 122 Die ITAG war bereits seit 1924 als Bohrunternehmen in Jugoslawien aktiv. Vgl. ­Titus Kockel, Deutsche Öl­politik 1928-1938, Berlin 2005, S. 179. Mitte der dreißiger Jahre begann die ITAG im Kontext der nationalsozialistischen Autarkiepolitik relativ erfolgreich im »Altreich« nach Erdöl zu bohren. Unter den kleineren Unternehmen dieser Branche war sie das erfolgreichste, der »größte Mittelständler«. Vgl. ebd., S. 167-170, 175 f., Zi­tat: S. 169. Rautenkranz (1883-1973) war der Gründer und blieb bis 1945 der Lenker dieses »Familienbohrbetriebs« (Kockel), der bis 1924 »Hermann von Rautenkranz  – Internationale Tiefbohrkommanditgesellschaft«/Cel­le hieß. Ab 1938 war Rautenkranz außerdem Aufsichtsratsvorsitzender der mehrheitlich im Besitz der ITAG befindlichen »Steinberg Naphta AG« in Wien, sein Bruder Harry deren Vorstandsvorsitzender.

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schließlich unweit von Brünn, der Hauptstadt von »Mähren«. Die zu diesem Zeitpunkt im Besitz mehrerer tschechischer landwirtschaftlicher Genossenschaften befindlichen Kuxen der »Gewerkschaft Ropa« und die dazugehörige Öl­gewinnungsanlage, die etwa 15 Kilometer von Brünn entfernt lagen, sollten zum kleineren Teil auf die ITAG überschrieben werden und zum größeren Teil in den Besitz der TWU der DAF übergehen. Das dort geförderte Erdöl war zwar minder­wertig, nämlich außerordentlich dickflüssig und nur in einem aufwendigen Verfahren zu gewinnen. Indes konnten daraus immerhin »etwa 10 % sehr hochwertiges Dieselöl [und] etwa 60 % Achsenöl« gewonnen werden. Und auch für die »etwa 30 % Rückstände (Teer)« hatte die DAF Verwendung. Sie projektierte in der Nähe der Förderanlagen eine »Produktionsstätte für Dachpappe«, da bei der Förderung des »ungewöhnlich dickflüssigen Erdöls« neben Teer »auch erhebliche Mengen von für Dachpappe geeignetem Sand« anfielen. An Dachpappe wiederum bestünde im Reich »bekanntlich ein erheblicher Engpass, gerade im Rahmen des DHW«, des von Ley 1943 verkündeten Deutschen Wohnungshilfswerks. Vor allem aber sollten die Förderanlagen, die »im derzeitigen Zustand einen reichlich primitiven Eindruck« machten, sowie eine kleinere, dazu gehörige Raffinerieanlage modernisiert und ausgebaut werden.123 Für die ITAG als Mittler war der Kauf der Anlagen durch die DAF ein profitables Geschäft. Obwohl »die Gesamtanlagen kaum höher als [auf ] rd. 1 Mill. RM zu schätzen« waren, zahlte die DAF 2,63 Mio. RM. Auf diese Weise hoffte sie nun auch in diesem, »in unserer Interessensphäre liegenden Feld« Fuß zu fassen.124 Der formal anscheinend noch vollzogene Erwerb der insgesamt 75 Kuxen kam freilich zu spät. An eine Aufnahme der Erdölförderung war angesichts des Zusammenbruchs der deutschen Ostfront nicht mehr zudenken. Mit dem NS-Regime lag schließlich auch das DAF-Wirtschaftsimperium in Trümmern.

123 Alles (inkl. Zitate) nach: Aktenvermerk Bierleins vom 25. Okt. 1944, in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 54. 124 Die ITAG hatte ursprünglich sogar 3,2 Mio. RM gefordert. Zitate: ebd. Vgl. außerdem TWU an »Gewerkschaft Consolidation« vom 27. Okt. 1944, »Gewerkschaft Consolidation« (als »Repräsentant« A. Groote/Celle) an die TWU vom 31. Okt. 1944, sowie schließlich die Vereinbarung zwischen der »Gewerkschaft Consolidation«, Erdölgewinnungsbetriebe Celle (Prov. Hannover) an die TWU, o.D. (Nov. 1944), in: ebd.

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9. Das Personal

9.1. Die ›einfachen‹ Belegschaften Bis 1941/42 war das DAF-Unternehmenskonglomerat zu einem gigantischen Konzern her­ange­wachsen, der inklusive ausländischer Arbeitskräfte schließlich etwa 200.000 ›einfache‹ Arbeiter und Angestellte zählte. Mitte 1933 waren in den Unternehmen, die die Arbeitsfront den Gewerkschaften geraubt hatte, keine 50.000 Arbeitnehmer tätig gewesen. Mit dem Wachstum des DAF-Konzerns veränderte sich auch die Binnenstruktur der Belegschaften – in vielfältiger Hinsicht. Die Verdrängung von »Gemeinschaftsfremden« Die Arbeitsfront und die NSBO waren neben der SA und der NSDAP die Massenorganisationen, die frühzeitig und besonders massiv auf die Entlassung von jüdischen Arbeitnehmern drängten. Angesichts der scharfen antisemitischen Grundhaltung der Organisation überrascht wenig, dass in allen Betrieben, die sich seit Mai 1933 im unmittelbaren Eigentum der DAF befanden, jüdische Arbeitskräfte frühzeitig entlassen wurden – sofern Juden als Belegschafts­mitglieder nicht schon lange vor der NS-Machtergreifung in den dann von der Arbeitsfront übernommenen Unternehmen ›undenkbar‹ gewesen waren. Immer schon »judenfrei« waren die Unternehmen des traditionell antisemitischen Deutsch­ nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) gewesen, also die Deutscher Ring Versicherungen, die Hanseatische Verlagsanstalt, der Langen-Müller-Ver­ lag und einige kleinere Unternehmen, die 1933 in die Hände der DAF fielen. Anders war das in den freigewerkschaftlichen Unternehmen und Genossenschaften. In diesen Unternehmungen hatten konfessionelle bzw. »rassische« Zugehörigkeiten der Belegschaftsmitglieder keine Rolle gespielt. Nachdem sie in den Besitz der Arbeitsfront übergegangen waren, hatte die DAF-Führung überzeugte Nationalsozialisten an deren Spitze gestellt. Diese setzten ihren ganzen Ehrgeiz darein, den ›Makel‹ der Beschäftigung jüdischer Arbeitnehmer umgehend abzu­ legen und den diesbezüglichen ›Vorsprung‹ der ehemaligen DHV-Unternehmen möglichst schnell wettzumachen. Infolgedessen gerierte sich die Arbeitsbank im Vergleich zu anderen Geldinstituten sehr früh als »judenfrei«.1 Auch die Volksfürsorge beeilte sich, ihre von den Nationalsozialisten als »Juden« klassifizierten 1 Anfang 1936 machte die Arbeitsbank zudem den »Arier«-Nachweis durch eine entsprechende Klausel in ihrer Betriebsordnung ausdrücklich zur Voraussetzung für eine Einstellung. Geschäftsbericht der Arbeitsbank für 1936 (Sozialbericht). Vgl. auch Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 15; Weihe, Personalpolitik, S. 121.

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Angestellten umgehend zu entlassen.2 »Halbjüdische« Angestellte der ehemals sozialdemokratischen Versicherungsgesellschaft wurden bis 1935 auf die Straße gesetzt. Lange bevor entsprechende Gesetze verabschiedet wurden, entließen auch die Bau- und Wohnungsgesellschaften ihre jüdischen Arbeitnehmer. Tochterunternehmen, die sich der DAF-Konzern in der Folgezeit angliederte, hatten denselben Prinzipien zu folgen. So wurden die jüdischen Arbeitnehmer und Vorstandsmitglieder der österreichischen Allianz & Gisela-Ver­sicherung, die seit Sommer 1938 als »Ostmärkische Volksfürsorge« firmierte, umgehend und ausnahmslos entlassen. Ähnlich verfuhr man im Sudetenland. Genauso rigoros entließ der Deutsche Ring, der mit der 1938 erworbenen ÖVAG den österreichischen Markt für Lebensversicherungen dominierte, alle jüdischen ­Belegschaftsmitglieder dieser großen Versicherungsgesellschaft.3 Das Arbeitsfront-Unternehmen ging voran, die übrigen Versicherungsgesellschaften folgten rasch. Noch im Oktober 1938 meldete Ley, dass der gesamte Innendienst des Versicherungsgewerbes im nun zum »Großdeutschen Reich« erweiterten Dritten Reich »judenfrei« sei. Das war zwar etwas voreilig. Nach der Volkszählung vom Frühjahr 1939 wurden noch 71 jüdische Arbeitnehmer in Versicherungsgesellschaften beschäftigt; in den folgenden Wochen wurden jedoch auch sie entlassen.4 Als »gemeinschaftsfremd« galten außerdem Arbeitnehmer, die als Sozial­ demokraten oder Kommunisten aktiv gewesen waren, sowie diejenigen, die sich nach 1933 offen oppositionell exponierten. Massenentlassungen nahm die DAFFührung indes lediglich anfangs und auch nur sehr begrenzt vor. Die Gründe für dieses vergleichsweise vorsichtige Handeln liegen auf der Hand: Man hätte die Unternehmen existentiell gefährdet, wenn man all diejenigen auf die Straße gesetzt hätte, die sich bis 1933 zur Sozialdemokratie bekannt hatten und in der ersten Zeit Distanz zum Regime zeigten. Die Verfahren, die die Führung der Arbeitsfront praktizierte, um die Belegschaften in ihren eigenen Unternehmen auf einen nationalsozialistischen Kurs zu bringen, muteten angesichts der Rigorosität, mit der die Arbeitsfront in zahl­losen privaten Betrieben auf der Entlassung unbotmäßiger Arbeitnehmer bestand, ­paradox an: statt Massenentlassungen – Massenein­stellungen. In allen Unterneh­men, die die Arbeitsfront 1933 aus dem Besitz der Gewerkschaften 2 Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 42 f.; Botur, Privatversicherung, S. 90 ff., 97, sowie Kapitel 5, S. 208 f. Zu antisemitisch motivierten Entlassungen von Angestellten der Bau- und Wohnungsgesellschaften sowie der Aufkündigung von Mietverträgen vgl. Kapitel 7, S. 406 f.. Im Deutschen Gemeinschaftswerk, das die DAF 1941 aus den Konsumgenossenschaften gründete, stellte sich die Frage nach der Entlassung von Juden nicht mehr. Hier wurden deshalb auch erst vergleichsweise spät (1944) antisemitische Bestimmungen, die allerdings »jüdisch versippte« Arbeitnehmer einschlossen, in die Betriebsordnung aufgenommen. Vgl. Kapitel 6, S. 402 f. 3 Vgl. Kapitel 5, S.  255. 4 Vgl. Botur, Privatversicherung, S. 92, sowie Stiefel, Österreichische Lebensversicherung, S. 66 f.

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übernahm, wurden die alteingesessenen Belegschaften mit »Alten Kämpfern« durchsetzt und damit die Möglichkeit für den linken Widerstand, diese Unternehmen zu Refugien wenigstens passiver Resistenz zu machen, un­terlaufen. Gleichzeitig verschaffte man dadurch verdienten »Alten Kämpfern« sichere Pfründe. Dass »untaugliche Angestellte«, die keine »erforderliche Eignung« mitbrachten, den Unternehmen durch »verschiedene Stellen« der Arbeitsfront regelrecht »aufgedrängt« worden seien,5 nahm die DAF-Führung billigend in Kauf. Zwar blieben die Genossenschaften, insbesondere die Konsumvereine, teilweise bis weit in den Krieg hinein Nischen einer sozialdemokratischen Nonkonformität (ohne dass daraus aktiver Widerstand erwachsen wäre). Alles in allem war die Praxis der Arbeitsfront jedoch von Erfolg gekrönt. Die Unternehmenskulturen wandelten sich merklich; der sozialdemokratische ›Geruch‹ der ehemals gewerkschaftlichen Unternehmen und Genossenschaften verflüchtigte sich zusehends. Bereits im Hochsommer 1933 konnte z. B. die Leitung des Verbandes Sozialer Baubetriebe melden, dass weit mehr als die Hälfte der in den Bauhütten beschäftigten Arbeitnehmer NSDAP-Mitglieder seien; bei der Volksfürsorge gehörte im letzten Vorkriegsjahr immerhin ein Drittel der hauptamtlich Beschäftigten der Partei an. Dies war nicht allein auf die Neueinstellung »Alter Kämpfer« zurückzuführen. Auch Teile der alteingesessenen Belegschaften scheinen ausgesprochen anpassungswillig gewesen zu sein. Locklöhne und Sonderzahlungen, um Fachkräfte zu ködern Lediglich mit unfähigen »Alten Kämpfern« hätten die Unternehmen der Arbeitsfront kaum länger überleben können. Nachdem die Krise überwunden war und sich Vollbeschäftigung eingestellt hatte, stellte sich dieses Problem zunehmend schärfer. Die DAF-Unternehmen mussten  – je mehr sie expandierten, desto dringender  – einschlägig qualifiziertes Personal rekrutieren. Aber wie? Um sich den notwendigen Stamm an Fachpersonal zu verschaffen, sahen sich die Arbeitsbank, die DAF-Versi­che­rungsgesell­schaf­ten und die meisten anderen Firmen der Arbeitsfront zum Leidwesen der Konkurrenz veranlasst, fähige Mit­arbeiter dadurch zu ködern, dass sie diese in höhere Tarifgruppen eingruppierten. Zudem stellten sie generös rasche Beförderungen in Aussicht.6 Darüber hinaus fand sich nachweisbar die Arbeitsbank bereit, sämtliche Tarifgehälter großzügig »nach oben abzurunden«. Die rasch expandierende Volksfürsorge erhöhte die Monatsgehälter der hauptberuflich Angestellten zwischen 1933 und 1937 von durchschnittlich 203 RM auf 293 RM, d. h. um knapp 50 %. Mit die5 So die Klage des Direktors der GEG, Hermann Reiner, mit Blick auf die Konsumgenossenschaften und den massiven Druck, den die DAF in der Personalpolitik bis Anfang 1935 ausübte, nach: Vermerk des Ministerialrats Zee-Hereaus aus dem Reichswirtschaftsministerium (RWM) vom 28. Aug. 1935 (über eine Besprechung mit Reiner), in: BA Berlin, R. 3101, Nr. 10526, Bl. 387 bzw. Bl. 388. 6 Vgl. Kapitel 4, S. 186, sowie Kapitel 5, S. 222.

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ser Gehaltshöhe lagen sie in den Vorkriegsjahren um ungefähr 20 % über dem Branchendurchschnitt.7 Generös zeigten sich die Arbeitsbank und vermutlich auch die anderen DAF-Unternehmen außerdem bei der Zumessung von Weihnachtsgratifikationen, Jahresabschlussprämien und anderen Sonderzahlungen, sehr zum Ärger der etablierten Großbanken, die seit Ende der zwanziger Jahre zu einer Politik der Senkung der Personalkosten übergegangen waren.8 Überhaupt gerierten sich die DAF-Unterneh­men sozialpolitisch als Musterarbeitgeber und setzten so die Konkurrenz kräftig unter Druck.9 Selbst im Krieg hatten die Vorstände der DAF-Unter­neh­mun­gen keine Skrupel, mit hohen Gehältern Mitarbeiter von der Konkurrenz abzuwerben und damit, wie z. B. die Commerzbank Erfurt Ende April 1941 über die Arbeitsbank klagte, »Unzufriedenheit und Unruhe auch in unsere […] Gefolgschaft hineinzutragen«.10 Die ausufernde Gehaltspolitik des DAF-Konzerns war nicht ohne Pikanterie. Die Unternehmen der Arbeitsfront setzten dadurch nämlich eine Einkommensspirale in Gang, die den Interessen des Regimes eigentlich diametral entgegenstand  – und drängten mit ihrer Gehaltspolitik die Arbeitsfront als politische Organisation in eine schizophrene Haltung. Denn als Vorfeldorganisation der NSDAP wetterte die DAF ab Ende 1936 gegen vermeintliche Locklöhne und angeblich illegitime Gehaltsverbesserungen, die das niedrige Einkommensgefüge zu destabilisieren und damit die Aufrüstung im angezielten Tempo zu gefährden drohten.11 Dieser Widerspruch scheint die Unternehmensleitungen ungerührt gelassen zu haben. Kritik der Konkurrenz prallte an ihnen ab. Die politischen Funktionsträger der DAF ließen die großzügige Gewährung weit überdurchschnittlicher Gehälter im eigenen Konzern kommentarlos durchgehen.12 7 Die Durchschnittsgehälter anderer Versicherungen lagen deutlich darunter; die Monatseinkommen beispielsweise der »Iduna-Ger­mania« 1935 erreichten gerade 240 RM. Vgl. Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 44. 1934 erhielten die Angestellten der Volksfürsorge 251 RM im Monat, 1935 260 RM und 1936 275 RM (ohne Lehrlinge). Angaben zu den Monatsgehältern: ebd., S. 44, 70. 8 Hierzu und zum Folgenden vgl. Weihe, Personalpolitik, bes. S. 150 ff., 163 f., 174, 178, Zitat: S. 150. Vgl. außerdem den Geschäftsbericht der Arbeitsbank von 1936, in dem eine allgemein bessere tarifliche Eingruppierung freimütig eingeräumt wurde. 9 Vgl. exemplarisch für die Arbeitsbank ebd., S. 14, 28. 10 Nach: ebd., S. 85. 11 Die Forderungen der DAF nach einem »gerechten«, d. h. vor allem niedrigen (Leistungs-)Lohn konzentrierten sich allerdings vor allem auf die Arbeiterschaft. Vgl. Hachtmann, Industriearbeit, S. 196 ff.; Siegel, Leistung und Lohn, S. 210 ff. In ihrer Angestelltenpolitik suchte die Arbeitsfront vor allem die gravierenden Differenzen zwischen den in Klein- und Großbetrieben gezahlten Gehältern auszugleichen. Vgl. Michael Prinz, Vom neuen Mittelstand zum Volksgenossen. Die Entwicklung des sozialen Status der Angestellten von der Weimarer Republik bis zum Ende der NS-Zeit, München 1986, S. 170 f. 12 Hintergrund dieser auffälligen Zurückhaltung war zusätzlich der Tatbestand, dass sich auch die DAF – und ebenso die NSDAP – bei der Bezahlung der eigenen Angestellten »souverän über den allgemeinen [tariflichen] Gehaltsstopp hinwegsetzten«. Ebd., S. 175. Vgl. auch Hachtmann, Koloss, S. 36 f.

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Von der peniblen Befolgung der Doppelverdienerkampagne zur unfreiwilligen Feminisierung der Belegschaften In anderer Hinsicht hielt man sich dagegen strikt an die vom Regime vorgegebenen Richtlinien. Entgegen der allgemeinen Tendenz in der Industrie und in der Finanzwirtschaft waren die Unternehmen der Arbeitsfront in den ersten Jahren der NS-Diktatur bemüht, die Kampagne zur Entlassung weiblicher »Doppelverdiener« penibel zu befolgen. Frauen wurden entlassen und durch Männer ersetzt, soweit dies die Arbeitsplatzstrukturen zuließen. Infolgedessen sank der Anteil der Frauen an der hauptamtlich tätigen Gesamtbelegschaft etwa der Volksfürsorge Lebensversicherung von 1933 ziemlich exakt einem Drittel (33 %) auf gerade noch 15 % vier Jahre später (Tabelle 2.5). In den Vorkriegsjahren drehte sich dieser Trend. Der Mangel an männlichen Angestellten erzwang eine Feminisierung der Belegschaften. 1939 lag der Anteil der Frauen an der Gesamtheit der hauptamtlich Beschäftigten der Volksfürsorge Lebensversicherung bei 24 %. Im ersten Kriegsjahr schnellte er auf 40 % hoch. Rechnet man die männlichen Beschäftigten nicht ein, die als Soldaten an die Front mussten, erhielt die Volksfürsorge in der zweiten Kriegshälfte ein stark weibliches Gesicht – von den Leitungspositionen abgesehen. Ein noch stärkeres Auf und Ab verzeichnete die DR-Krankenversicherung in ihrer Belegschaftszusammensetzung nach Geschlecht: Hier war der schon zuvor niedrige Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft bis 1936 auf ganze 6,3 % gesunken. Danach kehrte sich dieser Trend dramatisch um. Bis 1939 war der Anteil weiblicher Belegschaftsmitglieder auf 26,1 % geklettert; im folgenden Jahr gerieten die männlichen Belegschaftsmitglieder – die freilich weiterhin die gehobenen Posten besetzten – sogar in die Minderheit (Frauenanteil 1940: 56,4 %).13 Auch bei der Arbeitsbank sank der Anteil der männlichen Beschäftigten Ende der dreißiger Jahre. Insbesondere während des Krieges wurden Männer zur Mangelware. Von den 1943 nominell 2.272 Belegschaftsangehörigen waren 842 oder 37,1 % an der Front. Bereits 1941 hatte der tatsäch­liche Anteil der – überwiegend weiterhin auf den niedrigen Stufen der Belegschaftshierarchie beschäftigten – weiblichen Angestellten der Arbeitsbank bei mehr als der Hälfte gelegen.14 Dass der Vorstand der Arbeitsbank den zunehmend dramatischeren Rückgang an männlichen Mitarbeitern dadurch auszugleichen versuchte, dass er vermehrt Frauen einstellte, lag im Trend. Bemerkenswert ist indes, dass er längerfristig Mitarbeiterinnen auch in gehobenen Positionen platzieren wollte. Ende 1940 erklärte der Vorstand der Bank der Deutschen Arbeit, dass »die Durchführung 13 Die Gesamtbelegschaft der DR-Krankenversicherung stieg zwischen 1936 und 1939 von 613 auf 664 Angestellte und Arbeiter (ohne Lehrlinge, deren Zahl lag 1939 bei 39). Im folgenden Jahr sackte sie auf 489 Arbeitnehmer ab. Alle Angaben nach: Leistungs­ bericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen ­Arbeitsfront für 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 11. 14 Einschließlich der einberufenen Männer betrug der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft 36 %.

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der unserem Volks nach dem Kriege erwachsenden großdeutschen Aufgaben auch für das Bankgewerbe die Notwendigkeit mit sich bringen [werde], in verstärktem Maß weibliche Gefolgschaftsmitglieder auf den mit Verantwortung verbundenen Arbeitsplätzen zu beschäftigten«. Man sei deshalb bereits im ersten Kriegsjahr »dabei, entsprechende Aufbaukameradschaften zu bilden, deren Teilnehmer nach ihrer Ausbildung das weibliche Führerkorps der Bank darstellen sollen«.15 In dieser Hinsicht nahm das DAF-Geldinstitut innerhalb des Bankensektors eine Vorreiterrolle ein.16 Verantwortliche Positionen scheinen Frauen in zunehmendem Maß außerdem in den allerdings meist kleinen Frontbuchhandlungen sowie anderen Verkaufsstellen im Besitz der DAF-Verlage ausgeübt zu haben.17 Hoch war der Anteil der Frauen auch beim Deutschen Gemeinschaftswerk. Die Ende 1943 etwa 32.000 und Ende Mitte 1944 gut 28.000 Mitarbeiter der Verkaufs- bzw. Verteilerstellen des GW waren fast ausschließlich weiblich (und zudem meist jung). Auch bei den (Ende 1943:) 22.000 bzw. (Mitte 1944) 16.000 Arbeitnehmern in den Produktionsbetrieben dürften sich die Proportionen gleichfalls zugunsten der Frauen verschoben haben, ebenso unter den knapp 10.000 Angestellten der Zentralverwaltung des GW-Komplexes bzw. der GEG/ Deugro.18 Die insgesamt lückenhaften Angaben zur Belegschaftsstruktur legen die Annahme nahe, dass der Trend einer Feminisierung auch für andere Konzernteile galt19 – für die Angestellten, nicht dagegen für die Arbeiterbelegschaften des Volkswagenwerks, der Werften oder der Bauunternehmen. Auch die Hausverwaltungen mindestens der GEHAG blieben weitgehend in männlicher Hand.20 Für die Neue Heimat-Ge­sell­schaften lässt sich dies nur vermuten. Die Volksfürsorge machte außerdem Angaben zum Familienstand und zur Kinderzahl. Diese spiegeln eine Personalpolitik, die sich die von den Nationalsozialisten gewünschte bevorzugte Einstellung von Familienvätern zur Richtschnur gemacht hatte – auf Kosten der ›nebenverdienenden‹ Frauen, aber auch von ledigen jungen Männern. So stieg der Anteil der verheirateten (männlichen) Belegschaftsmitglieder von 56 % 1933 auf 77 % drei Jahre später. Zudem konnte der 1933 eingesetzte Vorstand stolz darauf verweisen, dass seine Personalpoli15 Bank der Deutschen Arbeit, Sozialbericht 1940 (Anhang zum Geschäftsbericht 1940). Vgl. auch Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 15. 16 Vgl. auch Weihe, Personalpolitik, S. 98 f. 17 Vgl. Kapitel 5, S.  330 f. 18 Vgl. Kapitel 6, S.  423. 19 So z. B. für die Verlagsanstalten und hier vor allem den Vertrieb sowie die Buchhandlungen der DAF. Vgl. z. B. zur Karlsbader Adam Kraft Verlag GmbH deren Geschäftsberichte für 1940 und 1941, in: BA Berlin, Nr. 5 III, Nr. 38. 20 Von den insgesamt 2.427 Arbeitskräften, die am 31. Dez. 1943 in den Diensten der ­GEHAG standen, waren 682 oder 28,1 % weiblichen Geschlechts. Sie wurden ent­ weder als Schreibkräfte oder auf den niederen Ebenen der kaufmännischen Angestell­ ten beschäftigt. Rechnet man die im Militärdienst stehenden männlichen Angestellten und Arbeiter ab, erhöht sich der Prozentsatz der Frauen auf immerhin 40 %. Vgl. ZfF/ AWU, Leistungsbericht für 1943 (erstellt im Febr. 1944), in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33.

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tik die von der Diktatur gewünschten pronatalistischen Effekte zeitigte: Die »Anzahl der Kinder der Gefolgschaft« wuchs von 212 im Jahr 1933 auf 1.088 im Jahr 1937 und schließlich 1.492 Mädchen und Jungen im darauf folgenden Jahr.21 In ähnlicher Weise dürften auch die anderen DAF-Unternehmen dem Druck nachgegeben haben, Familienväter in Lohn und Brot zu bringen und dafür jüngere Arbeitnehmer zu entlassen. Das Prinzip, kinderlose Arbeitnehmer nicht einzustellen, ließ sich in der Phase der forcierten Aufrüstung angesichts der allgemeinen Arbeitskräfteknappheit allerdings nicht durchhalten. Parallel zur Feminisierung der Belegschaften sank der Anteil der verheirateten Frauen und Männer deutlich, während umgekehrt, jedenfalls in der Volksfürsorge Lebensversicherung, die Zahl der Ledigen allein in den drei Jahren zwischen 1936 und 1939 von 23 % auf 37 % signifikant wuchs. Fremdarbeiter Spätestens seit 1942 wurde die Zusammensetzung der Belegschaften so ziemlich aller Wirtschafts­zweige durch die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte von Grundauf verändert. Welchen Stellenwert hatte der »Fremdarbeitereinsatz« in den Unternehmen der Arbeitsfront? In den Teilen des DAF-Konzerns, in denen der prozentuale Anteil der Angestellten an den Gesamtbelegschaften sehr hoch war, dominierten auch in der zweiten Kriegshälfte deutsche Arbeitskräfte. In den Sektoren des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront mit starken Arbeiterbelegschaften bei gleichzeitig schmaler Angestelltenschicht schnellte der Anteil der Fremdarbeiter ab 1942 rasch und kräftig nach oben und lag oft noch deutlich über dem Branchendurchschnitt. Auf manchen Feldern wurde der DAF-Konzern zudem zum Vorreiter beim – so der durchaus treffende, ans Militärische erinnernde Begriff – »Einsatz« von ausländischen Arbeitskräften. So nutz­te Robert Ley seine guten Beziehungen ins faschistische Italien (wo auch in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre die Zahl der Erwerbslosen relativ hoch war), um ab 1936/37 italienische Bauarbeiter als »Gastarbeiter« für das im Aufbau begriffene Volkswagenwerk zu rekrutieren.22 In der zweiten Kriegshälfte lag der Anteil ausländischer Arbeitskräfte an der Gesamtbelegschaft des niedersächsischen Unternehmens schließlich bei zwei Dritteln oder höher. Ihre Arbeitsverhältnisse wie überhaupt ihre Lebensbedingungen sprachen oft jeder Beschreibung Hohn. Symptomatisch für die Verhältnisse im Volkswagenwerk war, dass sich die Leitung des Unternehmens erst auf die Intervention des der Wehrmacht angehörenden »Kommandoführers« hin veranlasst sah, »für eine Verbesserung der katastro­phalen Verpflegungslage« der osteuropäischen Arbeiter zu sorgen. Selbst dazu fand sich die Betriebsleitung erst bereit, nachdem der Kommandoführer »den Braunschweigischen Ministerprä21 Angaben nach: Bericht der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG für 1938, in: BA Berlin, Nr. 5 III, Nr. 18. 22 Vgl. Kapitel 8, S. 509.

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sidenten und Gauleiter Dietrich Klagges eingeschaltet« hatte. »Alle Stufen des Betriebes«, so haben Mommsen und Grieger ihre Studie über den Umgang mit ausländischen Arbeitskräften im Volkswagenwerk resümiert, seien von der für den Nazismus »symptomatischen Menschenverachtung« erfasst gewesen.23 Auch die Bauunternehmen und ebenso die Werften der Arbeitsfront konnten ihre Produktion nur dadurch aufrechterhalten bzw. überhaupt erst aufnehmen, dass sie in großem Maßstab auf ausländische Arbeitskräfte zurückgriffen. Bei der Stettiner Vulkan-Werft lag der Anteil der Fremdarbeiter im Herbst 1942 bei einem Viertel und im letzten Kriegsjahr bei schließlich mehr als 50 % der Gesamtbelegschaft von knapp 2.000 Arbeitnehmern, und damit deutlich über den Branchendurchschnitt. Noch höher war der Anteil der Fremd­arbeiter unterschiedlicher Kategorien im DAF-Bau­konzern. Für eines der größeren Bauunternehmen, die Bauhilfe für den sozialen Wohnungsbau eGmbH, die im Frühjahr 1941 gegründet wurde, nachdem Ley zum »Reichs­kommissar für den sozialen Wohnungsbau« ernannt worden war, liegen für Ende Februar 1944 Daten zur Beschäftigtenstruktur der Zentralbetriebe vor. Keine drei Prozent der zu diesem Zeitpunkt gut 12.000 Arbeitnehmer der DAF-Bauhilfe waren Angestellte (2,9 %), selbstredend ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit. Etwas mehr, nämlich 4,2 Prozent, firmierten als »deutsche Facharbeiter«, darunter knapp ein Drittel (1,2 % sämtlicher Arbeitskräfte) als Maurer- und Zimmererpoliere sowie Schachtmeister. Die Zahl der »ungelernten deutschen Arbeiter« wurde auf nicht einmal ein Prozent (0,9 %) der Gesamtbelegschaft beziffert. Alle übrigen Belegschaftsmitglieder, also 92 %, gehörten als »Ostarbeiter« der Arbeiterschicht an, welche innerhalb der rassistischen Hierarchie am unteren Ende der Skala ausländischer Arbeitskräfte eingeordnet war.24 Dieser Prozentsatz lag fast doppelt so hoch, wie die gesamte reichsdeutsche Bauwirtschaft (Hoch- und Tiefbau) 1944 prozentual an Fremdarbeitern aller Nationen auswies.25 Zurückzuführen ist dieser hohe Anteil an ausländischen Arbeitskräften vor allem darauf, dass die spät gegründeten und dann rasch expandierenden Unternehmen der Arbeitsfront im Unterschied zur etablierten Konkurrenz über keine gewachsene Belegschaft mit einer breiten Schicht an Stammarbeitern verfügten. Die schmale Schicht an Angestellten und deutschen »Facharbeitern«, die der DAF-Bauhilfe Anfang 1944 blieben, bestand überwiegend aus Kriegsversehrten oder pensionierten Baufachleuten, die reaktiviert worden waren und einen privilegierten Status besaßen. Die »Ostarbeiter« dagegen waren auf den Bauhöfen sowie Baustellen der DAF-Bauhilfe oder ihren Subunternehmen oft »unmenschlichen, grausamen [Arbeits-]Bedingungen« ausgesetzt.26 Ein Indiz dafür, dass 23 Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, Zitate: S. 724, 739. 24 Bericht der Bauhilfe über den Beschäftigtenstand vom 1. bis zum 29. Febr. 1944, in: BA Berlin, R 4002, Nr. 139, Bl. 1-4, 7-12. 25 In der Bauwirtschaft des Reichs lag der Anteil aller ausländischen Arbeitskräfte einschließlich Kriegsgefangener an der Gesamtheit der Bauarbeitnehmer 1942 bei 47 % und 1944 bei 52,1 %. Vgl. Herbert, Fremdarbeiter, S. 229 (Tabelle 37). 26 Zitatnachweis: Kapitel 7, S. 457, Anm. 109.

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die Situation der von der Bauhilfe eGmbH beschäftigen Zwangsarbeiter vermutlich noch unerträglicher war als in anderen Bauunternehmen, bieten Daten aus den Rechenschaftsberichten der DAF-Bau­hilfe für Januar und Februar 1944: Mehr als hundert »Ostarbeiter« seien in diesen beiden Monaten »entwichen«, obwohl es ein gutes Jahr vor Kriegsende für osteuropäische, des Deutschen nicht mächtige Flüchtlinge noch sehr schwierig war, sich den Fahndungsnetzen der Gestapo und anderer NS-Repressions­or­ga­ne erfolgreich zu entziehen und unterzutauchen. Mehr als hundert weitere von der DAF-Bauhilfe beschäftigte »Ostarbeiter« waren von der Gestapo verhaftet worden, überwiegend vermutlich, weil sie aufgrund körperlicher Entkräftung nicht das verlangte Arbeitspensum erbringen konnten, deshalb fürchten mussten, der »Sabotage« verdächtigt zu werden, und geflohen waren. Dreißig weitere Arbeitskräfte waren in diesen vier Wochen »gestorben« (so die pauschale Formulierung ohne nähere Angabe der Todesumstände).27 Ähnlich wie die Arbeitsbank sowie die beiden großen Versicherungsunterneh­ men beschäftigten auch die Verlage der DAF innerhalb ihrer vornehmlich aus Angestellten bestehenden Belegschaften kaum ausländische Arbeits­kräfte (es sei denn als Übersetzer und Schreibhilfen). Demgegenüber rekrutierten die Druckereien, je länger der Krieg andauerte, eine immer größere Anzahl von Fremdarbeitern, die sie zunächst in erster Linie für Hilfsarbeiten, später auch für qualifizierte Tätigkeiten einsetzten. Ab 1943 stammte in den größeren DAFDrucke­reien die Mehrheit der Arbeitskräfte aus dem Ausland.28 Für das aus den Konsumgenossenschaften entstandene Deutsche Gemeinschaftswerk ist nach Tätigkeitsfeldern zu differenzieren: Das Verkaufspersonal der Verteilerstellen der Versorgungsringe blieb ›deutsch‹, da die Führung dieses DAF-Unternehmens den Kunden ein »nicht-arisches« Verkaufspersonal nicht zumuten wollte. Im Lagerbereich lag der Anteil ausländischer Arbeitskräfte dagegen vergleichsweise hoch; das Gros der 1942 insgesamt etwa 2.300 und 1943 gut 2.500 Kriegsgefangenen und zivilen Ausländer, die die GW-Versorgungsringe (ohne Produktionsbetriebe) Ende 1943 beschäftigten, war hier tätig.29 Mit Abstand am meisten Fremdarbeiter wurden in den vornehmlich mit der Verarbeitung von Grundnahrungsmitteln befassten Produktionsbetrieben der GEG/ Deugro beschäftigt. Bereits im November 1941, also noch bevor das Gros der sowjetischen »Ostarbeiter« für die Zwangsarbeit im »Altreich« rekrutiert worden war, sprach der »Sonderausschuß für Industriefragen des Aufsichtsrates des Gemeinschaftswerks« bereits von »einer bedeutenden Anzahl ausländischer Arbeitskräfte, und zwar verschiedenster Nationen«.30 Ab 1943 gelang es der GWFührung aufgrund ihrer guten Beziehungen zum DAF-»Amt für Arbeitseinsatz« sowie zu den neu eingerichteten Gauarbeitsämtern, für den »weitaus größten 27 Bericht der Bauhilfe für Jan. und Febr. 1944, in: BA Berlin, R 4002, Nr. 139, Bl. 7 und 8 bzw. Bl. 106 und 107. 28 Vgl. Kapitel 5, S. 465 f. 29 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 247 f. 30 Nach: ebd., S. 241.

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Teil« der Produktionsbetriebe »anormal große Kontingente« an ausländischen Arbeitskräften zu rekrutieren. In »vielen Fällen«, so Strauch in einem Schreiben vom Frühjahr 1944 weiter, übersteige das »Kontingent« an ausländischen Arbeitern »die deutsche Gefolgschaft erheblich«.31 Angaben einzelner Betriebe geben Auskunft darüber, wie sich die Zusammensetzung der Belegschaften im Laufe der zweiten Kriegshälfte veränderte. Von den insgesamt 365 Arbeitern, die Ende 1941 in der Trockengemüsekonservenfabrik des DAF-Gemeinschafts­werks im schleswig-holsteinischen Meldorf beschäftigt wurden, waren 129 oder ein gutes Drittel deutscher Staatsangehörigkeit (davon knapp 60 % Frauen); 106 Arbeiter kamen aus Polen; ihnen zur Seite standen 78 Französinnen und schließlich 52 Kriegsgefangene. Bis Mitte 1943 war bei ungefähr gleicher Größe der Gesamtbelegschaft der Anteil der Frauen deutlich gestiegen. Gleichzeitig hatte sich deren nationale Zusammensetzung dramatisch verändert: Die Quellen sprechen von »etwa 250 russischen Arbeiterinnen«.32 Der Meldorfer Betrieb war kein Einzelfall.33 Neben Zivilarbeitern wurden in den Versorgungsringen gegen Kriegsende mindestens vereinzelt außerdem KZHäftlinge eingesetzt.34 Rationalisierungen und wachsende Arbeitsbelastungen Wenn sich die Produktion bei gleichbleibenden oder gar sinkenden Belegschaftszahlen erhöht, kann dies auf arbeitsorganisatorische und fertigungstechnische Rationalisierungen, aber auch auf eine durch terroristischen Druck und eine grenzenlose Vielfalt an Disziplinierungsmitteln erzwungene oder auf durch Prämiensysteme stimulierte Erhöhungen des Arbeitstempos zurückzuführen sein. Vor allem bei Finanzdienstleistern  – Banken und Versicherungen  – kommen Veränderungen der staatlichen Auflagen für bürokratische Verfahren als weiteres Element hinzu, das Arbeitsvorgänge vereinfachen oder erschweren kann. Liegen keine genaueren Informationen über die innerbetrieblichen Verhältnisse vor, wie beim DAF-Konzern, ist seriös nicht zu entscheiden, welcher Faktor für eine ›Optimierung‹ des Input-Output-Verhältnisses verantwortlich ist. Unzweifelhaft ist, dass fast alle DAF-Unternehmen trotz einer spätestens seit 1942 schrumpfenden Zahl an Arbeitern und Angestellten eine erhöhte ›Ausbringung‹ ihrer sehr unterschiedlichen Produkte verbuchen konnten. So sank bei der DR-Krankenversi­cherung die Zahl der Beschäftigten im ersten Kriegsjahr von 703 (1939) auf 489 (1940), d. h. um 30,4 %. Die Zahl der Versicherten dagegen 31 Strauch an den Berliner Reichstreuhänder der Arbeit vom 15. Mai 1944, nach: ebd., S. 248. 32 Nach: ebd., S. 244. In der Folgezeit stieg der Anteil der in der Meldorfer Gemüsefabrik eingesetzten »Ostarbeiter« weiter. Weitere Beispiele: ebd., S. 242-245. Vgl. außerdem Martin Kleinfeld, Die Geschichte der Zündholzindustrie in der Stadt Lauenburg/Elbe, (Books on Demand) 2010, S. 21 ff. 33 Vgl. ebd., S. 23 f. 34 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 246

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stieg im selben Zeitraum weiter an (um 4,3 %; Tabelle 2.8). Noch markanter war dieser Trend bei der Volksfürsorge und ihren Tochtergesellschaften (Tabellen 2.2., 2.3. und 2.5.). Rüstung und Kriegsproduktion ließen schon bald immer weniger Raum für fertigungstechnische Rationalisierungen – darunter auch für den Erwerb bzw. die Anmietung von Hollerith-Maschinen, deren Einsatz die Bearbeitung von Schadensersatzansprüchen oder die Kontenverwaltungen erheblich erleichterte.35 Insofern verweisen die stagnierenden, spätestens ab 1942 sinkenden Beschäftigtenzahlen (ohne Einberufene) bei steigenden Bestandszahlen darauf, dass der Arbeitsaufwand für den einzelnen Beschäftigten massiv gestiegen sein muss, im Angestelltenbereich begrenzt erleichtert durch Vereinfachungen in der Arbeitsorganisation sowie durch die Zusammenlegung von Abteilungen. Relativ große Synergieeffekte und Effizienzsteigerungen durch rationellere Formen der Arbeitsorganisation scheinen sich bei der Formierung der Konsumgenossenschaften zum Deutschen Gemeinschaftswerk eingestellt zu haben. Jedenfalls sprach der Leiter des Amtes für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF und TWU-Chef Hans Strauch mit Blick auf »die Einrichtungen des Gemeinschaftswerkes« im Spätsommer 1944 wolkig von erheblichen »Pionierdiensten auf dem Gebiet der Rationalisierung der Erzeugungs- und Verteilungstechnik« sowie einer systematischen »Steigerung der Einzelarbeitsleistung«. Allerdings seien selbst hier die Kapazitäten und Rationalisierungspotentiale nicht voll ausgeschöpft worden. Im Vergleich zu den vormaligen Konsumgenossenschaften sei der GW-Komplex nun, so Strauch, »streng gesteuert und fachmännisch einheitlich ausgerichtet«. Dennoch seien Versorgungsringe und Großhandel »ein wesentliches Mehr in der Verteilung der Verbrauchsgüter zu leisten in der Lage, ohne dass dazu das entsprechende Mehr an Arbeitskräften und Arbeitsmitteln benötigt« würde. Bisher sei »ein Grossteil der erstklassigen Zentrallager für die zentrale Versorgung nicht annähernd ausgenutzt«. Gleiches gelte »für die Erzeugerbetriebe wie Bäckereien und Fleischereien« des Gemeinschaftswerkes.36 35 Die vorhandenen Quellen bieten darüber keine genaueren Aufschlüsse. Da HollerithMaschinen der deutschen Dependance (Dehomag) des »weltumspannenden Monsters« (Edwin Black) IBM von der DAF schon frühzeitig eingesetzt wurden, werden auch die gewinnträchtigen Finanzdienstleister der Arbeitsfront diese funktionalen Maschinen angeschafft haben, allerdings nicht mehr während des Krieges, nachdem der Erwerb dieser frühen IT-Maschinen zunehmend schwieriger wurde. Zur Begeisterung über diese moderne Form der Datenverarbeitung und zur frühen Benutzung von HollerithMaschinen durch die DAF vgl. Hachtmann, Koloss, S. 122; Edwin Black, IBM und der Holocaust. Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis, München 2001, S. 105 f., 108, 538 sowie zu kriegswirtschaftlichen Engpässen und kriegsbezogenen Prioritätensetzungen: S. 262 f., 290 f.; ferner Weihe, Personalpolitik, S. 36. 36 Zitate: Denkschrift Strauchs, o.D. (Aug./Sept. 1944), in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 84, sowie Rechenschaftsbericht von Hans Strauch über das Deutsche Gemeinschaftswerk vom 10. Jan. 1944, Anlage zu: Ley an Bormann vom 12. Jan. 1944, S. 6, in: BA Berlin, NS 22, Nr. 338.

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In allen DAF-Unternehmen scheinen die Zahl der Überstunden und ebenso das Arbeits­tempo erheblich gesteigert worden zu sein. Innerhalb der eigentlichen Produktion war in solchen Betrieben, die sich für eine ›Fordisierung‹ (Fließbandarbeit) nicht eigneten, die Taylorisierung möglichst aller Arbeits­prozesse von großer Bedeutung. Ein Beispiel sind die Großdruckereien, die sich im Besitz der Arbeitsfront befanden. Den Vorreiter spielte die Hanseatische Druckerei, die auch nach der Reprivatisierung der Hanseatischen Verlagsanstalt im Besitz der DAF blieb. Hier wurden Zeitstudienakkorde nach REFA bereits Ende der dreißiger Jahre eingeführt. Der »Betriebsführer« der Hanseaten-Druckerei Ludwig Spoerhase konnte zufrieden melden, man habe »hierbei die denkbar besten Erfolge erzielt«. Nach dem Hamburger Vorbild wurden seit Sommer 1942 außerdem in den technischen Abteilungen der Wiener Verlagsgesellschaft und den angeschlossenen zwei Druckereien »die Vorarbeiten für die Einführung des Refa-Systems getroffen«.37 Wenig später ging man auch bei der gleichfalls im Besitz der DAF befindlichen Leipziger Druckerei August Pries GmbH »zur Einführung des Refa-Systems über«.38 Die Industriebetriebe des Gemeinschaftswerks bzw. der GEG/Deugro setzten ebenfalls auf das Taylorsystem, sofern sie nicht gleich Fließbänder installierten. Sie konnten infolgedessen während des Krieges zum Teil kräftig gestiegene Produktionszahlen trotz gleichzeitig schrumpfender Belegschaften ausweisen. So sank die Zahl der Arbeitnehmer in drei Teigwarenfabriken zwischen 1938 und 1943 um 15 %; die Produktion konnte dagegen um mehr als 41 % erhöht werden. Da in diesen Fabriken zum »Großteil ausländische Arbeitskräfte anstelle von abgegebenen deutschen Gefolgschaftsmitgliedern beschäftigt wurden«, steht zu vermuten, dass neben der Einführung bzw. Ausweitung der Fließfertigung die Drohung mit unmittelbarer physischer Gewalt diese ›Leistungssteigerung‹ bewirkte. Gerade in den GW-Fabriken scheinen fertigungstechnische Rationalisierungen und extensive Formen primitiver Ausbeutung ineinandergegriffen zu haben, z. B. in der erwähnten »durchrationalisierten, nur auf die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft ausgerichteten« Trockengemüse- und Sauerkrautfabrik im schleswig-holsteinischen Meldorf, in der seit Ende 1941 vornehmlich Fremdarbeiterinnen aus Osteuropa beschäftigt wurden.39 Eine extensive Ausweitung tayloristischer Produktionsregime schien insbesondere für die Unternehmen eine Patentlösung zu sein, die kurz vor dem Krieg aufgebaut worden waren und unter einem Mangel an Facharbeitern litten, wie die Stettiner Vulkan-Werft und das Volkswagenwerk. Zwar stellten beide Unternehmen erhebliche Ressourcen für Lehrwerkstätten und Umschulungseinrichtungen bereit. Das Defizit an einem gewachsenen Stamm an qualifizierten (deutschen) Arbeitskräften konnte dadurch jedoch substantiell kaum gedämpft, 37 Zitate: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Wiener Verlagsgesellschaft GmbH am 28. Sept. 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 37. 38 Protokoll der Aufsichtsratssitzung der August Pries GmbH vom 17. Dez. 1942, in: ebd., Nr. 42. 39 Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 243.

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geschweige denn behoben werden. Infolgedessen schlugen beide Unternehmen den »amerikanischen« Weg ein, ihre Arbeitskräfte-Probleme zu lösen. Die Vulkan-Werft konzentrierte sich auf eine tayloristische »Aufgliederung der Fertigung« und begann ab der Jahreswende 1942/43 ein am »Lohnkatalog Eisen und Metall« orientiertes Arbeitsbewertungs- und Ent­lohnungssystem zu praktizieren. Da seit Ende 1941 in schnell wachsendem Maße ausländische Arbeitskräfte eingesetzt wurden, blieb es de facto bei einer um Arbeitsbewertungsverfahren ergänzten brachialen Variante des Taylorismus, die bestenfalls begrenzt auf materielle Anreize setzte und vornehmlich auf Kontrolle, Disziplinierung und Drohung mit offenem Terror fußte. Im Volkswagenwerk wurde die rassistische Segregation durch ein scharfes fordistisches Produktionsregime systematisch vertieft. Ausländische Arbeitskräfte wurden gezielt an fordistische Arbeitsplätze gesetzt, die zugleich ein hohes Maß an körperlicher Anstrengung erforderten.40

9.2. Zum spezifischen Typus des leitenden Managers in DAF-Unterneh­men Jung – dynamisch – aggressiv Welche Eigenheiten lassen sich nun für das Spitzenpersonal des DAF-Konzerns feststellen? Die Wirtschaftsunternehmen der Arbeitsfront und die dort tätigen Manager hatten sich in den Worten von Robert Ley als »Wegbereiter für ein neues Unternehmertum«41 zu verstehen. Was meinte Ley mit dieser sibyllinischen Formel? Was war am unternehmerischen Handeln der maßgeblichen Akteure des DAF-Imperiums neu? Es waren dies weniger die von Ley in verschiedenen Artikeln herausgestellte vorgebliche finanzielle Bescheidenheit der Vorstände und Aufsichtsräte sowie eine angebliche soziale Fürsorglichkeit gegenüber den »Gefolgschaften«. Zum »besonderen Arbeitsethos«, das Ley von den führenden Männern seines Konzerns forderte, gehörte vielmehr vor allem eine rassistische Grundhaltung sowie ein für »charismatische Verwaltungsstäbe« (Max Weber) charakteristischer, sozialdarwinistisch aufgeladener, aggressiver Expansionismus, der dem von Tim Mason für die DAF als politischer Organisation konstatierten »Verbandsimperialismus« korrespondierte. Das Ziel der Haupt­ akteure jedenfalls der zentralen Säulen des DAF-Konzerns war, sich möglichst günstig für den Kampf mit den Konkurrenten in der jeweiligen Branche nach 40 Vgl. Kapitel 8, S. 509 f. Zur Beschäftigtenentwicklung und -struktur der Stettiner Vulkan-Werft S. 522 f.. Allgemein zum Verhältnis von Zwangsarbeit und Fordismus während der zweiten Kriegshälfte: Rüdiger Hachtmann, Fordism and Unfree Labor – Aspects of the Work Deployment of Concentration Camp Prisoners in German Industry between 1941 and 1944, in: International Review of Social History, 55 (2010), issue 03, S. 485-513. 41 Robert Ley, Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront, in: Die Deutschen Volkswirtschaft 10/1941, Nr. 28, S. 1094-1100. Dieses und die folgenden Zitate: S. 1094 f.

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dem vermeintlich baldigen »Endsieg« der braunen Diktatur zu positionieren – eine Prämisse, die bis mindestens Anfang 1944 handlungsleitend blieb. Dieses »Arbeitsethos« und die damit einhergehende besondere »Freude an den gestellten Aufgaben«, die Ley bei den Führungsleuten ›seiner‹ Unternehmen voraussetzte, waren politisch-ideo­logisch grundiert und folgten nicht unbedingt üblichen Kriterien betriebswirtschaftlicher Effizienz. Wenn z. B. ein führender Mitarbeiter der Dresdner Bank mit Blick auf die sächsischen Filialen der Arbeitsbank von der »Ermangelung wirtschaftlich gebildeter Kräfte« sowie davon sprach, dass die Leiter der Niederlassungen des DAF-Geldinstituts »in ihrer Qualität und mit ihren Kennt­nissen nicht für die Führung prädestiniert« seien,42 dann verweist dies darauf, dass für deren Rekrutierung stärker politisch-ideologische Kriterien als fachliche Qualifikation ausschlaggebend gewesen waren. In dieser Hinsicht färbten Eigenschaften des »charismatischen Verwaltungsstabes«, der die Arbeitsfront bis zu ihrem Ende blieb, auch auf Teile des Konzerns ab. In den DAF-Selbstdar­stel­lungen wurde die »charismatische« Form der Rekrutierung mit folgenden Worten umrissen: Entsprechend den Grundsätzen des Nationalsozialismus habe die Führung der Arbeitsfront »die Leitung ihrer Unternehmungen [nur] solchen Männern anvertraut, die neben ihrer fachlichen Eignung auch den notwendigen politischen Willen besitzen«.43 Gemeint waren damit Werte wie politische »Bewährung« in vergangenen Zeiten und Härte im Umgang mit Gegnern, aber auch Loyalität gegenüber dem engeren Führungszirkel der DAF. Ein zentraler Indikator für einen solchen »notwendigen politischen Willen« und ein Ausweis politischer Loyalität war der Zeitpunkt des Partei­ eintritts. Hier ist das Ergebnis eindeutig: Vor allem in den Anfangsjahren waren fast alle DAF-Funk­tionäre, die Ley mit wirtschafts- und unternehmenspolitisch entscheidenden Kompetenzen ausstattete, »Alte Kämpfer«, also deutlich vor 1933 in die NSDAP eingetreten.44 Ab 1938 gewannen zwar fachliche Qualifikationen bei der Auswahl des Führungspersonals des Konzerns an Gewicht, allerdings ohne die für »charismatische Verwaltungsstäbe« typischen Rekrutierungskriterien gänzlich zu verdrängen. Zugleich waren diese »Alten Kämpfer«, und dies markiert einen weiteren wichtigen Unterschied zum höheren Management etablierter Unternehmen, häufig sehr jung. So zählte z. B. Rudolf Lencer, der Vorsitzende der Bank der Deutschen Arbeit, bei seinem Amtsantritt 33 Jahre. Eberhard Heffe war ein Jahr älter, als er die Leitung des Zentralverlages der Arbeitsfront übernahm. Heinz Brüggen, der 1944 Heffe als Chef des Zentralverlages beerben sollte, war noch 42 »Bericht betr. Bank der Deutschen Arbeit A.G.« (o.V.), vom 5. Okt. 1944, S. 3 f., in: HStA Dresden VII.6.01, Nr. 6896. 43 ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 15. 44 Vgl. die Kurzbiographien der Leiter der DAF-Zentralämter, die mit wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben befasst waren und zum Teil auch unmittelbare Leitungsaufgaben in einzelnen DAF-Unternehmen übernahmen, in: Hachtmann, Koloss, S. 297–336. Dasselbe gilt auch z. B. für die beiden maßgeblichen Männer innerhalb des DAF-Verlagsimperiums Eberhard Heffe und Heinz Brüggen.

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keine dreißig Jahre alt, als er 1937 die Geschäftsführung sowohl des DAF-Ver­ lages »Freude und Arbeit« als auch des Verlages des Arbeitswissenschaftlichen Institutes übernahm. Alexander Halder, seit April 1934 persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung der Arbeitsfront, seit 1940 außerdem stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsbank, hatte gerade das 27. Lebensjahr vollendet, als er die Vermögensverwaltung übernahm. Bruno Raueiser war 28 Jahre alt geworden, als ihm Anfang 1937 die Leitung des Referats »Sozialversicherung« im Stabsamt der DAF übertragen wurde, und hatte das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht, als ihn sein Mentor Heinrich Simon zum Geschäftsführer und stellvertretenden Leiter der Zentralstelle für die Finanzwirt­ schaft ernannte.45 Simon selbst zählte, als er Mitte der dreißiger Jahre den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Arbeitsbank übernahm, gerade 25 Jahre. Paul Oestrovsky hatte das dreißigste Lebensjahr noch nicht überschritten, als er im Mai 1933 das Amt des Prokuristen der Volksfürsorge übernahm.46 Der erste Direktor der Volksfürsorge, Sebastian Kratzer, war zwar zum Zeitpunkt der Amtsübernahme mit 37 Jahren deutlich älter als die genannten Personen, aber immer noch erheblich jünger als dies für Vorstände der Unternehmen seiner Branche üblicherweise galt. Kratzer war im Übrigen eine Ausnahme und musste nicht zufällig jüngeren Nachfolgern, Walther Käding und Albert Franke,47 weichen. In den Aufsichtsräten der großen DAF-Gesellschaften war dies nicht anders. Besonders einflussreich waren dort Funktionäre der Arbeitsfront, die zum Teil nicht einmal Mitte zwanzig waren.48 Dies ist nicht zuletzt deshalb besonders 45 Ausnahmen bestätigen die Regel, andere wirtschaftspolitische Funktionäre waren etwas älter: Claus Thormählen war Mitte dreißig, als er die Geschäftsführung der TWU übernahm, ebenso Karl Preus, als er 1940 zum »Generalbaureferenten« und Leiter des Bauamtes der DAF ernannt. Der Leiter der AWU und Chef der TWU Hans Strauch war mit 42 Jahren zum Zeitpunkt der NS-Machter­greifung für einen DAF-Funktionär in zentraler Position vergleichsweise alt. Der 1896 geborene Hans Schönbein war sogar noch etwas älter, als er 1941 die Leitung der Bauhilfe übernahm. Carl Rosenhauer, der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsbank bis Jan. 1943, war bereits 1881 geboren worden; er spielte indes trotz seiner nominell herausgehobenen Position im Gesamtkonzern de facto wohl nicht zufällig eine eher marginale Rolle. Vgl. zu den hier und im Folgenden genannten Personen Kapitel 3 sowie die biographischen Angaben in den einschlägigen Kapiteln. 46 Etwas älter war der 1900 geborene Kurt Schlenter, der von 1934 bis 1937 ordentliches Vorstandsmitglied der Versicherung »Deutsche Leben« war, die die DAF vom katholischen DGB übernommen hatte; danach amtierte Schlenter als stellvertretendes, ab 1940 dann als ordentliches Vorstandsmitglied der Volksfürsorge. 47 Käding, neben Kratzer und Oestrovsky in den ersten beiden Jahren nach dem Raub der Volksfürsorge zentraler Akteur dort, hatte das dreißigste Lebensjahr gerade überschritten, als er zum ordentlichen Mitglied des Vorstandes der Volksfürsorge ernannt wurde. Nach seiner Entlassung 1935 ging Käding als Vorstandsmitglied der »Nationalen Versicherungs AG« nach Stettin. Albert Franke war 28 Jahre alt, als er 1933 die Stelle des Prokuristen in der Volksfürsorge antrat. Er rückte 1938 in den Vorstand der Volks­ fürsorge. Zur Nachkriegskarriere von Kratzer, Oestrovsky, Käding und Franke vgl. Kapitel 11, S. 600, Anm. 4. 48 Werner Boltz, Aufsichtsratsmitglied der Arbeitsbank und bis Jan. 1938 Leiter des »Am-

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bemerkenswert, weil die Aufsichtsräte die Entscheidungen der jeweiligen Vorstände nicht einfach abzunicken hatten. Vielmehr kam den Aufsichtsgremien die Rolle der Knotenpunkte innerhalb eines elastischen Koordinationsnetzes zu, das die Belange der einzelnen Unternehmen mit denen des Gesamtkonzerns und der politischen Leitung der Gesamtorganisation abzustimmen hatte. Lediglich die Unternehmen, die aus der Erbmasse des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) an die DAF gefallen waren, wurden von Managern geführt, die nicht mehr ganz jung waren. So war Rudolf Kratochwill, als er 1935 zum Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor der Deutsche-RingVersiche­rungs­gesellschaften aufrückte, mit 36 Jahren relativ alt; Kratochwill hatte dem Vorstand der bis 1933 im Besitz des DHV befindlichen Deutscher Ring Versicherungen allerdings bereits seit 1928 als ordentliches Mitglied angehört. Benno Ziegler war gleichfalls Ende dreißig, als er zum Chef der Hanseatischen Verlagsanstalt aufstieg, Gustav Pezold sogar noch etwas älter, als er zum ›starken Mann‹ innerhalb des Langen-Müller-Verlages avancierte. Friedrich Alfred Beck stand kurz vor Vollendung des 40. Lebensjahres, als er von Pezold Anfang 1939 die Leitung des Langen-Müller-Verlages übernahm. Wenn die Unternehmen, die sich bis 1933 im Eigentum des DHV befanden, weiterhin von Managern mittleren Alters geführt wurden, dann erklärt sich dies aus dem besonderen Verhältnis der Arbeitsfront zum DHV: Die größte Angestelltenorganisation der Weimarer Republik hatte sich eigenständig und geradezu enthusiastisch selbst ›gleichgeschaltet‹. Politisch-ideologisch stand der von Anbeginn antisemitisch, seit Ende der zwanziger Jahre zudem semi-fa­schistisch konturierte DHV den Nationalsozialisten schon vor 1933 nahe. Angesichts dieser Nähe ließ die Führung der Arbeitsfront um Robert Ley im Umgang mit dem Führungspersonal der vormaligen DHV-Unter­nehmen eine gewisse Milde walten und beließ im Unterschied zu allen Unternehmen, die von den freien Gewerkschaften ge­raubt worden waren, deren Vorstände zumeist in ihren Ämtern. Mit ihrer insgesamt ausgesprochen jungen Managergarde stand die Arbeitsfront freilich nicht allein auf weiter Flur. In anderen NSDAP-nahen Unternehmen kamen gleichfalls oft noch sehr junge Leute an die Schalthebel der Macht.49 tes für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF« war 1909 geboren worden, sein Aufsichtsratskollege, der Ley-Ver­trau­te Rudolf Schmeer, 1905. Der stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Arbeitsbank August Christoffel war 1933 immerhin schon 39 Jahre, ein anderes Vorstandsmitglied dieser Bank, Heinz Reitbauer, 34 Jahre alt. Wie ein Methusalem unter ansonsten lauter jungen DAF-Managern wirkt Karl Müller. Er stand im vergleichsweise vorgerückten Alter von 54 Jahren, als ihn Ley zum wirtschaftspolitisch scheinbar starken Mann innerhalb der DAF machte. Es waren auch Generationskonflikte, die Müller zwei Jahre später scheitern ließen. 49 Ein Beispiel ist Wilhelm Baur als die – nach Amann – zentrale Figur des Eher-Verlages, ein Unternehmen, das noch aggressiver expandierte als die DAF-eigenen Verlage. Vgl. Kapitel 5, S. 358 ff. Baur war gerade fünfzehn Jahre, als er Ende 1920 in den Eher-Verlag eintrat, und 17 Jahre alt, als er dort zum einflussreichen Abteilungsleiter aufstieg. Das 30. Lebensjahr hatte er noch nicht erreicht, als er zum Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gewählt wurde und weitere einflussreiche Positionen über-

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Etablierte Unternehmer und Manager waren demgegenüber deutlich älter. Die 1938 zwanzig erfolgreichsten Networker unter den reichsdeutschen Industriellen und Bankiers, die Oberschicht der Oberschicht der Wirtschaftselite, zählten im Durchschnitt 54,5 Jah­re.50 Es waren deshalb, so meine These, nicht zuletzt Alters­unterschiede, die das Verhältnis von vergleichsweise jungen DAF-Managern und etablierter Wirtschaftselite prägten. Alterskohorten für sich konstituieren indes noch keine Generationen und generationelle Differenzen. Es müssen einschneidende gemeinsame Erfahrungen hinzukommen, die scharfe Abgrenzungen vor allem gegenüber älteren Generationen erlauben. Wichtig sind außerdem gemeinsame Modi, in denen die­se Erfahrungen verarbeitet werden und deutlich konturierte kollektive »Selbstthematisierungen« (Ul­rike Jureit), damit sich mindestens Teilgruppen bestimmter Alterskohorten subjektiv als Generationen verstehen.51 Entwickelten sich Elemente einer solchen generationellen Identität auch an der Spitze des DAF-Konzerns? Die meisten der etablierten, während des Dritten Reiches (noch) aktiven Wirtschaftsführer waren, als überwiegend zwischen 1871 und 1890 Geborene, während des Spätwilhelminismus sowie durch den Ersten Weltkrieg sozialisiert worden.52 Sie waren zwar meist antidemokratisch sowie antirepublikanisch genahm. Baurs Mentor Max Amann war 31 Jahre alt, als er 1922 die Geschäftsführung des Eher-Verlages und des Völkischen Beobachters übernahm. Ein anderer bekannter Manager eines parteinahen Unternehmens, Paul Pleiger, war, als er von Göring 1937 mit der Führung der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten beauftragt wurde, zwar fast 38 Jahre alt; im Vergleich zu den Vorständen der anderen schwerindustriellen Konzerne konnte jedoch auch er noch als junger Mann gelten. Auch Walter Schieber war noch keine 40 Jahre als, als er zum Vorstandsvorsitzenden der Wilhelm-GustloffWerke bestellt wurde. 50 Errechnet nach den Geburtsdaten der Personen mit der höchsten Zentralität in den Netzwerken in der reichsdeutschen Wirtschaftselite in: Fiedler/Lorentz, Netzwerkbeziehungen, S. 65 (Tabelle 5). Für die Berechnung des Durchschnittsalters »1938« wurde der 1. Jan. 1938 angesetzt. 51 Vgl. als Überblick Ulrike Jureit, Generationenforschung, Göttingen 2006; ferner dies./ Michael Wildt (Hg.), Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg 2005, bes. dies., Einleitung, S. 9 ff., 19 ff. 52 Die Elitenkontinuität war im Bereich der Industrie – und trotz der »Arisierungen« sowie der Vertreibung jüdischer Bankiers und Manager – vor und nach 1933 beträchtlich. So betont z. B. Erker, dass »die ökonomischen Eliten« während der NS-Zeit »einen tiefergehenden Einschnitt in die soziale Zusammensetzung verhindern« konnten. Erker, Einleitung: Industrie-Eliten, S. 1-18, hier: S. 6. Vgl. auch Volker Berghahn, Zirkulation und Solidarität der westdeutschen Industrieeliten, in: ders., Industriekultur und Kulturtransfer. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 94-117, hier: S. 99 f. Dasselbe gilt für die Banken. Vgl. Weihe, Personalpolitik, S. 221. Danach waren von den knapp zweihundert Filialdirektoren der Commerzbank im Jahre 1944 69 % schon 1932 in dieser oder einer statusgleichen Position gewesen, weitere 14 % lediglich eine Hierarchiestufe darunter. D.h., dass nur 17 % während dieser zwölf Jahre über mehr als eine Hierarchiestufe in die Position des Bankfilialleiters geklettert waren – eine wohl eher ›normale‹ Dimension der generationellen

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sinnt und hatten in der Weimarer Republik starke Affinitäten zu autoritären Staatsformen entwickelt. Aber sie achteten auf, nach bürgerlichen Kriterien, feine Manieren und ein statusangemessenes Gehabe.53 Infolgedessen hielt das Gros der elitär sozialisierten Unternehmerschaft insbesondere während der Weimarer Republik auf habituelle Distanz zu den Nationalsozialisten. Rabaukenhaftes Auftreten und schlechte Manieren waren ihnen zuwider. Die überkommene großbürgerliche Distinktion wurde ab Mitte 1934 zwar sukzessive abgebaut, als das Hitler-Regi­me mit der Ermordung der SA-Spitze deutlich machte, dass sie das (vermeintlich) proletarische Element innerhalb der NS-Bewegung kaltstellte; gleichzeitig begannen sich wachsende Teile der nationalsozialistischen Elite ihrerseits zu verbür­gerlichen.54 Die habituelle Distanz vieler etablierter Unternehmer zu breiten Strömungen innerhalb der NS-Bewegung, vor allem zu solchen, denen, wie der Arbeitsfront, weiterhin ein scharfer proletarischer ›Geruch‹ vorausging, erhielt sich jedoch. Nicht zuletzt das aggressive, anmaßende Auftreten, wie es viele Funktionäre der DAF an den Tag legten, wirkte pöbelhaft und stieß ab. Die Manager, die in gehobenen Positionen des DAF-Konzerns saßen, teilten diese in den traditionellen Industrie- und Bankeliten gepflegten Vorbehalte gegenüber den Funktionären des politischen Apparats der Arbeitsfront selbstredend nicht, oder aber sie zeigten dies nicht offen. Sie mussten deshalb in den ersten Jahren der Diktatur damit leben, dass sie ihrerseits von der alteinge­ sessenen reichsdeutschen Wirtschaftselite tendenziell mit dem ungehobelten und ungeliebten politischen Führerkorps der DAF gleichgesetzt wurden. Dass sie überwiegend bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Verhältnissen entstammten und sich ihre beruflich-fachliche Karriere im allgemeinen nur wenig von der anderer Manager unterschied, dämpfte die Distinktion der etablierten Wirtschaftselite nicht. Tatsächlich zeigt der genauere Blick, dass die Differenzen zwischen beiden Managertypen beträchtlich waren. Entscheidend war nicht, dass die Arbeitsfront-Manager oft soziale Aufsteiger waren, während die intergenerationelle Selbstrekrutierung in der etablierten Wirtschaftselite hoch war. Weit Veränderung. Auch für die »Aufstiegswelle« der Manager in der Berliner Zentrale der Commerzbank konstatiert Weihe ein eher »langsames« Tempo. Ganz ähnlich war die Entwicklung bei der Deutschen Bank. Ebd., S. 222 f. 53 Dies ist wesentlich auf die Anforderungen zurückzuführen, die an Bankangestellte angelegt wurden, ehe sie auf der Karriereleiter nach oben klettern durften. Dazu gehörten neben einer gepflegten »äußerlichen Erscheinung« insbesondere »gesellschaftliche Fähigkeiten« und bürgerliche »Umgangsformen«. Das waren Eigenschaf­ten, die z. B. auf den Qualifikationsbögen in den Personalakten der Commerzbank ausdrücklich abgearbeitet werden mussten (und wesentlich den hohen Grad der Selbstrekrutierung des höheren Bank- und überhaupt Unternehmensmanagements erklären). Erst danach erhielt der Kandidat grünes Licht für die Beförderung. Geachtet wurde außerdem auf das entsprechende Umfeld, nämlich »Häuslichkeit« und die »gesellschaftlichen An­ lagen« der Gattin. Ebd., S. 201, 203. Diese habituellen Anforderungen galten auch Ende der dreißiger Jahre und Anfang der vierziger Jahre. 54 Vgl. allgemein Herbert, Wer waren die Nationalsozialisten?, S. 25, 35.

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wichtiger war, dass die etablierten Industriellen und Bankiers ihre prägenden Erfahrungen in den Jahrzehnten vor 1914 gesammelt hatten, viele von ihnen zu Beginn des Ersten Weltkrieges in zentrale kriegswirtschaftliche Positionen gerückt waren und nicht durch wie auch immer geartete Fronterlebnisse geprägt wurden. Zwar kannten auch viele Manager der Arbeitsfront-Unternehmen den Ersten Weltkrieg selbst nur vom Hörensagen; sie hatten ihn als Kinder und pubertierende Jugendliche erlebt. Dennoch war auch und gerade für sie – und ebenso die gleichfalls oft noch sehr jungen höheren DAF-Funktionäre – der erste große Krieg des 20. Jahrhunderts höchst gegenwärtig, durch die Medien, die die Geschehnisse zwischen 1914 und 1918 immer wieder ins Gedächtnis riefen, und durch Erlebnisberichte und Legenden, die die Vätergeneration kolportierte. Prägungen im Kindes- und Jugendalter wirken nachhaltiger als die späteren Lebens­ phasen. Mediale Omnipräsenz des Ersten Weltkrieges und die Legenden, die um ihn gerankt wurden, ließen namentlich die  – im verklärenden Rückblick sozialharmonische – Frontgemeinschaft für die von Detlev Peukert so genannte »überflüssige« Generation55 zum Mythos werden, d. h. für die Generation der Kriegskinder und Kriegsjugendlichen, der auch die meisten der hier in Rede stehenden DAF-Manager und DAF-Funktionäre zuzurechnen waren. Geprägt wurde diese zwischen 1900 und 1910 geborene Generation außerdem durch die Krisen und Revolutionsversuche Anfang der zwanziger Jahre – sowie durch die galoppierende Geldentwertung bis 1924. Die Inflation hatte nicht nur Sparvermögen und Barguthaben zum Verschwinden gebracht sowie die Staatsfinanzen in einem bis dahin ungekannten Ausmaß zerrüttet. Sie hatte darüber hinaus das überkommene bürgerliche Normsystem entwertet. Das Ideal des ­»ehrbaren Kaufmanns« war verblasst; die Tugenden der Sparsamkeit und sorgsamen Haushaltsführung galten nichts mehr. 1923/24 – und ähnlich 1931/32 – setzten sich zumeist diejenigen durch, die kaum moralische Skrupel kannten und nicht zögerlich agierten, sondern »kühn«, »hart« und »mitleidslos« handelten.56 Kampfgeist, Brutalität und ein – von den Nationalsozialisten zusätzlich durch Sozial­ darwinismus geadelter  – Egoismus zahlten sich aus. Wenn die DAF-Manager ein anmaßendes, oft genug aggressives Gebaren entwickelten, in ihren unternehmenspolitischen Entscheidungen häufig unberechen­bar waren und keine Skrupel kannten, auch politische Mittel im engeren Sinn einzusetzen, sofern dies unternehmerischen Erfolg versprach, dann zeigten sie damit (auch) ein durchaus generationstypisches Verhalten. Hinzu kam, dass den DAF-Managern ein eher diskretes Networking in »die Politik« hinein und klassische Formen des wirtschaftlichen Lobbyismus abgingen. Die Angehörigen der etablierten Wirtschaftselite stieß all das ab; es bestätigte deren Vorurteile. 55 Vgl. (auch zum Folgenden) Detlev Peukert, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt a. M. 1987, S. 25-31. 56 Vgl. bes. Wildt, Generation des Unbedingten, S. 849 f.; ders., Generation als Anfang und Beschleunigung, in: Jureit/Wildt, Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, S. 160-179, hier: S. 173 f.

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Es nimmt deshalb nicht wunder, dass die zudem häufig in den faschistischen Bewegungen der Weimarer Republik sozialisierten, nicht selten auch nach 1933 einen antibürgerlichen Gestus kultivierenden Repräsentanten des DAF-Konzerns in den Augen der maßgeblichen Herren der überkommenen Großunternehmen oftmals geradezu die nationalsozialistischen Rabauken personifizierten, denen gegenüber man habituell bewusst auf Distanz hielt. Ein Schlaglicht werfen Äußerungen von Eduard Hilgard, dem Leiter der Reichsgruppe Versicherung und einflussreichen Vorstandsmitglied der Allianz-Versicherung.57 Für den zum Zeitpunkt der NS-Machter­greifung fast fünfzigjährigen Hilgard war der knapp zwanzig Jahre jüngere wirtschaftspolitische DAF-Multi­f unk­tionär Rudolf Lencer »ein Prototyp der jungen Garde der Partei«, der »seine mangelhafte Allgemeinbildung durch beträchtliche Arroganz und durch beträchtliche Unzuverlässigkeit auszugleichen« versucht habe.58 In der Wendung »mangelhafte Allgemeinbildung« spiegelte sich die großbürgerliche Distinktion Hilgards, im Vorwurf »be­trächt­licher Arroganz« der jugendlich-kämpferische Habitus Lencers und in der Kritik an dessen vermeintlich »beträchtlicher Unzuverlässigkeit« schließlich die DAF-typische Rück­sichtslo­sig­keit, die sich um Absprachen nicht scherte, wenn der Bruch getroffener Vereinbarungen Vorteile für das eigene Unternehmen versprach. Deutlicher als in den zitierten Worten von Hilgard ließen sich Habitus- und Generationsdifferenzen kaum artikulieren. Wenn der jeweilige DAF-Mana­ger von einem konkurrierenden Unternehmen kam und es seinem alten Arbeitgeber einmal so richtig zeigen wollte, konnten sich diese Distanzen weiter vertiefen. Dies war z. B. bei Diedrich Pollmann der Fall. Er kam aus dem höheren Management der Allianz-Versiche­rung, besaß dort allerdings offensichtlich keine weiteren Aufstiegschancen und übernahm 1935 die Leitung der Volksfürsorge.59 Der nachgerade jugendliche Elan, mit dem die DAF-Manager ›ihre‹ Unternehmen ausbauten, fiel auch der Wirtschafts­presse auf. In der Deutschen Bergwerks-Zeitung etwa wurde am 3. Mai 1944 in einem Artikel über die Arbeitsbank mit der bezeichnenden Überschrift »Die jüngste Großbank« anerkennend festgestellt, dass es »erfrischend [sei] zu sehen, wie sie vom Vorrecht der Jugend Gebrauch macht [und] sich kraftvoll entfaltet«. Auch die Wort­wahl in den Selbstdarstellungen weist in diese Richtung  – etwa die Formulierung des 57 Hilgard (1884-1982) war seit 1923 Vorstandsmitglied der Allianz und leitete die Reichsgruppe Versicherungen seit deren Gründung Mitte 1934. 58 Eduard Hilgard, Mein Leben in der Allianz, o.J. [1970], nach: Feldman, Allianz, S. 128. Zu verbalradikalen Attitüden Lencers während der ersten Jahre der NS-Herrschaft vgl. auch Weihe, Personalpolitik, S. 210, 213. Der rhetorische Radikalismus Lencers und anderer wirtschaftspolitisch herausragender DAF-Funktionäre verflüchtigte sich ab Ende der dreißiger Jahre und wich einem pragmatischeren Duktus. 59 Pollmann, von Okt. 1935 bis Febr. 1946 Vorstandsvorsitzender der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG, trat im Alter von 44 Jahren seine Stel­lung als Vorstandsvorsitzender der DAF-Versicherung an; er war damit für einen DAF-Manager vergleichsweise alt. Möglicherweise musste er sich auch gegenüber jüngeren Kollegen im eigenen Konzern beweisen.

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Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeitsfront noch im Februar 1944; er lobte ausdrücklich den unternehmerischen »Wagemut unserer Betriebs- und Geschäftsführer«.60 Kraftvoll entfalten konnte sich der DAFKonzern freilich nur, weil die Ma­na­ger dieses Unternehmenskonglomerats nicht allein überzeugte Nationalsozialisten waren und sich als »Alte Kämpfer« ihre während der Weimarer Republik ansozialisierte »Kampfbewegungs­mentalität« erhalten hatten. Hin­zu traten einschlägige fachliche Qualifikationen: Nicht nur Pollmann, auch Kratochwill, Halder, Oestrovsky, Kädig oder Franke hatten vorher im Versicherungs­wesen berufliche Erfahrungen gesammelt; Lencer hatte bei der Commerz- und Privatbank eine Banklehre absolviert und dort seine Karriere als Bankangestellter begonnen; Kratzer und mit Einschränkungen auch Simon waren einschlägig erfahrene Juristen; der Baukonzern wurde von Architekten oder Bauingenieuren geführt und auch die übrigen Teile des DAF-Wirt­schafts­ imperiums wurden von Personen mit einschlägigen Qualifikationen und Berufserfahrungen geführt. Alles in allem sollten die skizzierten habituellen Differenzen indes nicht überbewertet werden. Die Führer etablierter Unternehmen mögen bis in die zweite Hälfte der dreißiger Jahre insgesamt bedächtiger gehandelt haben. In Phasen solider Konjunktur war dies zweifellos ein Vorteil. In dem Maße freilich, wie die Märkte wuchsen und risikobereitere, jung-dynamische Akteure wie die aus den Reihen der DAF-Unterneh­men überdurchschnittlich erfolgreich agierten, konnte daraus ein Konkurrenznachteil werden. Der jugendliche Schwung, den die nationalsozialistische Öffentlichkeit DAF-Mana­gern attestierte, und ihr »erfrischender Wagemut« machte auf die Konkurrenz Eindruck und forderte zur Nachahmung auf. Weitere Faktoren begünstigten einen allgemeineren Wandel unternehmenspolitischer Verhaltens­muster und eine sukzessive habituelle Angleichung der Protagonisten des DAF-Konzerns und privater Großunternehmen. So trat im Zuge der »managerial revolution« (James Burnham 1941) die Figur des klassischen Unternehmens­patriarchen, also des Eigentümers eines großen Unterneh­ mens, der in seinem Betrieb wie ein kleiner Monarch herrschte und auch nach außen hin autokratisch auftrat, ab den zwanziger Jahren allmählich zugunsten eines neuen Managertypus’ zurück, der sich als Nicht-Eigentümer von Produktionsmitteln leichter an unterschied­liche Interessen anzupassen verstand und zudem auf Veränderungen der Umwelt elastischer reagierte. Verstärkt wurde dieser Prozess durch eine allmähliche generationelle Wachablösung, der jüngere Manager in hohe Funktionen katapultierte, »deren Energie in Brutalität ausartete und die sich durch nichts imponieren ließen«61 – eine Charakterisierung, die auch auf viele DAF-Manager zutraf. 60 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (Anm. 20). 61 So retrospektiv (und mit Blick auf Hans Kehrl und Walter Rohland): Johann Ludwig Schwerin v. Krosigk, Die große Zeit des Feuers, Bd. 3, Tübingen 1957/59, S. 560, nach: Volker R. Berghahn, Otto A. Friedrich. Politischer Unternehmer aus der Gummiindustrie und das Amerikanische Modell, in: Paul Erker (Hg.), Deutsche Unternehmer

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Umgekehrt lernten auch die führenden Manager der verschiedenen DAFUnternehmen schnell, zwischen unterschiedlichen Interessen zu changieren und flexibel auf rasch wechselnde Anforderungen zu reagieren. Die Protagonisten der Arbeitsfront-Unternehmen konnten zudem auf einen weitgehenden politischideologischen Gleichklang mit den maßgeblichen politischen Entscheidungsträgern des NS-Regimes bauen. Sie sprachen dieselbe Sprache – die die Manager ›normaler‹ Unternehmen erst erlernen mussten. Ihr »semantischer Apparat« (Werner Plumpe)62 und Gestus entsprach bei allen Differenzen im Einzelnen den Grundhaltungen wie Erwartungen der neuen Machthaber und erleichterte den DAF-Managern die Kontakte in die politische Sphäre hinein. Dies war von erheblichem Vorteil und erklärt gleichfalls den Erfolg des Konzerns der Arbeitsfront, wuchs die politische mit der ökonomischen Sphäre während des Dritten Reiches doch ohnehin immer enger zusammen. Plumpe hat außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass für Unternehmen in modernen Industriegesellschaften generell »situative Gesichtspunkte« eine zentrale Rolle spielen, und mit ihnen die Fähigkeit der zentralen Akteure, auf kurzfristige Veränderungen elastisch und flexibel reagieren zu können. Besonders erfolgreich sind Unternehmen, deren Protagonisten ein ausgeprägtes »Improvisationstalent« besitzen. Sind solche Eigenschaften bereits in ›normalen‹ Volkswirtschaften wertvoll, wuchs ihre Bedeutung während der NS-Zeit angesichts der Dynamik und der zahllosen, für die zeitgenössischen Akteure oft überraschenden Veränderungen des engeren und weiteren Um­f eldes. Die dabei verlangte Fähigkeit zur »Dauerimprovisation« sowie zur »Hemdsärmeligkeit«, die sich über eingespielte Routinen hinwegsetzte, zeigte nicht nur der Volkswagen-Manager Lafferentz,63 sondern ähnlich auch andere Protagonisten der DAF-Unternehmen. Protagonisten erfolgreicher Unternehmen stellen sich zudem relativ unabhängig vom politischen System, in dem sie agieren, unter einen permanenten »selbsterzeugten Problemdruck«, so dass sie »sich selbst stets zur Entscheidung aufstacheln«.64 Bei den zentralen Akteuren und Vorständen der DAF-Unternehmen wurden diese ›normalen‹ Managereigenschaften durch deren Anbindung an den »charismatischen Verwaltungsstab« Deutsche Arbeitsfront weiter verstärkt. »Charismatische Verwaltungsstäbe« stehen als Säulen »charismatischer Herrschaft« unter dem steten Druck, Dynamik zu entfalten und diese Dynamik möglichst ungezügelt aufrechtzuerhalten. Es nimmt deshalb nicht wunder, wenn unter den DAF-Managern Ruhelosigkeit, Sprunghaftigkeit und Kampfeswille in besonderem Maße ausgeprägt waren. Etliche von ihnen hatten ihre politische Sozialisation in der Weimarer »Kampf«-Bewegung des Nationalsozialismus erzwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau. Studien zur Erfahrungsbildung von Industrie-­Eliten, München 1998, S. 193-215, hier: S. 200, bzw. Berghahn, Zirkulation und Solidarität, S. 104. 62 Dieses und da folgende Zitat: Plumpe, Perspektiven der Unternehmensgeschichte, S. 420 f. 63 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 36. 64 Plumpe, Perspektiven der Unternehmensgeschichte, S. 421.

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halten. Als Manager, die vergleichsweise jung in Spitzenpositionen des Arbeitsfront-Konzerns aufgestiegen waren, blieben sie ungestüm und risikobereit. Sie besaßen keine Hemmungen, ihre Ellenbogen rücksichtslos ein­zusetzen; etliche von ihnen schienen geradezu von einer Art Sucht nach neuen Heraus­f orde­run­ gen getrieben gewesen zu sein. Hinzu kommen weitere Aspekte. So sahen sich die im Frühjahr und Sommer 1933 eingesetzten DAF-Ma­nager in eine ›Stunde Null‹ versetzt und glaubten sich vor unbekannten Herausforderungen; denn der auf den Trümmern der Genossen­schaften und gewerkschaftsnahen Unternehmen errichtete Konzern der Arbeitsfront glich ja einer Neuschöpfung, da die Führung der Arbeitsfront die auf dem Prinzip der Selbsthilfe basierenden gewerkschaftlichen Betriebe nicht einfach so weiterbestehen lassen wollte und konnte. Die neu eingesetzten Manager sollten den ihnen zugefallenen Firmenkomplex entsprechend den politischen Prämissen der DAF-Führung und orientiert an den in der Privatwirtschaft gängigen Unternehmensstrukturen von Grund auf umkrempeln. Später boten die besonderen ökonomischen Bedingungen des Dritten Reiches – Aufrüstung und Autarkie – und dann ab 1938 die Ausdehnung des nationalsozialistischen Herrschaftsbereichs über die Grenzen des »Altreichs« hinaus unternehmenspolitisch Chancen über Chancen, die die DAF-Ma­na­ger auf ihren jeweiligen Feldern unbedingt nutzen wollten. Die Konkurrenz musste mithalten, wollte sie nicht gegenüber dem neuen Konzern das Nachsehen haben. Auch deshalb wurden der Konzern der Arbeitsfront und seine maßgeblichen Akteure zu (wie Ley formulierte:) »Wegbereitern für ein neues Unternehmertum«, zu Pionieren einer nationalsozialistischen Unternehmenskultur. Die Anpassungsprozesse waren allerdings nicht einseitig, die Manager anderer Unternehmen keineswegs bloße Nachahmer. Es kam vielmehr zu einer gegenseitigen Annäherung. Denn die Protagonisten des DAF-Konzerns und weiterer NSDAP-naher Unternehmen bemühten sich ihrerseits um Seriosität und Repu­ tation als Billets entré in die Wirtschaftselite. Damit waren sie schließlich keineswegs erfolglos. Die wirtschaftspolitischen DAF-Funktionäre: Paria innerhalb der etablierten reichsdeutschen Wirtschaftselite? Anfangs sah es allerdings nicht danach aus. In den ersten Jahren der NS-Herrschaft waren die Vernetzungen der Spitzen des DAF-Konzerns in die reichs­deutsche Wirtschaftselite hinein aus­gesprochen lückenhaft und eher zufällig. Höhere Funktionäre der Arbeitsfront in Aufsichts- und Verwaltungsräten oder gar Vorständen namhafter Unternehmen außerhalb der DAF konnte man mit der Lupe suchen. Die reichsdeutsche Banken- und Industrieelite legte offensichtlich keinen Wert darauf, DAF-Funktionsträger und Arbeitsfront-Manager zu integrieren.65 Diese 65 Eine Ausnahme waren Wolfgang Pohl und Heinz Reitbauer. Pohl (1897-?), der innerhalb der DAF freilich keine wirtschafts- oder finanzpolitischen Funktionen ausfüllte,

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blieben deshalb lange Zeit Außenseiter.66 In der Perspektive alteingesessener Manager und Unternehmer galten sie als Parteibuchkarrieristen und Revolutionsgewinnler. De facto wurden sie in den ersten Jahren der NS-Herrschaft als eine Art Paria betrachtet, denen man durch Nichtbeachtung zu verstehen gab, dass sie nicht dazugehörten. Der Tatbestand, dass DAF-Manager keinen Zugang zu Aufsichtsgremien von ›normalen‹ Unternehmen fanden, kann noch aus einem anderen Grund kaum überraschen. In den etablierten Unternehmen fürchtete man mit guten Grün­ den den Einfluss der Arbeitsfront. Aufsichtsräte besaßen Zugang zu sensiblen Informationen über die betrieblichen Verhältnisse. Niemand konnte bei einer Mitgliedschaft von Managern aus DAF-Unternehmen in diesen Gremien sicher sein, dass solche Kenntnisse nicht an andere Stellen der Arbeitsfront weitergegeben und von diesen genutzt wurden, um irgendwann auch gegen das jeweilige Unternehmen verwendet zu werden. Denn die DAF suchte permanent und mit allen Mitteln Einfluss in den Betrieben zu gewinnen bzw. dort einmal erreichte Machtpositionen auszubauen. Dass man angesichts dieses Grundkonfliktes Managern wie Funktio­nären der Arbeitsfront die Türen zu Aufsichtsräten verschloss, war nur allzu verständlich. Infolgedessen bildete das DAF-Wirtschaftsimperium auf der Ebene der personellen Vernetzungen bis weit in den Krieg hinein eine Art Parallel-Kosmos aus. So wie Manager und Funktionäre der Arbeitsfront keine Aufsichtsratsposten außerhalb des Konzerns angeboten bekamen, legten umgekehrt namhafte Industrielle auch keinen Wert auf ein Aufsichtsratsmandat innerhalb eines DAFUnternehmens. Namen auch nur halbwegs wichtiger Unternehmenseigner und Manager aus ›normalen‹ Konzernen sucht man in den Kontrollgremien der DAF-Unternehmen bis Anfang der vierziger Jahre jedenfalls vergeblich.67 sondern ab 1935 das Arbeitswissenschaftliche Institut der DAF führte, war von 1927 bis 1937 ein hoher Ministerialbeamter im RWM – bis 1935 außerdem zugleich im RAM – gewesen. In dieser Funktion, und nicht als Leiter eines DAF-Zentralamtes, saß er u. a. auch nach seinem Ausscheiden aus dem RWM im Vorstand der Preußischen Elektrizitäts AG/Ber­lin und der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG/Hamburg. Außerdem war er Mitglied im Aufsichtsrat der Rheinisch-West­f ä­lischen Elektrizitäts AG/Essen, der Berliner Kraft- und Licht AG (Bewag) sowie zahlreicher weiterer, regionaler Energieunternehmen. Zu Reitbauers Aufsichtsrats-Mitgliedschaften vgl. Kapitel 2, S. 87, Anm.  44. 66 Es passt in dieses Bild, dass keiner der Manager des DAF-Konzerns Zugang zu den einflussreichen Herrengesellschaften der Zeit, insbesondere nicht zum wichtigsten Knotenpunkt der Netzwerke der reichsdeutschen Wirtschaftseliten fand: zum »Club von Berlin«. Vgl. die Mitgliederlisten des »Clubs von Berlin« 1932 bis 1944, in: BA Berlin, SAPMO, RY 56, bes. Nr. 15, 17, 22, 23, 85, 90, 91. Zum Berlin-Club als dem zentralen Knotenpunkt des wirtschaftselitären Netzwerks auch im Dritten Reich, in dem zugleich führende Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft vertreten waren, vgl. Fiedler/Lorentz, Kontinuitäten, S. 65 (Tabelle 6). 67 Es gab nur wenige Ausnahmen von dieser Regel. Eine war Adolf Müller. Müller (1884?), Eigentümer des Buchgewerbehauses M. Müller & Sohn KG/München, kannte nach eigenem Bekunden Hitler seit 1921 und war an der Gründung der Münchner SA be-

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Indessen blieb die Isolation der maßgeblichen Akteure auf Seiten der Arbeitsfront innerhalb der reichsdeutschen Wirtschaftselite letztlich nur eine Isolation auf Zeit. Ein allmählicher Generationswechsel in den Führungsetagen der deutschen Unternehmen und wech­selseitige Anpassungen begünstigten einen zunehmenden habituellen Gleichklang zwischen den Akteuren auf Seiten der etablierten und der neuen, parteinahen Unternehmen. Er nivellierte peu à peu die Unterschiede im unternehmenspolitischen Stil zwischen beiden Seiten und erhöhte, aller strukturellen Konkurrenz und allem individuellen Ehrgeiz zum Trotz, außerdem die Kooperationsbereitschaft zwischen alten und neuen Unternehmen. Sukzessive lernten die führenden DAF-Manager außerdem, sich breiter zu vernetzen. Verstärkt wurde dieser Trend dadurch, dass sie in den Branchen, in denen das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront maßgeblichen Einfluss gewonnen hatte, in die Zentren der Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft einrückten. Die Hierarchie dort spiegelte freilich weiterhin die ökonomischen Machtkonstellationen innerhalb der jeweiligen Branchen wider. So übernahm Rudolf Kratochwill vom DAF-Versicherungsunternehmen Deutscher Ring noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges zwar die Spitze der Wirtschaftsgruppe Lebens- und Krankenversicherung sowie des neugegründeten Beirates des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung. Pläne, Kratochwill zum Leiter der Reichsgruppe Versicherungen zu machen, scheiterten jedoch. Hilgard, dem starken Mann im Vorstand der Allianz als des größten deutschen Versicherungskonzerns, gelang es, die an zweiter Stelle rangierende DAF-Versi­che­rungsgruppe auch im Kriege auf Abstand zu halten; er blieb Chef dieser Reichsgruppe.

teiligt; in seiner Druckerei wurde anfangs der Völkische Beobachter hergestellt. Er gehörte ab 1937 dem Aufsichtsrat der Arbeitsbank an. Müller saß ab Ende der dreißiger Jahre außerdem im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sowie ferner in den Aufsichtsräten der Ala Anzeigen AG/Mün­chen und der Schnellpressenfabrik König & Bauer AG/ Würzburg. Die auch politisch wichtige Stellung Müllers unterstreicht seine Mitgliedschaft im Beirat der Deutschen Reichspost und im Werberat der deutschen Wirtschaft. Der mit einflussreichen Repräsentanten zahlreicher politischer Institutionen besetzte Aufsichtsrat des Deutschen Gemeinschaftswerks (Kapitel 6, S. 405 ff.) war de facto ein politisches Kontrollorgan, mit dem das RWM, das RAM, die RGH, Reichsnährstand usw. verhinderten, dass die DAF und das GW getroffene Vereinbarungen brachen. Eine zweite (institutionelle) Ausnahme war der Aufsichtsrat der Stettiner Vulkan-Werft (Kapitel 7, S. 519 f.). Ihm gehörten neben dem Direktor der Hamburg-Amerika-Linie Ernst Goedecken zahlreiche Repräsentanten Pommer’scher Unternehmen vor allem aus der Versicherungsbranche und öffentlicher Einrichtungen an.

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10. Selbstverständnis, Struktur und Praxis des Mammutkonzerns und seiner Protagonisten Zusammenfassung Die DAF formte die den Gewerkschaften geraubten Unternehmen sukzessive zu einem riesigen, schwer überschaubaren Unternehmens-Koloss, zu einem (wie der Leiter der Reichsgruppe Versicherungen Eduard Hilgard schon frühzeitig formulierte) »mächtigen Block mit außerordentlichem Betätigungsdrang«. Resümierend sind die Dimensionen des DAF-Wirtschaftsimperiums ebenso zu umreißen wie die Etappen des Aufstiegs dieses Konzerns. Danach sind die zentralen Fragestellungen in der Zusammenschau zu diskutieren: Welche politischen Zwecke verfolgte die Arbeitsfront mit ihrem Wirtschaftsimperium? Welche ökonomischen Folgewirkungen hatte die Nähe zur politischen Macht für die Entwicklung und die Eigentümlichkeiten des DAF-Konzerns? Was waren die ›Markenzeichen‹ des Unternehmenskonglomerats der Arbeitsfront? Und schließlich: Wie lässt sich das verzweigte Wirtschaftsimperium dieser Massen­ organisation im Spannungsfeld von Staat, Partei, Gesellschaft und Privatwirtschaft verorten? Welche neuen Schlaglichter vermag die Geschichte des DAFKonzerns auf das Verhältnis von Politik und Wirtschaft während des Dritten Reiches zu werfen?

10.1. Ein schwer überschaubarer Koloss Politisches Gewicht durch schiere Größe: zu den Dimensionen des Gesamtkonzerns Die Dimensionen des Gesamtkonzerns sind schwer abzuschätzen. Die Treuhandverwaltung für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeitsfront hat keine den Gesamtkonzern umfassende Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung erstellt. In den veröffentlichten wie unpublizierten Rechenschaftsberichten der TWU finden sich nur grob summierende Angaben. Sie allerdings bieten Anhaltspunkte, welche es erlauben, den Umfang des Gesamtkonzerns wenigstens zu umreißen. Je nachdem, welchen Indikator man heranzieht, ergeben sich unterschiedliche Bilder. Eindrucksvoll waren die Zahlen, die die DAF-Führung präsentieren konnte, allemal. Zu den Beschäftigtenzahlen: Im Februar 1944 sprach Hans Strauch, seit Februar 1938 Leiter des »Amtes für wirtschaftliche Unternehmen« der Arbeitsfront, von »nahezu 200.000 bei den wirtschaftlichen Unternehmun­ gen der DAF beschäftigten Mitarbeitern«.1 Das wären fast 50.000 Arbeiter 1 ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943 (erstellt im Febr. 1944), in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33.

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und Angestellte mehr gewesen, als der Siemenskonzern (Siemens & Halske; Siemens-Schuckert-Werke sowie kleinere Unternehmen) im Krieg zählte.2 Mit einer Gesamtarbeitnehmerschaft in dieser Größenordnung reichte das DAFWirt­schafts­imperium fast an die Belegschaftszahlen der  – in ähnlicher Weise als Holding organisierten – Vereinigten Stahlwerke heran: Dieser Konzern, der mindestens bis Kriegsbeginn die reichsdeutsche Eisen- und Stahlproduktion, aber auch die Steinkohleförderung (40 % bzw. 20 % Produktions- bzw. Förderanteil) beherrschte und Mitte der dreißiger Jahre als größter europäischer Stahlkonzern galt, zählte mit sämtlichen hundertprozentigen Tochtergesellschaften Anfang der vierziger Jahre knapp 250.000 Arbeitskräfte. Deutlich größer war noch die I.G. Farbenindustrie. Der Chemiegigant und (1939) viertgrößte Konzern der Welt (nach General Motors, US Steel und Standard Oil) zählte 1943 einschließlich Zwangsarbeiter aller Couleur insgesamt 343.000 Arbeitnehmer. Weit in den Schatten wurde das DAF-Wirtschaftsim­pe­rium schließlich durch die Reichswerke Hermann Göring gestellt; in sämtlichen Betrieben die­ses Riesenkonzerns sollen in den letzten Kriegsjahren schließlich mehr als 600.000 (Zwangs-)Ar­beiter und Angestellte beschäftigt gewesen sein.3 Nimmt man die von Strauch genannte grobe Schätzung von knapp 200.000 DAF-Angestellten und Arbeitern Anfang 19444 und setzt diese in Bezug zu den vorliegenden fragmentarischen Angaben der Mitarbeiterentwicklung der Einzelunternehmen sowie zur Gründung bzw. Übernahme neuer Unternehmen, dann hat sich die Zahl der vom DAF-Gesamtkonzern beschäftigten Arbeiter und Angestellten in den zwölf Jahren der NS-Diktatur ungefähr folgendermaßen entwickelt: 1933 dürfte sie zwischen 25.000 und 40.000 gelegen haben. Bis Ende 1936 wird sie moderat auf etwa 50.000 gestiegen sein. Vollbeschäftigung und bis Kriegsbeginn – langsam – steigende Realeinkommen, aber auch die Konso2 Der Siemenskonzern beschäftigte 1940 weltweit 143.000 Arbeiter und Angestellte. Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 663. Die Angaben zu den Vereinigten Stahlwerken, zur I.G. Farbenindustrie und zu den »Reichswerken Hermann Göring« aus den einschlägigen zeitgenössischen Lexika. 3 Die Belegschaft der Wilhelm-Gustloff-Werke nahm sich mit 15.528 Arbeitern und Angestellten Ende 1939 demgegenüber recht bescheiden aus (Ende 1936: 5.198). Vgl. Rüdiger Stutz, Weimar als »Stadt der Arbeiter«. Fritz Sauckel und die Gustloff-Werke, in: Volkhard Knigge (Hg.), »… mitten im deutschen Volke«. Buchenwald und die nationalsozialistische Volksgemeinschaft, Göttingen 2008, S. 89-101, hier: S. 90. Bis 1943 dürfte diese Zahl auf 30- bis 40.000 gestiegen sein, einschließlich der etwa 6.000 aus dem KZ Buchenwald rekrutierten Häftlinge. Demnächst ausführlich zu den Gustloff-Werken: Ulrike Schulz, Die Geschichte der Firma »Simson« Suhl/Thüringen 1856-1993. Studie zur Transformation von Eigentumsrechten in Unternehmen, erscheint voraussichtlich 2012. 4 Die Zahl wird von Strauch nicht weiter aufgeschlüsselt. Unklar ist vor allem, ob nur vollzeitbeschäftigte Ar­beit­nehmer erfasst oder auch die zu diesem Zeitpunkt etwa 40.000 nebenamtlichen Kassierer etc. vor allem der Volksfürsorge und der Büchergilde Gutenberg einbeschlossen sind. Die folgenden – groben – Schätzungen schließen sämtliche Beschäftigte ein. Sie basieren auf den in den Tabellen und im Text genannten Zahlen.

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lidierung sowie der wachsende politische Einfluss der Arbeitsfront begünstigten in den Vorkriegsjahren die Entwicklung aller Segmente des DAF-Konzerns. Dies und die Ausdehnung der Konzernaktivitäten nach Österreich sowie in die ehemalige Tschechoslowakei, der Erwerb weiterer Versicherungsunternehmen, Verlage etc., der Umbau der Wohnungsgesellschaften zur Neuen Heimat und anderes mehr drückten sich in einem deutlichen Anstieg der Beschäftigtenzahlen aus. Bei Kriegsbeginn lag die Zahl der im DAF-Konzern insgesamt beschäftigten Arbeiter und Angestellten bei knapp 100.000. In die Höhe schnellten die Beschäftigtenzahlen dann 1941 – nachdem die Produktion im Volkswagenwerk und in der Vulkan-Werft angelaufen war, vor allem aber, weil nun die vormaligen Konsumgenossenschaften als Deutsches Gemeinschaftswerk in den DAFKonzern integriert wurden. 1941 dürfte die Beschäftigtenzahl sämtlicher DAFUnternehmen bei mindestens 180.000, also bereits grob auf dem Niveau gelegen haben, das Strauch für Anfang 1944 angab. Eindrucksvoll ist die Größe des DAF-Wirtschaftsimperiums nicht nur den Belegschaftszahlen nach, sondern auch, wenn man andere Kennziffern heranzieht. Für die beiden Lebensversicherungsgesellschaften der DAF  – Volksfürsorge und Deutscher Ring  – ließe sich für Ende 1939 die Zahl von gut acht Mio. Versicherten nennen, deren gesamte Lebensversicherungssumme sich auf etwa vier Mrd. RM, eine für damalige Verhältnisse fast kaum vorstellbar große Summe, belief. Der Lebensversicherungszweig allein der Volksfürsorge lag 1939 mit einem jährlichen Prämienaufkommen von einhundert Mio. RM an zweiter Stelle aller deutschen Versicherungsgesellschaften, die Deutscher Ring Lebensversicherung mit knapp fünfzig Mio. RM an sechster Stelle. Nach den An­gaben des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeitsfront Strauch beliefen sich die Prämieneinnahmen beider DAF-Ge­sellschaften 1939 sogar auf 164 Mio. RM.5 Der Allianz konnten die beiden DAF-Versicherungs­ konzerne damit zwar noch nicht das Wasser reichen. Der Vorsprung vor der Nummer drei in Deutschland, der Victoria Lebensversicherung, die in diesem Jahr 66 Mio. RM Prämieneinnahmen verzeichnete, war jedoch bereits gewaltig. Und auch die Allianz musste fürchten, ihre Spitzenstellung zu verlieren: Allein von 1938 auf 1939 konnten die beiden DAF-Lebensversi­che­rungs­gesellschaften ihre Einnahmen um ein gutes Drittel steigern. Indikatoren wie das Prämienaufkommen besitzen Aussagekraft nur für bestimmte Wirtschaftszweige, in diesem Fall die Versicherungsbranche. Eine generellere Messeinheit für Unternehmensgröße ist, neben den Beschäftigtenzahlen, der Umsatz. Legt man diesen Indikator zugrunde, überstieg die volkswirtschaftliche Bedeutung sämtlicher Unternehmen der Arbeitsfront beispielsweise die des SS-Wirtschafts­imperiums um ein Vielfaches. 1942 lag der Umsatz sämtlicher SS-

5 Vgl. Leistungsbericht des Amtsleiters für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF für 1939/40, vom Juli 1940, Zitat: S. 7, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87, außerdem Tabelle 2.3. und 2.10 sowie Kapitel 4, S. 220.

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Unternehmen bei 76 Mio.6 Allein die Bank der Deutschen Arbeit verbuchte 1942 einen Umsatz von 52 Mio. RM, der im folgenden Jahr auf 68 Mio. RM wuchs. Der Umsatz des Deutschen Gemeinschaftswerkes lag im selben Jahr sogar zehn mal so hoch wie der des SS-Wirtschafts­impe­riums, nämlich bei 780 Mio. RM (1943: 813 Mio. RM); das wiederum waren immerhin fast 50 % des Umsatzvolumens, das die I.G. Farben 1938 (1.645,4 Mio. RM) erreicht hatte. Auch der Umsatz der DAF-Verlage war eindrucksvoll. Alle drei setzten 1938 und ebenso 1940 etwa 40 Mio. RM um. Das war ungefähr (1938:) das Fünfzehnfache bzw. (1940:) das Achtfache des Umsatzes, den der Shooting Star unter den reichsdeutschen Verlagen, der Gütersloher Bertelsmann-Verlag, aufzuweisen hatte. Nimmt man die Zentrale der Frontbuchhandlungen hinzu, deren Aktivitäten zunehmend verlegerischen Charakter annahmen, verdoppelt sich der Umsatz des DAF-Verlagsimperiums noch einmal. Nach dem Eher-Verlag der NSDAP, der aufgrund seines 1934 fixierten De-facto-Monopols auf politisches Schrifttum freilich in noch ganz andere Dimen­sionen expandieren konnte als die Verlage der Arbeitsfront, war das verlegerische Dreigespann der Arbeitsfront aus Hanseatischer Verlagsanstalt, Langen-Müller-Verlag sowie dem DAF-Zentralverlag der zweitgrößte deutsche und nach Kriegsbeginn – selbst ohne die zahlreichen Druckereien und das dichte Vertriebsnetz der Frontbuchhandlungen  – wohl auch europäische Verlagskonzern. Umsatzstark war außerdem das Volkswagenwerk: 1942 wurden von diesem Unternehmen knapp 150 Mio. RM, 1944 dann fast 300 Mio. RM umgesetzt. Der Umsatz des Baukonzerns der Arbeitsfront lag bei Kriegsbeginn bei gut 40 Mio. RM. Über die Entwicklung des Umsatzes der ab 1940 neu gegründeten Bauunternehmen, insbesondere die Bauhilfe, liegen keine verlässlichen Zahlen vor, ebenso wenig über den Umsatz, den GEHAG und Neue Heimat oder die Vulkan-Werft sowie die anderen Schiffbauunternehmen im Besitz der DAF erzielten. Angesichts dieser Zahlen steht zu vermuten, dass der Umsatz des gesamten DAF-Wirt­schafts­im­pe­riums die jeweils 1,6 Mrd. RM, die der Umsatz der I.G. Farbenindustrie 1938 erreicht hatte und die der Siemenskonzern (einschließlich der Auslandsbetriebe) 1942 auswies, spätestens im Jahre 1941, nach der Formierung der Konsumgenossenschaften zum Deutschen Gemeinschaftswerk und dem Ausbau des Frontbuchhandels, mindestens erreichte. 1942 dürfte der Gesamtkonzern einschließlich aller Tochtergesellschaften die Umsatzmarke von zwei Mrd. RM geknackt haben. Ähnlich wie die Zahl der Beschäftigten bieten freilich auch der Umsatz und ähnliche Indikatoren bestenfalls eine grobe Vorstellung von der Größe des DAF-Konzerns. Vor allem im Krieg wird dieser Indikator zunehmend problematisch: Geld, und damit die in dieser klassischen ›Maßeinheit‹ ausgewiesenen Umsätze und ebenso die verschiedenen Bilanz­ posten, auch Kategorien wie Roh- und Reingewinn etc. (deren Aussagekraft

6 Vgl. Kaienburg, Wirtschaft der SS, S. 1098. Die folgenden Angaben zum DAF-Konzern nach den Tabellen im Anhang.

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während der gesamten NS-Zeit ohnehin begrenzt war), spielten als Bezugsgröße für den Unternehmenserfolg eine immer geringere Rolle.7 Von der Peripherie ins Zentrum der nationalsozialistischen Volkswirtschaft: die sieben Etappen des Aufstiegs und schließlichen Niedergangs des DAF-Wirt­schafts­im­periums Auch wenn sich die Dimensionen des Konzerns der Arbeitsfront nicht konturenscharf abbilden lassen, so ist doch unzweifelhaft, dass dieser in den zwölf Jahren des Dritten Reiches eine rasante Entwicklung durchgemacht und sich vom Rande in das Zentrum der nationalsozialistischen Volkswirtschaft katapultiert hat. So wie die Geschichte des NS-Regimes generell, war auch die der DAF-Unter­nehmen einer erheblichen Dynamik und oft genug überraschenden Wandlungen unterworfen. Die Geschichte des Gesamtkonzerns folgte freilich neben allgemeinen Entwicklungen auch einem eigenen Rhythmus, der wiederum eng mit dem Aufstieg der politischen Massenorganisation Deutsche Arbeitsfront verknüpft war. Unabhängig von den je spezifischen Entwicklungen der einzelnen Säulen des Konzerns oder einzelner Unternehmen lassen sich folgende sieben allgemeine ›Entwicklungsetappen‹ des DAF-Wirtschafts­im­periums ausmachen: (1.) Die Zeit zwischen Mitte Mai 1933 und Hochsommer 1934 markiert die Phase der Übernahme und einer ersten, noch labilen Konsolidierung der vormals gewerkschaftseigenen DAF-Unterneh­men. In diesen eineinhalb Jahren kam es zu einer (vorläufigen) Klärung der die Eigentümerschaft betreffenden offenen Rechtsfragen und mit der Installierung der Treuhandgesellschaft für die wirtschaftliche Unternehmungen der DAF zu einer zu diesem Zeitpunkt freilich noch instabilen institutionellen Anbindung an die Führung der Organisation. Gehemmt wurden die Aktivitäten der einzelnen Unternehmen teilweise außerdem dadurch, dass die Arbeitsfront als politische Organisation ihre Identität suchte. Die Führungsgruppe der DAF war während dieses Zeitraumes so mit sich und dem Innenleben der Organisation befasst, dass sie kaum Zeit fand, sich intensiver um die Unternehmen zu kümmern, die ihr 1933 zugefallen waren. Insbesondere die den freien Gewerkschaften geraubten Unternehmen befanden sich zudem deshalb in einer schwierigeren Situation, weil Vorstände und oft auch größere Teile der Belegschaft entlassen und durch fachlich häufig unqua7 Nicht zuletzt die Gewinne wurden in den Bilanzen oft systematisch verschleiert und von zahlreichen Unternehmen zu niedrig angesetzt – in Übereinstimmung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des Dritten Reiches, insbesondere der Handels- und Steuer­ gesetzgebung. Vgl. Mark Spoerer, Profitierten Unternehmen von KZ-Arbeit? Eine kritische Analyse der Literatur, in: HZ, 268/1999, S. 61-95, hier: S. 64. Hintergrund für diese Verschleierung und ebenso für ein nur scheinbar restriktives Aktienrecht war nicht zuletzt die Furcht der Regimes, dass rüstungsbedingte Extraprofite und »Kriegsgewinnler« wie im Ersten Weltkrieg Verärgerung und Unruhe in breiten Bevölkerungsschichten schüren würden.

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lifizierte »Alte Kämpfer« ersetzt wurden. Darüber hinaus waren wichtige Teile des DAF-Konzerns heftigen Angriffen des selbständigen Mittelstandes ausgesetzt und wurden in ihrer Entfaltung zunächst gebremst. (2.) In den ersten Jahren der NS-Herrschaft hatte die DAF-Führung erhebliche Probleme damit, eine neue organisatorische Struktur der Arbeitsfront aufzubauen. Gleichzeitig, und paradoxerweise, begann der »charismatische Verwaltungsstab« DAF zwischen Frühherbst 1934 und Herbst 1936 in einer Weise organisatorisch zu wuchern, dass selbst die Führung den Überblick über die binnenorganisatorischen Strukturen verlor. Zudem waren die führenden Paladine Leys in heftige Konkurrenzkämpfe verwickelt.8 Infolgedessen blieben die meisten Unternehmen der DAF in dieser Phase weitgehend auf sich gestellt. Die Neuformierung vor allem der Bauproduktivgenossenschaften misslang und endete in einer Krise, die durch die Korruptionsaffäre »Anton Karl« zusätzlich vertieft wurde. Erst 1938 gelang es, den Bau- und Wohnungssektor zu stabilisieren und dann rasch auf einen Erfolgskurs zu führen. Aufgrund der bis 1936 anhaltenden politischen Schwäche verlor die Arbeitsfront außerdem den Kampf um die Konsumgenossenschaften – bis 1940/41. Auf der anderen Seite ebbten die Angriffe aus dem gewerblichen Mittelstand auf den DAF-Kon­zern ab. Wirtschaftlich gesunde Unternehmen wie die Arbeitsbank, die Versi­cherungsun­ter­ nehmen, die Verlage oder auch einzelne Wohnungsbau­unternehmen partizipierten am allgemeinen Boom. (3.) Die Zeit zwischen Herbst 1936 und Frühjahr 1938 lässt sich als Phase einer dauerhaften inneren Konsolidierung und des einsetzenden Aufschwungs des DAF-Wirtschafts­impe­riums kennzeichnen. Nicht zuletzt politische Weichenstellungen begünstigten diesen Aufschwung. Hitler hatte mit seiner Verordnung vom 24. Oktober 1934 der Arbeitsfront-Führung eine Generalvollmacht ausgestellt, die diese mit zeitlicher Verzögerung, seit den »Grundsätzlichen Anweisungen« Leys von Anfang September 1936, auch wirtschaftspolitisch und unmittelbar ökonomisch zu nutzen verstand. Die DAF-Unternehmen profitierten vom Aufstieg ihrer Mutterorganisation zum mitgliederstärksten nationalsozialistischen Verband sowie von der Breitenwirkung der Freizeit- und Urlaubs­ organisation »Nationalsozialistische Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹«. Beides verschaffte ihnen Zugang zu neuen Kundenschichten und Märkten. Aufgrund ihres Mitgliederwachstums, das für »deutsche Volksgenossen« ab Ende 1937 zu einer De-facto-Zwangsmit­glied­schaft wurde,9 mutierte die DAF zur finanzstärksten Organisation des Dritten Reiches. Gleichzeitig konnte die Verwaltung 8 Zu diesen Rivalitäten vgl. Hachtmann, Koloss, S. 44 f. 9 Förmlich dekretierte RWM Funk erst am 11. Okt. 1939 in seiner Rolle als »General­ bevollmächtigter für die Wirtschaft« den Zwangseinzug der Beiträge für die Arbeitsfront durch die betrieblichen Lohnbüros und schrieb damit faktisch die DAF-Zwangsmitgliedschaft fest. Erlass Funks vom 11. Okt. 1939, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10325, Bl.  61 f. Auch Fremdarbeiter – ab April 1944 selbst die rassistisch stigmatisierten »Ost­ arbeiter« – mussten Zwangsabgaben an die Arbeitsfront abführen, wurden damit jedoch nicht Mitglieder der DAF.

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der Arbeitsfront als politischer Organisation effizienter gestaltet werden. Die maßgeblichen Funktionäre wendeten ihr Augenmerk stärker auch den Unternehmen der DAF zu und unterstützten diese in ihren wirtschaftlichen Ambi­ tionen effizienter als zuvor. Dane­ben wurde mithilfe politischer Vereinbarungen zwischen Ley und anderen hohen Funktionsträgern des NS-Regimes oder staatlichen Institutionen weiteres Terrain abgesteckt. Dies kam auch der Expansion der Unternehmen zugute. Wichtig ist hier etwa das im Dezember 1936 getroffene Abkommen zwischen öffentlich-rechtlichen Versicherungsgesellschaften und DAF-Versi­che­rungs­ge­sell­schaften über die gegenseitige Anerkennung der Besitzstände. Last but not least wurden die Unternehmen der Arbeitsfront durch die Arbeitsmarktentwicklung ab 1935/36 begünstigt. Die Brutto- und Nettoverdienste blieben zwar niedrig. Die Arbeitsplätze waren jedoch gesichert. Da Devisen­knappheit und Importbeschränkungen die Einfuhr von Waren aus dem Ausland weitgehend verboten und infolge des Primats der Aufrüstung zudem die einheimische Konsumgüterproduktion künstlich eingeschnürt wurde, stieg die Sparquote deutlich. Dies wiederum kam sowohl der Bank der Deutschen Arbeit mit ihren Kleinsparkonten als auch der Volksfürsorge mit ihren Kleinlebensversicherungen und – begrenzter – schließlich den Deutscher Ring-Versiche­rungen sowie dem Volkswagenwerk (KdF-Wagen-Sparer) zugute. (4.) Die zwei Jahre zwischen Frühjahr 1938 bis Mai 1940 können als erste Phase einer forcierten Expansion des Konzerns gelten. Im Frühjahr 1938 wurde die personelle Leitung der TWU und auch anderer DAF-Ämter, die Einfluss auf den Konzern ausübten, ausgewechselt und seitdem – bis 1945 – das Wirtschaftsimperium von vergleichsweise fähigen, gleichwohl altgedienten Funktionären geführt. Auch die institutionelle Anbindung des Konzerns an die politische Organisation war seitdem klarer gestaltet. Zugleich blieben den Unternehmensvorständen erhebliche Spielräume für eigenständiges Handeln, da die Unternehmensleitungen an der langen Leine gehalten wurden. Infolge der Gründung und organisatorischen Straffung der Deubau ab 1938 sowie der Neugruppierung der Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften 1938/39 unter dem Namen »Neue Heimat« erlebten nicht zuletzt die Baubetriebe und Wohnungsgesellschaften der Arbeitsfront eine ökonomische Wiederauferstehung. Ihre Entwicklung zu einem machtvollen Faktor im Hochbaugewerbe wurde durch den Kriegsbeginn nur vorübergehend unterbrochen. Für die anderen Unternehmen war der Schritt vom Frieden zum Krieg noch weniger zu spüren – und wenn, dann positiv, für die Verlage etwa durch eine unerwartete Bücherkonjunktur. Rasant war vor allem die ›äußere‹ Expansion. Sie begann mit dem »Anschluss« Österreichs und erreichte mit dem Überfall auf Polen sowie dem »Frankreichfeldzug« vorläufige Höhepunkte. Charakterisiert ist diese Phase dadurch, dass die großen und aufgrund des vorhergehenden konjunkturellen Aufschwungs liquiden Unternehmen der DAF in den vom Hitler-Regime okkupierten Regionen eingesessene Firmen aufkauften, Tochtergesellschaften gründeten oder sich durch die Eröffnung von Filialen über die Grenzen des Reiches hinaus ausdehnten. Mit der Errichtung des Volkswagenwerkes, dem Kauf der Stettiner Vulkan-Werft

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sowie weiterer Schiffsbaubetriebe (und den Plänen für ein gleichfalls groß­ dimensioniertes Volkstraktorenwerk) weitete die Arbeitsfront ihre wirtschaft­ lichen Aktivitäten in den Fahrzeugbau hinein aus. (5.) Die Monate zwischen dem Sieg über Frankreich, sowie zuvor der Besetzung Dänemarks, Norwegens, Belgiens und der Niederlande, und dem Überfall auf die Sowjetunion, also zwischen dem späten Frühjahr 1940 und dem Spätherbst 1941, können als Phase siegestrunkener Euphorie und entsprechend beflügelter Unternehmenspolitiken gelten. Sie waren dadurch geprägt, dass zahllose deutsche Zeitgenossen an einen vermeintlich kurz bevorstehenden deutschen »Endsieg« glaubten – und entsprechend handelten. Die Führungsclique der Arbeitsfront und die Vorstände der DAF-Unternehmen machten hier keine Ausnahme. In dieser Zeit schien die Arbeitsfront als politische Organisation zudem noch einmal rapide an Einfluss zu gewinnen. Das hatte auch wirtschaftliche Folgen. Die meisten ihrer Unternehmen setzten sich in der Spitzengruppe der jeweiligen Branchen fest und konnten im Allgemeinen ihre Stellung weiter ausbauen. Alle seit 1933 im Eigentum der DAF befindlichen Konzernteile schmiedeten Pläne und suchten sich für die »Nachkriegszeit« eine möglichst günstige Ausgangsposition zu verschaffen. Zudem fasste die Arbeitsfront ab Anfang 1941 in einem weiteren zentralen Wirtschaftszweig Fuß. Mit dem Deutschen Gemeinschaftswerk baute sie aus den vormaligen Verbrauchergenossenschaften im Einzelhandel ein riesiges Unternehmen auf, nachdem ihr durch Hitler im Herbst 1940 die Konsumvereine samt Deugro als Dachunternehmen zugesprochen worden waren. (6.) In der Zeit zwischen der Jahreswende 1941/42 und dem Frühjahr 1943 entpuppte sich die Hoffnung auf einen raschen deutschen »Endsieg« als Illusion. Gleichwohl blieb die Überzeugung, dass eine Hegemonie NS-Deutschlands in Europa auf Dauer gesichert werden könne. Der Krieg gegen die Sowjetunion veränderte in mehrfacher Hinsicht die Konstellationen auch ökonomisch entscheidend: Der Hitler-Diktatur fielen riesige Gebiete im Osten Europas in die Hände; seit 1942 strömte ein Millionenheer von zwangsrekrutierten »Ostarbeitern« in das »Großdeutsche Reich«. Gleichzeitig wurden angesichts des militärischen Mobilisierungsdrucks viele Unternehmen, schließlich auch Behörden, DAF-Dienststellen usw. geschlossen oder doch wenigstens auf entbehrliche Arbeitskräfte hin »ausgekämmt«. Darüber hinaus gab das Regime bereits vor ›Stalingrad‹ die (so ein überspitztes Bonmot:) »Friedenswirtschaft in Kriegs­ zeiten« auf und richtete die Wirtschaft sowie überhaupt die gesamte deutsche Gesellschaft zunehmend auf den Krieg aus. Die fundamentalen Veränderungen zwischen Mitte 1941 und Mitte 1943 prägten die ökonomischen Aktivitäten in den verschiedenen Zweigen des Arbeitsfront-Konzerns: Die DAF-Unternehmen suchten sich erstens die riesigen neuen Ostgebiete als Märkte zu erschließen oder stellten sich auf längere Sicht auf die Kriegsproduktion um. Zudem eröffne­te die Rekrutierung zahlloser Fremdarbeiter den Unternehmen der Arbeitsfront neue Aufgabenfelder. Insbesondere nach der pauschalen Übertragung der »Fremdarbeiterbetreuung« auf die DAF durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel im Frühjahr 1942 traten eine Reihe weiterer, für

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diesen Zweck konzipierter Unternehmen ins Leben. Darüber hinaus wurden Teile des DAF-Wirtschafts­impe­riums unmittelbarer mit staatlichen Aufgabenfeldern verknüpft. Der Baukonzern der Arbeitsfront beispielsweise wurde zum Unterbau des Verwaltungsapparats des Ende 1940 als »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« bzw. zwei Jahre später als Reichswohnungskommissars implementierten Robert Ley und in dieser Funktion ab 1942/43 mit der Errichtung provisorischer Unterkünfte (Behelfsheime) beauftragt. Unabhängig davon suchte die DAF-Führung die Stillegungs- und Auskämm-Aktionen zu nutzen, um gegenüber alteingesessenen Konkurrenten Vorteile her­ auszuschlagen: Dank politischer Beziehungen blieben die Unternehmen der Arbeitsfront von den Stillegungs- und Auskämm-Aktion bis Ende 1942 weitgehend verschont – und konnten bis dahin auf Kosten ihrer teilweise schon früh in erheblichem Maße von Einberufungen betroffenen privaten Konkurrenten weiter expandieren. (7.) Die letzte Phase von Frühjahr 1943 bis April 1945 markiert die Implosion des DAF-Wirt­schaftsimperiums. Das auch die Zeitgenossen erstaunende Tempo des Aufstiegs der meisten DAF-Unternehmen ab 1938 war letztendlich eine Expansion auf den Schultern der Wehrmacht; sie erwies sich als Scheinblüte. Mit den Niederlagen der Wehrmacht und dem immer rascheren Zurückweichen deutscher Truppen vor den überlegenen Gegnern fiel der DAF-Konzern allmählich in sich zusammen. ›Stalingrad‹, nicht dagegen die Absetzung Mussolinis und die Landung der Alliierten in der Normandie, markierten hier den entscheidenden Einschnitt. Von den militärischen Niederlagen unmittelbar betroffen waren vor allem die Lebensversicherungs-Gesellschaften der DAF; sie standen aufgrund des Todes zahlloser deutscher Soldaten spätestens Ende 1943 vor dem Ruin. Darüber hinaus beeinträchtigten die Luftangriffe, die 1943 an Intensität gewannen, die Geschäftspoli­tik auch der anderen Konzernteile. Zugleich riss die Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur auch den Konzern der DAF auseinander und ließ ihn de facto in seine Einzelteile zerfallen. Selbst in dieser Phase konnte sich das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront allerdings noch neue Tätigkeitsfelder erschließen. Nicht zuletzt das Deutsche Gemeinschaftswerk der DAF und seine bis in die letzten Kriegswochen hinein funktionierende, regional basierte, also dezentral angelegte Verteilerorganisation trugen maßgeblich dazu bei, dass die Versorgung der Reichsdeutschen und damit die »Moral an der Heimatfront« aufrechterhalten werden konnten.

10.2. Strukturelle Spezifika und politische Funktionen Ein zentraler Hebel für Allmachtsansprüche Politisch hatte die Führungsclique um Ley dem Konzern der Arbeitsfront vor allem die Aufgabe zugedacht, die Allmachtsansprüche der DAF, ihr (so Ley und seine Gefolgsleute wörtlich:) »Totalitätsstreben«, ökonomisch zu fundieren  – und zwar auch dort, wo dies durch den Auftrag, die »Volks- und Leis-

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tungsgemeinschaft aller schaffenden Deutschen« herzustellen, den Hitler der Arbeitsfront am 24. Oktober 1934 erteilt hatte, nicht gedeckt war. Konnte die DAF-Leitung hier mindestens zeitweilig Erfolge verbuchen? Tatsächlich verliehen die verschiedenen Zweige des Konzerns auf zahlreichen zentralen gesellschaftlichen Feldern politischen Geltungsansprüchen der Arbeitsfront zusätzliches Gewicht, ohne dass die Führung um Ley dabei ausdrücklich auf ihre Unternehmen verweisen musste. Ein Beispiel sind die Wohnungsbauunternehmen der Arbeitsfront. Sie hatten im Frühjahr 1939 mit ihrer Formierung als Neue Heimat an Schlagkraft gewonnen. De facto wurden sie zu einem gewichtigen Argument, dem Reichsarbeitsministerium zentrale wohnungs­baupolitische Kompetenzen zu nehmen und Ley Ende 1940 reichsweit mit dem »Sozialen Wohnungsbau« zu betrauen sowie ihn zwei Jahre später zum Reichswohnungskommissar zu machen. Ähnliches gilt für die bekannten Sozialpläne der DAF. Sie ließen sich politisch-ar­gu­men­tativ zwar grundsätzlich mit der Hitler-Verordnung vom 24. Oktober 1934 und, ab Herbst 1939, mit ihrer Aufgabe, die »Heimatfront« stabil zu halten, begründen. Dass die Arbeitsfront da­ne­ben in wichtigen Teilbereichen des privaten Versicherungswesens mit dem Deutschen Ring und der Volksfürsorge ein kräftiges Standbein entwickelt hatte, dürfte Ende 1940 die Beauftragung Leys durch Hitler zusätzlich befördert haben, ein groß angelegtes »Sozialwerk« für die angeblich kurz bevorstehende ›Nachkriegszeit‹ zu entwerfen, das neben dem Wohnungsbau u. a. auch die Altersversorgung und das Gesundheitswesen umfasste und (wenn es realisiert worden wäre) das gesamte deutsche Versicherungswesen grundlegend umgewälzt hätte.10 In vergleichbarer Weise erlaubten auch andere Unternehmen der DAF, politisch-soziale Führungsansprüche zu artikulieren. So machte das symbolträchtige Volkswagenwerk die Arbeitsfront zum Angelpunkt der von Hitler propagierten, rassistisch segregierten Massenkonsumgesellschaft. Ähnliches gilt für das von Ley bei Waldbröl geplante »Volkstraktorenwerk«. Wenn dort ein preiswerter, auch für kleine Landwirte erschwinglicher »Volkstraktor« in den geplanten riesigen Stückzahlen vom Band gelaufen wäre, hätte die von der DAF angestrebte politische Hegemonie im Bereich der Agrarwirtschaft erheblich größere Chancen auf Durchsetzung besessen.11 Pläne, unter dem autarkistischen Motto »Kampf dem Verderb« ein gleichfalls großdimensioniertes Werk für »Volkskühlschränke« in der Nähe von Wien zu errichten, zielten ebenfalls auf politischen Landgewinn nicht zuletzt im Agrarsektor; sie waren zudem gegen das Reichswirtschaftsministerium gerichtet, das sich unter Schacht für einen preiswerten »Volkskühlschrank« erwärmt hatte. Mit der Supermarktkette, die die DAF ab 1940/41 gegen den Willen des Reichswirtschaftsministeriums unter dem Namen 10 Zu den DAF-Sozialplänen grundsätzlich: Recker, Sozialpolitik. 11 Zu den Konflikten zwischen Ley und dem Reichsnährstand bzw. dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Walter Darré vgl. Daniela Münkel, Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, Frankfurt a. M./New York 1996, S. 161-167; ferner Smelser, Hitlers Mann, S. 159, 161, 255.

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»Deutsches Gemeinschaftswerk« aus den vormaligen Konsumgenossenschaften formte, suchte sich die Führung der Arbeitsfront für die Kriegswirtschaft und die zentrale Grundversorgung des deutschen Volkes an der Heimatfront wie für die Wehrmachtsbelieferung mit Nahrungsmitteln unverzichtbar zu machen. Mit der Zentrale der Frontbuchhandlungen schließlich, die eng mit dem Zentralverlag der DAF verbandelt war und de facto ein weitgehendes Vertriebs­monopol in einem zentralen Segment des deutschen Buchhandels errichtet hatte, zeigte sich die Arbeitsfront als kulturpolitisches Schwergewicht. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Die Funktionalisierung der DAF-Unternehmen zum Zweck, politische Duftmarken zu setzen und Führungsansprüche auf neuen Feldern zu markieren, war ein wichtiger Aspekt der Unternehmenspolitik der ArbeitsfrontFührung, indes keineswegs der einzige. Darüber hinaus nutzte die Leitung der Arbeitsfront ihren Konzern immer auch für eine mit unterschiedlichsten Anreizen und Lockmitteln unterfütterte ›Erziehung‹ auf die vom Regime vorgegebenen Ziele und Prinzipien. Der im Rahmen dieser Untersuchung eingeführte Terminus ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹ markiert diese Funktion des DAF-Konzerns. Entgenossenschaftlichung und Entsozialisierung Um in diesem Sinne tätig werden zu können, mussten die Unternehmen und Genossenschaften im Umfeld vor allem der sozialdemokratisch geprägten Gewerkschaften in ihrem Innern von Grund­ auf umgestaltet werden. Mit einer je nach Betriebstyp mal rabiaten, mal (etwa mit Blick auf den Vertrauensleutekorpus der Volksfürsorge) durchaus sanften Entlassungspolitik wurden die vormals »marxistischen«, d. h. sozialdemokratischen Unternehmen frühzeitig gleich­geschaltet. Als ›unverbesserlich‹ geltende Linke wurden entlassen, zugleich zwecks Spaltung und Überwachung der verbliebenen Belegschaften sowie als Garanten ideologischer Konformität zahlreiche »Alte Kämpfer« aus der NSBewegung eingestellt. Nachhaltiger als der personelle wirkte allerdings der strukturelle Umbau der ehemals gewerkschaftlichen Unternehmen, insbesondere die ›Entgenossenschaftlichung‹ der Konsum-, Bau- und Wohnungsgenossenschaften. Der ­Prozess der Entgenossenschaftlichung und Entdemokratisierung aller gewerkschaft­ lichen und gewerkschaftsnahen Unternehmungen begann unmittelbar mit der Gründung der DAF und der Überschreibung dieser Unternehmen auf die neue NS-Massenor­ganisation. Die Umwandlung der zwischen 1935 und 1940 vom Reichswirtschaftsministerium kontrollierten, teilprivatisierten Verbraucher­ genossenschaften in das Deutsche Gemeinschaftswerk ab Anfang 1941 setzte den Schlussstein unter diese Entwicklung. Den Prozess der Entgenossenschaftlichung der Genossenschaften fassten Zeitgenossen, die zentrale Funktionen innerhalb des NS-Herrschaftssystems einnahmen, terminologisch offenbar bewusst mit dem vielleicht sogar präzise-

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ren Begriff der »Entsozialisierung«.12 Zugleich findet sich in fast allen Quellen, in denen sich NS-Funktionsträger mit dem künftigen Schicksal der Genossenschaften  – ihrer Auflösung oder ihrem grundsätzlichen Umbau  – befassten, Formeln wie »kollektivistische Tendenzen beseitigen« oder »marxistische Einflüsse tilgen«. Beide Formeln sind, mit Blick auf die Mentalitäten und ebenso die ­konkreten Zielsetzungen führender Nationalsozialisten sowie maßgeblicher Ministerialbeamter, zusammenzudenken: Mit der Entgenos­sen­schaftlichung der Genossenschaften wollten sie eine »Sozialisierung von unten« unmöglich machen. Als »Sozialisierung von unten« hatten links-sozialdemokratische Repräsentanten etwa der Bau- und Wohnungsgenossenschaftsbewegung ihre konkreten Aktivitäten verstanden und motiviert. Sie wollten neben gesunden und geräumigen Wohnungen zu mäßigen Mietpreisen eine Überwindung des privatkapitalistischen Eigentums an Wohngebäuden, die Exponenten der Konsumvereine wiederum eine Aufhebung des Profitstrebens im Lebensmittelhandel usw. Langfristig wollte die sozialistische Genossenschaftsbewegung eine Vergesellschaftung der Produktion in für die Lebensverhältnisse der Arbeitnehmer zentralen Branchen durch eine Politik der kleinen Schrit­te; dabei setzte sie auf einen friedlichen Wettbewerb mit privaten Anbietern von Mietwohnungen oder dem privatkapitalistischen Einzel- und Großhandel. Der Erfolg schien ihnen bis 1929/30 recht zu geben – und zum Teil noch darüber hinaus, da die Genossenschaften zumeist stabiler durch die Krise kamen als ihre privaten Konkurrenten. Erst die Machtübergabe an die Hitler-Bewegung, deren terroristisches Handeln und die anschließende herrschaftsnahe Privatisierung durch die DAF machte den Genossenschaften den Garaus. In der Absicht einer Entgenossenschaftlichung der ehemals freigewerkschaftlichen bzw. sozialistischen Genossenschaften kam es ab Mai 1933 zu einer unheiligen Allianz zwischen konservativer und altliberaler Ministerialbürokratie sowie der Hitler-Bewegung. Die Motive, aus denen sich dieses Bündnis speiste, waren vielschichtig. Dem ideologisch grundierten Ziel, Genossenschaften und Betriebe der Arbeiterbewegung zu »entsozialisieren«, korrespondierte eine antiemanzipato­rische Grundhaltung, die gleichfalls alle Partner dieses Bündnisses teilten. Ihnen war nicht allein der sozialistische »Kollektivismus« zuwider, den die Wohn-, Bau-, Konsumgenossenschaften usw. in ihren Augen verkörperten. Noch tiefer ging die Aversion gegen die Genossenschaften als basisnahe Schulen der Demokratie, die alle zu Akteuren machte, Mitarbeiter wie Mieter und Konsumenten. Diese Schulen der Demokratie – zugleich materieller Ausdruck der Werte der sozialistischen Arbeiterbewegung (Solidarität, Selbsthilfe usw.) – galt es auszuschalten; sie waren mit dem Führerstaat unvereinbar. In diesen Zielen waren sich Heß, Ley, Rosenberg oder Göring und die Strömungen innerhalb des 12 Vgl. Lösungsvorschlag »betr.: Verbrauchergenossenschaften«, o.D. (Febr. 1935; Entwurf ), Anlage zu: Vertrauliches Rundschreiben des RWM an den RFM, den Reichswehrminister, den RAM, RIM, den Stellvertreter des Führers und den Beauftragten für Wirtschaftsfragen vom 14. Febr. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 110-121, hier: Bl. 120 (bzw. Endfassung vom 28. Febr. 1935, in: ebd., Bl. 124-129 und 228-233).

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breiten Feldes der NS-Bewegung nach 1933, die sie repräsentierten, auf der einen und Hugenberg, Schmitt, Schacht, Schwerin-Krosigk und alle Ministerial­ beamten, die an den Diskussionen über das Schicksal der Genossenschaften beteiligt waren, die Länderministerien sowie die Reichswirtschaftskammer, die Reichs- und Fachgruppen des Handels und der Industrie, die IHKs usw. in ihrer Rolle als Lobbyistenorganisationen der privaten Unternehmerschaft völlig einig. Hinzu kamen mittelstandsfreundliche Positionen, die innerhalb der NSBewe­gung wie der Ministerialdemokratie eine starke Sympathie für eine Marktwirtschaft kleiner kapitalistischer Selbständiger verraten und mit einer sozial­ paternalistischen Einhegung, wie sie die DAF im politischen Arsenal hatte, nicht konfligierten. Dass die in den Genossenschaften verkörperte Basisdemokratie schon vor 1933 teilweise Risse zeigte, seitens der gewerkschaftlichen Macher teilweise zugunsten großer, durchrationalisierter Unternehmenseinheiten zunehmend aufgegeben wurde, spielte in der subjektiven Perspektive der Ministerialbeamten wie der Protagonisten der Hitler-Bewegung keine Rolle. Sie wollten das emanzipatorische Prinzip »Genossenschaft« ausmerzen – und dies gelang ihnen auch nachhaltig. Differenzen entstanden lediglich in der Frage, wie schnell dieser Prozess abgeschlossen werden sollte. Unter dem Strich setzten sich die pragmatischen Akteure durch, die eine schrittweise Entgenossenschaftlichung der Genossenschaften wollten und die unabsehbaren Folgen fürchteten, die eine rasche Zerschlagung der Genossenschaften mit sich gebracht hätte. An einer massiven Erhöhung der Erwerbslosigkeit und einer Verschärfung der Finanzkrise konnte weder dem Reichswirtschafts- und Reichsfinanzministerium noch den übrigen Spitzen des NS-Regimes gelegen sein. Die verantwortlichen Wirtschaftspolitiker, z. B. der Reichskommissar für die Preisbildung, führten weitere Argumente ins Feld, etwa die preisdämpfende Rolle, die die Konsumgenossenschaften spielten und in der Phase der Nahrungsmittelknappheit 1934/35 erneut unter Beweis stellten. Nachhaltig war schließlich ein Argument des Reichswehrministeriums: der hohe Stellenwert namentlich der ehemaligen Konsumgenossenschaften mitsamt angeschlossenen Lebensmittelbetrieben für den seit 1933 ins Auge gefassten »Mobilisierungsfall«, insbesondere ihre zentrale Funk­tion sowohl als Produktionsstätten wie als Verteilerorganisation von Nahrungsmitteln im Kriegsfall. Einer privatkapitalistischen Zurichtung des ehemals konsumgenossenschaft­ lichen Komplexes stand dieses Argument freilich nicht im Wege. Vorangetrieben wurde die Entgenossenschaftlichung der Genossenschaften und deren privatkapitalistische Zurichtung entscheidend durch die DAF. Bei den Bauund Wohnungsgenossenschaften geschah dies frühzeitig. Wichtige Schritte waren die Aufhebung der Bauhütten durch die Gründung der Deubau 1936 und die der Wohnungsgenossenschaften durch die Gründung der Neue Heimat-Gesellschaften. Abgeschlossen wurde dieser Prozess durch die förmliche Überführung der Verbrauchergenossenschaften in das Deutsche Gemeinschaftswerk ab 1941. Wenn die Arbeitsfront dennoch von Heß, dem Reichswirtschaftsminister und anderen immer wieder angegriffen wurde, dann stand vor allem dreierlei dahinter:

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Erstens die Angst des Kleinunternehmers vor dem Großkonzern. Kleine Unternehmen, aber auch große Konkurrenten fürchteten schlicht die Markt­ dominanz eines aggressiven Konzerns, dessen über zahlreiche Branchen verstreute Großunternehmen entweder weit überdurchschnittlich expandierten oder aber aufgrund der Finanzkraft der Arbeitsfront als Massenorganisation über scheinbar unerschöpfliche ökonomische Potentiale verfügten. Im Vorwurf der »Sozialisierung« artikulierten sich in dieser Perspektive Ängste vor einer »Monopolisierung« bzw. Oligopolbildung unter maßgeblicher Beteiligung der jewei­ ligen DAF-Unternehmen. Als politische Organisation huldigte die Arbeitsfront zweitens einem ausgeprägten »Verbandsimperialismus«. Allein aufgrund ihrer Mitgliederstärke und dem aggressiven, oft ungehobelten Auftreten führender Funktionäre wirkte sie einschüchternd. Als »charismatischer Verwaltungsstab« handelten die DAF und ihre Protagonisten zudem sprunghaft. Sie waren aus der Sicht der hohen Ministerialbeamten in den Reichs- und Länderministerien, aber auch der Akteure in den Wirtschaftsorganisationen  – meist Unternehmern oder Juristen, die rational-bürokratisches Handeln gewohnt waren  – unkalkulierbar. Da die Arbeitsfront gegenüber dem Reichsarbeitsministerium und anderen Rivalen ihre Befugnisse teilweise erheblich ausweiten konnte, waren im Kampf gegen die DAF alle Mittel recht – auch der demagogische, aufgrund seiner terminologischen Unschärfe leicht instrumentalisierbare Begriff der »Sozialisierung«. Drittens schließlich oblag der DAF die paternalistische Betreuung der – deutschen – Arbeitnehmer. Diese sozialpopulistische Rolle spielten Ley und andere Spitzenfunktionäre der Arbeitsfront bis ans Ende der Diktatur. Dass der DAF jegliche gewerkschaftliche Eigenschaften abgingen und die populistischen Anbiederungen ihrer Führung ein für die Diktatur unverzichtbares politisch-psychologisches Ventil bildeten, war den Rivalen der Arbeitsfront selbstverständlich bewusst. Rhetorisch jedoch ließ sich mit dem Schlagwort »Sozialisierungsbestrebungen« – das Assoziationen an die den Nationalsozialisten wie Deutschnationalen verhassten »Novemberverbrecher« (und die Sozialisierungsbewegung 1919) wachrief – vorzüglich Politik gegen die DAF betreiben. Es wurde im Rahmen der Machtkämpfe zu einem demagogischen Argument der Rivalen der Arbeitsfront im Kampf gegen deren Bestrebungen, politisch zu einem »Staat im Staate« zu werden. Tatsächlich war es gerade die Arbeitsfront, die den genossenschaftlichen Traditionen der Arbeiterbewegung ein, wie die Geschichte nach 1945 zeigen sollte, nachhaltiges Ende bereitete. Für eine wie auch immer geartete ›Sozialisierung‹ oder ›Vergesellschaftung‹ bot das Unternehmenskonglomerat im Besitz der Arbeitsfront nach der mit brachialer Gewalt durchgesetzten Neuformierung des Konzerns, der die Genossenschaftsmitglieder wehrlos ausgeliefert waren, keinen Ansatzpunkt mehr. Gepaart war die herrschaftsnahe Privatisierung des gewerkschaftlichen Konzerns durch die DAF mit einem apodiktischen Bekenntnis zur »freien Wirtschaft«. Kaum jemand brachte dies so unmissverständlich und gleichzeitig mit dem ihm eigenen Pathos auf den Punkt wie Robert Ley:

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»Die Frage, ob der Nationalsozialismus das Privateigentum in Zukunft bejahe oder die konsequent durchgeführte Verstaatlichung der Wirtschaft vorziehe, ist so oft vom Führer selbst und der gesamten Partei klargelegt worden, dass es an sich nicht notwendig scheinen sollte, darüber noch weitere Worte zu verlieren. Es ist selbstverständlich, dass der Nationalsozialismus das Privateigentum zu einem unumstösslichen Grundsatz eines weltanschaulichen Programms erhebt.«13 Ein Instrument indirekter politischer Lenkung Auch das aggressive Expansionsstreben der DAF-Unternehmen stand nicht im Widerspruch zu den wirtschaftsliberalen Grundüberzeugungen. Aus der Sicht der Protagonisten der Arbeitsfront beförderte es vielmehr eine konkurrenz­ basierte Marktwirtschaft – die sich ihrerseits mit den sozialdarwinistischen Prinzipien des Nationalsozialismus auf das Beste vertrug. Ley sprach auch dies mit dem für ihn typischen Sendungsbewusstsein aus. »Ueberall dort«, so erklärte er in einem Artikel der »Deutschen Volkswirtschaft« Anfang Oktober 1941, »wo zur Durch­setzung bestimmter sozialpolitischer Ziele der Partei die Deutsche Arbeitsfront wirtschaftliche Aufgaben sieht und die freie Wirtschaft von sich aus die Aufgaben nicht erfüllen kann oder gar will, sind diese schlagkräftigen Instrumen­te zu Hand«. »Nicht um dem Privatunternehmertum Abbruch zu tun«, habe er den Konzern aufgebaut. Er wolle umgekehrt Privatinitiative auch auf den Gebieten stimulieren, auf denen sich die Unternehmen bisher zurückgehalten hatten. Der Konzern wolle »mit der der Deutschen Arbeitsfront eigenen Dynamik die private Wirtschaft zu Leistungen anspornen, wie sie eine nationalsozialistische Wirtschaft zum Segen und Wohlergehen aller schaffenden Deutschen fordert«.14 Entsprechend dieser Maxime hätten die DAF-Unterneh­men, so Ley, »überall da, wo es sich als notwendig erwies, Pionierdienste geleistet«.15 Tatsächlich fungierte der Konzern der Arbeitsfront ähnlich wie andere ›parteinahe‹ Unternehmen als Instrument indirekter wirtschaftspolitischer Lenkung durch den Staat. Er wurde nicht zuletzt dort tätig, wo das NS-Regime aufgrund politischer Zielsetzungen verstärkte unternehmerische Aktivitäten wünschte, damit bei den Akteuren der etablierten Unternehmen zunächst jedoch auf – betriebswirtschaftlich begründete – Bedenken stieß. Das bekannteste Beispiel ist die riskante Kreditvergabe an die »Gezuvor«, die »Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens mbH«, zu der Ley die Bank der Deutschen Arbeit und ebenso die DAF-Versiche­rungs­gruppe aus dem Deutschen Ring und der Volksfürsorge veranlasste, nachdem die etablierte Autoindustrie vor dem Wag13 Ley in einem Brief an Walther Funk vom 24. Mai 1941, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337 bzw. R 8120, Nr. 736, Bl. 52-59. Zum Hintergrund vgl. unten. 14 Ley, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF, S. 1094 f. Aufgrund seines programmatischen Charakters fand dieser Artikel in der überregionalen Tagespresse breite Resonanz, vgl. z. B. Berliner Börsen-Zeitung vom 4. Okt. 1941. 15 Ley, Wirtschaftliche Unternehmungen, S. 1095.

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nis eines preiswerten KdF-Wagen zurückgescheut war, der »Führer« jedoch unbedingt einen Volkswagen unter 1.000 RM wollte. Ähnliche Motive standen bei der Gründung der Reichswerke Hermann Göring in Salzgitter Pate; diese wurden bekanntlich aus autarkiepolitischen Motiven heraus gegründet, nachdem sich die private Eisen- und Stahlindustrie gleichfalls aus ökonomischen Gründen geweigert hatte, eisenarmes Erz zu verhütten. Es charakterisiert diese Politik, dass nicht etwa bestehende Unternehmen verstaatlicht wurden, sondern neben ihnen neue Betriebe errichtet wurden. Parteikreise um Hermann Göring oder eben die DAF preschten dann vor, wenn die etablierte Industrie angesichts zu hoher bzw. unabsehbarer Kosten und geringer oder fehlender Renditeerwartungen sich einem aus politischen Gründen gewünschten ökonomischem Engagement verweigerten. Sie setzten damit die bestehenden Konzerne unter Zugzwang. Da jenen aufgrund einer risikofreudigen Geschäftspolitik (in unserem Fall:) von DAF-Unternehmen, etwa der Arbeitsbank, Marktanteile zu entgehen drohten,16 zeigten etablierte Geldhäuser ihrerseits schon bald ebenfalls Bereitschaft, Risiken auf sich zu nehmen, die sie ›normalerweise‹ nicht eingegangen wären. Es entwickelte sich ein Sog, ein offener Konkurrenzkampf um die Gunst ökonomisch wie politisch einflussreicher Kunden. Dass die DAF-Un­ter­nehmen dabei als Sieger hervorgingen, war keineswegs ausgemacht. So hatte die Arbeitsbank im Ringen mit anderen Großbanken etwa um die Gunst der SS gegenüber der Dresdner Bank schließlich das Nachsehen, weil sie bestimmte Risiken einzugehen nicht bereit war. Im Versicherungs­bereich war ähnliches zu beobachten; so zog der Deutsche Ring im Bieterwettstreit um eine SS-»Gefolgschaftsver­si­cherung« gegenüber der Allianz den Kürzeren.17 Man kann dieses eigenartige, NS-typische oder während der Hitler-Diktatur mindestens besonders stark ausgeprägte Phänomen folgendermaßen verallgemeinern: Die polykratischen Strukturen der NS-Herrschaft in der politischen Sphäre verhinderten Bestrebungen zur wirtschaftlichen Monopolisierung. Sie wurden zu einem Garanten der ökonomischen Konkurrenz. Ein anderer Grund für die besonders aggressive Expansion des DAF-Konzerns bis weit in den Krieg hinein waren die vom ›Üblichen‹ abweichenden unternehmenspolitischen Prämissen. Während Eigentümer und Manager etablierter privatwirtschaftlicher Unternehmen im Allgemeinen darauf setzten, dass über lang oder kurz (und unabhängig vom Ausgang des Krieges) der Weltmarkt und die ›klassischen‹ Marktmechanismen wiederhergestellt würden, und ihr Handeln daran ausrichteten, gingen DAF-Führung und DAF-Unternehmensmanager von etwas anderen Prämissen aus. Für sie war der erhoffte militärische »Endsieg« der NS-Diktatur gleichbedeutend mit einer mit politisch-mili­tä­rischen Mitteln durchgesetzten ökonomischen Hegemonie NS-Deutsch­lands, an der die 16 Dass sich die etablierten Geschäftsbanken durch die »rasante Expansion« der Arbeitsbank bedroht glaubten, wird z. B. von Bähr (Dresdner Bank, S. 15, 189, 594) und Harald Wixforth (Expansion der Dresdner Bank, S. 542, 630) betont. 17 Vgl. Kapitel 4, S. 128 f., Kapitel 5, S. 246.

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selbstverständnis, struktur und praxis DAF und ihr Konzern maßgeblich zu partizipieren hofften. Die Führung der Arbeitsfront dachte stärker als die meisten ›normalen‹ Unternehmenslenker in politisch-militärisch abgesicherten imperialistischen Blöcken – und weniger in idealtypischen Marktkategorien. Dennoch ist dieser Gegensatz zwischen ›normalen‹ Unternehmern und Managern sowie den der Arbeitsfront verpflichteten Betriebsführern nicht so scharf gewesen, wie man retrospektiv glauben möchte. Denn das Denken und Handeln in Machtblöcken war seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert allgemein verbreitet; während des Ersten Weltkrieges erlebte es einen Höhepunkt.18 In der Weimarer Republik wurde diese Grundhaltung von den deutschen Wirtschaftseliten zwar nicht mehr so lautstark wie bis 1918 artikuliert, sie blieb jedoch virulent. Spätestens ab 1938 wurde das Denken in imperialistischen Machtblöcken erneut zu einem Bestandteil unternehmerischer Visionen. Es wich erst seit den fünf­ ziger Jahren einem ›modernen‹ unternehmenspolitischen Denken und Handeln, das auf eine Globalisierung (auch) der Kapitalströme ohne Kriege zwischen den hochindustrialisierten Staaten setzte. Wie sehr das Denken in imperialistischen Blöcken das Handeln des DAFKonzerns beherrschte, zeigte sich in der Zeit zwischen Sommer 1940 und Herbst 1942. In diesen Jahren expandierte das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront besonders stark; man nahm bei Firmenübernahmen etwa im Südosten Europas auch unkalkulierbare Risiken und absehbare Verluste in Kauf. Denn in der subjektiven Perspektive der Akteure ging es darum, angesichts des vermeintlich bevorstehenden nationalsozialistischen »Endsieges« Pflöcke zu setzen und sich für die »Nachkriegs«-Konstellationen in einem NS-beherrschten Europa möglichst günstige Ausgangspositionen zu verschaffen. Retrospektive Kritiken, die den Leitungen der Unternehmen der DAF betriebswirtschaftliche Naivität und ›falsches Handeln‹ angesichts eines (angeblich) absehbaren »finanziellen Fiaskos« sowie »riesigen Verlustgeschäfts« attestieren,19 werden diesen Erwartungen der Akteure nicht gerecht. Der bis 1942 anhaltende wirtschaftliche Erfolg des DAF-Konzerns schien den maßgeblichen Akteuren auf Seiten der Arbeitsfront im Übrigen Recht zu geben. Selbstzufrieden resümierte Ley seinen Artikel vom Oktober 1941: »Eines kann nach Abschluss einer relativ großen Zeitperiode festgestellt werden: Keine dieser aktivierten oder neu ins Leben gerufenen Gesellschaften hat bisher versagt oder ist gegenüber gleichgearteten Unternehmungen der privaten Wirtschaft zurückgeblieben.« 18 Symptomatisch für ein Denken auch ›normaler‹ Unternehmen in den Kategorien imperialistischer Blöcke ist beispielsweise die auch und gerade von zahlreichen Unternehmern unterzeichnete Eingabe noch vom Frühjahr 1918 für einen »Siegfrieden«, der die Annektion von Longwy-Briey und die »Sicherung« Belgiens für die deutschen ökonomischen Interessen vorsah. Vgl. Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 1967, bes. S. 544; ferner ebd., S. 218 ff., 497 f. 19 Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 31.

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Enthusiastische Huldigungen der freien Marktwirtschaft – nur Lippenbekenntnisse? Mit diesen Worten untertrieb Ley in einer seltenen Anwandlung von Bescheidenheit noch. Fast alle DAF-Unternehmen hatten nicht nur »nicht versagt«, sie waren nicht nur »gegenüber gleichgearteten Unternehmungen der privaten Wirtschaft nicht zurückgeblieben«. Sie hatten darüber hinaus die Konkurrenz oft genug das Fürchten gelehrt und waren in die »Spitzengruppe aller gleichartigen Wirtschaftsunternehmungen«20 vorgestoßen. Vor allem das Tempo, mit dem die DAF-Un­ternehmen sich in einzelnen Branchen zu teilweise markt­ beherrschenden Unternehmen gemausert hatten, wirkte einschüchternd. Die Furcht davor, dass die Arbeitsfront in einzelnen Branchen eine monopolistische Stellung erhalten könne, zeigte sich früh. So warnte der Leiter der Reichsgruppe Versicherungen Eduard Hilgard Anfang Dezember 1936 vor der Hauptversammlung des Reichsverbandes der deut­schen Privatversicherung vor dem »mächtigen Block«, den die Versicherungsunternehmen der Arbeitsfront gebildet hätten. Dieser habe, »wie Sie alle wissen, einen außerordentlichen Betätigungsdrang«.21 Ähnliche Befürchtungen dürften zeitweilig im Verlagswesen laut geworden sein, wo sich die Arbeitsfront mit der Hanseatischen Verlagsanstalt, dem Langen-Müller-Verlag, dem Zentralverlag der DAF und weiteren Unternehmen ebenfalls zu einer zentralen Stellung auf dem belletristischen wie wissenschaftlichen Buchmarkt aufschwang. Die Gründung des Volkswagenwerkes schürte vereinzelt vergleichbare Ängste,22 da die geplante Massenproduktion von Billigfahrzeugen den Automarkt umzuwälzen drohte. Besonders ausgeprägt waren die Befürchtungen, zwangsmonopolisiert zu werden, im Baugewerbe. Zwar versicherte Heinrich Simon, der nach der Ernennung Leys zum »Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau« zu dessen Stellvertreter für diesen Bereich ernannt worden war, Anfang Januar 1941, dass der in den Jahren zuvor gestraffte und trotz Kriegsbeginns expandierende DAF-Wohnungs­bau­kon­zern keineswegs zum alleinigen »Träger des kommenden deutschen Wohnungsbaues« werden solle. Angesichts des aggressiven Expansionismus der Baugesellschaften der Arbeitsfront und ihrer engen Verflechtung mit dem neuen Reichskommissar wollten viele ihm jedoch nicht Glauben schenken.23 Die historische Forschung ist ihnen dabei zum Teil gefolgt. So hat KarlChristian Führer von einem »antikapitalistischen Furor«, der die Arbeitsfront getrieben habe, und vom »DAF-Plan eines vollständig sozialisierten Miet­woh­ nungs­baus« gesprochen.24 Tatsächlich wirken manche Verbalattacken von DAF-Funk­tionären antikapitalistisch. Zu berücksichtigen ist hier allerdings 20 Zitate: Ley, Wirtschaftliche Unternehmungen, S. 1094 f. 21 Vgl. Kapitel 4, S. 194. 22 Vgl. den Hinweis von Mommsen/Grieger (Volkswagenwerk, S. 397) auf Ulrich v. Hassell und dessen Wort von der »zielbewusst ›sozialisierenden‹ Macht« der DAF. 23 Vgl. Kapitel 6, S. 542 24 Zitate: Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat, S. 242, 246.

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die demagogische Qualität der einschlägigen Phrasen, vor allem deren gezielte Adressierung an eine Arbeiterschaft, die weiterhin in Klassenkategorien dachte und für die ›Sozialismus‹ ein positiver Bezugspunkt blieb.25 Vor allem aber lag der Führung der Arbeitsfront nichts ferner als die Einführung einer staatlichzentralis­ti­schen Planwirtschaft.26 Dies lässt sich besonders gut an einer Kontroverse zwischen dem Reichswirtschaftsministerium und der Arbeitsfront wenige Wochen vor dem Überfall auf die Sowjetunion nachzeichnen. Am 23. Mai 1941 berief Reichswirtschaftsminister Walther Funk eine Wirtschaftstagung ein, zu der neben Vertretern der einschlägigen Wirtschaftsorganisationen auch Marrenbach als enger Vertrauter Leys geladen worden war. Während dieser Tagung äußerte der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Friedrich Landfried die Ansicht, dass die Expansion der DAF-Unternehmen »eine fortschreitende Sozialisierung der Wirtschaft darstellen« würde. Es müsse endlich »klargestellt werden, ob man in Zukunft das Privateigentum oder die versozialisierte Wirtschaftsform bejahen solle«.27 Hintergrund der Äußerung Landfrieds war die wenige Monate zuvor begonnene Überführung der verbliebenen vormaligen Konsumgenossenschaften in das Deutsche Gemeinschaftswerk. Die durch den »Führer« höchstpersönlich sanktionierte Übereignung der Konsumgenossenschaften auf die Arbeitsfront hatte in der Ministerialbürokratie und ebenso im Mittelstand ältere Sozialisierungsängste erneut virulent werden lassen. 25 Die genauere Lektüre der einschlägigen Artikel und Aufsätze der DAF-Propaganda zeigt, dass eine antikapitalistische bzw. (pseudo-)sozia­listische Phraseologie besonders in der Anfangsphase der Systemetablierung und ebenso nach der militärisch-politischen Wende von ›Stalingrad‹ gepflegt wurde; offenbar glaubte man, mit einem der­ artigen Tonfall eine in den Anfangsjahren der Hitler-Diktatur dem Nationalsozialismus distanziert gegenüberstehende bzw. ›nach Stalingrad‹ erneut am NS-Regime und dem Diktator zweifelnde Arbeiterschaft besser an sich binden zu können. Mit Artikeln Leys unter Überschriften wie »Sozial oder sozialistisch?« oder »›Sozialistisch‹ – nicht ›sozial‹!«, die Ley in der DAF-Tageszeitung Der Angriff veröffentlichen ließ (hier: am 16. Mai 1943 bzw. 27. Febr. 1944), und Polemiken gegen »die Juden und die Lords« (Angriff vom 23. Mai 1943) wollte der Chef der Arbeitsfront, wie er selbst wiederholt betonte, in der Arbeiterschaft »fanatischen SA-Geist« mobilisieren, um den Niedergang des NS-Regimes doch noch abzuwenden. 26 Vgl. außerdem Kapitel 1, S. 48 f.. 27 Landfrieds Äußerungen nach dem Schreiben Leys an Funk vom 24. Mai 1941, wiedergegeben nach (nicht überlieferten) Notizen Marrenbachs. In: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 337 bzw. R 8120, Nr. 736, Bl. 52-59, hier: Bl. 52. Vermutlich haben Marrenbach und weitere DAF-Mitarbeiter diesen Brief vorformuliert. Ähnlich scharf wie Landfried wandte sich auch der Leiter der RGI Wilhelm Zangen gegen die Expansionsbestrebungen des DAF-Wirtschaftsimperiums. Vgl. Fleischhauer, NS-Gau Thüringen, S. 191 f. Landfried (1884-1947) kam ursprünglich aus dem preuß. Handelsministerium und war seit 1923 im preuß. Finanzministerium, seit 1933 als Staatssekretär; im März 1939 wurde er (gleichzeitig) auch zum Staatssekretär im RWM berufen. Außerdem gehörte Landfried dem »Generalrat des Vierjahresplanes« an. Er war Aufsichtsratsvorsitzender der Hibernia, der Preußischen Bergwerks- und Hütten AG, der Saargruben AG und der VEBA, von 1939 bis 1942 zudem stellv. Aufsichtsratsvorsitzender der Reichswerke Hermann Göring. Im Nov. 1943 wurde er als Staatssekretär im RFM und RWM abgelöst.

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Ley, der durch Marrenbach umgehend von den Äußerungen Landfrieds vor einem relativ hochkarätigen Publikum informiert worden war, war aus einer Reihe von Gründen höchst alarmiert. Vor allem vermutete er, dass Landfried einflussreiche NS-Funktionsträger gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen ökonomischen Ambitionen der Arbeitsfront mobilisieren und zur Einhegung des DAF-Konzerns mit politischen Mitteln veranlassen wollte. Alarmiert reagierte Ley auf die Äußerungen Landfrieds außerdem, weil dieser mit seinen Sozialisierungs-Vor­wür­f en Leys Absichten konterkarierte, sich und seine Organisation für neue Machtkämpfe nach dem scheinbar unmittelbar bevor­stehenden nationalsozialistischen »Endsieg« unter den »charismatischen Jüngern« Hitlers zu rüsten. Um politisch eine zentrale Rolle spielen zu können, brauchte der Führer der Arbeitsfront einen prosperierenden Konzern als ökonomischen Unterbau. Unabhängig davon fühlte er sich von Landfried und anderen, die ähnliche Vorwürfe erhoben, auch ehrlich missverstanden. Die im Vorwurf, er wolle eine »versozialisierte Wirtschaftsform« (Landfried), mitschwingende Unterstellung, er sei ein ›Marxist‹ oder gar ›Bolschewist‹, empörte Ley ernsthaft. Wie sehr er getroffen und zugleich verärgert war, zeigt das lange Schreiben, dass der Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Chef der Arbeitsfront noch am 24. Mai 1941 an Reichs­wirt­schafts­minister Walther Funk als den unmittelbaren Vorgesetzten Landfrieds abgehen ließ.28 Da dieser Brief genauere ­Einblicke in Leys politisches Credo bietet, sei er hier ausführlicher vorgestellt. Zunächst stellte Ley fest, dass hinter Landfrieds grundsätzlichen Anwürfen ganz andere politisch-taktische Erwägungen stünden. Tatsächlich ginge es Landfried gar nicht um Verstaatlichung oder Sozialisierung, sondern um die Frage, ob die NSDAP und parteinahe Organisationen wie die DAF überhaupt eigene Unternehmen besitzen dürften. Ihm sei bekannt, so Ley, dass Land­fried schon »früher einmal äusserte, man müsse dem FÜHRER über Unternehmen, die der Partei, ihren Gliederungen und Verbänden gehören, Vortrag halten und dabei den Entscheid herbeiführen, ob es überhaupt angängig sei, dass der Partei, ihre Gliederungen und Verbände wirtschaften dürfen oder nicht«. Nach der erneuten Intervention Landfrieds vom 23. Mai 1941 »scheint nun diese ganze Frage in ein akutes Stadium getreten zu sein«. Dem folgte die oben bereits zitierte Feststellung, »dass der Nationalsozialismus das Privateigentum zu einem unumstöss­ lichen Grundsatz eines weltanschaulichen Programms« für alle »Zukunft« erhoben habe – und es eigentlich überflüssig sei, über diese Selbstverständlichkeit »noch weitere Worte zu verlieren«. Die grundsätzliche Bejahung des Privateigentums für alle Zukunft sei das eine. Die »äußere Wirtschaftsform«, im Sinne von Unternehmensform, dürfe dagegen kein »stures Dogma« sein. Es gehe, so Ley, in dem Streit mit Landfried nicht grundsätzlich für oder gegen die Marktwirtschaft und unternehmerisches Privateigentum, sondern um das Pro und Contra zu bestimmten unternehmens28 Alle folgenden Zitate aus: Ley an Funk vom 24. Mai 1941 (Anm. 13), S. 2-5 bzw. Bl. 53-56 (Hervorhebungen im Original).

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rechtlichen Formen. Die Nationalsozialisten forderten auch hier Konkurrenz. Sie »würden alle möglichen Formen zulassen, die von dem Eigentümer in der Einzelperson über die offene Handelsgesellschaft, die G.m.b.H., Namens- oder anonyme Aktien, über Genossenschaften, das Wirtschaften von Körperschaften und Vereinen oder gemeinnützigen Institutionen, wie es die Partei, ihre Gliederungen und Verbände sind«, solange das Prinzip des Privateigentums gewahrt blieb. Dies schließe selbst Staatsunternehmen ein. Es sei »falsch zu glauben, dass eine Wirtschaftsform der anderen Feind zu sein brauche, sondern ich glaube vielmehr, dass alle Formen in einer gesunden, starken und kräftigen Wirtschaft genügend Platz und Raum haben«. Ley war wirtschaftspolitisch, das wird hier deutlich, ein Pragmatiker, der an den überkommenen Unternehmensformen festhalten wollte, solange sie effizient waren und sich dem Wettbewerb stellten. Tatsächlich war der Aufbau eines parteieigenen Konzerns (das hatte Franz L. Neumann ja bereits 1944 in aller Deutlichkeit formuliert29) letztlich das Siegel unter ein wirtschaftspolitisches Credo, das »freie Wirtschaft« und eine unbehinderte Verfügungsgewalt über Privateigentum ins Zentrum stellte. Partielle Kritik an bestimmten Firmen und ihrer Unternehmenspolitik schloss dies nicht aus. So konnte sich der Chef der Arbeitsfront einen Seitenhieb auf die I.G. Farbenindustrie und die Vereinigten Stahlwerke oder auch die Allianz nicht verkneifen; diese seien, Staatsunternehmen vergleichbar, »verbürokratete Verwaltungsmaschinerien«. Das waren Ansichten, wie sie ganz ähnlich auch Hitler teilte.30 Demgegenüber zeigten, so behauptete Ley apodiktisch, »die Unternehmen der Deutschen Arbeitsfront bedeutend mehr Privatinitiative und Unternehmergeist als man­che Unternehmungen von Einzelunternehmern«. Deshalb, aber auch »aus weltanschaulichen Gründen«, verwahre er sich dagegen, »dass man in unseren [DAF-]Unter­neh­ mun­gen irgendeine Gefahr für das Privateigentum sieht«.31 Den Unterschied des DAF-Konzerns zu ›normalen‹ Unternehmen markierte Ley mit den Worten, dass letztere ausschließlich an einer Moral der unmittelbar betriebswirtschaftlichen Effizienz orientiert seien. Demgegenüber hätte die DAF mit ihren Unternehmen immer auch die übergeordneten Ziele des NS-Regimes im Fokus. So habe sie »das Volkswagenwerk auf Befehl des Führers gebaut«, nachdem »Kurzsichtigkeit, Böswilligkeit, Profitgier und Dummheit« die Privat­ industrie bestimmt hätten, »den genialen Erfinder Dr. Porsche abzulehnen und selbst den Wunsch und den Willen des Führers zu sabotieren«. Hier habe er mit seiner Arbeitsfront einspringen müssen. Ähnlich sei es ihm auch bei anderen Projekten sowie Hermann Göring »mit den Berg- und Hüt­ten­wer­ken von Salzgitter« ergangen. All dies sei kein Verstoß gegen das Prinzip des Privateigentums

29 Vgl. Kapitel 1, S. 53 f. 30 Vgl. Hitler am 24. März 1942, in: Picker (Hg.), Hitlers Tischgespräche, S. 134. 31 Ley an Funk vom 24. Mai 1941 (Anm. 13), S. 6 bzw. Bl. 55.

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und den Grundsatz freier Wirtschaft und habe nichts mit Sozialisierung und Staatswirtschaft zu tun.32 Wie wichtig ihm diese Grundsätze waren, machte Ley deutlich, als er sie wenige Monate später der Öffentlichkeit in prägnanter Kurzform präsentierte. In einem programmatischen Artikel in der »Deutschen Volkswirtschaft«, als der wirtschaftspolitisch wichtigsten Fachzeitschrift des Dritten Reiches,33 von Anfang Oktober 1941 erklärte er, die Arbeitsfront habe ihr Wirtschaftsimperium gegründet und ausgebaut, »nicht um dem Privatunternehmertum Abbruch zu tun oder es gar aus seinen Aufgaben zu verdrängen«. Der Stachel der Konkurrenz durch parteinahe Unternehmen solle die Privatwirtschaft vielmehr anspornen, sich lukrativen Geschäf­ten auch dort zu öffnen, wo es »eines besonderen Wagnisses« bedürfe. Ley wörtlich (und im erwähnten Aufsatz besonders hervor­ gehoben): »Sämtliche Gesellschaften der Deutschen Arbeitsfront stehen gleichberechtigt, aber auch gleichbelastet neben ähnlichen Gesellschaften der privaten Wirtschaft; sie haben ausschließlich durch ihre Leistung zu beweisen, dass sie die ihnen von der Arbeitsfront zugewiesenen Sonderaufgaben im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft zu erfüllen vermögen.« Dieses Credo entsprang nicht einem taktischen Kalkül im Rahmen bestimmter politischer Auseinandersetzungen. Es blieb Leys wirtschaftspolitisches Glaubensbekenntnis bis in die letzten Tage der Diktatur und entsprach seinen Überzeugungen. Wie distanziert er allen Formen von staatlicher Wirtschaft gegenüberstand, machte Ley noch im letzten Kriegsjahr für einen Sektor unmissverständlich deutlich, der traditionell Gegenstand von Sozialisierungsüberlegungen gewesen war: Er wolle nicht nur keinen verstaatlichten Wohnungsbau, sondern sei überhaupt ein Gegner jeg­ licher öffentlicher Wohnungsbausubventio­nierung.34 Leys wirtschaftspolitisches Credo, und damit das der DAF, lief darauf hinaus, dass unternehmerisches Privateigentum eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die effizienteste Form der Ökonomie sei. Allerdings müsse aus politischideologischen Gründen, nämlich um der Autarkiepolitik, um eines sozialen »Idealismus«, um der Kriegsfinanzierung und um sonstiger unausgesprochener Wünsche oder expliziter »Befehle des Führers« willen, ab und an das Motiv ›Gewinn‹ zurückgestellt werden. Wirklich NS-ty­pisch waren solcherart Einhegungen kapitalistischen Handelns im Übrigen nicht. Insbesondere in Kriegszeiten sind Beschränkungen der Kapitalmobilität, die Begrenzung der Ausschüttung von Dividenden etc. üblich. Tatsächlich folgten Ley und seine Organisation einem Primat des Bellizismus, und zwar nicht erst seit September 1939. Wirtschaftliche Kriegsvorbereitung und Kriegführung legitimierten in seiner Perspektive durchaus partielle Eingriffe in die Unternehmenspolitik, jedoch nur im Rahmen des in Kriegen 32 Ebd., S. 6 f. bzw. Bl. 55 f. 33 Ley, Wirtschaftliche Unternehmungen, S. 1094 f. 34 Vgl. Ley, Wohnungsbau in Deutschland, S. 50; ferner Führer, Mieter, Hausbesitzer, Staat, S. 24 f.

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generell Üb­lichen. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass heftige verbale Attacken gegen einen allzu liberalen »Wirtschaftsgeist« und die rhetorische Geißelung »privater Machtwillkür« von Unternehmern bereits vor 1933 unter Wirtschaftswissenschaftlern und -juristen, aber auch in industrienahen Kreisen keine Seltenheit waren und sich vor dem Hintergrund der großen Depression ab 1929 noch häuften.35 Ley war mithin in guter Gesellschaft. Die Protagonisten des DAF-Konzerns wie des politischen Apparats der Organisation teilten Leys wirtschaftspolitisches Credo. Nicht zuletzt die für den Baubereich verantwortlichen Funktionsträger der Arbeitsfront, also der Teil des DAF-Wirtschaftsimperiums, bei dem die Gefahr einer Verquickung mit den politischen Funktionen Leys am größten war, beeilten sich zu versichern, dass gerade sie keinesfalls eine Einschränkung der dynamischen marktwirtschaft­ lichen Kräfte wollten. So beteuerte der Geschäftsführer der DAF-Bauhilfe 1942, dass ungeachtet aller kriegsbedingten Restriktionen »die Triebkräfte der freien Wirtschaft erhalten bleiben werden«.36 Auch sonst fühlten sich die einschlägigen Gliederungen der Arbeitsfront, allem verbalen Populismus’ zum Trotz, dem Prinzip des Privateigentums grundsätzlich verpflichtet. So erklärte z. B. die DAF-Fachgruppe »Haus- und Gründstückswesen« innerhalb der Reichsbetriebs­ ge­meinschaft »Handel« im Herbst 1935 apodiktisch: Eine »Sozialisierung des deutschen Haus- und Grundbesitzes [sei] im Dritten Reich undenkbar, da der Nationalsozialismus das Privateigentum und seine Auswertung schützt und fördert«.37 Ähnliche Äußerungen finden sich die gesamte NS-Zeit über regelmäßig. Tatsächlich verwendeten Rivalen Leys und seiner Arbeitsfront den Terminus »Sozialisierung« in der Absicht, das wirtschaftliche Expansionsstreben der verschiedenen DAF-Unternehmen zu diskreditieren  – wohl wissend, dass die Führer des Dritten Reiches durch den Schock der Novemberrevolution 1918 entscheidend geprägt waren und ihnen nichts so zuwider war wie die Forderung der sozialistischen Arbeiterbewegung nach einer Vergesellschaftung wichtiger Wirtschaftszweige. Bereits ein oberflächlicher Blick zeigt, dass die Arbeitsfront vergleichbare Vorstellungen niemals verfolgt hat. Ihre Unternehmen mögen eine marktbeherrschende Stellung, vielleicht sogar ein ökonomisches Mono35 Vgl. Johannes Bähr, »Recht der staatlich organisierten Wirtschaft«. Ordnungsvor­ stellungen und Wandel der deutschen Wirtschaftsrechtslehre im »Dritten Reich«, in: ders./Banken (Hg.), Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, S. 455472, S. 448 f., 453 f. 36 Die mancherorts geäußerte »Befürchtung, dass letzten Endes aus dem Zwang zur Änderung der bisherigen Methoden und der Zusammenfassung der Kräfte eine Planwirtschaft östlicher Prägung entstehen würde, sind im nationalsozialistischen Staat unbegründet«. Hans Schönbein, Wirtschaftliche Planung und Fertigung im sozialen Wohnungsbau, in: Der Soziale Wohnungsbau in Deutschland, 2/1942, S. 330-336, hier: S. 336. 37 Schreiben der Fachgruppe »Haus- und Gründstückswesen« innerhalb der Reichs­ betriebsgemeinschaft »Handel« an das DAF-»Zentralbüro/Sozialbüro« vom 6. Nov. 1935, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 14.

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pol in einzelnen Branchen angestrebt haben. Das aber hat mit »Sozialisierung« nichts zu tun – und ist überdies in kapitalistisch organisierten Marktwirtschaften relativ ›normal‹. Denn es wäre verfehlt zu glauben, dass es irgendein größeres Unternehmen gäbe, das Wettbewerb auf Dauer will. Wettbewerb zwingt zu Kostensenkungen und beschränkt den Gewinn. Jedes große Unternehmen sucht deshalb, ungeachtet aller an die Öffentlichkeit adressierten Rhetoriken, seine Marktanteile zu erhöhen und eine tendenziell monopolartige Stellung zu erreichen, die es ihm erlaubt, Preise und sonstige Konditionen – ggf. in kartellartigen Absprachen mit Konkurrenten – weitgehend nach eigenem Gutdünken festzulegen und Extragewinne einzufahren. Nichts anderes hatten auch die Unternehmensleitungen des Arbeitsfront-Konzerns im Sinn. Eine derartige monopolähnliche Stellung konnten die DAF-Unternehmen jedoch selbst auf Teilmärkten nicht realisieren. Als eine sehr wirksame Barriere gegen Bestrebungen zu einer auch nur partiellen wirtschaftlichen Monopolisierung erwiesen sich die polykratischen Rivalitäten innerhalb des NS-Regimes. Die Konkurrenz in der politischen Sphäre wurde zu einer Art Garant der ökonomischen Konkurrenz in letztlich allen Sektoren der deutschen Volkswirtschaft. Die wortreichen Klagen mancher Unternehmer, Manager und Wirtschaftsfunktionäre über angebliche Sozialisierungsgelüste der DAF relativieren sich zudem, wenn man bedenkt, dass diese gleichzeitig die ›Verdienste‹ der Deutschen Arbeits­front durchaus zu schätzen wussten. So heftig namentlich die privaten Banken das ökonomische Gebaren der Arbeitsbank geißelten, so sehr waren diese sich dessen bewusst, was sie der DAF und ihrem politischen Apparat zu verdanken hatten. Zentral blieb für sie, dass die Arbeitsfront im Zusammenspiel mit der Gestapo und anderen Repressivorganen des Regimes Ruhe in den Betrieben garantierte. So fasste ein Abteilungsleiter der Commerzbank 1937 seine Eindrücke aus New York mit den Worten zusammen: Wenn man in der amerikanischen Großstadt »die Streikposten mit ihren […] Schildern gesehen und in den Mittags- und Abendstunden Reden wutschnaubender Kommunisten gehört hat«, sei man doch froh, »dass wir unter unserem Führer Adolf Hitler in einem Ordnungsstaat leben«.38 Die wirtschaftliche Konkurrenz durch den DAF-Konzern, der man sich im »Ordnungsstaat« Deutschland ausgesetzt sah, war in dieser Perspektive das kleinere Übel.

10.3. Politik, Ökonomie – und Rassismus: zu den Markenzeichen des Konzerns … nur bedingt Züge eines »charismatischen Ver­waltungsstabes« Das Bekenntnis Leys und seiner Adepten zu Privateigentum und freier Marktwirtschaft ändert allerdings nichts daran, dass der DAF-Konzern kein ›normales‹ privatwirtschaftliches Unternehmen war, sondern eines, das der ›Politik‹ und den Herrschaftsträgern besonders nahestand. Der Konzern war im Besitz einer 38 Nach: Weihe, Personalpolitik, S. 69.

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Massenorganisation, die unmittelbar Ley als einem der engsten Vertrauten Hitlers unterstand und hier in Anlehnung an Max Weber als »charismatischer Verwaltungsstab« charakterisiert worden ist. Tatsächlich machte Ley keinerlei Hehl daraus, dass das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront auf sein Kommando zu hören hatte. Ley, der sich selbst in seinem Handeln nur dem »Führer« und sonst niemandem verantwortlich glaubte, betrachtete denn auch das Wirtschafts­ impe­rium ausdrücklich als seine persönliche Verfügungsmasse, etwa als er sich im Frühjahr 1941 gegenüber dem Reichswirtschaftsminister Funk brüstete, seinen Unternehmen »ungesetzlich Befehl« erteilen zu können.39 Im Vergleich zur Gesamtorganisation wiesen die DAF-Unternehmen selbst dennoch nur bedingt Züge eines »charismatischen Ver­waltungsstabes« auf. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich auch die Konzernteile der Arbeitsfront in dem vom NS-Regi­me weiterhin vorgegebenen marktwirtschaft­lichen Rahmen bewegen mussten. Sie behielten deshalb im Grundsatz klassisch betriebswirtschaftliche Routinen bei (so ihnen nicht überhaupt erst in der Ägide der Arbeitsfront eine gewöhnlich-kapita­li­stische Binnenstruktur verpasst wurde, wie dies bei den Genossenschaften der Fall war). Selbst in ihren von Rassismus geprägten Handlungsmustern blieben die für die DAF-Unter­neh­menspolitik verantwortlichen Akteure »rational« im Weber’schen Sinne insofern, als sie vor ihr ökonomisches Handeln zwar eine Art rassistischen Filter spannten, dieses selbst jedoch im Rahmen kapitalistischer Logik ›vernünftig‹ blieb. Alles in allem blieben die DAF-Unternehmen »kapitalistische Betriebe« im Weber’schen Sinne. In ihrer Binnenstruktur wie in ihrem Agieren nach außen hatte Max Weber die Betriebe in modernen Industriegesellschaften ja zu einer Art Prototyp »bürokratischer Herrschaft« gemacht, die ihm ihrerseits als »reinste« Form »legaler Herrschaft« galt. Die »bürokratische« Orientierung des DAF-Unternehmenskomplexes befand sich infolgedessen zwangsläufig in einem steten Spannungsverhältnis zur politischen Massenorganisation Deutsche Arbeitsfront und den von dieser verkörperten »charismatischen« Zügen. Dieses Spannungsverhältnis war komplex und keineswegs einseitig in dem Sinne, dass nur die DAF-Führung in ihren Konzern hineinwirkte. Umgekehrt strahlten auch die Unternehmen der Arbeitsfront ihrerseits auf die Gesamtorganisation aus. Sie waren ein wichtiger Faktor, der innerhalb der politischen Orga­nisa­tion Deutsche Arbeitsfront in Richtung auf die von Max Weber so genannte »Ver­all­täg­ lichung charismatischer Herrschaft« hinwirkte und eine – insgesamt begrenzte – Rationalisierung ihres Verwaltungsapparates begünstigte.40 Eingespielte Verwaltungsroutinen, die eine Bürokratisierung des politischen Apparats begünstigten, wurden freilich immer wieder durch Elemente und Faktoren aufgebrochen, die die Organisation DAF und ebenso ihre Unternehmen zu 39 Ley an Funk vom 24. Mai 1941 (Anm. 13). 40 Ein Indiz für die Routinisierung des Verwaltungshandelns der politischen Organisation der DAF ist die Reduktion der Verwaltungskosten der Arbeitsfront. Sie lag anfangs bei 35 % (in v. H. des Beitragsaufkommens) und ging bis 1937 auf 16 % sowie schließlich 13 % im ersten Kriegsjahr zurück. Vgl. Hachtmann, Koloss, S. 348 (Tabelle  2).

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einer Art »Re-Cha­ris­ma­tisierung« drängten: Ab 1938 gingen das NS-Regime und in seinem Gefolge zahlreiche reichsdeutsche Unternehmen zu Raub und anderen, durch Rechtsfloskeln sowie ungleiche Verträge nur schlecht kaschierten Formen nicht legitimer Aneignung von Unternehmen, Rohstoffressourcen usw. über. Ein solches Handeln ist (folgt man Weber) »charismatischer Herrschaft« tendenziell immanent. Denn die für diese eigenartige Herrschaftsform charakteristische »Wirtschaftsenthobenheit« bzw. deren »Gegensatz zu aller geordneten Wirtschaft« einerseits und das Streben nach Beute andererseits schließen sich nicht aus, sondern gehören zusammen. Der »charismatische Herrscher«, seine Jünger und ebenso deren Verwaltungsstäbe lehnen – idealtypisch – für sich selbst nur das »rationale Wirtschaften als würdelos ab«, nicht dagegen Mäzenatentum, »Ehrengeschenke« und Beute jeglicher Couleur. Raffgier ist für die »charismatischen Helden« vielmehr eine wichtige Antriebskraft ihres Handelns.41 Diese bei Weber nur angedeuteten Aspekte charismatischer Herrschaft lassen sich während der NS-Diktatur auf verschiedenen Ebenen beobachten. Nicht zuletzt die Unternehmen der Arbeitsfront und die maßgeblichen Akteure dort entwickelten ab 1938 eine ungezügelte Expansionslust. Sie waren dabei freilich rechtlich stärker gebunden. Im Gegensatz zu Göring, Ley und anderen, die als autokratische, nur ihrem »Führer« verpflichtete »Herren« ihrer Raubgier offen frönten und de facto keine Sanktionen fürchten mussten, befanden sich die DAF-Unter­nehmen in einem ökonomisch weiterhin regulierten Wettlauf mit ihren privaten Konkurrenten um Märkte und sonstige Pfründe. Sie mussten sich grund­sätzlich an das juristische Regelwerk sowie an das Genehmigungs­ procedere etc. halten, das die deutschen Behörden auch in den besetzten Ländern vorschrieben, um den internen Kampf der reichsdeutschen Konkurrenten dort um Rohstoffressourcen und Unternehmen nicht in einer für das NS-Regime dysfunktionalen Weise ausarten zu lassen. Dies änderte freilich nichts daran, dass sich auch die Protagonisten der DAF-Un­ter­neh­men für Raub und Bestechung anfällig zeigten. Dass die Unternehmen der Arbeitsfront schon frühzeitig zum Ausgangspunkt gravierender Korruptionsaffären wurden,42 war insofern kein Zufall. Die fast das gesamte nationalsozialistisch beherrsch­te Europa umfassenden Unterschlagungen und Korruptionsvorgänge in der »Zentrale der Frontbuchhandlungen«, die ab 1939/40 de facto zu einem riesigen Ableger des Zentralverlags der DAF geworden war, machen deutlich, dass offene oder versteckte Formen der illegalen Bereicherung, der Bestechung und ebenso der Vetternwirtschaft trotz aller Bemühungen um verwaltungs­technische Routinisierung und betriebswirtschaftliche ›Normalität‹ strukturell weiterhin im politisch-ökonomischen System des Nationalsozialismus angelegt blieben. 41 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 655. 42 Zur Korruption im DAF-Konzern, insbesondere zur »Affäre Karl«, die vom Baukonzern der Arbeitsfront ausging, ohne die DAF-eigene Arbeitsbank nicht möglich gewesen wäre und in die hoch­rangige Funktionsträger der Diktatur verwickelt waren, vgl. Kapitel 3, S. 147 ff. Zur Korruption innerhalb des Frontbuchhandels vgl. Kapitel 5, S. 333 ff.

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Ein Spiegel der Mutterorganisation war das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront außerdem, weil es nicht zentralistisch gelenkt wurde. Es besaß – wie die DAF insgesamt – in Ley, dessen ›Beauftragten‹ Karl Müller (bis 1935), Paul A. Brinckmann und Werner Boltz (1935 bis 1938) sowie Heinrich Simon und Hans Strauch (ab 1938) zwar ein personelles Zentrum, dessen eher seltenen Vorgaben zu folgen war. Und auch die Aufsichtsräte der DAF-Unternehmen waren Kontrollorgane, deren Wort zwar Gewicht hatte, die aber gleichfalls in aller Regel nicht aktiv in die Geschäftspolitik eingriffen. Ansonsten konnten die Vorstände der einzelnen Unternehmen relativ autonom agieren. So wenig wie die Befugnisse zwischen den Zentralämtern der Arbeitsfront43 waren auch die Aufgabenfelder und Marktsegmente, auf denen die einzelnen Unternehmen tätig wurden, arbeits­teilig abgesteckt. Der Tatbestand, dass es zwischen den DAF-Unternehmen intern offenbar nicht zu präziseren Marktabsprachen kam, diese sich vielmehr oft gegenseitig auch unmittelbar Konkurrenz machten, bot Anlass für mitunter heftige Konflikte. Die in Kapitel 4 skizzierte schwelende und ab und an auch offen ausbrechende Rivalität zwischen den beiden großen Zweigen des Versicherungssektors der Arbeitsfront, der Volksfürsorge und den DeutscherRing-Versi­cherungen, die bis zum Zusammenbruch der Diktatur nicht beigelegt wurde, sind hierfür ebenso ein Beispiel wie die in Kapitel 5 skizzierten, zeitweilig heftig hochschlagenden Auseinandersetzungen zwischen den traditionsreichen Verlagen aus dem ›Erbe‹ des DHV auf der einen und dem Zentralverlag der DAF auf der anderen Seite. Die manchmal »faustrechtartigen Zustände« (Siegfried Lokatis),44 die in Teilen des Konzerns auf der Führungsebene herrschten, spiegeln das von scharfer, sozialdar­winistisch unterlegter Konkurrenz geprägte Milieu an der Spitze der Arbeitsfront wie des Hitler-Regi­mes überhaupt. Da diese Auseinandersetzungen, wenn sie zu harsch ausgetragen wurden, ökonomisch leicht dysfunktional werden konnten, blieben Anläufe nicht aus, die Konkurrenz zwischen Unternehmen der Arbeitsfront, die in denselben Branchen tätig waren, wenigstens einzudämmen. Erfolgreich und auf Dauer scheint dies lediglich unter den Wohnungs- und Baugesellschaften gelungen zu sein, mit dem Umbau dieser Unternehmen zum regional gegliederten Neue Heimat-Konzern im Frühjahr 1939. Mit der Massenorganisation auf Kundenfang: zur Verquickung von Politik und Ökonomie Das Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront war kein Kombinat, nicht die Großeinheit einer zentralistischen Staatswirtschaft, sondern nach außen und zu erheblichen Teilen ebenso nach innen durch Konkurrenz und Kampf geprägt. Dieses Denken und Handeln in Kategorien des Kampfes schloss immer auch 43 Zu den nicht selten heftigen Konflikten zwischen einzelnen Zentralämtern der DAF um Macht und Kompetenzen vgl. exemplarisch Hachtmann, Koloss, S. 89. 44 Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 130.

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den Rückgriff auf die politische Macht und die Einflussmöglichkeiten ein, die die DAF als NS-Massenorganisation bot. Die Klagen, dass DAF-Funktionäre in den Betrieben und Stadtteilen offen auch für die Unternehmen der Arbeitsfront warben, waren zahlreich und setzten früh ein. Versuche, solch unlauterem Wettbewerb einen Riegel vorzuschieben, dämpften zwar vorübergehend den Eifer von Funktionsträgern der Arbeitsfront, unter den Mitgliedern der Organisation für günstige Policen der Volksfürsorge, Kleinkonten zu Vorzugskonditionen bei der Arbeitsbank oder preisgünstige Literatur der Büchergilde Gutenberg zu werben. Sie blieben jedoch letztendlich ­erfolglos und konnten auf Dauer weder die Außendienstler der ArbeitsfrontUnternehmen noch die DAF-Funktionäre vor Ort in ihrem Aktivismus bremsen. Nach Kriegsbeginn gingen die Bemühungen vieler DAF-Funk­tions­träger, den Unternehmen der Organisation mit politischen Mitteln Kunden zuzuführen, nicht nur weiter, sie intensivierten sich sogar. Wenige Wochen nach dem Überfall auf Polen hatte der Stabsleiter Leys und Finanzchef der Arbeitsfront Heinrich Simon laut darüber nachgedacht, die regionalen Verwaltungsstellen der Volksfürsorge unmittelbar an die jeweilige Gau­verwaltung der Arbeitsfront zu binden; er musste diese Überlegung zunächst freilich fallenlassen. Bei ihren Versuchen, sich über politische Instrumente ökonomische Vorteile zu verschaffen, ließen sich die maßgeblichen Akteure der DAF jedoch auch in der Folgezeit nicht bremsen. So setzte sich die Arbeitsfront im zweiten Kriegsjahr über ein Mitte der dreißiger Jahre geschlossenes Wettbewerbsabkommen hinweg und führte das Signum »Deutsche Arbeitsfront« offiziell im Firmennamen der Volksfürsorge.45 Dass es die DAF mit der Trennung von politischen und ökonomischen Aktivitäten immer weniger genau nahm, stieß nicht zuletzt bei höchsten Funktionsträgern des Hitler-Regi­mes auf Kritik. Ende 1941 erklärte Fritz Todt in einem Schreiben an Martin Bormann, es sei abzusehen, dass man bald »nicht mehr weiß, ob der Mann in der Uniform der Arbeitsfront Amts­walter ist oder Geschäftsträger« eines der zahllosen DAF-Unternehmen. Angesichts des forcierten Ausbaus des DAF-Kon­zerns würde die Neigung weiter wachsen, dass von Funktionären der Arbeitsfront »unter der Parteiuniform wirtschaftlicher Druck ausgeübt« werde. »Dr. Todt hat völlig Recht!« notierte Bormann an den Rand des Schreibens.46 Es wäre freilich verkürzt, in der Vermischung von ökonomischen und politischen Interessen eine Eigenart lediglich des Arbeitsfront-Konzerns zu erblicken. Teile der DAF-Organi­sation mögen in ihren Versuchen, neue Kunden für die Unternehmen der Arbeitsfront zu gewinnen, tatsächlich sehr weit gegangen sein. Eine enge, tendenziell unentwirrbare Vermengung von politischen und wirtschaftlichen Interessen war jedoch kein Spezifikum der Arbeitsfront. Sie lässt

45 Vgl. Kapitel 4, S. 214 f. 46 Todt an Bormann vom 13. Dez. 1941, in: BA Berlin, NS 6, Nr. 253, Bl. 176 f.

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sich auch für andere NS-Organisationen beobachten und ebenso bei scheinbar ›normalen‹ Unternehmen.47 Ein wesentlicher Faktor, der diese Vermengung von politischen und wirtschaftlichen Interessen erklärt, ist der Tatbestand, dass die nationalsozialistische Volkswirtschaft bereits zu Friedenszeiten, seit dem »Neuen Plan« Schachts und weit stärker noch seit dem im Herbst 1936 verkündeten Vierjahresplan, starke kriegswirtschaftliche Züge aufwies. Moderne Kriegswirtschaften sind generell durch eine schwer entwirrbare Verflechtung von politischen, militärischen und ökonomischen Funktionen nicht nur der Gesamtwirtschaft, sondern ebenso der einzelnen Unternehmen gekennzeichnet. Davon abgesehen sind unpolitische Nationalökonomien nicht denkbar. Selbst Marktwirtschaften in parlamentarisch verfassten Demokratien und den in diesem Rahmen aktiven Wirtschaftsunternehmen ist eine Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Interessen keineswegs fremd; der ausgeprägte Lobbyismus in den Parlamenten, der oft rasch und mitunter selbstverständlich anmutende Wechsel von ehemals politischen Funktionsträgern auf Spitzenposten in der Industrie und im Bankgewerbe, aber auch ein sich immer weiter verbreitendes Sponsoring mit häufig nicht mehr nur subtiler Werbung für die jeweiligen Geldgeber zeugen davon, dass eine enge Verflechtung von Politik und Wirtschaft keineswegs lediglich eine Eigenart des Dritten Reiches oder gar nur der Arbeitsfront gewesen ist. Ein besonderer Konkurrenzvorteil der Arbeitsfront-Unternehmen war dagegen sicherlich das vor allem von Wolfgang König in seiner Studie über »Volksprodukte« betonte Image der Volksnähe, den sich die verschiedenen Zweige des DAF-Wirtschaftsimperiums durch Werbung und die im nationalsozialistischen Alltag allgegenwärtige Propaganda der Arbeitsfront zu geben wussten, der Ruf der einzelnen Unternehmen also, über das bloße Etikett hinaus auch substantiell eine »Volksversicherung« und eine »Volksbank« zu sein, »Volks­wagen« usw. verkaufen zu wollen. Derartigen Konkurrenzvorteilen, die aus der Stellung, dem Ruf und der Propaganda der Arbeitsfront resultierten, standen wiederum Aspekte gegenüber, die zumindest einen Teil der DAF-Un­ter­nehmen gegenüber ›normalen‹ Anbietern ins Hintertreffen brachten und gleichfalls mit dem Image der Arbeitsfront zusammenhingen. So wirkte gerade das anmaßende Auftreten nicht weniger Funktionäre der Arbeitsfront auf viele potentielle Kunden abschreckend. Die Nähe zur Arbeitsfront konnte zur Bürde werden, ging der Organisation Robert Leys vor allem in ›besseren‹ Kreisen doch der Ruf voraus, proletarisch-primitiv zu sein – ein Image, das Angehörige der bürgerlichen Schichten, ebenso zahlreiche Angestellte und wohl auch manchen Arbeiter in die Arme der etablierten Konkurrenz trieb. Dass es der Volksfürsorge trotz angestrengter Werbung nicht ge-

47 So profitierte die Dresdner Bank ab 1938 in erheblichem Maße von dem Image, das Geldhaus der SS zu sein. Vgl. Bähr, Dresdner Bank, etwa S. 499.

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lang, ihre Kundschaft über die Arbeiterschaft hinaus wesentlich zu erweitern,48 ist ein Indiz für die Stärke dieses Distinktionsverhaltens. Die Frage, ob die Nähe zur DAF von Vorteil oder doch eher von Nachteil war, muss für die einzelnen Unternehmen allerdings unterschiedlich beantwortet werden. So zog insbesondere die Bank der Deutschen Arbeit ohne Zweifel erhebliche Vorteile aus ihrer Verquickung mit der Arbeitsfront. Sie avancierte – mit Einschränkungen49 – zur Hausbank der mitglieder- und damit finanzstärksten Massenorganisation der Hitler-Diktatur und konnte darüber hinaus einen Teil der Einlagen namentlich der NSDAP auf eigenen Konten abbuchen. Allerdings sollte der Tatbestand der Partei- und DAF-Nähe selbst für die Arbeitsbank nicht überbewertet werden. Gerade die NSDAP legte den größeren Teil ihrer Gelder bei anderen großen Geldhäusern an, von der SS – die der Dresdner Bank den Vorzug gab – und ande­ren NS-Massenorgani­sa­tio­nen ganz zu schweigen. Da sich die Führung der DAF in heftigen Konflikten mit vielen anderen Institutionen und Organisationen des Regimes befand und diese sorgsam darauf achteten, den politischen Rivalen Arbeitsfront nicht auch noch ökonomisch zu stärken, relativiert sich mithin selbst für das organisationseigene Bankhaus der Vorteil der DAF-Nähe. Aufschlussreich ist zudem, dass die Arbeitsbank ihren stärksten Wachstumsschub erst ab etwa 1938 zu verzeichnen hatte – als die deutsche Arbeitnehmerschaft de facto fast vollständig in der Arbeitsfront organisiert war, die Beitragseinnahmen der Arbeitsfront mithin ihren Zenit schon fast erreicht hatten, und die Arbeitsbank außerdem ihren Status als zentrale Bank der NS-Bewegung verloren hatte. Der rasante Aufstieg des DAF-Geldinstituts speiste sich über den steten Geldzufluss aus der politischen Organisation Deutsche Arbeitsfront mithin wesentlich auch aus anderen Quellen. »Deutsche Volksgenossen« im Visier: rassistische Segregation als Markenzeichen Im Vergleich zu Konkurrenten überdurchschnittliche Wachstumsschübe hatten ab 1938/39 nicht nur die Arbeitsbank, sondern auch die meisten anderen Unternehmen der Arbeitsfront zu verzeichnen. Es liegt deshalb nahe, im aggressiven Auftreten im okkupierten Ausland ein weiteres Spezifikum zu vermuten, das den DAF-Konzern von anderen Unternehmen unterschied. Annehmen könnte man außerdem, dass besonders gute Beziehungen zu den Besatzungsbehörden dem Wirtschaftsimperium der Arbeitsfront außerhalb der Grenzen des deutschen »Altreichs« eine besondere Schlagkraft verschafft haben könnten. Ein genauerer Blick auf die empirischen Konstellationen relativiert indes diese Vorteile der Nähe des DAF-Wirt­schaftimperiums zur politischen Macht, die die Arbeitsfront besaß. 48 Vgl. Kapitel 4, S. 212 ff. 49 Eine ganze Reihe von DAF-Unternehmen deponierte mindestens einen Teil der eigenen Gelder nicht bei der Arbeitsbank, sondern bei konkurrierenden Geldinstituten wie der Post (Postscheckkonten), der Volksbank oder Regionalbanken. Vgl. Kapitel 3, S. 123.

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Dass DAF-Unternehmen enge Beziehungen zu einzelnen Stellen der deutschen Behörden im besetzten Europa aufbauen konnten, in einer Reihe von Ländern skrupellos auftraten und vor illegitimen Formen der Aneignung von Unternehmen keineswegs zurückschreckten, soll nicht bestritten werden. Nur galt dies für konkurrierende Unternehmen oft auch. Für den Banken- wie auch den Versicherungssektor hat die Forschung in den letzten Jahr­zehnten eine Fülle von Beispielen gesammelt. So ließen sich die Dresdner, die Deut­sche und die Commerzbank, aber auch die Allianz und andere große Versicherungs­unternehmen, von der Arbeitsbank, der Volksfürsorge und den Deutschen Ring-Versicherungen nicht ins Abseits stellen, sondern agierten oft noch erfolgreicher. Nicht in einem aggressiv-imperialen Auftreten an sich unterschieden sich die DAF-Unter­ nehmen von den meisten ihrer ›normalen‹ Konkurrenten. Es war vielmehr der Tatbestand, dass seitens des Konzerns der Arbeitsfront der Wille zur skrupellosen Expansion im besetzten Europa zugleich rassistisch unterlegt war – und zwar in stärkerem Maße, als dies bei nicht-parteinahen Unternehmen der Fall war. Das NS-Regime hat die ›Räume‹ des von der Wehrmacht besetzten Europas bekanntlich nach rassistischen Kriterien gegliedert und die dort lebenden Bevöl­kerungen nach diesen Kriterien entsprechend abgestuft ›behandelt‹. Der DAF-Konzern tat sich gegenüber anderen, konventionell-privatwirtschaftlichen Unternehmen nun dadurch hervor, dass er systematischer eine auf die unterschiedlichen, rassistisch konnotierten ›Räume‹ abgestimmte Unternehmenspolitik praktizierte. Zahlreiche andere, nicht-parteinahe, hier als ›normal‹ bezeichnete Unternehmen richteten ihren Umgang mit den dort lebenden Menschen tendenziell ebenfalls nach den vom Nationalsozialismus vorgegebenen rassistischen ›Wertigkeiten‹ aus. Sie scheinen die Bevölkerungen im NS-beherrschten Europa jedoch nicht derart systematisch segregiert und hierarchisiert zu haben wie die verantwortlichen Akteure auf Seiten der DAF-Unter­neh­men. Für ›normale‹ Unternehmen besaßen die ›klassisch‹ betriebswirtschaftlichen Ziele – hoher Gewinn, Umsatzsteigerung, Fußfassen auf potentiell lukrativen Märkten etc. – weiterhin unzweideutig Priorität. Rassistische Vorgaben blieben dem Primat der Gewinnmaximierung als der zentralen Trieb­kraft privatkapitalistischer Wirtschaftsunternehmen untergeordnet. Bei den DAF-Unterneh­men waren die Akzente anders gesetzt. Für sie spielte das Prinzip einer optimalen Gewinnerzielung zwar ebenfalls eine gewichtige Rolle; es war jedoch den zentralen politisch-ideologischen Prinzipien des NS-Regimes nachgeordnet. In der subjektiven Perspektive der DAF-Mana­ger war klar, dass Angehörige vermeintlich »minderwertiger« Völker selbstverständlich nicht in den Genuss der Wohltaten kommen durften, die der Konzern der Arbeitsfront anzubieten hatte. Vor allem die in Osteuropa lebenden Menschen konnten weder hoffen, dass ihnen billige und gesunde Unterkünfte seitens der DAF-Woh­nungs­ baugesellschaften angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt wurden, noch durften sie erwarten, dass sie über die Unternehmen der Arbeitsfront günstige Versicherungspolicen abschließen oder Kleinkonten mit relativ hohen Zinsen eröffnen konnten. Diese waren ein Privileg der »arischen Herrenrasse« sowie –

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abgestuft – solcher Völker, die innerhalb der rassistischen Hierarchie des Nationalsozialisten relativ weit oben verortet waren. Insbesondere im Osten wurde das Gros der einheimischen, angeblich »rassisch minderwertigen« Bevölkerung dagegen als Markt­potential bewusst ignoriert. Zum Teil war die Beschränkung auf Volks- oder Reichsdeutsche förmlich vorgeschrieben, im Versicherungsgeschäft z. B. für die Volksfürsorge in Polen. Im Allgemeinen war die rassistische Segregation der Kundschaft jedoch ein freiwil­ liges, für die Akteure aus den Reihen der DAF-Unternehmen selbstverständ­ liches Geschäftsprinzip. So hieß es 1940 in einem Rechenschaftsbericht des für die Wirtschaftsunternehmen zuständigen Zentralamtes der Arbeitsfront unmissverständlich, dass die »Versicherungsgesellschaften [der Arbeitsfront] nach den Siegen des deutschen Heeres im Osten und Westen und der Besetzung dieser Räume durch die deutsche Wehrmacht eine besondere Aufgabe darin [sehen], die deutschen Volksgruppen in den besetzten Gebieten versicherungsmäßig zu betreuen«. Auch die Bank der Deutschen Arbeit engagierte sich vor allem dort in besonderem Maße, wo der Prozess der ›Eindeutschung‹ bzw. Germanisierung bereits eingeleitet worden war oder in nächster Zukunft zu erwarten stand, etwa in Städten wie Thorn und Bromberg, wo die Deutsche Umsiedlungs-Treu­handGesellschaft, mit der die DAF-Unternehmen offenbar eng kooperierten, in größerem Umfang Deutsche anzusie­deln versuchte.50 Die nationalsozialistische Segregations- und Umsiedlungspolitik war im ­Übrigen so konzipiert, dass sich rassistische Prinzipien und ökonomisches Zweckdenken relativ reibungslos miteinander vereinbaren ließen: Nur die deutsche, d. h. entweder die dorthin umgesetzte reichsdeutsche oder die ansässige »eindeutschungsfähige« bzw. »artverwandte« Bevölkerung im ›germanisierten‹ Osten Europas würde  – so die teilweise dann realisierten Pläne der National­ sozialisten – über ein so hohes Einkommen verfügen, dass sie einen Teil davon ansparen konnte, mithin als potentiell solvente Kreditnehmer für die DAF-Bank interessant wurde oder – bei der Volksfürsorge oder dem Deutschen Ring – eine Versicherung abzuschließen in der Lage war. Die Wohnungen und Häuser wiederum, die der Wohnungsbaukonzern der Arbeitsfront seit 1938/39 namentlich im Osten zu errichten begann, waren ohnehin exklusiv für Deutsche reserviert. Ihre Errichtung war dem Ziel einer »raschen Besiedlung beispielsweise des Ostens« mit Reichs- und Volksdeutschen untergeordnet. Sie sollten entscheidend dazu beitragen, »dass der Ostraum in Zukunft eine erhöhte Anziehungskraft für die unternehmungsbereiten, tüchtigen Volksgenossen bietet«. Die »minderwertigen« Völker hatten sich dagegen, so erklärte Heinrich Simon als der wirtschaftspolitisch maßgebliche DAF-Funktionär, mit beengten, schlecht ausgestatteten und oft genug unhygienischen Unterkünften zu begnügen, für deren Errichtung bzw. Erhalt sich der Wohnungsbaukonzern der Arbeitsfront ohnehin nicht zuständig fühlte.51 50 Vgl. Kapitel 3, S. 163 ff., und (inkl. Zitatnachweis) Kapitel 4, S. 255, 258 f. 51 Vgl. (inkl. Zitatnachweise) Kapitel 7, S.  449.

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Gerade weil der Rassismus handlungsleitend war, legte man gegenüber den, den Deutschen angeblich »rassisch« benachbarten, Bevölkerungen der Niederlande, Belgiens, des Elsass oder Luxemburgs und ebenso in Dänemark und Norwegen eine gewisse Sensibilität an den Tag. Das im Westen und Norden Europas für das nationalsozialistische Okkupationsregime geltende Prinzip einer relativen Rücksichtnahme galt nicht nur für Kundenpotentiale, die man zu gewinnen trachtete, sondern auch für Unternehmensübernahmen. So wie die Varianten der ›Neuordnung‹ des Kredit- und Finanzwesens und ebenso der Bankenplätze der besetzten Länder seitens der deutschen Verwaltungen generell auf die rassistische ›Wertigkeit‹ der jeweiligen Bevölkerungen abgestellt wurden, so differenziert und abgestuft agierten die DAF-Konzernleitungen beim Aufbau von Filialen ihrer reichsdeutschen Unternehmen bzw. der Übernahme oder Neugründung von Unternehmen im jeweiligen Ausland. Im Umgang mit den ›rassisch‹ benachbarten Niederländern z. B. verbot sich ein brachiales Vorgehen, schon gar der – wie oft in Osteuropa – vielfach nur schlecht kaschierte Raub einheimischer Geldinstitute, Versicherungsgesellschaften, Druckereien oder anderer Unternehmen. So blieben namentlich die niederländischen Großbanken bis zum Ende der deutschen Besatzung selbständig und stark, während die Tochtergesellschaften der Berliner Großbanken nur eine marginale Bedeutung im nordwestlichen Nachbarstaat des Dritten Reiches besaßen. Auch die ansonsten ziemlich skrupellose Arbeitsbank agierte in ihren Expansionsbestrebungen in die Niederlande hinein vergleichsweise zurückhaltend und überließ die Hälfte der Anteile an der neugegründeten »Bank voor Nederlandsche Arbeid N.V.« ihrer Schwesterorganisation Nederlandsche Arbeidsfront.52 Die Gründung derartiger Joint-Venture-Unter­nehmen lässt sich als eine von der DAF bevorzugte Variante ökonomischer Durchdringung auch im Versicherungsbereich und im Verlagswesen beobachten, vor allem im Westen, in einigen Fällen außerdem in den mit NS-Deutschland befreundeten baltischen Regionen sowie außerdem den verbündeten südosteuropäischen Staaten (z. B. beim bulgarischen Schiffs- und Fahrzeugbauunternehmen Koralowag). Nach rassistischen Prinzipien zu handeln bedeutete schließlich, dass unter den Deutschen selbst lediglich die »Erbgesunden« in den Genuss der als Privileg offerierten Angebote der DAF-Unter­nehmen kamen. So sollten nur Deutsche, die »Rassereinheit« und »Erbgesundheit« nachweisen konnten, über geräumigen Wohnraum verfügen, der mit fließendem Wasser und hygienischen Nasszellen ausgestattet war, also (nach damaligen Kriterien) gehobenen Ansprüchen genügte. Ziel war, wie Heinrich Simon im Spätsommer 1938 intern betonte, die »Auslese der hochwertigen Elemente« bei gleichzeitigem »Zurückdrängen der minderwertigen Volks­teile«. Es würden, klagte Simon, »jährlich Tausende und 52 Vgl. Kapitel 3, S. 173 f. Dass im Frühjahr 1941 die Devisengrenze zwischen dem Altreich und den Niederlanden aufgehoben wurde, die Niederlande für die reichsdeutschen Banken mithin zum Binnenmarkt mutierten, änderte an der insgesamt vorsichtigen Ausweitung in den westlichen Nachbarstaat nichts.

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aber Tausende von Kindern nicht geboren werden, weil die schlechten Wohnverhältnisse den Eltern den Mut dazu nehmen«. Für ein nationalsozialistisch beherrschtes Europa sei dies höchst fatal. Denn »allein der Osten braucht Mil­ lionen deutscher Einwohner«.53 Nicht zuletzt in dieser Hinsicht, also der vielschichtigen rassistischen Aufladung einer ansonsten relativ ›gewöhnlichen‹ Unternehmenspolitik, spielten Unternehmen der radikal­an­tisemitischen Massenorganisation Deutsche Arbeits­ front eine Vorreiterrolle. Sie pflegten einen durch einen scharfen Rassismus geprägten nationalsozialistischen ›Stil‹ in ihrer Unternehmenspraxis, der (dies wäre in weiteren, vergleichend angelegten Studien noch genauer zu untersuchen) allmählich auch auf andere, ›normale‹ Wirtschaftsunternehmen abgefärbt haben dürfte. Begünstigt wurde diese tendenzielle Verallgemeinerung eines vom DAFKomplex ›vorgelebten‹ nationalsozialistischen Unternehmensstils auf breite Schichten der Privatwirtschaft dadurch, dass zumindest in Einzelfällen die für die Auftrags­vergabe zuständigen NS-Stellen auf die ›vorbildlichen‹ rassistischen Unternehmenspolitiken des DAF-Konzerns verwiesen oder eine solche Praxis implizit zur Richtschnur bei Ausschreibungen machten. Hinzu kam der mittelbare ökonomische Druck. Die Unternehmen der Arbeitsfront mit ihren überdurchschnittlichen Wachstumsraten wurden zur gefürchteten Konkurrenz – und in einer konkurrenzbasierten Marktwirtschaft, die Deutschland aller kriegswirtschaftlich bedingten Restriktionen zum Trotz zwischen 1933 und 1945 blieb, werden die erfolgreichsten Unternehmen zum Stachel, der zum Nach­eifern, d. h. zur Übernahme der tatsächlich oder vermeintlich erfolgreichen Praktiken motiviert. Die in auflagenstarken sozialpolitischen oder sonstigen Fachzeitschriften beschriebene und oft genug belobigte rassistische Unternehmens­praxis der DAF-Un­terneh­men schließlich tat ein Übriges, diese tendenziell zur Norm für unternehmerisches Handeln im Dritten Reich allgemein zu machen. Vor allem die rassistische Überformung der marktwirtschaftlichen Grundordnung im Dritten Reich und die rassistische Segregation der nicht-deutschen Bevölkerung war gemeint, wenn der Chef der TWU Hans Strauch von den leitenden Managern des DAF-Kon­zerns eine maßgebliche Beteiligung an der (wie er es formulierte) »Gestaltung und Durchsetzung eines neuen wirtschaftlichen und sozialen […] Ethos« verlangte.54 Diesem »Ethos« suchten die DAF-Unternehmen und deren Protagonisten »im Vormarsch auf das Ziel einer allumfassenden großen Volks-, Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft Großdeutschlands« als »Rufer, Mahner und Gestalter« nachzustreben. In welchem Maße es ihnen tatsächlich gelang, die ihnen vom TWU-Chef und anderen zugewiesene Rolle als »Wegbereiter« dieses Wirtschafts- und Unternehmensethos auszufüllen, ist eine andere Frage. Sie lässt sich letztlich nur in vergleichend angelegten Studien ganzer Branchen und Industriesektoren beantworten. 53 Vgl. (inkl. Zitatnachweise) Kapitel 7, S. 449. 54 Dieses und die folgenden Zitate: Strauch, Vorwort zu: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 7.

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Erschwerend kommt hinzu, dass zudem die »Betriebsführer« der DAF-Unternehmen ihrerseits keinen einheitlichen Korpus bildeten. Insbesondere je nach Herkunft und Vorgeschichte der jeweiligen Unternehmen lassen sich innerhalb des Arbeitsfront-Konzerns deutlich unterschiedlich konturierte Managertypen ausmachen: Die Vorstände der Unternehmen, die die Arbeitsfront vom DHV ›geerbt‹ hatte, wurden 1933 nur in seltenen Fällen ausgetauscht. Sie behielten ihren bis zur NS-Machtergreifung gepflegten ›Stil‹ nach 1933 im Wesentlichen bei. Anders war dies dort, wo die Arbeitsfront-Führung neue Vorstände einsetzte: Hier kamen in den ersten Jahren nicht selten »Alte Kämpfer« zum Zug, die oft korruptionsanfällig waren und mangelnde Kompetenz durch forsches Auftreten auszugleichen versuchten. Spätestens ab 1938 wurden sie durch Manager ersetzt, die zwar auch frühzeitig zu Anhängern der NS-Bewe­gung geworden waren, aber ebenso über einschlägige fachliche Fähigkeiten verfügten. Gleichzeitig freilich stellten diese Manager die Tugenden des seriösen Kaufmannes tendenziell hintan, agierten gern »hemdsärmelig« und besaßen eine im NS-Sy­stem funktionale Anpassungsfähigkeit an sich rasch verändernde Situationen. Offenbar gelang es ihnen oft besser als den Konkurrenten, neue Situationen für sich und ihr Unternehmen auszunutzen. Im Krieg freilich zeigten sich mindestens einige von ihnen dann jedoch überfordert. Im Übrigen lassen sich Hemdsärmeligkeit, die Fähigkeit zur Improvisation und eine Bereitschaft, sich geschmeidig auf die Erwartungen des Regimes, z. B. den Rassismus zur Prämisse geschäftlicher Praxis zu machen, einzulassen, ebenfalls bei vielen Repräsentanten der (anderen) privaten Unternehmen beobachten. Die im Vergleich zu ihren etablierten Kollegen deutlich jüngeren Manager der Arbeitsfront wirkten zudem bestenfalls indirekt vorbildgebend. Um unmittelbar als Persönlichkeiten beeindrucken zu können, waren sie innerhalb der reichsdeutschen Wirtschaftselite viel zu isoliert. Unabhängig davon wurde der hier angedeutete ›Stilwandel‹, den Franz L. Neumann auf einer allgemeinen Ebene in die Formel gebracht hat, dass »die Praktiker der Gewalt mehr und mehr Unternehmer und die Unternehmer Praktiker der Gewalt« wurden,55 durch einen allmählichen Generationswechsel innerhalb der reichsdeutschen Managerelite verstärkt. Von den zuständigen DAF-Funktionären wurden ein robuster Umgang mit der privaten Konkurrenz sowie überhaupt geschäftliche Aggressivität und ebenso Anpassungsfähigkeit an die sich ständig verändernden ökonomischen Konstellationen, aber auch an die Erwartungen der DAF-Führung gefördert und honoriert. Ob Rivalitäten und Konkurrenz innerhalb des Konzerns gewollt waren, weil dies sozialdarwinistischen Grundüberzeugungen entsprach und auch wirtschaftspolitisch die vorherrschende Doktrin war, oder ob dahinter schlicht die Unfähigkeit der verantwortlichen Funktionäre stand, aus dem schwer überschaubaren Unternehmensgeflecht einen geschlossenen Konzern zu machen, lässt sich auf Basis der insgesamt lückenhaften Quellenüberlieferung nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Der gesamte Unternehmenskomplex war und 55 Neumann, Behemoth, S. 660.

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blieb ein Konzern, der auf der zentralen Leitungsebene via TWU und Aufsichtsräte bis zum Schluss nur locker koordiniert wurde.

10.4. Klassifizierung und kategoriale Einordnung Weder Staatsunternehmen und öffentlich-rechtlicher Betrieb noch echtes Privatunternehmen, sondern ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹ und kapitalistisch wirtschaftendes Partei-Unternehmen Es ist relativ leicht zu konstatieren, was die Unternehmen der Arbeitsfront nicht gewesen sind. Sie waren erstens keine Staatsunternehmen. Sie konnten dies schon deshalb nicht sein, weil die DAF als Eigentümerin nicht in dieses Schema passt. Obgleich sich die Arbeitsfront nach und nach staatliche Funktionen aneignete und totalitär auftrat, war sie kein Teil des (traditionellen) Staats­apparates. Kein Ministerium und keine der sonstigen staatlichen Verwaltungen besaßen Interventionsmöglichkeiten gegenüber den Unternehmen der Arbeitsfront, von einer wie auch immer gearteten Verfügungsgewalt über diese ganz zu schweigen.56 Staatliche Institutionen besaßen auch keine Anteile an einzelnen, als Aktiengesellschaften organisierten DAF-Unternehmen, etwa den Vereinigten Stahlwerken oder der Dresdner Bank bis zu deren Reprivatisierung vergleichbar.57 Für die DAF-eigene Bank der Deutschen Arbeit geschöpfte Termini wie »halbstaatliche Behördenbank«58 mögen spezifische Aspekte ihrer Funktion und vielleicht auch des Selbstverständnisses der Protagonisten treffen. Gerecht werden derartige, allzu sehr an den üblichen Strukturen ›normaler‹ kapitalistischer Marktwirtschaften und ›klassischen‹ Formen von Staatlichkeit orientierte Wortschöpfungen den Eigentümlichkeiten des DAF-Konzerns oder auch nur bestimmter, unter seinem Dach vereinigter Unternehmen jedoch nicht. Zweitens waren die verschiedenen Teile des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront auch keine kommunalen Betrieben vergleichbaren öffentlich-recht­ lichen Unternehmen, die als infrastrukturelle Einrichtungen unabdingbar gewesen wären. Jeder Zweig des DAF-Kon­zerns war für sich genommen grundsätzlich verzichtbar. Wenn die Arbeitsbank, die Versicherungs- oder die Wohnungsunternehmen der Arbeitsfront, das Volkswagenwerk, das Deutsche Gemeinschaftswerk oder eines der weiteren Unternehmen der Organisation aufgelöst worden wären, hätte dies vielleicht zu partiellen Engpässen in der einzelnen Branche geführt. Die Grundversorgung mit den jeweiligen Gütern wäre jedoch nicht zu56 Lediglich der NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz verfügte ab 1935 über Hebel zur Kontrolle der DAF-Unternehmen, die er faktisch jedoch kaum wahrnahm. Vgl. Kapitel 3, S. 153 f. 57 Eine gewisse Ausnahme bildete in dieser Hinsicht die Vulkan-Werft. An diesem Unter­nehmen hielt die DAF mehr als 80 % der Aktien; der Rest war in den Händen halböffentlicher regionaler Unternehmen und Verbände, insbesondere von Ver­ sicherungsgesellschaften. Vgl. Kapitel 8, S. 520, Anm.  90. 58 So Kreutzmüller, Bankenplatz Amsterdam, S. 190.

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sammengebrochen; andere Unternehmen in den einzelnen Wirtschaftszweigen hätten den Ausfall über lang oder kurz kompensieren können. Ebenso wenig waren die Unternehmen der DAF drittens im klassischen Sinne ›private‹ Wirtschaftsunternehmen. Zwar waren sie firmenrechtlich in aller Regel als Aktiengesellschaften oder »Gesellschaften mit beschränkter Haftung« eingetragen und entsprechend organisiert. Aber die Gesellschafter der GmbHs waren meist die TWU oder die großen DAF-Unter­nehmen als Muttergesellschaften, manchmal auch höhere DAF-Funktio­näre, die daraus allerdings keine persön­ lichen Vorteile ziehen konnten, da sie keine wie auch immer geartete private Verfügungsgewalt über den entsprechenden Konzernteil der Arbeitsfront be­ saßen. Nur Ley konnte sich als Chef der führerzentrierten Arbeitsfront so etwas wie eine persönliche Verfügungsgewalt anmaßen. Die Schwierigkeiten, den Konzern der Arbeitsfront in klassisch unternehmensrechtliche Kategorien zu fassen, können nicht überraschen. Denn tatsächlich war diese Stellung des »Weder-Noch« in den Jahren der NS-Diktatur nicht so einzigartig, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Die einzelnen Segmente des DAF-Konzerns teilten diesen ihren unklaren Status mit den Unternehmen der SS und ebenso denen der Partei (Hermann-Göring- und Wilhelm-Gustloff-Werke). Jene waren ähnlich schwer nach überkommenen Rastern zu kategorisieren. Bei dem hier diskutierten Problem einer angemessenen katego­rialen Einordnung des DAF-Konzerns handelt es sich mithin um eine unternehmensrechtliche Eigentümlichkeit des NS-Systems generell, wie sie sich vergleichbar in keiner anderen Epoche deutscher wie europäischer Geschichte und in keinem anderen politischen System findet. Das Schicksal, nicht in einer bestimmten kategorialen Schublade abgelegt werden zu können, teilte das DAF-Wirtschaftsimperium zudem mit der politischen Organisation Deutsche Arbeitsfront. Die mitgliederstärkste NSMassenorganisation war, wie Tilla Siegel einmal formuliert hat, »eine Mischung aus Polizei, Sozialamt, Gewerbeaufsichtsamt, Volkshochschule und Wohnungsbaugesellschaft«.59 Dass man dem Phänomen Deutsche Arbeitsfront nur durch eine derartige (unvollständige) Reihung näherkommt und Etikettierungen wie Pseudo-Gewerk­schaft oder Quasi-Ge­werk­schaft viel zu kurz greifen, ist kein Zufall, sondern war gewollt. Hitler erklärte Mitte 1933, die DAF sei ein »Wechselbalg« und solle dies nach seinem Willen auch erst einmal bleiben.60 Das heute in der Alltagssprache pejorativ verwendete Wort »Wechselbalg« war 59 Siegel, Rationalisierung, S. 138. Ronald Smelser (Hitlers Mann, S. 178, 180 u.ö.) wiederum spricht von einer »totalitären Superbehörde für Sozial- und Wirtschaftspolitik«, zu der Ley die DAF habe ausbauen wollen. Auch das ist freilich nur eine Verlegenheitsfloskel. 60 Dies habe ihm der »Führer«, erklärte Ley im Spätsommer 1937, einige Tage nach der Zerschlagung der Gewerkschaften und der Gründung der DAF mitgeteilt. Was aus der DAF schließlich werde, müsse sich, so Hitler nach den Worten Leys, »erst entwickeln«. Nach: Der Parteitag der Arbeit vom 6. bis 13. Sept. 1937. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongreßreden, München 1937, S. 265.

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vom »Führer« freundlich gemeint: Die DAF sollte eine Organisation sein, die sich elastisch an die vom NS-Regime vorgegebenen ›Zeiterfordernisse‹ anzupassen verstand und zusätzliche Aufgaben übernahm, wann immer dies der Diktator und seine Paladine wünschten. »Wech­selbalg« war für Hitler ein Synonym für Flexibilität in politischer wie organisatorischer Hinsicht; an ›Endgültigkeit‹ war dabei nicht gedacht. Angesichts dieser Festlegung, dass die DAF-Führung politisch elastisch zu bleiben und auch die Organisationsfrage pragmatisch zu behandeln habe, sowie angesichts der dynamischen Ent­wicklung, die das NSRegime nahm, nimmt es nicht wunder, dass sich die Juristen des Dritten Reiches schwergetan haben, die Arbeitsfront organisationsrechtlich zu kategorisieren, und bis zum Ende der Diktatur zu keiner einvernehmlichen oder gar verbind­ lichen Lösung gekommen sind. So wenig wie der DAF als politischer Organisation kommt man auch den Unternehmen der Arbeitsfront auf der Ebene der Rechtsform bei. Um den eigenartigen Charakter des DAF-Konzerns präziser bestimmen zu können, ist es sinnvoll, noch einmal  – resümierend  – das Selbstverständnis und Tätigkeitsprofil des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront genauer zu betrachten. Der Konzern der Arbeitsfront war im Rahmen dieser Untersuchung als ›volksgemeinschaft­ licher Dienst­leister‹ bezeichnet worden. Gemeint ist damit, dass es sich bei ihm um einen Unternehmenskomplex handelte, der sich die Sozialintegration breiter Bevölkerungsschichten in das NS-System zur Aufgabe gemacht hatte. Privatwirtschaftlich organisiert, sollte der DAF-Konzern wesentlich zum Aufbau der »Volksgemeinschaft« beitragen. Rhetorisch rekurrierten die Protagonisten der politischen Organisation der Arbeitsfront und ebenso die des Konzerns dabei nicht zufällig immer wieder auf die Formel »Gemeinnutz geht vor Eigennutz«: Sie galt während des Dritten Reiches allgemein »als das oberste sittliche Ge­ setz des Nationalsozialismus und damit die Richtschnur des Neuaufbaus der deutschen Volksgemeinschaft«, wie es im auflagenstarken Volks-Brockhaus von 1939 heißt.61 Die DAF hatte ihrerseits im Zusammenhang mit der Übernahme der Unternehmen und Vermögen der vormaligen Arbeitnehmerverbände 1933 die Floskel »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« als »unseren obersten Grundsatz« bezeichnet.62 »Gemeinnutz«, »Gemeinwohl« und ähnliche Begrifflichkeiten wurden während der NS-Zeit allerdings mit ganz anderen Bedeutungen unterlegt als heute oder auch vor 193363 (obwohl fatale ältere Kontinuitäten nicht zu übersehen sind). Sie wurden mit den Ideologemen des Nationalsozialismus aufgeladen – ohne dass dies ausdrücklich artikuliert werden musste. Indem die Führung der Arbeitsfront im Zusammenhang mit der Übernahme der Unternehmen und 61 Der Volks-Brockhaus, Leipzig 1939, S. 237. 62 Vgl. (inkl. Zitatnachweis) Kapitel 1, S. 66. 63 Dies ist bekannt. Vgl. insbesondere Michael Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, Berlin 1974; ferner z. B. Gerold Ambrosius, Was war eigentlich »nationalsozialistisch« an den Regulierungsansätzen der dreißiger Jahre, in: Abelshauser (Hg.), Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen, S. 41-60, hier: S. 57.

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Genossenschaften der Arbeitnehmerverbände die Floskel »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« zur zentralen Richtlinie machte, signalisierte sie, dass sich der DAF-Konzern einem auf die »Volksgemeinschaft« fokussierten »Gesamt-« oder »Gemeinwohl« verpflichtet sah, das »erbgesunde« deutsche »Volksgenossen« so selbstverständlich einschloss wie es nach rassistischen und politischen Kriterien als »gemeinschaftsfremd« klassifizierte Menschen ausgrenzte.64 Die ideologisch derart veränderte Formel vom »Gemeinnutz« bzw. »Gemeinwohl« bestimmte die Richtung der Aktivitäten des DAF-Wirtschaftsimperiums: Über den klassischen – durch einen kalkulierten Rückbau ab 1933 ohnehin zunehmend verstümmelten – Sozialstaat hinaus sollte der DAF-Konzern »zusätzliche Geldquellen im Dienste des Gesamtwohles« bereitstellen, wie Heinrich Simon, einer der beiden Stellvertreter Leys, diese Aufgabenstellung umschrieb.65 Das paternalistische Wohlfahrtsregime, mit dem die Arbeitsfront zunächst die deutsche »Volksgemeinschaft« und nach Kriegsbeginn darüber hinaus die ›artverwandten‹ Völker im nationalsozialistisch beherrschten, rassistisch segregierten Europa beglücken wollte, sollte nicht auf staatswirtschaftlichem Wege errichtet werden. Man wollte dafür vielmehr ›privates‹ Kapital mobilisieren. Die eigenen Unternehmen sollten hier als Pioniere fungieren. Die Arbeitsfront setzte dabei auf die Triebkräfte und die Dynamik eines Unternehmertums, das in seiner Handlungsfreiheit grundsätzlich nicht restringiert wurde. Vor diesem Hintergrund drängen sich Analogien zu modernen Formen des Public Private Partnership (PPP) auf. So spricht Susanne Willems in ihrer Studie über Albert Speer von einem »frühen Beispiel für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben«, wenn sie beschreibt, wie ungeniert dieser in seiner Funktion des Generalbauinspekteurs (GBI) für die Reichshauptstadt Berlin das »am Tropf des Reichshaushalts genährte Architektur- und Bauimperium Speer« protegierte.66 Wiesen auch die DAF-Unternehmen Merkmale eines PPP auf ? Der moderne Begriff des PPP zielt auf die Mobilisierung privaten Kapitals und unternehmerischer Kompetenz ab. Innerhalb eines Politikfeldes sollen eigentlich staatliche oder kommunale Aufgaben durch Private effizienter  – kostengünstiger, aber auch elastischer – bewältigt werden, als dies durch eine auf sich 64 Vgl. Einleitung, S. 15 ff. sowie den entsprechenden Passus in der Hitler-Verordnung vom 24. Okt. 1934 (Kapitel 1, S. 61 f ). Vgl. außerdem vor allem (mit Blick bes. auf die antisemitischen Konnotationen des nationalsozialistischen Gemeinwohlbegriffs und seine Verknüpfung mit dem Arbeitsbegriff ) Michael Wildt, Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008, S. 20 f. 65 Vorwort zu: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront 1939, S. 5. 66 Die Verschränkung von öffentlichen Aufgaben und privaten Interessen habe zudem die Dienststelle des GBI zu einem »Zentrum institutionalisierter Korruption« gemacht. Susanne Willems, Der entsiedelte Jude. Albert Speers Wohnungsmarktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau, Berlin 2000, bes. (inkl. Zitate) S. 27, 31 ff. Das folgende Zitat: ebd., S. 44. Vgl. ferner Bernhard Gotto, Polykratische Selbststabilisierung. Mittel- und Unterinstanzen in der NS-Diktatur, in: Hachtmann/Süß, Hitlers Kommissare, S. 2850, hier: S. 49.

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gestellte Behörde geschieht. Staatliche oder kommunale Hoheitsträger setzen dabei auf Know-how und Erfahrungen der privaten Partner, über die sie selbst nur begrenzt oder gar nicht verfügen. Die Privaten locken der zu erwartende Profit sowie neue Märkte, die sie mit Projekten des PPP zu erschließen hoffen.67 Ein solcher privatwirtschaftlicher Partner sind die DAF und ihre Unternehmen nicht gewesen. Dabei fällt weniger ins Gewicht, dass die Funktionsträger der Arbeitsfront und die Repräsentanten des Konzerns im Allgemeinen über weniger Know-how und einschlägige Erfahrungen verfügten als die Protagonisten etablierter Unternehmen. Vor allem nahmen die Unternehmen der Arbeitsfront weder infrastrukturelle noch sonstige hoheitliche Aufgaben im engeren Sinne wahr. Höchstens für die Aktivitäten, die der Baukonzern und die Wohnungsgesellschaft der Arbeitsfront im Auftrag des »Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau« und später für den Reichswohnungskommissar (RWoK) entwickelten, wird man  – eingeschränkt  – von einem PPP sprechen können; noch am ehesten entsprachen die im Auftrage des RWoK errichteten Behelfsheime als Notunterkünfte für Bombengeschädigte oder die auf Wunsch von Unternehmen oder Kommunen aufgestellten Bordellbaracken für Fremdarbeiter dem, was man als ›kriegsbedingte Infrastrukturaufgaben‹ bezeichnen könnte. Die »Volksprodukte« dagegen, die die einzelnen DAF-Unterneh­men offerierten, wurden für letztlich anonyme Märkte hergestellt und nicht im Rahmen eines Public Private Partnerships. Treffender ist der im Rahmen dieser Untersuchung geprägte Terminus ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹. Er verweist auf den ideologisch-gemeinnützigen Auftrag, dem sich die DAF-Unter­nehmen verpflichtet fühlten. Die »Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen«, die Hitler der Arbeitsfront übertragen hatte, und die klassisch-kapitalistischen Modi, in denen die DAF-Unternehmen agierten (Senkung der Produktionskosten, Er­ weiterung der Absatzmärkte, Auslastung der Kapazitäten, möglichst hohe Renditen), schlossen sich keineswegs aus. Bereits Ernst Fraen­kel hat beobachtet, dass die Orientierung auf ein nationalsozialistisch definiertes »Gemein-« oder »Gesamtwohl« die Prinzipien und Mechanismen der »auf Eigennutzen aufgebauten kapitalistischen Wirtschaft« während der NS-Herr­schaft nicht aushebelte.68 Dass private und politische Interessen sich im Dritten Reich in erheblichem Maße überschnitten, haben auch bereits NS-Historiker der älteren Generation wie Dietmar Petzina und Detlev Peukert festgestellt. Sie konstatierten die »private Durchdringung der Wirtschaftspolitik« oder sprachen gar einer »Privatisierung des Staates« während des Dritten Reiches.69 Jüngere Arbeiten haben dies bestätigt. So resümiert Markus Fleischhauer seine Studie über den NSDAP-Gau 67 Zur Definition des PPP vgl. z. B. Commission of Public Private Partnerships/Institute for Public Policy Research (IPPR), Building better Partnerships, London 2001, S. 40. 68 Vgl. Ernst Fraenkel, Der Doppelstaat, Frankfurt a. M. 1974 (EA 1940), S. 112-117, Zitat: S. 116. 69 Vgl. Dieter Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vier-

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Thüringen mit der Bemerkung, dass sich »das Outsourcing von staatlichen Aufgaben und eine damit einhergehende Entstaatlichung« während des Krieges geradezu zum »Strukturmerkmal« dieses vom mächtigen Fritz Sauckel geleiteten »Mustergaues« entwickelt habe.70 Im Rahmen der Kriegsvorbereitung, aber auch bei der Schaffung und Sicherung der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« wurden die Grenzen zwischen privaten Unternehmensinteressen und politischen Aufgaben zunehmend verwischt. Neben monopolähnlichen Gebilden wie den I.G. Farben waren es vor allem die großen parteinahen Konzerne, die dabei zu treibenden Elementen wurden. Sie setzten unterschiedliche Akzente: Die Hermann-Göring-Werke mit ihrem Fokus auf Erzförderung und Stahlproduktion hatten die nationalsozialistische Autarkiepolitik abzusichern. Das Speer’sche Bauimperium wollte mit seinen megalomanen Stadtplanungen den Anspruch der »arischen Herrenrasse« und ihres »Führers« auf ein Tausendjähriges Reich auf so eindrucksvolle wie einschüchternde Weise symbolisch verewigen. Der Konzern der Arbeitsfront wiederum verstand sich wesentlich als ›volksgemeinschaftlicher Dienstleister‹. Alle DAF-Unternehmen waren auf je eigene Weise auf das Ziel des Aufbaus einer »Volks- und Leistungsgemeinschaft der Deutschen« geeicht, und (damit) gleichzeitig dem Primat des Bellizismus und Rassismus verpflichtet. Dies musste (wie in den empirischen Kapiteln gezeigt werden konnte) keineswegs im Widerspruch zu ordinären betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen stehen. Konkurrenz – ein Lebenselixier der DAF Hitler und die anderen maßgeblichen NS-Führer wollten keine sozialistische Planwirtschaft. Sie wollten im Gegenteil Privateigentum, ökonomische Vertragsfreiheit und überhaupt die »freie Wirtschaft« unbedingt gestärkt wissen. Der Staat sollte auf keinen Fall selbst wirtschaftlich tätig werden. Ebenso wenig sollte das Prinzip marktwirtschaftlicher Konkurrenz aufgehoben oder auch nur relativiert werden. Konkurrenz war vielmehr das Lebenselixier des Nationalsozialismus, der Kern und Angelpunkt der »freien Wirtschaft«, zu der sich Ley, Hitler, Göring und viele andere NS-Größen immer wieder bekannten.71 Gerade die Arbeitsfront und ihre Führung wussten um das dynamisierende, leistungssteigernde Moment der Konkurrenz. Gleichzeitig ideologisierten sie die Konkurrenz, indem sie sie sozialdarwinistisch fundierten. Wie sehr die DAFFührung das Prinzip des Wettbewerbs schätzte, lässt sich nicht nur am Umgang der leitenden Funktionäre mit ihrem Konzern und der Geschäftspolitik der einzelnen Unternehmen zeigen. Es war kein Zufall, dass die Arbeitsfront außerdem jahresplan, Stuttgart 1968, S. 197; Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde, S. 50. 70 Fleischhauer, NS-Gau Thüringen, S. 359. 71 Bezeichnungen wie »totalitärer Etatismus«, den Tilmann Harlander (Zwischen Heimstätte und Wohnmaschine, S. 293) zur Charakterisierung der Grundzüge der Wohnungs­baupolitik der DAF vorgeschlagen hat, sind deshalb letztlich irreführend.

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als politische Organisation gezielt daran ging, zusätzliche Elemente von Konkurrenz in die Volkswirtschaft wie den einzelbetrieblichen Alltag zu implementieren. Der »Leistungskampf der Betriebe«, der ab 1938 die einzelbetriebliche Rationalisierung sowie die Steigerung der Arbeitsleistung ins Zentrum stellte und beides zum maßgeblichen Kriterium für die Auszeichnung als »Musterbetrieb« machte, ist dafür ein herausragendes Beispiel. Durch ihn sollte der Stachel der zwischenbetrieblichen Konkurrenz, der durch den Rüstungsboom, ausgelastete Kapazitäten und sonstige kriegswirtschaftliche Rahmenbedingungen stumpf zu werden drohte, erneut geschliffen, der Wettbewerb zusätzlich stimuliert werden. Konkurrenz war ein Lebenselixier der DAF auch auf der Ebene des Organisationsapparates. Kaum ein »charismatischer Jünger« und kaum ein »charismatischer Verwaltungsstab« hat das Prin­zip der Konkurrenz um Posten und Kompetenzen in der politischen Sphäre so exaltiert praktiziert wie Ley und seine Arbeitsfront. Ley wusste sich dabei in Übereinstimmung mit seinem »charismatischen Herrn«. Hitler hat ganz gezielt eine Doppelbesetzung der Spitzen des NS-Herr­schaftssystems betrieben und deren Kompetenzen bewusst unabgeklärt gelassen. Er wusste um die dynamisierenden Effekte politischer Konkurrenz, oder spürte dies jedenfalls instinktiv. Doppelspitzen und deren ›kalkulierte Rivalität‹72 waren deshalb konstitutiv für den »Führerstaat«.73 Ley kopierte dieses von Hitler praktizierte Prinzip und hatte seinerseits mit Heinrich Simon und Otto Marrenbach zwei ›Kronprinzen‹ eingesetzt, die sich um Posten und Positionen heftig stritten und Ley deshalb niemals gefährlich werden konnten. Auch das Verhältnis der für die Grundlinien der Politik der Arbeitsfront maßgeblichen Zentralämter war durch sich überlappende Zuständigkeiten und anhaltende Rivalitäten charakterisiert, die immer wieder zu heftigen Kontroversen aufflackerten.74 Es war vor diesem Hintergrund nur konsequent, auch die Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichen Funktionen, die sich die DAF anmaßte, und ökonomischer Sphäre, d. h. dem Konzern der Arbeitsfront, durchlässiger zu gestalten und Machtpositionen in beiden Sphären für die Auseinandersetzungen mit ökonomischen oder politischen Rivalen zu nutzen. Damit stand die von Ley geführte NS-Organisation allerdings nicht allein. Auch zahlreiche andere Wirtschafts­ unternehmen gingen im Dritten Reich zunehmend dazu über, sich für ökonomische Konkurrenzkämpfe in der politischen Sphäre Bündnispartner zu suchen. Sie scheuten sich nicht, politische Rivalen Leys zu mobilisieren, wenn sie sich da72 Zu diesem Begriff vgl. Hachtmann, Koloss, S. 84; ders., Struktur der Neuen Staatlichkeit, S. 67. 73 Dies hat vor allem Kershaw (Hitler, II, bes. S. 420-427) überzeugend gezeigt. Die These Mommsens, dass der Doppelung der Führungspositionen die »notorische innere Unsicherheit Hitlers allen grundsätzlichen Fragen gegenüber« zugrunde gelegen habe, scheint mir nicht überzeugend. Hans Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich. Mit ausgewählten Quellen zur nationalsozialistischen Beamtenpolitik, Stuttgart 1966, S. 98. Sie war vom sozialdarwinistisch geprägten Hitler wohl eher kalt kalkuliert. 74 Vgl. Hachtmann, Koloss, bes. S. 44 f., 63 f., 87 ff.

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von ökonomische Vorteile versprachen und vielleicht sogar die ungeliebte DAFKonkurrenz aus dem Felde schlagen konnten. Die wachsende Verflechtung von ökonomischer und politischer Sphäre und deren Aufladung mit einem scharfen, sozialdarwinistisch geprägten Konkurrenzverhalten markiert mithin einen generellen Trend der nationalsozialistischen Volkswirtschaft. Wichtige Gruppen der Industriellen und Bankiers verschmolzen mit einer heterogenen »Gruppe von Parteihierarchen« (ganz so wie bereits Franz L. Neumann dies 1944 beobachtet hatte) »zu einem mächtigen Block, der über die Mittel der Produktion wie über die Mittel der Gewalt verfügt«75 – ohne dass das Prinzip der Konkurrenz dadurch aufgehoben worden wäre. Im Effekt verbürgerlichte sich der Nationalsozialismus an der Macht zusehends, während sich die etablierten Funktionseliten gleichzeitig zunehmend nationalsozialistischen Rollenerwartungen und Denkmustern anpassten. Dieser Trend beschränkte sich nicht auf den Bereich der Wirtschaft.76 Er war hier jedoch gleichfalls zu beobachten. Zeitgenossen machten keinen Hehl daraus, dass diese Angleichung bereits bis Kriegsbeginn weit gediehen war. Wie weit, brachte der Leiter der Reichsgruppe Versicherung Eduard Hilgard unfreiwillig und resümierend zum Ausdruck, als er retrospektiv feststellte, er habe spätestens Ende der dreißiger Jahre »keine nennenswerten Unterschiede zwischen den privaten und den DAF-Gesell­schaf­ten [mehr] erkennen« können.77

75 Neumann, Behemoth, S. 661. 76 Markante Konturen zeigte dieser Prozess außerdem z. B. im wissenschaftlichen bzw. wissenschaftspolitischen Bereich. Zur Verbürgerlichung der wissenschaftspolitischen Funktionsträger des NS-Regimes sowie der Adaption eines nationalsozialistischen ›Stils‹ durch führende Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, Bd. 2, bes. S. 741-744, 1206. 77 Nach: Feldman, Allianz, S. 374.

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11. Spuren nach 1945

Anfang August 1945 sollten zwei Vorstandsmitglieder des entstehenden Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) im Auftrage der Abteilung für Finanzund Steuerwesen des Berliner Magistrats ein Memorandum über »den Stand der Vermögenserfassung und -verwaltung bei der ehemaligen DAF« verfassen.1 Bei ihrem Versuch, wenigstens grobe Daten über das Vermögen und damit auch über die Unternehmen der Arbeitsfront, »nur annähernd brauchbares Zahlenmaterial« zusammenzustellen, stießen sie auf ungeahnte Schwierigkeiten. Der größere Teil der Überlieferung war vernichtet oder aufgrund von nicht dokumentierten Auslagerungen ab 1943 in alle Winde zerstreut oder (so eine in dem Bericht geäußerte Vermutung) in »schwer oder überhaupt noch nicht zugänglichen Räumen« der Trümmerwüste Berlin verschlossen. Darüber hinaus müsse von einer »völligen Auflösung der Verwaltung der DAF schon vor Abschluss der Kämpfe« und lange »vor ihrem Verbot« durch die Alliierten gesprochen werden, nachdem die zentralen Akteure der Berliner DAF-Zen­tra­le ihr Heil in der Flucht Richtung Westen gesucht hatten. Dennoch hinterließ das riesige, schwer überschaubare Konglomerat an geraubten und zusammengerafften Unternehmen sowie sonstigen Besitztümern in Ost- wie in Westdeutschland zahlreiche Spuren, die freilich oft nur schwer zu identifizieren sind.

11.1. Was blieb von den Unternehmen und ihren Protagonisten? Elitenkontinuitäten 1945 wurden zunächst sämtliches Eigentum und sämtliche Unternehmen der

DAF von den Alliierten beschlagnahmt. Den Verantwortlichen sollte der Pro1 In: Landesarchiv Berlin, C Rep. 800, Nr. 69. Die folgenden Zitate: S. 5 f. (Ich danke Frau v. Bredow von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben für Einsicht in diese Denkschrift.) Bei den Autoren des Berichts handelt es sich um Otto Brass und Hermann Schlimme. Brass (1875-1950), u. a. noch vor dem Ersten Weltkrieg Vorsitzender des Bezirks Niederrhein des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes und während der Weimarer Republik einer der wichtigen Verleger der Arbeiterbewegung, war 1933 kurzzeitig im KZ sowie von 1939 bis 1945 im Zuchthaus Brandenburg inhaftiert und gehörte der Widerstandsorganisation »Deutsche Volksfront« an. Schlimme (18821955), ab 1911 Bezirksleiter des Deutschen Transportarbeiter-Verbandes in Halle und von 1931 bis 1933 Sekretär im Bundesvorstand des ADGB, war nach 1933 gleichfalls kurzzeitig im KZ, von 1937 bis 1940 im Zuchthaus Brandenburg und stand dem Widerstand des 20. Juli 1944 nahe. Brass und Schlimme gehörten Mitte 1945 zum »vorbereitenden Gewerkschaftsausschuss für Groß-Berlin« zur Wiederbegründung freier Gewerkschaften. In dieser Funktion verfassten sie das hier zitierte Memorandum. Beide gehörten von 1946 bis 1950 bzw. 1951 dem Bundesvorstand des FDGB an.

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zess gemacht und mindestens ausgeschlossen werden, dass sie wieder auf führende Positionen in die Unternehmen zurückkehrten, die sie bis 1945 geleitet hatten. Die Protagonisten der DAF-Unternehmen kamen alles in allem ziemlich ungeschoren davon. Die Beteiligung des nach 1933 leitenden Personals an der Enteignung der Gewerkschaften war nicht strafwürdig. Ebenso wenig wurden Vorstände und Aufsichtsräte für ihre – oft geschickt betriebswirtschaftlich verbrämte, mithin nur schwer justiziable  – Beteiligung etwa an der Enteignung jüdischer Ver­sicherungsnehmer und Konteninhaber zur Rechenschaft gezogen. Gegen die maßgeblichen Manager der Arbeitsbank wurde zwar ein Prozess vorbereitet; er kam allerdings nicht mehr zustande.2 Die während der NS-Zeit amtierenden Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder der Volksfürsorge wiederum durften nach 1945 zwar nicht auf führende Posten ihres alten Unternehmens zurückkehren; aber auch sie mussten sich für ihre Unternehmens­politik bis 1945 nicht verantworten und wurden schon bald als »Minderbelastete« oder »Mitläufer« entnazifiziert.3 Dasselbe gilt für die Vorstände der Deutscher RingVersicherungen; sie konnten zudem ihre Karriere in anderen großen Versicherungsunternehmen der Bundesrepublik fortsetzen.4 Auch Bodo Lafferentz, Ferdinand Porsche, Anton Piëch und weiteren maßgeblichen Leuten des Volkswagenwerks blieb 1945 ein abruptes Karriereende erspart. Besonders ausgeprägt war die personelle Kontinuität in den Konsumgenossenschaften, die allerdings auch nur vier Jahre  – neu formiert als Deutsches Gemeinschaftswerk  – im Besitz der Arbeitsfront waren. Von den sechs Geschäftsführern, welche die Arbeitsfront nach der Übernahme der Konsumgenossenschaften Anfang 1941 an die Spitze der Großeinkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften (GEG) berief, waren drei schon vor 1933 für die GEG tätig gewesen. Sogar vier dieser sechs Geschäftsführer wurden seit Ende der vierziger bzw. Anfang der fünfziger Jahre erneut für die GEG bzw. den Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften (ZdK) als dem Zusammenschluss der bundesdeutschen Konsumvereine tätig. Kaum jemand personifiziert diese Kontinuität so stark wie Carl Schumacher. Er war 1929 als Syndikus in die Dienste des »Verbandes norddeutscher Konsumgenossenschaften e.V.« getreten, wurde 1937 Syndikus des »Reichsbundes deutscher Verbrauchergenossenschaften« und blieb in der Ägide der DAF ab 1941 als Prokurist des GW in einer Spitzenposi2 Vgl. Kreutzmüller/Loose, Bank der Deutschen Arbeit, S. 1 bzw. 3. 3 Vgl. Böhle, Expansion, S. 206 f. 4 Paul Oestrovsky wurde nach 1945 Leiter der Werbeabteilung der »Iduna«, der Nachfolgeorganisation der »Ver­einigten Lebensversicherungs AG für Handwerk, Handel und Gewerbe«, in der er bis 1935 als Prokurist tätig gewesen war. Dass Walther Käding 1946 von einer Spruchkammer zunächst als »belastet« eingestuft worden war, behinderte seine anschließende Karriere nicht: Ab 1948 saß er im Vorstand der »Norddeutschen Lebensversicherungs AG«, ab 1954 außerdem im Vorstand der Norddeutschen VersicherungsGesellschaft. Auch Albert Franke blieb nach 1945 als Vorstandsmitglied der »Vorsorge« ein Spitzenmanager der Versicherungswirtschaft. Kratzer ließ sich als Rechtsanwalt in München nieder.

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tion. 1948 wur­de Schumacher hauptamtliches Vorstandsmitglied und von 1954 bis 1967 sogar Vorstandsvorsitzender des neu konstituierten ZdK. Als Prokurist der GEG der Arbeitsfront unterzeichnete er Anfang der vierziger Jahre Entlassungsschreiben »jüdisch Versippter«; als Vorstandsmitglied des ZdK sorgte er nach 1945 mit seinem Insider-Wissen über das GW dafür, dass Orts­beauftragte der DAF aus ihren Positionen entfernt wurden.5 Gewiss kann es nicht darum gehen, Schumacher und viele andere mit ähnlichen Verhaltensweisen moralisierend zu verurteilen. Sie versuchten in subjektiver Perspektive ›zu retten, was zu retten ist‹. Dennoch kann nicht zweifelhaft sein, dass hinter ihrer Haltung und ihrem Handeln das Pa­radoxon einer hohen Anpassungsbereitschaft steckte, die gleichzeitig Rückschlüsse auf eine relative Beharrungskraft von Resten sozialistischer Milieus in den Genossenschaften erlaubt. Die Akteure selbst verstrickten sich dabei immer stärker in Widersprüche, die sie zwangsläufig in politischmoralisch mindestens zwiespältige Situationen brachten. Für eine andere Variante der Elitenkontinuität standen der für die Wirtschaftsunternehmungen der Arbeitsfront politisch Verantwortliche Hans Strauch, der Leiter des DAF-Reichsheim­stät­tenamtes Paul Steinhauser, die Leiter der DAF-Bauabteilung bzw. des DAF-Bauamtes Julius Schulte-Froh­linde und Karl Preus oder Wolfgang Essen, der 1941 als Vorstandsvorsitzender an die Spitze des Deutschen Gemeinschaftswerkes trat. Sie wurden nach 1945 schon bald, in des Wortes doppelter Bedeutung, ›entnazifiziert‹, konnten nach relativ kurzer Zeit ihren alten Berufen nachgehen sowie Seilschaften der »alten Kame­raden« knüpfen und pflegen. Strauch ging nach München und kehrte in seinen alten Beruf als Bankangestellter zurück. Steinhauser eröffnete 1950 mit Albert Bobinger, der ihm 1939 auf den Posten des Syndikus der Kommune Augsburg gefolgt war, in dieser bayerischen Stadt eine Anwaltskanzlei.6 Essen wurde seit Ende der vierziger Jahre zum erfolgreichen Investmentbanker. Schulte-Frohlinde und Preus wiederum avancierten in der Bundesrepublik zu erfolgreichen freien Architekten, Schulte-Frohlinde außerdem zum bis Ende der fünfziger Jahre stilprägenden Leiter des Hochbauamtes Düsseldorf. Die DAF-Unternehmen selbst hatten die Alliierten nach der Befreiung von der NS-Diktatur anfangs eigentlich in Gänze für Reparationszwecke in Beschlag nehmen wollen. Diese Haltung änderte sich freilich schon bald – im Westen. Im August 1946 erklärte die britische Militärregierung, dass sie bereit sei, das Unternehmen an ihre vormaligen gewerkschaftlichen Eigentümer oder an andere öffentliche Eigentümer zurückzugeben. Förmlich abgeschlossen wurde die Eigentumsrestitution durch ein Kontrollratsgesetz vom September 1947. Dieses verfügte die Auflösung des ehemaligen DAF-Ver­mögens und bahnte damit der endgültigen Übertragung der Unternehmen und Immobilien an die Alteigen­ 5 Vgl. Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 270. 6 Vgl. Gotto, Nationalsozialistische Kommunalpolitik, S. 397 f. Zu den Biographien von Strauch, Steinhauser und Essen vgl. Kapitel 2, S. 82 f., Kapitel 7, S. 440, bzw. Kapitel 6, S. 405.

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tümer den Weg, d. h. in erster Linie an den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), als dem Rechtsnachfolger der freien und der christlichen Gewerkschaften, sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) als dem Rechtsnachfolger des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV), die ihrerseits 2001 in Ver.di aufging. Jenseits der bundesdeutschen Grenzen Anders verlief die Entwicklung östlich der Elbe. In den Regionen des vor­maligen Deutschen Reiches jenseits von Oder und Neiße gingen die Immobilien und ebenso das ausgedehnte Filialnetz der DAF-Unterneh­men in den Besitz des neugegründeten polnischen Staates über. Die Vulkan-Werft in Szeczin, die 1938 von der Arbeitsfront reanimiert worden war, ist heute – neben der Lenin-Werft in Gdansk – die letzte noch bestehende große polnische Ostseewerft. Auch sie geriet allerdings im letzten Jahrzehnt in schwere See und treibt gegenwärtig einer höchst ungewissen Zukunft entgegen. Eine Inkorporierung in die realsozialistische Kommandowirtschaft erlebten auch die sudetendeutschen Filialen und Tochterunternehmen, die die Arbeitsfront und ihr Konzern ab 1938 erworben hatten. In Österreich wurden die Unternehmen, die sich die Arbeitsfront ab Frühjahr 1938 angeeignet hatte, wieder verselbständigt, oft unter dem alten Firmenschild. Die Ostmärkische Volksfürsorge nahm 1945 den Namen »Österreichische Volksfürsorge (ehemals Allianz und Giselaverein) Lebensversicherungs-AG« an. 1966 wurden die Aktien der Volksfürsorge den österreichischen Gewerkschaften zuerkannt – als Entschädigung für den Verlust gewerkschaftlichen Vermögens und die Enteignung gewerkschaftlicher Unternehmen (zu denen die Vorläuferorganisationen der österreichischen Volksfürsorge bis 1938 nicht gehört hatten) durch das NS-Regime. Die Deutscher Ring Österreichische Lebensversicherung wurde nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes unter ihrem alten Namen Österreichische Versicherungs AG (ÖVAG) verselbständigt. Der Wiener Adolf Luser Verlag, der von 1938 bis 1941 im Besitz der DAF war, ging 1949 an die sozial­demokratische Wiener Druck- und Verlagsanstalt ›Vorwärts‹ A.G. 1970 avancierte der Bertelsmann-Verlag zum Hauptgesellschafter des Luser-Verlags. Die 1940 von der DAF erworbene Bachwitz AG, von ihr 1941 in Wiener Weltmode-Verlag umbenannt, wurde nach 1945 als nationalsozialistisch belastetes Unternehmen gar nicht erst zugelassen und Anfang Februar 1958 schließlich auch förmlich liquidiert.7 Ein ähnliches Schicksal – Auflösung oder Rückgabe an die Gewerkschaften als den Alt-Eigentümern – war bis Anfang der fünfziger Jahre auch den regionalen österreichischen Neue Heimat-Gesellschaften sowie den Baunebenbetrieben und anderen Unternehmen beschieden, die die Arbeitsfront in der »Ostmark« aufgekauft hatte. Die DAF-Unternehmen, die auf dem Gebiet der SBZ beheimatet waren, wurden schon bald unter sowjetische bzw. nach Gründung der DDR staatliche 7 Vgl. Schwarz, Wiener Verlagsgesellschaften, S. 127 f., 183 ff.

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Kuratel gestellt und zu Segmenten der zentralistischen Kommandowirtschaft. Eine gewisse Sonderentwicklung machten die in den »Versorgungsringen« des Deutschen Gemeinschaftswerks zusammengefassten ehemaligen Konsum­ genossenschaften durch. Sie wurden durch einen Befehl der Sowjetischen Militäradministration Mitte Dezember 1945 reanimiert und verselbständigt. In den folgenden Jahren erlebten die Verbrauchervereine, die bereits Ende 1945 wieder knapp 5.400 Verkaufsstellen unterhielten, einen steilen Aufschwung. Zwei Jahre nach ihrer Wiederzulassung zählten die Konsumgenossenschaften der SBZ immerhin 1,8 Mio. Mitglieder. Im ersten Jahr der DDR vereinigten sie 17 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes auf sich, Anfang der sechziger Jahre sogar rund 30 % (bei 3,8 Mio. Mitgliedern). Demgegenüber wurden die Banken, und mit ihnen die ostdeutschen Filialen der Arbeitsbank, außerdem die regionalen Gesellschaften der Neuen Heimat und ebenso alle Versicherungsgesellschaften schon frühzeitig de facto in staatliches Eigentum überführt. Vor allem für die Volksfürsorge war dies ein schwerer Schlag. Sie hatte, neben Norddeutschland, ihren Organisationsschwerpunkt bis 1945 in Sachsen und Thüringen als den neben Berlin und dem Ruhrrevier wohl wichtigsten ehemaligen Zentren der Arbeiterbewegung besessen. Wie stark sie getroffen wurde, lässt sich daran ablesen, dass sie durch die Teilung Deutschlands und infolge der Gründung der DDR mit einem Schlag drei Mio. Versicherte verlor und danach in der an sich weit bevölkerungsstärkeren Bundesrepublik nur noch 2,7 Mio. Versicherte besaß. Angekommen in der Bundesrepublik? Das wechselhafte Schicksal der Finanzdienstleister und der Verlage Nachdem im Herbst 1947 feststand, dass die Volksfürsorge an die neu gegründeten Arbeitnehmerverbände zurückgehen sollte, gründeten der bundesdeutsche Gewerkschaftsbund sowie der wieder erstandene Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften umgehend eine neue Aktiengesellschaft unter dem Namen »Alte Volksfürsorge«, die auf dem verbliebenen alten Versichertenbestand in Westdeutschland aufbaute. Ab 1968 firmierte das Versicherungsunternehmen wieder schlicht als »Volksfürsorge«. 1974, nach Gründung der »Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft« (BGAG), wurde diese gewerkschaftseigene Holding Mehrheitsaktionär der Volksfürsorge. 1977 lag der Bestand der Volksfürsorge bei 5,8 Mio. Versicherungen, also bei grob drei Viertel des Bestandes, den das Unternehmen 1941 besessen hatte (Tabelle 2.1). Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Krise der gewerkschaftlichen Unternehmungen ging die Volksfürsorge 1988 in den Besitz eines bundesdeutschen Investmentfonds, der Aachener und Münchner Beteiligungsgesellschaft, später der AMB Generali und damit der Assicurazioni Generali über; nach der Fusion mit der deutschen Generali Ende 2008 besteht die Volksfürsorge als eigenständiges Unternehmen nicht mehr.8 8 Das Firmenschild »Volksfürsorge« wurde allerdings für den Vertrieb teilweise beibehalten. Die »Volksfürsorge AG, Vertriebsgesellschaft für Vorsorge und Finanzprodukte«

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Der seit 1943 faktisch bankrotte Versicherungskonzern des Deutschen Rings wurde durch Umetikettierung (»Neue Welt-Versicherungen«) und durch eine anschließende Restituierung  – in diesem Fall an die Deutsche AngestelltenGewerkschaft, als Rechtsnachfolger des DHV – gerettet. Ab 1953 firmierte das Unternehmen wieder unter seinem alten Namen. Die DAG zeigte sich freilich ebenso wenig wie der DGB willens oder in der Lage, den Deutschen Ring ökonomisch zu stabilisieren oder gar zum Kern eines gemeinwirtschaftlich orientierten Unternehmenskomplexes auszubauen. Deutlich früher als der DGB sich von der Volksfürsorge trennte, gab die DAG ihr Versicherungsunternehmen weiter – an den Oetker-Mischkonzern, der neben Backpulver, Schiffen und vielem anderen nun auch Versicherungen anbieten wollte. Rudolf Oetker erwarb 1960 die Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG. In der Folgezeit ›modernisierte‹ sich das Unternehmen, indem es in die heute noch existierende »Deutscher Ring Financial Services GmbH« umgegründet wurde und nun neben anderen Finanzprodukten auch Aktien- und Rentenfonds anbot. 1985 gingen die Mehrheit, bis 2002 sämtliche Aktien der Deutscher Ring-Versicherungen an die »Basler Versicherungsgruppe« über; zugleich erweiterte sich das Unternehmen, indem es seinerseits die Mehrheit an einer Vermögensberatungsgesellschaft (OVB Holding AG) sowie weiteren ›Finanzdienstleistern‹ erwarb. Die Arbeitsbank war nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes einschließlich sämtlicher Filialen auf Anordnung der Alliierten geschlossen worden. Eine Weiterexistenz schien angesichts der Verflechtungen der Bank mit der NS-Ökonomie anfangs ausgeschlossen. Indes profitierte die ehemalige Hausbank der Arbeitsfront gleichfalls vom Kurswechsel der West-Alliierten ab 1946/47. Die Gewerkschaften machten auf die »Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten«, wie das Geldhaus bis 1933 hieß, Restitutionsansprüche geltend. Ende April 1952 wurde das gesamte Aktienkapital von 50 Mio. RM durch Entscheidung der »Berliner Kommission für Ansprüche auf Vermögenswerte« zu je 50 % auf die Vermögensverwaltungs- und Treuhand-Gesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie die Vermögensverwaltung der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft übertragen.9 In der Folgezeit wurde die Arbeitsbank in verkleinerter Form in die Ende 1958 gegründete DGB-eigene »Bank für Gemeinwirtschaft« (BfG) integriert, die ihrerseits bis in die neunziger Jahre zur viertgrößten Privatbank der Bundesrepublik heranwuchs.10 Im Grunde war

beschäftigte Anfang 2009 etwa 3.500 Mitarbeiter – und damit etwas weniger als das DAF-Unternehmen in der ersten Kriegshälfte (Tabelle 2.5). Mit 4,5 Mio. Policen am Jahreswechsel 2008/09 blieb die Volksfürsorge Lebensversicherung deutlich hinter dem Bestand von 1941, und von 1977, zurück. Dennoch gehörte sie ebenso wie die Volksfürsorge Sachversicherung (mit 5 Mio. Versicherungsverträgen) und auch die Hausratsund Privat-Haftpflicht­versi­che­rung des ehemals gewerkschaftlichen Unternehmens zu den größten Unternehmen der Branche. 9 Vgl. Bank der Deutschen Arbeit/Berlin an die Bank der Deutschen Arbeit/Düsseldorf vom 29. Okt. 1952, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8625. 10 1977 beschäftigte die BfG in 240 Niederlassungen und Zweigstellen mehr als 6.500

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auch die BfG eine Hausbank des DGB, ähnlich wie ihre Vorgänger dies für den ADGB bzw. die DAF gewesen waren. Sie wurde von den Gewerkschaften freilich seit den siebziger Jahren, nicht zuletzt infolge des Zusammenbruchs der Neuen Heimat, finanziell überfrachtet und musste in den achtziger bzw. Mitte der neunziger Jahren sukzessive verkauft werden.11 Die Mehrheit an der BfG ging in den Besitz der Crédit Lyonnais über; zur Jahrtausendwende erwarb die »Skandinaviska Enskilda Banken« das Geldinstitut. Die Nachkriegsentwicklung der beiden traditionell rechtskonservativen ehemaligen DHV-Verla­ge mutet angesichts der Bedeutung, die diese auf dem belletristischen wie fachwissenschaftlichen Feld vor 1933 und stärker noch ab 1933 gehabt hatten, geradezu tragisch an. Beide Verlagshäuser waren 1943 privatisiert worden. Der Langen-Müller-Verlag (LMV) ging in den Besitz des NSDAP-eigenen Verlages Franz Eher Nachf. über; die Hanseatische Verlagsanstalt (HAVA) wurde von Hamburger Großkaufleuten um Reemtsma erworben. Der HAVA wäre es fast geglückt, trotz ihrer Vergangenheit als DAF-Un­ternehmen von den Alliierten eine Lizenz zu bekommen. Dann, so vermutet Lokatis, »würde sie aller Wahrscheinlichkeit nach heute eine Holtzbrinck und Bertelsmann vergleichbare Machtstellung einnehmen.«12 Die Neugründung gestaltete sich indessen ausgesprochen kompliziert. Die Deutsche Hausbücherei und ihre Großdruckerei, um die der Verlag 1943 amputiert worden war, gingen relativ rasch an die DAG als die Rechtsnachfolgerin des DHV zurück. Schwieriger gestaltete sich die Restitution beim 1943 von Hamburger Privatleuten ja regulär erworbenen eigentlichen HAVA-Verlag. Er ging erst 1954 in den Besitz der DAG über. Diese relativ lange Zeitspanne war entscheidend. Bis dahin waren die meisten der verbliebenen prominenten HAVA-Autoren, so sie denn noch publizierten, zu anderen Verlagshäusern abgewandert. Neue vielversprechende Nachkriegs-Autoren konnten die Hanseaten nicht anwerben. Die vormals so renommierte HAVA fristete infolgedessen anschließend eine kümmerliche Existenz und verlegte unter dem Dach der DAG technische Fachschriften sowie Kochbücher, um dann, nach dem Erwerb durch den Holtzbrinck-Verlag, schließlich gänzlich stillgelegt zu werden. Der LMV hatte nicht das zweifelhafte Glück der Hanseaten, vor dem Ende des NS-Regimes noch von ehrbaren Kaufleuten erworben zu sein. Als Tochtergesellschaft des Eher-Verlages wurde der LMV zusammen mit dem Zentral-Verlag der NSDAP 1945 zunächst aufgelöst. Erst nachdem die Lizensierungspflicht abgeschafft war, konnte sich der Verlag 1952 unter altem Namen neu konstituieren. Eigentümer des Langen-Müller-Verlages war nun gleichfalls die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft.13 1967 erwarb Herbert Fleissner sämtliche Anteile Angestellte, d. h. mehr als die Arbeitsbank auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung bis 1945. Vgl. Loesch, Unternehmen der Gewerkschaften, S. 225 f. 11 Vgl. Heinz Siebold, Die Hüter des Tafelsilbers. Gewerkschaftsvermögen, in: Freitag Nr. 47, vom 19. Nov. 1999. 12 Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 4. Zum Folgenden: ebd., S. 151 f., 169 ff., 174-179. 13 Meyer, Verlagsfusion, S. 193, 219. Ausführlich: Walter Flemmer, Verlage in Bayern. Geschichte und Geschichten, Pullach bei München 1974, S. 240-246.

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am Verlag; er schloss den LMV mit weiteren kleinen Verlagsunternehmen 2004 zum Verlagsverbund der »Bücherverlage Langen Müller Herbig« zusammen. Während der Zentralverlag der DAF und ebenso der mit ihm eng verbandelte Frontbuchhandel 1945 so von der Bühne verschwanden, als hätte es sie niemals gegeben, gelang der Büchergilde Gutenberg ein neuerlicher Wiederaufstieg. Bereits Mitte März 1947 als gewerkschaftlich-sozialdemo­kratisches Unternehmen neu gegründet, fußte der Vertrieb der Büchergilde anfangs wie bis 1933 bzw. bis 1945 auf einem gewerkschaftlich geprägten Vertrauensleutekorpus, sukzessive ergänzt durch den Aufbau von Geschäftsstellen. 1949 zählte die Büchergilde bereits wieder 70.000, 1952 dann schon mehr als 200.000 Mitglieder. 1962 erreichte die Büchergilde mit ungefähr 300.000 Mitgliedern ihren höchsten Stand nach 1945. Das war eine eindrucksvolle Zahl, dennoch blieb sie weit unter dem Höchststand an Mitgliedern, den die Büchergilde in der Ägide der Arbeitsfront zur Jahreswende 1940/41 erreicht hatte (Tabelle 3.2). Bis Ende der siebziger Jahre ging die Mitgliederzahl auf das Niveau von 1952 zurück. Obwohl bekannt für ihre liebevoll und ästhetisch gestalteten Bücher, scheint die Büchergilde Gutenberg ihr proletarisches Publikum zu großen Teilen bereits frühzeitig verloren, dafür bildungsbürgerlich-bibliophile Schichten an sich gebunden zu haben. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gehörten der 1998 aus dem Gewerkschafts­ verbund gelösten, privatisierten Büchergilde 130.000 Mitglieder an;14 vertrieben werden die Bücher schon lange nicht mehr über Vertrauensleute, sondern über heute neunzig (Partner-)Buchhandlungen im deutsch­sprachigen Raum. Auch die zweite Buchgemeinschaft, die sich bis 1945 im Besitz der Arbeitsfront befunden hatte, erlebte eine Renaissance, die freilich noch kürzer war. Die 1916 vom DHV gegründete Deutsche Hausbücherei wurde 1949 wieder gegründet, später dann vom Holtzbrinck-Konzern übernommen. Sie ging schließlich in dessen Deutschem Bücherbund auf. Aufstieg zum Weltkonzern: das Volkswagenwerk Die Nachkriegsgeschichte der meisten ehemaligen DAF-Unternehmen sah diese über lang oder kurz auf der Verliererstraße. Von dieser Regel des Bedeutungsverlusts ehemaliger Unternehmen der Arbeitsfront gibt es eine herausragende Ausnahme: die Volkswagen AG, die sich derzeit aufschwingt, weltgrößter Auto­ mobilproduzent zu werden. Alliierte Bombenangriffe hatten das Hauptwerk in Wolfsburg kaum zerstört.15 Die Auslagerung zahlreicher Maschinen und ihre umgehende Rückführung machten eine Aufnahme der Automobilproduktion 14 Vgl. Pfister, Buchgemeinschaften in Österreich, S. 34 ff., 189; Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 30; Loesch, Unternehmen der Gewerkschaften, S. 270. 15 Zu den Zerstörungen vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 634, 636. Von den teilweise ausgelagerten Maschinen des Werkes blieben fast alle (92 %) unversehrt und konnten umgehend wieder Verwendung finden. Dies und das Folgende nach: Markus Lupa, Das Werk der Briten. Volkswagenwerk und Besatzungsmacht 1945-1949, Wolfsburg 2005, S. 7 ff. Vgl. außerdem den Überblick in: Manfred Grieger/Ulrike Gutz-

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schon Ende Juni 1945 möglich. Aus den noch vorhandenen Einzelteilen ließen die britischen Alliierten kurzfristig rund 500 Kübelwagen montieren. Unter den Vorzeichen des Kalten Krieges und einer vergleichsweise pragmatischen Politik der britischen Besatzungsmacht wurde das Volkswagenwerk nicht demontiert.16 Der seit Ende der vierziger Jahre zu Hunderttausenden und schließlich Millionen produzierte Käfer und der bis 1945 am Mittellandkanal gefertigte KübelWagen als dessen militärischer Zwilling stehen für die Kontinuität von Vorkriegs- und Nachkriegs-Fordismus in Deutschland. Heinrich Nordhoff, der das Opel-Blitz-Werk in der Stadt Brandenburg geleitet hatte, in dem zum ersten Mal in Deutschland »zu 100 %« nach fordistischen Prinzipien Autos zusammengebaut wurden, personifiziert diese Kontinuität.17 Er wurde Anfang 1948 als Generaldirektor von VW eingesetzt und dachte im ersten Jahr seiner Amtszeit sogar daran, das frühere DAF-Unternehmen dem Ford-Konzern unmittelbar anzudienen.18 Die Konsequenz, mit der Nordhoff auf die Fordisierung der Fertigungsstrukturen und Arbeitsbeziehungen des Wolfsburger Unternehmens setzte, machten das Volkswagenwerk zum Symbol des deutsch-euro­päi­schen Produktions-›Amerikanismus‹ der Nach­kriegsjahrzehnte. Bis heute ist der weltumspannende Volkswagenkonzern den Geruch der DAF-Ära nicht ganz los­ geworden. Verantwortlich dafür sind auch die Namen Porsche und Piëch, die sich mit der Geschichte des Volkswagenwerks seit 1938 verbinden. Robert Leys großmannssüchtige Träumereien von einem Automobilunternehmen, das selbst die US-amerikanischen Vorbilder in den Schatten stellen sollte, sind, mit einiger Verspätung, doch noch Realität geworden. Auch andere Visionen des Chefs der Arbeitsfront, die auf »Volksmotorisierung« abhoben, fanden nach 1945 eine Fortsetzung. Obwohl die Pläne Leys für ein Volkstraktorenwerk ein megalomaner Irrwitz waren, hinterließen selbst sie Spu­ren. Es war allerdings nicht unmittelbar VW, sondern die bis 2009 selbständige Sportwagen-Marke mann/Dirk Schlinkert (Hg.), Volkswagen-Chronik, Wolfsburg 2006, zur unmittel­ baren Nachkriegsgeschichte: S. 10-25. 16 Lupa, Werk der Briten, S. 9. 17 Nordhoff (1899-1968), »Wehrwirtschaftsführer« und von 1942 bis 1945 Betriebsleiter des Brandenburger Opel-Werkes, war bis Ende 1946 aufgrund der alliierten Entnazifizierungs-Richtlinien zunächst erwerbslos. 1947 wurde er bei der Hamburger OpelGeneralvertretung Dello & Co. als Geschäftsführer beschäftigt, ehe sich die britischen Militärbehörden Anfang Nov. 1947 für ihn als neuen Betriebsleiter der Volkswagenwerke entschieden. Nordhoff stand der Volkswagen AG von 1948 bis zu seinem Tod als Generaldirektor vor. Ausführlich: Heidrun Edelmann, Heinz Nordhoff und der Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischen Jahrhundert, Göttingen 2003. 18 Nordhoff wollte auf diese Weise Preisbindungen und Exportrestriktionen umgehen, denen die Volkswagen AG zu diesem Zeitpunkt noch unterworfen war. Henry Ford II führte während einer Europareise bereits konkrete Gespräche mit Nordhoff (der die Initiative ergriffen hatte) und zeigte auch Interesse an einer Minderheitsbeteiligung am Volkswagenwerk. Angesichts der ungeklärten Eigentumsfrage des Wolfsburger Unternehmens und dann der Berlin-Blockade zerschlugen sich diese Überlegungen allerdings bis Herbst 1948. Vgl. Lupa, Werk der Briten, S. 81 f.

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Porsche, die in den fünfziger Jahren ein eigenes Motoren- und Traktorenwerk, die Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH, errichtete. In diesem Traktorenwerk wurden einige Jahre landwirtschaftliche Zugmaschinen gebaut, die auf dem von Ferdinand Porsche Ende der dreißiger Jahre entwickelten Prototypen des Volkstraktors aufbauten.19 Vom kurzen Aufstieg zum nachhaltigen Crash: Neue Heimat und Konsumgenossenschaften Die Namen »Volkswagen« und »Wolfsburg« sind zum Synonym für eine im Sommer 1945 kaum glaubliche Erfolgsgeschichte geworden. Andere Unternehmen aus der Konkursmasse der DAF, denen zunächst ein glanzvoller Aufstieg bevorzustehen schien, wurden dagegen zum Symbol für Größenwahn, Skandal und die Unfähigkeit der Gewerkschaften, privatwirtschaftlich erfolgreich zu agieren. Eine in dieser negativen Hinsicht prominente Rolle spielten die Neue Heimat und die Konsumgenossenschaften bzw. die aus den letzteren hervorgegangene Coop Zentrale AG. Der 1936 untergegangene Verband Sozialer Baubetriebe wurde 1949 zwar neu gegründet. Er blieb jedoch schwach und verschwand nach Verkauf sowie Fusionen mit privatwirtschaftlichen Unternehmen Ende der sechziger Jahre schließlich als eigenständiges Unternehmen.20 Demgegenüber schien die Neue Heimat wie ein Phönix aus der Asche emporzusteigen, die DAF und NS-Re­gime 1945 zurückgelassen hatten.21 Zum Kern des Neue Heimat-Konzerns des DGB wurde die Gemein­nützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Groß-Hamburg, die sich 1924 mit anderen Wohnungsbaugesellschaften der freien Gewerkschaften zur Deutschen Wohnungsfürsorge A.-G. für Beamte, Angestellte und Arbeiter (DEWOG) zusammengeschlossen hatte und von der Arbeitsfront und ihrer TWU Anfang 1939 in Neue Heimat Hamburg (NHH) umbenannt worden war. 1952 gaben die britischen Alliierten die NHH wieder an die Gewerkschaften zurück. Ihre Bautätigkeit beschränkte das DGB-Unternehmen anfangs auf das im Krieg stark zerstörte Hamburg. Schon bald begannen DGB und NHH jedoch in die Fußstapfen der Arbeitsfront zu treten und den scheinbar grenzenlosen Expansionismus des DAF-Konzerns fortsetzen zu wollen. Die NHH erwarb zunächst im Hamburger Umfeld, später dann in Bremen, München und anderswo 19 Vgl. Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 447. 20 Ende der fünfziger Jahre wurde der Verband Sozialer Baubetriebe in die Deutsche Bauhütten GmbH umgewandelt, an der die IG Bau, Steine, Erden, ferner die IG Metall und die BfG Anteile hielten. Mitte der sechziger Jahre erzielte das Unternehmen mit gut 3.000 Beschäftigten einen Umsatz von mehr als hundert Mio. RM. 1967 fusionierte die Deutsche Bauhütten GmbH mit der Baufirma Boswau & Knauer AG, die zu diesem Zeitpunkt zu 70 % im Besitz der gewerkschaftseigenen BfG war. 1983 verschmolz dieses Unternehmen mit anderen Baukonzernen zur Walter-Thosti-Boswau AG (seit 1991: Walter-Bau AG), die 2005 in Konkurs ging. 21 Vgl. im einzelnen Kramper, Neue Heimat.

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was blieb von den unternehmen und ihren protagonisten?

Anteile an zahlreichen Baugesellschaften. Angesichts der hektischen Versuche der Hamburger Neuen Heimat, zu einem riesigen Wohnungsbau-Konzern heranzuwachsen, beschloss die Führung des DGB schon zwei Jahre später, die NHH zur Dachgesellschaft aller gewerkschaftseigenen Wohnungsunternehmen zu machen,22 und gab damit für die weitere Expansion grünes Licht. Gleichzeitig blieb die Neue Heimat das, was die gemeinwirtschaftlichen Wohnungsbaugenossenschaften reichsweit erst nach der Übernahme durch die DAF und ihrer Neuformierung in Neue Heimat-Gesellschaften geworden waren: ein um genossenschaft­liche Elemente entkerntes, auf das Prinzip der Gewinnmaximierung und möglichst rascher Umsatzsteigerung ausgerichtetes Unternehmen. Die NHH nutzte die gravierende Wohnungsnot nach dem Krieg zum rasanten Ausbau der eigenen Aktivitäten und zeich­nete für die Errichtung einer ganzen Reihe von ›Satellitenstädten‹ an der Peripherie bundesdeutscher, sozialdemokratisch geführter Großstädte verantwortlich. Ende der fünf­ziger Jahre nannte der DGB-Wohnungskonzern bereits mehr als 100.000 Wohnungen sein Eigen. 1977 gehörten knapp 320.000 Wohneinheiten unmittelbar zum Bestand der NH; weitere 100.000 Wohnungen wurden durch den Konzern verwaltet. Anfang der achtziger Jahre wurde dann der Vorwurf publik, der Vorstand des NH-Konzerns sei aufgrund von Missmanagement für hohe Verluste verantwortlich und habe sich außerdem persönlich bereichert. Der Konzern geriet in eine immer stärkere Schieflage und war schließlich mit 16 Mrd. DM überschuldet. Im September 1986 versuchte der DGB vergeblich, das Unternehmen an den Großbäcker Horst Schiesser zu verkaufen. Unter dem Gespött der Medien musste der DGB via BGAG eine Auffanggesellschaft gründen, deren Wohnungsbestände bis 1990 sukzessive überwiegend an die Bundesländer verkauft wurden. Der Neue Heimat-Konzern brach mit lautstarkem Krachen zusammen. Und auch die vom DGB ebenfalls ›entgenossenschaftlichten‹, zu einem Konzern transformierten Konsumgenossenschaften gerieten in ein ökonomisches Auf und Ab, das schließlich (1989) in einem ähnlichen Eklat endete. Nach der Vereinigung der drei Westzonen 194823 existierten auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik immerhin 250 Konsumgenossenschaften mit 5.700 Verkaufsstellen, die 22 Vgl. Schäche, 75 Jahre GEHAG, S. 130. Der Hunger nach Wohnungsbaugesellschaften, die man dem eigenen Konzern einzuverleiben gedachte, machte auch vor der GEHAG nicht halt. Der Versuch des NH-Konzerns, die GEHAG (die im Herbst 1952 zu je einem Drittel dem DGB, der DAG und dem Land Berlin überschrieben worden war) zu übernehmen, konnte von dieser 1964 freilich »erfolgreich abgewehrt« werden. Vgl. Schäche, 75 Jahre GEHAG, S. 130. In den neunziger Jahren übernahm das Land Berlin die Anteile des DGB und der DAG an der GEHAG – und verkaufte seinerseits das Unternehmen Ende 1998 an die RSE Holding GmbH & Co. KG, die ebenso wie ihre Nachfolger, die die GEHAG in »Deutsche Wohnen« umbenannten, auf eine gewinnträchtige Umwandlung des GEHAG-Bestandes in Wohneigentum setzt. 23 Zur Neugründung der Konsumgenossenschaften vgl. Michael Prinz, Das Ende der Konsumvereine in der Bun­desrepublik Deutschland. Traditionelle Konsumenten­ organisation in der historischen Kontinuität, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1993/2, S. 159-188, bes. S. 177 ff.; ferner Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 108 f.

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mit 750.000 Genossen allerdings deutlich weniger Mitglieder zählten als die in der SBZ aufgebauten Verbrauchervereine zu diesem Zeitpunkt. Anfang der sechziger Jahre erreichten die westdeutschen Kon­sum­genossenschaften mit einem Umsatz von 4,3 Mrd. DM, knapp 10.000 Verkaufsstellen, einer Beschäftigtenzahl von 79.000 Angestellten bzw. Arbeitern sowie einer Mitgliederzahl von 2,6 Mio. ihren Zenit. Zählt man die Mitglieder der DDR-Verbrauchergenossenschaften zu diesem Zeitpunkt hinzu, übertraf die Zahl der in beiden deutschen Teilstaaten den Konsumgenossenschaften angehörenden Arbeiter, Angestellten und Beamten mit 6,4 Mio. die 1930/31 erreichten Mitgliedszahlen von gut 3,8 Mio. deutlich. Trotz ihrer Organisationserfolge bis Anfang der sechziger Jahre glaubten die westdeutschen Konsumgenossenschaften, die bereits 1949 nach schwedischem Vorbild einen ersten Selbstbedienungsladen eingeführt hatten24 und damit zu einem Pionier des modernen deutschen Einzelhandels geworden waren, sich in den folgenden Jahren den privatwirtschaftlichen Supermärkten anpassen zu sollen. Sie richteten ihrerseits große Einzelhandelsfilialen ein, etablierten die Marke »coop« und verabschiedeten sich von den genossenschaftlichen Wurzeln. Anfang November 1974 verpasste sich ein Teil der bundesdeutschen Verbrauchergenossenschaften einen privatwirtschaftlichen Firmenmantel und fusionierte zur Coop Zentrale AG. Betriebswirtschaftlich vollzog man damit noch einmal den Schritt, den die Deutsche Arbeitsfront 1941 gegangen war, als sie die Kon­ sumgenossenschaften in das Deutsche Gemeinschaftswerk umgründete. Fasziniert von großen ökonomischen Einheiten und geblendet von einer scheinbar dauerhaft prosperierenden bundesdeutschen Marktwirtschaft, die freilich Mitte der siebziger Jahre bereits deutliche Krisensymptome zeigte, sowie vom Erfolg konkurrierender Supermarkt-Ketten, versuchte der Coop-Vor­stand, das Unternehmen gleichfalls zu einem Einzelhandelsriesen auszubauen – und scheiterte damit. 1989 ging das, was von der völlig überschuldeten Coop Zentrale AG noch übrig geblieben war, als Deutsche SB Kauf AG an den Metro-Konzern.25

24 Der erste Selbstbedienungsladen wurde im Deutschen Reich zwar bereits 1938, in ­Osnabrück, eingeführt. Er fand freilich zunächst keine Nachahmer. Vgl. Harm G. Schröter, »Nicht kopieren, sondern kapieren!« Amerikanisierung als institutioneller Wandel in der europäischen Wirtschaft, in: Karl-Peter Ellerbrock/Clemens Wischermann (Hg.), Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics, Dortmund 2004, S. 132-153, hier: S. 145. 25 Vgl. Loesch, Unternehmen der Gewerkschaften, S. 174 f. Nicht alle bundesdeutschen Konsumgenossenschaften fusionierten zur Coop Zentrale AG. Einigen gelang unabhängig eine erfolgreiche Anpassung an den marktwirtschaftlichen Mainstream. Dazu gehört die ehemalige »coop Schleswig-Holstein AG«, die seit längerem als Coop eG firmiert, heute über das norddeutsche Bundesland hinaus Supermärkte in zahlreichen weiteren Bundesländern unterhält und mit (2009) 38.000 Mitgliedern, gut 8.000 Beschäftigten sowie einem Umsatz von 1,4 Mrd. Euro zu den zwanzig größten deutschen Discountern zählt.

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11.2. Keine Renaissance sozialistischer Milieus nach 1945 – auch ein Erfolg der DAF und ihrer Unternehmenspolitik Bleibende Faszination großer ökonomischer Einheiten – ein fatales Erbe der DAF Ganz offensichtlich konnten sich die Protagonisten des bundesdeutschen DGBKonzerns von einem fatalen ideellen Erbe nicht lösen, das ihnen die Arbeitsfront hinterlassen hatte. Das war die Faszination großer ökonomischer Einheiten. Diese Faszination und eine auf unbedingte Expansion getrimmte Geschäfts­ politik hatten wesentlich das Handeln der Vorstände des DAF-Konzerns bestimmt. Bis 1933 waren die Genossenschaften und deren Mitglieder wie verantwortlichen Akteure dagegen vor allem durch die relativ kleinteilige Struktur der Konsumvereine, Bauhütten, Wohnungsgenossenschaften und anderen gewerkschaftsnahen Unternehmen geprägt gewesen. Gewiss waren bereits vor 1933 die Repräsentanten der großen freigewerkschaftlichen Unternehmen stolz auf deren stetes und dennoch solides Wachstum gewesen. Es mag auch sein, dass sich der eine oder andere von ihnen bereits Ende der zwanziger Jahre in der Rolle des großen Wirtschaftsführers wähnte, der es erfolgreichen Privatunternehmern gleichtat.26 Daneben jedoch behielten die Vorstellungen einer »positiven Ökonomie« und einer »Sozialisierung von unten« innerhalb des sozialistischen ��� Milieus ihre Strahlkraft. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 wirkte hier ambivalent. Sie dämpfte zwar diese Strahlkraft, weil auch die Unternehmen der Arbeiter­ bewegung nicht von der Krise verschont blieben – jedoch in weit geringerem Maß als die großen privatwirtschaftlichen Unternehmen. Es waren die NS-Machter­greifung und die dadurch ausgelösten Entwicklungen, die den fundamentalen Paradigmenwechsel einleiteten. Weit stärker als zuvor unter ADGB-Protagonisten wurden die Führung der Arbeitsfront, die ohnehin von einem kaum zu bändigenden Größenwahn getrieben war, und ebenso die Vorstände der DAF-Wirtschaftsunternehmen von den Möglichkeiten in den Bann gezogen, innerhalb eines kurzen Zeitrahmens zentralistisch gelenkte, riesige Unternehmen aufzubauen. Von den Chancen, die nach 1945 ein global zunehmend vernetzter, marktwirtschaftlich entfesselter Kapitalismus für Konzerne bot, wurden aber auch die Gewerkschafter geblendet, die auf die Kommandohöhen der wieder in den Besitz der Arbeitnehmerverbände geratenen Unternehmen geschickt wurden. Es ist in diesem Zusammenhang kein Zufall, dass etwa der NH-Kon­zern ab 1971 begann, auch außerhalb der bundesdeutschen Grenzen tätig zu werden (»Neue Heimat International«). 26 Zu diesen Vorstellungen, die etwa 1928 in Naphtalis Konzept der »Wirtschaftsdemokratie« kulminierten und für die eine dezentrale, basisnahe Genossenschaftsbewegung mit ihrer demokratischen Binnenstruktur ein vormodernes obsoletes Relikt war, vgl. Richard Vahrenkamp, Wirtschaftsdemokratie und Rationalisierung. Zur Technologiepolitik der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 14/1983, S. 722-735, hier: S. 728 f., 732 f., Zitat: S. 733, sowie Fritz Naphtali, Wirtschaftsdemokratie (Neuauflage der Ausgabe von 1928), Frankfurt 1977.

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Zusätzlich begünstigt wurde das Denken in großen, stetig wachsenden ökonomischen Einheiten durch die Umstände der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie waren gleichfalls wesentlich dafür verantwortlich, dass Konzepten einer sozialistischen, basisnahen »positiven Ökonomie«, die kleinteilig angelegt war und auf Prinzipien einer direkten Demokratie fußte, kein zweiter Frühling vergönnt war. Massiv behindert wurde ein Wiederaufbau der Verbrauchergenossenschaften ›von unten‹ durch massive Kriegszerstörungen sowie Probleme, die beschlagnahmten Immobilien, Vermögen und Betriebe für die Neuformierung des »Konsum« überhaupt freizubekommen. Wesentlich erschwert wurde der Wiederaufbau außerdem dadurch, dass die verschiedenen Stellen der alliierten Militäradministrationen lokale Initiativen, Genossenschaften zu errichten, oft blockierten. Infolgedessen bekamen diejenigen Strömungen, die bereits vor 1933 eine zentralistische Steuerung der Konsumgenossenschaften favorisiert hatten, zusätzlich Oberwasser. Es waren die ›alten Männer‹ aus dem Weimarer Gewerkschaftsmilieu, die schon früher auf große ökonomische Einheiten gesetzt hatten, die auch nach 1945 tonangebend waren. Zeitweilig wurde gar überlegt, den von der DAF »geschaffenen Riesenkonzern des Gemeinschaftswerks einfach zu übernehmen und sich den einmal erreichten Zentralisierungs- und Rationalisierungsstand zunutze zu machen«.27 Diese Überlegung wurde zwar fallengelassen (wohl weil der Arbeitsfront-Konzern politisch allzu diskreditiert war). Programmatisch hielt man außerdem zunächst daran fest, die für die Genossenschaften bis Anfang der dreißiger Jahre typische »kleinräumige genossenschaftlich-demokratische Selbstverwaltung zu erneuern«.28 Von Konzepten einer basisnahen »positiven Ökonomie« und Überlegungen zu einer »Sozialisierung von unten«, die weite Teile der sozialistischen Genossenschaftsbewegung bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten geprägt hatte, war schon bald jedoch wenig zu spüren. Der Kalte Krieg diskreditierte demokratisch-sozialistische und mit jenen auch genossenschaftliche Konzepte zusätzlich. Die von den Genossenschaften postulierte Selbsthilfe und Solidarität sowie die von ihnen praktizierte basisnahe Mit- und Selbstbestimmung wurden von zwei Seiten gleichsam in die Zange genommen. Für sie waren weder in der fordistischen Hochmoderne des Westens noch in einer zentralistischen Kommandowirtschaft Platz, wie sie sich im Osten etablierte. Angesichts eines scheinbar dauerhaften wirtschaftlichen Booms der Bundesrepublik machten die meisten Protagonisten des DGB und vor allem des gewerkschaftlichen Konzerns spätestens ab Mitte der fünfziger Jahre keinen Hehl daraus, dass sie die von der DAF zu immer größeren Einheiten verschmolzenen und nach den Grundsätzen der »Unternehmenswertsteigerung und angemessenen Rendite« neuformierten Unternehmen als marktgängigen 27 Prinz, Ende der Konsumvereine, Zitat: S. 178. 28 Nach: ebd. Zur älteren Forschung über den »Konsum« nach 1945: Harm G. Schröter, Der Verlust der »europäischen Form des Zusammenspiels von Ordnung und Freiheit«. Vom Untergang der deutschen Konsumgenossenschaften, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 87/2000, S. 442-467, bes. S. 442, Anm. 3.

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Konzern weiter ausbauen wollten.29 Tilmann Harlander hat bemerkt, dass die »Planungen des RKSW«, also der 1940 etablierten Behörde des »Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau«, im Zusammenspiel mit den »technokratischen Realisten Todt und Speer« mit der von ihnen präferierten »Zentralisierung des Wohnungswesens« den »Konsens vorzeich­neten, welcher den wohnungspolitischen Weichenstellungen zu Beginn der 50er Jahre zugrunde lag«, die sich ihrerseits »auf Jahrzehnte hinaus als stabil erweisen sollte«. Tatsächlich stand namentlich die Neue Heimat insbesondere für den überdimensionierten »stark typisierten, genormten großstädtischen Massenmietwohnungsbau« Pate, wie er in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren typisch werden sollte und nicht zuletzt von der DGB-Gesell­schaft gleichen Namens getragen wurde.30 Auch auf anderen Wirtschaftssektoren wurden die DAF und ihr Konzern zu Vorreitern von Entwicklungen, die in der Bundesrepublik die Hochphase des Fordismus bis Mitte der siebziger Jahre prägten. Marktwirtschaftlich ausgerichtete Gigantomanie statt breiter, basisnaher Ge­nossenschaften wurde zum Selbstläufer  – und schwächte wiederum die Genossenschaftsbewegung. Letztere geriet deshalb, aber auch aufgrund einer mittelstandsfreundlichen bundesdeutschen Gesetzgebung, die namentlich den Konsumvereinen das Wasser abgrub,31 in einen Teufelskreis. Ihr Mitgliederschwund zog eine empfindliche Schwächung der Eigenkapitaldecke nach sich.32 Es fehlten die Mittel, notwendige Rationalisierungsinvestitionen zu tätigen.33 29 Das Zitat ist Ausführungen des Vorstandssprechers der »Beteiligungsgesellschaften der Gewerkschaften«, Rolf-J. Freyberg, Ende der neunziger Jahre entnommen. Sie kommen einem Resümee dieser Politik gleich. Freyberg erklärte weiter, dass die von ihm geführten noch im Besitz des DGB verbliebenen Unternehmen an dem Prinzip ausgerichtet seien, sich unmittelbar »am Markt [zu] bewähren«; »Unternehmenswertsteigerung und eine angemessenen Rendite« besäßen »Priorität« vor allen anderen Zielen. Nach: Siebold, Hüter des Tabelsilbers. 30 Zitate: Harlander, Heimstätte und Wohnmaschine, S. 246 bzw. 294. 31 So war das Rabattgesetz vom 21 Juli 1954, das einen maximalen Rabatt von 3 % vorsah, offensichtlich gegen die Konsumgenossenschaften gerichtet und de facto eine »Wiederauflage des nationalsozialistischen Rabattgesetzes« vom 25. Nov. 1933. Prinz, Ende der Konsumvereine, S. 186. Vgl. Kapitel 6, S.  380, Anm.  42; außerdem Schröter, Verlust der »europäischen Form«, S. 449; Loesch, Unternehmen der deutschen Gewerkschaften, S. 170. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatten die Konsumgenossenschaften in manchen Jahren 10 % und mehr als »Rabatt« an die Genossen zurückgezahlt. Für einkommensschwache Arbeiterhaushalte, die vier Fünftel der Kundschaft des »Konsum« stellten, waren diese regelmäßigen Rückzahlungen von enormer Bedeutung, ließen sich auf diese Weise doch auch größere Anschaffungen finanzieren. 32 Die Wirkung gesetzgeberischer Maßnahmen Anfang der fünfziger Jahre, insbesondere des Rabattgesetzes, lässt sich daran ablesen, dass die Gesamtsumme des aus Mitgliederanteilen gebildeten Eigenkapitals der bundesdeutschen Verbrauchergenossenschaften allein von 1953 auf 1956 um gut 60 % auf etwa ein Drittel des Ausgangsstandes zurückging. Vgl. Hasselmann, Konsumgenossenschaften, S. 634; Prinz, Ende der Konsumvereine, S. 186. 33 Darüber hinaus gerieten namentlich die Verbrauchergenossenschaften dadurch, dass private Konkurrenten die ursprünglich vor allem vom »Konsum« und der GEG bzw.

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Die Genossenschaften wurden weiter geschwächt und kamen aus diesem Circulus vitiosus nicht mehr heraus. Infolgedessen sackten die Marktanteile etwa der Konsumgenossenschaften am gesamten Einzelhandel, die vor 1933 bei ungefähr 10 % gelegen hatten und bis Mitte der fünfziger Jahre immerhin wieder auf über 5 % geklettert waren, kontinuierlich ab, auf Anfang der siebziger Jahre nicht einmal 3 %.34 Begünstigt wurde dieser Abstieg freilich zusätzlich durch technische Innovationen wie den Kühlschrank, der sich seit Ende der fünfziger Jahre schichtenübergreifend durchsetzte. Musste man zuvor vor allem in der warmen Jahreszeit wegen der großen Zahl leicht verderblicher Nahrungsmittel tagtäglich in den »Konsum«, verlagerte sich mit dem Kühlschrank die Lagerhaltung nun vom Geschäft stärker in den privaten Haushalt. Mit dem eigenen PKW stiegen zudem die individuellen Transportkapazitäten. Auch dadurch lockerten sich Kontakte, die den proletarisch-soziali­stischen Kiezen via »Konsum« zuvor eine hohe Bindekraft verliehen hatten. Einen ähnlichen Effekt hatte die Konzentration der Neuen Heimat auf die Errichtung hochgeschossiger Stadtquartiere und Satellitenstädte, in denen nach Zehntausenden zählende Mieter in anonymen Wohnkästen untergebracht wurden. Nachbarschaftliche Netz­werke, wie sie in den überschau­baren, genossenschaftlich organisierten Siedlungsarealen vor 1933 entstanden waren, konn­ten in den neuen Großquartieren des sozialen Wohnungsbaus kaum entstehen. Die ›Modernisierung‹ von Altbaugebieten, für welche die Neue Heimat nicht selten gleichfalls verantwortlich zeichnete, hatte einen ähnlichen Effekt. Die langfristigen Folgewirkungen dieses Prozesses bestimmten das gesellschaftliche Gesicht der Bundesrepublik in mehrfacher Hinsicht nachhaltig. Die Gewerkschaften gerieten durch den Zusammenbruch ihres Konzerns nicht allein finanziell in die Bredouille. Auch ihre Organisationsfähigkeit und Kampfkraft wurde dadurch dauerhaft geschwächt. Milieus, in denen eine gewerkschaftliche Organisierung selbstverständlich war, zerfielen bis auf unbedeutende Reste. Fatal waren Crash und Abwicklung der Neuen Heimat, der Coop Zentrale AG und der BfG zudem, weil ihnen seitdem unter Hinweis auf diese unternehmerischen Desaster Wirtschaftskompetenz plausibel abgesprochen werden konnte und kann. Eine ohnehin nur noch selten geäußerte grundsätzlichere Kritik des DGB und der Einzelgewerkschaften an mikro- und makroökonomischen Grundbedingungen konnte und kann unter dezentem Verweis auf den eklatanten Zusammenbruch der großen Gewerkschaftsunternehmen wirkungsvoll GEPAG praktizierten Formen eines durchrationalisierten Einzelhandels (flächendeckende Filialisierung, kostengünstiger Großeinkauf bzw. auf Selbstkostenbasis produzierende Nahrungsmittelbetriebe, eine durchorganisierte Verteilerkette) erfolgreich nachahmten, in die Zange von »kapitalstarker großbetrieblich-moderner Konkurrenz auf der einen Seite und einer sich konsequent anpassenden traditionellen Gruppe der Einzelhändler auf der anderen Seite des Spektrums«. Zitat: Prinz, Ende der Konsumvereine, S. 182. 34 Ebd., S. 181 f.

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zum Schweigen gebracht werden. Indem die Gewerkschaften den Anspruch fallen ließen, praktische genossenschaftliche oder gemeinwirtschaftliche Alternativen zwischen Markt- und Kommandowirtschaft zu kräftigen, verstärkte sich der Druck zu einer systemischen fordistisch-korporatistischen Einbindung der Gewerkschaften weiter. Auf Defizite und schließlich offene Krisen eines marktliberalen Wirtschaftssystems, wie sie seit 2008 zutage treten, reagieren die DGBGewerkschaften lediglich defensiv. Auch dies lässt sich als Spätfolge des Erbes werten, das sie 1945 antraten und weiterführten  – ohne die von der Arbeitsfront eingeleiteten, grundsätz­lichen Veränderungsprozesse substantiell rückgängig zu machen. Dass Genossenschaften und gemeinwirtschaftliche Betriebe bis 1933 Schulen der Demokratie waren und als Motoren der Rationalisierung oftmals weit besser funktionierten als privatwirtschaftliche Unternehmen, dass die Selbst- bzw. Mitbestimmung der Genossenschaftsmitglieder angesichts der aktuellen ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen ein interessantes Modell für eine basisnahe, ökologisch motivierte ›Konsumentenkontrolle‹ abgeben können, scheint heute vergessen. Die Erfahrung des – aufhaltsamen – Niedergangs der bundesdeutschen Verbrauchergenossenschaften, ebenso aber auch des NHKonzerns bilden (wie Michael Prinz resümiert hat) »einen hohen Damm gegen Forderungen, die sich aus der gleichzeitigen Krise des Sozial- und Interventionsstaates aufdrängen«. Die von der DAF entscheidend geprägte Geschichte des DGB-Konzerns und seines Untergangs hat schwer überwindliche Hindernisse aufgebaut, die bislang »einer intensiven Suche nach neuen Formen von Sozialpolitik in Gestalt genossenschaftlicher Selbsthilfe« entgegenstehen.35 Die Unternehmen der Arbeiterbewegung vor und nach 1933: von Korsettstangen des sozialistischen Milieus zu Instrumenten für den Aufbau der »Volksgemeinschaft« Obwohl der marktradikale, durch Finanzspekulationen überwucherte Kapitalismus heute in eine tiefe Krise geraten ist, erscheint er ›alternativlos‹. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Alternativen jenseits von Neoliberalismus und staat­ licher Kommandowirtschaft, wie sie das basisnahe Genossenschaftswesen bis 1933 verkörpert hat, sind verschüttet. Ein entscheidender Grund dafür ist, dass die Milieus, in denen sich starke Ansätze dieses demokratisch-sozialistischen Genossenschaftswesens ausbildeten, infolge des Drucks durch das NS-Herrschaftssystem rasch zerfielen. Diese Milieus sind nach 1945 nicht wieder erstanden; stattdessen stellte sich der Eindruck einer »nivellierten Mittelstandsgesellschaft« (Helmut Schelsky) ein. Wenn Alternativen jenseits von Markt- und Kommandowirtschaft seit den fünfziger Jahren nur begrenzt Wirkungskraft entfalten konnten und sozialistische Milieus sich nicht wieder neu formierten, dann war dies wesentlich ein ›Verdienst‹ auch der Arbeitsfront und ihres Konzerns. Dies ist abschließend kurz zu erläutern. 35 Zitate: ebd., S. 163.

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Insbesondere die rasche Auflösung des sozialistischen Milieus ab 1933 war für

NS-kritische Zeitgenossen ein so frappierendes wie frustrierendes Phänomen,

angesichts einer bis dahin relativ großen inneren Konsistenz und der ausgeprägten Beharrungskraft dieses Milieus über viele Jahrzehnte. Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts hatte sich in Deutschland ein sozialistisches Milieu auszubilden begonnen, das in den folgenden Jahrzehnten eine beachtliche Stärke entwickelte und zum Rückgrat der organisierten Arbeiterbewegung aus freien Gewerkschaften und Sozialdemokratie geworden war.36 Ab 1918 war dieses Milieu zwar gespalten. Dennoch hatte es bis Anfang 1933 eine bemerkenswerte Stabilität besessen. Diese Stabilität war allerdings nicht allein der Kraft des politisch-moralischen Wertesystems und der Überzeugungsfähigkeit der Sozialdemokratie sowie (ab 1919) außerdem der Kommunisten geschuldet. Verantwortlich waren dafür auch ganz profane materiell-institutionelle Rahmenbedingungen, die dem Einzelnen handfeste Vorteile verschafften. Milieus brauchen Orte und einen dinglichen Rahmen, innerhalb dessen sich ein für die personellen Träger des Milieus charakteristisches Wertesystem und Selbstverständnis sowie milieu-typische vielschichtige Vernetzungsstrukturen überhaupt ausbilden und entwickeln können. Die Konsumvereine, die Bauproduktiv- und Wohnungsgenossenschaften, die Büchergilde Gutenberg sowie gewerk­schaftliche Unternehmen wie die Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten oder die Volksfürsorge waren neben einem vielfältigen Vereinswesen der Arbeiterbewegung (Naturfreunde, Kleingärtner, Sportvereine usw.) sowie den Vorfeldorganisationen der Arbeiterparteien solide Korsettstangen dieses sozialistischen Milieus gewesen. Sie hatten im Wilhelminismus und auch während der Weimarer Republik die innere Kohärenz dieses Milieus entscheidend bedingt und ihm einen stabilen Halt gegeben. ­Abzusehen war, dass das sozialistische Milieu massiv und nachhaltig geschwächt würde, wenn diese Korsettstangen fehlten. Den zur totalen Macht strebenden Nationalsozialisten war dieser Zusammenhang bewusst. Bereits unmittelbar nach der »Machtergreifung« setzte das NSRegime alles daran, den sozialistischen Milieus diese Halterungen zu nehmen. Erst danach, das war den Funktionsträgern des neuen Regimes klar, konnte man erfolgreich darangehen, die sozialistischen Milieus selbst zu zerstören und damit das Zentrum der Opposition gegen die Hitler-Bewegung, das die organisierte Arbeiterbewegung bis 1933 gewesen war. Im Mai 1933, als die Nationalsozialisten mit der Besetzung der Gewerkschaftshäuser auch die Führungsspitzen der Gewerkschaftsunternehmen zum Rücktritt zwangen, wurden die meisten der Genossenschaften und Gewerkschaftsunternehmen der DAF übereignet und damit 36 Hier wird auf den (historischen) Milieu-Begriff von M. Rainer Lepsius (Parteiensystem und Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft [1966], in: ders., Demokratie in Deutschland. Soziologisch-historische Konstellationsanalysen, Göttingen 1993, S. 25-50, bes. S. 37 ff.) rekurriert und nicht auf die neueren, zumeist wenig präzisen Milieu-Kategorien, die die älteren Klassen- und Schichten­ modelle ersetzen sollen.

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wehrlos den Einflussnahmen Robert Leys sowie anderer Spitzenfunktionäre der Arbeitsfront ausgesetzt. Allein die Enteignungen der Ge­werkschaften – die wirtschaftsrechtlich einen Präzedenzfall markierten und den »Arisierungs«-Vorgängen den Weg ebneten – veränderten die politische und gesellschaftliche Landschaft in Deutschland grundsätzlich und dauerhaft. Denn über den bloßen Enteignungsprozess hinaus formte die Führung der Arbeitsfront aus Korsettstangen, die jahrzehntelang dem sozialistischen (und abgeschwächt auch dem katholischen) Milieu einen festen Rahmen gegeben hatten, Werkzeuge zum Aufbau der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft«. Die Entlassung renitenter Linker und die Durchsetzung der Gewerkschaftsunternehmen mit zuverlässigen Parteigenossen markierten dabei lediglich den ersten Schritt. Indem die Arbeitsfront die Genossenschaften und sonstigen gewerkschaftsnahen Unternehmen anschließend von Grund auf ummodelte, wurden diese zu Einfallstoren für einen Nationalsozialismus, der es nicht bei der bloßen Zerstörung der sozialistischen Milieus und der Auflösung traditioneller proletarischer Alltagskulturen bewenden lassen wollte. Die von der DAF angeeigneten Unternehmen und Genossenschaften wurden zu Instrumenten einer möglichst umfassenden gesellschaftlichen Mobilisierung der »schaffenden Volksgenossen« für die nationalsozialistische »Volks- und Leistungsgemeinschaft«. Was mit den Schlagworten »Leistungs-« und vor allem »Volksgemeinschaft« gemeint war, wurde bewusst offengehalten. Unübersehbar ist indes, dass diese (entgegen der Suggestion des Gemeinschafts-Begriffs) nicht egalitär gedacht wurden; Eliten und Hierarchien sollte es auch weiterhin geben. Konsens war allerdings außerdem, dass die »Klas­se« als zentraler politisch-sozialer Bezugspunkt breiter Arbeitnehmerschichten verschwinden und einem Primat der Rasse Platz machen sollte, der die sozialen Hierarchien strukturierte. »Mobilisierung« für die »Volksgemeinschaft« als dem neuen nationalsozialistischen Ordnungsgefüge wiederum schloss eine autoritär-pater­nalistische Betreuung der »Volksgenossen« ein, die ihrerseits an zentrale Elemente des Modells einer fordistischen Massenkonsumgesellschaft anknüpfte und wesentlich von der DAF getragen wurde. Die Wohltaten, die die Arbeitsfront gewährte, waren sowohl materieller Natur (wie die Volksprodukte, die der Konzern anbot) als auch immaterieller Natur (individueller Aufstieg etwa durch den Reichsberufswettkampf ). Sie sollten die insbesondere in der Arbeiterschaft anfangs starken Vorbehalte gegenüber den Nationalsozialisten ausräumen und mindestens breite Arbeitnehmerschichten zu »mobilisierten« Parteigängern des Regimes machen, die die Exklusion von rassisch, sozial und politisch »Gemeinschaftsfremden« sowie den Imperialismus des NS-Regimes möglichst aktiv unterstützten, mindestens jedoch passiv hinnahmen. Der Sozialpaternalismus der DAF und die gleichzeitigen Mobilisierungsanstrengungen dieser Organisation waren mithin zwei Seiten derselben Medaille. So nimmt es denn nicht wunder, dass sämtliche Angebote der einzelnen Unterneh­men des DAF-Kon­zerns mit dem Gift des nationalsozialistischen Ras-

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sismus durchtränkt waren. Sie waren Privilegien, die nur »erbge­sunden« und »rassisch hochwertigen« Deutschen, später abgestuft auch Angehörigen »artverwandter« Völker zustanden. Sie ergänzten die sozialpolitische Praxis der DAF – neben dem Reichsberufswettkampf z. B. die Kampagnen von »Schönheit der Arbeit« oder die vielfältigen Aktivitäten von »Kraft durch Freu­de«. Wenn der einfache »Volksgenosse« diese Lockangebote annahm, markierte das – ob der Betreffende dies subjektiv wollte oder nicht – eine mindestens symbolische Übereinstimmung mit den Grundwerten des NS-Systems; oft ungewollt wurde er auch zu einem Repräsentanten des nationalsozialistischen Rassismus. Denn rassistische Macht verkörperten die DAF-Volksprodukte allein schon deshalb, weil sie »minderrassigen« Menschen vorenthalten blieben. Auch das war ein Zweck des DAF-Konzerns: Die mit dessen Lockangeboten verknüpften Normsysteme sollten von den deutschen »Volksgenossen« verinnerlicht, die von den Nationalsozialisten ins Auge gefasste schließliche Ersetzung von Klassenschranken durch Rassegrenzen in subjektiver Perspektive zur Selbstverständlichkeit werden. Von der »Volksgemeinschaft« zur »nivellierten Mittelstandsgesellschaft« – der DAF-Konzern und das Versprechen modernen Massenkonsums Die flächendeckende Zerstörung von Arbeitervierteln ab 1942 und mit ihnen der Reste tradierter Nachbarschaftsbeziehungen besiegelte lediglich den wesentlich von der DAF und durch die Enteignung der Gewerkschaften und Arbeiterparteien bewirkten Zerfall der sozialistischen Milieus. Die Arbeitsfront und ihr Konzern trugen aber nicht nur maßgeblich zur Auflösung dieser Milieus bei. Die DAF war zudem ab 1933 eifrig bemüht, einen neuen Arbeitertypus heranzuzüchten, in dessen sozialer Selbstsicht Klassenzugehörigkeit und -solidarität keine Rolle mehr spielten. Auch dafür setzte sie ihre Unternehmen ein. Franz L. Neumann hat bereits 1942 pointiert, dass die »vollkommene Atomisierung der deutschen Arbeiterklasse« das zentrale Ziel der Arbeitsfront gewesen sei.37 Mit einer Politik der Kombination von Lockung und Zwang ist ihr dies auch nachhaltig gelungen. An die Stelle der Klasse sollte allerdings nicht eine Masse gesichtsloser Individuen treten. Maßgeblich für die Arbeitsfront war vielmehr »ein beinahe ›amerikanisches‹ Leitbild des leistungsorientierten Arbeiters« (Detlev Peukert).38 Mit der Neuordnung der nationalsozialistischen Arbeitsverfassung waren dafür, dass sich dieses Leitbild durchsetzte, entscheidende Voraussetzungen geschaffen worden. Die Beseitigung der Betriebsräte hatte den Belegschaften alle Möglichkeiten genommen, sich innerbetrieblich autonom zu artikulieren; die 1934 installierten Vertrauensräte waren auf die »Betriebs-« und »Volksgemeinschaft« verpflichtet und boten nicht ansatzweise einen Ersatz. 37 Neumann, Behemoth, S. 480 bzw. 482. 38 Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde, S. 43. Vgl. auch ebd., S. 140, 287 f. Ähnlich Norbert Frei, Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945, 6. Aufl., München 2001, S. 105, 107 f.; mit einer stärkeren Betonung deutscher Traditionen außerdem z. B. Lüdtke, »Ehre der Arbeit«, S. 302-319.

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keine renaissance sozialistischer milieus nach 1945

Der Arbeitsfront gingen alle auch nur entfernt gewerkschaftsähnlichen Eigenschaften ab. Arbeits­niederlegungen wurden schärfstens verfolgt. Was blieb, war ein »individuelles Durchwursteln auf Schwejksche Art« (Peu­kert), der Versuch, durch eine Art Einkommenspolitik auf eigene Faust auf besser entlohnte und vielleicht sogar statushöhere Arbeitsplätze zu gelangen. Nach dem Einsetzen der Vollbeschäftigung gingen viele Arbeiter und Angestellte diesen Weg; sie konnten zuneh­mend erfolgreicher auch tatsächlich Einkommen und Arbeitsbedingungen verbessern.39 Obwohl die Aufrüstung niedrige Lohnkosten verlangte, tolerierte das Regime diese Praxis individueller Statusverbesserung bewusst. Es ist deshalb wenig überraschend, dass es ausgerechnet DAF-Unternehmen waren, die qualifizierten Arbeitskräften höhere tarifliche Eingruppierungen als bei der Konkurrenz versprachen und überhaupt Fachpersonal mit Versprechungen auf allgemein bessere Arbeitsbedingungen sowie eine generöse betriebliche Sozialpolitik köderten40 – während die Arbeitsfront als politische Organisation dieselbe Praxis bei Privatfirmen als verwerfliches Angebot von »Locklöhnen« denunzierte. Diese Orientierung auf individuelle Verbesserungen und eine individuelle Karriere, die durch die von der Diktatur gesetzten Bedingungen erzwungen war und durch vielfältige berufsbildende Angebote der DAF zusätzlich stimuliert wurde, ließ namentlich unter jungen Arbeitnehmern Formen eines tradierten (durch die Weltwirtschaftskrise ohnehin erschütterten) Klassen­ bewusstseins verblassen. Insbesondere unter jugendlichen Angestellten und Arbeitern ließ sich ein »langsames Abgleiten traditioneller kollektiver Solidarität in Einzelkämpfertum« (Peukert)41 beobachten. Nicht allein durch die Aussicht auf sozialen Aufstieg wurde der Verlust an Rechten und politischer Mitsprache kompensiert. Mindestens ebenso nachhaltig wirkten die grell und lautstark präsentierten Angebote zur Freizeitgestaltung sowie die Aussicht auf den Konsum vormaliger Luxusartikel, die als Volksprodukte künftig jedermann zugänglich sein sollten. Sie leisteten aller fordistischen Gleichförmigkeit zum Trotz auch dem säkularen Individualisierungstrend der Hochmoderne Vorschub. Paradigmatisch steht dafür der von der Arbeitsfront versprochene Volkswagen. Er markiert den deutschen Weg der Individualisierung des Verkehrs und wurde in den fünfziger Jahren nicht zufällig zum Symbol des bundesdeutschen »Wirtschaftswunders«. Dass das NS-Regime Volksprodukte und Massenkonsum überwiegend lediglich versprach, ändert an der psychologischen Wirkung wenig. In der subjektiven Perspektive großer Arbeitnehmergrup­pen machte das NS-Regime keineswegs nur durchschaubare demagogische Versprechungen für eine ferne Zukunft. Die Hoffnung, das Regime würde »nach dem Endsieg« den versprochenen Massenkonsum ähnlich zügig möglich machen wie es zwischen 1933 und 1935 die »Ar39 Vgl. Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde, S. 129, 134 f.; Hachtmann, ­Industriearbeit, S. 200 ff. 40 Vgl. Kapitel 9, S. 534. 41 Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde, S. 136.

619

spuren nach 1945

beitsschlacht« gewonnen hatte, zerstob erst in den letzten Kriegsjahren – und selbst dann keineswegs vollständig. Gerade die Arbeitsfront als der »Protagonist der Volksprodukte« (Wolfgang König)42 hatte den Konsumversprechungen der Diktatur glaubwürdig und nachhaltig den Schein der Realitätstüchtigkeit verschafft. Es waren neben KdF und der von dieser Kulturorganisation der Arbeitsfront angebotenen breiten Palette an Freizeit- und Tourismusaktivitäten vor allem die DAF-Unternehmen, die mit ihren Volksprodukten unter deutschen Arbeitnehmern die Hoffnung auf Massenkonsum nachhaltig nährten. Im Rückblick betrachtet schimmert dahinter bereits die Konsum- und Freizeitgesellschaft der Nachkriegszeit auf. Die langen Schatten staatlichen Terrors und rassistischer Herrschaft lassen leicht vergessen, dass die Deutsche Arbeitsfront und ihr Konzern Wegbereiter der fordistischen Massenkonsumgesellschaft waren, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Gesicht der bundesdeutschen Gesellschaft prägen sollte.

42 König, Volksprodukte, S. 235, 251.

620

Danksagung

Entstanden ist die vorliegende Darstellung im Rahmen eines Projektes, das die Gesamtdarstellung der Deutschen Arbeitsfront von der Gründung bis zum Frühjahr 1945 zum Ziel hat. Im Rahmen dieses Projektes, das keineswegs aufgegeben ist (und 2013 abgeschlossen sein wird), hatte ich auch ein Kapitel über den Unternehmenskomplex der Arbeitsfront geplant. Als ich vor der Jahrtausendwende mit dem Projekt begann, hatte ich freilich nur sehr grobe Vorstellungen von den Dimensionen des DAF-Konzerns. Erst umfänglichere archivalische Recherchen machten sichtbar, welchen Umfang das weit verzweigte Unternehmenskonglomerat der Arbeitsfront besaß. Wenn aus dem anfangs geplanten Kapitel nun eine umfänglichere Monographie geworden ist, dann hat dies noch weitere Gründe. So ist die vorliegende Darstellung auch ein Beitrag zur Kontroverse über das Verhältnis von Politik und Ökonomie während der Hitler-Diktatur. Gerade die Par­teinähe des Wirtschaftsimperiums der Arbeitsfront und dessen Verflechtungen mit der NS-Poli­ tik boten vielfältige Anknüpfungspunkte, in dieser Hinsicht bisher unterbelichtete Aspekte genauer in den Blick zu nehmen. Zudem ist die vorliegende Darstellung keineswegs nur unter Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu verbuchen; schon gar nicht kann sie eine Unternehmensgeschich­te im ›klassischen‹ Sinne sein. Als Unternehmen im Besitz der größten Vorfeldorganisation der NSDAP, die zudem auf den zentralen politischen Bühnen des Dritten Reiches als ein wichtiger Akteur auftrat, ist sie zu erheblichen Teilen zwangsläufig auch Politikgeschichte. Da die DAF und ihr Wirtschaftsimperium weit darüber hinaus als ›volksgemeinschaftliche Dienstleister‹ für die Diktatur wichtige sozialintegrative Aufgaben wahrnahmen, gehört die vorliegende Darstellung überdies in das breite Spektrum der NS-Gesellschaftsgeschichte. Produktivität kann sich nur in einem wissenschaftlichen Umfeld entfalten, das Anregungen bietet. Ich hatte das Glück, länger gehegte Pläne zur Abfassung der vorliegenden Monographie über das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront im Rahmen des Zentrums für Zeithistorische Forschung abschließen zu können. Stellvertretend für viele möchte ich dafür an dieser Stelle deshalb Martin Sabrow danken. Der DFG wiederum danke ich für ihre Geduld mit meinem Projekt; sie ermöglichte von der finanziellen Seite her dessen Realisierung. Wissenschaft ist immer auch Kommunikation. So wie diese Monographie zur weiteren Diskussion reizen will, habe ich vom Gedankenaustausch mit zahllosen Kollegen profitiert. An erste Stelle ist hier Reinhard Rürup zu nennen, der über Jahrzehnte mein wissenschaftlicher Mentor war und auch mein Projekt über das DAF-Wirtschaftsimperium mit stetem Interesse und großer Neugier verfolgt hat. Mit einer ganzen Reihe von Kollegen des Zentrums für Zeithistorische Forschung sowie des Berliner Historiker-»Clubs« stehe ich seit langem in einem Ge-

621

danksagung

dankenaustausch (auch) über den Konzern der Arbeitsfront. Genannt seien hier Anne Sudrow, Ralf Ahrens, Winfried Süß, Thomas Schaarschmidt, Friederike Sattler, Armin Nolzen, Christian Jansen und Christiane Eifert. Viele von ihnen gaben mir zudem wertvolle Hinweise. Johannes Bähr sowie Christoph Kreutzmüller ermöglichten mir die Einsicht in wichtige Quellen, Markus Fleischhauer gab Hinweise auf relevante Archivalien, Ingo Böhle stellte mir eine Kopie seiner Magisterarbeit zur Verfügung. Mark Spoerer, Gunther Mai, Michael Schneider, Mirko Winkelmann und Karsten Linne haben das Manuskript oder Teile desselben gelesen und mir mit Kritik und Anregungen geholfen. Ihnen allen, aber auch den ungezählten Mitarbeitern der von mir besuchten Archive und Bibliotheken sei gleichfalls gedankt.

622

Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1.: Bank der Deutschen Arbeit: Bilanzsumme und Einlagen sowie Einnahmen der Deut­ schen Arbeitsfront; 1933 bis 1942 Tabelle 1.2.: Bank der Deutschen Arbeit: Kapital, Spareinlagen, Bilanzsumme, Umsatz, Reiner­trag; 1924 bis 1945 Tabelle 1.3.: Bank der Deutschen Arbeit: Bilanzen; 1932 bis 1945 Tabelle 1.4.: Bank der Deutschen Arbeit, BHG, Commerzbank, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Reichskreditanstalt im Vergleich: Bilanzsumme, Einlagen, Umsatz; 1935 bis 1943 Tabelle 2.1.: Deutsche Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung; 1932 bis 1937 Tabelle 2.2.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung und Neuzugänge; 1913 bis 1944 Tabelle 2.3.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Versicherungssummen, Prämieneinnahmen, Kapitalerträge, Überschüsse; 1924 bis 1944 Tabelle 2.4.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Kapitalanlagen; 1930 bis 1944 Tabelle 2.5.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Beschäftigte und Vertrauensleute; 1927 bis 1944 Tabelle 2.6.: »Gisela«, Deutsche Lebens- und Aussteuerversicherungs AG: Bestandsentwicklung und Belegschaft; 1933 bis 1944 Tabelle 2.7.: Ostmärkische Volksfürsorge Lebensversicherungs AG/Wien: Bestandsentwicklung und Belegschaft; 1939 bis 1943 Tabelle 2.8.: Deutscher Ring Krankenversicherung AG: Bestandsentwicklung; 1926 bis 1943 Tabelle 2.9.: Bestandsentwicklung und Verwaltungskosten der großen deutschen Krankenversicherungen; 1937 bis 1939 Tabelle 2.10.: Deutscher Ring Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung; 1925 bis 1943 Tabelle 2.11.: Deutscher Ring Lebensversicherungs AG: Vermögenswerte und Kapitalanlagen; 1932 bis 1943 Tabelle 2.12.: Deutsche Sachversicherungs AG sowie ihre Vorläufer im Deutschen Ring und in der Volksfürsorge: Prämieneinnahmen; 1932 bis 1940 Tabelle 3.1.: DAF-Verlage und ihre Vorläufer: Umsatz; 1932 bis 1944 Tabelle 3.2.: Buchgemeinschaften der DAF: Mitgliederentwicklung und Umsatz; 1919 bis 1941 Tabelle 3.3.: Verlagshäuser und Druckereien der DAF: Arbeiter und Angestellte am 1. Jan. 1939 Tabelle 3.4.: Großdruckerei August Pries GmbH/Leipzig: Umsatz, Gewinn/Verlust und Belegschaft; 1935 bis 1942 Tabelle 4.1.: Konsumgenossenschaften im Deutschen Reich und DAF-Gemeinschaftswerk: Mitglieder, Umsatz, Einlagen; 1924 bis 1940 bzw. 1941 bis 1943 Tabelle 4.2: Konsumgenossenschaften im Deutschen Reich bzw. Deutsches Gemeinschaftswerk: Beschäftigte und Verkaufsstellen; 1924 bis 1940 bzw. 1941 bis 1944 Tabelle 5.1.: Bautätigkeit in Deutschland, Anteile sämtlicher gemeinnütziger Wohnungsunternehmen sowie der DAF-Wohnungsunternehmen; 1927 bis 1941 Tabelle 5.2.: Wichtige DAF-Wohnungsunternehmen: Bautätigkeit; 1933 bis 1938 Tabelle 5.3.: Wohnungsgesellschaften der DAF: Wohnungsbestand, Gründungsdatum, Beschäftigtenzahl am 31. Dez. 1938 Tabelle 5.4.: Verband Sozialer Baubetriebe sowie der Deutschen Bau AG: Beschäftigte, Umsatz, Gewinn/Verlust; 1930 bis 1944 Tabelle 5.5.: Ausgewählte DAF-Wohnungsbaugesellschaften: Kapitalerhöhungen bzw. Aufstockung von Geschäftseinlagen; vor und nach Mai 1940 Tabelle 5.6.: Ausgewählte DAF-Wohnungsbauunternehmen: Bauaktivitäten – geplan­ter, begonnener und abgeschlossener »sozialer Wohnungsbau«; 1941/42 Tabelle 6.1: Volkswagenwerk: Beschäftigte; 1939 bis 1945 Tabelle 6.2: Volkswagenwerk: Umsatzentwicklung und KdF-Wagen-Sparer; 1938 bis 1945

623

tabellen Tabelle 1.1.: Bank der Deutschen Arbeit: Bilanzsumme und Einlagen sowie Einnahmen der Deut­schen Arbeitsfront; 1933 bis 1942 (a) Einnahmen der Organisation »Deutsche Arbeitsfront« Absolut (in Mio. RM) (b)

Index (1933=100,0)

Bank der Deutschen Arbeit sämtliche Einlagen Absolut (in Mio. RM)

Index (1933=100,0)

Bilanzsumme Absolut (in Mio. RM)

Index (1933=100,0)

1933

139,0

100,0

135,5

100,0

304,0

100,0

1934

281,0

202,2

160,0

118,1

310,0

102,0

1935

280,9

202,1

285,5

210,7

311,1

102,3

1936

346,3

249,1

325,2

240,0

351,4

115,6

1937

391,3

281,5

402,6

297,1

440,0

144,7

1938

453,4

326,2

473,5

349,4

512,8

168,7

1939

538,8

387,6

890,1

656,9

917,6

301,8

1940

619,5

445,7

1.751,4

1.292,5

1.795,1

590,5

1941

643,0

462,6

2.596,8

1.916,5

2.653,6

872,9

1942

677,0

487,1

3.605,8

2.661,1

3.681,0

1.210,9

(a) Ohne Gewinne und Verluste aus dem DAF-Konzern. (b) Davon stammte der überwiegende Teil aus den Mitgliedsbeiträgen. Der Anteil der Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen an der Gesamtheit der Einnahmen lag 1933 bei 73,4 %, ab 1934 dann zwi­­schen 88,3 % (1940) und 99,0 % (1935). Quelle: Hachtmann, Koloss, S. 348 (Tabelle 2), sowie Tabelle 1.2.

624

tabellen Tabelle 1.2.: Bank der Deutschen Arbeit: Kapital, Spareinlagen, Bilanzsumme, Umsatz, Reiner­trag; 1924 bis 1945 (a) Jahr

Grundkapital und Rücklagen (in Mio. RM)

Gläubiger (Einlagen) insgesamt (in Mio. RM)

Sparein­ lagen (in Mio. RM)

Bilanz­ summe (in Mio. RM)

Umsatz (in Mio. RM)

Rein­­ertrag (in Mio. RM)

51,0

448,0

0,2

1925

0,75

9,4

?

1926

4,0

21,3

?

82,4

716,0

0,9

1927

4,0

36,1

?

169,3

1.350,0

0,9

1928

4,0

79,1

?

263,1

2.036,0

1,1

1929

12,0

117,4

?

358,0

2.787,0

2,1

1930

12,0

163,2

?

369,1

3.363,0

2,1

1931

12,0

167,9

?

302,0

3.068,0

0,6

1932

12,0

135,3

?

128,0

(800,0)

0

1933

12,0

83,2

(80,0)

156,0

2.682,0

0

1934

16,0

287,4

(80,0)

304,0

5.425,0

0,7

1935

24,1

285,5

80,8

311,1

7.970,0

0,8

1936

24,1

325,2

75,4

351,4

8.320,0

1,1

1937

34,1

402,6

80,7

440,0

11.708,0

1,3

1938

34,1

473,5

91,2

512,8

15.640,0

3,6

1939

36,0

890,1

98,7

917,6

21.609,0

0,6

1940

40,0

1.751,4

129,9

1.795,1

30.376,0

4,7

1941

40,0

2.596,8

181,0

2.653,6

38.435,0

1,0

1942

65,0

3.605,8

280,2

3.681,0

51.140,0

1,8

1943

65,0

4.570,5

373,8

4.657,7

61.090,0

2,0

1944

50,0

4.821,2

511,5

5.007,9

?

?

1945

50,0

4.380,7

525,6

4.894,3

?

?

(a) Jeweils am 31. Dezember. 1945: 30. April 1945 (hochgerechnet auf Basis der Angaben für die Zentrale der Arbeitsbank). In Klammern: Schätzungen. Insbesondere für die Jahre 1932 und 1933 sind die Angaben in den Quellen teilweise widersprüchlich. Es wurden die Zahlen in den offiziellen Selbstdarstellungen der zuständigen DAF-Stellen zugrunde gelegt. Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 13; Geschäftsberichte der Bank der Deutschen Arbeit; Frankfurter Zeitung vom 21. April 1943; Berliner Börsen-Zeitung vom 13. Mai 1943; VB vom 29. April 1944; Gewerkschaftszeitung 1929, S. 187 f.; 1930, S. 307 f.; 1931, S. 280 f.; 1932, S. 168 f.; Bericht der Bank der Deutschen Arbeit/Berlin an die Bank der Deutschen Arbeit/ Düsseldorf vom 29. Okt. 1952 über die Geschichte der Bank, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8625; Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG über die Bank der Deutschen Arbeit, Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1943 (vom 14. Aug. 1944), in: ebd., Nr. 8614; Bericht der Süddeutschen Treuhand-Gesellschaft AG München über die Prüfung des Jahresabschlusses per 31. Dez. 1932 und die Erstellung des Status per 30. April 1933 der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, in: ebd., Nr. 8622.

625

626

?

83,3

Immobilien

Gläubiger (Einlagen) (c)

?

?

Hypotheken

Beteiligungen

Schuldner

?

4,2

140,7

?

?

?

?

Warenvorschüsse

69,8

?

Kurzfällige Forderungen

?

4,3

5,6

?

5,0

68,8

?

Konsortialbeteiligungen

Passiva

1,0

Dar.: öffentl. Anlagen

?

7,1

Wertpapiere (b)

Schatzanweisungen

2,8

Wechsel

0,4

?

?

?

Kupons

?

1933

?

1932

Schecks

Barreserve

Aktiva

Jahr

287,4

?

?

?

?

?

?

?

87,5

99,8

?

16,5

0,6

?

?

1934

204,7

?

?

?

65,1

8,1

?

?

95,9

118,0

95,5

42,3

?

?

?

1935

321,9

?

?

?

108,0

11,3

?

?

129,5

139,0

129,5

117,9

?

?

?

1937

Tabelle 1.3.: Bank der Deutschen Arbeit: Bilanzen; 1932 bis 1945 (in Mio. RM)

3,3

4,0

781,4

9,0

382,3

12,0

?

182,2

2,3

26,4

0,5

18,0

?

590,0

45,2

?

?

22,0

1939

9,0

168,7

11,4

?

?

102,8

108,0

102,8

89,1

2,0

?

20,8

1938

1.621,5

5,5

6,1

11,4

259,2

8,7

28,1

0,3

234,0

238,1

1.107,6

96,9

?

?

26,2

1940

2.415,8

3,0

7,2

10,6

396,7

19,7

37,0

0,3

259,1

263,7

1.744,0

119,9

5,7

1,7

43,0

1941

3.325,6

3,0

7,2

10,3

490,6

8,7

47,9

0,9

285,1

285,1

2.525,1

222,6

5,3

1,3

72,5

1942

4.196,7

3,0

8,4

9,3

747,9

0,9

84,6

1,5

772,6

776,7

2.780,7

222,4

4,8

0,1

66,0

1943

4.401,5

3,0

9,4

8,5

931,4

0,0

92,3

1,5

763,2

764,7

2.813,0

287,3

5,1

0,04

92,0

1944

3.984,8

3,0

9,4

8,4

939,2

0,0

36,3

1,3

743,0

744,3

2.928,6

1,8

2,5

5,4

96,6

1945 (a)

tabellen

Banken

?

Termingeld

?

?

?

?

Rücklagen

Rückstellungen

Bürgschaften

Indossamente (e)

128,6

156,0

0,0

?

?

?

?

?

(50,0)

?

?

?

136,8

3,9

1933

303,8

?

?

?

?

?

?

?

?

?

?

278,4

9,0

1934

311,1

0,8

?

?

?

?

20,0

80,8

?

?

?

?

?

1935

440,0

1,3

?

?

?

?

25,0

80,7

?

?

?

?

?

1937

512,8

3,6

?

?

?

9,1

25,0

91,2

?

?

?

?

?

1938

917,6

0,6

3,1

11,2

0,8

11,0

25,0

98,7

-

374,4

406,3

744,8

36,6

1939

1.795,1

4,7

-0,9

16,5

2,8

11,0

25,0

129,9

-

893,2

728,3

1.547,8

73,7

1940

2.653,6

1,0

1,1

19,3

11,5

15,0

25,0

181,0

3,5

1.595,4

820,4

2.302,3

113,6

1941

3.680,9

1,8

0,7

28,2

7,6

15,0

50,0

280,2

-

2585,2

740,4

3.240,6

85,1

1942

?

?

?

5,6

15,0

50,0

511,5

?

3.851,3

550,2

?

?

1944

4.656,7 5.007,9

2,0

0,5

32,0

16,0

15,0

50,0

373,8

2,0

3.077,6

1.119,1

4.061,4

135,3

1943

4.894,3

?

?

?

11,5

15,0

50,0

525,4

?

?

?

?

?

1945 (a)

Quellen: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 13; Die Bank Jg. 34/1941, Heft 11, S. 221-223; Frankfurter Zeitung vom 21. April 1943; Berliner BörsenZeitung bzw. Deutsche Allgemeine Zeitung vom 30. April 1944; Deutsche Volkswirtschaft 4/1935, S. 650; Bericht über die von der Deutschen Revisions- und Treuhand AG bei der Bank der Deutschen Arbeit durchgeführte Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dez. 1944 sowie des Zwischenabschlusses zum 30. April 1945, in: BA Berlin, R 8135, Nr. 8613.

(a) 30. April 1945 (hochgerechnet auf Basis der Angaben für die Zentrale der Arbeits­bank). Sonst: 31. Dez. (b) Überwiegend langfristige Reichstitel. (c) Ohne Spareinlagen. Für 1932 bis 1934 auf Basis der Gesamteinlagen geschätzt. (d) Überwiegend Gelder, die die DAF sowie andere NS-Organisationen und öffentliche bzw. parteinahe Einrichtungen (wie z.B. das Winterhilfswerk) bei der Arbeitsbank anlegten. (e) Übertragungsvermerke bei Wechseln (vermutlich Bearbeitungsgebühren).

Bilanzsumme

0,0

?

Grundkapital

Reinertrag

(30,0)

?

?

Tagesgeld

Sonstige (d)

1932

Spareinlagen

Akzepte

Dar. (An­lageform):

Dar. (Struk­tur der Gläu­biger):

Jahr

tabellen

627

tabellen Tabelle 1.4.: Bank der Deutschen Arbeit, BHG, Commerzbank, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Reichskreditanstalt im Vergleich: Bilanzsumme, Einlagen, Umsatz; 1935 bis 1943 Bilanzsumme (in Mio. RM): Bank der Deutschen Arbeit

BHG

Commerz­­ Deutsche bank Bank

Dresdner Bank

Reichs­ kreditanstalt

Insgesamt

1935

310

274

1.367

3.017

2.441

490

1938

513

306

1.554

3.748

2.785

630

7.899 9.526

1939

918

339

1.746

4.194

3.206

668

11.061 14.791

1940

1.795

400

2.306

5.315

4.118

857

1941

2.654

479

2.957

6.579

4.917

1.001

18.518

1942

3.681

528

3.436

7.504

5.736

1.055

21.940

1943

4.657

542

4.240

8.753

6.680

1.138

26.020

Reichs­ kreditanstalt

Insgesamt

Einlagen (Kreditoren und Spareinlagen; in Mio. RM): Bank der Deutschen Arbeit

BHG

Commerz­­ bank

Deutsche Bank

Dresdner Bank

1938

473

239

1.295

3.276

2.309

508

8.100

1939

880

268

1.485

3.733

2.757

560

9.683 13.450

1940

1.751

338

2.072

4.839

3.696

754

1941

2.587

429

2.726

6.111

4.487

871

17.221

1942

3.606

469

3.209

7.027

5.264

912

20.487

1943

4.571

482

3.976

8.242

6.193

1.005

24.469

Umsatz (in Mrd. RM):

1938

Bank der Deutschen Arbeit

BHG

Commerz­­ bank

Deutsche Bank

Dresdner Bank

Reichs­ kredit anstalt

16

8,7

112

137



29,6

Insgesamt

303

1939

22

9,0

119

148



32.7

331

1940

30

11,5

121

158



34,3

354

1941

38

12,0

133

179



38

400

1942

51

13,3

142

193



40

439

1943

61

14,0

151

201



43

470

Quelle: Berliner Börsen-Zeitung vom 13. Mai 1944. Vgl. auch Bähr, Dresdner Bank, S. 171.

628

tabellen Tabelle 2.1.: Deutsche Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung; 1932 bis 1937 (a) Versicherungen

Versicherungs­ summe (in Mio. RM)

Prämien­ einnahmen (in Mio. RM)

Bilanzsumme (in Mio. RM)

Versichertendividende (in Mio. RM)

1932

650.891

243,3

10,2

28,7

0,67

1933

671.815

264,0

10,4

33,0

0,71

1934

640.069

275,3 (b)

12,7

50,6 (c)

1,06

1935

666.738

269,7

12,6

57,0

1,07

1936

711.341

316,3

14,8

65,3

1,07

1937

787.096

340,8

16,1

75,1

1,59

(a) Die Versicherungen der bis 1933 im Besitz des christlichen Deutschen Gewerkschaftsbundes befindlichen und 1938 liquidierten Deutschen Lebensversicherung AG gingen auf den Deutschen Ring und die Volksfürsorge über. (b) Bestandserhöhung aufgrund der Übernahme der Deutsche Welt Lebensversicherungs AG (Berlin) am 1. Jan. 1934. (c) Einschließlich der Bilanzsumme der Deutsche Welt Lebensversicherungs AG, die sich am 1. Jan. 1934 auf 13,3 Mio. RM belief. Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 18 ff., 22. Tabelle 2.2.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung und Neuzugänge (Verträge/Stück); 1913 bis 1944 Neuzugänge Absolut

Versicherungsbestand Insgesamt Absolut

Index 1933=100,0 3,1

1913

70.401

70.125

1914

101.014

163.469

7,3

1915

10.701

171.312

7,6

1916

22.936

191.736

8,5

1917

38.561

227.183

10,1

1918

70.234

292.098

13,0

1919

150.481

435.847

19,4

1920

234.283

657.142

29,3

1921

213.418

857.899

38,2

1922

200.406

1.048.289

46,7

1923







1924

65.072

416.920

18,6

1925

195.418

553.419

24,6

1926

247.203

733.738

32,7

629

tabellen Tabelle 2.2.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung und Neuzugänge (Verträge/Stück); 1913 bis 1944 (II) Neuzugänge Absolut

Versicherungsbestand Insgesamt Absolut

Index 1933=100,0

1927

372.807

1.039.713

1928

523.361

1.471.470

46,3 65,5

1929

581.759

1.918.207

85,4

1930

423.889

2.186.687

97,3

1931

275.807

2.261.663

100,7

1932

329.337

2.255.501

100,4

1933

345.492

2.246.535

100,0

1934

476.948

2.699.577

120,2

1935

560.738

3.420.720

152,3

1936

560.449

4.065.495

181,0

1937

615.048

4.658.993

209,2

1938

660.666

5.648.000

251,4

1939

544.088

6.290.000

280,0

1940

854.042

7.191.000 (a)

320,1

1941

831.971

7.500.000 (b)

333,8

1942

846.805

7.350.000 (b)

327,2

1943

388.262

7.200.000 (a)

320,5

1944

123.000

7.200.000 (a)

320,5

(a) Hinzu kam ein Versichertenbestand in den »erworbenen Gesellschaften« von ca. 1,2 bis 1,4 Mio. (b) Geschätzt, ohne »erworbene Gesellschaften«. Quellen: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 19; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (vom Jan. 1941), S. 14, in: BA Berlin NS 5 III/87; Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 11 f., 30, 57, 81, 85 f., 101; Böhle, Expansion, S.182 f.

630

158.537

177.878

197.822

297.097

301.973

304.372

913.424

1.091.302

1.289.124

1.586.221 (c)

1.888.194

2.192.566

1936

1937

1938

1939

1940



690.012

1932

1935



838.023

1931



97.656

880.793

1930

103.506

201.442

783.137

1929

651.381

192.916

581.695

1928

754.887

142.066

388.779

1927

1934

77.235

246.713

1926

1933



58.621

110.857

169.478

1924

Absolut (in 1000 RM)

13,9 %

16,0 %

18,7 %

15,4 %

16,3 %

17,4 %

13,7 %







11,1 %

25,7 %

33,2 %

36,5 %

31,3 %

34,6 %



In v.H. (b)

Bestandssteigerung gegenüber dem Vorjahr

1925

Bestand (in 1000 RM)

112.764,0 (d)

99.925,9

80.549,4

68.538,2

58.160,9

48.078,1

39.877,6

35.909,9

41.049,2

51.066,0

50.434,2

40.388,6

26.720,1

17.189,0

11.455,3

7.696,7

5.361,0

Prämieneinnahmen (in 1000 RM)

25.896,4

22.032,9

18.834,6

16.208,3

13.807,5

13.159,8

12.145,5

12.825,3

11.894,8

12.744,4

8.909,7

5.581,1

3.293,6

1.894,0

1.246,8

695,1

248,7

Kapital­erträge (in 1000 RM)

26.293,7

22.787,8

19.392,1

16.843,1

14.613,9

12.270,5

10.253,3

8.560,6

8.715,1

12.583,8

13.090,0

9.897,3

5.148,8

3.397,5

2.529,8

1.561,0

568,2

Überschuss (in 1000 RM)

23,0 %

22,0 %

23,4 %

23,6 %

23,7 %

27,4 %

30,5 %

35,7 %

29,0 %

25,0 %

17,7 %

13,8 %

12,3 %

11,0 %

10,9 %

9,0 %

4,6 %

Verhältnis der Kapitalerträge zur Jah­resprämie

2.488,5

470,6























Versicherungsleistungen für Kriegssterbefälle (in 1000 RM)

Tabelle 2.3.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Versicherungssummen (Gesamtbestand und Bestandssteigerung), Prämieneinnahmen, Kapitalerträge, Überschüsse; 1924 bis 1944 (a)

tabellen

631

632

405.581

150.369

?

2.965.913 (e)

3.116.282 (g)

?

1942

1943

1944

?

4,8 %

13,7 %

14,4 %

In v.H. (b)

?

172.890,2 (h)

159.092,7 (f )

135.801,9

Prämieneinnahmen (in 1000 RM)

?

35.217,8

31.898,0

29.032,0

Kapital­erträge (in 1000 RM)

?

23.302,9

18.382,6

28.829,2

Überschuss (in 1000 RM)

?

20,4 %

20,0 %

21,4 %

Verhältnis der Kapitalerträge zur Jah­resprämie

36.400,0

25.699,8

25.012,2

9.503,5

Versicherungsleistungen für Kriegssterbefälle (in 1000 RM)

Quellen: Volksfürsorge Lebensversicherung AG/Hamburg, Berichte über die Geschäftsjahre 1938 bis 1943, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18 bzw. Nr. 26; ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 18 f., 27; Gewerkschaftszeitung, 40/1930, S. 75; ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33; Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 88.

(a) Nur »Altreich«, ohne Ostmärkische Volksfürsorge Lebensversicherungs AG/Wien (ehemals »Allianz und Giselaverein Versicherungs AG/Allgis«) und weitere ausländische Tochtergesellschaften. (b) In v.H. der Gesamteinlagen. (c) Ab 1938: einschließlich der Ostmärkischen Volksfürsorge Lebensversicherungs AG/Wien. (d) Hinzu kamen Prämieneinnahmen in den »erworbenen Gesellschaften« außerhalb des »Großdeutschen Reiches« in Höhe von 17 Mio. RM. (e) Bestand mit ausländischen Gesellschaften (außerhalb des »Großdeutschen Reiches«) im Besitz der Volksfürsorge 1942: 3.532,6 Mio. RM. (f ) Prämieneinnahmen mit ausländischen Gesellschaften im Besitz der Volksfürsorge 1942: 184,6 Mio. RM. (g) Bestand mit ausländischen Gesellschaften im Besitz der Volksfürsorge 1943: 3.767,1 Mio. RM. (h) Prämieneinnahmen mit ausländischen Gesellschaften im Besitz der Volksfürsorge 1943: etwa 200 Mio. RM.

367.766

2.560.332

Absolut (in 1000 RM)

Bestandssteigerung gegenüber dem Vorjahr

1941

Bestand (in 1000 RM)

Tabelle 2.3.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Versicherungssummen (Gesamtbestand und Bestandssteigerung), Prämieneinnahmen, Kapitalerträge, Überschüsse; 1924 bis 1944 (a) (II)

tabellen

21,7 %

18,6 %

38,4 %

33,4 %

1940

1941

?

55,2%

49,6 %

42,0 %

34,9 %

25,2 % (25,0 %)

20,4 %

16,6 %

15,6 %

13,6 %

8,8 %

5,4 %

?

21,9 %

Wertpapiere (c)

?

0,7 %

1,1 %

1,4 %

1,8 %

2,2 %

2,7 %

3,2 %

3,3 %

3,3 %

3,3 %

3,0 %

?

0,6 %

Policendarlehen

?

2,2 %

2,4 %

4,6 %

3,2 %

3,8 %

5,4 %

4,2 %

3,6 %

2,8 %

3,0 %

2,8 %

?

4,1 %

Grundbesitz

?

846.002,8

782.113,0

676.017,3

576.407,9

489.600,0

421.440,0

358.080,0

306.240,0

266.880,0

233.280,0

213.120,0

?

Vermögensan­lagen (absolut, in 1000 RM)

3,65 %

3,86 %

?

?

?

4,41 %

4,46 %

?

?

?

?

?

?

Verzinsung der Kapitalanlagen

?

84,3 %

76,5 %

74,3 %

73,5 %

(72,0 %)

(70,0 %)

?

?

?

?

?

?

Anteil der staatlichen Wertpapiere an neu getätigten Anlagen

Quellen: Geschäftsberichte der Volksfürsorge Lebensversicherungs AG, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 18, bzw. R 8120, Nr. 23. Vgl. auch Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 13, 31, 88 f.

(a) In v.H. aller Vermögensanlagen (Gesamtvermögenswert). (b) Inkl. Gemeindedarlehen. (c) Überwiegend Reichsanleihen. (d) In Klammern die differierenden Werte von Böhle.

?

25,4 % (24,8 %)

43,4 % (42,5 %)

1939 (d)

?

24,6 %

46,9 %

1938

1944

28,1 %

47,9 %

1937

17,2 %

27,1 %

50,4 %

1936

14,9 %

24,5 %

55,8 %

1935

29,7 %

22,7 %

62,2 %

1934

27,0 %

22,3 %

66,5 %

1933

1943

?

1930

1942

9,7 %

63,7 %

86,7 %

1927

Schuldscheindarlehen

Hypotheken (b)

Tabelle 2.4.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Kapitalanlagen; 1927 bis 1944 (a)

tabellen

633

634

?

?

?

1.253

1.190

3.779

4.000

4.389

3.336

3.111 (g)

1940

1941

1942 (f )

1943 (f )

1944

1.065

963

2.238

?

1.903

1937

2.697

717

1.615

1936

1939

585

1938

527

1.122

1.286

1933

1935

517

1.055

1932

1934

?

370

?

841

1931

176

382

Darunter: Hauptverwaltung

1927

insgesamt

?

?

?

?

40 %

24 %

18 %

15 %

17 %

23 %

29 %

33 %

?

?

?

Anteil weiblicher Beschäftigter

Hauptamtliche Beschäftigte (a)

66,3 %

54,7 %

40,0 %

28,6 %

19,1 %

18,4 %



















Anteil der zur Wehrmacht Einberufenen (b)

?

28.664

31.551

31.500

29.146

28.313 (d)

27.582

24.000

23.000 (c)

20.000 (c)

19.000 (c)

?

13.000

?

8.000

Absolut

Vertrauensleute (a)

?

264

271

267

260

246

236

?

191

?

?

156

?

?

150

Ge­schäfts­stellen

?

2.083

1.527

?

?

?

1.275

?

898

701

595

538

471

?

206

Beschäftigte

Rechnungs- bzw. Geschäftsstellen

Tabelle 2.5.: Volksfürsorge Lebensversicherungs AG: Beschäftigte und (ehrenamtliche) Vertrauensleute; 1927 bis 1944

?

12,36 %

13,43 %

16,03 %

19,61 % (e)

25,10 %

26,12 %

24,37 %

20,78 %

23,23 %

26,97 %

21,35 %

?

15,90 %

?

Verwaltungskosten (einschließlich Abschlussund Inkassoprovisionen)

tabellen

Quellen: Geschäftsberichte der Volksfürsorge Lebensversicherung AG, vorläufiger Jahresbericht für 1943, sowie Niederschrift über Aufsichtsratssitzung vom 25. Okt. 1939 und 17. Febr. 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 17, 18 bzw. Nr. 26 sowie R 8120, Nr. 23; ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 27. Vgl. auch Böhle, Expansion, S.182 f.; ders., Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 13, 36, 40, 44, 46, 60, 65, 77, 90.

(a) Jeweils 31. Dez. In der Hauptverwaltung sowie den Geschäftsstellen: nur »Altreich«. Ohne »Volksfürsorge Allgemeine« (1933: 85; 1936: 193 hauptamtlich Beschäftigte). Ab 1939 einschl. der Einberufenen (deren Anteil sich ungefähr in den für die hauptamtlich Beschäftigten konstatierten Dimensionen bewegt haben dürfte). (b) Wert für 1942 geschätzt. (c) Jeweils Mai. (d) Davon 16 % eingezogen oder dienstverpflichtet. Geschätzt auf Basis der Gesamtheit der haupt- und nebenamtlich Beschäftigten. (e) Geschätzt auf Basis des (niedrigeren) Prozentsatzes sämtlicher Verwaltungskosten in v.H. der Gesamtausgaben. (f ) Die gesamte Versicherungsgruppe der Volksfürsorge beschäftigte am 31. Dez. 1942 4.764 hauptamtliche Angestellte und Arbeiter (davon 416 im Ausland) und ein Jahr später 4.258 hauptamt­liche Arbeitnehmer (davon 334 im Ausland). Von diesen waren jeweils etwa vierzig Prozent eingezogen. Die Zahl der Vertrauensmänner der gesamten Volksfürsorge-Versi­cherungs­gruppe wurde für Ende 1943 mit rund 41.000 angegeben (davon etwa 2.500 im Ausland). (g) 1. Oktober.

tabellen

635

tabellen Tabelle 2.6.: »Gisela«, Deutsche Lebens- und Aussteuerversicherungs AG: Bestandsentwicklung und Belegschaft; 1933 bis 1944

Bestandssumme (in Mio. RM) Zahl der Versicherungen (absolut)

1933

1935

1939

1942

1943

1944

62,8

71,5

91,0

135,6

150,1

159,0

45.746

78.060

68.000

91.733

100.147

102.000

Belegschaft (mit Lehrlingen)

82

121

?

145

106

?

nebenberufliche Vertrauensleute

518

629

?

895

954

?

Quellen: Vorläufiger Jahresbericht der Versicherungsgruppe Volksfürsorge für 1943, in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 17; Böhle, Volksfürsorge im Dritten Reich, S. 108. Tabelle 2.7.: Ostmärkische Volksfürsorge Lebensversicherungs AG/Wien: Bestandsentwicklung und Belegschaft; 1939 bis 1943 1939 Bestandssumme (in Mio. RM) Zahl der Versicherungen (absolut)

1940

1941

1942

1943

62,7

76,4

99,0

113,9

124,0

140.850

151.606

?

215.718

226.700

Belegschaft (mit Lehrlingen)

198

164

?

138

107

nebenamtl. Vertrauensleute

513

906

?

1.102

1.156

Quelle: Vorläufiger Jahresbericht der Versicherungsgruppe Volksfürsorge für 1943, in: BA Berlin, NS 5 II, Nr. 17. Tabelle 2.8.: Deutscher Ring Krankenversicherung AG: Bestandsentwicklung; 1926 bis 1943 (a) Versicherte (b)

Prämieneinnahmen (in 1000 RM) Insgesamt

Gesamteinnahmen (in Mio. RM)

Darunter: Gemeinschafts­ versiche­rungen

Hauptberuflich beschäftigte Mitarbeiter

1926

29.506

511,3

?

?

?

1929

140.545

7.386,0

?

?

?

1932

225.970

11.175,6

?

17,6

?

1933

264.498

12.523,8

?

25,1

?

1934

290.066

14.123,9

?

13,5

?

1935

303.603

16.079,2

?

?

601

1936

310.400

17.992,7

0.500,0

21,4

649

1937

317.389

18.466,2

0.900,0

22,8

?

1938

335.224 (c)

18.987,8

1.448,9

ca. 24,0

501

636

tabellen Versicherte (b)

Prämieneinnahmen (in 1000 RM) Insgesamt

1939

389.494 (c)

19.415,9

Gesamteinnahmen (in Mio. RM)

Darunter: Gemeinschafts­ versiche­rungen

Hauptberuflich beschäftigte Mitarbeiter

1.075,9

25,0

703

1940

406.206 (c)

20.120,2

1.014,2

ca. 25,5

489

1941

442.251 (c)

22.000,0

1.000,0

26,9

?

1942

474.589 (c)

22.147,4

1.100,0

ca. 27,0

?

1943

500.231 (c)

22.973,2

ca. 1.500,0

ca. 27,5

?

(a) Nur die Hamburger DR-Krankenversicherung. Ohne die vormalige »Krankenhilfe Collegialität«/Wien (ab 1938: DR österreichische Krankenversicherung) und weitere Tochterunternehmen. Die DR österreichische Krankenversicherung zählte 1938 ca. 35.000 Versicherte, die Prämieneinnahmen dieser Filiale 1938 etwa 550.000 RM. Jeweils Ende des Jahres. (b) Ohne Gemeinschaftsversicherungen. In den Gemeinschaftsversicherungen der DR-Kranken­ver­ sicherung waren 1935: 170.000 Personen, 1936: 396.300 Personen, 1937: 545.000 Personen, 1938: 691.000 Personen und 1943 schließlich ungefähr 1,5 Mio. Personen versichert. (c) Nur »Altreich«, jeweils Ende des Jahres. Gesamtbestand inkl. Ausland: 368.000 (Dez. 1938), 428.000 (Dez. 1939), 448.000 (Dez. 1940), 515.000 (Dez. 1942), 540.000 (Dez. 1943; Angaben für Dez. 1941 liegen nicht vor). Quelle: Bericht der DR-Krankenversicherung über das 1. Halbjahr 1938 für die Aufsichtsratssitzung am 6. Juli 1938, sowie DR-Krankenversicherung – Gegenüberstellung der Ergebnisse der Geschäfts­ jahre 1938-1940, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 12; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939 (vom Juli 1940), S. 8, bzw. für 1940 (vom Jan. 1941), S. 15 f., in: ebd., NS 5 III, Nr. 87. Für 1942: ebd., NS 5 III, Nr. 11; Protokoll der Aufsichtsratssitzung der DR-Krankenversicherung vom 11. Okt. 1940, in: ebd.; ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: ebd., NS 5 I, Nr. 33, Versicherungsgruppe Deutscher Ring, Bericht für 1943, in: ebd., NS 5 III, Nr. 9; ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 21, 43 f.

637

638 376.185 317.389

374.984

355.413

310.400

248.135

76.341

67.880

64.950

Deutsche Angestellten-­ Kranken­kasse

Norddeutsche Versicherungs­anstalt (Nova)

Deutscher Ring

Handwerk, Handel u. Gewerbe KV (HHG) (c)

Nationaler Kranken­ versicherungsverein AG

Hanse

Süddeutsche Versicherungsanstalt

1939

64.339

89.761

88.695

295.779

335.224

388.174

450.502

502.453

743.498

- 0,8 %

+ 32,2 %

+ 16,2 %

+ 19,2 %

+ 8,0 %

+ 9,2 %

+ 20,1 %

+ 17,1 %

+ 5,4 %

Anstieg des Versicherten­ bestandes (a)

3.614,9

4.733,3

2.786,1

12.758,0

18.438,6

16.104,9

19.620,1

24.641,6

36.039,0

Prämieneinnahmen 1937 (in 1000 RM)

25,0 %

19,7 %

31,1 %

25,9 %

22,7 %

16,9 %

34,5 %

18,9 %

20,8 %

1937

29,6 %

17,5 %

28,4 %

22,2 %

21,7 %

21,2 %

24,5 %

21,5 %

20,8 %

1938

Verwaltungskosten (in v.H. der Prämieneinnahmen)

Quellen: Bericht der DR-Krankenversicherung über das 1. Halbjahr 1938 bzw. 1. Halbjahr 1939 für die Aufsichtsratssitzungen am 6. Juli 1938 bzw. vom 29. Juli 1939, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 12.

(a) Zwischen dem 1. Jan. 1937 und 1. Jan. 1939. (b) Verband Privater Krankenversicherungsunternehmen Deutschlands, Leipzig. (c) Handwerk, Handel und Gewerbe Krankenversicherungsanstalt, Dortmund.

65.432

74.725

80.152

276.932

404.740

459.018

428.959

Vereinigte Krankenversicherungs AG

1938 721.691

705.153

Leipziger Verband (LVB) (b)

1937

Versichertenbestand (jeweils 1. Jan.)

Tabelle 2.9.: Bestandsentwicklung und Verwaltungskosten der großen deutschen Krankenversicherungen; 1937 bis 1939

tabellen

tabellen Tabelle 2.10.: Deutscher Ring Lebensversicherungs AG: Bestandsentwicklung; 1925 bis 1943 (jeweils Versi­cher­te Versicherungssumme Überschuss Prämieneinnahmen Hauptberuflich Jahres­ (in 1000) (in Mio. RM) (in 1000 (in Mio. RM) beschäftigte ende) RM) Mitarbeiter 1925

?

64,6

?

?

?

1929

?

306,7

?

?

?

1932

399,7

409,0

1.425,9

11,3

?

1933

523,8

465,4

1.266,4

11,0

?

1934

561,6

505,9

2.029,0

14,0

?

1935

598,1

518,7

2.019,9

16,6

?

1936

637,9

570,0

2.061,7

19,3

758

1937

654,6

618,4

1.663,7

21,7

?

1938

1.552,2 (a)

1.389,4 (b)

?

50,0 (c)

1.629

1939

1.568,0

1.520,0

?

?

1940

1.116,6

1.713,9

?

?

?

1941

1.206,3

?

?

?

?

1942

1.306,8 (d)

2.190,0 (e)

?

79,0 (f )

3.050 (g)

1943

1.345,0

2.300,0 (e)

?

87,0 (h)

2.760 (i)

?

(a) Von 1938 bis 1941: »Großdeutsches Reich« (einschließlich Österreich und Sudeten). (b) Ab 1938 einschließlich der übernommenen Bestände der Anfang 1938 liquidierten Deutschen Lebensversicherungs AG in Höhe von (Ende 1937) 289,5 Mio. RM sowie der Bestände der Österreichischen DR-Lebensversicherungs AG in Höhe von (März 1938) 134,5 Mio. RM. (c) Nur »Altreich« (ohne Österreich): 37,3 Mio. RM. (d) Ab 1942: nur »Altreich« (ohne Österreich und Sudeten). (e) Einschließlich Star (Prag) und Nederlandscher Ring, Den Haag: 2,65 Mrd. RM. Nur »Altreich« (ohne Österreich): 1,835 Mrd. RM (1942: 1,74 Mrd. RM). (f ) Nur »Altreich« (ohne Österreich und Sudeten): 73,0 Mio. RM. (g) Nur »Altreich« (ohne Österreich und Sudeten): 65,8 Mio. RM. (h) Darunter 1.650 einberufen. (i) Darunter 1.900 einberufen. Quelle: Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (Juli 1940) und 1940 (Jan. 1941), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87; ZfF, Leistungsbericht für 1943, in: ebd., NS 5 I, Nr. 33; Jahresbericht der DRLebensversicherungs AG für 1943, in: ebd., NS 5 III, Nr. 9; ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 19, 35, 37 ff.; »Der Angriff« vom 29. Juni 1937; Thür, »Österreichische Versicherungs-AG« (ÖVAG), S. 725.

639

640

32,0 % 28,9 % 30,3 % 28,3 % 26,8 % 27,7 % 31,9 % 32,2 % 27,5 % 19,6 % 19,9 % 17,0 %

8,3 % 5,6 % 2,4 % 4,1 % 5,5 % 11,7 % 11,5 % 18,4 % 15,9 % 12,3 % 14,1 % 15,4 %

Hypotheken (b) Schuldschein­ darlehen (c)

28,3 % 38,3 % 42,0 % 40,2 % 38,2 % 31,7 % 29,5 % 36,7 % 46,0 % 46,1 % 57,7 % 60,4 %

Wert­papie­re (d)

7,8 % 8,1 % 8,4 % 7,9 % 7,8 % 7,3 % 7,0 % 6,9 % 5,5 % 3,6 % 3,0 % 2,4 %

Policendarlehen

0,1 % 0,1 % 0,0 % 0,0 % 0,0 % 0,2 % 0,2 % 0,1 % 0,0 % 0,1 % 0,3 % 0,3 %

Beteiligungen (e)

2,3 % 1,8 % 2,1 % 6,7 % 5,9 % 7,1 % 5,9 % 5,7 % 5,1 % 5,0 % 5,0 % 4,5 %

Grund­besitz

21,2 % 17,2 % 14,8 % 12,8 % 15,8 % 14,3 % 14,0 % – – 13,7 % – –

Übrige (f )

Vermögens­ an­lagen (absolut, in 1000 RM) 41.050,0 45.992,3 53.201,3 62.294,1 71.779,1 84.000.8 162.762,7 166.228,9 193.556,8 261.302,6 262.864,6 292.153,9

? ? ? ? ? ? ? 4,8 % 4,6 % 4,4 % 4,2 % 4,1 %

Ver­zinsung der Kapitalanlagen

Quelle: Berichte über die Geschäftsjahre bzw. Jahresabschlussbilanzen für 1933 bis 1944, sowie Verwaltungskosten der DR-Lebensversicherung seit 1938, o.D. (1942), in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 9; Deutscher Reichsanzeiger Nr. 164, vom 18. Juli 1938; Deutscher Reichsanzeiger Nr. 181, vom 8. Aug. 1939; Deutscher Reichsanzeiger Nr. 297, vom 18. Dez. 1942.

(a) In v.H. aller Vermögensanlagen (Gesamtvermögenswert). (b) Inkl. Gemeindedarlehen. (c) Öffentliche Körperschaften. (d) Überwiegend Reichsanleihen. (e) Bis 1938: konstant 20.000 RM. (f ) (Übrige) Außenstände und sonstige Aktiva. 1939, 1940 und ab 1942 verrechnet.

1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943

(jeweils Jahresende)

Tabelle 2.11.: Deutscher Ring Lebensversicherungs AG: Vermögenswerte und Kapitalanlagen; 1932 bis 1943 (a)

tabellen

tabellen Tabelle 2.12.: Deutsche Sachversicherungs AG sowie ihre Vorläufer im Deutschen Ring und in der Volksfürsorge: Prämieneinnahmen; 1932 bis 1940 (in Mio. RM) Deutsche Sachversicherung (a) Sachver­ si­cherung

Autokasko

1932

4,86

1933 1934 1935

Insgesamt

DR Transportu. Fahrzeug­ versicherung

Unfall

Haftpflicht

0,10

0,31

0,90

6,17

4,61

0,16

0,39

1,11

6,27

0,57

5,27

0,31

0,55

1,43

7,56

0,73

5,79

0,35

0,64

1,81

8,59

0,89

0,49

1936

6,50

0,53

0,96

2,30

10,29

1,15

1937

6,78

0,68

0,92

3,75

12,12

1,53

1938

?

?

?

?

12,90

1,70

1939

?

?

?

?

12,00

?

1940

?

?

?

?

11,60

?

(a) Die Deutsche Sachversicherungs AG wurde am 15. Dez. 1936 aus den bestehenden, bis dahin selbständigen Sachversicherungsgesellschaften der DAF gebildet, nämlich (a.) der Volksfürsorge Allgemeine Versicherungs AG, (b.) der Deutscher Ring Allgemeine Versicherungs AG und (c.) der Deutsche Feuerversicherungs AG. In den Angaben für 1932 bis 1936 sind die Daten der bis dahin bestehenden separaten Gesellschaften summiert. Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 18, 41; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1942, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 11.

641

642

2,9 3,7 4,8 5,9 7,1 8,4 7,6 9,7 10,9 14,3 13,9 6,5 (g) ?

1,2 1,4 1,5 1,9 (2,7) 3,2 (4,0) (4,8) 5,5 ? ? ? ?

Langen-MüllerVerlag (c)

Zentralverlag der DAF (d) Nur Mitteilungs- und Schulungsblätter insgesamt (e) – – ? ? ? ? ? ? (7,0) (12,0) (10,0) (20,0) 13,9 28,1 12,3 29,0 8,0 (f ) 21,5 (f ) (6,0) (25,0) (28,0) (5,5) (2,5) (42,0) (25,0) ? – – – – – – – ? (8,0) (12,0) 16,7 35,0 (20,0)

Zentrale der Frontbuchhandlungen 1,0 1,1 1,1 1,2 1,4 2,0 2,7 3,1 5,1 8,1 7,6 4,9 2,4

Zum Vergleich: Bertelsmann-Verlag

Quellen: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 123; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40, S. 16 (Juli 1940), bzw. für 1940 (Jan. 1941), S. 25 f., in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87; Protokoll der Aufsichtsratssitzung des DAF-Zentralverlages vom 22. Okt. 1943, sowie Leistungsbericht des Zentralverlages für 1943, in: ebd., Nr. 55; Meyer, Verlagsfusion, S. 19, 189, 193; Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 127 f., 145, 166; Bühler/Bühler, Frontbuchhandel, S. 96; Friedländer u.a., Bertelsmann, S. 413, 568.

(a) In Klammern: Schätzungen. (b) Einschließlich HAVA-Druckerei und »Bücherborn« (dem rechtlichen Mantel der Deutschen Hausbücherei). (c) Bis 1931: Albert Langen- und Georg Müller-Verlag getrennt. (d) Ohne Sonderaufträge der Ämter der DAF. (e) Ohne die (ab 1941 rasch wachsenden) Aktivitäten, die der Zentralverlag im Auftrag der DAF-gesteuerten »Zentrale der Frontbuchhandlungen« ausführte. (f ) Geschätzt auf Basis der Angaben für das erste Halbjahr 1940. (g) Nur der Verlag.

1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Hanseatische Verlagsanstalt (b) (c)

Tabelle 3.1.: DAF-Verlage und ihre Vorläufer: Umsatz; 1932 bis 1944 (in Mio. RM) (a)

tabellen

tabellen Tabelle 3.2.: Buchgemeinschaften der DAF: Mitgliederentwicklung, Umsatz; 1919 bis 1941 Deutsche Hausbücherei (Mitglieder/absolut) 1919 (Frühjahr)

Büchergilde Gutenberg Mitglieder (absolut)

Umsatz (in 1000 RM)

600





1925 (1. Jan.)

?

10.959

218,5

1926 (1. Jan.)

?

18.571

335,8

1927 (1. Jan.)

6.500

27.839

603,7

1928 (1. Jan.)

14.000

45.260

810,9

1929 (1. Jan.)

23.000

55.100

1126,2

1930 (1. Jan.)

?

68.000

1136,5

1931 (1. Jan.)

39.390

75.512

912,2

1932 (1. Jan.)

?

78.432

1181,3

1933 (1. Jan.)

?

84.264

?

1934 (1. Jan.)

?

25.000

?

1934

?

46.000

?

1935

?

53.000

?

1936

?

95.000

?

1937

?

196.000

?

1938

ca. 150.000

?

?

1939 (1. Jan.)

140.353

295.000

?

1940 (1. Jan.)

148.353 (a)

410.000

?

1941 (1. Jan.)

173.912 (a)

490.000

?

(a) Davon »ruhend«, wegen Einberufung zum Kriegsdienst: 22.200 (1. Jan. 1940) bzw. 47.254 (1.  Jan. 1941). Quellen: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 105; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1939/40 (vom Juli 1940), S. 18; für 1940 (vom Jan. 1941), S. 24 f., in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 87; Scholl, Büchergilde Gutenberg 1924-1933, S. B 102 f.; Dragowski, Büchergilde Gutenberg, S. 154; Messerschmidt, Büchergilde Gutenberg, S. 36, 301; Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 98, 129; Hamel, Völkischer Verband, S. 138.

643

tabellen Tabelle 3.3.: Verlagshäuser und Druckereien der DAF: Arbeiter und Angestellte am 1. Jan. 1939 insgesamt

darunter Arbeiter

Angestellte

Gruppe Zentralverlag (a): Zentralverlag der DAF (Berlin)

876

?

?

Buchmeister-Verlag (Büchergilde Gutenberg)

182

?

?

»Auf bruch«-Verlagsgesells. mbH (Köln)

18

5

13

Verlag »Freude und Arbeit« GmbH (Berlin)

79

?

?

August Pries GmbH (Leipzig)

428

380

48

Buchdruckerei Werkstätte GmbH (Berlin)

264

240

24

53

?

?

128

120

8

Bochumer Druckerei GmbH (Bochum) Großbuchbinderei Franz Wermke GmbH (Berlin) Adam Kraft Verlag GmbH (Karlsbad)

15

?

?

2.043

(1.843)

(200)

Hamburger Verlagsanstalt AG

587

399

188

»Bücherborn« Deutsches Buchhaus GmbH (Deutsche Hausbücherei) (Hamburg)

166

7

159

Geesthachter Druckerei-Gesellschaft mbH

15

14

1

3

1

2

771

421

350

Albert Langen/Georg Müller-Verlag GmbH (Münch.)

81

7

74

Theaterverlag Berlin des Langen-Müller-Verlages

20

2

18

?

?

?

Insgesamt

(101)

(9)

(92)

Sämtliche DAF-Verlage und Druckereien

2.915

(2.273)

(642)

Insgesamt Gruppe Hamburger Verlagsanstalt:

Buchhandlung H. Bandholdt (Hamburg) (b) Insgesamt Gruppe Langen-Müller-Verlag:

Eduard Avenarius GmbH (Leipzig)

(a) Ohne die (1938) 320 Beschäftigten der erst 1940 von der DAF erworbenen Bachwitz AG. (b) Von der HAVA 1925 gegründete Buchhandlung, die ab 1935 »die Buchhandelsinteressen des Gesamtunternehmens« der HAVA wahrnahm. Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 102-137.

644

tabellen Tabelle 3.4.: Großdruckerei August Pries GmbH/Leipzig: Umsatz, Gewinn/Verlust und Belegschaft; 1935 bis 1942 Umsatz (RM)

Gewinn/Verlust (RM)

Belegschaft

1935

890.000

-133.000

300

1936

1.060.000

-108.000

337 (a)

1937

2.968.000

+ 143.000

?

1938

4.279.000

+ 421.000

?

1939

3.170.000

+ 49.000

?

1940

2.226.600

+ 14.173

401 (b)

1941

2.842.500

+ 323.411

564 (c)

1942

?

+ 172.586

?

(a) April. (b) 31. Dez., einschl. 104 einberufener bzw. dienstverpflichteter Belegschaftsmitglieder. (c) 31. Dez., einschl. 168 einberufener bzw. dienstverpflichteter Belegschaftsmitglieder. Quellen: Bericht der Aug. Pries GmbH für das 1. Vierteljahr 1937; Geschäftsbericht der Aug. Pries GmbH für 1939 und 1941; Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Aug. Pries GmbH vom 19. Juni 1939, 2. Juli 1940 und 6. März 1944, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 42. Tabelle 4.1.: Konsumgenossenschaften im Deutschen Reich bzw. (ab 1941) Deutsches Gemeinschaftswerk: Mitglieder, Umsatz, Einlagen; 1924 bis 1940 bzw. 1941 bis 1943 Jahr

Zahl der Mitgliederzahl (b) Umsatz Spareinlagen Ge­schäfts­­ Konsum­ (c) der einlagen genossen­ Absolut Mit­­glieder der Index Absolut Index schaften (in 1000) (1924=100,0) (in Mio. (1924=100,0) (in Mio. Mitglieder (a) RM) (d) (in Mio. RM) RM) 1870 111 45,8 1,4 9,0 1,6 ? ? (e) 268,4 8,0 77,7 14,2 ? ? 1894 417 1904 710 646,2 19,3 147,4 26,9 7,2 ? 1.279 1.894,9 56,7 537,9 98,0 81,0 ? 1914 2.584.3 77,3 ? ? ? ? 1918 ? 1924 1.553 3.344,2 100,0 548,8 100,0 51,6 ? 1925 ? 3.365,0 100,6 733,5 133,7 ? ? 1926 ? 3.206,0 95,9 875,3 159,5 ? ? 1927 1.361 3.717,1 111,2 1.152,0 209,9 ? ? 1928 1.300 3.683,5 110,1 1.308,1 238,4 ? ? 1929 1.261 3.757,2 112,3 1.444,1 263,1 444,0 ? (f ) 1930 1.252 3.843,0 114,9 1.413,0 257,5 440,0 ? 1.231 3.807,4 113,9 1.227,9 223,7 346,0 ? 1931 1932 1.208 3.539,6 105,8 920,4 167,7 262,0 ?

645

tabellen Jahr

1933 (g) 1934 (g) 1935 (h) 1936 (h) 1937 1938 1939 1940 1941 1942

Zahl der Mitgliederzahl (b) Umsatz Spareinlagen Ge­schäfts­­ Konsum­ (c) der einlagen genossen­ Absolut Mit­­glieder der Index Absolut Index schaften (in 1000) (1924=100,0) (in Mio. (1924=100,0) (in Mio. Mitglieder (a) RM) (d) (in Mio. RM) RM) 1.148 3.344,4 100,0 823,0 150,0 230,5 69,6 1.134

3.211,8

96,0

661,6

120,6

170,5

61,1

1.187

3.121,8

93,3

659,6

120,2

87,8

44,2

1.017

2.094,5

62,6

510,5

93,0

76,0

43,9

1.016 1.016 1.018 1.022 (i) (i)

2.010,9 1.954,0 1.899,8 1.853,1 – –

60,1 58,4 56,8 55,4 – –

97,0 100,9 103,4 99,6 ? 142,2

? ? ? 19,5 ? ?

? ? ? 46,6 ? ?

1943

(i)





148,1

?

?

1944







532,1 553,7 567,2 546,5 ? 780,5 (k) 813,0 (j) (k) 770,0 (l)

140,3

?

?

(a) Den Reichsverbänden angeschlossene Konsumgenossenschaften. Jeweils Jahresende. 1927 bis 1932: Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften und Reichsverband deutscher Konsumvereine. Ab 1933: Reichsbund deutscher Verbrauchergenossenschaften. Ab 1938: ohne Österreich, Sudeten usw. (b) Jeweils Jahresende. Angabe der Mitgliederzahl des Reichsverbandes deutscher Konsumvereine für 1932 auf Basis der Mitgliederentwicklung des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften von 1931 auf 1932 geschätzt. (c) Umsatz aus eigener Verteilung, ohne Umsatz aus eigener Güterproduktion (Bäckereien, Schlachtereien, Konservenfabriken usw.). (d) Jeweils Jahresende. (e) Nach Angaben aus dem RWM vom Febr. 1935. Erhebliche Differenzen zu Hasselmann. (f ) Nach Angaben aus dem RWM vom Febr. 1935 lag die Zahl der Mitglieder 1929/30 bei 3,7 Mio. und der Umsatz bei 1.444,9 Mio. RM. (g) Nach Angaben aus dem RWM vom Febr. 1935 lag die Zahl der Mitglieder (trotz eines AustrittStopps) 1933 bei 3,4 Mio. und 1934 bei 3,3 Mio., der Umsatz 1933 bei 721,6 Mio. RM und 1934 bei 680,0 Mio. RM und die Spareinlagen der Mitglieder 1933 bei 194,8 Mio. RM und 1934 bei 167,0 Mio. RM. (h) Differierende Angaben bei Kurzer, Korf, Hasselmann und Ditt. Übernommen wurden die Angaben von Hasselmann und Ditt. (i) Zwischen dem 15. Okt. 1941 und dem 31. Juli 1943 wurden (nach Korf ) 1.566 Konsumge­nos­ senschaften in das Gemeinschaftswerk überführt, davon 1.227 aus dem Deutschen Reich, 192 aus Österreich, Oberkrain und der Untersteiermark (Jugoslawien), 64 aus dem Elsass und Lothringen und 18 aus Luxemburg. (j) Nur »Altreich«. Einschließlich Österreich, Sudeten und Elsass-Lothringen belief sich der Umsatz auf etwa 1,2 Mrd. RM.

646

tabellen (k) Geringfügig abweichende Zahlen bei Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 198 (Tabelle 5). (l) »Altreich« ohne die Versorgungsringe Königsberg und Aachen. Quellen: »Zahlen über die Entwicklung der Verbrauchergenossenschaften«, Anlage zu: Vertrauliches Rundschreiben des RWM an den RFM, den Reichswehrminister, den RAM, den RIM, den Stellvertreter des Führers, und den Beauftragten des »Führers« für Wirtschaftsfragen vom 14. Febr. 1935, in: BA Berlin, R 3101, Nr. 10524, Bl. 122; ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: ebd., NS 5 I/33; Deutsche Allgemeine-Zeitung vom 3. Okt. 1941; Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 158, 456-461; Hasselmann, Konsumgenossenschaften, S. 472, 496; Ditt, Konsumgenossenschaften, S. 101; Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 36, 38, 198. Tabelle 4.2: Konsumgenossenschaften im Deutschen Reich bzw. (ab 1941) Deutsches Gemeinschaftswerk: Beschäftigte und Verkaufsstellen; 1924 bis 1940 bzw. 1941 bis 1944 (a) Jahr (sozialdemokratisch orientierter) »Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften« Ohne Produktionsbetriebe: (b) 25.348 1913 1924 32.177 1925 31.045 1926 32.954 1927 36.106 1928 41.467 1929 43.872 1930 44.073 40.605 1931 1932 35.316 (c) Mit Produktionsbetrieben: (b) 52.000 1933 1934 – 1935 – 1940 1941 1942 1943 1944

– – – – –

Beschäftigte (christlich-national orientierter) »Reichsverband der deutschen Konsumvereine«

? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

Zusammen ab 1933: »Reichsbund deutscher Verbraucher­ genossenschaften«

? (39.500) (38.000) (40.500) (44.500) (51.000) (54.000) (54.500) (50.000) (43.000)

Verkaufs­ stellen

? 10.779 ? ? ? ? 12.437 ? ? ?

7.550 – –

69.550 (d) (67.000) 65.000

? ? ?

– – – – –

(62.000) (61.000) 56.900 63.296 (e) 61.000 (e)

12.000 13.000 (12.800) 12.500 11.650

(a) Jeweils Jahresende. 1927 bis 1932: Zentralverband deutscher Konsumvereine und Reichsverband deutscher Konsumvereine. Ab 1933: Reichsbund deutscher Verbrauchergenossenschaften. In Klammern: Schätzungen. (b) Die Produktionsbetriebe vereinigten jährlich im Allgemeinen etwa 20 % des Gesamtumsatzes des Zentral- bzw. Reichsverbandes auf sich bzw. 25 % des Verteiler-Um­sat­zes. Entsprechend hoch wird auch die Zahl der in den Produktionsbetrieben Beschäftigten zu veranschlagen sein.

647

tabellen Infolge­dessen ist die Gesamtzahl der Beschäftigten auf gut 53.000 im Jahre 1927 und ungefähr 65.000 im Jahr 1930 zu veranschlagen. (c) Mit den bei der GEG Beschäftigten: 48.095 Personen. (d) Einschließlich der bei der GEG und der GEPAG Beschäftigten. Hinzu kamen 1933 noch etwa 8.500 Beschäftigte der dem »Reichsbund« angeschlossenen Brennstoffgenossenschaften (sowie »Kohlenkassen«), die zwecks Vergleichbarkeit nicht in die Tabelle aufgenommen wurden. Die Beschäftigtenzahl der – 1933 rasch schrumpfenden – Produktionsbetriebe wurde auf 10.000 Arbeitnehmer geschätzt. (e) Bis 1942 ohne, 1943 und 1944 mit den 9.000 bzw. 10.000 Einberufenen. Angaben ab 1940 einschließlich Österreich, Sudeten, Elsass und Luxemburg sowie wahrscheinlich auch des »Generalgouvernements«, der baltischen Staaten und der okkupierten sowjetischen Gebiete. Quelle: Wie Tabelle 4.1. Außerdem: ZfF/AWU, Leistungsbericht für 1943, in: BA Berlin, NS 5 I, Nr. 33; Leiter des AWU, Leistungsbericht für 1940 (Jan. 1941), S. 8, in: ebd., NS 5 III, Nr. 87; Denkschrift dess., o.D. (Aug./Sept. 1944), in: ebd., NS 5 III, Nr. 84; Deutsche Allgemeine-Zeitung vom 3. Okt. 1941; Korf, Konsumgenossenschaftsbewegung, S. 32, 38, 247, 262; Kurzer, NS und Konsumgenossenschaften, S. 158, 456-461. (Kurzer referiert unterschiedliche Quellen; übernommen wurden hier die Angaben des Statistischen Reichsamtes.) Tabelle 5.1.: Bautätigkeit in Deutschland, Anteile sämtlicher gemeinnütziger Wohnungsunternehmen sowie der DAF-Wohnungsunternehmen; 1927 bis 1941 Jahr

Fertiggestellte Wohneinheiten durch Neubau insgesamt Absolut

durch sämtliche gemeinnützige Wohnungsunternehmen In Großstädallgemein ten Absolut In v.H. (a) In v.H. (a)

1927

284.444

78.426

27,9

48,4

1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941

306.825 315.703 307.933 231.342 131.160 132.870 190.257 213.227 282.466 308.945 276.276 220.334 116.100 ?

90.889 109.121 121.394 92.587 27.282 19.546 30.187 40.050 71.101 91.253 96.973 92.506 58.931 ?

30,0 34,9 39,8 40,3 20,9 14,8 15,9 18,9 25,3 29,7 35,3 42,0 50,8 ?

47,7 51,4 57,8 59,6 44,2 33,8 25,1 25,7 35,3 38,3 44,0 46,8 55,9 71,3

durch gemeinnützige Wohnungsunternehmen der DAF (bis 1933: gewerkschaftseigene Unternehmen) Absolut

In v.H. (b) ?

? (17.615)(c) ? ? ? 3.736 2.412 4.923 7.027 3.603 9.798 (ca. 10.000) ? ?

? ? (16,1) ? ? ? 19,1 8,0 12,3 9,9 3,9 10,1 10,8 ? ?

(a) In v.H. sämtlicher fertiggestellten Wohneinheiten durch Neubau. (b) In v.H. sämtlicher von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen fertiggestellten Wohneinheiten (im Neubau). (c) Vom Verband Sozialer Baubetriebe fertiggestellte Wohneinheiten. Quelle: Stöcker, Entwicklungsphasen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, S. 261 sowie Tabelle 5.2.

648

144

203

7.430



– betreute Bauten

914

407

774

674

Bau-Wo-Ge (Essen)

Gewog (Dresden)

Miwog (Dresden)

791

Osba (Königsberg)

Dt. Heimbau (Essen)



180

Dt. Eisenbahnwohnungs­ bau GmbH (Breslau)

Neuland (Breslau)

386

Niederschlesischer Kleinwohnungsbau (Breslau)

Heimat (Berlin)

10.817

7.430

DEWOG(Berlin)

– Eigenbauten

658

638

4.868

Einfa (Berlin)(c)







202



691

88



107





169





50



417

802

841

635

192

188

354

194

387

1.565

579

7.756

– betreute Bauten

575

579







24

87

50

135

255

289

878

1.167



1.175

699

1.874

1935

155

94

88





44

80

35

380

481

191

672

1.132

2.064

1.343

3.407

1936

erstellte Wohnungen

1934

– Eigenbauten

773

1933

9.321

bis 1932

GEHAG (Berlin)

Gesellschaft



60

161



105



102

151

12



127

127

460

1.058

716

1.774

1937

110 (a)

406

109



16

88



155





383

383

535

1.507

533

2.020

1938

Tabelle 5.2.: Wichtige DAF-Wohnungsunternehmen: Bautätigkeit; 1933 bis 1938 (a) (b)

220

989

316



44

208

637

570





765

765



2.546

381

2.927

Anfang 1939 in Bau

1.845

2.323

1.081

1.285

980

1.118

1.187

862

12.516

12.187

7.541

19.744

Bis Ende 1938 insgesamt

tabellen

649

650

714

3.736

152





1933

2.412





48

1934

4.923

414



24

1935

7.027

581

240

49

1936

erstellte Wohnungen

3.603

673



8

1937 7

10.783

904

62

1938

?

1.384

88



Anfang 1939 in Bau

71.941

4.822

2.850

136

Bis Ende 1938 insgesamt

Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 67-87, sowie: Bauen, Siedeln, Wohnen 1938, nach: Harlander, Heimstätte und Wohn­maschine, S. 145.

(a) Ende 1938 besaß die DAF 22, im Frühjahr 1941 50 Wohnungsunternehmen (einschließlich 9 Tochtergesellschaften). Aufgrund fehlender Daten sind aber auch bereits vor 1933 existierende Wohnungsbaugesellschaften nicht aufgenommen, z.B. die »Mitteldeutsche Wohnungsfürsorge- und Siedlungsgesellschaft (Miwo)«, Weimar, der das nationalsozialistisch beherrschte thüringische Innenministerium im Aug. 1932 ›Gemeinnützigkeit‹ attestiert hatte. (b) Zahlen für 1938 und »1939 im Bau« auf Basis der Mitte 1938 im Bau befindlichen Wohneinheiten. Unterstellt wurde, dass davon ca. 33 % bis Ende 1938 fertiggestellt wurden. Entsprechend wurde die Summe »erstellte Wohnungen 1938« (drittletzte Spalte) und »erstellte Wohnungen bis 1938« (letzte Spalte) berechnet. (c) Die »Einfa – Berliner Gesellschaft zur Förderung des Einfamilienhauses« wurde 1925 als hundertprozentige Tochter der GEHAG gegründet und Anfang 1940 mit jener auch nominell verschmolzen (unter dem Namen GEHAG).

39.452

Gewobag (Frankfurt a.M.)

Insgesamt

2.460



bis 1932

Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Hamburg

Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Kiel-Mitte m.b.H.

Gesellschaft

Tabelle 5.2.: Wichtige DAF-Wohnungsunternehmen: Bautätigkeit; 1933 bis 1938 (a) (b) (II)

tabellen

tabellen Tabelle 5.3.: Wohnungsgesellschaften der DAF: Wohnungsbestand, Gründungsdatum, Beschäftigtenzahl am 31. Dez. 1938 Wohnungsbau­ genossenschaft

Gründungsjahr (sowie ursprünglicher Name)

Beschäftigte in der Verwaltung

Wohnungs­bestand Ende 1938

Gehag Berlin

14. April 1924 (Gemeinnützige Heimstätten-­­ Spar- und Bau-AG)

119

7.826

Einfa Berlin

13. Mai 1925 (Berliner Gesellschaft zur Förderung des Einfamilienhauses gemeinnützige GmbH [Tochtergesellschaft der Gehag])

126

7.541

Heimat Berlin

5. Jan. 1925 (Heimat, Gemeinnützige Bau- und Siedlungs-AG, Berlin-Zehlen­dorf )

280

12.084

Gewobag Frankfurt a.  M.

20. Juni 1924 (Gemeinnützige Wohnungsbau AG, Hessen und Hessen-Nassau)

61

3.438

Gemeinnütziger Kleinwohnungs­ bau, Neustadt (Oberschlesien)

?

?

74

BergmannsHeimstätte Oberschlesien, Gleiwitz

18. Juli 1922 (Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im oberschlesischen Stein­ kohlenbergbau)

(a)

85

Heimat Danzig

2. Nov. 1926

1

216

Neue Heimat Düsseldorf

28. Jan. 1930 Bau-Wo-Ge, Bau- und Wohnungs­­­­ge­sell­schaft für das Rheinisch-West­­fä­ li­sche Industriegebiet mbH, Essen)

?

765

Neue Heimat Essen und West­fa­len-Süd

2. Mai 1929 (Deutscher Heimbau, Gemeinnützige AG, Essen)

?

1.187

Neue Heimat HalleMerseburg

2. Dez. 1926 (Leipziger Wohnungsfürsorge)

9

1.479

Neue Heimat Hamburg

25. März 1926 (Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Groß-Hamburg mbH)

24

2.762

Neue Heimat Kurhessen

10. April 1929 (GWO, Gemeinnütziger Wohnungsbau Oberschlesien GmbH)

?

407

Neue Heimat MagdeburgAnhalt

18. März 1927 (Magdeburger Heimat, Gemein­ nützige Bau- und Siedlungs GmbH)

?

226

651

tabellen Neue Heimat Mark Brandenburg

14. März 1924 (Rewog, Reichswohnungsfürsorge AG für Beamte, Angestellte und Arbeiter)

?

1.643 (sowie 178 Eigenheime)

Neue Heimat Mecklenburg

? (Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Schwerin GmbH)

?

1.196

Neue Heimat MünchenOberbayern

1. Dez. 1924 (Müwag, Münchner Wohnungsfürsorge AG)

?

423

Neue Heimat Ost-Hannover

8. März 1939

?

im Aufbau

Neue Heimat Ostpreußen

26. Juni 1924 (OSBA Ostdeutsche Siedlungs- und Bau-AG)

?

936

Neue Heimat Pommern

30. Nov. 1926 (Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Rostock GmbH)

Neue Heimat Sachsen

5. Jan. 1928 (Gewog, Gemeinnützige Wohnungsund Heimstättengesellschaft mbH)

28

1.334

Neue Heimat Schlesien

16. April 1930 (Niederschlesischer Kleinwohnungsbau GmbH)

?

886 (sowie 467 Woh­nungen und 409 Eigenheime in Verwaltung)

Neue Heimat SchleswigHolstein

26. Nov. 1931 (Gemeinnützige Kleinwohnungs­ baugesellschaft Kiel-Mitte mbH)

?

136

Neue Heimat Schwaben

30. Sept. 1924 (Gemeinnützige Baugesellschaft im Hochfeld GmbH)

2

124

Neue Heimat Süd-HannoverBraunschweig

9. Okt. 1929 (Deutsche Wohnungsbau GmbH, Breslau)

?

510

Neue Heimat Weser-Ems

23. März 1927 (Neuland, Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH, Breslau)

?

910 (und 39 Eigenheime)

Neue Heimat Westfalen-Nord

23. Febr. 1939

?

im Aufbau

Neue Heimat WürttembergHohenzollern

? (Württembergische BodenseeSiedlung GmbH, Friedrichshafen)

?

?

Neue Heimat Ostmark

1. Juli 1938 (Ostmark, Gemeinnützige Arbeiterwohnstättenbau GmbH, Wien)

17

im Aufbau (Bauvorhaben: 4.000 Wohnungen)

652

143

tabellen Neue Heimat Oberdonau

6. Febr. 1939

?

im Aufbau

Neue Heimat Tirol-Vorarl­ berg

7. Febr. 1939

?

im Aufbau

Neue Heimat Sudetenland

1. März 1939

?

im Aufbau

Neuland, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der DAF in der Stadt des KdF-Wagens

2. Nov. 1938

?

im Aufbau (Bauvorhaben bis 1942: 6.700 Wohnungen, davon bis Ende 1939 2.400)

Allgemeine Hausbau- und Grundstücksgesellschaft der DAF in der Stadt des KdF-Wagens

13. Febr. 1939

?

Im Aufbau

Zusammen



Gesellschaft für Landsiedlung

22. Aug. 1930

?

46.331

60

188 Bauernhöfe

(a) Wohnungen werden von der »Gehag« mitverwaltet. Quelle: ZfF, Wirtschaftliche Unternehmungen der DAF 1939, S. 60, 65-90. Tabelle 5.4.: Verband Sozialer Baubetriebe sowie der Deutschen Bau AG: Beschäftigte, Umsatz, Gewinn/Verlust; 1930 bis 1944 Beschäftigte

Umsatz (in Mio. RM)

Gewinn/Verlust (in RM)

Verband Sozialer Baubetriebe: 1930

14.549

120,2

?

1931

9.240

68,4

?

1934

10.600

40,0

?

Deutsche Bau AG (a): 1936

1.264 (b)

1,4

- 181.144

1937

3.210 (b)

14,0

- 527.080 + 439.611

1938

7.158 (b)

34,0

1939

8.200 (c)

42,0

+ 212.653

35,0

+ 322.032

1940

ca. 6.000

653

tabellen 1941

ca. 5.500

?

?

1942

4.200

25,0

?

1943

4.200

33,0

?

1944

ca. 6.000-10.000

ca. 50,0

+ 705.000

(a) Ohne Tochterunternehmen. (b) Nov. (c) »Sommer«. Quellen: Geschäftsberichte der Deubau für 1936 bis 1941, in: BA Berlin, NS 5 III, Nr. 28; Berichte der Deutschen Wirtschaftsprüfungs- und Treuhand AG, in: ebd., R 8120, Nr. 714; Vorstand der Deubau an den Aufsichtsrat der Deubau vom 16. Febr. 1945, in: ebd., NS 5 III, Nr. 57; Rütters, Bauhütten im Konfliktfeld, S. 198. Tabelle 5.5.: Ausgewählte DAF-Wohnungsbaugesellschaften: Kapitalerhöhungen bzw. Aufstockung von Geschäftseinlagen; vor und nach Mai 1940 (in Mio. RM) Bis Mai 1940

Nach Mai 1940

Gemeinnützige Heimstätten AG (Gehag), Berlin

5,0

10,0

Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW), Berlin

7,0

37,0

Bau- und Betreuungsgesellschaft der DAF

1,0

4,0

0,25

1,0

»Neue Heimat« Tirol-Vorarlberg

3,0

6,0

»Neue Heimat« Köln-Aachen

1,0

2,0

»Neue Heimat« Westmark

1,0

2,0

»Neue Heimat« Salzburg

Deutsche Wohnungs- und Siedlungs GmbH Warschau Zusammen

0,21

0,6

18,46

62,6

Quelle: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 432. Tabelle 5.6.: Ausgewählte DAF-Wohnungsbauunternehmen: Bauaktivitäten – geplan­ter, begonnener und abgeschlossener »sozialer Wohnungsbau« (»Führertypen«; Wohnein­ heiten); 1941/42 (a) Geplant Gemeinnützige Heimstätten AG (Gehag), Berlin

?

Genehmigt –

Begonnen 350

Bezugsfertig –

»Neue Heimat« Bayerische Ostmark

670







»Neue Heimat« Berlin

557







»Neue Heimat« Brandenburg

4.000



414



»Neue Heimat« Danzig-Westpreußen

1.700



168



»Neue Heimat« Franken »Neue Heimat« Frankfurt a.  M.

654

700 1.400

150 (b) –









tabellen Geplant »Neue Heimat« Halle

Genehmigt

Begonnen

Bezugsfertig

2.000





1.051







»Neue Heimat« Oberdonau

?



1.835



»Neue Heimat« Sachsen

?



270



316



84

142

?



1.500

500 –

»Neue Heimat« München

»Neue Heimat« Süd-HannoverBraunschweig »Neue Heimat« Sudetenland



»Neue Heimat« Tirol-Vorarlberg

1.000





»Neue Heimat« Warthegau

4.390

4.000

3.054



»Neue Heimat« Westfalen-Nord

1.100







»Neue Heimat« Westmark

200







»Neue Heimat« WürttembergHohenzollern

1.200







Dt. Wohnungs- und Siedlungs GmbH Warschau

1.800



200



Heimstätte Pommern (unter Leitung des DAF-H.) (c)

770



330



Heimstätte Schlesien (unter Leitung des DAF-H.)

?



30



Heimstätte Schleswig-H. (unter Leitung des DAF-H.)

3.000







Heimstätte Südmark (unter Leitung des DAF-H.)

2.637



1.128



Heimstätte Thüringen (unter Leitung des DAF-H.)

?



90



Heimstätte Wartheland (unter Leitung des DAF-H.)

350







Heimstätte Westmark (unter Leitung des DAF-H.)

3.500







32.341

4.150

9.453

642

Zusammen

(a) In der Auflistung von Harlander, der seine Daten wiederum aus Aufsätzen der Zeitschrift »Sozialer Wohnungsbau in Deutschland« gewonnen hat, sind von den 1941/42 bestehenden insgesamt 42 Neue Heimat-Gesellschaften lediglich 17 aufgeführt, die Angaben über die 1941/42 geplanten bzw. begonnenen Bauaktivitäten machten. Dass die übrigen 25 Neue Heimat-Gesellschaften keine Bauaktivitäten entfalteten und keine Bauprogramme formulierten, ist unwahrscheinlich. Die hier aufgeführten Zahlen können mithin lediglich einen Trend andeuten; Bauaktivitäten und -programme waren noch weit größer dimensioniert. (b) Einschließlich sechzig beantragter, aber noch nicht genehmigter Wohneinheiten. (c) DAF-H. = Heimstättenamt der Deutschen Arbeitsfront. Quelle: Harlander/Fehl (Hg.), Hitlers Sozialer Wohnungsbau, S. 434 f.

655

tabellen Tabelle 6.1: Volkswagenwerk: Beschäftigte (Deutsche und Ausländer, Hauptwerk und Vorwerk); 1939 bis 1945 1939 (Dez.)

1940 (Dez.)

1941 (Dez.)

1942 (Dez.)

1943 1944 1945 (Dez.) (April) (April)

2.696

6.582

8.067

1.1917

17.022

17.365

9.121

v.H.

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

abs.

2.696

5.663

5.997

4.660

5.621

6.034

1.340

v.H.

100,0

86,0

74,3

39,1

33,0

34,7

14,7

Hauptwerk: Beschäftigte im Hauptwerk insgesamt Deutsche im Hauptwerk insgesamt (a)

abs.

Deutsche im Hauptwerk v.H.

(100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,1)

darunter: dt. Frauen insgesamt (b)

v.H.

5,4

6,3

6,8

8,7

?

?

?

darunter: Militärstraf­ gefangene (b)

v.H.

0

0

16,7

0

0

0

0

darunter: Angestellte (nur Deutsche) (b) (c)

abs.

629

1.232

1.285

1.320

1.396

1.708

?

v.H.

Weibl. Angestellte in v.H. sämtl. Angestellter (c)

23,3

21,8

21,4

28,3

24,8

28,3

?

21,7

23,6

24,8

?

27,0

26,0

?

Ausländer im Hauptwerk Ausländer im Hauptwerk insgesamt (a)

abs.

0

919

2.070

7.257

11.401

11.334

7.781

v.H.

0

14,0

25,7

60,9

67,0

65,3

85,3

v.H.

(100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,0) (100,1)

darunter: »Ostarbeiter« (d)

v.H.

0

0

0

44,6

?

43,1

38,5

darunter: Polen (d)

v.H.

0

34,5

12,7

10,3

?

?

8,3

darunter: sonstige Zivil­arbeiter (d)

v.H.

0

62,2

51,3

25,3

?

?

38,0

Kriegsgefangene (d) (e)

v.H.

0

3,3

36,0

19,8

23,9

?

14,3

Vorwerk: Beschäftigte im Vorwerk insgesamt (f )

abs.

1.042

1.635

1.600

1.977

2.189

1.362

1.257

v.H.

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Deutsche im Vorwerk insgesamt (g)

abs.

1.042

1.609

1.511

1.552

1.691

813

805

v.H.

100,0

98,4

94,4

78,5

77,2

59,7

64,0

7,7

7,1

6,0

22,3

32,8

3,6

0

davon zum Kriegsdienst eingezogen (v.H.)

656

tabellen 1939 (Dez.) Ausländer im Vorwerk insgesamt (g)

1940 (Dez.)

1941 (Dez.)

1942 (Dez.)

1943 1944 1945 (Dez.) (April) (April)

abs.

0

26

89

425

498

549

452

v.H.

0

1,6

5,6

21,5

22,8

40,3

36,0

Hauptwerk und Vorwerk zusammen: Beschäftigte im Hauptwerk und Vorwerk zusammen (f ) (g)

abs.

3.738

8.217

9.667

13.894

19.211

18.727

10.378

v.H.

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Ausländer im Hauptwerk und Vorwerk zusammen (f ) (g)

abs.

0

945

2.159

7.682

11.899

11.883

8.233

v.H.

0

11,5

22,3

54,6

61,9

63,5

79,3

(a) v.H. = in v.H. sämtlicher Beschäftigter des Hauptwerkes. (b) v.H. = in v.H. sämtlicher Deutscher des Hauptwerkes. (c) Angestellte 1944 = Mai 1944. (d) v.H. = in v.H. sämtlicher Ausländer des Hauptwerkes. (e) Einschließlich (ausländischer) Militärinternierter. (f ) Beschäftigte im Vorwerk 1944 = Dez. 1944; 1945 = Jan. 1945. (g) v.H. = in v.H. sämtlicher Beschäftigter des Vorwerkes. Quelle: Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 1025 ff. (Tabellen 2, 4 und 5). Tabelle 6.2: Volkswagenwerk: Umsatzentwicklung und KdF-Wagen-Sparer; 1938 bis 1945 Umsatz (in RM)

KdF-Wagen-Sparer (absolut)

1938



169.741 (a)

1939

199.138

272.397 (a)

1940

26.060.100

285.944 (a)

1941

67.209.080

305.000 (a)

1942

145.819.528

325.444 (a)

1943

224.786.969

331.628 (b)

1944

290.143.110

336.638 (c)

1945

13.760.957 (d)

?

(a) Jeweils Dez. (b) Aug. (c) Okt. (d) Nur bis Febr. 1945, ohne Vorwerk. Quelle: Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk, S. 1024, 1030.

657

Abkürzungen ADGB AfA Afa-Bund AfBuB

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Amt für Arbeitseinsatz der DAF Allgemeiner freier Angestellten-Bund Amt für Betriebsführung und Berufserziehung (bis 1935: DINTA; seit 1942: Amt für Leistungsertüchtigung, Betriebsführung und Berufserziehung) AG Aktiengesellschaft Allgis Allianz und Giselavereins Versicherungs AG (Wien) AOG Arbeitsordnungsgesetz (»Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit«) AR Aufsichtsrat Arbeiterbank Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Arbeitsbank Bank der Deutschen Arbeit AWI Arbeitswissenschaftliches Institut der DAF AWU Amt für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF BA Bundesarchiv (Berlin) BA/MA Bundesarchiv/Militärarchiv (Freiburg i.Br.) Bauhilfe Bauhilfe der DAF für den sozialen Wohnungsbau eGmbH BDA Bank der Deutschen Arbeit BDC Berlin Document Center BDM Bund Deutscher Mädel BfG Bank für Gemeinwirtschaft BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft des DGB BHG Berliner Handels-Gesellschaft BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv (Potsdam) BUW Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens BV Bayerische Vereinsbank DAF Deutsche Arbeitsfront DAG Deutsche Angestellten-Gewerkschaft DAVS Deutsche Angestellten-Verbands-Sparkasse Deschimag Deutsche Maschinenbau AG DESt Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH DeTeGe Deutsche Transportgesellschaft mbH Deubau Deutsche Bau AG Deugro Deutsche Großeinkaufgesellschaft mbH DLG Deutsche Leben Gemeinnützige Versicherungs AG (der DAF; Köln/Berlin) DEVEX Deutsche Verlags-Expedition oHG (Stuttgart) DEWOG Deutsche Wohnungsfürsorge AG für Beamte, Angestellte und Arbeiter DFG Deutsche Forschungs-Gemeinschaft DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DHV Deutscher Handlungsgehilfen-Verband DINTA Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung (1933 bis 1935: Deutsches Institut für nationalsozialistische technische Arbeitsschulung; seit 1935: AfBuB) DNT Deutsches National-Theater DR Deutscher Ring (Hamburg) DT Deutsches Theater (Berlin) DUT Deutsche Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft mbH DVL Deutsche Volksliste DWV Deutscher Werkmeister-Verband Einfa Berliner Gesellschaft zur Förderung des Einfamilienhauses

658

abkürzungen GAGfAH GBA GB-Bau GBI-Berlin GDA GEDAG GEG GEHAG GEPAG Gestapo GEWOBAG Gezuvor GHH GmbH GÖC GW HAVA HJ HTO IBM IGW IHK ITAG IWK KdF KG Koralawag KuZeZe LiRo LKEM LMV MiWo NAF NH NHH NS NSBDT NSBO NSDAP NSDStB NS-Hago NSKK NSLB NSV NZZ OgW OKH OKW OPG OT PA AA PO

Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (Berlin) Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin Gewerkschaftsbund der Angestellten Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften Großeinkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften mbH (Hamburg) Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Aktiengesellschaft (Berlin) Großeinkaufs- und Produktions-Aktiengesellschaft (Köln) Geheime Staatspolizei Gemeinnützige Wohnungsbau AG (Frankfurt a. M.) Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH (Berlin) Gutehoffnungshütte (Oberhausen) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Großeinkaufgesellschaft für die österreichischen Consumvereine (Wien) Deutsches Gemeinschaftswerk Hanseatische Verlagsanstalt (Hamburg) Hitler-Jugend Haupttreuhandstelle Ost International Business Machines Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks der DAF GmbH Industrie- und Handelskammer(n) Internationale Tief bohr AG (Celle) Internationale Korrespondenz zur Geschichte der Arbeiterbewegung NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude« Kommandit-Gesellschaft Bulgarische Schiff-, Lokomotiv- und Waggonbau AG (Varna) Kurmärkische Zellwolle und Zellulose AG (Wittenberge) Bankhaus Lippmann, Rosenthal und Co. (Amsterdam) Lohnkatalog Eisen und Metall Langen-Müller-Verlag (München) Mitteldeutsche Wohnungsfürsorge- und Siedlungsgesellschaft (Weimar) Nederlandsche Arbeidsfront Neue Heimat Neue Heimat Hamburg Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei Natio­nalsozialistischer Deutscher Studentenbund Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps Nationalsozialistischer Lehrerbund Nationalsozialistische Volkswohlfahrt Neue Zürcher Zeitung Organisation der gewerblichen Wirtschaft Oberkommando des Heeres Oberkommando der Wehrmacht Oberstes Parteigericht der NSDAP Organisation Todt Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Parteiorganisation

659

tabellen PPK PSV RABl. RAD RAM RDGW REFA Reichsbund RFSS RGBl. RGH RGI RGO RGVA RIM RJM RKM RM ROGES ROL RSHA RWK RWoK RWM SA SdA Sevag S&H Sopade Spolem SS SSW TdA ThHStA TWM TWU VB VDI VSB VSt VWA WBZ WEAG WK ZdF ZdK ZfF

660

Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums Polnische Postsparkassen-Versicherung Reichsarbeitsblatt Reichsarbeitsdienst Reichsarbeitsministerium Reichsverband des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e.V. (Berlin) Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (seit 1935: für Arbeitsstudien) Reichsbund deutscher Verbrauchergenossenschaften (Berlin) Reichsführer SS (Heinrich Himmler) Reichsgesetzblatt Reichsgruppe Handel Reichsgruppe Industrie Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv (Moskau) Reichsinnenminister(ium) Reichsjustizminister(ium) Reichskriegsministerium Reichsmark Rohstoffhandelsgesellschaft mbH – Rohstoff-Einkauf Frankreich Reichsorganisationsleitung Reichssicherheitshauptamt (der SS) Reichswirtschaftskammer Reichswohnungskommissar Reichswirtschaftsminister(ium) Sturmabteilung (Amt) »Schönheit der Arbeit« Saarländische Einkaufs- und Verkaufs AG (Neunkirchen) Siemens & Halske AG (Berlin) Sozialdemokratische Partei Deutschlands (im Exil; Prag) Centralny Zwiazek Spóldzielni Spozywców (Warschau) Schutzstaffel Siemens-Schuckert Werke AG (Berlin) Treuhänder der Arbeit Thüringisches Hauptstaatsarchiv (Weimar) Thüringisches Wirtschaftsministerium Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF Völkischer Beobachter Verband Deutscher Ingenieure Verband Sozialer Baubetriebe (Berlin) Vereinigte Stahlwerke (Dortmund) Verband der weiblichen Angestellten Werbender Buch- und Zeitschriftenbuchhandel Waren-Ein- und Ausfuhr GmbH Wirtschaftskammer(n) Zentrale der Frontbuchhandlungen Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften Zentralstelle (der DAF) für die Finanzwirtschaft

Archivalische Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Pr.Br. Rep. 75 Kurmärkischen Zellwolle und Zellulose AG, Wittenberge Pr.Br. Rep. 75 I.G. Farbenindustrie, Premnitz Bundesarchiv Berlin NS 1 NS 5 I NS 5 II NS 5 III

Reichsschatzmeister der NSDAP Deutsche Arbeitsfront/Nachgeordnete Dienststellen Deutsche Arbeitsfront/Vermögensverwaltung der DAF GmbH Deutsche Arbeitsfront/Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF GmbH NS 5 IV Deutsche Arbeitsfront/Zentralbüro NS 5 V Deutsche Arbeitsfront/Fachämter NS 5 VI Deutsche Arbeitsfront/Arbeitswissenschaftliches Institut NS 6 Parteikanzlei NS 10 Persönliche Adjutantur des Führers und Reichskanzlers NS 22 Reichsorganisationsleitung der NSDAP NS 25 Hauptamt für Kommunalpolitik R 2 Reichsministerium der Finanzen R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion R 11 Deutscher Industrie- und Handelstag/Reichswirtschaftskammer R 41/R 3901 Reichsarbeitsministerium R 43 II Reichskanzlei R 55 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda R 58 SS-Reichssicherheitshauptamt R 72 Stahlhelm e.V., Gesellschaft zum Studium des Faschismus u.a. R 1501 Reichsministerium des Innern R 2501 Deutsche Reichsbank, Zeitungsausschnittssammlung R 3101 Reichswirtschaftsministerium R 4002 Deutsche Akademie für Wohnungswesen R 8119 Deutsche Bank R 8120 Bank der Deutschen Arbeit R 8135 Deutsche Revisions- und Treuhand AG SAPMO, RY 56 Club von Berlin ehem. Berlin Document Center

Bundesarchiv Koblenz Z 45 F

OMGUS Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg

RW 19

OKW

Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt

661

Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München Kopiensammlung (Fa) Landesarchiv Berlin C Rep. 800

Deutsche Treuhandverwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Vermögens im sowjetisch besetzten Sektor der Stadt Berlin Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin

Inland I, Referat Partei. Rossijskij Gosudarstvennyj Voennyj Archiv v Moskve [Russisches staatliches Militärarchiv, Moskau] Nr. 1458

Reichswirtschaftsministerium Staatsarchiv Bamberg

M 30

DAF-Gauleitung Bayerische Ostmark Staatsarchiv München

OPD München

Oberpolizeidirektion München Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Wirtschaftsministerium

662

Bibliographie Vor 19451 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirksausschuss Berlin – Brandenburg – Grenzmark (Hg.), Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Arbeiterbewegung. Ein Blick in die Gemeinwirtschaft, Berlin 1928. Benjamin, Hans, Die Sanierung des deutschen Bankwesens nach der Kreditkrise von 1931, Köln 1934. Büge, Max/Griesheimer, Friedrich (Hg.), Der Bau von Volkswohnungen. Die Bestimmungen und Erlasse, Eberswalde/Berlin/Leipzig 1940. Deutsches Führerlexikon 1934/35, Berlin 1934. Dienstaltersliste der Schutzstaffel der NSDAP (SS), Berlin 1938 und 1939, hg. von Brün Meyer, Osnabrück 1996. Dreßler, Bruno, Büchergilde Gutenberg, in: ADGB Berlin-Brandenburg (Hg.), Unternehmungen der Arbeiterbewegung, S. 113-117. Dyckhoff, Otto, Massenerzeugung durch Automatisierung. Anregungen aus dem Volkswagenwerk, in: Maschinenbau 20/1941, S. 147-150. Fey, Walter, Der künftige Wohnungs- und Siedlungsbau. Grundlagen einer volkswirtschaftlichen Planung, Berlin 1939. Graßhoff, Hans-Erich, Mauern im Takt, in: »Wirtschaftspolitischer Dienst« vom 29. Juni 1944. Hauser, Heinrich, Opel. Ein deutsches Tor zur Welt, Frankfurt a. M. 1937. Heinrichsbauer, August, Industrielle Siedlung im Ruhrgebiet der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Essen 1936. Heißmann, Ernst, Betriebliche Altersvorsorge in Form frei­wil­li­ger, sozialer Leistungen, in: Deutsche Volkswirtschaft 12/1943, S. 902. Hitler, Adolf, Mein Kampf, 785.-789. Auflage, München 1943. Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten, 1937/38, hg. vom Reichsarbeitsministerium, Berlin 1939. Kiehl, Walter, Mann an der Fahne. Kameraden erzählen von Dr. Ley, München 1938. Koller, Alfred, DAF und Organisation der gewerblichen Wirtschaft, Erlangen 1940. Ley, Robert, Der ständische Auf bau und die Deutsche Arbeitsfront, Berlin 1933. Ders., Die Deutsche Arbeitsfront. Ihr Werden und ihre Aufgaben, München 1934. Ders., Durchbruch der sozialen Ehre, Berlin 1935. Ders., Deutschland ist schöner geworden, hg. von H. Dauer und W. Kiehl, Berlin 1936. Ders., Wir alle helfen dem Führer. Deutschland braucht jeden Deutschen, Berlin 1937. Ders., Grundsätzliche Gedanken über den ständischen Auf bau und die Deutsche Arbeitsfront, in: »Völkischer Beobachter« vom 9. Juni 1933. Ders., Die Konsumvereine im neuen Staat, in: »Völkischer Beobachter« bzw. »Der Deutsche« vom 8. Sept. 1933. Ders., Was hat die Partei mit Wohnungsfragen zu tun? In: Bauen, Siedeln, Wohnen, 18/1938, S. 563 ff. Ders., Soldaten der Arbeit, Berlin 1938. Ders., Die Konsumvereine und Verbrauchergenossenschaften, in: »Der Angriff« vom 2. März 1941. Ders., Personalkredite für den Arisierungsprozess !, in: »Der Angriff« vom 21. Nov. 1941. Ders., Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront, in: Die Deutsche Volkswirtschaft 10/1941, S. 1094-1100. Marrenbach, Otto (Hg.), Fundamente des Sieges. Die Gesamtarbeit der Deutschen Arbeitsfront 1933 bis 1940, Berlin 1940. 1

Nur namentlich gekennzeichnete Aufsätze.

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Register

Register

Personenregister Personenregister Die kursiven Einträge beziehen sich auf die Kurzbiografien in den Fußnoten Ackermann, Paul 312 f. Amann, Max 271, 325, 358 ff., 363, 546 f. Andres, Otto 438 Backe, Herbert 513 Bähren, Gustav 61, 63, 86, 263 Bartels, Adolf 286 Baudelaire, Charles, 292 Bauer, Karl Konrad 344 f. Baur, Wilhelm 271, 325, 328 f., 357 f., 360, 362 f., 546 f. Beck, Friedrich Alfred 320, 360, 546 Benn, Gottfried 393 Bergengruen, Werner 286, 338 Bertrams, Karl 526 Best, Werner 281 Biefel, Hugo 435 Bierlein, Ludwig 86 f., 121, 149, 152, 263, 318, 435, 529 Bilfinger, Carl 280 Bismarck, Otto v. 278, 333 Blohm, Rudolf 521 Blohm, Walter 521 Blomberg, Werner v. 61, 381 ff., 393 Blunck, Hans Friedrich 267, 286, 294 f., 338 Bobinger, Albert 601 Bormann, Martin 38, 361, 363, 422, 452 f., 477, 583 Boltz, Werner 75 f., 87, 148, 152, 154, 263, 297, 316-319, 356 f, 435, 545 f., 582 Bouhler, Philipp 148, 271 f., 339 Brandt, Rolf 278, 288 Brass, Andreas 76, 192 f., 196 f., 203 f., 262 f. Brass, Otto 599 Brecht, Julius 428 f., 477 Brinckmann, Paul A. 72, 75 f., 87, 130, 148 f., 152, 154, 263, 305, 316 f., 435, 582 Brückner, Wilhelm 148, 151 Brüggen, Heinz 310, 544 Brüning, Heinrich 101, 244, 428, 447 Bücherl, Josef 148, 436

Bülow-Schwante, Vicco Karl Alexander v. 152 Busch, Wilhelm 333 Carl Eduard, Sachsen von Sachsen-CoburgGotha 192 Christoffel, August 88, 121, 157, 435, 546 Claudius, Hermann 267 Cochenhausen, Friedrich Ernst v. 274 Craemer, Rudolf 278 Czimatis, Albrecht 284 Daluege, Kurt 198 Darré, Walter 214, 290, 365, 407, 513, 565 Dickmann, Johannes 524 Dietrich, Josef (Sepp) 148, 151 f. Dreßler, Bruno 299 Droste-Hülshoff, Annette v. 292 Duisberg, Carl 120 Duisberg-Achaz, Carl Ludwig 120 Duncker, Franz 66 Dyckhoff, Otto 509 Eckhardt, Karl August 280 ff. Eggen, Hans Wilhelm 153 Eicke, Karl 149, 318 f. Eilers, Gerhard 235 Erbe, Hans 64 Erkelenz, Anton 66 Ernst, Friedrich 137 f., 141 Ernst, Paul 294 Essberger, John T. 364 Essen, Wolfgang 405, 601 Esser, Hermann 148 Eucken, Rudolf 360 Euringer, Richard 286 Everling, Henry 373 f. Feder, Gottfried 441, 447, 524 Feuchtwanger, Lion 292 Finck, August v. 133 Fischböck, Hans, 176

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register Fischer, Walter 320 Fleissner, Herbert 605 Flick, Friedrich 21 Fontane, Theodor 333 Ford, Henry I 77, 496, 498, 503 ff., 507 Ford, Henry II 607 Forster, Albert 198, 438, Forsthoff, Ernst 279 f. Franck, Hans 288 Frank, Hans 273, 281 Frank, Walter 161, 278, 282, 288 Franke, Albert 207 f., 214, 238-241, 545, 551, 600 Fratzscher, Alfred 204 Frauendorfer, Max 71 f. Frey, Gerhard 280 Freyer, Hans 279 Fritzsche, Herbert Rolf 274 Funk, Walther 23, 74, 93, 96, 110, 126, 136 ff., 141 f., 152, 166, 171, 179, 183 f., 193, 196, 272, 391-397, 561, 574 f., 580 Gabriel, Karl 439 Gallert, Georg 406 Geyrhalter, Adolf 87, 157 Giese, Friedrich 295 Gleichen, Heinrich v. 277 Globocnik, Odilo 344 Goebbels, Hans 193, 196 Goebbels, Joseph 61, 271 f., 359, 361, 363 Goedecken, Ernst 555 Göring, Hermann 23, 54, 61, 77, 93, 103 f., 136, 193, 365, 391, 395, 397, 401, 417, 442 f., 469, 481, 519 f., 547, 567, 571, 576, 581, 596 Görlitzer, Arthur 152 Gorgas, Albert 525 Graf, Oskar Maria 302 Grapengeter, A. 439 Griese, Friedrich 295 Grimm, Friedrich 278 Grimm, Hans 282, 285, 292, 294, 315, 336, 362 Grohé, Josef 308 Gropius, Walter 292, 494 Grosche, Karl 403 Grostück, Paul 436 Groß, Walter 491 Gutzmer, Willi 428 f. Haack, Hermann 235, 238 f. Habedank, Rudolf 89, 207 f.,

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Habermann, Max 244, 276 Haensch, Walter 73 Haid, August 296 Halder, Alexander 72-76, 86, 148 f., 152, 545, 551 Hamsun, Knut 292 Haupt, Gunther 274 Haushofer, Karl 282 Hayler, Franz 162, 164, 391, 401, 406 ff., 415 f. Hecklinger, Gerhard 236, 254 Heffe, Eberhard 298, 300 f., 305, 307, 310, 313, 317-321, 329 f., 333 ff., 339, 341 ff., 351, 354, 362, 544 Heimbach, Josef 404 Heine, Heinrich 292 Heinrichsbauer, August 433 Helferich, Hans 406 Henlein, Konrad 150, 400 Hess, Kurt 469 Heß, Rudolf 23, 61, 81, 150, 153, 156, 271 f., 319 f., 357 f., 363, 379-383, 385 ff., 389, 395, 514, 567 f. Hilgard, Eduard 11, 193 f., 550, 555 f., 573, 598 Hilpert, Heinz 121 f. Himmler, Heinrich 127, 129, 132, 136, 162 f., 172, 189, 198, 281, 407 f., 416 Hindenburg, Paul v. 62, 101, 206 Hirsch, Max 66 Hitler, Adolf 12 ff., 19, 30, 41, 48 f., 61 f., 71, 77, 96, 108, 110, 134, 136, 141, 148, 151, 161 f., 190, 193, 195, 272, 328, 358 f., 362, 365, 372 f., 376, 379, 382 f., 385 ff., 390, 306 f., 439, 442, 446, 475, 483, 502-506, 511, 514, 519 f., 554, 561, 563, 565, 575 f., 579, 592 f., 595 ff. Höflich, Heinrich 151 Hoegner, Wilhelm 504 Höhn, Reinhard 280 f. Hövel, Paul 325 Hoffmann, Albert 150 Hoffmann, Heinrich 148 Hoffmann, Josef 74 Holm, Korfiz 320 Holtzbrinck, Georg v. 312-315 Holtz, Karl 116 Honnef, Hermann 179 Huber, Ernst Rudolf 279 f. Huch, Rudolf 267 Huth, Wilhelm 439 Ibsen, Henrik 292

personenregister Itten, Johannes 494 Jamrowski, Otto 299 Janowsky, Karl 125 Johst, Hanns 267, 274, 292, 294 f., 325 Jung, Edgar J. 292 Jünger, Ernst 286, 332 f., 338 Käding, Walther 208, 214, 545, 600 Kamin, Edwin 439 Karl, Anton 73 f., 76, 147-150, 152 ff., 156, 435 ff., 442, 561, 581 Karmann, Friedrich 392 Kaufmann, Karl 374, 394, 396, 404 ff Kehrl, Hans 167 f., 551 Keichel, Alfred 364 Keppler, Wilhelm 60, 164, 381, 462, 526 Kerrl, Hanns 59, 131 Kiehl, Walter 310 Klagges, Dietrich 538 Kleist, Heinrich v. 333 Klotz, Clemens 436, 515 Köhler, Adolf 235 Köhler, Bernhard 385 ff. Kolbenheyer, Erwin Guido 292, 294, 336 Kraft, Adam 349 f. Kratochwill, Rudolf 76, 192 f., 208, 259, 263 f., 546, 551, 555 Kratzer, Sebastian 88, 208, 214, 545, 551, 600 Krauch, Carl 443 Krausnick, Helmut 282 f. Krohn 90 f. Kuntze, Fritz 504 Lafferentz, Bodo 88, 506-509, 515, 519 f., 524, 552, 600 Lagerlöf, Selma 292 Lammers, Hans 193 Landfried, Friedrich 396 f., 399, 574 f. Langenbucher, Hellmuth 274 Laux, Carl 436 Leipart, Theodor 58 ff., 62 ff. Lencer, Rudolf 85, 107, 116, 125, 139 ff., 152, 154 f., 157, 161, 166, 174, 184, 263, 544, 550 f. Leutloff, Fritz 273 Ley, Robert 10-13, 17-20, 22, 24, 30, 35, 39 ff., 43, 48, 58-62, 66, 70 ff., 74-84, 87-93, 106 f., 117, 122, 124, 131 f., 137, 140 ff., 146, 148 ff., 152 ff., 156, 158, 160, 162, 172, 184, 188, 194,

197, 203, 208, 216, 148, 252, 272 f., 289 f., 196, 300, 307-311, 314, 316, 319, 326, 329, 340, 342, 346 f., 357, 361, 363, 365, 368, 371-374, 376380, 382, 385 ff., 389 f., 394 ff., 403, 406, 412416, 422 ff., 429 ff., 436, 440 f., 443 f., 446452, 454 ff., 458, 461, 467 f., 470 f., 474-481, 488-491, 494-497, 502, 505 ff., 509, 512-517, 519 f., 526- 530, 532, 537 f., 543 f., 546, 553, 561 f., 564 f., 567, 569 f., 572-584, 592, 594, 596 f., 607, 617 Lidl, Josef 90 f., 123 Liebel, Willy 130 f. Liebknecht, Karl 192 Lippke, Georg 439 Loeb, Fritz 284, 519 London, Jack 302 Ludowici, Johann Wilhelm 87 f., 441 Lübbert, Wilhelm 490 Lüer, Carl 392 Luser, Adolf 344 Luxemburg, Rosa 192 Machiavelli, Niccolò 292 Mackels, Bruno 519 Marrenbach, Fritz 90 Marrenbach, Otto 38, 40, 79, 84, 87, 89 f., 107, 117, 140 f., 316, 423, 441, 574 f., 597 Maunz, Theodor 279 f. May, Karl 333 Meiler, Ludwig Egon 156 Menz, Gerhard 323 Merck, Carl 439 Mitchell, Margaret 322 Moellendorff, Wichard v. 49, 285 Moholy-Nagy, Lázló 292 Mörck, Lorenz 525 Müller, Adolf 554 f. Müller, Georg 293 Müller, Karl 60, 71, 75, 87, 106 f., 149 f., 159, 208, 316, 318, 373-376, 381, 387, 389 f., 430, 582 Müller, Karl Alexander v. 282 Nagel, Walter 299 f. Naphtali, Fritz 304 Neef, Hermann, S 214 Neufert, Ernst 492-495 Neupert, Ernst 491, 494 Niedermayer, Oskar v. 274 Nordhoff, Heinrich 500, 607

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register Oestrovsky, Paul 207 f., 214, 545, 551, 600 Oetker, Rudolf 604 Oldenbourg, Friedrich 271 Olscher, Alfred 131 Oncken, Hermann 282 Pabst, Waldemar 192 Papen, Franz v. 61 Peper, Heinrich 529 Pezold, Gustav 292, 305, 317-320, 546 Pfundtner, Hans 193 Piëch, Anton 509, 600 Pieszczek, Ernst 406 Pietzsch, Albert 134, 381, 385 Pleiger, Paul 547 Poensgen, Ernst 168 Pohl, Oswald 128 Pohl, Wolfgang 553 f. Pollmann, Diedrich 76, 213, 215, 221, 227, 263 f., 550 Posse, Hans 387 f. Preus, Karl 515, 545, 601 Pütz, Ewald 75 Quandt, Günther 169 Quandt, Herbert 169 Raabe, Wilhelm 333 Raeder, Erich 519 Radloff, Wilhelm 207 Raueiser, Bruno 77, 84 f., 263, 317, 321, 406, 545 Rautenkranz, Hermann 529 Reemtsma, Philipp F. 364, 406 Reich, Otto 151 Reiner, Hermann 388, 395 f., 404, 533 Reinhardt, Fritz 131 Reinhardt, Max 44, 119 ff. Reitbauer, Heinz 87 f., 157, 171, 435, 546, 553 f. Renteln, Theodor Adrian v. 371, 377 Reusch, Paul 133 f. Richter, Rudolf 75 Riese, Hans 204 Ritterbuch, Paul 279 ff., 283 Röhm, Ernst 56, 377 Rohland, Walter 551 Rosenberg, Alfred 72, 136, 272 ff., 282, 567 Rosenhauer, Carl 85 f., 106 f., 121, 140 f., 157, 171, 470, 545 Rothfels, Hans 278

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Rowohlt, Ernst 393 Rummel, Hans 138 Salomon, Ernst v. 393, 404 Sauckel, Fritz 37, 78, 114, 354, 456, 461, 481 f., 486, 563, 596 Saupert, Hans 125, 135, 150 f., 154 Sawov, Dimiter 527 Schacht, Hjalmar 23, 61, 71, 93-96, 108, 319, 357, 387, 389 ff., 516, 565, 568, 584 Schäfer, Wilhelm 295 Schaffstein, Friedrich 279 f. Schaller, Richard 308 Schaub, Julius 148, 151 Schellenberg, Walter 153 Scheunemann, Werner 310 Schieber, Walter 547 Schiesser, Horst 609 Schild, Heinrich 71 Schirach, Baldur v. 273 Schlenter, Kurt 545 Schlimme, Hermann 599 Schloesser, Robert 374, 376 Schlösser, Wilhelm 312 ff. Schmeer, Rudolf 79, 87, 131, 208, 546 Schmeller, Max 151 Schmitt, Carl 279 f. Schmitt, Kurt 60 f., 193, 381 f., 568 Schneider, August 195 Schönbein, Hans 453, 489 f., 498, 545 Schönerer, Georg Ritter v. 275 Scholze, Otto 208, 214 Schröder, Kurt v. 136 Schröer, Gustav 286, 362 Schuhmann, Walter 81, 208 Schulte-Frolinde, Julius 439, 464, 489, 601 Schumacher, Carl 600 f. Schwan, Bruno 489 Schwarz, Franz Xaver 74, 124 f., 130-133, 135, 141 f., 150, 153-156, 245, 319, 591 Schwede-Coburg, Franz 193, 517, 519 f. Schwerin v. Krosigk, Johann Ludwig Graf 93, 104, 131, 163, 381 f., 389, 568 Sehnert, Hans 451 Seldte, Franz 60 f., 448 Seyerlen, Egmont 393, 404 Seyß-Inquart, Arthur 173, 176 Shakespeare, William 292 f. Siebert, Ludwig 129 f., 134 Siebert, Wolfgang 279 f.

personenregister Simon, Heinrich 74-77, 79, 82 ff., 87, 90 f., 107, 152, 154 f., 162, 215, 263, 319, 321, 396, 399, 402-406, 408 f., 411-414, 423, 439, 448453, 461, 466, 470, 515 f., 545, 551, 573, 582 f., 587 f., 594, 597 Simon, Hugo 515 Sinclair, Upton 302 Six, Franz Alfred 274, 281, 339 Sloman, Ricardo 364 Sopper, Ernst 343 ff., 349 Speer, Albert 23, 56, 77, 128, 130, 187, 313, 361, 439, 452 f., 455, 458, 461, 464, 475 f., 479, 488-491, 494, 521, 594, 596, 613 Spengler, Oswald 360 Spiegel, Hans 489 f., 495 f. Spoerhase, Ludwig 367, 542 Springer, Julius 298 Stang, Walter 273 Stapel, Wilhelm 292 f. Stauß, Emil Ritter v. 47 Stegerwald, Adam 101 Steguweit, Heinz 286, 315 Steinhauser, Paul 440, 601 Strasser, Franz 430 f. Strauch, Hans 74, 76, 82-86, 89-92, 152, 154, 166, 189, 197, 220, 257 f., 263 ff., 295, 297 f., 308, 310, 317, 321, 333 f., 360 f., 368, 399, 403406, 412, 418, 421, 423 f., 438, 445 f., 451, 470 f., 512, 524 ff., 540 f., 545, 556 ff., 582, 589, 601 Strauß, Emil 295 Streicher, Julius 116, 130 Streine, Otto 207 Strindberg, August 293 Stuckrad, Ernst v. 87, 432 f.

Tegeler, Wilhelm 439 Terboven, Josef 73, 102, 527 Thiele, Emil 207, 231 Thoma, Ludwig 292 Thomas, Georg 393 Thormählen, Claus 85, 403 f., 545 Tirpitz, Alfred v. 278 Todt, Fritz 23, 56, 87, 439, 452 f., 458, 488, 583, 613 Traven, B. 302 Tretow, Ernst 335 Tucholsky, Kurt 503 Vesper, Will 294, 362 Wächtler, Fritz 273 Wagemann, Ernst 284 Wagener, Otto 377 Wagner, Adolf 130 f. Wagner, Hans 442, 470, 516 Wagner, Josef 262, 390, 526 Wagner, Richard 88 Wagner, Verena 88 Weber, Christian 148 Wetzel, Otto 442 Wiacker, Franz 279 f. Wicklein, Max 207 Wiedemann, Fritz 151 Wiechert, Ernst 338 Winnig, August 278, 333 Wolff, Karl 148 Zangen, Wilhelm 574 Ziegler, Benno 277, 279, 283, 317-321, 360, 546 Zweig, Arnold 302

691

Institutions-, Organisationsund Sachregister Institutions-, Organisations-

und Sachregister

Nicht aufgenommen wurde »Deutsche Arbeitsfront«

67er Vereine 230, 232 f. Aachener und Münchner Beteiligungsgesellschaft 603 Accumulatorenfabrik AG (Berlin) 170 Aero-Bank (siehe auch Bank für Deutsche Luftfahrt) 99 f., 174, 176 Ago-Flugzeugwerke GmbH (Oschersleben) 170 AG für Danziger Realwerte 160 AG für Tabakhandel Mannheim 374 AG Weser (Bremen) 517 f. Akademie für Führungskräfte der deutschen Wirtschaft (Bad Harzburg) 281 Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums, Deutsche Akademie 130 Akademie für Deutsches Recht 85, 133, 192, 280, 388 Ala Anzeigen AG (München) 555 Allgemeine Bankverein/Powszechny Bank Zwiazkowy w Polsce 161 Allgemeine Baugesellschaft Lenz & Co./ Kolonialgesellschaft (Berlin) 86, 470 Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt AG (Leipzig) 158, 179, 181 Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft/AEG (Berlin) 72, 138, 179, 501 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund/ ADGB, freie Gewerkschaften 26  f., 58-60., 65-67, 100-102, 105, 107, 121, 187, 206, 244, 248, 296, 299, 301, 304 f., 599, 605, 611. Allgemeine Feuerassekuranz AG (Berlin) 88 Allgemeine Hausbau- und Gründstücksgesellschaft der DAF in der Stadt des KdF-Wagens mbH (bei Fallersleben) [im Besitz der DAF] 87, 438, 653 Allgemeine Ortskrankenkassen 244 Allgemeiner Freier Angestelltenbund/ AFA-Bund 59, 66 f. Allgemeine Treuhandgesellschaft (Hamburg), S 400 f. Allgis, Allianz und Giselavereins Versicherungs AG (Wien) [im Besitz der DAF] 219 f., 228 f., 231, 253, 255, 632

692

Allianz Lebensversicherungs AG (Frankfurt a.M.) 10, 43, 52, 93, 133, 187, 193 f., 196 f., 213, 219-223, 230, 246, 251, 550, 555, 558, 571, 576, 586 Alte Leipziger Lebensversicherungs AG 220 Alte Volksfürsorge AG (Hamburg) 603 AMB Generali 603 Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe (innerhalb des Rohstoff- und Devisen­ stabes) 284, 443 Der Anker. Allgemeine Versicherungsgesellschaft AG (Wien) 230 f., 253 Antisemitismus (siehe auch: »Arisierung«) 16 f., 41, 52, 68, 94, 122, 188, 196, 202, 208, 211, 213, 229, 236, 238, 243 f., 251-256, 266, 275 f., 277 f., 292 f., 372 f., 402 f., 427, 430 f., 433, 478 f., 505, 510, 531 f., 546, 589, 594, 600 f. Arbeitsbank, siehe: Bank der Deutschen Arbeit. Arbeiterbank, siehe: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Arbeitsdienst, Freiwilliger Arbeitsdienst, Reichsarbeitsdienst 288, 348, 419, 482 Arbeitsgemeinschaft Arbeiterwohnstättenbau 443 Arbeitsgemeinschaft von Herstellern tief gefrorener Nahrungsmittel GmbH/Ahens (Düsseldorf ) 415 »Arisierung«, Enteignung jüdischer Unternehmen (siehe auch: Antisemitismus) 17, 49, 52 f., 57, 94, 97 f., 105, 115-119, 122, 128, 133, 144, 156-158, 163, 165, 173, 175-177, 198, 222, 253 f., 366 f., 405, 547, 617 Armanen-Verlag 281 Assicurazioni Generali 229, 603 Auf bau-Verlag Lettland (Riga) [im Besitz der DAF] 352 Auf bruch-Verlag (Köln) [im Besitz der DAF] 307 f. August-Thyssen-Bank AG (Düsseldorf ) 136 Auswärtiges Amt 281, 283, 309 (Eduard) Avenarius GmbH (Leipzig) [im Besitz der DAF] 644

institutions-, organisations- und sachregister Bachwitz AG, siehe: Wiener Chic ParisienBachwitz AG. »Bad der Zwanzigtausend« in Prora (nahe Binz/Rügen) [im Besitz der DAF] 436 f., 515 Baltische Öl GmbH 167 Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten; Arbeiterbank 26, 66, 100-102, 105 f., 121, 206 f., 298, 373, 427, 604, 616, 625 Bank der Deutschen Arbeit; Arbeitsbank [im Besitz der DAF] 17, 26, 35 f., 38 f., 42 f., 60, 68, 73-76, 80 f., 83-88, 90 f., 93, 95-189, 195 f., 204, 208, 214, 243, 247, 260, 263, 265 f., 304, 316, 325, 353, 359, 369, 371, 399, 405, 414 f., 435, 440 f., 459, 469 f., 506, 508, 528, 531, 533537, 539, 544, 559, 562, 570, 585, 587, 591, 601, 603-605, 623-628 Bank für deutsche Arbeit und Sparbank von 1820 A.G. (Berlin) 103 Bank für Gemeinwirtschaft (Frankfurt a.M.) 101, 604 Bank für deutsche Industrieobligationen (Berlin) 99 Bank der Deutschen Luftfahrt AG (Berlin) 157, 174, 187 Bank Handlowy (Warschau) 161 Bank voor Nederlandschen Arbeid N.V. (Amsterdam) [im Besitz der DAF] 87, 173-176, 189, 243, 353, 588 Bankhaus Delbrück (Berlin) 136, 138 Bankhaus R. Damme (Danzig) 159 Bankhaus Dreyfus (Berlin/Frankfurt a.M.) 116, 133 Bankhaus Anton Krohn (Nürnberg), S.116 Bankhaus Lenz (München) 134 Bankhaus Mendelssohn (Berlin) 133 Bankhaus Merck, Finck & Co. (München) 116, 133 Bankhaus Rothschild (Wien) 133 Barackenbau, Bordellbaracken, siehe: Häuserund Barackenbau GmbH bzw. Prostitution. Barmenia Kranken- und Lebensversicherung (Leipzig) 251 Barmer Ersatzkasse (Berlin) 72 Basler Versicherungsgruppe 604 Bau- und Baubetreuungsgesellschaft der DAF mbH (Berlin) 83, 87, 466 f., 656 Baufachschule Weimar 494 Baugewerkschaften e.G. 427 Bauhaus (Weimar bzw. Dessau) 292, 494

Bauhilfe der DAF für den sozialen Wohnungsbau eGmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 33, 87 f., 406, 440, 445, 448, 451-454, 457, 470, 478, 497, 516, 538, 564 f., 573, 578 Bauhöfe allgemein 454-457, 473, 477, 538 Bauhof Düsseldorf 458 Bauhof München-Oberbayern 458 Bauhof Thüringen 454 Bauhütten 57, 66, 70, 316, 426-431, 435, 459, 465, 470, 497, 533, 568, 608, 611, 654. Bauhüttenbeteiligung Schlesien GmbH (Breslau) [im Besitz der Bank der Deutschen Arbeit] 470 Bauproduktivgenossenschaften allgemein 147, 383, 426 f., 429, 459, 561 Baustoffwerke Finkenwerder GmbH/Ziegelei [im Besitz der DAF] 458 Baustoffwerke Grabow GmbH/Ziegelei [im Besitz der DAF] 458 Baustoffwerke Hartmannsdorf GmbH/Kalksandsteinfabrik [im Besitz der DAF] 458 Baustoffwerke Teupitz GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 83, 143, 458, 470 Bau-Wo-Ge, Bau- und Wohnungsgesellschaft für das rheinisch-westfälische Industriegebiet mbH (Dortmund, Essen) [im Besitz der DAF] 649, 651 Bau- und Wohnungsgenossenschaft Breslau von 1892 [im Besitz der Bank der Deutschen Arbeit] 470 Bayerische Gemeindebank (München) 87, 134 Bayerische Handelsbank (München) 71 Bayerische Hypotheken- und Wechselbank (München) 135, 179, 181 Bayerische Motoren-Werke/BMW (München; siehe auch: Quandt-Konzern) 169 Werk Spandau 510 Bayerisches Finanzminister(ium) 134 Bayerisches Innenminister(ium) 130 Bayerisches Kultusminister(ium) 130, 280 Bayerisches Wirtschaftsminister(ium) 130 Bayerische Staatsbank (München) 131 Bayerische Vereinsbank/BV (München) 125, 128, 132-136 Bayerische Versicherungsbank (München) 192 (Ober-)Bayerische Volksbank (München) 91, 123, 134 Beamtenversicherungsverein des deutschen Bank- und Bankiergewerbes a.G. (Berlin) 85

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register Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP (siehe auch: Alfred Rosenberg) 272 Beauftragten des Führers für Wirtschaftsfragen (siehe auch: Wilhelm Keppler) 60, 381, 526 Beauftragter für die Gestaltung der Wohngebiete in den vom Führer als Wiederaufbaustädte bezeichneten Städten 494 Beauftragter für den Vierjahresplan (siehe auch: Hermann Göring) 93, 103, 442, 481 (Bernhard) Berghaus [Metallunternehmen] (Leipzig) 157 Berg- und Hüttenwerks-Gesellschaft Ost/ Berghütte Ost 168 Bergmanns-Heimstätten Oberschlesien (Gleiwitz) [im Besitz der DAF] 438, 651 Berliner Beamten-Wohnungs-Verein 204 Berliner Disconto und Kredit AG 178 Berliner Gesellschaft für Getreidehandel AG 406 Berliner Grundverwertungs AG 525 Berliner Handelshochschule 280 Berliner Kommission auf Ansprüche auf Vermögenswerte 604 Berliner Grundbesitz-Verwaltungs AG 525 Berliner Kraft- und Licht AG/Bewag 554 Bertelsmann-Verlag (Gütersloh) 268, 313, 331, 336-339, 343, 362, 367, 559, 602, 605, 642 Berliner Lombardkasse AG 156 Berufskrankenkasse der Angestellten Hamburg 296 Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft/ BGAG (Frankfurt a.M.) 603, 609 Betonschiffbau GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] (siehe auch: Wiking-SchiffsbauGesellschaft mbH) 525 Betonwerke Oberdonau GmbH (Linz) 458 Bevollmächtigter für die Bau-, Wohnungsund Siedlungswirtschaft im Generalgouvernement 162, 448 Bildungsverband der Deutschen Buchdrucker 299 Blohm & Voss (Hamburg) 517 f., 520 f. Bochumer Druckerei GmbH [im Besitz der DAF] 311, 366, 644 (Ludwig) Bölkow Flugzeug GmbH (Stuttgart) 405 Börsenverein der Deutschen Buchhändler bzw.

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des Deutschen Buchhandels 271, 301, 325, 327 f., 352, 365, 546 Boghuset A/S (Kopenhagen) [im Besitz der DAF] 352 f. Bohemia Keramische Werke AG (Neurohlau bei Karlsbad) 158 (Friedrich) Bohne, Spedition (Bremen) 410 f. Bor Kupferbergwerke und Hütten AG (Belgrad) 168 (August) Borsig GmbH (Berlin) 518 Boswau & Knauer AG (Düsseldorf ) 608 Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank (Hannover) 86 Buchbinderei F. Rollinger (Wien) [im Besitz der DAF] 344 Buchdruckereiwerkstätte in Berlin GmbH [im Besitz der DAF] 311, 644 Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn KG (München) 554 Buchhandlung Heinrich Bandholdt (Hamburg) 644 Buchmeisterverlag (Berlin) [im Besitz der DAF] 26, 58, 70, 266, 295, 298-301, 303, 307, 320, 326, 341, 344, 349, 644 Buch- und Zeitschriftenvertrieb der Deutschen Arbeiter in Rumänien AG (Bukarest) [im Besitz der DAF] 352 Bücherborn, Deutsches Buchhaus GmbH (Hamburg) [im Besitz der DAF] 277, 303 f., 525, 642, 644 Büchergilde Gutenberg (Berlin) [im Besitz der DAF] 26, 34, 68, 70, 266, 269 f., 295, 297307, 318, 320, 324-326, 343, 345, 349, 351, 353, 368 f., 384, 557, 583, 606, 616, 643 f. Büchergilde Gutenberg [im Exil] Prag 299, 352 Büchergilde Gutenberg [im Exil] Wien 299 Büchergilde Gutenberg [im Exil] Zürich 34, 299, 352 Bücherkreis [sozialdemokratische Buchgemeinschaft] (Berlin) 270 Bühlentaler Granitwerke Ernst Contini GmbH [im Besitz der DAF] 463 Bühnenvolksbund e.V. (Berlin) 296 Bühnenvolksbund-Verlag (Berlin) 296 Buchgemeinschaft für Polizisten 289 Bukarester Handelsbank A.G. 172 Bund Deutscher Mädel/BDM 288, 290 Bund Deutscher Architekten 439 Bund Reichsdeutscher Buchhändler 271

institutions-, organisations- und sachregister Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben 599 Bundesbank 138 Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen 138 Bundestag 429 Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) 433 Bundeszentrale für den Heimatdienst 286 Bund Nationalsozialistischer Juristen 86 Burmeister [Bauunternehmen] 460 BZ-Karten-Verlag (Berlin) 116 Casa Editrice »Il Tritone« (Rom) [im Besitz der DAF] 352 Cechoslavia-Versicherung (Prag) 234 f., 259 Centralny Zwiazek Spóldzielni Spozywców«/ Spolem (Warschau) 414 Club von Berlin 187, 554 Commerzbank AG (Berlin) 35, 43, 95 f., 99 f., 108, 125, 137, 139, 144-146, 155, 158-160, 164, 169, 171, 174, 176-178, 181, 187, 534, 547 f., 551, 579, 586, 628 Compagnie D’Assurances Générales (Paris) 257 Constantia-Versicherungsgruppe (Brüssel) 241 f. Continentale Bank (Brüssel) [im Besitz der Commerzbank] 177 Continentale Handels AG (Berlin) 167, 415 Continentale Öl AG (Berlin) 166 f., 170, 407 Coop Schleswig-Holstein e.G. (Kiel) 610 Coop Zentrale AG (Frankfurt a.M.) 608, 610, 614 Coöperative Levensverzekering Maatschappij Concordia (Utrecht) [im Besitz der DAF] 242 Crédit Lyonnais AG (Paris) 605 DAF-Ämter und DAF-Abteilungen � Abteilung Arbeiter-Barackenbau-Lager 481 � Abteilung Sonderbau (siehe auch: Sonderbau GmbH) 33, 83 f., 87, 464-466, 487 � Amt Abwehr, siehe: Amt Information. � Amt für Arbeitseinsatz 79, 355 f., 419 f., 481, 539 � Amt für Betriebsführung und Berufserziehung 166, 308, 355, 416, 473, 505, 508 � Amt Haus und Heim 439 � Amt Information 384, 386, 389, 394

� Amt für Leistungsertüchtigung, Betriebsführung und Berufserziehung, siehe: Amt für Betriebsführung und Berufserziehung. � Amt Schönheit und Mode 347 f. � Amt für Rechtsberatung, DAF-Rechtsberatungsstellen 113 � Amt für Selbsthilfe 71, 430 � Amt für Sozialgestaltung in Handwerk und Handel 451 � Amt bzw. Amtsleiter für die wirtschaftlichen Unternehmungen/AWU (siehe auch: Treuhandgesellschaft sowie Zentralstelle für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF; Hans Strauch) 28, 75, 166, 233, 257 f., 355, 435, 445, 451, 459, 472, 541, 545 f., 551, 558 � Arbeitswissenschaftliches Institut/AWI 38, 140, 278, 284 f., 308, 321, 331, 506, 545, 554 � Architekturbüro 439, 489 � Bauabteilung, Bauamt 439, 489, 515, 545, 601 � Beauftragter der DAF für die Konsumgenossenschaften (siehe auch: Karl Müller) 71, 373 f., 389 f. � Beauftragter für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF (siehe auch: Karl Müller) 430 � Beauftragter für die Verlagsunternehmen der DAF (siehe auch: Eberhard Heffe) 317 f. � Bevollmächtigter der DAF zur Anpassung der verbrauchergenossenschaftlichen Einrichtungen an die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse (siehe auch: Heinrich Simon; Hans Strauch) 83, 403 f. � Fachamt »Banken und Versicherungen« 85, 116, 139, 263 � Fachamt »Bau« 471 � Fachamt »Handel und Handwerk« 416 � Fachamt »Eisen und Metall« 314 � Fachamt »Handel und Fremdenverkehr« 406 � Fachamt »Das deutsche Handwerk« 451 � Hauptarbeitsgebiet »Handwerk und Handel« 371 � Heimstättenamt [zusammen mit der NSDAP] 87 f., 432 f., 439-443, 447, 491, 601, 655 � Presseamt 310, 356 � Prüfungsamt 72, 74, 86, 154 f., 334

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register � Rechtsamt 61, 63, 86, 263 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Banken und Versicherungen« 85, 139, 291 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Bekleidung« 306 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Bau« 306 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Druck und Papier« 247 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Handel« 371, 578 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Handwerk« 371 � Reichsbetriebsgemeinschaft »Handwerk und Handel« 377 � Schatzamt (siehe auch: Paul Brinckmann) 72-74, 76, 149, 154, 210, 263 � Sonderdienststelle Lagerbau 482 � Sozialamt 481 � Volkspolitisches Amt 172, 356 � Zentralstelle der DAF für den Vierjahresplan 87 � Zentralstelle für die Finanzaufsicht der DAF 154 � Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF S. 38, 40, 75, 77, 84, 155, 263, 334, 406, 466, 472, 526, 545 DAF-Gauleitungen, -waltungen � Bayerische Ostmark 139 � Franken (Nürnberg) 116 � Westfalen Süd 137 � Wartheland 473 Daimler Benz AG (Stuttgart) 437, 500 Danziger Raiffeisenverband 406 Deidesheimer [Bauunternehmen] 460 Deschimag, Deutsche Schiff- und Maschinenbau AG (Bremen) 518, 528 Deugro, siehe: Großeinkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften mbH. Deutsche Akademie, siehe: Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums. Deutsche Akademie für Bauforschung e.V. (Berlin bzw. Dresden) 489 f. Deutsche Akademie für Dichtkunst, siehe: Preußische Akademie der Künste, Sektion für Dichtkunst. Deutsche Akademie für Wohnungswesen e.V. (Berlin) 429, 454, 489, 495 Deutsche Angestellten-Gewerkschaft/DAG 602, 604 f., 606, 609

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Deutsche Angestellten-Krankenkasse 638 Deutsche Angestellten-Verbands-Sparkasse (Berlin) 102 Deutsche Arbeiterschaft Kronstadt 353 Deutsche Bank 35, 43, 47, 95, 98-100, 108, 115, 118, 122, 129, 138 f., 144-146, 155, 157-160, 164, 168 f., 174, 176, 178, 181, 184, 187, 548, 555, 586, 628 Deutsche Bank für Ostasien (Berlin) 178 f. Deutsche Bau AG/Deubau (Berlin) [im Besitz der DAF] 33, 86, 147-149, 152, 434-437, 444, 452-454, 459-464, 466, 469, 476, 487 f., 497, 562, 568, 653 f. Deutsche Baubank [von der DAF geplant] (Berlin) 103 f., 469 Deutsche Bau- und Bodenbank AG (Berlin) 101 Deutsche Bauerndienst-Gesellschaften 214 Deutsche Bauhütten GmbH 608 Deutsche Beamtenversicherung (Beamtenversicherung) 90, 214 Deutsche Beamtenschaft 214 Deutsche Bühne 272 Deutsche Effecten- und Wechselbank (Frankfurt a.M.) 118 Deutsche Eisenbahnwohnungsbau GmbH (Breslau) [im Besitz der DAF] 649 Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH/DESt (Berlin) 128, 458 Deutsche Fertigbau-Gesellschaft 490 Deutsche Feuerversicherungs AG (Berlin) [im Besitz der DAF] 260 f., 641 Deutsche Gartenbau-Kredit AG (Berlin) 407 Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG 406 Deutsche Gesellschaft für Wehrwissenschaften 283 Deutsche Hansabank (München) 71, 177 Deutsche Hausbücherei (Hamburg) [im Besitz der DAF] 26, 269, 276, 301-304, 312, 315, 318, 324-326, 344, 358 f., 361, 363, 605 f., 642-644 Deutsche Heimbau Gemeinnützige AG (Essen) [im Besitz der DAF] 427, 651 Deutsche Herold Volks- und Lebensver­ sicherungs AG 219 Deutsche Hollerith-Maschinen-Gesellschaft (Berlin) 541 Deutsche Industriebank (Düsseldorf ) 99, 122, 156, 406 f.

institutions-, organisations- und sachregister Deutsche Leben Gemeinnützige Versicherungs AG/DLG (Köln bzw. Berlin) [im Besitz der DAF] 192, 196, 199, 202-205, 219, 235, 250, 262 f., 265, 545, 629 Deutsche Luftfahrt-Kontor GmbH, siehe: Bank für Deutsche Luftfahrt. Deutsche National-Theater AG (Berlin) [im Besitz der DAF] 86-88, 120 f., 144 Deutsche Natursteinwerke GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 463 Deutscher Ausschuss für wirtschaftliches Bauen (Berlin) 489 Deutscher Bauarbeiterverband 278 Deutscher Buchklub 312 Deutsche Reichsbahn 460 f., 478 Deutsche Reichsbank 85, 95 f., 100, 115, 146, 184, 375, 407, 519 Deutscher Fremdenverkehrsverband 148 Deutscher Gewerkschaftsbund/DGB Gesamtverband der christlich-nationalen Gewerkschaften bis 1933 65 f., 68, 71, 100 ff., 105, 244, 545, 631 bundesdeutscher Gewerkschaftsbund nach 1945 36, 602, 604 f., 608 f., 612-615 Deutsche Reichspost 115, 555 Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt (Berlin) 406 f. Deutscher Gewerkschaftsbund – siehe: Gewerkschaften. Deutscher Metallarbeiterverband/DMV 599 Deutscher Ring-Versicherungen allgemein 26, 28, 38, 43, 68, 82, 90 f., 190 ff., 195 f., 201 ff., 208, 211, 216 f., 219 f., 226, 230, 233, 239, 243248, 251-261, 263-266, 405, 531 f., 546, 555, 558, 562, 565, 570 f., 582, 586 f., 600, 604 Deutscher Ring Allgemeine [Sach-]Versicherungs AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 260 f., 641. Deutscher Ring Financial Services GmbH (Hamburg) 604 Deutscher Ring Krankenversicherung AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 32, 195, 245, 248-251, 256 ff., 263, 535, 540, 636 ff.. Deutscher Ring Lebensversicherung AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 68, 85, 204, 207, 217, 219 f., 230, 233, 245 f., 248, 250, 255-260, 263 ff., 558, 604, 629, 639 f. Deutscher Ring Österreichische Krankenversicherung Anstalt auf Gegenseitigkeit (Wien) [im Besitz der DAF] 256 ff., 637

Deutscher Ring Österreichische Lebensversicherung [im Besitz der DAF] (Wien) 233, 250, 255 ff., 435, 602, 639 Deutscher Ring Oesterreichische Versicherungsgesellschaften (Wien) [im Besitz der DAF] 82. Deutscher Ring Transport- und Fahrzeugversicherungs AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 82, 85, 243, 261, 263. Deutscher Schulverein Wien bzw. Südmark 344 Deutscher Verein für Wohnungsreform 489 Deutsche Sachversicherungs AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 82, 85, 199 f., 260-263, 388, 641 Deutsches Buchhaus GmbH (Hamburg) 303 f., 644 Deutsche SB Kauf AG (Hamburg) 610 Deutsche Schiffs- und Maschinenbau AG/ Deschimag (Bremen; siehe auch: AG Weser) 518, 528 Deutsches Gemeinschaftswerk GmbH/GW (Berlin) [im Besitz der DAF] 19, 34, 38, 43 f., 83, 85, 91, 109, 123, 143, 162, 170, 179, 265, 364, 369, 392, 394, 396-424, 455, 532, 536, 540 ff., 555, 558 f., 563-568, 600 ff., 610, 612, 645 f. Deutsches Gemeinschaftswerk(GW)-Groß­ einkauf Wien 400 Deutsches Gemeinschaftswerk (GW)-Kaufhaus-Gesellschaften GmbH (Hamburg) 400, 414 Deutsches Gemeinschaftswerk IndustrieBetriebe, siehe: Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks GmbH. Deutsche Siedlungsbank (Berlin) 406 Deutsches Institut für [nationalsozialistische] technische Arbeitsschulung/DINTA (Dortmund) 474, 505 Deutsche Spar- und Kreditbank (München) 133 Deutsches Rotes Kreuz 129, 331, 333 Deutsches Volksbildungswerk 273 f., 314 f., 326 Deutsches Wohnungshilfswerk 311, 455 f., 461, 476 f., 480, 490, 530 Deutsche Tee-Plantagen- und Handelsgesellschaft 415, 419 Deutsche Theater GmbH bzw. AG, siehe: Deutsche Nationaltheater AG. Deutsche Tiefkühlgesellschaften Berlin 406

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register Deutsche Transportgesellschaft mbH/DeTeGe (Hamburg) [im Besitz der DAF] 410 f., 422 Deutsche Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft mbH/DUT 163-165, 587 Deutsche Verlagsanstalt (Stuttgart) 359 Deutsche Verlagsexpedition oHG/DEVEX (Stuttgart) 312-315 Deutsche Volksbank (Essen) [im Besitz der DAF] 100-102, 105 Deutsche Volksversicherungs AG 202 Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (Berlin) 170 Deutsche Welt Lebensversicherungs AG (Berlin) 203, 629 Deutsche Werkmeister-Sparbank AG (Berlin) 103 Deutscher Werkmeister-Verband 67 Deutsche Wirtschaftsbank (Berlin) 103 Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH (Berlin) [im Besitz der SS] 246 Deutsche Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH [im Besitz der DAF] 72 f., 84. Deutsche Wohnungs- und Siedlungs GmbH Warschau [im Besitz der DAF] 654 f. Deutsche Zentralgenossenschaftskasse 390, 406 Deutschnationale Buchhandlung 276 Deutschnationale Feuerversicherungs AG (Hamburg) 260 Deutschnationale Verlagsanstalt (Hamburg) 276 Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband/ DHV 26 f., 66 ff., 71 f., 101 f., 105, 191, 201, 203, 208, 228, 243 ff., 248, 251,254, 266 f., 269 f., 274-279, 288-296, 301, 316 f., 320 f., 336, 338, 356 f., 361 f., 368 ff., 427, 531, 546, 582, 590, 602, 604 ff. Deutschsoziale Partei 244, 275 Deutschsoziale Reformpartei 244, 275 Devisenschutzkommando Brüssel 177 DEWOG, Deutsche Wohnungsfürsorge A.-G. (Berlin) [im Besitz der DAF] 66, 304, 426428, 434 f., 440, 608, 649 Dianabad AG (Wien) 44, 84, 119 (Eugen) Diederichs Verlag (Jena) 287, 335, 343 Dietz Verlag (Berlin) 299 Donau-Concordia Allgemeine Versicherungs AG (Wien) 230 f., 233, 236, 254 Dr. Benno-Filser-Verlag (Augsburg) 293

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Dresdner Bank 35, 43, 54, 95 f., 99 f., 108, 118, 125, 127-129, 132, 136, 141, 144-146, 155, 157160, 162, 164 f., 169, 171, 174-179, 181, 184, 186 f., 392, 544, 571, 584-586, 591, 628. Droemer-Knaur-Verlag (Leipzig) 313 Droste-Verlag (Düsseldorf ) 312 Druckerei Esveha B.L.E. Casselmann (Den Haag) [im Besitz der DAF] 366 f. Druckerei J.B. Hirschfeld (Leipzig) 310 Druckerei »Freie Presse« (Leipzig) 299 Druckerei August Pries GmbH (Leipzig) [im Besitz der DAF] 82 f., 310 f., 320, 365 f., 542, 644 f. Druckerei Werthner, Schuster & Co. KG (Wien) [im Besitz der DAF] 344 Dürer-Bund 293 Dürener Metallwerke 170 Dyckerhoff & Widmann AG (Karlsruhe) 437 Eco GmbH Versorgungsbetrieb für Lebensmittel und Bedarfsartikel (Metz) 416 f. Edeka, Verband deutscher Einkaufsgenossenschaften 378 Eigenhilfe Allgemeine Versicherungs AG 205, 260 Einfa, Berliner Gesellschaft zur Förderung des Einfamilienhauses Gemeinnützige GmbH [im Besitz der DAF] 86, 435, 438, 649-651 Elektrochemische Werke München AG (Höllriegelskreuth) 134 Elsass-Lothringische KrankenversicherungsGesellschaft 257 ENVEHA. N.V. Maatschappij voor Papierveredelung (Den Haag) [im Besitz der DAF] 367, 406 Essen-Finanz (Hamburg) 405 Esveha B.L.E. Casselmann, siehe: Druckerei Esveha B.L.E. Casselmann. Europäischer Buchklub 313 Evangelische Buchgemeinde 312 Evangelische Versicherungszentrale e.V. 205 Evangelische Vorsorge Gemeinnützige Versicherungs AG (Berlin) 205 Eveil [Lebensversicherungen] (Paris) 242 Ex- und Import Hayler GmbH (München) 407 Fachgruppe (innerhalb der Wirtschaftsgruppen) � Baustoffhandel 455

institutions-, organisations- und sachregister � Baustoff- und Ziegeleiindustrie 469 � Buchgemeinschaften 321 � Einzelhandel 410 � Haus- und Grundstückswesen 578 � Landmaschinenbau 514 � Metallerzbergbau 401 � Schiffbau 519 � Schmuckwarenindustrie 420 Fichte-Gesellschaft 276, 292 Fichte-Hochschule (Hamburg) 292 (S.) Fischer-Verlag (Frankfurt a.M.) 267, 313 Flender-Werke (Lübeck) 521 Flugmotorenwerke Ostmark GmbH 157 Focke-Wulf GmbH (Bremen) 170 Förderdienst GmbH (Berlin) 162, 164, 416 Fordwerke � Dearborne/Detroit (»River Rouge«) 504, 507 � Köln 500 � Paris 508 Formularverlag (Berlin) [im Besitz der DAF] 311 Forschungs- und Verwertungsgesellschaft mbH der DAF (Berlin) 469 Frankfurter Boden AG 86 Frankfurter Mühlen AG 406 Frankfurter Versicherung 213 Frauenerwerbstätigkeit 67, 181, 210, 226, 331, 375, 402, 413 f., 423, 523, 535 ff., 540, 634, 656. Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) 699 Freikorps 30, 135, 298, 407, 440 Fremdarbeiter, siehe: Zwangsarbeit. Fremdsprachendienst-Verlags GmbH (Berlin) 355 f. GAGfAH, Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (Berlin) 67, 427 Geertz & Co. KG (Riga) 170 Geesthachter Druckerei GmbH [im Besitz der DAF] 644 GEHAG, Gemeinnützige Heimstätten-Sparund Bau-AG (Berlin) [im Besitz der DAF] 33, 68, 83, 86, 88, 426 f., 433-435, 438, 440, 446, 453, 465, 474, 497, 536, 559, 609, 649651, 653 f. Gelsenberg Benzin AG 169 Gemeinnützige Baugesellschaft am Hochfeld mbH (Augsburg) [im Besitz der DAF] 652

Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Groß-Hamburg mbH [im Besitz der DAF] 426 f., 608, 650 f. Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft mbH Kiel-Mitte [im Besitz der DAF] 650, 652 Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft mbH Neustadt (Oberschlesien) 651 Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft mbH Schwerin [im Besitz der DAF] 652 Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW; Berlin) [im Besitz der DAF] 433, 654 Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Rostock [im Besitz der DAF] 652 Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Oberschlesien (Neustadt) 429, 651 Gemeinschaftswerk, siehe: Deutsches Gemeinschaftswerk. Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt (siehe auch: Speer, Albert) 128, 187, 458, 464, 488 f., 494 f., 594 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (siehe auch: Sauckel, Fritz) 37, 78, 113, 208, 311 f., 354, 419, 456, 461, 481, 510, 563 Generalbevollmächtigter für die [Regelung der] Bauwirtschaft/GB-Bau (siehe auch: Speer, Albert) 452, 455, 458, 462, 464, 466, 475, 479, 488, 490 f., 494 f. Generalbevollmächtigter des Reiches für die baltischen Staaten (siehe auch: August Winnig) 278 Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft (siehe auch: Walther Funk) 561 General Motors 499, 557 Generalrat der deutschen Wirtschaft 133, 407 Genossenschaften, siehe: Baugenossenschaften, Konsumgenossenschaften Genossenschaftliche Zentralbank der Ostmark AG (Wien) 406 Gerling Allgemeine Versicherungs AG (Köln) 192, 219 f., 222 Germania-Werft (Kiel) 517 f. Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften, siehe: Deutscher Gewerkschaftsbund/ DGB Gesamtverband der deutschen Angestelltengewerkschaften/GEDAG (Hirsch-Duncker­) 66 f., 159, 305

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register Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 429 Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG/ Öffa 131 Gesellschaft für Landsiedlung mbH (Stettin bzw. Berlin) [im Besitz der DAF] 466-468, 653 Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrerziehung 283 Gestapo, Geheime Staatspolizei 132, 234, 241, 375, 401, 526, 539, 579 Gewerkschaften � christlich-nationale Gewerkschaften, siehe: Deutscher Gewerkschaftsbund. � freie Gewerkschaften, siehe: Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund/ADGB � siehe auch: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB). � siehe auch: Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine. Gewerkschaft Ropa (bei Brünn/Slowakei) [im Besitz der DAF] 530 GEWOBAG, Gemeinnützige Wohnungsbau AG (Frankfurt a.M.) [im Besitz der DAF] 87, 426, 428, 435, 650 f. GEWOG, Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstättengesellschaft mbH Dresden [im Besitz der DAF] 649, 652 Gezuvor, Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH (Berlin) 503, 507, 509, 570 Gilde freiheitlicher Bücherfreunde 270 Gisela, Deutsche Lebens- und AussteuerVersicherungs AG (München) [im Besitz der DAF] 82, 219, 636 Gothaer Lebensversicherungsbank a.G. 220, 247 Großbuchbinderei Franz Wermke GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 311, 321, 366, 644 Großeinkaufs-Gesellschaft für die österreichischen Consumvereine (Wien) 400 Großeinkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumgenossenschaften mbH/GEG bzw. Deugro (Hamburg) 38, 205, 369 f., 373 f., 376, 378 f., 382 f., 388 f., 392 f., 395-400, 402-405, 408412, 414 f., 417 f., 421, 423, 425, 501, 533, 536, 539, 542, 563, 600 f., 613. Großeinkaufs- und Produktionsgenossenschaft/GEPAG (Köln) 370, 376, 614, 648

700

Großziegelwerk Prambachkirchen 458 Grundverwertungs-AG (Berlin) 525 Gutehoffnungshütte/GHH (Oberhausen) 133 f. GWO, Gemeinnütziger Wohnungsbau Oberschlesien GmbH (Breslau) [im Besitz der DAF] 427, 651 Häuser- und Barackenbau GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 180, 481-487 Hamburg-Amerika-Linie 555 Hamburger Krankenversicherungsverein von 1882 250, 256 Hamma GmbH (Olmütz) 170 Handel Maatschappij H. Albert de Bary & Co. (Amsterdam) [im Besitz der Deutschen Bank] 174, 176 Handelstrust West (Amsterdam) [im Besitz der Dresdner Bank] 174 f. Handwerk, Handel und Gewerbe-Krankenversicherung/HHG (Dortmund) 638 Hansa-Bank, siehe: Deutsche Hansabank. Hansa Volksversicherung (Lübeck) 219 Hanse [Versicherung] 638 Hanseatische Druck- und Verlagsanstalt (Hamburg) 275 Hanseatische Druckanstalt GmbH (Hamburg) [im Besitz der DAF] 332, 364 f., 367, 542, 623, 642 Hanseatischer Handelsverlag (Hamburg) 276 Hanseatischer Kunstverlag (Hamburg) [im Besitz der DAF] 276 Hanseatische Verlagsanstalt/HAVA (Hamburg) [im Besitz der DAF] 26, 28, 34, 38, 67, 82, 85 f., 266-272, 274-298, 304 f., 307,312, 317321, 325, 332, 335-339, 345, 350, 356-368, 405, 531, 542, 573, 605, 642 ff. Hanseatische Verlagsanstalt Druckerei/HAVADruckerei, siehe: Hanseatische Druckanstalt GmbH. Hartmann-Bund 251 Hauptamt für Kommunalpolitik 470 Haupttreuhandstelle Ost/HTO 163, 165, 238 Heeresverwaltungsamt, Heereswaffensamt, siehe: Reichswehr- bzw. Reichskriegsministerium. Hefftsche Kunstmühle AG (Worms) 406 Heimat. Gemeinnützige Bau- und SiedlungsAktien­gesellschaft (Berlin) 427, 435, 438, 649, 651

institutions-, organisations- und sachregister Heimat, Siedlungsgesellschaft mbH (DanzigSchiedlitz) [im Besitz der DAF] 83, 651 Heimstätten [Wohnungsfürsorgegesellschaften im Landes- oder Kommunalbesitz] allg. 472 � Pommern 655 � Schlesien 655 � Schleswig-Holstein 655 � Südmark 655 � Thüringen 655 � Wartheland 655 � Westmark 655 Heimstätten Baugenossenschaft (Köln) [im Besitz der Bank der Deutschen Arbeit] 470 Heimstättengesellschaft Schwerin [im Besitz der DAF] 426 Hermann Göring-Werke, siehe: Reichswerke Hermann Göring. Hibernia AG (Gelsenkirchen) 574 Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine, Gewerkschaftsring Deutscher Angestellten, Arbeiter und Beamten 57, 65 f., 68, 71, 85, 203, 305, Historisches Institut des Werralandes (Witzenhausen) 281 Hitler-Jugend/HJ 55, 115, 245, 288-290 Hochbauamt Düsseldorf 439, 601 Hochtief AG (Essen) 436 f. Hollandsche Buitenlandbank (Amsterdam) [im Besitz der Bank für Deutsche Luftfahrt] 174 (Georg v.) Holtzbrinck GmbH (Stuttgart) 43, 312-315, 605 f. (Philipp) Holzmann AG (Frankfurt a.M.) 436 f., 460 Howaldtswerke (Kiel) 518 Hüttenverwaltung Westmark GmbH (Berlin; siehe auch: Reichswerke Hermann Göring) 176 Iduna Vereinigte Lebensversicherungs a.G. für Handwerk, Handel und Gewerbe (Hamburg) 207, 534, 600 IG Bau, Steine, Erden 608 IG Farbenindustrie (Frankfurt a.M.) 10, 98, 120, 179, 359, 443, 466, 468 f., 483 f., 557, 559, 576, 596 � Werk Mannheim 420 � Werk Schkopau 468, 483 � Werk Wolfen 483 IG Metall 608

IKB Deutsche Industriebank AG (Berlin) 99 Incasso Bank (Amsterdam) 175 Industriebeamten Sparbank eGmbH (Berlin) 103 Industrie-Betriebe des Gemeinschaftswerks GmbH (Hamburg) 400, 409, 418, 542 Industrie- und Handelskammer/IHK all­ gemein 410, 568 � Frankfurt a.M. 118, 392 � München 134 � Stettin 519 Insel-Verlag (Leipzig) 335 Institut für Bauforschung e.V. (Hannover) 490 Institut für Konjunkturforschung (Berlin) 284, 473 Institut für Zeitgeschichte (München) 283 Internationale Akademie für Staats- und Verwaltungswissenschaften (Berlin) 280 f. Internationaler Genossenschaftsbund 373 Internationales Zentralbüro »Freude und Arbeit« 309, 314 Internationale Tiefbohr AG/ITAG (Celle) 529 f. Judenfeindschaft, siehe: Antisemitismus; »Arisierung«. Jungdeutscher Orden 288 Juni-Klub 277 Kärntner Ziegelwerke Völkermarkt GmbH (Klagenfurt) [im Besitz der DAF] 87, 458 Kaiserbrauerei Allendorff 508 Kaiser-Keller AG (Berlin) 525 Kaiser-Wilhelm-Institut � für Chemie (Berlin) 469 � für ausländisches Recht und Völkerrecht (Berlin) 280 � für Züchtungsforschung (Müncheberg bei Berlin) 469 Kampf bund für deutsche Kultur 272 f. Kampf bund des gewerblichen Mittelstandes 371, 377 Karlsruher Lebensversicherungs-Bank 207, 219 f. Kassenärztliche Vereinigung 251 Katholische Volkshilfe Gemeinnützige Ver­ sicherungs AG 205 Kautschuk-Institut Löwenberg (Schlesien) 469 KdF-Werft Bremen [von der DAF geplant] 528 f.

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register (Walter) Kersten, Buch- und Tiefdruckerei (Halle a.S.) 365 Kindler-Verlag (München) 313 Klinkerwerk der DESt nahe Sachsenhausen 128, 144 Klopstock-Stiftung zur Förderung der geistesund religionswissenschaftlichen Forschung 405 Kommissionshaus Lühe & Co. (Leipzig) 362 Kommunisten, KPD, KPÖ 14, 28, 53, 57 f., 65, 211, 270, 343, 386, 430, 532, 579, 616 Konsumgenossenschaft »Produktion« Hamburg 373, 385 Koralowag, Bulgarische Schiff-, Lokomotivund Waggonbau AG (Varna) [im Besitz der DAF] 525-527, 588 Korruption, Bestechung, Unterschlagung 39, 58 f., 72-75, 89, 114, 125, 147-150, 152, 305, 320, 333 f., 435, 437, 561, 581, 590, 594 »Kraft durch Freude« – siehe: Nationalsozialistische Gemeinschaft »Kraft durch Freude«. (Adam) Kraft Verlag (Karlsbad) [im Besitz der DAF] 321, 349 f., 368, 536, 644 Krankenhilfe-Collegialität (Wien) 256, 637 Kreditanstalt der Deutschen eGmbH (Reichenberg) 158 Kriegsgefangene, siehe: Zwangsarbeit. Kringsja Forlag A.S. (Oslo) [im Besitz der DAF] 352 (Private) Kunstschule Johannes Itten (Berlin) 494 Kurpfälzische Heimstättengesellschaft (Bad Dürkheim) 429 KZ Auschwitz II (Auschwitz-Birkenau) bzw. Vernichtungslager Auschwitz 246, 462, 469 KZ Buchenwald 128, 144, 421, 557 KZ Dachau 153 KZ und Internierungslager Neuengamme 405, 420, 510 KZ Sachsenhausen 129, 153 KZ Vulkan-Werft/Stettin 518 KZ-Häftlinge, siehe: Zwangsarbeit. Landwirtschaftliche Zentralstelle (Krakau) 164, 415 (Albert) Langen GmbH (München) 292 f., 320, 642 Langen-Müller-Herbig Verlag (München) 606 Langen-Müller-Verlag/LMV (München) [im Besitz der DAF] 26, 28, 34, 67, 82, 86 f.,

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266 ff., 271 f., 274 f., 277, 285, 287, 289, 291298, 302 f., 305, 307, 319 ff., 335-339, 350, 356363, 365, 367, 531, 546, 559, 573, 605 f., 642, 646 Lebensborn e.V. 119, 129 Lebens- und Elementar-Volksversicherung AG (Prag) 235 Lehrmittelzentrale der Deutschen Arbeitsfront GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 308, 321 Leipziger Bauverein 430 Leipziger Verband der Privaten Krankenversicherungen, siehe: Verband Privater Krankenversicherungsunternehmen Deutschlands. Lenin-Werft (Gdansk) 602 Linzer Kies-, Mörtel- und Betonwerke GmbH [im Besitz der DAF] 458 Ludowici Ziegelwerke KgaA (Jockgrim) 88, 441 (Adolf ) Luser Verlags GmbH (Wien) [im Besitz der DAF] 343-346, 602 Magdeburger Heimat. Gemeinnützige Bauund Siedlungsgesellschaft mbH [im Besitz der DAF] 651 Maistas Vieh- und Fleischzentrale (Kaunas) 170, 415 Mannesmann-Röhrenwerke (Düsseldorf ) 476 Marine, siehe: Reichsmarine. Marxistische Büchergemeinschaft 270 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg/MAN (Nürnberg) 133 f. Max-Planck-Institut für ausländisches Recht und Völkerrecht 280 Mecklenburgische Kredit- und Hypothekenbank (Neustrelitz) 86 Metallgesellschaft AG (Frankfurt a.M.) 435 Metro AG (Düsseldorf ) 610 Miwog, Mitteldeutsche Wohnungsfürsorge GmbH (Leipzig) [im Besitz der DAF] 438, 649 f. Mode-Akademie Wien 347 Mode-Amt Frankfurt a.M. 347 Mode-Amt Wien 347 Montadom Bauplatten und Montagehaus GmbH (Kattowitz) [im Besitz der DAF] 458 Münchner Hagelversicherung 213 Münchner Rückversicherungsgesellschaft 133, 235

institutions-, organisations- und sachregister Müwag, Münchner Wohnungsfürsorge AG [im Besitz der DAF] 652 Nakladatelstvi »Lidè Prace« spolsgr. o./Verlag Schaffendes Volk GmbH (Prag) 352, 353 f. National-Bank, siehe: Deutsche Volksbank. Nationale Versicherungs AG (Stettin) 545 Nationale Versicherung (Prag) 235 Nationale Versicherungs AG [der Barmenia] (Berlin) 251 Nationaler Krankenversicherungsverein AG (Leipzig) 638 Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation/NSBO 9, 31, 56, 81, 85, 89, 207-209, 212, 299 f., 307, 375, 531 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei/ NSDAP 16, 30, 39, 68, 71 f., 76, 79 f., 81, 8492, 102, 107, 109, 116, 123-126, 129-136, 141 f., 144 f., 148-152, 154, 156, 158, 160 f., 171, 182, 187, 192 f., 204, 207-211, 217, 223, 228, 239, 244-247, 251, 261, 265, 267, 271-274, 278, 281, 283, 286-289, 296, 298, 300, 308, 313 f., 325 f., 328, 335 ff., 343 f., 349 f., 358-361, 371, 374, 377, 380, 385 f., 388, 392, 394 ff., 402407, 430, 433, 435, 438-442, 451, 465, 481, 483, 491, 509, 517, 519, 526, 529, 531, 533 f., 544, 546, 553, 559, 575, 585, 595, 605, 621. � Kanzlei des Führers 148, 172 � Oberstes Parteigericht 197 � Parteikanzlei 150, 483 � Reichsjugendführer, -führung 437 � Reichsorganisationsleiter, -leitung (siehe auch: Robert Ley) 39, 80, 84, 90, 141, 150, 156, 272, 297, 310, 319, 341, 356, 358, 361, 386, 403, 406, 481, 518 f., 575 � Reichsschatzamt/Reichsschatzmeister (siehe auch: Franz Xaver Schwarz) 40, 73 f., 76, 124 f., 130, 132-135, 141, 150 f., 153-156, 245, 272, 319 f., 328, 437, 591 � »Stellvertreter des Führers« (siehe auch: Heß, Rudolf ) 10, 40, 60 f., 74, 131, 134, 156, 271, 319, 357, 379 f., 382, 384-387. Nationalsozialistische Frauenschaft/NS-Frauenschaft 246, 288 Nationalsozialistische Gemeinschaft »Kraft durch Freude«/KdF 15, 44, 88, 109-111, 113, 122, 137, 217, 221 ff., 261, 272-274, 278 ff., 290, 296, 304, 307, 309, 314, 316, 318 f., 466, 514, 518 f., 520, 527 ff., 561, 618, 620

� Amt Reisen, Wandern, Urlaub 88, 111, 261, 528 � Amt Feierabend 274 � (Amt) »Schönheit der Arbeit« 216, 313, 347, 439, 488, 490, 496, 618 � Kulturamt 273 Nationalsozialistische Handwerks-, Handelsund Gewerbeorganisation/NS-Hago 371, 377. Nationalsozialistische Kulturgemeinde 272 f. Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik 439 Nationalsozialistischer Lehrerbund 246 f. Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund 246 f., 281, 440 Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund bzw. NS-Studentenschaft 285, 287, 312 Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps/NSKK 192, 197, 211, 422, 443 Nationalsozialistische Volkswohlfahrt/NSV 125 f., 138, 182, 406. Nederlandsche Arbeidsfront 173, 353, 588 Neptun-Werft (Rostock) 518, 525 Neudeker Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei AG (nahe Karlsbad/Sudeten) 508 Neue Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaften mbH allgemein [im Besitz der DAF] 32, 83, 86, 89, 357, 405, 432, 434 f., 437-440, 443 ff., 450-453, 464-474, 478 f., 496 f., 536, 558., 562, 565, 568, 582, 602 f., 605, 608 f., 613 ff., 651-655. Regionalgesellschaften � Bayerische Ostmark (München) 453, 654 � Danzig-Westpreußen 83, 438, 654 � Düsseldorf 651 � Essen 651 � Franken (Nürnberg) 453, 654 � Halle-Merseburg 651, 655 � Hamburg (NHH) 89, 405, 608 f., 651 � Hessen-Nassau 453 � Kärnten (Klagenfurt) 83 � Köln-Aachen 654 � Kurhessen 651 � Magdeburg-Anhalt 651 � Mainfranken 453 � Mark Brandenburg 652 � Mecklenburg 652 � München-Oberbayern 83, 652, 655 � Niederdonau (Wien) 83

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register � � � � � � � � � � � � � � � � � �

Oberdonau (Linz) 83, 653, 655 Ost-Hannover 652 Ostmark (Wien) 652 Ostpreußen 652 Pommern 652 Sachsen 652, 655 Salzburg 83, 654 Schleswig-Holstein 652 Schwaben (Augsburg) 83, 652 Süd-Hannover-Braunschweig 652, 655 Steiermark (Graz) 83, 435 Sudetenland 473, 653, 655 Tirol-Vorarlberg (Innsbruck) 83, 653-655 Wartheland (Posen) 83, 473, 655 Weser-Ems 62 Westfalen-Nord 652 Westfalen-Süd 651 Westmark (Baden, ab 1940 außerdem Elsaß und Lothringen) 654 f. � Württemberg-Hohenzollern 652 Neue Heimat International 611 Neuland, Gemeinnützige Wohnungsfürsorge Gesellschaft für Arbeiter, Angestellte und Beamte mbH (Breslau) [im Besitz der DAF] 426, 649, 652 Neuland, Gemeinnützige Wohnungsfürsorge Gesellschaft mbH der DAF (KdF-Stadt, bei Fallersleben) [im Besitz der DAF] 83, 87, 438, 511, 653 Neue Welt-Versicherungen (Hamburg) 604 Niederländische Aktiengesellschaft für die Abwicklung von Unternehmen (NAGU) 175, 366 Niederschlesischer Kleinwohnungsbau GmbH (Breslau) [im Besitz der DAF] 649, 652 Norddeutsche Lebensversicherungs AG (Hamburg) 600 Norddeutsche Versicherungsanstalt/Nova (Halle; siehe auch: Iduna) 600, 638 Nordland-Verlag (Magdeburg – Berlin) 289 Nordwestdeutsche Kraftwerke AG (Hamburg) 554 N.V. de Centrale Arbeiders Levensverzekerings Maatschappij ‘s-Gravenhage (Amsterdam) [im Besitz der DAF] 242 N.V. Esveha v/h Ph. Simons & Co. (Den Haag) 366 f. N.V. de Koning (Amsterdam/Den Haag) 367

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N.V. Uitgeversmaaschappij »Werkend Volk« (Amsterdam) [im Besitz der DAF] 352 Oberbayerische Volksbank (München) 91, 123 Oberkommando der Wehrmacht/OKW 328 f., 332, 335 f., 338 f., 364, 366, 393, 406 Oberkommando des Heeres/OKH 394, 396, 406, 468 Oberschlesische Hydrierwerke Blockhammer AG 168 Oberschlesischer Berg- und Hüttenmännische Verein (Kattowitz) 433 Oberstes Verfassungsgericht der Republik Zypern 280 Österreichische Arbeiterbank (Wien) 156 f. Österreichische Phönix Leben (Wien) 194, 229, 231-233, 255 f., 258 Österreichische Versicherungs AG/ÖVAG (Wien) 228, 230, 232, 255-258, 532, 602. (Dr. August) Oetker KG (Bielefeld) 604 (Adam) Opel AG (Rüsselsheim) 392, 499 f., 509 � Werk Brandenburg 500, 607 Opel-Generalvertretung Dello & Co. (Hamburg) 607 Organisation Todt/OT 87, 329, 333, 457, 460 f., 479 Osba, Ostdeutsche Siedlungs- und Bau-A.G. (Königsberg) [im Besitz der DAF] 649, 652 Osiandersche Buchhandlung (Tübingen) 292 Osram GmbH KG (Berlin) 501 »Ostarbeiter«, siehe: Zwangsarbeit/Fremdarbeiter. Ostbank für Handel und Gewerbe (Posen) (im Besitz der Dresdner Bank) 132, 160 Ostdeutsche Bau- und Maschinenbauindustrie GmbH (Danzig) 478 Ostdeutsche Privatbank AG (Danzig; siehe auch: Privat-Actien-Bank) [im Besitz der DAF] 85, 109, 118, 132, 159 f. Osteinsatz GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 419 OSTEX GmbH (Wien) 409 Ostlandfasergesellschaften mbH (Berlin) 170 Ostmark-Versicherungs AG (Wien) 230 Ostöl GmbH 170 Ostmärkische Volksfürsorge Lebensversicherungs AG (Wien) [im Besitz der DAF] 82, 220, 229-231, 235-237, 253 f., 259, 532, 602, 632, 636

institutions-, organisations- und sachregister OVB Holding AG 604 Papierwaren- und Cartonnagefabrik Ph. Simons & Co. (Den Haag) 366 Papierwarengroßhandlung N.V. de Koning (Den Haag) 367 Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums (PPK) 271-274, 339, 358 f. (Société des Automobiles et Cycles) Peugeot (Paris) � Werk Montebéliard 508 Polnischen Postsparkassen-Versicherung/PSV (Warschau) [im Besitz der DAF] 237-239 Pommersche Feuersozietät (Stettin) 520 Pommersche ProvinziallebensversicherungsAnstalt (Stettin) 520 Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH (Stuttgart) 281, 608 (Ferdinand) Porsche AG bzw. KG (Stuttgart) 509, 515, 607 f. Preußische Akademie der Künste � Sektion für Dichtkunst, Dichterakademie 267, 270, 294 Preußische Bergwerks- und Hütten AG 574 Preußische Elektrizitäts AG (Ber­lin) 554 Preußische Staatsbank 108, 169 Preußischer Staatskommissar für das Wohnungswesen 447 Preußisches Finanzministerium 574 Preußisches Innenministerium 107 Preußisches Justizministerium 59 Preußisches Ministerium für Handel und Gewerbe bzw. Handel und Finanzen 107, 137 Preußisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst 360 Preußische Zentralgenossenschaftskasse 406 Preussag � Werk Rüdersdorf 465, 490 Prèvoyance Sociale (Brüssel) 241 (August) Pries GmbH, siehe: Druckerei August Pries GmbH. Privat-Actien-Bank (Danzig – siehe auch: Ostdeutsche Privatbank AG) [im Besitz der DAF] 118, 159 Privatbank Georg Fromberg & Co. AG (Berlin) 86, 156 Privatbank J. H. Stein (Köln) 136 Propyläen-Verlag (Berlin) 116

Prostitution, Bordelle (siehe auch: Bordellbaracken GmbH) 180, 483-486 Provinzialverband Pommern (Stettin) 520 Quandt-Konzern (siehe auch: Bayerische Motorenwerke) 169 f. Reclam-Verlag (Leipzig) 335 Reemtsma-Konzern (Hamburg) 364 Regeno-Raiffeisen-Versicherungsgesellschaften (Berlin) 214 Reichsamt für Volkswohlfahrt 406 Reichsamt für Wirtschaftsausbau, siehe: Reichsstelle für Wirtschaftsausbau. Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung 274 Reichsarbeitsminister(ium) 10, 40, 60, 62, 101, 103 f., 212, 433, 441-443, 447 f., 451, 469, 472, 481 f., 485, 489 f., 565, 569 Reichsaufsichtsamt für das Bank- bzw. Kreditwesen 74, 95 f., 138, 173, 180 Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung 192, 196, 200, 214, 223-226, 239, 246 Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen, siehe: Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung. Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (seit 1935: für Arbeitsstudien; REFA) 505, 523, 542 Reichsausschuss für volkswirtschaftliche Aufklärung 364 Reichsbank, siehe: Deutsche Reichbank. Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold 59, 375 Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH 71, 373, 376, 379, 382, 387-389, 600, 646-648 Reichsbeauftragter für die Bergung 88 Reichsbeauftragter für Rauchwaren, S.135 Reichsfinanzminister(ium)/RFM 10, 40, 49, 93, 103 f., 108, 126 f., 130 f., 136, 162, 381, 386, 388, 469, 568, 574 Reichsgruppe Banken 90, 94 Reichsgruppe Handel/RGH 90, 162, 388, 392, 396, 406-408, 413 f., 416, 455, 519, 522, 555 Reichsgruppe Industrie/RGI 61, 104, 200, 392, 442 f., 477, 482, 521, 574 Reichsgruppe Versicherungen 11, 90, 193, 247, 550, 555 f., 573, 658. Reichsinnenminister(ium)/RIM 64, 193, 198, 475

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register Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschland 278, 282, 288 Reichskanzlei 40, 193, 374, 449 Reichskommissar für das Bankgewerbe 137 Reichskommissar und Chef der Zivilverwaltung der Niederlande (siehe auch: Arthur Seyß-Inquart) 173, 177 Reichskommissar für das preußische Justizwesen (siehe auch: Hanns Kerrl) 59 Reichskommissar(iat) für die vorstädtische Kleinsiedlung 447 Reichskommissar(iat) für das Kreditwesen 137 Reichskommissar der NSDAP für die Wirtschaft (siehe auch: Otto Wagner) 377 Reichskommissar(iat) Norwegen 336, 527 Reichskommissar(iat) Ostland 163, 166, 332 Reichskommissar für Ost- und Westpreußen (siehe auch: August Winnig) 278 Reichskommissar(iat) für die Preisbildung (siehe auch: Josef Wagner) 199, 262, 327, 390, 526, 568 Reichskommissar(iat) für die Seeschifffahrt 405, 527 Reichskommissar(iat) für das Siedlungswesen (siehe auch: Gottfried Feder) 441 Reichskommissar(iat) für das Sudetenland (siehe auch: Konrad Henlein) 150 Reichskommissar für die Ukraine (siehe auch: Erich Koch) 114, 171 Reichskommissar(iat) für die Verwaltung feindlichen Vermögens 137 Reichskommissar(iat) für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich 230 Reichskommissar(iat) für den sozialen Wohnungsbau/RKSW (siehe auch: Ley, Robert) 33, 44, 83 f., 162, 361, 440, 442 f., 446-448, 452-455, 470, 472, 475, 489, 495, 497, 516, 538, 564, 573, 595, 613 Reichskreditanstalt, Reichs-Kredit-Gesellschaft 108, 122, 145, 169, 178 f., 628 Reichskriegsminister(ium) 283, 288, 381, 392, 394 � Heeresverwaltungsamt 392, 418 Reichskulturkammer 270-272 Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit 516 Reichsluftfahrtminister(ium) 97, 364, 506 Reichsmarine(amt), Kriegsmarine 382, 437, 517-519, 521, 525-528 Reichsminister(ium) für kirchliche Angelegenheiten (siehe auch: Hanns Kerrl) 131

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Reichsminister(ium) für Bewaffnung und Munition(siehe auch: Fritz Todt; Albert Speer) 56, 452, 454, 480 Reichsminister(ium) für Ernährung und Landwirtschaft 214, 407 f., 467, 513, 565 Reichsminister(ium) für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung 280 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion (siehe auch: Albert Speer) 87, 130, 417, 479 Reichsminister(ium) für Volksaufklärung und Propaganda (siehe auch: Joseph Goebbels) 122, 196, 271 f., 309, 320, 325, 328, 333, 335, 338, 345, 350, 354 f., 359 Reichsnährstand 214, 288, 290, 408, 423, 467, 513, 555, 565. Reichsorganisationsleiter, siehe: NSDAP – Reichsorganisationsleitung. Reichspressekammer 309, 313-315, 359 Reichsschrifttumskammer 267, 270 f., 274, 277, 295, 321, 325-328 Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse 415 Reichsstelle bzw. Reichsamt für Wirtschaftsausbau 284, 443, 490 Reichsverband deutscher Bankleitungen 71 Reichsverband Deutscher Bauproduktivgenossenschaften 427 Reichsverband Deutsche Bühne 273 Reichsverband des deutschen Gartenbaus e.V. 407 Reichsverband des deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften (Raiffeisen) e.V. 214 Reichsverband deutscher Konsumvereine e.V. 101, 369, 371, 373 f., 376, 646 f. Reichsverband der deutschen Privatversicherungen e.V. 195, 575. Reichsverband der deutschen Wohnungsfürsorgegesellschaften 428 f. Reichsverband des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e.V. 427, 444 Reichsverband deutscher Zeitungsverleger 277, 321 Reichsvereinigung Kohle 455 Reichsverkehrsminister(ium) 199, 454 Reichsvollkornbrotausschuss 364 Reichswährungskommissar (siehe auch: Kurt Schmitt) 93 Reichswerke Hermann Göring (Salzgitter) 8,

institutions-, organisations- und sachregister 10, 51 ff., 68, 70, 167-170, 176, 178, 185, 187, 252 f., 483 f., 501, 557, 571, 574, 592, 596 Reichswirtschaftsgericht 519 Reichswirtschaftskammer 22, 61, 135, 381, 385, 392, 454, 568 Reichswirtschaftsminister(ium)/RWM (siehe auch: Kurt Schmitt; Hjalmar Schacht) 8, 17, 58 f., 72, 85, 91, 93 f., 102, 106, 107, 136, 139 f., 142, 153, 164, 169, 171, 176 f., 195, 203, 240, 247, 272, 274, 284, 372-375, 379, 381384, 387, 389 ff., 394 ff., 398 f., 403 f., 406 ff., 412, 417, 442, 454 f., 515, 554 f., 561, 565 f., 568, 574 f., 580, 646 Reichswohnungskommissar/RWoK (siehe auch: Ley, Robert) 33, 44, 84, 87, 92, 162, 311, 361, 442, 447, 456, 461, 470, 475, 477479, 489, 491, 495, 564 f., 595 Revolutionäre Gewerkschafts-Organisation/ Opposition/RGO 430 Rewog, Reichswohnungsfürsorge AG für Beamte, Angestellte und Arbeiter (Berlin) [im Besitz der DAF] 652 Rheinisch-West­f ä­lische Elektrizitäts AG (Essen) 554 Rijnsche Handelsmaatschappij (Amsterdam) [im Besitz der Commerzbank] 174, 176 Ringhofer-Tatra-Terke AG (Prag) 525 Ring-Verlag 277 Rohstoff- und Devisenstab 443 Rohstoffhandelsgesellschaft mbH – RohstoffEinkauf Frankreich/ROGES (Berlin) 417 Rowohlt-Verlag (Berlin) 313 RSE Holding GmbH & Co. KG 609 Ruhrgas AG 437 Rupp & Moeller Steinwerke (Karlsruhe) [im Besitz der DAF] 463 Saargruben AG 574 Sächsische Staatsbank 95, 143 S.A. Editions »ensemble« (Paris) [im Besitz der DAF] 352 (August) Scherl Verlag GmbH (Berlin) 298, 359 Schichau-Werft (Elbing) 517 f. (Horst) Schiesser & Sohn GmbH [Großbäckerei/Brotfabrik] (Berlin) 609 Schnellpressenfabrik König & Bauer AG (Würzburg) 555 Schutzstaffel/SS 76, 99, 106, 119, 127 ff., 132, 135 f., 144, 148, 151, 153, 158, 160-165, 172, 177,

188 f., 211, 235, 237, 246 f., 274, 280 f., 288 f., 323, 344, 377, 404, 407 f., 431 f., 437, 458, 468 f., 481, 518, 558 f., 571, 584 f., 592. � »Ahnenerbe«, Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte »Deutsches Ahnenerbe« e.V. bzw. Forschungs- und Lehrgemeinschaft »Das Ahnenerbe e.V.« 128 f., 408 � Führungshauptamt 153 � Hauptamt für Kultur, Wirtschaft und Hochschule 280 � Deutschrechtliches Institut des Reichsführers SS 283 � Personalhauptamt 408 � Reichssicherheitshauptamt 30, 122, 129, 281, 404, 481 � Rasse- und Siedlungshauptamt 119, 407. � Sicherheitsdienst der SS/SD 98, 132, 153, 212, 235, 241, 274, 280 f., 288, 322-324, 327, 337, 339 f., 342, 396, 404 f., 486 � Waffen-SS 132, 329, 333, 335, 339, 405, 529 »Schönheit der Arbeit«, siehe NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude«. SD, siehe: Schutzstaffel/SS Segunaise [Lebensversicherungen] (Paris) 242 Sevag, Saarländische Einkaufs- und Verkaufs AG (Neunkirchen) [im Besitz der DAF] 401, 405 Sieben-Stäbe-Verlags- und Druckerei GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 266, 296, 304 f. Siemens-Konzern allgemein 10, 80, 501, 557, 559 Siemens Bau-Union (Berlin) 436 f., 460 Siemens & Halske (Berlin) 437, 557 Siemens-Schuckert-Werke (Berlin) 437, 557 Skandinaviska Enskilda Banken (Stockholm) 605 Socièté Anonyme de Prèvoyance et de Capitalisation/Esca (Straßburg) 240 Sonderausschuss Betonschiffe 523 Sonderausschuss Kriegsschiffe 521 Sonderbeauftragter der Parteikanzlei der NSDAP für Österreich (Stillhaltekommissar) 124, 150 f. Sonderbeauftragter der Parteikanzlei der NSDAP für den Sudetengau (Stillhaltekommissar) 231 f. Sonderbau GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 33, 83 f., 87, 464-466, 487 Sowjetische Kontrollkommission 527

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register Sozialdemokratie, SPD, sozialdemokratisches Milieu 14, 26 f., 57-59, 65, 70 f., 105, 110, 202, 205-213, 216, 218, 235, 242, 244, 266, 299 f., 302 f., 369, 375, 384, 386, 402, 425-428, 430, 473, 532 f., 566 f., 606, 609, 616 Sozial-Gewerke des Deutschen Handwerks 91, 123, 451 Spinnerei und Weberei AG (Ebersbach) 143 Spinnstoffwerke Glauchau AG 437 Staatliche Hochschule für Baukunst (Weimar) 491 Stadtbaudirektion Köln 439 Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten 245, 289, 407 Standard Oil 557 Star-Lebensversiche­rungs AG (Prag) 228 f., 232 f., 258, 639 Statistisches Reichsamt 24, 140, 284, 648. Steinberg Naphta AG (Wien) 529 »Stellvertreter des Führers« (siehe auch: Rudolf Heß) 10, 40, 60 f., 74, 131, 134, 156, 271, 319, 357, 379 f., 382, 384-387 Stettiner Portland-Zementfabrik (Züllchow/ Pommern) 86, 470 Stillhaltekommissar für Österreich bzw. das Sudetenland, siehe: Sonderbeauftragter der Parteikanzlei der NSDAP für Österreich bzw. den Sudetengau. (H.C.) Stücklen [Werft] Hamburg 521 Sturmabteilung/SA 9, 16, 56, 68, 106, 117, 197, 207-210, 245, 300, 350, 371, 377, 431 f., 531, 548, 554, 574 Sudetendeutscher Bücherbund (Karlsbad) 349 Sudetendeutsche Volksfürsorge Lebensversicherungs AG (Aussig) [im Besitz der DAF] 82, 232 f., 235 Süddeutsche (Kranken-)Versicherungsgesellschaft (Fellbach bei Stuttgart) 638 Südosteuropa-Gesellschaft 433 SVEA Feuer- und Lebensversicherungs-AG (Göteborg) 236 Terra-Versi­che­rung (Luxemburg) 257 Tetzlaff & Wenzel [Handelsunternnehmen] (Stettin) 519 Theaterverlag Albert Langen (Berlin) [im Besitz der DAF] 296, 644 Thrazische Bergwerke AG 170 Thüringisches Innenministerium 650 Tolnai-Verlag (Budapest) 236

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Transdanubia, Ein- und Ausfuhrhandelsgesellschaft mbH (Berlin) 170, 415 Treuhandgesellschaft von 1933 mbH (Berlin) 235 Treuhandgesellschaft für Deutsche Arbeit, siehe: Deutsche Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH. Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF/TWU (siehe auch: Amt für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF) 28, 38, 64, 74-79, 81, 83, 86, 89, 91, 105, 121, 123, 137, 148, 255, 263 f., 268, 286, 295-297, 316-321, 333, 335, 338, 349, 360, 362, 364, 366 f., 399, 423, 435, 438, 445, 467, 470, 512, 520, 524-526, 529 f., 541, 545, 556, 562, 589, 591 f., 608. Uitgeverig Werkend Volk [Verlag] (Amsterdam) [im Besitz der DAF] 353 Ullstein-Verlag (Berlin) 116, 144, 359 f. Ungarische Renten- und Lebensversicherungsanstalt (Budapest) [im Besitz der DAF] 236, 254 Union der Hand- und Geistesarbeiter (Flamen) 353 Union Immobilien Verwertungs AG (Berlin) 525 Universum-Bücherei für Alle 270 Urania-Buchhandlung (Wien) 346 US Steel 557 VEBA, Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG (Düsseldorf ) 574 Verband Sozialer Baubetriebe GmbH/VSB (Berlin) [im Besitz der DAF] 66, 147 f., 304, 426 f., 429, 435, 437, 459, 465, 533, 608, 648, 653. Verband Berliner und schlesischer Wohnungsunternehmen 428 Verband norddeutscher Konsumgenossenschaften e.V. 600 Verband Privater Krankenversicherungs­ unternehmen Deutschlands (Leipzig) 251, 638 Verband der Deutschen Lebensversicherungen 201 Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen 429 Verein »Vorwärts« (Hamburg) 244 Vereinigte Lebensversicherungs AG für Hand-

institutions-, organisations- und sachregister werk, Handel und Gewerbe (Hamburg) 207, 600 Vereinigte Krankenversicherungs AG 638 Vereinsbank für deutsche Arbeit AG: siehe Deutsche Volksbank. Verlag der DAF, siehe: Zentralverlag der DAF. Verlag der Deutschen Arbeitsfront GmbH Prag 351 Verlag der Deutschen Arbeitsfront GmbH [für die Slowakei] Pressburg 354 Verlag Franz Eher Nachf. (München) 43, 116, 123 f., 144, 267, 271, 287, 325 f., 335-338, 357363, 368, 546 f., 559, 605 Verlag der Fichte-Gesellschaft 276 Verlag Freude und Arbeit GmbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 85, 309 f., 321, 545, 644 Verlag des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der DAF GmbH/AWI-Verlag (Berlin) 82, 309 f., 321, 333, 545 Verlag W. Kohlhammer GmbH (Stuttgart) 313 f. Verlag C.W. Leske (Darmstadt) 281 Verlag Alfred Roth (Stuttgart) 293 Verlag Rütten & Löning (Frankfurt a.M.) 335 Verlag Ernst Sopper & Karl Bauer OHG (Wien) 345 Verlag für Volksbildung (Wien) [im Besitz der DAF] 346 Verlag des Deutschen Volkstums (Hamburg) 276 Verlagsgesellschaft des ADGB (Berlin) 105, 266, 295 f., 304 f. Verlagsgesellschaft der deutschen Verbrauchergenossenschaften mbH (Hamburg) 376 Vermögensverwaltung der DAF GmbH (Berlin) 28, 64, 72, 75, 77, 84, 296, 367, 435, 466 f., 481 f., 520, 545 Vermögensverwaltung der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft 604 Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 604 Vermögens-, Verwaltungs- und Rentenanstalt 175 Versicherungsgesellschaft Vita-Kotwica (Prag) 258 Versicherungsring der Deutschen Arbeit GmbH [im Besitz der DAF] 260, 263 Versicherungsschutz GmbH [im Besitz der DAF] 232

VIAG, Vereinigte Industrieunternehmungen AG (Berlin) 100 Victoria zu Berlin Allgemeine Versicherungs AG 219 f., 222, 558 Vieh- und Fleischzentrale »Maistas (Kauen) 170, 415 (Verlag) Volk en Arbeid NV – La Vie et le Travail SA (Brüssel) [im Besitz der DAF] 351 Volksfürsorge Lebensversicherungs A.G. (Hamburg) [im Besitz der DAF] 26, 28, 32, 36, 38, 43, 66, 68, 70, 82, 85, 88-91, 110, 123, 190 ff., 194 ff., 201-244, 247-257, 259 f., 262-266, 298, 300 f., 369, 371, 373, 384, 390, 435, 440, 533537, 542, 545, 550, 557 f., 562, 565 f., 570, 582 ff., 586 f., 600, 602 ff., 616, 629-636, 641 Volksfürsorge AG, Vertriebsgesellschaft für Vorsorge und Finanzprodukte 603 Volksfürsorge Allgemeine [Sach-]Versicherungs AG (Hamburg) [im Besitz der DAF] 205, 260-262, 635, 641 Volkskühlschrank-Werk (Wien) [von der DAF geplant] 446, 516 f., 565 Volks- und Sparbank AG Bremen 86 Volkstraktorenwerk (Waldbröl) [von der DAF geplant] 35, 44, 468, 512-515, 563, 565, 607 Volksverband der Buchfreunde 270 Volksverein-Verlag (Mönchengladbach) 293 Volkswagenwerk GmbH bzw. AG (KdF-Stadt nahe Fallersleben) 29, 35, 41, 44, 78- 81, 83, 85-88, 142 f., 169, 201, 216, 223, 257, 262, 316, 420, 437, 462, 469, 499-512, 514 f., 536-538, 542 f., 558 f., 562, 565, 570, 573, 576, 591, 600, 606 f., 656 f. Volkswohnheim Gemeinnützige AG (Berlin) 525 Vorsorge, Allgemeine Versicherungs AG Prag bzw. Karlsbad 207 Vorsorge, Allgemeine Versicherungs AG und Versicherungsschutz GmbH Aussig (siehe auch: Sudentendeutsche Volksfürsorge) 231-233 Vorsorge Lebensversicherungs AG (München) 220, 602 Vulkan-Werft Bremen 517 Vulkan-Werft Hamburg 517 f. Vulkan-Werft Stettin [im Besitz der DAF] 35, 41, 83, 85, 405, 445, 517-523, 526, 528, 538, 542 f., 555, 558 f., 562, 591, 602. Walter-Thosti-Boswau AG bzw. Walter-Bau AG (Augsburg) 608

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register Waren-Ein- und Ausfuhr GmbH (WEAG) – Ein- und Ausfuhrstufe (Berlin) [im Besitz der DAF] 409 Waren-Vertriebs GmbH (Berlin) [im Besitz der SS] 153 Warschauer Disconto-Bank/Warszawski Bank Dyskontowy 161 Wayss & Freytag Ingenieurbau AG (Frankfurt a.M.) 460 Wehrwirtschaftsinspektion VII München 393 Weichselland-Verlag (Krakau) [im Besitz der DAF] 352 Weltwirtschaftsarchiv Hamburg 284 f. Weltwirtschafts-Institut Hamburg 405 Werberat der deutschen Wirtschaft 407, 555 Westbank N.V.Banque de l’Ouest S.A. (Brüssel) 87, 177, 189 Westdeutscher Autorenverband 286 Westfälische Heimstätte GmbH (Münster) 429 Wiener Buchhandlung OHG »Deutscher Schulverein« 344 Wiener Chic Parisien-Bachwitz AG [im Besitz der DAF] 346 Wiener Städtische Versicherung 230 Wiener Verlagsgesellschaft [im Besitz der DAF] 321, 344-346, 350, 366, 542 Wiener Weltmoden Verlag GmbH [im Besitz der DAF] 83, 85, 343, 348 f. Wiking-Schiffsbau-Gesellschaft mbH (Berlin) [im Besitz der DAF] 517, 524 f., 527 Wilhelm-Gustloff-Werke (Weimar) 53, 70, 187, 528, 547, 557, 592 Winterhilfswerk/WHW 113, 123, 125 f., 138, 175, 182, 245, 406 Wirtschaftsgruppe � Einzelhandel 407 � Gemeinschaftseinkauf 407 � Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel 519 � Krankenversicherung bzw. Lebens- und Krankenversicherung 195, 555 � Privatversicherungen 192, 197, 249, 262 Wirtschaftsinspektion Mitte 166 Wirtschaftskammer � Bayern 134 � Hessen 392 � Pommern 519 � Thüringen 454 Wirtschaftskommissar für die Niederlande (siehe auch: Hans Fischböck) 176

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Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels 325 Wohlfahrts- und Kulturpflege e.V. 205 Wohnungshilfswerk, siehe: Deutsches Wohnungshilfswerk. Württembergische Bodensee-Siedlung GmbH (Friedrichshafen) [im Besitz der DAF] 652 Zentralamt für Mineralöle 364 Zentralbank Deutscher Sparkassen Prag 229 Zentrale der Frontbuchhandlungen/des Frontbuchhandels 35, 43, 321, 324, 328 f., 331 f., 334-336, 339, 343, 349, 351, 354, 362, 368, 559, 566, 581, 642 Zentralhandelsgesellschaft für landwirtschaft­ lichen Absatz und Bedarf GmbH (Riga) 415 Zentralstelle für die Finanzwirtschaft der DAF, siehe: DAF-Ämter, DAF-Abteilungen. Zentralstelle der Nachkriegszeit 283 Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften/ZdK 34, 105, 298 f., 369, 371-376, 381, 390, 600 f., 603, 646 f. Zentralverband deutscher Konsumvereine 205, 373, 646 f. Zentralverlag der DAF (Berlin) 28, 34 f., 43, 71, 82, 84, 266 f., 275, 290 f., 297-300, 304-321, 324, 328 f., 331-336, 339-346, 349-357, 360, 364368, 544, 559, 566, 573, 581 f., 606, 642, 644 Zentralwirtschaftsbank der Ukraine (Rowno) 114, 171 f. Ziegelei Goldberg 458 Ziegelei Teterow 458 Ziegelei Woldeck 458 Zonenbeirat der britischen Zone 373 Zwangsarbeit, ausländische Zwangsarbeiter allgemein 41, 462, 477, 479, 510, 512, 522, 539, 543, 557 zivile Fremdarbeiter 41, 78 f., 113-115, 171 f., 180, 308, 337, 341, 354 f., 365 f., 418-421, 460 f., 463, 479-487, 509-511, 515, 522, 537-539, 542, 561, 563, 595 Kriegsgefangene 41, 333, 460, 479, 509 f., 515, 522, 538-540, 656. KZ-Häftlinge 41, 128, 421, 457, 479, 509 f., 515, 540, 557 � »Ostarbeiter« 113 f., 456 f., 477, 481, 510, 513, 538-540, 561, 563, 656 Zweckverband Reichsparteitag (Nürnberg) 127, 130 f.

Anne Sudrow

Der Schuh im Nationalsozialismus Eine Produktgeschichte im deutsch-britisch-amerikanischen Vergleich

877 S., 98 Abb., geb., Schutzumschlag ISBN 978-3-8353-0793-3 Ausgezeichnet mit dem Hedwig-Hintze-Preis 2010 des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands

»Anne Sudrows Buch ist ein gewichtiger Beitrag zur Kulturund Konsum-, zur Wirtschafts- und Technikgeschichte. Der Fall (der »Schuhprüfstrecke« des Konzentrationslagers Sachsenhausen) zeigt, dass man die Untersuchung auch als substantiellen Beitrag zur Rolle der Wissenschaft im »Dritten Reich« lesen kann.« Gregor Schöllgen, Frankfurter Allgemeine Zeitung

www.wallstein-verlag.de

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