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January 29, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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10 Jahre Leben in der Frauenkirche 30 Jahre Virtuosi Saxoniae WIEDERAUFBAU FRAUENKIRCHE DRESDEN

Prof. Ludwig Güttler

10 Jahre Leben in der Frauenkirche 30 Jahre Virtuosi Saxoniae Prof. Ludwig Güttler

Die Virtuosi Saxoniae wurden von mir 1985 gegründet. Es war das erklärte Ziel der Gründungsmitglieder, mit Initiativgeist, Einigkeit und Opferbereitschaft beim Streben nach optimaler Ausführung – auch unter schwierigsten Bedingungen – ein Kammerorchester unter meiner Leitung und solistischen Präsenz zu schaffen. Uns alle verband die Lust am gemeinsamen, besonderen, ausgefeilten Musizieren. Von Anfang an war das Ensemblespiel, basierend auf der solistischen Beanspruchung aller Ensemblemitglieder, ein wesentlicher Gedanke beim Zustandebringen der Virtuosi. Ich verfügte bereits über umfangreiche Kenntnisse im Umgang mit Kammerorchestern als Solist und, soweit es das Berliner Kammerorchester oder später das Neue Bachische Collegium Musicum in Leipzig betraf, bei der Arbeit mit Schallplattenaufnahmen. Die ersten Konzerte fanden in mir durch langjähriges Musizieren verbundenen Kirchen, so in Wittenberg, im Erzgebirge und

letztlich offiziell in der Dresdner Kreuzkirche anlässlich der Dresdner Musikfestspiele (1986), statt. Bereits in den Folgejahren musizierten wir in der Bundesrepublik an herausragenden Orten, erhielten den Zuschlag für eine Musikreise über das Mittelmeer auf der MS-Europa mit 15 Konzerten im Europasalon des Schiffes und an klug ausgewählten Orten an Land, so in Palermo, Santorin, Lissabon, Ephesos usw. Besonders beeindruckt waren wir von Taormina auf Sizilien. Meine Bemühungen um den Wiederaufbau der Frauenkirche brachten es im Jahr 1989 mit sich, dass alle meine Ensembles in die Beförderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche einbezogen wurden. Die ersten beiden Konzerte (Blechbläserensemble Ludwig Güttler) fanden unmittelbar nach der Kon­stituierung der Bürgerinitiative noch im November 1989 in der Kirche in Hartha (Erzgebirge) und im Dom zu Halle statt. Das dritte Konzert wurde schon von den Virtuosi Saxoniae am 8. Dezember in der traditions-

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Erstes Konzert des Blechbläserensembles Ludwig Güttler auf dem Trümmerberg der Frauenkirche. 31.8.1991.

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reichen Berliner Philharmonie gegeben. Ich weiß nicht mehr jedes Einzelergebnis der Konzerte für den Wiederaufbau. Einige haben sich mir doch eingeprägt, so wie jenes im Dezember in Berlin, wo das Sammelergebnis von 7.000 DM von einem begeisterten Unternehmer auf 8.000 DM aufgestockt wurde. Jede Mark der DDR und D-Mark, die uns auf diesem Weg erreichte, stärkte unseren Willen und verlieh uns Kraft und Sicherheit beim weiteren Verbreiten der Idee des Wiederaufbaus. Einer der ersten Höhepunkte war das von Erika Leibfried und Peter Ringel von unserem Freundeskreis in Gedern mit Hilfe der Rotary-, Lions- und Kiwanis-Clubs organisierte Benefizkonzert in Bad Nauheim. Dort erzielten wir ein sensationelles Überschussergebnis von weit über 60.000 DM. Ähnliche und noch höher liegende Ergebnisse hatten wir in späteren Jahren bei den Stifterbriefkonzerten zusammen mit der Dresdner Bank. Besonders wichtig wurden unsere Konzerte mit den Virtuosi und, jeweils anlassbezogen und nach Abkömmlichkeit, den anderen meiner Ensembles anlässlich der Mitgliederversammlung der Fördergesellschaft jeweils Ende Oktober. Wir waren zu Gast in Dresdens Kirchen, so z. B. in der Auferstehungskirche Dresden-Plauen, in der Diakonissenhaus-, der Christus-, der Dreikönigs- und in der Annenkirche. Von Anfang an prägten unsere Konzerttätigkeit als Kammerorchester ein spezifischer Dresden-Bezug und demgemäß eine starke Akzentuierung auf Bläserkonzerte. Auf diese Art und Weise unterschieden sich die

Programme der Virtuosi Saxoniae von den zahlreichen Kammerorchestern in der Bundesrepublik und der DDR, die ein relativ vergleichbares klassisches KammerorchesterRepertoire pflegten. Dieses integrierten wir dann später zwar ebenfalls in unsere Programme, aber von Anfang an war die hervorstechende besondere Programmauswahl ein wesentliches Moment unserer Attraktivität. Es gelang – anknüpfend an meine Trompetenkonzertaufnahmen in der Christuskirche in Berlin, der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig und nachfolgend überwiegend in der Lukaskirche Dresden – nahtlos eine erfolgreiche Aufnahmetätigkeit aller meiner Ensembles, insbesondere der Virtuosi Saxoniae, zu installieren. Das hierfür gewählte Repertoire des Leipziger Bach-Collegiums, des Blechbläserensembles und der Trompete-Orgel-Konzerte, insbesondere jedoch der Virtuosi Saxoniae, folgte unseren Programmvorstellungen und -realisierungen bei unseren Konzerten. Es bestätigte sich die Wechselwirkung zwischen dem Konzertbesuch und dem Wunsch nach einer CD und umgekehrt dem Hören einer CD und dem Wunsch nach einem live erlebten Konzert. So entstanden allein bei der Firma „Edel“ in Hamburg bis heute weit über 60  Alben. Hinzu kamen weitere bei anderen Firmen, besonders beim Carus-Verlag mit Bezug zu inhaltlichen Fragen beim Wiederaufbau und schließlich zum Musikleben in der Frauenkirche. In der Rückschau ist die motivierende Wirkung unserer Konzertreisen nach Österreich, Japan, Schweden, Finnland, in die

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USA, nach Belgien, Spanien, Luxemburg und in die Schweiz zu erwähnen. Herausragend waren hierbei die Konzerte mit zielgerichtet hergestelltem Frauenkirchen-Bezug: so im Markusdom in Venedig, beim Bachfest in Schaffhausen, in der Kölner Philharmonie, in Stuttgart, München, Hamburg, Bremen, Frankfurt am Main, beim Rheingau Musik Festival, in Moskau, Brüssel, Kopenhagen, beim Festival „Sandstein und Musik“ und dies alles krönend in der Frauenkirche seit ihrer Weihe 2005. Durch die absichtsvoll gehandhabte Programmauswahl haben wir Neugier auf die einzigartige Musik aus dem Dresdner Musikleben und auf ihr Erklingen in der Frauenkirche geweckt, die nur mit wenigen Orten in Europa vergleichbar ist. Dankbar bin ich allen Mitgliedern der Virtuosi Saxoniae für die intensive Probenarbeit, deren künstlerische Ergebnisse – seien sie bei Aufnahmen oder Konzerten – uns im Dialog immer wieder bewusst werden ließen, welchen Schatz wir an unserem Zusammensein, unserer künstlerischen Begegnung haben. Jede dabei gefundene Antwort trat zuweilen so unerwartet an uns heran, hat uns insgeheim so voranbringen können, wie wir es in vielen Konzerten dankbar und uns selbst bestätigend erfahren durften. Mein besonderer Dank richtet sich an die Kollegen, die durch ihre Qualifikation, ihre Motivation und durch ihr Ausdrucksvermögen als Solisten nicht nur das Ensemble, sondern durch ihre Qualität auch die anderen Programme bereicherten. Hier sind hervorzuheben: Roland Straumer, Andreas Lorenz, Kurt Sandau

und Mathias Schmutzler als Partner bei meinen Konzerten. Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich der Musica Sacra verbunden. Und so war es uns möglich und es erschien uns geboten, Chöre und Gesangssolisten zum Nutzen des späteren Musiklebens in der Frauenkirche heranzuziehen. Wir konnten mit persönlicher Überzeugung und Begeisterung einstehen für Dresden, für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, für Sachsen, für das, wofür wir vom Publikum wahrgenommen wurden. In allen Konzerten habe ich stets nach der ersten Zugabe den Beifall unterbrochen und die Idee unseres Wiederaufbegehrens mit der Bitte an die versammelte Hörergemeinde gerichtet, bereits heute zu spenden, Mitglied der Fördergesellschaft zu werden, Stifterbriefe zu erwerben, Uhren zu kaufen, CDs als Geschenk zu erwerben usw. Die Antwort auf die meisten Fragen („Wann können wir sie wieder hören? Wo spielen sie in Dresden? Wann spielen sie diese und jene Stücke?“) ließ wieder neue Fragen entstehen. Das war unsere erklärte Absicht! Wir wollten durch unser weiteres Musizieren zum Wiederaufbau beitragen. Den Dialog darüber haben wir an jedem Ort nach Kräften initiiert. Es war uns eine Selbstverständlichkeit, die anwesenden Hörer – an welchem Ort auch immer – in die Unterkirche und später in die wieder aufgebaute Frauenkirche einzuladen. Bekanntlich haben wir bereits auf der Ruine und später zuweilen wöchentlich in der Unterkirche musiziert. Die Leitung dieser Un-

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terkirchenkonzerte erfolgte in Organisation und Dramaturgie durch mich ehrenamtlich im Auftrag des Stiftungsrates. Beglückend war es dabei, wie die Ausführenden sich mit dem Projekt Wiederaufbau identifiziert haben. Das blieb nicht ohne Ausstrahlung auf die Hörer, die aufmerksam gemacht wurden, die Frauenkirche als unverwechselbar wahrzunehmen, zu helfen und sich zugehörig zu fühlen. Zunehmend fanden Kantaten von Johann Sebastian Bach bis hin zur Johannes-Passion Eingang in unsere Programme in der Unterkirche. Dies weckte und verstärkte die Sehnsucht nach dem Erklingen dieser Musik so bald wie möglich im Hauptraum. Ich habe deshalb auch an dieser Stelle ausdrücklich allen Ausführenden zu dan-

ken, die für sehr geringe Honorare uneingeschränkt in der Unterkirche mitwirkt haben. Dies auch für besondere Anlässe, z. B. die Konstituierung des Kuratoriums der Stiftung Frauenkirche Dresden e. V. im Schloss Albrechtsberg (1992) und die Weihe der Unterkirche (1996). Große Bedeutung kam den von uns als „Paukenschlag“ bezeichneten Konzerten zur Jahrtausendwende in der Frauenkirche zu. Der Hauptraum, noch mit dem Gerüstturm, stand für diese Konzerte die kurze Zeitspanne von Ende November 2000 bis Anfang Januar 2001 zur Verfügung. Mitgewirkt haben renommierte Ensembles, so z. B. die Dresdner Staatskapelle und die Dresdner Philharmonie. Von großem Wert war es, dass Peter Schreier sich uns an die

Konzert in der Unterkirche Solistenensemble Virtuosi Saxoniae, Andreas Lorenz – Oboe, Ludwig Güttler – Trompete, Corno da caccia und Leitung J. J. Quantz, Konzert für Corno da caccia, Oboe, Streicher und Basso continuo.

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„Paukenschlagkonzerte 2000“: „The Messiah“ von Georg Friedrich Händel in Originalsprache Solisten: Antje Perscholka – Sopran, Martin Wölfel – Altus, Robert Wörle – Tenor, Jörg Hempel – Bass, Hallenser Madrigalisten, Virtuosi Saxoniae, Ludwig Güttler - Leitung 10.12.2000.

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Seite stellte. Mit den Paukenschlagkonzerten haben wir den letzten entscheidenden Spendenaufruf gestartet. Die Konzerte und ihre Ausstrahlung haben wesentlich dazu beigetragen dass der von uns artikulierte Wunsch, den Wiederaufbau überwiegend aus Spenden zu finanzieren, erfüllt und in bewundernswerter Weise übertroffen werden konnte. Seit der Weihe führen wir nun regelmäßig Bachs Matthäus-Passion, die Kantaten des Weihnachtsoratoriums, zahlreiche weitere Kantaten und vergessene Werke der europäischen Musikkultur, besonders aus Dresden, in der Frauenkirche auf.

Die Reaktionen aus dem Publikum, mit Bewunderung und Begeisterung durchaus differenziert mitgeeilt, ermutigen uns, auf dem eingeschlagenen Weg initiativreich, unbeirrt und Störversuchen zum Trotz weiter zu gehen. Dabei haben wir gerade nicht im allgemeinen Konzertbetrieb beheimatete Werke, wie z. B. die letzte Messe von Johann Adolph Hasse, aufgeführt. Dies hatten wir bereits seit Mitte der achtziger Jahre zu Beginn unseres öffentlichen Wirkens propagiert und mit Leben erfüllt. Wir wurden dadurch belohnt, dass die Aufführung in München, Berlin, Hamburg, beim Rheingau Musik Festival und bei der Musikwoche

„Paukenschlagkonzerte 2000“: Eröffnungsgottesdienst mit J. S. Bach, Kantate BWV 51 „Jauchzet Gott in allen Landen“ Solisten: Friederike Holzhausen - Sopran, Solisten der Virtuosi Saxoniae, Ludwig Güttler - Trompete und Leitung 1.12.2000.

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Uraufführung der „Evangelienvesper“ von Siegfried Thiele Solisten: Barbara Christina Steude – Sopran, Mitglieder der Virtuosi Saxoniae und des Blechbläserensembles Ludwig Güttler, Thomas Käppler – Pauken, Sächsisches Vocalensembe, Ludwig Güttler - Leitung 26.9.2008

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Hitzacker möglich wurde. Eine erfolgreiche CD-Produktion brachte sie einer noch größeren Zuhörerschaft nahe und stellte die Sinnfälligkeit unseres Bemühens nicht nur künstlerisch unter Beweis. Unsere Konzerte, insbesondere die Stifterbriefkonzerte und deren Echo, verursachten ein verstärktes, weil sich sicherer fühlendes Engagement zahlreicher Partner, Mäzene, Sponsoren und Spender, insbesondere der Verantwortlichen der Dresdner Bank, die wie wir selbst auch durch die Macht der Musik und jedes einzelne Ereignis beim Wiederaufbau weiter überzeugt, beschenkt und mutiger wurden. Bei insgesamt 1.500 Konzerten von 1989 bis 2005 können hier nur einige wenige genannt werden.* Die mit Hilfe der Musik und der sie ausführenden engagierten Musiker erzeugte Wirkmächtigkeit half auch bei Strukturierung und Organisation der Stiftung Frauenkirche. Fachlich begründeten Argumenten, dass wegen der ökonomischen Lage der Landeskirche nur ein Pfarrer zur Verfügung stehen könne und auch nur ein Kirchenmusiker für die Frauenkirche engagiert werden dürfe, konnten die bei der Stiftung Frauenkirche in Verantwortung und Entscheidung stehenden Personen dadurch sachlich begegnen. Eine zweite Pfarrstelle wurde eingerichtet, die * Diese Zahl umfasst die Konzerte der Virtuosi Saxoniae, des Solistenensembles Virtuosi Saxoniae, des Blechbläserensembles Ludwig Güttler, des Leipziger Bach-Collegiums und die TrompeteOrgel-Konzerte.

Kirchenmusikerstelle in zwei halbe Stellen aufgeteilt und die jeweils andere Hälfte des fehlenden Gehalts in Stiftungsverantwortung übernommen. Somit konnte neben dem verantwortlichen Kantor auch ein hervorragender Organist engagiert werden. So haben, wie Landesbischof Jochen Bohl in seiner Predigt zur Weihe der Frauenkirche bemerkte, kleine Ursachen große Wirkungen. Nichts kann dies treffender zum Ausdruck bringen, als das Gleichnis vom Senfkorn. Ein Ende des Dankens für das Gelingen des Wiederaufbaus unserer Dresdner Frauenkirche ist nicht in Sicht, denn angefüllt vom Bewusstsein, dass das Bestehen vor dieser Aufgabe uns gewährt und geschenkt wurde, sind wir auch dafür dankbar. Dies trifft in besonderer Weise zu auf die beim Wiederaufbau − in einer so uns vorher nicht bekannten Weise − hilfreiche, aktivierende und begeisternde Rolle der Musik, die durch uns zwar dargeboten wurde, aber ihre besondere Wirkung aus einer Reihe wunderbar aufeinander bezogener Voraussetzungen erhalten hat, beginnend beim jeweiligen Komponisten bis hin zur abendländischen, vielhundertjährigen Tradition und der Bereitschaft, ja Begeisterung der Ausführenden und der offenen Herzen der damit beschenkten Hörer. So verwundert es auch nicht, wenn wir uns nach dem glücklichen Vollenden des Wiederaufbaus vorgenommen haben, in diesen Kosmos der Musik durch neue Schöpfungen etwas Wichtiges zurückzugeben. Beziehungsreich wurden dafür zuerst die wahrhaft revolutionären Worte Marias „Ma-

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gnificat anima mea Dominum“ (Meine Seele erhebt den Herrn – das Magnificat), welches der in Leipzig lebende Komponist Siegfried Thiele (*1934) zu der von ihm so genannten „Evangelienvesper“ formte. Zwei Jahre später folgte im Rahmen der Lutherdekade (2007 – 2017) die Vertonung des Luthertextes „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ von Eckehard Mayer (*1946), der in Dresden lebt und wirkt. Hier konnten wir uns auf die Anregung von Landesbischof Jochen Bohl beziehen. Der nächste, ursprünglich zur Aufführung 2012 gedachte Kompositionsauftrag ließ sich aus mehreren Gründen schließlich zum Re-

Uraufführung „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ von Eckehard Mayer Solisten: Andreas Scheibner – Bariton, Jobst Schneiderat – Klavier, Solisten der Virtuosi Saxoniae, Blechbläserensemble Ludwig Güttler, Sächsisches Vocalensemble, Ludwig Güttler - Leitung 24.9.2010

formationsfest 2013 realisieren. Froh und glücklich machte uns die Übereinkunft mit Daniel Schnyder (*1961), unseren Kompositionsauftrag über „Ein feste Burg ist unser Gott“ anzunehmen. So kam am 26. Oktober 2013 nun der in New York lebende Schweizer Komponist und Saxophonsolist „zu Wort“. Das „Oratorium ‚Eine feste Burg‘ (nach Texten aus der Lutherbibel)“ schrieb er für Sopran, Bariton, gemischten Chor, große Orgel, Sopransaxophon, Violoncello-Quartett, Blechbläserensemble, Pauken und Schlagzeug. In dieser durchaus ungewöhnlichen, facettenreichen und klanglich opulenten Besetzung war der Komponist als Saxofonsolist

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selbst zu erleben. Er äußerte zur gewählten alten Gattung des Oratoriums: „Das Ganze gleicht einem Gebet. Es ist ein Hilfeschrei des Menschen in Not. Ein Oratorium ist ein Gebet […].“ Daniel Schnyder verwendet den Lutherchoral in der Gestalt, in der wir ihn kennen. Er führt uns dramaturgisch zu diesem hin, indem darüber hinaus Texte aus dem Alten Testament – aus dem Psalter sowie den Büchern Jeremia, Daniel und Hiob – sowie von Martin Luther von ihm bearbeitet und verwendet und dem Hörer vor Augen und Ohren gebracht werden. Schon in ihnen werden der Wunsch und die Bitte um die „feste Burg“ erkennbar, bevor sich die Bitte in Martin Luthers Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ unfehlbar manifestiert. Können wir diesen festen Bezug nicht auch im Ausdruck des Lutherstandbildes von Ernst Rietschel und Adolf Donndorf vor der Dresdner Frauenkirche erkennen? „Ein feste Burg ist unser Gott, / ein gute Wehr und Waffen. / Er hilft uns frei aus aller Not, / die uns jetzt hat betroffen.“ – Mit diesen eindrücklichen Versen beginnt der Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, eines der wichtigsten protestantischen Kirchenlieder mit reicher Klanggeschichte. Es erschien erstmals 1531 in dem bei Andreas Rauscher in Erfurt gedruckten Liederbuch Martin Luthers „Geistliche lieder auffs new gebessert zu Wittemberg“ und dem 1533 von Joseph Klug in Wittenberg gedruckten, bekannt als das „Klugsche Gesangbuch“. Luther schuf den Text und vermutlich auch die Melodie. Karsten Blüthgen bemerkt dazu: Das Lied, dessen

Titel immer wieder leicht variiert tradiert wird, birgt eine immense Symbolkraft. In körperlicher und seelischer Bedrängnis bekennen sich Protestanten zum eigenen Glauben, indem sie diesen Choral anstimmen. Heinrich Heine nannte ihn die „Marseiller Hymne der Reformation“. Friedrich Engels beschreibt „Ein feste Burg“ als „Marseillaise der Bauernkriege“. Mit dem Einzug in die Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ (1805  –  08) war die enge kirchliche Bindung des „Reformationsliedes“ ohnehin aufgehoben. Daniel Schnyder komponierte das Oratorium „Eine feste Burg“ nach Texten der Lutherbibel. Beim Libretto zog er aus der Tiefe der Texte, wie denen der Psalmen, denen aus Luthers Bibelübersetzung – hier auch seine Sprache aufgreifend – bis hin zu denen des in unserer heutigen Sprache gefassten Bekenntnisbezugs „Sei uns ein starker Fels und eine feste Burg“ des Lutherchorals große Kraft. Darüber hinaus schlug er die gedankliche Brücke von Martin Luther (1483 – 1546) zu Martin Luther King (1929 – 1968) bis in unsere Gegenwart und untersetzte damit die Alterslosigkeit und Universalität dieses Bekenntnisliedes. Dankbar bin ich für so viel gewährte Unterstützung, Hilfe, Lernmöglichkeit, Bereicherung und Geschenk, welches mir durch die Musik, durch das Musizieren und das in unsere gemeinsame Aufgabe eingebrachte Engagement aller zuteil geworden ist. Das umfasst nicht zuletzt auch jene Spender, die uns durch Hilfe, Unterstützung und Ermu-

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Uraufführung des Oratoriums „Eine Feste Burg“ von Daniel Schnyder Solisten: Camilla Nylund – Sopran, Henrik Böhm - Bariton, Daniel Schnyder - Saxophon Friedrich Kircheis – Orgel, VioloncelloQuartett mit Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle, Blechbläserensemble Ludwig Güttler, Sächsisches Vocalensemble, Ludwig Güttler - Leitung 26.10.2013

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tigung die Aufführung manches Konzerts, Flüge zu Konzerten, z. B. nach Großbritannien, oder andere Leistungen ermöglichten. Danke! Danke! Danke! Alles erlebte, dankbar Wahrgenommene, Gelungene verpflichtet in hohem Maße all jene, die auf diesem Fundament aufbauend ihre Tätigkeit in und an der Frauenkirche beginnen konnten. Ich gebe allen den Rat, sich der Anfänge und der Schwierigkeiten zu erinnern, nicht um jene zu würdigen, die diese durchkämpft und durchgestanden haben, sondern um für die eigene Arbeit Motivation, Sicherheit, Respekt, Gedankentiefe und Ernsthaftigkeit immer weiter zu erlangen. Als einst aus Leipzig nach Dresden kommendem Musiker sei mir deshalb am Ende dieses Stücks Leben für die Frauenkirche das Motto über dem alten Gewandhaus zu Leipzig gestattet: „Res severa verum gaudium“. * Ludwig Güttler

Nachbemerkung: Eine uns wichtige Einfügung muss ich hier im Dienst der Sache noch machen. Nicht selten und so auch beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche begegnet man laienhaften, oberflächlichen und damit unverantwortlichen Vorstellungen, die auf mangelhafter * Seneca, er schreibt „Res severa est verum gaudium.“, dt.: „Eine ernste Sache ist wahre Freude.“ Subjekt und Prädikatsnomen können aber auch vertauscht werden: „Wahre Freude ist eine ernste Sache.“

Kenntnis der Materie und auf einer geradezu erschreckenden Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse beruhen. Jedes für die Frauenkirche und den Wiederaufbau an einem bestimmten Ort erfolgreich initiierte Konzert, z. B. die Stifterbriefkonzerte, setzte voraus, dass die Virtuosi Saxoniae oder meine anderen Ensembles dort bereits jahrelang verlässlich und erfolgreich konzertiert haben. Es setzte weiterhin voraus, dass die veranstaltenden in Verbindung mit den verpflichtenden Agenturen (in manchen Fällen ist das die selbe) im betreffenden Jahr zugunsten des Wiederaufbaus, sprich Stifterbriefkonzertes, von ihrem normalen kommerziellen Konzert Abstand nehmen. Das wiederum bedeutet, dass die Agentur natürlich aus dem Stifterbriefkonzert keine Provision erhält und keinen benötigten Gewinn aus einer Veranstaltung ziehen kann. Gerade deshalb bin ich Gerhard Hahn (1924  – 2009) von der Münchner Konzertdirektion Georg Hörtnagel dankbar, dass er durch seinen Verzicht einen wesentlichen Beitrag für das Zustandekommen, Gelingen und erfolgreiche Durchführen der Stifterbriefkonzerte geleistet hat. Zusammen mit seiner Frau wurde er überdies Mitglied der Fördergesellschaft. Ähnliches trifft auf Martin Blankenburg zu, den Veranstalter der Kontrapunkt-Konzerte in Köln. Die Idee für diese Konzerte kam uns lange vor dem beginnenden Wiederaufbau. Bevor die Kölner Philharmonie gebaut war, haben wir damit in der Kirche Groß St. Martin begonnen. Jeder der hier stellvertretend genannten Partner hat mehr geleistet, als bei

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flüchtigem Hinschauen und ahnungslosem Urteil erkennbar wird. Die beiden genannten Namen stehen deshalb für viele, denen für ihren Beitrag herzlich zu danken ist. So haben wir z. B., ausgehend von Hermannsburg, dem Wohn- und Arbeitsort von Sigrid und Wolfgang Kühnemann, über viele Jahre unter dem Titel „Sachsens Glanz im Celler Land“ mehrere Benefizkonzerte im Kloster Wienhausen und in verschiedenen Kirchen von Celle und Hermannsburg veranstaltet. Ich danke allen Musikern die daran mitgewirkt haben, aber insbesondere Wolfgang († 2002) und Sigrid Kühnemann, die diese Konzerte bis 2014 verantwortet, mit ihren vielen Freunden und Unterstützern durchgeführt und so die Idee des Wiederaufbaus verbreitet und mit unserer Hilfe we-

sentliche Spendenmittel dafür eingeworben haben. Auch ist es uns gelungen, zahlreiche der Konzertbesucher erstmalig und darauffolgend wiederholt nach Dresden zu Konzerten und Gottesdiensten einzuladen. So treffe ich jedes Jahr am 23. Dezember zur Weihnachtlichen Vesper Konzertbesucher, die weit anreisen, wie z. B. jene von der Musikwoche Hitzacker. So ist es durch unser Musizieren gelungen, ein sich weit ausbreitendes Netz von Vertrauen, Erwartung, Hilfsbereitschaft und Tatkraft zu knüpfen, das sich beim Wiederaufbau der Frauenkirche und dem Leben in der Frauenkirche noch heute als fruchtbar, herzerfrischend und bewegend erweist.

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Mitwirkende seit 1985

1. Stamm-Mitglieder der Virtuosi Saxoniae:

Pauken Thomas Käppler, Christian Langer

Streicher Winfried Berger, Joachim Bischof, Siegfried Büchel, Volker

2. Instrumentalsolisten:

Dietzsch, Friedwart Christian Dittmann (Stimmführer Violoncelli), Michael Eckoldt, Michael Frenzel, Uta Frenzel,

Klavier

Günter Friedrich, Brigitte Gabsch, Christian Goldammer,

Winfried Apel, Matthias Kirschnereit, Sophie Mautner,

Bernd Haubold, Birgit Jahn, Uwe Jahn, Friedemann Jähnig,

Camillo Radicke, Arkadi Zenziper

Johanna Mittag, Günther Müller, Frank Other, HeinzDieter Richter (Stimmführer 2. Violinen), Michael Schöne

Violine

(Stimmführer Bratschen), Johann Christoph Schulze, Ro-

Volker Dietzsch, Michael Eckoldt, Michael Frenzel, Birgit

land Straumer (Konzertmeister 1. Violinen), Werner Zeibig

Jahn, Johanna Mittag, Heinz-Dieter Richter, Roland Straumer

Tasteninstrumente Friedrich Kircheis

Bratsche Winfried Berger, Uwe Jahn, Friedemann Jähnig, Michael

Bläser

Schöne

Petra Andrejewski, Sven Barnkoth, Johann Clemens, Wilfried Gärtner, Mario Hendel, Günther Klier, Manfred

Violoncello

Krause, Andreas Lorenz, Erich Markwart, Ulrich Philipp,

Friedwart Christian Dittmann, Jörg Hassenrück, Tom

Erik Reike, Manfred Riedl, Roland Rudolph, Kurt Sandau,

Höhnerbach, Johann-Christoph Schulze

Hartmuth Schergaut, Matthias Schmutzler, Frank Sonnabend, Hans-Peter Steger, Volker Stegmann, Guido Titze

16 | Orgel/Cembalo

4. Gesangssolisten:

Anne Hoff, Friedrich Kircheis, Jobst Schneiderrat, Uwe Zimmermann

Sopran Jana Büchner, Daniela Haase, Friederike Holzhausen,

Flöte

Andrea Ihle, Katharina Müller, Camilla Nylund, Gudrun

Eckart Haupt, Karin Hofmann, Andreas Kißling, Sabine

Sidonie Otto, Antje Perscholka, Romy Petrick, Ute Selbig,

Kittel, Karl-Heinz Passin, Hans-Werner Tast, Silke Uhlig

Ulrike Staude, Barbara Christina Steude, Anja Zügner u.a.

Oboe

Alt

Petra Andrejewski, Manfred Krause, Andreas Lorenz,

Stephanie Atanasov, Henriette Gödde, Susanne Krum-

Frank Sonnabend, Undine Röhner-Stolle, Guido Titze

biegel, Anne Laabs, Susanne Langner, Annett Markert, Elisabeth Wilke u.a.

Klarinette Wolfram Große, Hans-Detlef Löchner

Altus David Allsopp, David Cordier, Patrick van Goethem,

Fagott

Benno Schachtner, Martin Wölfel u.a.

Joachim Huschke, Günther Klier, Erik Reike, Hans-Peter Steger

Tenor Tobias Berndt, Christoph Genz, Benjamin Glaubitz,

Trompete/Corno da caccia

Patrick Grahl, Tobias Hunger, Gerald Hupach, Martin

Sven Barnkoth, Johann Clemens, Ludwig Güttler,

Petzold, Georg Poplutz, Uwe Stickert, Marcus Ullmann,

Thomas Irmen, Kurt Sandau, Mathias Schmutzler, Volker

Robert Wörle u.a.

Stegmann, Tobias Willner Bass 3. Chöre:

Henryk Böhm, Georg Finger, Wolf-Matthias Friedrich, Clemens Heidrich, Jörg Hempel, Egbert Junghanns,

Concentus Vocalis Wien (Leitung Herbert Böck)

Jochen Kupfer, Daniel Ochoa, Sebastian Richter, Andreas

Dresdner Motettenchor, Knabenchor Dresden, Sächsi-

Scheibner, Gotthold Schwarz, Cornelius Uhle, Matthias

sches Vocalensemble (Leitung Matthias Jung)

Weichert u.a.

Hallenser Madrigalisten (Leitung Andreas Göpfert, Helko Siede, Sebastian Reim und Tobias Löbner)

5. Geschäftsführung Martin Steude (Geschäftsführung), Ines Schweiger (Assistenz der Geschäftsführung)

Abbildungsnachweis: Renate Beutel: S. 8, 10, 12; Dr. Hans-Christian Hoch: S. 2; Juliane Njankouo: 3. Umschlagseite; Prof. Jörg Schöner: Titel, 2. Umschlagseite, S. 5–7.

Gesellschaft zur Förderung der Frauenkirche Dresden e.V. Georg-Treu-Platz 3 • 01067 Dresden Telefon: (0351) 6 56 06 600 • Telefax: (0351) 6 56 06 602 E-Mail: [email protected] www.frauenkirche-dresden.de/foerdergesellschaft

Spendenkonten Commerzbank, IBAN: DE14 8508 0000 047 0 0600 00 (BIC: DRESDEFF850) Ostsächsische Sparkasse Dresden, IBAN: DE44 8505 0300 3151 5151 50 (BIC: OSDDDE81XXX) Dresdner Volksbank Raiffeisenbank eG, IBAN: DE47 8509 0000 3376 6010 12 (BIC: GENODEF1DRS)

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