Handreichung zu PROKOFJEW - „Cinderella“ (pdf

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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Sergej Prokofjew: „Cinderella“, Auszüge aus der Ballettmusik

RSO CLASSIX am Mittag MI, 20. Januar 2016, 13 Uhr Liederhalle Stuttgart, Beethoven-Saal

Nicola Benedetti, Violine Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Dirigent: Stéphane Denève

Moderation: Kerstin Gebel

Empfohlen ab Klasse 5 Erstellt von Siegfried Schmollinger

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Inhaltsverzeichnis

1. Sergej Prokofjew (1891–1953) – Erneuerer der Musik ................................. 1 1.1 Mittelpunkt der kompositorischen Arbeit — Ballett und Oper ................. 6 1.3

Auswahl aus den Ballettsuiten ›Cinderella‹ Nr. 1 und 3 ......................... 9

2. Unterrichtliche Ansätze .............................................................................. 12 3. Quellen ...................................................................................................... 15 4. Materialien ................................................................................................ 15

1. Sergej Prokofjew (1891–1953) – Erneuerer der Musik Mit „Peter und der Wolf” (op.67) eroberte Prokofjew die Kinderzimmer der ganzen Welt und ist bis heute nicht nur für jedes Kind ein guter Bekannter. Auch im Musikunterricht findet dieses Werk eine besondere Aufmerksamkeit.1936, einer Zeit der politischen Einvernahme, konzipierte Prokofjew zusammen mit der Leiterin des Moskauer Kindertheaters, Natalija Saz, den Text und die Musik und verstand es in bester pädagogischen Weise, den Kindern die Orchesterinstrumente und weitere musikalische Inhalte mit einer zauberhaften

Geschichte

nahezubringen. Unzählige

Aufnahmen zeugen

von der

herausragenden Bedeutung dieses ansprechenden Werks. Weitere Kompositionen für Kinder, u.a. ›Das hässliche Entlein‹ op. 18 für Singstimme und Orchester (1923) sowie die Kinderlieder erreichten nicht diese Popularität. War das melodramatische Werk ›Peter und der Wolf‹ mehr konventionell mit eingängiger Musik angelegt, so finden wir andererseits in Prokofjews erster Schaffensperiode scharf akzentuierte Rhythmen, exzessive Motorik, eine harmonische sowie klangliche Aggressivität mit ungewohnten Akkordkombinationen.

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Seine ersten Auslandsreisen führten Prokofjew 1914 nach London und Paris. Dort lernte er Strawinsky sowie den berühmten Impresario Diaghilew, Leiter der ›Ballets Russes‹, kennen. Dieser hatte kurz zuvor in Paris mit Strawinskys Ballett „Le sacre du printemps” (Frühlingsopfer) einen handfesten Theaterskandal ausgelöst mit wüsten Beschimpfungen durch das Publikum. Es waren nicht nur die ungewöhnlichen rhythmischen und klanglichen Strukturen des Werks die zum Skandal führten, sondern auch choreographische Mängel. Allerdings erreichte Strawinsky dadurch einen hohen Bekanntheitsgrad. Von Diaghilew erhielt Prokofjew den Auftrag ein Tanzstück ›über den Stoff der russischen Sagenwelt‹ zu schreiben. Die Ballettkomposition ›Ala und Lolli‹ fand bei Diaghilew jedoch zunächst kein Interesse. Um die Komposition noch finanziell zu verwerten und auch für eine Verbreitung zu sorgen, stellte Prokofjew aus Teilen daraus die ›Skythische Suite‹ (op. 20) zusammen. Bei der Uraufführung 1916 in St. Petersburg kam es ebenfalls zu einem denkwürdigen Skandal. Alexander Glasunow, Direktor des Konservatoriums, verließ während der Aufführung entsetzt den Saal. Eine Reihe von Zuhörern war am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Der Pauker hatte sein Fell durchgeschlagen. Prokofjew hatte mit diesem Werk die Hörfähigkeit des damaligen Publikums überstrapaziert.

Prokofjew wuchs in der Einsamkeit des Landlebens in einer ukrainischen Provinz auf. Schon früh wurde seine musikalische Begabung vom Elternhaus erkannt und gefördert. Mit fünf Jahren komponierte er sein erstes Stück, ›Indischer Galopp‹. Die Eigenschaft über alles sehr genau Buch zu führen zeigte eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe, fand aber nicht immer Zustimmung, insbesondere wenn er das fehlerhafte Verhalten seiner Mitschüler in akribischen Aufzeichnungen festhielt. Mit 13 Jahren besuchte Prokofjew das St. Petersburger Konservatorium und studierte u.a. bei Glasunow, Rimski-Korsakow, Tanejew und bei der berühmten Konzertpianistin Annette Jessipowa. In der Studienzeit, einer Zeit der politischen Unruhen, fand auch eine Auseinandersetzung zwischen der musikalischen Avantgarde (Strawinsky, Vertreter der französischen Moderne, deutschen Komponisten wie Max Reger und Richard Strauss) und der traditionellen Schule statt. Prokofjew wurde durch die Aufführungen der neuen musikalischen Ideen stark geprägt und widersetzte sich den veralteten Methoden seiner Kompositionslehrer. So hat ihn u.a. die Modulationskunst Max Regers stark inspiriert. ›Ich

3 habe immer die Notwendigkeit gefühlt, selbständig zu denken und meinen Ideen zu folgen. Immer wieder geriet ich mit meinen Professoren aneinander, insofern als ich niemals etwas nur deswegen tun wollte, weil es die Regel verlangte.‹ Mit der Aufführung seines Klavierstücks ›Suggestion diabolique‹ erzielte Prokofjew größte Beachtung in der Fachwelt. Das Stück beeindruckte durch ›unerbittlich drängende Ostinati, harte tonale Spannungen, perkussiv hämmernde Akkorde in raschestem Tempo, jagende Staccati auf Sekunden und andere Dissonanzen, krasse dynamische Spannungen und scharf akzentuierte Rhythmen.‹

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Prokofjew legte seine Prüfungen mit bescheidenen Noten ab,

verblieb aber für weitere fünf Jahre am Konservatorium und bildete sich im Klavierspiel und Dirigieren fort. Erfolgreich tritt er seit 1910 als Pianist auf und verschafft sich als enfant terrible mit seinen umstrittenen Werken einen Namen. Mit der ›Klassischen Sinfonie‹ (1916/17) knüpft er an Haydns Kompositionstechnik an, mit der er sich während des Studiums intensiv beschäftigte. Den Klassizismus als Stilelement in seinem Tonschaffen nimmt Prokofjew in seinen späteren Jahren wieder auf. Nach einer Aufführung der ›Klassischen Sinfonie‹ in St. Petersburg wurde Prokofjew die Bitte einer Ausreise nach Amerika erfüllt. Der hierfür zustimmende sowjetische Politiker Lunatscharsky meinte: ›Sie sind Revolutionär in der Musik, und wir sind es im Leben – wir müssten zusammenarbeiten.‹2

Vor

dem

Hintergrund

des

Krieges

und

der

russischen

Oktoberrevolution 1918 verließ Prokofjew seine Heimat und war nun fast 20 Jahre lang auf erfolgreichen Konzert- und Gastspielreisen in der ganzen Welt unterwegs. In Amerika verlief die Kompositionsarbeit recht gut und Prokofjew fand auch interessierte Verleger. Seine Bühnenkomposition ›Die Liebe zu den drei Orangen‹ (Chicago 1919) wurde Prokofjews einzige dauerhaft erfolgreiche Oper nach einem Stück von Carlo Gozzi. Meyerhold knüpft mit seiner Textadaption an die Commedia dell’arte an. Der Marsch im zweiten Akt wurde zu einem Paradestück vielfältiger Bearbeitungen und wird im Ballett ›Cinderella‹ zitiert, nachdem Aschenputtel als unbekannte Prinzessin den Stiefschwestern Orangen anbietet. ›Es ist eine der geistvollsten und spaßreichsten Bühnenkompositionen dieses Jahrhunderts, getragen von einem besessenen Rhythmus aus Scherz, Satire, Ironie

1 2

Schipperges,Thomas: Sergej Prokofjew, Reinbek, 1995. S.37 ders. S.49

4 und tieferer Bedeutung.‹3 Die Mitwirkenden stimmen am Schluss ein in: ›Es lebe das Theater!‹ Nachdem ein durchschlagender Erfolg mit diesem Werk in Amerika ausblieb, versuchte sich der Komponist wieder in Europa zu etablieren, zunächst im bayrischen Ettal, dann in Paris. Dort war die musikalische Avantgarde u.a. mit Arthur Honegger und Darius Milhaud zu finden. Prokofjew wollte sich mit einer ganz großen Sinfonie (II. 1924) Anerkennung verschaffen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Sinfonie ›repräsentiert die äußerste Stufe der Entwicklung dissonanzreicher Konstruktivität im Oeuvre Prokofjews‹

4

und überforderte

durch seine Komplexität die Hörer.

In der Folgezeit finden ausgedehnte Konzertreisen statt und das pianistische Können Prokofjews wird auf Klavierrollen dokumentiert. Für den österreichischen Pianisten Paul Wittgenstein, der im Krieg seine rechte Hand verloren hatte, entstand 1931 das 4. Klavierkonzert. Auch Richard Strauss und Maurice Ravel schreiben für Wittgenstein entsprechende Klavierkonzerte. Prokofjew erhielt von Wittgenstein jedoch eine klare Abfuhr: ›Ich danke Ihnen für das Konzert, aber ich verstehe darin keine einzige Note und werde es niemals spielen!‹ 1933 übernahm Prokofjew einen Lehrstuhl am Moskauer Konservatorium und siedelte 1936 wieder in die Sowjetunion über. Auch er musste sich den von Stalin ausgegebenen Maximen unterwerfen. Stalin bezeichnete die avantgardistische Musik als ›Chaos statt Musik‹ und verlangte eine Unterordnung unter die Gesetze des Wohl- und Gleichklangs. Zudem sollte die Musik sich am russischen Liedgut ausrichten. Prokofjew versuchte sich, mit den Machthabern zu arrangieren. Er beteiligte sich an einem Lied-Wettbewerb und erhielt mit dem Lied ›Anjutka‹ den ersten Preis. Die russische Regierung gestattete im Gegensatz zu vielen Kollegen Prokofjew weiterhin, Auslandsreisen zu unternehmen und verlieh ihm mehrere Auszeichnungen. In seinen Werken ab etwa 1930 bezieht er mehr die russische Volksmusik ein, benutzt eine ›einfachere‹ Harmonik und gibt der Melodie mehr Raum. Die politische Lage in der Sowjetunion wurde 1938 immer prekärer. Als Prokofjew wieder in der Sowjetunion weilte, schloss sich der eiserne Vorhang.

3 4

ders. S.70 ders. S.65

5 Um ihre Staatstreue zu dokumentieren, entschlossen sich der Filmregisseur Sergej Eisenstein und Prokofjew zu einer Filmproduktion über die prorussische Geschichte des Alexander Newski zu produzieren. Dieser lockte im Jahr 1242 das feindliche Heer der Deutschen Ordensritter auf das zugefrorene Meer und in ihren Untergang. Der Kampf auf dem Eis wird von Prokofjew mit ausdrucksstarker Musik verwoben, ein einmaliges Meisterwerk der Filmgeschichte. Stalin war mit dem Ergebnis hochzufrieden und verteilte Lenin-Orden, Prokofjew erhielt nur eine Belobigung. Die Zusammenarbeit mit Eisenstein ließ ein weiteres Highlight der Filmgeschichte entstehen: ›Iwan der Schreckliche‹ (op.116,1942). Prokofjew unterlegt hier das Gelage der Opritschniki mit der dauernden Wiederholung eines skythischen Refrains, der schließlich in einen orgiastischen Rausch führt. Die Filme sind allerdings erst ab einem Alter von 16 geeignet! Mit Eintritt Russlands in den zweiten Weltkrieg wurden die Einschränkungen des kulturellen Lebens noch dramatischer. Prokofjew setzte sich mit Tolstois ›Krieg und Frieden‹ auseinander und komponierte ein Werk, das an der Tradition der Nummernoper wieder anknüpfte. Zu Lebzeiten kam dieses Werk nicht mehr zur Aufführung. Der letzte Auftritt als Dirigent war 1945 bei der Uraufführung seiner V. Sinfonie (Stalin-Preis erster Klasse), eines seiner meistgespielten Werke. Prokofjews Musik wurden nun vermehrt staatsfeindlicher Kritik unterworfen und fast alle seine Kompositionen wurden von den Spielplänen abgesetzt. Die Kritik, er habe sich staatsfeindlich verhalten, traf Prokofjew umso mehr, als er überzeugt war, die musikalische Sprache des Volkes vertreten zu haben (›Musikalischer Aufruhr in Moskau‹, 1948). Auch im westlichen Ausland wurde er kritisiert, im sozialistischen Realismus zu stehen. Zu seinem 60. Geburtstag wurde Prokofjew rehabilitiert und als bedeutendste Persönlichkeit der Sowjetunion gefeiert.

Prokofjew erhielt verschiedene Stalin- und Leninpreise sowie die Auszeichnung ›Volkskünstler der Sowjetunion‹. Die Zusammenarbeit mit dem Cellisten Mstislav Rostropowitch, den er auch als Pianist begleitete, beflügelte Prokofjew, Meisterwerke der Violoncello-Literatur zu schaffen. Prokofjew starb am 5. März 1953, am gleichen Tag wie Stalin.

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1.1 Mittelpunkt der kompositorischen Arbeit — Ballett und Oper Sein Leben lang beschäftigte sich Prokofjew mit der Oper und stellte sich der Aufgabe, wie die traditionelle Oper zu verändern wäre. Obwohl alle 10 Opern seine Meisterschaft in diesem Bereich dokumentieren, blieb ein dauerhafter Erfolg – ›Die Liebe zu den drei Orangen‹ ausgenommen – ihm versagt. Immer wieder begeisterten ihn phantastische und märchenhafte Themen. In ›Die Liebe zu den drei Orangen‹ geht es um das Lachen und die Melancholie. Der Prinz am Hofe kann nicht mehr lachen und es wird alles unternommen um ihn zum Lachen zu bringen. Der Prinz muss sich in drei Orangen verlieben und findet in einer von ihnen seine zukünftige Frau. Während die Gruppen der Tragischen, der Komischen, der Lyrischen und der Hohlköpfe immer wieder die Aufführung unterbrechen möchten, versuchen die Narren dies zu unterbinden. Prokofjews Musik ›überspitzt die Unwirklichkeit des Geschehens mit phantastischem Humor und sarkastischer Stilisierung‹.

An den neun Balletten, lässt sich die musikalische Entwicklung Prokofjews gut nachvollziehen. Waren die Opern mehr aus seinem eigenen Interesse heraus entstanden, so handelt es sich bei den Balletten um reine Auftragswerke. Die enge Bekanntschaft mit Diaghilew, dem Verfechter der Russischen Schule und Igor Strawinsky förderten seine intensive Beschäftigung mit Ballettkompositionen und brachten auch die nötigen Aufträge. Nachhaltigen Erfolg waren ihm aber nur für ›Romeo und Julia‹ (op. 64), sowie für ›Cinderella‹ (op.87) vergönnt. ›Romeo und Julia‹ entstand 1935 kurz vor seiner Rückkehr in die Sowjetunion und gilt als einer der Höhepunkte seines musikalischen Schaffens. Die Klangsprache einer neuen Klassizität verweist auf die frühe Komposition der ›Klassischen Sinfonie‹. Prokofjew übernimmt für sein Ballett daraus die Gavotte.

Das Ballett ›Cinderella‹ entstand in den Jahren 1941 bis 1944. Den Stoff entnahm Prokofjew der Sammlung russischer Volksmärchen von Afanasjew mit dem Titel ›Mascha Tschernuschka‹ (Die schwarze Marie). Cinderella, Aschenputtel, Aschenbrödel, Cendrillon, Cenerentola oder Soluschka genannt, ist eines der bekanntesten Märchen, das in allen Kulturkreisen zu finden ist. Jeder vermag sich darin zu identifizieren und seine Urängste wie Einsamkeit und Verlassenheit finden. Der Märchenstoff Aschenputtel findet sich schriftlich erstmals 1558 bei Bonaventure des Périers und wird in unzähligen Märchensammlungen wie

7 Charles Perrault (1697) oder der Brüder Grimm (1812-1815) bis Walt Disney 1950 nacherzählt. Das Märchen findet sich auch in vielen Verfilmungen.

Wohlfahrtsmarken der Deutschen Bundespost Berlin aus dem Jahr 1965

In seinen Aufzeichnungen legt Prokofjew seine Gedanken über das Märchen nieder: Das, was ich im ›Aschenputtel‹ vor allem in Musik setzen wollte, ist die romantische Liebe Aschenputtels und des Prinzen, ihr Aufkeimen und ihre Entfaltung, die Hindernisse in ihrem Verlauf und die Erfüllung ihres Traumes. Eine große Rolle spielte in meiner Arbeit zum ›Aschenputtel‹ die Märchenwelt, die mir als Komponisten eine Reihe interessanter Aufgaben stellte – das Geheimnisvolle der guten Fee-Großmutter, das Phantastische der zwölf Zwerge, die um Mitternacht aus der im Tschetschorka-Takt (markanter russischer Tanz) schlagenden Uhr springen und Aschenputtel an die Rückkehr nach Hause erinnern; die stürmisch aufeinanderfolgenden verschiedensten Länder, in die der Prinz auf der Suche nach Aschenputtel gelangt; das lebendige poetische Atmen der Natur in den Gestalten von vier Feen – der Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und ihren Begleiter. Aber die Verfasser des Balletts wollten den Zuschauer in dieser Märchenumrahmung wirkliche, fühlende und erlebende Menschen sehen lassen. Wolkow und ich legten größten Wert auf die Handlung des Balletts.

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Das Ballett wurde ursprünglich 1941 vom Leningrader Kirow-Theater bestellt, konnte von Prokofjew aber erst 1944 wegen des Kriegsausbruchs fertiggestellt werden. Andere Kompositionen wurden von Prokofjew in der Zeit der Invasion von 1941vorgeschoben, so die Arbeit an ›Krieg und Frieden‹, die ›Ballade vom unbekannten Knaben‹, der einen deutschen General in die Luft sprengt, den drei Klaviersonaten und die V. Sinfonie – alles Werke mit schicksalhafter Tragik. Die Uraufführung von ›Soluschka‹, wie Prokofjew sein neues Ballett bezeichnete, erfolgte am 21.11.1945 am Moskauer Bolschoi-Theater. Prokofjew hatte genaue Vorgaben zu beachten. So musste er sich an den Kompositionen von Tschaikowsky und Glasunow orientieren, gleichzeitig aber der Entwicklung eines ›sozialistischen Realismus‹ Folge leisten. Prokofjew selbst gibt Hinweise über die Choreographenwünsche:

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Sergej Prokofjew: Dokumente Briefe Erinnerungen, Leipzig 1961, S. 231 ff

8 In der Musik wird Aschenputtel durch drei Themen charakterisiert: Das erste Thema ist das des erniedrigten Aschenputtels, das zweite das des reinen und träumerischen, das dritte breit angelegte das des liebenden, glücklichen Aschenputtels. Ich war bestrebt, in der Musik den Charakteren des zarten, träumerischen Aschenputtels, des schüchternen Vaters, der bösen Stiefmutter, den eigensinnigen, unleidlichen Schwestern und des leidenschaftlichen jungen Prinzen genügend Ausdruck zu verleihen, um den Hörer ihren Schicksalen und ihren Freuden gegenüber nicht gleichgültig bleiben zu lassen. Abgesehen vom dramatischen Aufbau ging es mir besonders darum, dass das ›Aschenputtel-Ballett‹ soviel wie möglich tänzerisch würde, dass die Tänze sich aus der Handlung ergäben verschiedenartigen Charakters seien und den Tänzern ausreichende Gelegenheit zum Zeigen ihres Könnens bieten sollten. Ich schrieb ›Aschenputtel‹ in den Traditionen des alten klassischen Balletts mit Pas de deux, Adagio, Gavotte, einigen Walzern, Pavane, Passepied, Bourrée, Mazurka und einem Galopp. Jede handelnde Person hat ihre Variation.

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Neben ›Romeo und Julia‹ gehört ›Cinderella‹ zu den gängigen Stücken einer jeden Ballettkompagnie und darf als das schönste Ballett Prokofjews bezeichnet werden. Frederick Ashton, berühmter Tänzer und Choreograph des Royal Balletts, schuf mit seiner Fassung eine einmalige Choreographie, die 1948 dem Ballett unter dem Namen ›Cinderella‹ (bisher ›Soluschka‹) den internationalen Durchbruch brachte. Das Ballett in drei Akten umfasst 50 Nummern, aus denen Prokofjew eigenständige Sammlungen und Suiten zusammenstellte. Auf diese Weise konnte sich der Komponist zusätzliche Einnahmen mit einer vorliegenden Komposition verschaffen. Prokofjew veröffentlichte bereits 1942 erste Klavierstücke aus der Ballettmusik, wodurch Teile der Musik schon vor der Uraufführung bekannt wurden. Prokofjew erhielt 1946 für ›Cinderella‹ den Lenin-Preis erster Klasse. Prokofjew benutzte Teile aus ›Cinderella‹ zu folgenden Werken:

1. Sinfonische Suite für großes Orchester in 8 Sätzen op. 107 (1946) 2. Sinfonische Suite für großes Orchester in 7 Sätzen op. 108 (1946) 3. Sinfonische Suite für großes Orchester in 8 Sätzen op. 109 (1946)

Sinfonische Suite für Orchester in 6 Sätzen op. 110 (1946) darin: 2.Satz Aschenputtel im Schloss 6.Satz Dem Glück entgegen aus ›Aschenputtel‹

6

ders. S.231 ff

9 sowie weitere Sätze aus: ›Krieg und Frieden‹ sowie Mephisto-Walzer aus dem Film ›Lermontov‹

Adagio für Violoncello und Klavier op. 97a

3 Stücke für Klavier op. 95 10 Stücke für Klavier op. 97 6 Stücke für Klavier op. 102

1.3 Auswahl aus den Ballettsuiten ›Cinderella‹ Nr. 1 und 3 Der didaktische Teil der Handreichung bezieht sich auf ein früheres Konzert, in dem folgende Teile gespielt wurden:

1. Introduktion (Suite 1, Nr. 1) (erklingt auch am 20.1.2016) 2. Die drei Orangen (Suite 3, Nr. 3) 3. Cinderella auf dem Ball (Suite 1, Nr. 6) 4. Cinderella’s Walzer (Suite 1, Nr. 7) 5. Streit (Suite 1, Nr. 3)

Introduktion – Andante dolce Im Eingangsstück wird Cinderella mit zwei Themen dargestellt. Das erste Thema in e-Moll gibt die einsame, mehr dunkle Stimmung von Cinderella wieder. Die Melodie wechselt zwischen Violinen und Holzbläsern. Im zweiten Thema in C-Dur findet sich die träumende und glückliche Cinderella. Das Thema in den Violinen wird umspielt von Harfe und den Violen. Mit lang ausgehaltenen Tönen, teils mit absteigenden Halbtonschritten, lassen Bässe zusammen mit der Tuba aufkommendes Unheil erahnen. Hörbeispiel 1:

10 Die drei Orangen – Moderato In der Mitte des Balls ist ein kleines Stück für den Empfang der Gäste (Nr. 34, 2.Akt) eingeschoben. Prokofjew benutzt hier thematisches Material aus dem Höfischen Tanz (Nr. 20, 2. Akt), bei dem die vornehme Gesellschaft Cinderella ihre Aufwartung macht, und lässt mit Augenzwinkern den berühmten Marsch aus seiner Oper ›Die Liebe zu den drei Orangen‹ mehrmals als Parodieeffekt anklingen. Auffallend ist auch hier Prokofjews Eigenart, ständig die Tonart zu wechseln. Auf der Bühne übergibt der Prinz Cinderella drei Orangen.

Notation mit Hörbeispielen 2 und 3:

Zum Vergleich in Hörbeispiel 4 ein Ausschnitt: Marsch aus der Oper ›Die Liebe zu den drei Orangen‹

Cinderella auf dem Ball – Vivo/Allegro grazioso Im ersten Teil ein bewegtes, dahinhuschendes Thema in C-Dur und im 2/4-Takt durch die Streicher vorgetragen, das die zum Ball eilende Cinderella charakterisiert. Libellen und Heuschrecken begleiten Cinderella zum Tanzabend. Mit drei kurzen Schlägen endet dieser Teil. Nach der Generalpause beginnt Cinderella mit ihrem Solotanz zur Klarinettemelodie im anschließenden Allegro grazioso. Die ersten vorsichtigen Tanzschritte im Dreiertakt werden immer bewegter und enden in einem ›Un poco accelerando al Fine‹. Sie leiten zum anschließenden Walzer über. Im Gegensatz zu seinen früheren Stücken gibt Prokofjew klar umrissene und lyrische Melodien und unterstreicht die Leichtigkeit mit einer verhältnismäßig einfachen Harmonik.

11 Hörbeispiel 5:

Cindarella’s Walzer – Allegro espressivo Dieser Walzer gehört zu den absoluten Hits der klassischen Musik. Er ist recht schwungvoll und knüpft an die Walzer seiner bedeutenden Oper ›Krieg und Frieden‹ an. Auch eine Anlehnung an Tschaikowskys Musik ist hier unschwer zu erkennen. Prokofjew stellt seine Themen in einer Rondoform vor. Klare Strukturen und Geschick im Umgang mit Modulationen kommen voll zur Geltung. Das erste Thema wird in einer höheren Lage wiederholt. Die Streicher treten gefühlvoll mit Chromatik und Molltonart hinzu. Das c-Moll– Thema kehrt in f-Moll zurück. Eine neue effektvolle Episode erfolgt durch die Bläser in D-Dur. Der Walzer wird gegen Schluss immer turbulenter und reißt plötzlich mit dissonanten Klängen ab. Cinderella muss noch schnell vor Mitternacht nach Hause kommen.

Hörbeispiel 6:

Streit – Allegro irato Die etwas dümmlichen Schwestern geraten miteinander wegen eines Schals in Streit. Der Vater betrachtet ein Bild seiner ehemaligen Frau im Beisein von Cinderella. Prokofjew überschreibt dieses Stück mit einem ›zornigen‹ Allegro. Im Streit-Thema verwendet

12 Prokofjew geschickt die chromatische Tonleiter und lässt dazu durch Streicherpizzikato die Bewegung verstärkt hervortreten. Das Hauptthema wird immer wieder moduliert. Mit Staccato zeigt das Nebenthema einen lebendigen Charakter. Zum Schluss wird das Hauptthema nochmals moduliert und das Stück endet mit einem kräftigen Grundton. Mit diesem Stück erweist sich Prokofjew als Meister in der Scherzodarstellung.

Hörbeispiel 7:

2. Unterrichtliche Ansätze –

Als Einstieg eignet sich die Beschäftigung mit dem Märchen ›Aschenputtel‹; Vgl. der Fassungen der Brüder Grimm und Afanasjew (Material 2); wichtige Szenen aufnotieren. Hier könnte aufgezeigt werden, dass für ein Ballett andere Überlegungen gemacht werden als für ein Theaterstück. Prokofjew stellt für sein Ballett 50 Nummern zusammen. (z.B. Pas de chat, Tanz der Stiefschwestern mit dem Schal – Vater und Tochter – Die gute Fee – Die Tanzstunde – Aufbruch zum Fest; siehe Reclams Ballettführer S.92 ff)



Die einzelnen ansprechenden Sätze sind mit einer Dauer von jeweils knapp drei Minuten für die Schülerinnen und Schüler gut rezipierbar und eignen sich zum mehrmaligen Anhören.

13 –

Der russische Komponist Prokofjew, hat das Märchen in Bewegungsabläufe umgesetzt – Ballett; Erfahrungen von Kindern, die Ballettunterricht besuchen, sollten einbezogen werden; Ballettschuhe; verschiedene Schrittarten, Spitzentanz, Plié (in die Kniebeuge), die fünf Positionen der Füße als Grundschritte; Solo, Pas de deux, Pas de quatre, Promenade, Gruppenformationen (Höfisches Schreiten – Nr.2); Mit der Musik kann auch die Stimmung der Person ausgedrückt werden (siehe Introduktion (Nr.1), Walzer (Nr.4) ist schwungvoll und traurig zugleich).



Den Walzer (Nr.4) anhand einer Farbenpartitur (Material 1) nachvollziehen, weitere Hörauffälligkeiten feststellen und in das Arbeitsblatt eintragen.



In manchen Klassen können auch Bewegungsabläufe zur Musik durchgeführt werden. So könnten sich Schülergruppen als höfische Gesellschaft zu Nr. 2 bewegen (Marsch) oder es könnten Walzerschritte zu Nr. 4 ausgeführt werden. Ein Exkurs über Marsch und Walzer ließen sich anschließen. In einem Ballett werden weder Texte gesprochen noch wird auf den Bühne gesungen.



Das in den ›Drei Orangen‹ (Nr.2) versteckte Marschthema heraushören und die jeweils beteiligten Instrumente erkennen. Hinweis auf Parodie. (Abfolge: 2 SoloKontrabässe – dto – Fagotte – 1.Violine – Klarinette/Kontrabass – Fagotte).



Prokofjews unterschiedliche Stile erfahren (Ausschnitt aus ›Skythischer Suite‹, Hörbeispiel 8, im Vergleich mit Nr. 5 Streit, Hörbeispiele 7 +9); Prokofjews Musik würde heute keinen Skandal mehr auslösen, da sich die Hörgewohnheiten geändert haben; Hinweis auf die Auseinandersetzung mit den politischen Machthabern, die seine Kompositionsweise beeinflusste



Ausschnitte aus den fünf Sätzen (siehe oben) den jeweiligen Inhalten zuordnen und begründen (u.a. Stimmung, Dynamik, Tempo, Instrumente, Satzbezeichnungen).



Einen Ballettausschnitt ansehen : z.B. Introduktion (Nr. 1) http://www.youtube.com/watch?v=Ww68J0Pi_-o&feature=related ;

14 Streit (Nr. 5) http://www.youtube.com/watch?v=4qwrxw9T_CI&feature=related oder Walzer (Nr.4) http://www.youtube.com/watch?v=Ny275lRNBvU&feature=related und über die Eigenheiten des Balletts sprechen. Hier wird auch deutlich, dass die Musik speziell für einzelne Szenen geschrieben wurde (verschiedene Tänze).



Prokofjew stellt aus seinem Ballett verschiedene Suiten und Sammlungen zusammen, Gründe hierfür; die Abfolge der im Konzert zusammengestellten Stücke kennenlernen, dadurch erhält die Musik einen bestimmten Bekanntheitsgrad und ist im Konzert leichter zu rezipieren; die Vorstellung der einzelnen Ballettszenen ist hilfreich.



Ausschnitte einer Ballettaufführung auf DVD ansehen. Die eindrucksvollen Aufnahmen des Royal Balletts sind leider auf dem deutschen Markt vergriffen oder sehr kostspielig.

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3. Quellen Die Musik in Geschichte und Gegenwart (Neuauflage)— Personenteil Band 13, Kassel/Stuttgart 2005 Häusler, Josef: Musik im 20. Jahrhundert, Bremen 1969 Prokofjew, Sergej: Dokumente Briefe Erinnerungen, Leipzig 1961 Schipperges, Thomas: Sergej Prokofjew, Reinbek, 1995 von Seyfried, Bettina (Zst.): Sergej Prokofjew (1891–1953), Ausstellung des Deutschen Musikarchivs Berlin 2003 Staatsoper unter den Linden (Hg.): Cinderella, Berlin 2004

Studienpartituren: Cinderella Suite No.1 op. 107/ No. 3 op. 109, Sikorski, Hamburg, zen-on score

CD Cinderella-Suiten No. 1–3, Ukrainisches SO, Kuchar, Naxos 1994 DVD mit dem Ballett: Prokofjew - Cinderella / Sibley, Dowell, Royal Ballet (1969)

4. Materialien 1. Aufbau Cinderella’s Walzer 2. Alexander N. Afanasjew: Mascha Tschernuschka

16 Material 1 Cinderella’s Walzer – Allegro espressivo (Hörbeispiele 10-14)

4T. Einleitung

Walzer 1.Thema (Hörbeispiel 10)

16T. 1.Thema

16T. 1.Thema , eine Oktave höher

16T. 2.Thema Walzer 2. Thema (Hörbeispiel 11) 16T. 1.Thema

16T. 3.Thema Walzer 3.Thema (Hörbeispiel 12) 17T. 1.Thema

8T. 3.Thema

8T. 3.Thema (Modulation)

4T. Übergang

17T. 1.Thema Walzer 4.Thema (Hörbeispiel 13) 16T. 4.Thema, schnelle Tonfolgen

Walzer Schluss (Hörbeispiel 14)

16T. 4.Thema, Tempo zunehmend, abrupter Schluss

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Material 2 Alexander N. Afanasjew: Mascha Tschernuschka Es lebte einmal ein Herr, er hatte eine gute Frau und eine schöne Tochter, die hieß Mascha. Aber eines Tages starb seine Frau, und er heiratete eine andere, eine Witwe mit zwei Töchtern, und beide waren böse und hartherzig! Sie plagten die arme Mascha von früh bis spät, sie hießen sie alle Arbeit im Hause tun, und wenn es keine Arbeit gab, dann musste sie vor dem Ofen hocken und Asche schaufeln. Deshalb war Mascha stets schmutzig und schwarz und wurde von allen das Schwarze Mägdlein genannt. Eines Tages hörte man allerorten sagen, dass der Fürst in jenem Lande sich vermählen wolle, deshalb zu einem fest lade und auf diesem Fest sich eine Braut aussuchen würde. So geschah es auch. Der Fürst lud alle Welt zu dem Fest ein, auch die Stiefmutter mit ihren Töchtern wollte zu dem Fest fahren, aber Mascha sollte zu Hause bleiben; so viel sie auch bat, es blieb beim Nein. Nun fuhr die Stiefmutter mit ihren Töchtern zum dem Fest, der Stieftochter aber ließ sie ein ganzes Maß Gerste, Mehl und Ruß durcheinander gemischt: Sie befahl, alles zu verlesen, Körnchen um Körnchen, Stäubchen um Stäubchen. Mascha trat auf die Treppe hinaus und weinte bitterlich: da kamen zwei Tauben geflogen, sie verlasen Roggen, Mehl und Ruß und ließen sich dann auf ihre Schultern nieder – plötzlich hatte das Mädchen ein wunderbares neues Kleid an. ›Geh zum Fest!‹ sprachen die Tauben. ›Aber bleib dort nicht länger als bis Mitternacht.‹ Kaum hatte Mascha den Palast betreten, als alle Blicke an ihr hingen; auch dem Fürsten gefiel sie besser als alle anderen, ihre Stiefmutter aber und die Schwestern erkannten sie nicht. Sie tanzte und war fröhlich mit den anderen Mädchen, da merkte sie, dass die Mitternacht nahte; sie dachte daran, was die Täubchen ihr gesagt hatten, und lief nach Hause, so schnell die Füße sie trugen. Der Fürst eilte ihr nach, er wollte wissen, wer sie war, aber er konnte sie nicht mehr einholen! Am nächsten Tag gab der Fürst wieder ein Fest; die Stiefschwestern hatten nichts anderes im Sinn als ihre Kleider, schrien Mascha an und beschimpften sie unentwegt. ›He, Schwarzes Mägdelein, hilf uns beim Umziehen! Bürste unsere Kleider! Koch uns das Essen!‹ Mascha führte alle Befehle aus. Abends aber tanzte sie wieder auf dem Fest und kam vor Mitternacht zurück; der Fürst folgte ihr – aber nein, es gelang ihm nicht sie einzuholen. Am dritten Tag lud er wieder zu einem prächtigen Fest; am Abend kleideten die Tauben Mascha noch schöner an, sie ging zu dem Palast, sie tanzte, sie war fröhlich und achtete nicht auf die Zeit – schon schlug es Mitternacht. Mascha stürzte davon, aber der Fürst hatte vorsorglich befohlen, alle Treppenstufen mit Harz und Pech zu bestreichen. Sie blieb mit einem Schuh im Harz hängen und musste ihn auf der Treppe zurücklassen. Der Fürst hob ihn auf, und gleich am nächsten Tag befahl er, das Mädchen zu suchen, dem dieses Schühchen passte. Seine Boten hatten in der ganzen Stadt gesucht – das Schühchen wollte keiner passen. Endlich kamen sie zu der Stiefmutter. Die nahm das Schühchen und wollte es ihrer älteren Tochter anziehen, aber nein, es passte nicht, der Fuß war zu groß. ›Schneid dir den Zeh ab!‹,

18 sagte die Mutter zu ihrer Tochter. ›Wenn du erst Fürstin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen!‹ Die Tochter schnitt sich den Zeh ab und zog das Schühchen an. Die Boten des Fürsten wollten mit ihr in den Palast fahren, da kamen Tauben geflogen und gurrten: ›Blutiger Fuß! Blutiger Fuß!‹ Da sahen die Boten, dass aus dem Schühchen Blut sickerte. ›Nein‹, sagten sie, ›die ist die Richtige nicht!‹ Da wollte die Stiefmutter den Schuh ihrer mittleren Tochter anziehen, auch der ist es nicht anders ergangen. Die Boten sahen Mascha und befahlen ihr, den Schuh anzuziehen; im selben Augenblick, da sie den Fuß in das Schühchen steckte, hatte sie ein wunderbares, glänzendes Kleid an. Die Stiefschwestern sperrten vor Staunen nur so den Mund auf. Die Boten brachten Mascha in den Palast des Fürsten, und am nächsten Tag wurde Hochzeit gehalten. Als sie mit dem Fürsten zu dem Altar ging, flatterten zwei Tauben herbei, die eine setzte sich Mascha auf die eine Schulter, die zweite auf die andere, und nach der Trauung, als sie aus der Kirche zurückkehrten, flogen die Täubchen auf, schossen auf die Stiefschwestern zu und pickten jeder ein Auge aus. Die Hochzeit war sehr lustig, auch ich war dabei, trank Met und Wein, alles lief mir den Bart herunter und kein Tropfen in den Mund.

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