Im Garten des Friedens wächst die Hoffnung

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Biologie, Ernährung
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Ausgabe 4 | 2015

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was wir gemeinsam bewegen!

MALI:

Im Garten des Friedens wächst die Hoffnung PERU: Der Traum von Schokolade INDIEN: Mit aller Kraft gegen den Klimawandel

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Inhalt

Editorial

Aus den Projekten

Aktuell

17 Mit aller Kraft gegen den Klimawandel Katastrophenvorsorge auf den indischen Sundarbans

4 So helfen wir Flüchtlingen weltweit Nothilfe und langfristige Unterstützung gehen Hand in Hand

6 Sich nicht vom Krieg unterkriegen lassen Interview mit Bucay Deng aus dem Südsudan 8

Gute Nachrichten per Handy In Liberia erhalten Bedürftige „mobiles Geld“

20 Sicherheit auf vier Beinen Die Ziegenzucht bringt Frauen in Uganda Einkommen und Stärke 22 „Die schwersten Seiten meines Jobs“ David Wehinger über seine Arbeit für syrische Flüchtlinge

Förderpartner

Aktionen & Kooperationen

10 Der Traum von Schokolade Kleinbauern in Peru bauen Kakao an und schützen ihre Heimat vor Abholzung

23 „Tu Was“ – ein Jubiläum der Tatkraft und Kreativität

Titelthema: Mali Im Garten des Friedens wächst die Hoffnung Die Menschen freuen sich auf eine Zeit, in der sie nicht mehr auf Nothilfe angewiesen sind

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24 Philanthropie plus X: Gemeinsam gegen den Hunger und für die Umwelt 26 Eine Woche voller Solidarität und Engagement 28 Ein Zeichen für Chancengleichheit setzen 28 „Kaufen & Helfen“ für Kakaobauern 28 „Platz schaffen mit Herz“ 29 Für neue Erfahrungen ausgeschwärmt

Panorama 30 Howard Carpendale zu Besuch in Bonn 30 „Reiten gegen den Hunger“ 30 Mitmachen leicht gemacht 30 „Rock gegen Hunger“ 31 Welthunger-Index 2015 31 Preisverleihung: „Genießt uns!“ 31 Termine

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Editorial

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Liebe Freunde der Welthungerhilfe, letzte Woche stand ich auf einem kleinen Berg an der Grenze zwischen Äthiopien und dem Sudan. In Richtung Sudan sah ich kilometerweit nur Wüste – der Wald, den es dort einmal gab, ist längst abgeholzt. Hinter mir, in Richtung Äthiopien, war dichter Wald. Es ist der Grüngürtel Äthiopiens, der das Land vor den sandigen Winden der Sahara schützt. Auch hier wurde in den letzten Jahren immer mehr abgeholzt, die Wüste rückte immer weiter vor. Und hier managt unser Kollege Yohannes Belay ein beeindruckendes Projekt (lesen Sie mehr auf S. 24): Wir helfen der Bevölkerung, ihren Lebensunterhalt aus dem Wald zu beziehen – ohne Brandrodung oder das Schlagen von Feuerholz. Die Bäume, unter denen ich stand, sind Weihrauchbäume, ihr Harz ist buchstäblich Gold wert. Die Genossenschaft aus lokalen Bauern, die sich mithilfe der Welt­ hungerhilfe gebildet hat, erntet den Weihrauch so nachhaltig, dass die Bäume geschützt bleiben, und verkauft ihn direkt auf dem Weltmarkt. Nicht nur an die katholische Kirche, sondern vor allem in arabische Länder, wo damit Häuser parfümiert werden. Das Ergebnis: Vormals hungernde Kleinbauern verdienen bis zu zwei Euro am Tag. Ein Betrag, der über der international festgelegten Armutsgrenze liegt, also dem Minimum, das ein Mensch zum Überleben braucht. Für mich ist dies ein beeindruckendes Beispiel unserer Arbeit: Wir schützen das Land nachhaltig vor Wüstenbildung und helfen vielen Menschen aus Hunger und Armut.

In Äthiopien erfährt Till Wahnbaeck viel über Weihrauch.

Bei aller Not, die wir immer wieder sehen – und die nächste Hungerkrise in Äthiopien zeichnet sich bereits ab: Diese Art von Projekten überzeugt mich immer wieder aufs Neue, dass unsere Arbeit gut, sinnvoll und erfolgreich ist. Ich hoffe, Sie überzeugt es ebenso. Herzlichst Ihr

Dr. Till Wahnbaeck Generalsekretär Vorstandsvorsitzender

In der größten Not bekamen die Menschen Nahrungsmittel – heute haben sie langfristige Perspektiven.

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Aktuell: Flüchtlinge

So helfen wir Flüchtlingen weltweit Rund 60 Millionen Menschen weltweit mussten infolge von Krisen und Konflikten ihr Zuhause zurücklassen und sind auf der Flucht. Sie suchen Schutz im eigenen Land oder in Nachbarländern. Die Welthungerhilfe ist in vielen dieser Regionen aktiv und unterstützt tausende Familien beim Neuanfang. Sei es mit Nahrungsmitteln und Notunterkünften oder mit langfristiger Hilfe wie Saatgut, landwirtschaftlicher Beratung und Unterricht für Flüchtlingskinder.

Afghanistan: Mehr als 100.000 Menschen sind auf der Flucht im eigenen Land. Viele von ihnen fliehen in die Hauptstadt Kabul. Sie hoffen hier auf Sicherheit und darauf, dem Elend auf dem Land zu entkommen. Wir teilen Gutscheine für Werkzeug und Baumaterial aus und unterstützen Familien beim Bau einfacher Häuser.

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Foto oben li.: Im Kongo arbeitet die Welthungerhilfe an langfristigen Perspektiven für Flüchtlinge. Foto oben re.: Syrischen Flüchtlingskindern ermöglichen wir den Schulbesuch. Foto rechte Seite: Eine Plane schützt das Haus der zurückgekehrten Flüchtlinge im Süd­sudan. Abdul Rauf lebt in einem Flüchtlingslager im afghanischen Kabul – unterstützt von der Welthungerhilfe.

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DR Kongo: Politische Unsicherheit und Gewalt haben viele Menschen aus ihren Dörfern in weit abgelegene Gebiete vertrieben. Wir unterstützen sie durch den Bau von Straßen und Brücken, die den Handel fördern und den Zugang zu Schulen und Gesundheitszentren ermöglichen. Für ihre Mitarbeit erhalten Männer und Frauen Lohn.

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Aktuell: Flüchtlinge

Mali: Bewaffnete Auseinandersetzungen haben viele Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Wir helfen sowohl den Flüchtlingen als auch den Rückkehrern. Zerstörte Bewässerungsanlagen werden repariert oder neu gebaut, in der Landwirtschaft beraten wir beim Anbau und dabei, Ernteverluste gering zu halten.

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Myanmar: Nach jahrelangen bewaffneten Konflikten im Norden des Landes flüchteten rund 100.000 Menschen in Lager. Wir verteilen Geldgutscheine für Lebensmittel und andere wichtige Dinge und tragen somit dazu bei, den lokalen Markt anzukurbeln. Zudem errichten wir neue und renovieren alte Notunterkünfte.

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Niger: In dieses ärmste Land der Welt haben sich Flüchtlinge aus Nigeria vor der Terrorgruppe Boko Haram in Sicherheit gebracht. Hunderttausende wurden in Gastfamilien aufgenommen, die wir in unsere Unterstützung einbeziehen. Wir verteilen Nahrungsmittel, beraten in der Landwirtschaft und Fischerei und geben mit entsprechender Ausstattung Starthilfe.

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Sudan: Über zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht im eigenen Land. Wir verteilen Lebensmittel sowie Gutscheine, mit denen die Flüchtlinge sich ihre Nahrungsmittel bei Händlern selbst aussuchen können. Bauern erhalten Eselspflüge, hochwertiges Saatgut und Schulungen.

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Südsudan: Blutige Auseinandersetzungen haben 2,1 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Etwa 660.000 Flüchtlinge erhalten von uns Lebensmittel, Material für Unterkünfte, landwirtschaftliche Geräte und Saatgut. Wir reparieren Trinkwasserstellen und richten Gesundheitsstationen ein. Auch die Familien, die Flüchtlinge aufnehmen, unterstützen wir.

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Syrien, Nordirak und Türkei: Ein brutaler Bürgerkrieg hat rund zwölf Millionen Menschen dazu gezwungen, ihre syrische Heimat zu verlassen. Wir unterstützen mehr als eine Million Flüchtlinge in Syrien, dem Nordirak und der Türkei mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Matratzen. Damit syrische Kinder in der Türkei Unterricht erhalten, übernehmen wir in fünf Schulen Lehrergehälter, Transportkosten, Renovierungsarbeiten und Schulmaterial. Im Nordirak werden Rohbauten als provisorische Unterkünfte winterfest gemacht und zerstörte Schulen instand gesetzt.

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Uganda: Tausende Menschen sind aus dem Südsudan nach Uganda geflohen. Hier bekommen sie von der Regierung ein Stück Land zugewiesen, auf dem sie leben können. Wir unterstüt­ zen Familien mit Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten sowie Nutz­ tieren wie Ziegen und Hühnern. In speziellen Schulungen lernen sie bessere Anbaumethoden kennen und anzuwenden. Wir bauen Klas­ senräume und statten sie für Flüchtlingskinder aus.

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Zentralafrikanische Republik: Etwa 500.000 Binnenflücht­ linge zählt das krisengeschüttelte Land. Wir helfen Bauern­ familien, sich anzusiedeln, und unterstützen sie mit hochwertigem Saatgut, Werkzeugen und Beratung.

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Aktuell: Südsudan

Für Registrierungskarten, die Bucay Deng verteilt, bekommen Bedürftige später ihre Hilfsgüter.

Sich nicht vom Krieg unterkriegen lassen Unermüdlich kämpft Bucay Deng gegen das Leid der Flüchtlinge im Südsudan. Das Leben der Welthungerhilfe-Mitarbeiterin ähnelt dem der Menschen, für die sie sich einsetzt. „Wir mussten immer wieder fliehen“, erzählt die 48-Jährige über die Zeit des Unabhängigkeitskrieges des Südens Sudans. Hier ist sie geboren, und von hier floh ihre Familie ins sudanesische Khartum, wo sie Wirtschaftswissenschaften studierte. Nun arbeitet sie als stellvertretende Leiterin der Welthungerhilfe im Südsudan. Von Bettina Rühl In Ihrer Heimat Malakal gab es im August erneut heftige Kämpfe. War auch Ihre Familie betroffen? Wenn es

stimmt, was wir hören, ist die Stadt komplett zerstört. Menschenleer. Alle sind geflohen. Wir haben unser Haus und den gesamten Besitz verloren. Wie alle anderen auch, die mit der Flucht ihr Hab und Gut zurücklassen mussten. Sollten sie jemals wiederkommen, werden sie nichts mehr vorfinden. Nach der Unabhängigkeit des Südsudan 2011 kehrte Ihre Familie zurück. Waren Sie überzeugt, dass der Frieden hält? Wir waren damals sehr optimistisch. Ich war mir

sicher, dass wir das Ziel erreicht hatten, für das wir so lange kämpften, dass die Not ein Ende hat. Wir wollten etwas aufbauen, um tatsächlich eine bessere Zukunft zu haben. Was wir jetzt erleben, ist das komplette Gegenteil. Die bewaffneten Parteien haben schwere

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Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verübt. Über zwei Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, leben in teils provisorischen Lagern unter schwierigsten Bedingungen. Was geschieht nun mit Ihrer Familie? Meine gesamte

Familie lebte in Malakal und ist jetzt erneut überall verstreut. Viele gehen zurück in den Sudan. Die Menschen drehen sich wieder in dem alten Teufelskreis. Sie waren Flüchtlinge, dann wurden sie Vertriebene, nun sind sie wieder Flüchtlinge. Von einigen Angehörigen haben wir schon seit Monaten keine Nachricht mehr. Ich weiß von Familien aus Malakal, die komplett ausgelöscht worden sind. Im Vergleich dazu haben wir noch Glück gehabt. Besitz kann man sich neu erarbeiten. Aber die Toten kann man nicht mehr zurückholen.

Aktuell: Südsudan

Ist es für Sie nicht schwer, sich auf die Arbeit als humanitäre Helferin zu konzentrieren, wo auch Ihre Familie zu den Opfern gehört? Die Frage ist: Was könnte ich sonst

tun? Es fällt mir schwer, aber ich weiß, das Leben muss weitergehen. Wenn ich nicht mehr arbeiten würde, würde ich diejenigen nicht mehr unterstützen, die existentiell auf Hilfe angewiesen sind. Das könnte ich vor mir niemals rechtfertigen, schon gar nicht in der katastrophalen Situation, die wir gerade durchmachen. Was kann die Welthungerhilfe als humanitäre Organisation tun? Wir arbeiten in besonders betroffenen

Regionen, versorgen die Vertriebenen mit Überlebenswichtigem, also mit Lebensmitteln, Haushaltsgegenständen und Trinkwasser. Logistisch ist das im Südsudan eine riesige Herausforderung. Es gibt fast keine Straßen, und in der Regenzeit sind viele Landesteile über den Landweg nicht zu erreichen. Gute Planung ist sehr, sehr wichtig, das schaffen wir. Der Verlauf von Kämpfen ist jedoch nicht zu planen. Wir sind deshalb immer wieder gezwungen, auf den Luftweg zurückzugreifen. Unser Hauptproblem aber ist die Sicherheitslage. Wir müssen mit den lokalen Autoritäten ständig neu über den sicheren Zugang zu den Hilfsbedürftigen verhandeln. Sie haben für dieses Land gekämpft, nun werden selbst humanitäre Helfer angegriffen. Was empfinden Sie? Das

macht mich unglaublich wütend. Nicht traurig, sondern wütend. Es ist, als hätten wir drei Jahrzehnte lang völlig umsonst gekämpft. Diesmal kennen wir die Täter sogar persönlich. Die Menschen wissen, wer ihre Angehörigen getötet, wer ihren Besitz gestohlen

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hat. Dadurch ist in den Gemeinschaften jegliches Vertrauen zerstört. Und wir fragen uns, wie es jetzt nach dem Friedensabkommen von August weitergehen soll. Wer wird die Menschen wieder zueinander bringen? Wie sollen wir uns miteinander versöhnen? Haben Sie je daran gedacht, selbst ins Exil zu gehen? Sie haben einen Studienabschluss, hätten gute Chancen ...

Wenn jeder, der kann, ins Exil geht – wer löst dann hier die Probleme? Gerade wenn die Situation besonders schwierig ist, braucht man Menschen, die bereit sind, für eine Verbesserung der Lage zu kämpfen. Wir als diejenigen, die Humanität und Demokratie verteidigen wollen, müssen jetzt dafür werben, dass die Menschen den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen. Wir müssen gegen den Wunsch nach Rache und Vergeltung anreden. Viele wollen uns nicht zuhören, aber bei einigen stoßen wir vielleicht doch auf Gehör. Wir müssen es wenigstens versuchen. Sonst wird das Morden kein Ende nehmen. Bettina Rühl ist freie Journalistin. Sie lebt in Köln und Nairobi.

Foto unten: Für ihre Mitarbeit beim Bau einer Unterkunft erhalten diese Flüchtlinge Lohn. „Cash-for-Work“ bedeutet Einkommen und zugleich Wohnmöglichkeiten.

Die Lage im Südsudan Nach einem mehr als drei Jahrzehnte währenden Krieg um die Unabhängigkeit vom Sudan wurde der Südsudan am 9. Juli 2011 ein eigener Staat. Doch schon im Dezember 2013 eskalierte der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem damaligen Vize Riek Machar. Seitdem wurden bei Kämpfen und ethnisch motivierten Massakern zehntausende Menschen getötet. Rund 2,2 Millionen Südsudanesen flohen, rund 200.000 von ihnen leben in UN-Lagern. Ein im August unterzeichnetes Friedensabkommen hat bislang noch kein Ende der Kämpfe gebracht.

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Aktuell: Liberia

Gute Nachrichten per Handy Viele Menschen strafte die Ebola-Krise in Liberia gleich doppelt: Wer sich infizierte, musste nicht nur um sein Leben bangen, sondern durfte auch weder etwas kaufen noch verkaufen – aus Angst, Geld und Ware könnten ansteckend sein. Bis heute ist Liberias Wirtschaft gelähmt. Kleine Geldbeträge, die per Mobiltelefon abgehoben werden können, lindern jetzt die Not Betroffener und kurbeln die lokale Wirtschaft wieder an. Von Florian Kaiser „Mobile money is available here“ (mobiles Geld ist hier erhältlich) heißt es in roten Buchstaben auf dem Kiosk in Wakor, einem Viertel am Rande von Liberias Hauptstadt Monrovia. Davor wartet Jenneh Kiazolu. Sie hat eine Nachricht auf ihrem Handy erhalten, dass sie den von der Welthungerhilfe angewiesenen Betrag abheben kann. Nun nimmt sie das „mobile Geld“ in Empfang. Die Scheine in ihrer Hand sind ihre Chance, nicht nur gesundheitlich wieder ins Leben zurückzukehren. Die Auszahlung der Geldbeträge am Kiosk ist einfach und vor allem sicher.

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Dreimal war die 39-Jährige mit Ebola in Quarantäne, dreimal überlebte sie. Vier Verwandte starben an dem Virus, darunter ihre Mutter. „Die Menschen in unse-

rem Viertel hatten Angst, sich bei uns anzustecken“, erzählt Jenneh Kiazolu. Für ihre Familie, die Reis, Cassava, Pfeffer und andere Gemüse anbaut, bedeutete das den Verlust ihrer Existenz. „Wir konnten nichts verkaufen, weil niemand mit uns Kontakt haben wollte. Als Ebola endlich überwunden war, standen wir vor dem Nichts“, sagt Jenneh Kiazolu leise. Nach Ebola kam die Armut Nicht nur für die Kiazolus brachte Ebola Leid weit über die eigene Gesundheit hinaus. Um das Virus zu stoppen, hatte die Regierung Ausgangssperren verhängt und das Reisen eingeschränkt – mit gravierenden Folgen für den Handel, von dem in Liberia

Aktuell: Liberia

so viele Menschen leben. Wer sonst Gemüse, Fisch oder Kleidung verkaufte, war plötzlich seiner Einkommensquelle beraubt. Zugleich schossen die Preise für Lebensmittel in die Höhe und nahmen den Menschen noch ihre letzten Ersparnisse. Wenn sie diese nicht schon für Medikamente für erkrankte Angehörige ausgegeben hatten. Um die Ansteckungen einzudämmen, wurde sicherheitshalber auch

Ebola-Krise zu einer Art Normalität zurückzukehren. „Das ist eine große Erleichterung für uns“, bestätigt Jenneh Kiazolu. „Als ich das erste Mal ,Mobile Money‘ abhob, habe ich einen Teil davon gleich meinen beiden Schwestern geliehen, damit sie ihren Verkaufsstand endlich wieder auffüllen konnten. Sie werden es mir zurückzahlen, wenn ihr Geschäft endlich wieder läuft.“

noch das gesamte Hab und Gut infizierter Menschen verbrannt. In vielen Familien fällt heute eine Mahlzeit weg, weil einfach nicht genug Geld da ist. Eltern berichten, dass sie auf Essen verzichten, damit wenigstens ihre Kinder genügend bekommen.

Dass sie Geld mit ihrem Mobiltelefon abheben kann, ist nicht nur praktisch, sondern zugleich auch sicher. Dank einer geheimen Identifikationsnummer hat nur sie selbst Zugriff auf die Unterstützungszahlungen. Sie weiß immer genau, wie viel Geld noch übrig ist und kann es in Raten abheben. Früher wurde Bargeld als einmalige Summe ausgezahlt, und das barg sowohl für die Welthungerhilfe-Mitarbeiter als auch für die Bewohner Risiken.

Startkapital für den Neubeginn Hoffnung bringt ein Projekt, das die Welthungerhilfe gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation Action Contre La Faim aufgezogen hat. Rund 1.000 direkt von Ebola betroffene Haushalte in Liberia erhalten sechs Monate lang jeweils 50 US-Dollar. Zusammen mit MTN, dem größten Mobilfunkanbieter in Afrika, zahlt die Welthungerhilfe die Unterstützung als „Mobile Money“ aus, als mobiles Geld. Jeden Monat bekommen die registrierten Projektteilnehmer eine Nachricht aufs Telefon, dass ihr Geld eingegangen ist. Bei jeder der unzähligen MTN-Verkaufsstellen im ganzen Land können sie es abheben. Komplett oder nur einen Teilbetrag. Projektleiterin Emilia McElvenney erläutert: „Wir statten Familien, denen die Folgen von Ebola alles genommen haben, mit Startkapital aus. Damit können sie ihren Lebensunterhalt wieder aufbauen. Indem sie selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben, bedeutet das ein Stück wiedergewonnene Würde.“ Zusammen mit einer psychosozialen Betreuung schaffen es so viele Familien, nach der

„Als wir das erste Mal Textnachrichten verschickten, öffneten gerade die Schulen wieder. Mit ,Mobile Money‘ haben viele Menschen die Schulgebühren für ihre Kinder bezahlt und z. B. Bücher und Stifte gekauft. Dazu waren sie noch wenige Tage früher finanziell gar nicht in der Lage“, erklärt Welthungerhilfe-Mitarbeiter Morris Togbah. Entscheidungsfreiheit zahlt sich aus Aber noch viel interessanter findet Morris Togbah, dass die Beträge ohne Bedingungen für sechs Monate ausgezahlt werden. „Viele Menschen investieren das Geld oder zahlen Schulden aus der Ebola-Zeit zurück. Es wird also nicht unüberlegt ausgegeben, sondern bleibt in den lokalen Wirtschaftskreisläufen und vervielfältigt sich.“ Gute Nachrichten für den Neubeginn des Landes.

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Jenneh Kiazolu verlor durch Ebola alles. Dringend ist sie auf die Hilfszahlungen angewiesen. Foto oben: Wer einmal infiziert war, konnte weder etwas auf dem Markt kaufen noch verkaufen.

Florian Kaiser ist Journalist in Hamburg.

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Fotos von li. nach re.: Familie Sanchez ist auf dem Weg zu ihrem Feld. Dort berät Lucio Bravo sie bei Fragen zum Kakaoanbau. Die reifen Früchte schneidet Sandra Sanchez später mit der Machete auf, um die Bohnen herauszunehmen.

Willy Sanchez ist stolz auf die gute Ernte.

Förderpartner

Der Traum von Schokolade Kakao ist für die Menschen im peruanischen Regenwald ein Rettungsanker. Richtig angebaut sichert er nicht nur die Einkommen der armen Kleinbauernfamilien – er schützt ihre Heimat auch vor Abholzung und den schweren Folgen des Klimawandels. Von Constanze Bandowski Willy Sanchez steht der Schweiß auf der Stirn. Insekten schwirren um seinen Kopf, aber der peruanische Kleinbauer lässt sich nicht von seiner Arbeit ablenken. Gezielt greift er eine feuerrote Kakaofrucht und schneidet sie vom Baum. „Ist die nicht herrlich?“, fragt er und lacht herzlich und stolz. Es ist sofort offensichtlich, dass er seine Arbeit liebt – die ehrliche Arbeit seiner eigenen Hände und die hart erkämpfte Erfahrung. Behutsam legt er die kostbare Ernte auf den Boden. In kniehohen Gummistiefeln stapft Willy Sanchez durch den vom Dauerregen durchweichten Boden zum nächsten Kakaobaum. „Eigentlich müsste die Regenzeit schon lange vorbei sein“, schimpft der 32 Jahre alte Kakaobauer. „Das Klima spielt aber verrückt. Wir können uns auf nichts mehr verlassen.“ Damit die Samen einwandfrei fermentieren, braucht er für die Ernte viel Sonne.

Nur so kann er beste Qualität und exquisiten Geschmack erzeugen, einen guten Preis erzielen und seiner Frau Sandra und Tochter Erin ein Leben ohne Hunger und Armut ermöglichen. Der Anbau braucht viel Erfahrung „Ich will, dass meine Tochter studiert und etwas aus ihrem Leben macht“, sagt Willy Sanchez. Er selbst hat nie die Schule beendet, aber seine Kollegen aus der Kakao-Kooperative haben ihn dennoch wegen seiner zupackenden Art zum Vizepräsidenten gewählt. Tochter Erin ist elf und besucht die Grundschule in Shiringamazu, einem kleinen Dorf mit 22 Familien mitten im peruanischen Amazonasgebiet. Willy und Sandra Sanchez haben sich heute schon früh aufgemacht, um ihren Kakao zu ernten. Mit Eimern, Buschmessern und einer Astschere sind sie im Kanu eine halbe Stunde lang den Fluss Palcazú hi­nauf gefahren. Normalerweise gehen sie zu Fuß, aber heute begleitet sie Luis Bravo. Der technische Berater der Partnerorganisation DESCO (Centro de Estudios y Promoción del Desarrollo) besucht jede Familie im Projekt einmal im Monat. „Auf dem Feld kann ich den beiden ganz konkret zeigen, was sie verbessern können“, erklärt der 30-jährige Landwirt. Zum Beispiel, wie Willy Sanchez seine Bäume richtig pfropfen kann, um die Erträge zu steigern.

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„Ich habe schon vor einigen Jahren versucht, Kakao anzubauen“, erzählt der Kleinbauer. Das ging allerdings gründlich daneben, weil er nicht wusste, wie. „Beim ersten Mal habe ich den Samen einfach wie Mais in die Erde geworfen. Nichts passierte!“ Später pflanzte er Setzlinge, wusste aber nichts von Bodenverbesserung oder Baumpflege. „Erst jetzt lerne ich von Luis, wie man Kakao richtig anbaut und pflegt, zum Beispiel, dass ich die Bäume beschneiden muss, damit Licht einfällt.“ Seine Frau Sandra sitzt auf einem Teppich aus Bananenblättern, zerhackt die Früchte treffsicher mit der Machete und pult die Samen mit der Pulpa heraus. Die Masse kommt zum Fermentieren in die Sonne, die Schalen landen auf dem Kompost. „Wenn man es richtig macht, ist Kakao einfach anzubauen und zu verarbeiten“, sagt sie. „Es ist körperlich nicht so anstrengend, und wir können das ganze Jahr über ernten. Das hilft besonders uns Frauen.“ Zusammen mit ihrem Mann hat sie ein neues Feld angelegt: Hier wachsen junge Kakaopflanzen im Schatten von Manioksträuchern und Bananenstauden. Drei Feldfrüchte auf einem Feld – das gab es bisher noch nie! Sie geben sich gegenseitig Schatten und Nährstoffe, schützen den Boden vor Erosion und sorgen das ganze Jahr über für einen satten Magen und etwas Geld im Portemonnaie. Endlich kann die Familie etwas sparen Vor wenigen Jahren lebte die Familie noch von der Hand in den Mund. „Wir hielten Rinder, schlugen Holz und aßen hauptsächlich Maniok“, erinnert sich Willy Sanchez. Sein Großvater ging noch mit Pfeil und Bogen zur Jagd und angelte. Diese Zeiten sind aber schon lange vorbei. „Im Fluss gibt es keine Fische mehr und im Wald keine Tiere.“ Denn seit hier Rinder im großen Stil gezüchtet werden, wurden

riesige Waldflächen abgeholzt. Inzwischen hat der peruanische Staat die Heimat der Sanchez‘ zum „Kommunalen Schutzgebiet“ erklärt. Das wurde auch Zeit, denn schon jetzt sind 30 Prozent der Waldfläche verschwunden.

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Kakaobohnen und Fruchtfleisch werden in einem Sack getrocknet. Foto li.: Zu zweit geht die Arbeit schnell von der Hand.

Auch wenn die Menschen erst am Anfang eines neuen Weges stehen, haben sie doch wieder Hoffnung geschöpft. Der Kakao sichert ihnen ein solides Einkommen und schützt gleichzeitig die Umwelt. Zum ersten Mal in seinem Leben ist Willy Sanchez in der Lage, etwas Geld zur Seite zu legen. Seine Frau Sandra sagt leise: „Vielleicht kann Erin irgendwann doch noch ein Geschwisterchen bekommen.“ Constanze Bandowski ist freie Journalistin in Hamburg und reiste im Juni nach Peru.

Förderpartner

Sie machen es möglich! Dank Ihrer regelmäßigen Unterstützung als Förderpartner können wir Familien wie der von Willy und Sandra Sanchez das Handwerkszeug für ein selbstbestimmtes Leben geben. Wie in all unseren Projekten, wo es darum geht, schnell mit Überlebenshilfe zur Stelle zu sein oder langfristig Per­ spektiven zu schaffen.

Service Sie möchten mehr über Förderpartnerschaften erfahren: Pia Vadera Förderpartnerbetreuung 0228 2288-278 [email protected]

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Titelthema: Ruanda

Im Garten des Friedens wächst die Hoffnung Die Menschen im Norden Malis sind an Entbehrungen gewöhnt. Durch jahrzehntelange Spannungen zwischen Bauern und Viehhaltern ebenso wie durch immer wiederkehrende Dürren oder Insektenplagen ist ihr Alltag oft hart genug. Bisher haben sie die Krisen unter Mühen gemeistert, doch der bewaffnete Konflikt 2012 brachte für Tausende Familien eine neue Dimension des Leids. Die Welthungerhilfe unterstützt sie dabei, wieder Kraft zu schöpfen und selbst für sich sorgen zu können. Ein Garten des Friedens leistet dazu einen großen und ungewöhnlichen Beitrag. Von Andrea Düchting

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Titelthema: Mali

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Inmitten der Sanddünen der Sahara liegt Toya, ein kleines Dorf südwestlich von Timbuktu, nahe dem Fluss Niger im nördlichen Mali. Die Menschen sind auf den Fluss angewiesen, denn seine Nebenflüsse bewässern ihre Felder, sie fischen in ihm und lassen ihr Vieh an seinen Ufern grasen. Im Jahr 2012 wurde das alltägliche Leben jäh durchbrochen, als gewalttätige Rebellen in das Dorf einfielen und alle Menschen angriffen, die nicht fliehen konnten. Die 65-jährige Hadi Mahamane erinnert sich noch genau: „Auch ich versuchte zu fliehen. Aber bald ging mir das Geld aus und ich musste nach nur zwei Monaten zurückkommen. Ich ging wieder nach Hause und kümmerte mich um meine Enkelkinder. Wir wohnten zu zehnt in einem Haus und lebten von dem, was zurückgelassen worden war, und von der Solidarität unserer Nachbarn. Jeder, der einen Hammel oder einen Sack Reis überhatte, teilte mit den anderen. In den Gärten konnten wir nichts anpflanzen. Selbst wenn es den Frauen erlaubt gewesen wäre, das Haus zu verlassen, hätte ihnen doch die Motivation gefehlt. Wir waren am Leben, körperlich anwesend, aber die Angst lähmte uns. Ich habe mich nie satt gegessen, damit ich den Kindern etwas geben konnte. Aber es reichte nie aus. Sie waren schwach, also ging ich mit ihnen zum örtlichen Gesundheitszentrum. Dort sagten sie mir, dass die Kinder nicht krank seien, sondern hungrig.“ Hunger zog in die Familien ein All dies geschah, nachdem das malische Militär im März 2012 einen Staatsstreich gegen die Regierung verübte und die nördlichen Gebiete Malis unter die Kontrolle von Tuareg-Separatisten und später fundamentalistischen Re„Wir hatten weder genügend bellen gerieten. Während der neunmonatigen Belagerung des Nordens Wasser noch Lebensmittel.“ wurden die Vorräte knapp, die Bauern gaben ihre Felder aus Angst vor Angriffen auf, Nutztiere wurden gestohlen, zu niedrigsten Preisen verkauft oder starben vor Schwäche oder an Krankheiten. Das öffentliche Leben stand still. Frauen traf es besonders hart. „Die strengen Regeln der Rebellen machten uns große Angst, wir wurden gezwungen, im Haus zu bleiben. Wir hatten weder genügend Wasser noch Lebensmittel. Bei den meisten von uns gab es statt drei Mahlzeiten am Tag nur noch eine“, erzählt Fatimata Dicko aus dem Dorf Kabara. Viele Kinder waren so geschwächt, dass sie bald Durchfall oder Fieber erlagen. TauLange war es den sende Familien begaben sich auf die Flucht in den Frauen verboten, aus Süden oder in die Nachbarländer. Zwischen 70 und dem Haus zu gehen, 90 Prozent der Bevölkerung waren auf Lebensmit- um ihre Felder zu telhilfe angewiesen. In einer Region, in der sich die bestellen.

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Zurückkehrende Flüchtlinge waren erleichtert über die Hilfe mit Lebensmitteln. Foto re.: Alle packten an, um die Felder wieder urbar zu machen.

Titelthema: Mali

Ernährungslage schon vor dem bewaffneten Konflikt mehr als kritisch darstellte. Die Welthungerhilfe und ihre malische Partnerorganisation Association Malienne pour la Survie au Sahel (AMSS) gehörten damals zu den Ersten, die ihre Arbeit im Norden wieder aufnahmen. Sie versorgten Familien mit Nahrungsmitteln und unterstützten zurückkehrende Flüchtlinge und Gemeinden beim Wiederaufbau ihrer Lebensgrundlagen. Bauern und Bäuerinnen erhielten einfache landwirtschaftliche Gerätschaften und die Möglichkeit, für Lohn ihre Ländereien wieder urbar zu machen. Dies ermöglichte es ihnen, ihre Felder wieder zu bestellen und ein erstes Einkommen zu verdienen, um neues Hab und Gut anzuschaffen und während der Krise aufgenommene Kredite zurückzuzahlen. Ein wichtiger Schritt, denn rund 80 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Viele von ihnen sind Kleinbauern, die Regenfeldbau betreiben, Rinder oder Schafe züchten oder ihren Lebensunterhalt mit Fischerei bestreiten. Neben den Problemen, das Leben nach der Flucht wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen, kämpfen die Malier mit extremen Wetterveränderungen. Da nur drei Prozent der Ackerflächen entweder bewässert sind oder am Ufer des Niger liegen, sind die Erträge stark von Niederschlägen abhängig. Normalerweise sorgt die Regenzeit zwischen Juni und September für genügend Wasser im Jahr. Doch der Klimawandel macht die Niederschläge unregelmäßiger und lässt die Temperaturen steigen. Buschland und Felder werden zu Wüsten, und die Menschen müssen größte Anstrengungen unternehmen, um ausreichende Ernten einzubringen und ihre Tiere zu ernähren. Auch hier ist die Welthungerhilfe aktiv, unterstützt Familien dabei, Bewässerungsgrä-

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ben und Wasserstellen für ihre Tiere anzulegen, stellt verbessertes Saatgut zur Verfügung und schult sie in nachhaltigen Anbaumethoden. Gesundheitszentren in den Gemeinden werden bei der Vorbeugung und Behandlung von akuter Unterernährung bei Müttern und Kleinkindern unterstützt, auch Ernährungsberatung für sie und ihre Kinder gehört dazu. Die Menschen lassen sich nicht entmutigen Die schlechte Sicherheitslage wirkte sich auch negativ in anderen Regionen Malis aus. Beispielsweise ging der Handel mit Obst und Gemüse zwischen Nord und Süd stark zurück. Das bedeutet Nahrungsmittel­ engpässe aber auch Verdienstverlust für viele Familien. 2014 schienen die Zeichen endlich auf Frieden zu stehen. Mehr und mehr Menschen kehrten in ihre Heimatorte zurück. Doch Anfang 2015 verschlechterte sich die Lage ein weiteres Mal. Erneut kam es zu Gewalt, Tausende flüchteten in sichere Landesteile oder die Nachbarländer. Wieder wurden die Menschen aus ihrem Alltag gerissen, mussten Land und Vieh zurücklassen. Für die Zurückgebliebenen war das Überleben umso härter, als zu Angst und Gewalt auch noch eine verspätete Pflanzsaison kam, da der Regen spät und unregelmäßig einsetzte. Seit Mai 2015 gibt es zwar ein erneutes Friedensabkommen, doch der Norden kommt nicht zur Ruhe. Trotzdem lassen sich die Menschen nicht entmutigen. Sie kämpfen darum, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen. Ein Symbol der Hoffnung ist dabei der „Peace Garden“ am Stadtrand Timbuktus. Gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation AMSS baute die Welthungerhilfe ihn nach Jahren der Vernachlässigung wieder auf. Frauen ganz unterschiedlicher Herkunft kommen hier im Garten des Friedens zusammen, um das gegenseitige Misstrauen zu über-

Titelthema: Mali

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winden und gemeinsam Gemüse anzubauen. Das hilft ihnen, die Vielfalt ihrer eigenen Ernährung zu steigern und auch etwas auf dem Markt zu verkaufen. „Als wir begannen, den Garten wiederherzurichten, gab es nur Sand, alte und tote Bäume“, erinnert sich Zarin Yattara, die Präsidentin der Frauengruppe Alhamdouhlaye. Sie gehört zu den 460 Frauen, die den Peace Garden ganzjährig bewirtschaften. Um ihn wiederaufzubauen, wurden die Frauengruppen geschult und erhielten landwirtschaftliches Material sowie einen Lohn. „Heute essen unsere Familien wieder Gemüse. Ein Teil davon wird an Nachbarn verteilt oder auf dem Markt in Timbuktu verkauft. Unsere Kinder sind wieder besser ernährt. Sogar die Männer wollen heute Gemüse essen. Früher haben sie alles außer Fleisch und Reis abgelehnt. Mit dem Geld, das wir verdienen, können wir unsere Kinder zur Schule schicken oder Medikamente kaufen“, sagt Zarin Yattara. Mit der Gewalt kam der Hunger, und für die Familie zu sorgen fiel schwer. Fotos oben: Wie gut, dass es das Gemüse aus dem Garten des Friedens gibt. Es bedeutet vitaminreiches Essen und ein kleines Einkommen. Trainings zur Tiergesundheit und zur Herstellung und Lagerung von Futter sichern ebenso die Ernährung der Familien.

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Titelthema: Mali

Peace Garden ist es, Menschen zusammenzubringen. Frauen aller Bevölkerungsgruppen wirtschaften gemeinsam, egal ob sie Ansässige, Flüchtlinge oder Rückkehrerinnen sind. Wir kommen alle sehr gut miteinander aus und haben unsere Würde zurückbekommen. Vor allem wir Frauen haben unter der Zeit der Bedrohung und der Unfähigkeit, unsere Familien zu ernähren, gelitten.“ Von ihrem Erfolg ermutigt, hoffen die Frauen, dass sich der Geist des Peace Garden im ganzen Land verbreiten möge.

Mütter lernen in Kursen, sich und ihre Kinder gesund zu ernähren. Gemüse spielt dabei eine wichtige Rolle.

Der Garten versorgt die Märkte in Timbuktu mit Bohnen, Salat, roter Bete, Möhren, Tomaten und Kartoffeln. „In der ganzen Stadt finden Sie jetzt Gemüse aus dem Peace Garden. Sein Wiederaufbau hat die Gemüseversorgung im ganzen Bezirk verbessert“, fügt Bürgermeister Halé Ousmane Cissé hinzu. Heute ist der Garten sogar überregional bekannt. Vier Hektar Land werden hier bewirtschaftet, 42 Frauenverbände sind an der Pflege beteiligt. Aber es geht nicht nur um die Produktion von Gemüse, wie Tita Maïga lebhaft beschreibt: „Der Gedanke hinter dem

Jungen Menschen eine Perspektive geben Ein Geist, den die Welthungerhilfe stärkt, indem sie alles daransetzt, die Abhängigkeit der Menschen von Nothilfe zu beenden. Sie unter anderem mit Hilfe von verbessertem Saatgut und Nutzvieh in die Lage versetzt, ihre Lebensgrundlagen selbstständig wiederaufzubauen. Aber auch jungen Menschen eine Perspektive bietet, zum Beispiel mit beruflichen Trainings, sicheren Einkommensmöglichkeiten und Seminaren zur gewaltfreien Konfliktbewältigung. Denn es sind viele parallele Schritte notwendig, damit die Menschen in Mali wieder ein Leben in Frieden und Würde führen können. Andrea Düchting reiste als Welthungerhilfe-Mitarbeiterin im Juli nach Mali.

Länderinformation

Hintergrund Mali Mali gilt noch immer als eines der ärmsten Länder der Welt. Zwei Drittel des malischen Hoheitsgebiets macht die Sahara aus. Allein die geografischen Dimensionen stellen eine Herausforderung dar. Hunger ist weit verbreitet, und die Situation wird im aktuellen Welthunger-Index als „ernst“ eingestuft. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat keine Beschäftigung. Damit bleibt der Kampf gerade junger Menschen um angemessene Ausbildung und ein

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ausreichendes Einkommen nahezu aussichtslos. Die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag und damit unterhalb der Armutsgrenze. Im Norden stellt sich die Situation besonders schwierig dar. Politische Krisen gehen mit chronischer Nahrungsmittelunsicherheit einher. Naturgewalten wie Dürren, Sturzfluten oder Heuschreckenplagen wiederholen sich in immer kürzeren Abständen und verstärken die Verwundbarkeit der Bevölkerung.

Aus den Projekten

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Mit aller Kraft gegen den Klimawandel Als Ärmste der Armen tragen indische Fischer kaum Schuld am Klimawandel. Doch sie sind die Ersten, die mit seinen Folgen leben müssen. Als der Zyklon Aila 2009 auf die indischen Sundarbans traf, ertranken Tausende Menschen, weil sie nicht rechtzeitig gewarnt wurden. Seither bildet die Welthungerhilfe in zehn Küstendörfern FrühwarnGruppen aus und lehrt sie, mit den Folgen von Klimaextremen umzugehen – denn der nächste Zyklon kommt bestimmt.

Jetzt sitzt jeder Schritt, wenn eine Überschwemmung droht. Übungen zum Kata­ strophenschutz bereiten die Menschen vor.

Von Christina Felschen Ein dumpfer, schneller Gong schreckte Gouri Pramanik am 25. Mai 2009 aus dem Schlaf. Es klang wie der Gong, mit dem Familien in den Sundarbans die Götter anrufen. Doch die Schläge waren anders, aufgeregter. Als sie aufstand, um nachzuschauen, rannten ihr die Nachbarn schon entgegen: „Der Deich bricht!“ Gerade noch die Notunterkunft erreicht Die Warnung kam keine Sekunde zu früh. Das Wasser flutete bereits die Siedlung bis auf Fensterhöhe, doch die Bewohner schafften es gerade noch in Sicherheit. Auch Manik Gayen, der den Gong noch in der Hand trug. Als Wirbelsturm Aila heranzog, war er zum Fluss gelaufen, um den Wasserstand zu überprüfen. Geistesgegenwärtig nahm er den Gong mit – und nutzte ihn sogleich.

„Einen Sturm wie Aila habe ich noch nicht erlebt“, sagt Sahdev Sardar, der mit seiner Familie auf der Sundarbans-Insel Kaikhali lebt. „Kaum war die Sonne aufgegangen, wurde der Himmel wieder nachtschwarz. Der Sturm toste heran und brachte sintflutartigen Regen. Wir schwammen einen halben Kilometer den Deich hinunter.“ Mit letzter Kraft erreichte Familie Sardar eine Notunterkunft. Sahdevs Schwiegertöchter überlebten nur, weil sie sich an seine Söhne klammerten – sie hatten nie schwimmen gelernt. Ihre Tiere ertranken, das Haus zerbarst und die Felder waren drei Jahre lang so versalzen, dass sie keine Ernte trugen. Und doch hatten die Sardars Glück im Unglück: In den umliegenden Häusern, Dörfern und Inseln starben am selben Morgen Tausende Menschen, Hun-

Wenn die Flut kommt, warnt der Gong die Bewohner.

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Aus den Projekten

derttausende verloren ihr Land und ihre Arbeit, eine Million Menschen wurden obdachlos. „Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht.“ Sahdev blickt auf den Fluss Matla, der jetzt so ruhig daliegt. „Doch seit Aila kann ich bei Regen nicht mehr schlafen.“

Foto re.: Swami Sadananda organisiert die Katastrophenschutz-Teams. Viele Bauern schütten nun ihre Felder auf, damit sie nicht so schnell überfluten.

Die Sundarbans liegen im Ganges-Delta zwischen Bangladesh und Ostindien – dort, wo sich nach hinduistischem Glauben Lord Shivas Zopf auflöst und mit dem Meer vereint. In diesem Labyrinth zwischen Land und Meer leben dicht gedrängt viereinhalb Millionen Menschen. Die Grenzen zwischen Land und Wasser ändern sich ständig und unvorhersehbar. In den letzten Jahrzehnten bringen hier immer extremere Wirbelstürme und Überschwemmungen das

Gleichgewicht ins Wanken. Schon jetzt sind mehrere Inseln überflutet, der steigende Meeresspiegel verleibt sich bis zu 200 Meter Land jährlich ein. Umso wichtiger wird es, die schwindenden Anbauflächen besser zu nutzen. Gemeinsam mit der Welthungerhilfe legten die Bewohner deshalb Deiche an, damit das Land auch während des Monsuns nicht überflutet. Die erhöhten Felder ermöglichen nun mehrere Ernten im Jahr, vor allem von Reis und Gemüse. Durch die Entnahme des Erdreiches entstanden Teiche, die in trockenen Monaten der Bewässerung dienen sowie zur Fisch- und Garnelenzucht genutzt werden können. Nicht Verursacher, sondern Opfer sein Vom Klimawandel hat Sahdev auf Kaikhali noch nie etwas gehört. Und doch nimmt er bereits seit langem seine Folgen wahr: Sahdev hat beobachtet, dass der Monsun zu anderen Zeiten eintritt als in seiner Jugend, der Meeresspiegel steigt, Zyklone häufiger und heftiger sind und selbst die Krabben in kältere Gewässer abwandern.

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Sahdevs Familie hat kein Auto, keinen Stromanschluss, und wenn er mal nach Kalkutta fährt, nimmt er den Bus. Sein ökologischer Fußabdruck ist fast unsichtbar; in Europa hat jedes Kleinkind mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen als Sahdev in einem halben Jahrhundert. Wenn es an den Bewohnern der Sundarbans hinge, gäbe es keinen Klimawandel – und doch sind sie seine ersten Opfer. Im Ernstfall kennt jeder seine Aufgabe Die Welthungerhilfe hat bei all ihren Projekten die Folgen des Klimawandels im Blick. So unterstützt sie in den Sundarbans ihren langjährigen Partner SRAN (Sri Ramakrishna Ashram Nimpith), der die Bewohner von Kaikhali nach dem Zyklon Aila mo-

natelang unterbrachte und versorgte. Nun geht es darum, sie für solche Situationen besser vorzubereiten und auszustatten. Jeden Morgen versammeln sich junge Ernährungsberaterinnen und Agrarwissenschaftler um den Chef der Partnerorganisation SRAN, den Mönch Swami Sadananda. Mit oranger Robe und breitem Lächeln organisiert er die Teams, die bis auf die entlegenen Inseln fahren, um Familien zu beraten, wie sie den Wetterextremen besser begegnen können.

Aus den Projekten

Die Inselbewohner erhalten Schulungen im Katastrophenmanagement. In zehn Dörfern wurden Frühwarn- und Erste-Hilfe-Gruppen ausgebildet, die im Katastrophenfall die Bewohner benachrichtigen. Bei der nächsten Unwetterwarnung sind ihre Rollen klar verteilt: Gouri wird den Gongschlag übernehmen, ihre Freundin Brishaspati bläst das Sanksha-Horn. Manik wird das Erste-Hilfe-Team vor Ort leiten, das Verletzte aus Gebäuden abseilen, auf selbstgebauten Tragen transportieren und Wunden verarzten kann. Zur Sicherheit gut verpackt Sahdev Sardar ist froh, dass er es mit der Welthungerhilfe geschafft hat, Haus und Hof neu aufzubauen. Dank der landwirtschaftlichen Beratung erntet

und verdient er mit Bohnen, Bananen und Gurken nun viel mehr als früher. „Mein Sohn wollte mich überreden, in die Stadt zu ziehen”, erzählt er. „Aber als Hilfsarbeiter in Kalkutta müssten wir uns viel gefallen lassen. Hier sind wir unsere eigenen Herren und haben unser eigenes Land.“ Auf den nächsten Zyklon fühlen sie sich viel besser vorbereitet und setzen auf die Ausbildungen durch die Welthungerhilfe. „Uns wird genug Zeit bleiben, um mit Sack und Pack in Sicherheit zu flüchten“, sagt Sahdev. Ihre wichtigsten Dokumente bewahren sie dennoch immer in einer wasserdichten Kiste auf. Vorsichtshalber. Christina Felschen ist freie Journalistin und Fotografin in der San Francisco Bay Area. Ende 2014 besuchte sie die Projekte in Indien.

Auf Wetterextreme vorbereitet sein Interview mit Robert Grassmann, Klimaexperte der Welthungerhilfe Forscher erwarten für 2015 den schlimmsten ElNiño seit Jahrzehnten. Wie genau äußert sich dieses Klimaphänomen? El-Niño

zur Hungersnot kommen, sondern auch zum Ausbruch von Krankheiten wie Malaria und Cholera. Die Lebensgrundlagen vor allem der armen Menschen in den bedrohten Ländern sind gefährdet.

hat extrem gegensätzliche Auswirkungen in unterschiedlichen Teilen der Erde, manchmal sogar in einer Region. Beispielsweise soll es in Äthiopien und Kenia in diesem Jahr sehr stark regnen, wodurch es zu Überschwemmungen kommen kann, während die Menschen in Simbabwe, Malawi und Mosambik unter Wassermangel leiden.

Wie reagiert die Welt­hungerhilfe? Bereits seit Jahren fördern wir in unseren Projekten Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge. Hänge werden bepflanzt, um das Abrutschen zu verhindern und so Anbauflächen zu schützen. Flussufer werden befestigt, damit Straßen nicht überfluten und die Bewohner nicht vom Handel abgeschnitten sind. Wir schulen die Menschen im Katastrophenmanagement und bilden Frühwarn- und Erste-Hilfe-Gruppen aus. Wir können nicht das Wetter ändern, aber die Menschen auf den Ernstfall vorbereiten, sie stärken und Risiken reduzieren.

Was bedeutet das für die Menschen in ihren Projekten? Bei einem solchen Phänomen kann es nicht

nur zu Ernteausfällen und im schlimmsten Fall

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Wertvolles wie Dokumente wird in wasserfesten Kisten aufbewahrt. Foto li.: Erste-HilfeTeams lernen, kleine Verletzungen zu verarzten.

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Aus den Projekten

Sicherheit auf vier Beinen Dürren, Seuchen und bewaffnete Konflikte haben den Menschen im ugandischen Karamoja das geraubt, wovon sie lebten: ihr Vieh. Heute züchten die Familien gemeinsam mit der Welthungerhilfe erneut Ziegen – denn diese sind widerstandsfähig, brauchen wenig in der Haltung und bringen den Frauen etwas, das ihnen bislang versagt blieb: Stärke! Von Ralph Dickerhof

Ihre kleine Herde bedeutet für diese Frauen nicht nur ein Einkommen, sondern auch Würde und Stärke.

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Plötzlich sitzen sie dort, in respektvollem Abstand, dennoch ein wenig neugierig in Hörweite. Die Männer aus dem Dorf Lochoangikalei. Ihre Ehefrauen hocken im Halbkreis unter dem großen Baum auf dem Dorfplatz und erzählen. Elf Frauen, die eine Premiere eint. „Unsere Nutztiere waren immer Männersache“, sagt Alice Zachary, eine resolute Mittvierzigerin. „Und jetzt schaut uns Frauen hier an. Nun züchten wir unsere eigenen Ziegen!“ Allgemeines Kichern, eine Mischung aus Stolz und Unglaube, dass sie es tatsächlich geschafft haben. Verstohlene Blicke hinüber zu den Männern.

Karamajong, eines der 40 Volksstämme des Landes. Seine Einwohner waren noch bis vor wenigen Jahren Nomaden, die mit ihren Viehherden auf der Suche nach Weideland von Tal zu Tal zogen. Ihre Rinder, Schafe und Ziegen bildeten so etwas wie die „Sparkasse“ der Familien. Doch durch lange Trockenzeiten, Krankheiten sowie jahrzehntelange bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Clans und Stämmen verloren sie einen Großteil ihres Viehs. Die Armut ist erdrückend, jedes zehnte Kind ist schwer unterernährt. Die Kinder- und Müttersterblichkeit zählen zu den höchsten der Welt.

Lochoangikalei liegt in Karamoja, der ärmsten Region Ugandas. Hier im Nordosten lebt das Volk der

„Unser Ziegenzuchtprogramm bringt gleich eine ganze Reihe von Vorteilen“, erklärt Welthungerhilfe-

Aus den Projekten

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Mitarbeiter Julius Lwegaba. Er kennt die Umstände hier gut, denn er stammt selbst aus einem kleinen Dorf in der Nähe. „Die Tiere liefern gesunde Milch für Schwangere und junge Mütter. Darüber hinaus bieten sie ein eigenes Einkommen, neue Aufgaben – und eine kleine Sicherheit auf vier Beinen.“ Und noch einen weiteren Effekt haben die Ziegen für Alice und die anderen Frauen: Sie sind als Gruppe selbstbewusst zusammengewachsen. Mit Haltung und Vermarktung vertraut Die „Obara Oyara Woman Livestock Group“ entscheidet stets gemeinsam. Was bekommen die Tiere zu fressen, wann muss ein Arzt kommen, welche Ziegenjungen werden wann und zu welchem Preis verkauft? „Bislang hatten wir Glück mit der Aufzucht, erst vier Mal war ein Tier krank, nie etwas Ernstes. Für uns ist das ja auch alles neu“, sagt Alice Zachary. In einem zweitägigen Kurs haben sie und die anderen gelernt, was für eine erfolgreiche Zucht und Vermarktung nötig ist, von der Haltung und Pflege über Tiergesundheit bis hin zum Anbau von Futterpflanzen. Im vergangenen Jahr riss ein Leopard zwei Ziegen, deshalb sparen die Frauen jetzt auf den Bau eines schützenden Stalles. Auch wie man den baut, wissen

sie aus ihrem Kurs. Und was sagen die Ehemänner? „Oh, seit sie sehen, dass es gut für ihre Familien ist, sagen sie, dass sie schon immer dafür gewesen sind – wir lassen sie gerne in dem Glauben“, lächelt Alice.

Gesine Cukrowski hört gespannt zu, was es bei der Ziegenhaltung alles zu beachten gilt.

Ralph Dickerhof ist freier Journalist in Köln.

„Wir müssen hinschauen und handeln“ Im Juli reiste Schauspielerin Gesine Cukrowski nach Karamoja und besuchte einige der Frauen, die nun Ziegen züchten. Begegnungen, die sie tief beeindruckt haben:

Ich glaube, die größte Bedeutung für diese Frauen ist ihre veränderte Stellung in der Gesellschaft, dass sie fühlen, dass sie etwas wert sind. Als Frau ist es immer schwer auszuhalten, wenn andere Frauen weit entfernt von Gleichberechtigung sind – und was sich hier bewegt, das ist großartig. Dabei gibt es noch wahnsinnig viel zu tun. Oft ist es ja so: Alle schauen auf einen Brennpunkt und helfen nur dort. Aber in einer Gegend wie dieser hier, wo keine akute Katastrophe herrscht, da verhungern trotzdem noch Menschen. Es ist ganz wichtig, unsere Aufmerksamkeit auch auf diese Orte zu lenken. Gerade wenn man sieht, mit wie wenig Mitteln man etwas verändern kann.

Glück hätten, Ziegen zu züchten, wo es doch so einen großen Effekt hat! Ich habe schon immer Menschen hoch geschätzt, die ihren Luxus aufgeben, um für andere da zu sein. Das war auch mein Berufswunsch. Ich habe mich anders entschieden, aber mein Herz hängt sehr an dieser Arbeit. Ich bewundere jeden, der wie die Mitarbeiter der Welt­ hungerhilfe sein Leben in den Dienst der Menschlichkeit stellt.

Natürlich ist das Leben in Karamoja hart und die Menschen sind arm. Aber man spürt auch ganz viel Liebe und Freude. Da ist es toll, dass es solche nachhaltigen Projekte wie dieses gibt. Wie schön wäre es, wenn noch viel mehr Frauen das

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Aus den Projekten

David Wehinger orga­ nisiert Projekte für syrische Flüchtlinge. Foto Mitte: Lebens­ mittel und warme Kleidung lindern das Leid der Flüchtlinge. Foto re: In den kalten Monaten brauchen die Menschen noch einmal mehr Hilfe.

„Die schwersten Seiten meines Jobs“ David Wehinger arbeitet seit vielen Jahren in Gegenden, die ihm viel abverlangen. Doch emotionale Routine kommt bei dem Welthungerhilfe-Mitarbeiter nicht auf. Immer wieder gibt es Begegnungen, die ihn tief berühren. Wie bei seinem Einsatz im türkisch-syrischen Grenzgebiet, wo er die Flüchtlingshilfe organisiert. Es ist Mittwochnachmittag Anfang September. Ich bin in Mardin, einer Stadt im Südosten der Türkei, 40 Kilometer Luftlinie zur syrischen Grenze. In Mardin und der Nachbarstadt Kiziltepe unterstützen wir 1.400 syrische Flüchtlingsfamilien mit Lebensmitteln und Alltagsgegenständen wie Seife, Zahnbürsten, Waschmittel. Dazu müssen wir aus vielen Familien die ärmsten auswählen. Und genau das mache ich heute zusammen mit meiner jungen Kollegin Ronah, die selbst Flüchtling ist, und Jamal, einem engagierten Studenten aus Mardin, der Türkisch und Kurdisch spricht.

Winterhilfe Ein Großteil der Flüchtlinge in der Türkei lebt unter erschütternden Bedingungen. Die Welthungerhilfe unterstützt Familien mit Winterpaketen, die warme Kleidung, Decken und Matratzen enthalten. Ebenso erhalten sie kleine Öfen, um die kalten Monate zu überstehen.

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Solche Momente sind schwer. Zu entscheiden, wer Hilfe bekommt und wer nicht. Wir besuchen die erste Familie – aber eigentlich sind es zwei. Zehn Personen leben in zwei kleinen Zimmern. Auf dem Boden liegen Matratzen, sonst gibt es nichts, weder Möbel noch Bilder an den Wänden. Doch was ich höre, als ich mit den Männern ins Gespräch komme, sind keine Klagen. Sie hätten im Sommer Arbeit als Tagelöhner auf dem Bau gefunden und konnten ihre Familien versorgen. Nur im Winter sei es schwierig, weil es dann wenig Arbeit gebe, dann müsse bei den Läden in der Nachbarschaft angeschrieben werden. Ich bewundere diese Haltung, wo ich doch mit eige-

nen Augen sehe, unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben. Und wovon sollen sie die Schulden zurückzahlen? „Manchmal fühle ich mich ohnmächtig“ Bei der nächsten Familie, treffen wir auf eine junge Mutter mit ihren vier Kindern. Die beiden ältesten, Zwillinge, sind sieben Jahre alt. Das jüngste gerade mal zwei Monate. Die stolze Mutter hält zufrieden ihr jüngstes Kind im Arm. Doch dann beschreibt sie das Leiden ihres ältesten Sohnes. Er hat einen Hirntumor und muss sich einmal im Monat in einem spezialisierten Krankenhaus untersuchen lassen. Fünf Euro kostet die Busfahrt. Jetzt kann sie sich das Ticket nicht mehr leisten, die letzte Untersuchung musste ausfallen. Nach solchen Begegnungen geht mir durch den Kopf, dass wir als Welthungerhilfe den Menschen gerade in Notsituationen für den Moment helfen. Das ist viel wert – und doch sind wir ohnmächtig. Denn den politischen Rahmen zu verändern, der ihr Leben nachhaltig verbessert, liegt hier nicht in unserer Hand. Diese Hilflosigkeit gehört zu den schwersten Seiten meines Jobs. Dann sage ich mir jedoch, dass wir dazu beitragen, dass sie überleben. Und das ist ein gutes Gefühl.

Aktionen und Kooperationen

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„Tu Was“ – ein Jubiläum der Tatkraft und Kreativität Über eine halbe Million Euro hat die Aktions-Gruppe „Tu Was e. V.“ in drei Jahrzehnten für die Welthungerhilfe zusammengetragen. Beeindruckend sind dabei die vielen kreativen Ideen und die spürbare Freude der im Raum Stuttgart, Ludwigsburg sowie weit darüber hinaus ehrenamtlich tätigen Gruppe. „Es war uns immer wichtig, bei unserem Engagement auch Spaß zu haben – trotz eines nicht so leichten Themas“, erklärt Jürgen Dorsch. Der Gründer, Vorsitzende und Motor der Gruppe sieht darin das Motiv, warum der Kern der rund 15 aktiven Gruppenmitglieder noch immer dabei ist. Herr Dorsch, wie fing vor 30 Jahren alles an? Nach

vielen Auslandsreisen beschäftigte meine Frau und mich immer wieder die Frage, wie und wo wir in unserem reichen Deutschland sinnvoll armen Menschen im Süden der Welt helfen können. Wir haben uns umgeschaut und schließlich hat uns die ganzheitliche Projektarbeit der Welthungerhilfe überzeugt. So legten wir 1985 mit acht Bekannten und einem Stand auf der Königstraße in Stuttgart los. Wie kamen Sie auf den Namen „Tu Was“? Unsere

kleine Gruppe lebte von Anfang an vom Miteinander: gemeinsam überlegen, Projekte aussuchen, Aktionen planen. Aus den kreativen Diskussionen entstand schließlich der Name „Tatkräftige Unterstützung Welthungerhilfe Aktionsgruppe Stuttgart“. Bewusst wollten wir in der Doppeldeutigkeit Bürger zum Mitmachen auffordern: Tu Was! Was bleibt Ihnen nach drei Jahrzehnten besonders in Erinnerung? Zum einen konnten wir einen

bescheidenen Beitrag leisten, Menschen in Not zu helfen. Wir haben uns immer informiert, wo Unterstützung notwendig und unser Geld gut „angelegt“ ist. Für unser aktuelles Projekt in Haiti konnten wir viele Unterstützer mobilisieren. Zum anderen haben wir interessante und engagierte Menschen kennengelernt. Wir durften unsere Arbeit beim Fest des Bundespräsidenten in Berlin genauso vorstellen wie in der ZDF-Sendung von Dieter Thomas Heck, wir konnten mit Wolfgang Schäuble ebenso diskutieren wie mit unseren Oberbürgermeistern. Darüber hinaus gab es Begegnungen ganz anderer Art am Stand oder in der Fußgängerzone.

Für Ihr ehrenamtliches Engagement haben Sie und Ihre Frau das Bundesverdienstkreuz erhalten und so manche öffentliche und interne Anerkennung. Darüber haben wir

uns natürlich sehr gefreut. Ich möchte aber betonen, dass ich dies als stellvertretende Ehrung sehe. Mir war die Interessenvertretung der ehrenamtlichen Gruppen und Einzelpersonen immer ein besonderes Anliegen, ebenso wie Kaspar Portz von der Gruppe Bekond Aktiv. Gemeinsam haben wir die ehrenamtliche Arbeit in der Mitgliederversammlung der Welthungerhilfe vertreten und deren Anerkennung ein Stück vorangebracht.

Foto li.: Im Jahr 2000 traf „Tu Was“ Minister Wolfgang Schäuble. Jürgen Dorsch vor großem Publikum mit Dieter Thomas Heck. Am Stand erfahren Passanten über die Arbeit der Welthungerhilfe.

Weitere Informationen zu „Tu Was e. V.“ finden Sie unter www.tu-was.de

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Aktionen & Kooperationen: Philanthropie plus X

Gemeinsam gegen den Hunger und für die Umwelt Der Stiftungsfonds ÖkoHuman bündelt kleine und große Zuwendungen und stärkt mit ihnen die wichtigsten Ökosysteme der Welt. In Äthiopien schützt der Fonds gerade einen Wald, der die Ausbreitung der Sahara aufhält. Natürlich rettet das allein nicht das Klima der Welt. Aber jeder Beitrag hilft – genau wie bei ÖkoHuman. „Da helfen auch schon kleine Beträge“, sagt Marc Herbeck. „Je mehr Schultern die Projekte tragen, desto mehr können wir erreichen. Das funktioniert ganz einfach: Jeder Beitrag wird als zweckgebundene Zustiftung behandelt und erhöht den Kapitalstock des ÖkoHuman-Stiftungsfonds. Für die Projektarbeit werden nur die Zinsen verwendet. Diese machen es möglich, dass es Menschen grundlegend besser geht, dass sie auch den Wert ihrer eigenen Umwelt verstehen lernen und sich für ihren Schutz stark machen. Das eingebrachte Kapital wird nicht angetastet, es ist eine nicht versiegende Quelle der Hilfe.“ Sorgfältig werden die kleinen Setzlinge angepflanzt – ein großer Schritt für die Umwelt.

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Deshalb gibt es bei der Welthungerhilfe den ÖkoHuman-Zukunftsfonds, der Hunger und Armut überall auf der Welt bekämpft und dabei gleichzeitig den Umweltschutz fördert. ÖkoHuman setzt dabei ganz gezielt an den wichtigen Ökosystemen unserer Erde an – und jeder kann dabei helfen.

Die Wächter des Waldes Auch in Äthiopien rettet dieses Engagement vieler Menschen große Wälder, konkret den WestAmhara-Wald im Nordwesten des Landes. Er ernährt viele Familien und schützt das ganze Land vor der näher rückenden Sahara. „Wir sind die Wächter des Waldes“, erklärt Ato Sirak aus der Kooperative in Gundo voller Stolz. „Der Wald ist unser Leben, er gehört nun uns, und wir schützen ihn vor allen Gefahren.“ Das war nicht immer so; rücksichtslos hatten die Menschen die Bäume gefällt oder zur Gewinnung beispielsweise von Weihrauch ausgebeutet. Alternativen dazu hatten sie kaum.

Mehr Schultern ermöglichen mehr Erfolg „In Peru und Ecuador zum Beispiel arbeitete unser Zukunftsfonds gemeinsam mit über 1.000 indigenen Familien im Amazonas-Becken gegen die Entwaldung und ermöglichte ihnen gleichzeitig ein Leben frei von Hunger und Armut“, erklärt Marc Herbeck, der den Stiftungsfonds bei der Welthungerhilfe betreut. „Mit einem einzigartigen Wald-Management bleiben so jedes Jahr rund 25.000 Hektar Regenwald erhalten, der für den Klimaschutz unverzichtbar ist und den die Familien früher gerodet hätten.“

Die mit der Hilfe von ÖkoHuman gegründeten Kooperativen dagegen verstehen den Wald als langfristige Einkommensquelle und behandeln ihn auch so. Sie begrenzen die Rodung auf ein nötiges Minimum, forsten auf, nutzen die WeihrauchBäume schonend und erzielen trotzdem bessere Ernten. Über 90.000 Menschen profitieren inzwischen von der neuen Bewirtschaftung – und nicht zuletzt der Wald selbst. Wie ÖkoHuman ruht auch der Erfolg dieses Projekts auf vielen Schultern: Jeder Beitrag hilft.

Echter Hunger ist mehr als nur Magenknurren. Echter Hunger nimmt den Kopf gefangen. Wer echten Hunger leidet, tut alles, um ihn zu stillen. Wer um sein Überleben kämpft, denkt verständlicherweise zuallerletzt an Umweltschutz. Dabei ist gerade in landwirtschaftlich geprägten Regionen eine intakte Umwelt Voraussetzung für eine sichere Ernährung.

Aktionen & Kooperationen: Philanthropie plus X

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„Die Menschen verstehen ,ihren‘ Wald viel besser“ Yohannes Belay ist Projektleiter der Welthungerhilfe in der nordäthiopischen Region Amhara. Er ist zuständig für Ernährungssicherheit und den Schutz natürlicher Ressourcen. Der ÖkoHuman Stiftungsfonds fördert gerade ein Projekt in West-Amhara. Was genau passiert dort? Wir

arbeiten seit sieben Jahren daran, den noch intakten Wald an der Grenze zum Sudan zu sichern. Er ist wie eine grüne Mauer, die die Sahara zurückhält und ganz Äthiopien schützt. Wir organisieren in den Dörfern Kooperativen und entwickeln mit ihnen zusammen Methoden, wie sie den Wald besser nutzen und gleichzeitig schützen können. Und funktioniert das? Es ist nicht einfach, aber

anders als viele Projekte der Regierung klappt es. Seit die Menschen das Gefühl haben, dass es wirklich „ihr“ Wald ist, wird dort zum Beispiel viel weniger Holz geschlagen. Sie verstehen den Wald jetzt viel besser.

als früher. Diese sind auch sicherer vor wilden Tieren. Der Honig ist weit bekannt und sehr beliebt. Und die Weihrauch-Ernte geht in der Kooperative viel besser als einzeln. Unsere 43 Kooperativen haben einen Verband gegründet, der auch von der Regierung anerkannt ist. Jetzt sind sie nicht mehr auf die Investoren und Händler angewiesen, die die Preise gedrückt haben. Der Verband ist so stark, dass er den Weihrauch selbst exportieren kann. Glauben Sie, dass sich diese neuen Ideen durchsetzen?

Die Menschen in der Region sehen, dass es funktioniert, und wollen das auch so machen. Gerade planen wir die Einrichtung von 37 neuen Kooperativen. Die Dorfgemeinschaften verstehen, wie wichtig der Wald für sie ist. Und wenn der Wald einmal weg ist, können wir ihn nicht mehr ersetzen.

Die schonende Weihrauchernte sorgt dafür, dass die Bäume langfristig erhalten bleiben.

Was sind denn diese neuen Methoden? Eine Frauen-

gruppe hat Öfen entwickelt, die viel weniger Holz brauchen. Die verkaufen sie jetzt auch in der ganzen Region. Die Menschen bauen größere Bienenstöcke

Weihrauch Weihrauch kennen die meisten Menschen in Deutschland aus der katholischen Kirche. Auch in anderen Religionen und in der Medizin vieler antiker Hochkulturen findet er Anwendung, manchmal auch in der modernen Medizin. Die Äthiopier nutzen das Harz des Weihrauchbaumes bei ihrer aufwändigen Kaffee-Zeremonie. Die Bäume sind in ihrem Bestand stark bedroht. Je nach Alter, Größe und Zustand liegt die jährliche Harz­ausbeute pro Baum bei drei bis zehn Kilo unterschiedlicher Qualität.

Service Sie möchten sich an ÖkoHuman beteiligen? Marc Herbeck Stiftung Welthungerhilfe Tel. 0228 2288-602 [email protected]

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Aktionen & Kooperationen

Eine Woche voller Solidarität und Engagement Die Welthungerhilfe bedankt sich für den großartigen Einsatz aller Unterstützer während der „Woche der Welthungerhilfe“. Unter dem Motto „Die Welt isSt nicht gerecht! Ändern wir‘s!“ legten sie sich mit verschiedensten Aktionen ins Zeug – angefangen vom Kuchenbacken über den Spendenlauf bis hin zu Podiumsdiskussionen. „Kann eine Spende etwas ausrichten? Sie kann!“ Das war der deutliche Apell von Bundespräsident Joachim Gauck in seiner TV-Ansprache zum Auftakt der diesjährigen „Woche“. In Zeiten, in denen fast 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht seien, dürfe Hilfe nicht abreißen. Das nahmen bundesweit Hunderte Menschen wörtlich, sammelten Spenden oder engagierten sich zum Thema Lebensmittelverschwendung. Informieren und überraschen Mit den Worten: „Heute ist Welternährungstag, wir möchten Ihnen etwas schenken“, verteilte beispielsweise ein Team der Welthungerhilfe in Paderborn gemeinsam mit Aktiven des Diözesanmuseums LeFoto re.: In Niederbensmittel, die eigentlich für die Mülltonne bestimmt kassel startete ein waren. Etwa, weil sie knapp vor dem MindesthaltSpendenlauf mit tolbarkeitsdatum standen oder gerade abgelaufen walem Ergebnis. ren. Die Passanten freuten sich: „Das schmeckt alles Das Welthungerhilfe- noch wunderbar“, bekundete ein Fußgänger. Am Team rettete Lebens- Abend diskutierte ein prominent besetztes Podium, mittel vor der Müllunter anderem mit Prof. Dr. Klaus Töpfer, zum tonne und verteilte Thema „Aufessen statt Wegwerfen“.

Die Lohrer Hausfrauen hatten dem Wintereinbruch getrotzt und waren bei Dauerregen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt in der Fußgängerzone zum Spendensammeln unterwegs. Auch die Aktionsgruppe Oberhausen wagte sich trotz schlechter Wetterprognose ins Freie: An ihrem Stand verkauften sie in der Innenstadt Waffeln und Spielzeug. Die Einnahmen aus der Aktion: 600,12 Euro! Seinen ersten Spendenlauf organisierte der 19-jährige Lars Beer aus Niederkassel. Während des Laufes wurden 3.000 Äpfel an die Teilnehmer ausgegeben, die ein örtlicher Bauer gespendet hatte. Aus den Startgeldern kamen 500 Euro zusammen!

sie in Paderborn.

Auf der ANUGA, der Ernährungsmesse für Handel und Gastronomie, waren die Welthungerhilfe und ihre Unterstützer gleich mehrfach vertreten. Geschäftsführer des Backwarenherstellers Mestemacher Prof. Dr. Ulrike und Albert Detmers übergaben einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro an Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann. Die Spendensumme stammt von 200.000 Paketen BioVollkornbrot, die ab der „Woche“ verkauft werden. Auch der Frozen Yogurt-Hersteller Lycka überreichte einen Scheck: Die Firma gibt 11 Cent pro verkauftem Becher für ein Projekt der Welthungerhilfe in Mali weiter. So kamen bislang 7.500 Euro zusammen.

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Aktionen & Kooperationen

Schauspielerin Liz Baffoe war für die Welthungerhilfe auf der Culinary Stage der ANUGA im Einsatz. Sie kam mit Besuchern ins Gespräch und bot ihnen Snacks an, die eigentlich unverkäuflich waren, da die Verpackungen beschädigt oder sie falsch etikettiert waren. Sie gab Tipps, wie Lebensmittelverschwendung vermieden werden könnte: „Ich kaufe bewusst ein und überlege, was meine Familie wirklich braucht. So vermeide ich, dass der Kühlschrank überquillt und Nahrungsmittel weggeworfen werden müssen.“ Spannender Blick hinter die Kulissen Um Solidarität und Hilfe ganz anderer Art ging es am 19. Oktober in Bonn. Die Welthungerhilfe erklärte in Kooperation mit dem GoHelp-Team der Deutschen Post DHL Group die Herausforderungen internationaler Hilfe. Auf der Veranstaltung „Nothilfe – Ein Blick hinter die Kulissen“ im Bonner Post Tower erfuhren die Teilnehmer in

Vorträgen und ganz praktisch beim Bau einer Notunterkunft, wie komplex die Arbeit bei einer Katastrophe ist. Ein großartiges Versprechen eingelöst Und wie Unterstützung bei einer Katastrophe von Unternehmensseite aussehen kann, das zeigte die Thomas Cook Touristik GmbH. Sie überreichte einen Scheck in Höhe von 50.000 Euro. Damit löst das Unternehmen sein Versprechen ein, die Spendensumme der Welthungerhilfe-Kampagne zum Aufbau einer Schule nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal zu verdoppeln und Kindern wieder Unterricht zu ermöglichen. Das Bewusstsein schärfen und aktiv werden – dieses Signal sandte auch dieses Jahr die Woche der Welthungerhilfe aus. Wie ein Echo soll es sich vervielfachen: Im Kampf gegen Hunger und Armut zählt jeder Einsatz!

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Liz Baffoe reichte Leckeres – und dazu Tipps, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Foto oben li.: Kaffee und Frozen Yogurt wurden gleich auf der Bühne zubereitet. Foto unten li.: Leckere Waffeln gab es gegen Spende bei der Aktionsgruppe Leer. Friederike Grupp (Mitte) übergab Michael Hofmann und Sonja Eberle den „Grundstein“ für eine Schule in Nepal.

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Ein Zeichen für Chancengleichheit setzen Helfen hat Stil – das beweist das Unternehmen beeline mit seiner diesjährigen Benefiz-Kollektion. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft bringt beeline wieder wunderschöne Halsketten und Armbänder mit den Modeschmuck-Marken „Six“ und „I am“ auf den Markt. Der Erlös fließt in Bildungsprojekte der Welthungerhilfe. beeline-Geschäftsführer Ulrich Beckmann erklärt, warum sein Unternehmen erneut die Welthungerhilfe als Kooperationspartner wählt: „Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Mit unserem Schmuck setzen unsere Kunden ein sichtbares Zeichen für Chancengleichheit und gegen den Hunger in der Welt.“

Glückskleeblatt oder Friedenstaube? Ganz gleich, welches Schmuckstück: Es hilft, Kindern Bildungschancen zu eröffnen.

„Kaufen & Helfen“ für Kakaobauern Jährlich unterstützt die Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky die Welthungerhilfe mit ihrer Aktion „Kaufen & Helfen“. Im Oktober wa-

„Platz schaffen mit Herz“

Michael Sinn und Claudia Feltkamp (beide von OTTO) freuen sich mit WelthungerhilfeVorstand Michael Hofmann über den tollen Erfolg der Aktion.

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Das Prinzip von „Platz schaffen mit Herz“ ist simpel. Wer seine nicht mehr getragene Kleidung sinnvoll einsetzen möchte, packt sie in einen Karton und schickt diesen mit einem speziellen Paketaufkleber portofrei an OTTO. Das Schöne daran: Die Erlöse, die das Unternehmen mit Hilfe der Sachspenden erzielt, gehen an soziale und ökologische Institutionen wie die Welthungerhilfe. 66.000 Pakete wurden innerhalb eines Jahres eingeschickt. Das Ergebnis: 10.000 Euro für Projekte der Welthungerhilfe! Wir bedanken uns bei allen PaketEinsendern und natürlich bei OTTO für diese tolle Aktion, für die wir uns auch in Zukunft viele Teilnehmer wünschen.

ren diesmal über 70 Sortimentsartikel besonders gekennzeichnet. Von Naturkosmetik über Knabber-Eulen bis hin zu Apfelmark konnten die Kunden unter Praktischem und Leckerem wählen. Zehn Prozent des Verkaufspreises spendete Budni an die Welthungerhilfe – zugunsten des Dakpana-Kakao-Projektes in Sierra Leone. Budnis großzügiges Engagement ermöglicht es dort, Bauern das notwendige Wissen für den Anbau von Bio-zertifiziertem Kakao zu vermitteln und die erforderliche Infrastruktur aufzubauen. Gerade in diesem Jahr bedeutet dies eine enorme Hilfe für Familien in dem von der Ebola-Epidemie gezeichneten Land.

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Für neue Erfahrungen ausgeschwärmt Mirzo Hikmatov ist zufrieden: „Wir haben viel Interessantes erfahren und vor allem Anregungen für die Vermarktung unseres Honigs bekommen“. Der Imker aus dem tadschikischen Bergdorf Veshab war mit fünf seiner Landsleute zum Erfahrungsaustausch nach Deutschland gekommen. Weil im kargen Veshab nicht viel wächst, wovon die Menschen leben können, unterstützt die Welthungerhilfe hier Familien in der Bienenzucht. Beim Bienenlehrpfad in Dettingen stellten tadschikische und lokale Imker viel Gemeinsames fest. Doch auch Zebunniso Odil kam auf ihre Kosten. Gemeinsam mit anderen gründete sie in Veshab eine Frauengruppe für die Fruchtverarbeitung. Vor allem Aprikosen werden getrocknet, zu Marmelade oder Saft verarbeitet. Auf dem Programm stand deshalb der Besuch einer Mosterei und eines Obstgutes. Nicht fehlen durfte natürlich eine Visite beim Unternehmen FROMI in Kehl. Denn der Käse-Hersteller unterstützt das Welthungerhilfe-Projekt in

Veshab schon seit Jahren mit dem Verkauf seiner Produkte. Zum Ausklang ging es nach Bonn zu einem Treffen beim Feinkostladen „Braun’s Südländische Spezialitäten“, ebenfalls Unterstützer des kleinen Dorfes. „Die Menschen aus Veshab persönlich kennenzulernen ist etwas ganz Besonderes und natürlich großer Ansporn, das Projekt mit aller Tatkraft weiter zu unterstützen“, sagte Familie Braun beim gemeinsamen Mittagessen.

Der Besuch aus Tadschikistan war eine Bereicherung – für sie selbst und ihre Gesprächspartner.

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Panorama

Howard Carpendale

begrüßte die Belegschaft der Welt­hungerhilfe in Bonn mit: „Die Welt von heute braucht Menschen wie Sie mehr denn je“. Der südafrikanische Schlagersänger und Komponist kam für einen Tag im September zu Besuch. Bei einem Telefonat in die Türkei erfuhr er, wie schwierig die Flüchtlingsarbeit dort, in Syrien und im Norden Iraks ist. Ein Mitglied des Nothilfeteams schilderte ihm seinen Einsatz nach dem Erdbeben in Nepal. Und auch, wie viel es bei der Beschaffung von Hilfsgütern zu bedenken gibt, erfuhr er am Nachmittag. „Was wir hier tun, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Howard Carpendale zum Abschied. „Es ist mir eine Ehre, dabei zu sein.“

Mitmachen leicht gemacht:

„Reiten gegen den Hunger“:

Im September lockte Schauspieler Till Demtrøder wieder zahlreiche Prominente aus Medien, Politik und Kultur zu seinem Jagdsportevent „Cross Country“. Diesmal ertönten die Jagdhörner auf Usedom. Die stimmungsvolle, völlig unblutige Schleppjagd ging vorbei an den historischen Kaiserbädern und durch die atemberaubende Landschaft der Ostseeinsel. Rund 80 Reiter im schmucken roten Dress folgten den Hunden auf einer künstlichen Spur. Nach dem zünftigen Mittagsstopp verkündete Jagdherr Demtrœder sichtlich begeistert das tolle Spendenergebnis: 20.000 Euro kamen für die Aktion „Reiten gegen den Hunger“ zusammen, die seit vielen Jahren die Arbeit der Welthungerhilfe unterstützt. (Foto v. li.: Gudrun Bauer, Till Demtrøder, Barbara Andrae-Hartmann)

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sich für die Welthungerhilfe zu engagieren. Besuchen Sie unsere neu gestalteten Seiten zum Thema „Mitmachen“ unter www.welthungerhilfe.de/aktionen und lassen Sie sich inspirieren. Wir helfen Ihnen mit einem Klick, die für Sie passende Aktion zu finden. Gerne unterstützen wir Sie auch beim Organisieren, zum Beispiel mit Erklär-Videos und Materialangeboten. Auf der neuen Aktionslandkarte bieten wir allen Freiwilligen die Möglichkeit, mit Bildern und Texten zu berichten. Ankündigen können Sie Ihre Aktion auf unserem Veranstaltungskalender: www.welthungerhilfe.de/kalender.

„Rock gegen Hunger“: Vor rund 700 begeisterten Gästen erspielten sich die „Tomra Allstars“ den Titel „Beste Unternehmensband“ in Düsseldorf. Beim dritten „Rock gegen Hunger“ ging es den fünf teilnehmenden Bands im Wettbewerb aber nicht nur um die Ehre, sondern auch um die Ähre: Die Veranstaltung erzielte dank zahlreicher Spenden 19.500 Euro für das neue Projekt des Düsseldorfer Freundeskreises der Welthungerhilfe in Anosy auf Madagaskar.

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Panorama

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Welthunger-Index 2015:

„Genießt uns!“: Erstmals

Zum zehnten Mal haben die Welthungerhilfe, das amerikanische Forschungsinstitut IFPRI sowie die irische Organisation Concern Worldwide am 12. Oktober in Berlin und Mailand den Welthunger-Index präsentiert. Schwerpunkt in diesem Jahr ist ein brandaktuelles Thema: Die Verbindung zwischen Hunger und bewaffneten Konflikten. Insgesamt hat sich die weltweite Hungersituation seit 2000 um mehr als ein Viertel verbessert. Aber häufig sind Länder, in denen Krisen und Konflikte auf der Tagesordnung stehen, stärker von Hunger betroffen. Im Zentrum der beiden Praxisbeispiele stehen in diesem Jahr Mali (siehe Titelgeschichte S. 12) und der Südsudan (siehe Interview S. 6). Den Welthunger-Index sowie eine interaktive Karte finden Sie unter www.welthungerhilfe.de/welthungerindex. Oder bestellen Sie den Bericht unter [email protected] oder Tel.: 0228 2288-134.

vergab die Initiative gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einen Preis an kleine und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitende Industrie und Gastronomie. Drei Gewinner wurden für ihr besonderes Engagement gekürt. Die Jury um TV-Koch Christian Rach, Foodtrend-Expertin Hanni Rützler und Prof. Dr. Guido Ritter vom Institut für Nachhaltige Ernährung in Münster zeichnete am 13. Oktober den Münchener Traditionsgasthof Weisses Bräuhaus, die Bio-Bäckerei Cibaria aus Münster sowie den Kölner Erlebnisbauernhof Gertrudenhof aus (im Foto v.li.n.re.). Bei ihnen sorgen zum Beispiel der Verkauf von halben Haxen, krummem Gemüse oder die Weiterverarbeitung von nicht verkauftem Brot zu Paniermehl dafür, dass Müll erst gar nicht entsteht.

Termine 13. Dezember 2015 Die Aktionsgruppe der Welthungerhilfe „Neukirchen-Vluyn Aktion eine Welt e. V.“ lädt ab 11.00 Uhr zu ihrem traditionellen Jazzfrühschoppen mit dem englischen Musiker Rod Mason ein.

15.-25. Januar 2016 Zum elften Mal ist die Welthungerhilfe erneut im Rahmen des ErlebnisBauernhofes mit überraschenden Aktionen auf der Internationalen Grünen Woche präsent.

Impressum Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e.V. Friedrich-Ebert-Straße 1 53173 Bonn E-Mail: [email protected]

Autoren: Constanze Bandowski, Ralph Dickerhof, Andrea Düchting, Christina Felschen, Florian Kaiser, Stefanie Koop, Verena Münsberg, Daniela Ramsauer, Bettina Rühl, Laura Stillers, David Wehinger

Redaktion: Stefanie Koop (Leitung)

Gestaltungskonzept / Layout: MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH

Verantwortlich: Katharina Wertenbruch

Fotonachweis: Dominik Asbach (4), Jörg Böthling (18), Karin Desmarowitz (10/11), Ralph Dickerhof (4/22), Christina Felschen (17/18/19), Jens Grossmann (15/22), Andreas Herzau (4),

Just Films (21), David Klammer (27), Thomas Martinez (1/12/), Daniel Pilar (5/6/7/ 26), Bettina Rühl (6), Cornelius Scriba (27), Rainer Schwenzfeier (15/16), OTTO (28), Welthungerhilfe (8/9/15/20/26), Silke Wernet (18) Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Lagernummer 460-9485

2014 betrugen die Aufwendungen der Welthungerhilfe für Verwaltung, Werbung und allgemeine Öffentlichkeitsarbeit insgesamt lediglich 6 Prozent. Jährlich erhalten wir das DZI Spenden-Siegel – für unseren effizienten und verantwortungsvollen Umgang mit uns anvertrauten Mitteln.

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Deutsche Welthungerhilfe e. V. | Friedrich-Ebert-Straße 1 | 53173 Bonn Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, 76971, Entgelt bezahlt

Deutsche Welthungerhilfe e. V. Friedrich-Ebert-Straße 1 53173 Bonn Tel. 0228 2288-0 Fax 0228 2288-203 Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: [email protected]

Jetzt spenden und Perspektiven schaffen: welthungerhilfe.de

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