Jauchzet Gott in allen Landen

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Darstellende Kunst, Theater
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14. /15. NOV 2015

Jauchzet Gott in allen Landen S C H LO S S KA P E L L E

PHIL 2015/16

PROGRAMM

Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) „Les Nations“, Ouvertüre B-Dur TWV 55:B5

Ouverture – Menuet I,II – Les Turc – Les Suisse – Les Moscovites – Les Portugais – Les Boiteux –Les Coureurs

Pietro Locatelli (1695 – 1764) Concerto grosso Nr.VIII f-Moll „Pastorale”

Largo Grave – Vivace – Grave – Largo Andante – Andante – Largo Andante

Georg Friedrich Händel (1685 – 1759)

Ouverture g-Moll aus dem Oratorium „Jephta“ HWV 70 „Ah! mio cor“

Arie aus der Oper „Alcina“ HWV 34 für Sopran, Streicher und Basso continuo Pau s e

Georg Friedrich Händel

Concerto grosso op.6 Nr.5 HWV 323 Larghetto e staccato – Allegro – Presto – Largo – Allegro – Menuet, un poco larghetto

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) „Jauchzet Gott in allen Landen“

Kantate für Sopran, Trompete, Streicher und Basso continuo BWV 51

Ekaterina Kudryavtseva | Sopran Christian Höcherl | Trompete Konrad Junghänel | Dirigent

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Musik im Barock

Langweile nie dein Publikum! Gigues alla turca in Hamburg, Concerti grossi in Leipzig, italienische Opera seria in London: Die Musik des Barock ist international, und durch den regen Austausch, die Geschmäcker der Höfe, durch Notenausgaben und die örtliche Flexibilität der Komponisten verbreiten sich auch nationale Stile und Formen im Nu in Europa und werden von den kreativen Töneschmieden in den eigenen Stil integriert – und das, um die Musik farbiger, abwechslungs- und kontrastreicher zu machen. Denn das ist im Barock oberstes Gebot: Langweile niemals deine Zuhörer! Ob es sich um den Weltbürger Händel handelt, der seine Karriere in England machte, oder Johann Sebastian Bach, dem Reisen ins Ausland nicht möglich waren, der die Werke der Italiener aber in Notenausgaben studierte und einzelne Werke bearbeitete: Beide machten sich auf ihre Weise den italienischen „Geschmack“ mit seinem singenden Melos und konzertierenden Prinzip genauso zu eigen wie den pointierten Rhythmus und die Suitentanzsätze der Franzosen und den deutschen Stil mit seinem reichen harmonischen Ausdrucksgehalt. In der Instrumentalmusik entwickelten sich vor allem zwei Gattungen zum Erfolgsrezept: Das

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italienische Concerto grosso (und das formal ähnlich gebaute Solokonzert), das eine musikalische Dialogform zur Verfügung stellt, die der Instrumentalmusik zu einem ersten Höhepunkt in der Entwicklung einer von der Vokalmusik emanzipierten Sprache verhalf. Charakteristisch für die schnellen Sätze ist das rondoartige Wechselspiel zwischen dem Orchester (Tutti) und einer kleinen Solistengruppe (Concertino). Die langsamen Sätze dagegen sind formal nicht festgelegt. Prägend für sie ist aber eine kantable, innig-gefühlvolle Melodik oder ein ernster, schmerzlicher Gestus. Ganz im Sinne des „barocken Welttheaters“ kontrastieren auch in der Konzertform Weltschmerz und Melancholie die energiegeladene, quirlige Gestik und fröhliche Tanzrhythmik der schnellen Sätze. Neben dem Concerto erlangte auch die französische Orchestersuite internationale Ausstrahlung: Sie bot eine standardisierte Abfolge von echten oder stilisierten meist höfischen Tänzen. Oft wurde der Suite noch eine Ouvertüre als Eröffnungssatz vorangestellt. Besonders beliebt wurden diese Ouvertüren-Suiten oder kurz Ouvertüren in Deutschland.

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

Fantasie erwünscht

Telemanns Ouvertüren-Suite »Les Nations« Genau diese Ouvertüren-Suiten bevorzugte Georg Philipp Telemann, geboren 1681 in Magdeburg und gestorben 1767 in Hamburg. Er hat unzählige Werke dieses Genres komponiert, von denen uns allerdings nur ein kleiner Teil überliefert ist. Der seinerzeit gefeierte Komponist landete 1721 in Hamburg auf dem gefragten Posten des Kantors am Johanneum und des Musikdirektors der fünf Hauptkirchen – ein Amt, das er bis zu seinem Tode behielt. In der weltoffenen freien Reichs- und Hansestadt gab es genügend Gelegenheiten, Orchesterwerke bei Festlichkeiten mit internationalen Gästen der Stadt oder diversen Gesandtschaften aufzuführen. In einem solchen Rahmen ist vermutlich auch Telemanns Ouvertüren-Suite „Les Nations“ für Streicher und Basso continuo in B-Dur TWV 55: B5 erklungen, in der er das Experiment verfolgte, unterschiedliche Völker

rein musikalisch dazustellen. Entstehungsdatum und -grund des Werks sind unbekannt. Ihren Beinamen „Les Nations“ (Völker-Ouvertüre) erhielt sie erst in unserer Zeit. Wie so oft zeigt sich Telemann auch in dieser achtsätzigen Suite als geistreicher und humorvoller Komponist, der in Sachen deftiger Tonmalereien nie zimperlich gewesen ist und witzig und frei mit den oft so steifen barocken Tanzformen spielen konnte. Am Beginn steht eine französische Ouvertüre: Die Einleitung ist langsam, getragen, majestätisch und weist scharf punktierte Rhythmen auf. Der zweite kontrastierende Teil bewegt sich in schnellen 16teln, verzichtet aber auf das an dieser Stelle sonst übliche Fugato, sondern erscheint so ganz ohne kontrapunktischen Ehrgeiz in Gestalt

Jauchzet Gott in allen Landen

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einer vorwärtsstürmenden fröhlichen Gigue. Der Ouvertüre folgen zwei atmosphärisch gegensätzliche Menuette – ein europaweit verbreiteter eleganter Tanz zwar, aber wie schon zu Beginn möchte Telemann seine Zuhörer an den französischen Hof entführen, auch wenn er dies nicht ausdrücklich sagt.

34-mal die Tonfolge b-c-d wiederholt. Ein bisschen melancholisch bis schlecht gelaunt wirken die Russen ja schon. Vielleicht auch beschwipst vom Wodka?

In „Les Portugais“ (Die Portugiesen) geht’s dann leidenschaftlich und sehr agil zur Sache: vom feurigen, sehr emotionalen Grave im ¾-Takt zum schnellen, leichtfüßigen, gradtaktiDann wird der Komponist konkret: In vier gen Rigaudon. Tanzsätzen widmet er sich – deutlich hörbar mit einem Augenzwinkern – der Charakterisierung und Karikatur nationaler Eigenschaften. Dass Telemann das alles nicht bierernst meint, macht er in den beiden letzten Sätzen der Suite Es lebe das Klischee! Immer natürlich kunstdeutlich. Da dreht er die Frage nach den besonvoll verschmolzen mit einem gängigen Tanz. deren Eigenschaften vom Regionalen ins AllgeIn „Les Turcs“ (Die Türken) wird natürlich meine und vom Menschlichen ins Animalische der damals beliebte Sound der Janitscharenund lässt Pferde sprechen: „Les Boiteux“ (Die Militärkapellen imitiert: wild und fetzig, mit Hinkenden) und „Les Coureurs“ (Die Läufer). exotischen Klangeffekten und zuweilen galopDie Lahmen sind halt lahm, und die Fixen eben pierenden Rhythmen. Als Tanzform wählte fix. Egal, wo sie gerade leben. Telemann hier die Gigue, die zu einer Gigue alla turca mutiert, mit merkwürdiger Melodik und befremdlichen Verdrehungen. Die Schweizer („Les Suisses“) dagegen wirken gelassen bis behäbig, aber gleichzeitig auch sehr geschäftig: Die Musik changiert ständig zwischen einem schleppenden, gradtaktigen Thema und einem flinken im ¾-Takt. Sind die guten Eidgenossen etwa ein bisschen betrunken?

Georg Philipp Telemann

Die Moskowiter („Les Moscovites“) lässt Telemann kräftig die Glocken des Kreml oder diverser Moskauer Kirchen läuten – im ¾-Takt und durchweg über einem Ostinato-Bass, der

Spieldauer

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* 14. März 1681, Magdeburg † 25. Juni 1767, Hamburg

»Les Nations« O u v e r t ü r e B - D u r T WV 5 5 : B 5 ca. 19 Minuten Besetzung

Streicher, Basso continuo

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

Im Geiste Corellis Lo c a t e ll i s » W e i h n a c h t s ko n z e r t«

Sein temperamentvolles Spiel trug ihm den Namen „Il Terremoto“ (Das Erdbeben) ein: Pietro Antonio Locatelli, geboren 1695 in Bergamo und 1764 gestorben in Amsterdam, war ein bedeutender Geigenvirtuose seiner Zeit. Als Komponist hinterließ er, ähnlich wie sein älterer, berühmter Kollege Arcangelo Corelli, nur ein schmales Oeuvre aus Sonaten und Konzerten. Darin bleibt einerseits das Vorbild Corelli präsent – der 17-jährige Locatelli zog 1711 nach Rom, um dort beim Meister zu studieren, der allerdings bereits 1713 verstarb. Andererseits aber brach er mit der Tradition, wurde zum Vorreiter des modernen Virtuosentums, brachte die Geigentechnik auf ein bis dahin ungeahntes Niveau. Auch bereicherte er die Konzertform durch innovative, originelle Ideen. Schon in seinen 12 Concerti grossi op. 1, veröffentlicht 1721 in Amsterdam, erweiterte er die ConcertinoGruppe vom Terzett (zwei Violinen und Cello) zum Quartett, in das er erstmals die Viola mit einbezieht, oder gar zum Quintett (mit vier Violinen). Die Stimmenerweiterung nutzte er aber nicht zur polyphonen Auffächerung, sondern zu plastischer Klangdramaturgie mit räumlichen Effekten und Echowirkungen. Locatellis Harmonik ist kühn und komplex, er verwendet auch entlegenere Tonarten, liebt Orgelpunkte und Trugschlüsse. In seinen Concerti grossi op. 1 ist er noch ganz seinem Vorbild Corelli und dessen 12 Concerti grossi op. 6 verpflichtet. Und hier wie da steht an achter Stelle ein für die Aufführung am Weihnachtsfest bestimmtes Concerto.

Locatellis Concerto Nr. 8 „Pastorale“ in f-Moll für Streicher und Basso continuo wird eingeleitet durch ein sehr elegisches, sich in schweren Akkorden statisch fortbewegendes Largo, dem ein polyphon gesetztes, geschmeidiges Grave folgt, das in vollem, saftigen Streicherklang schwelgt. Überhaupt überwiegen in diesem siebensätzigen Konzert langsame, schwermütige, schwelgende Sätze. Für lebhafte Kontraste sorgt vor allem ein feierliches, ernstes, sich verdichtendes Vivace-Fugato an dritter Stelle, außerdem vor dem Finale ein stark kontrapunktisches, eindringliches Andante. Wie bei Corelli steht am Ende ein inniges Pastorale, schwingend und wiegend im 12/8-Takt, das himmlischen Frieden beschwört.

Pietro Locatelli * 3. September 1695, Bergamo, Italien † 30. März 1764, Amsterdam

Co n c e r to g r o s s o N r . VIII f- Moll » Pa s to r a l e « Entstehung 1782

Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt 05.09.1967, Dirigent: Kurt Masur Spieldauer

ca. 13 Minuten Besetzung

Streicher, Basso continuo

Jauchzet Gott in allen Landen

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Mehr als vielseitig

Vo k a l e s u n d Ko n z e r t a n t e s v o n H ä n d e l Als Georg Friedrich Händel 1710 erstmals in London eine eigene Oper zur Aufführung brachte, betrat er dort musikalisches Neuland. Die adelige Öffentlichkeit begann sich gerade erst für die italienische Opera seria zu begeistern. Die Entwicklung einer eigenen, englischen Operntradition war mit dem frühen Tod Purcells 1695 jäh unterbrochen worden. Händel – in Italien zum neuen Hoffnungsstern der Oper aufgestiegen – witterte seine Chancen. Seine ersten Erfolge als Opernkomponist in England waren überwältigend. Die Gründung der Royal Academy of Music 1719 in London, ein Opernhaus in Form eines Aktienunternehmens unter königlichem Patronat, tat ihr Übriges. Als ihr künstlerischer Leiter komponierte Händel in der Folge etliche Opern „nach der italienischen Art“. Aber die erfolgreichen Zeiten der italienischen Oper gingen in England in den 1730er Jahren wieder zu Ende – was auch mit dem Aufstieg des Bürgertums zusammenhing, das die italienische Oper als der bevorzugten Kunstgattung der Aristokratie und des feudalen Hofpomps ablehnte. Händels Opera seria „Alcina“ fällt schon in die Zeit dieses Niedergangs. „Alcina“, deutlich beeinflusst von der französischen Ballettoper, kam im April 1735 im neuerbauten Theatre Royal, Covent Garden, zur Aufführung. „Alcina“ ist ein Meisterwerk, Händel hier auf dem Höhepunkt seiner musikalischen Charakterisierungskunst. So zeichnet er Alcina, die selbstbewusste Zauberin, die Königin der Verwandlungen und des Eros, die ihre magischen Kräfte in den Dienst der Verführung stellt, etwa in ihrer Da-capo6

Arie „Ah! mio cor!“ im zweiten Akt als einen gebrochenen Charakter voller widerstreitender Emotionen. Alcina offenbart sich hier nicht mehr nur als selbstsüchtige Magierin, sondern auch als Liebende, deren Gefühle am eigenen Anspruch und an den gesellschaftlichen Zwängen zerbrechen. Die Streicher im ersten Teil der Arie deuten es an in zögerlichen StaccatoAkkorden und Dissonanzen: Ihre Angst vor der Einsamkeit, ihren Schmerz über den Verrat des geliebten Ruggieros und über den Verlust ihrer Zauberkräfte, die sie für die Liebe geopfert hat. Und zu schwach wirken ihre Rache-Drohungen im schnellen Mittelteil, als dass man diese noch wirklich ernst nehmen könnte. Aber auch mit derlei Meisterwerken konnte Händel einen weiteren Bankrott seiner Opernunternehmungen 1737 nicht verhindern. Er dachte ohnehin schon seit längerem an einen Genrewechsel, arbeitete an einer neuen Geschäftsidee: dem englischsprachigen Oratorium, mit dem er dann in den nächsten Jahren genauso erfolgreich wurde wie zuvor mit der Oper. So hörte man ab 1739 in Londons Theatern mehr und mehr Händel-Oratorien statt Opern. Und weil der Komponist sein Publikum auch in den Pausen bei Laune halten wollte, schrieb er 1739 innerhalb von nur vier Wochen eine Reihe von zwölf Konzerten, die Grand Concertos op. 6, die er in der Saison 1739/40 zwischen den einzelnen Teilen seiner Oratorien – darunter „Alexander’s Feast“, „Acis und Galatea“, „Saul“„ und „Israel in Egypt“ – spielen ließ. Auch

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

Händel komponierte diese zwölf Konzerte nach scharf punktierten Maestoso und einem fugierten Hauptteil, nach dem noch einmal kurz das dem Vorbild des auch in England ungeheuer populären Corellis. Die Opuszahl 6 ist also kein Maestoso aufscheint. Zufall. Hörbar wird das im charakteristischen Wechsel von Concertino (zwei Violinen und Cello) und Tutti, in lockerer Satzstruktur und Georg Friedrich Händel thematischer Einheitlichkeit, in den fugierten allegro- und sarabandeartigen langsamen * 23. Februar 1685, Halle (Saale) Sätzen. „Händel ging aber weit über Corellis † 14. April 1759, London Vorbild hinaus“, so der Musikwissenschaftler O u v e r t ü r e g - Moll au s d e m Bernd Baselt, „und verarbeitete in den op. 6 O r ato r i u m » J e p h ta « HWV 7 0 nahezu sämtliche damals beliebten und von den verschiedenen europäischen Nationalstilen Entstehung 1751 entwickelten Einzelformen zu einem GesamtUraufführung 26.02.1752, London ensemble von imponierender Einheitlichkeit“. Spieldauer ca. 5 Minuten Im sechssätzigen Concerto grosso Nr. 5 betrifft Besetzung Streicher, Basso continuo das etwa die stilisierte französische Ouvertüre mit ihrer langsamen, scharf punktierten Ein» A h ! m i o co r « – A r i e f ü r Sop r a n leitung (Satz I) und dem folgenden fugierten u n d O r c h e s t e r au s d e r O p e r Allegro-Teil (Satz II) sowie das finale französi» Alc i n a « HWV 3 4 sche Menuett (Satz VI). Entstehung 1735

Sein letztes Oratorium „Jephta“ schrieb Händel im Jahr 1751. Die Arbeit wurde immer wieder aus gesundheitlichen Gründen – einem Augenleiden, das letztlich zur Erblindung Händels führte – unterbrochen. Die Uraufführung am 26. Februar 1752 im Theater Covent Garden fand unter Leitung des Komponisten statt. Die Ouvertüre zum Oratorium, das die biblische Geschichte von Jephta behandelt, der für einen Sieg seines Heeres Gott ein verhängnisvolles Versprechen gibt, hat keinen inhaltlichen Bezug zum Folgenden. Sie ist eine traditionelle französische Ouvertüre mit einem getragenen,

Uraufführung 16.04.1735, London Spieldauer ca. 12 Minuten

Besetzung Streicher, Basso continuo

Co n c e r to g r o s s o D - D u r op. 6 N r . 5 HWV 3 2 3 Entstehung 1739

Uraufführung 26.02.1752, London

Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt 10.12.2000, Dirigent: Marek Janowski Spieldauer ca. 19 Minuten

Besetzung Streicher, Basso continuo

Jauchzet Gott in allen Landen

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Knapp, aber reich

B a c h s K a n t a t e » J a u c h z e t Gott i n a ll e n L a n d e n « Das Kantatenwerk ist die umfangreichste Werkgruppe in Johann Sebastian Bachs Schaffen. Viele Kantaten sind heute verschollen, überliefert sind über 200 Kirchenkantaten, außerdem einige weltliche, die Bach für festliche öffentliche und gesellschaftliche Anlässe wie Hochzeiten, Namenstage, Trauerfeiern komponiert hat. Während die Frühwerke dieses Riesenopus noch aus ineinander übergehenden Abschnitten bestehen, gliedern sich die späteren in geschlossene Nummern unterschiedlicher Besetzung: Konzertante Chorsätze, Choralbearbeitungen, Soloarien, Duette, Rezitative, schlichte Choräle sowie neuartige Mischformen wie Konzertsätze mit Vokaleinbau oder Kombinationen von Arie und Chor wechseln sich in unterschiedlicher Reihenfolge und mannigfachen Kombinationen ab. Natürlich wollte Bach sein Publikum auch in der Kirche bei der Stange halten und vermied jede Art von Eintönigkeit. Der Abwechslung dient auch die Idee, einer Solostimme jeweils ein Soloinstrument aus dem Orchester zur Seite zu stellen, ob Violine, Oboe oder Flöte. Bachs Vokalmusik ist deutlich aus dem italienischen Concerto-Stil erwachsen, dessen Virtuosität ohne Rücksicht auch den Sängern abverlangt wird. In seinen Kantaten offenbart sich Bach als Meister der Textausdeutung. Es gelang ihm, die zugrundeliegenden Texte – ob biblischer oder dichterischer Herkunft – in der Musik plastisch und den Ausdruck der Sprache nicht nur im Gesang 8

lebendig werden zu lassen, sondern auch die Instrumente zum ausdrucksvollen Deklamieren zu bringen. Es hat also einen tieferen Sinn, dass seine Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51 zur kleinen Gruppe der Werke gehört, die Bach tatsächlich als „Cantate“ bezeichnet hat. Warum? Er selbst unterschied diese ausschließlich mit Solostimmen besetzten Werke von den chorischen, die er üblicherweise „Concerto“ nannte. BWV 51 ist für einen Solosopran, eine Solotrompete, Streicher und Basso continuo komponiert – eine bei Bach einmalige Besetzung. Die Kantate entstand wahrscheinlich für die Liturgie am 15. Sonntag nach Trinitatis und erklang erstmals am 17. September 1730. Der Dichter des Librettos ist unbekannt. Es geht darin um jubelnden Lobpreis und Dank für Gottes Beistand. Die technischen Anforderungen an den SoloSopran und die Trompete sind sehr hoch: Die Sängerin hat Koloraturen bis zum dreigestrichenen c zu bewältigen. Überhaupt ist ihre einleitende Arie „Jauchzet Gott in allen Landen“ wie ein Solokonzert gestaltet: Sopran, Trompete und zum Teil auch die erste Violine haben gleichermaßen im Dialog mit den Orchestertutti-Ritornellen virtuose Koloraturen zu meistern. Das folgende Rezitativ „Wir beten zu dem Himmel an“ teilt sich in einen akkor-

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

disch streicherbegleiteten Abschnitt und ein nur vom Continuo unterstütztes Arioso. In der anschließenden Da-capo-Arie „Höchster, mache deine Güte“ darf der Sopran wieder durch ausdrucksvolle Koloraturen und frei sich entfaltenden Gesang brillieren, während das Orchester motiv-thematisch einheitlich für den Zusammenhalt sorgt. Im Schlusschoral fügt sich die Solostimme – schlicht: ohne die Melodie zu verzieren – ins Instrumentaltrio aus zwei Violinen und Basso continuo ein. Es folgt ohne Zäsur ein fugiertes, auf emphatische Schlusssteigerung zielendes „Alleluja“.

Johann Sebastian Bach * 31. März 1685, Eisenach † 28. Juli 1750, Leipzig

» Jau c h z e t Gott i n a ll e n L a n d e n « Kantate für Sopran, Trompete, Streicher und Basso continuo BWV 51 Entstehung

Der Bachforscher Alfred Dürr weist darauf hin, dass diese Kantate „bei aller Knappheit der Form fünf charakteristische Satzprinzipien des Barock“ vereint: „Konzert (Satz I), Monodie (II), Ostinatovariation (III), Choralbearbeitung (IV ) und Fuge (V ).“

1730

Verena Großkreutz

ca. 18 Minuten

Uraufführung

17. September 1730 in Leipzig Zuletzt von der Dresdner Philharmonie gespielt 26.12.1995, Sopran: Ute Selbig,

Trompete: Mathias Schmutzler, Dirigent: Michel Plasson Spieldauer

Jauchzet Gott in allen Landen

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Georg Friedrich Händel

A h ! m i o co r

Ah! mio cor! schernito sei! Ach! Mein Herz! Du wirst verhöhnet!

Stelle! Dei! Nume d‘amore! Ihr Sterne, Götter! Gott der Liebe! traditore! t‘amo tanto; Verräter! Ich liebe dich so sehr;

puoi lascarmi sola in pianto, Wie kannst du mich mit meinen Tränen alleine lassen, oh Dei! perchè? oh Götter! Warum?

t‘amo tanto! Ich liebe Dich so sehr.

Ma, che fà gemendo Alcina? Doch, was seufzt Alcina hier?

Son reina, e tempo ancora : Ich bin Königin, und noch ist es Zeit: resti, o mora, peni sempre, Bleib oder stirb, leide ewig, o torni a me. oder kehre zu mir zurück.

Johann Sebastian Bach

Jau c h z e t Gott i n a ll e n L a n d e n Jauchzet Gott in allen Landen!

Höchster, mache deine Güte

An Geschöpfen in sich hält,

So soll vor die Vatertreu

Was der Himmel und die Welt

Müssen dessen Ruhm erhöhen, Und wir wollen unserm Gott

Gleichfalls itzt ein Opfer bringen, Dass er uns in Kreuz und Not

Ferner alle Morgen neu.

Auch ein dankbares Gemüte

Durch ein frommes Leben weisen, Dass wir deine Kinder heißen.

Allezeit hat beigestanden.

Sei Lob und Preis mit Ehren

Wir beten zu dem Tempel an,

Der woll in uns vermehren,

Da Gottes Ehre wohnet, Da dessen Treu,

Gänzlich uns lass‘n auf ihn,

Mit lauter Segen lohnet.

Wir preisen, was er an uns hat getan. Muß gleich der schwache Mund So kann ein schlechtes Lob ihm dennoch wohlgefallen.

Was er uns aus Gnaden verheißt, Dass wir ihm fest vertrauen,

So täglich neu,

von seinen Wundern lallen,

Gott Vater, Sohn, Heiligem Geist!

Von Herzen auf ihn bauen,

Dass uns‘r Herz, Mut und Sinn Ihm festiglich anhangen;

Drauf singen wir zur Stund:

Amen, wir werdn‘s erlangen,

Glaub‘n wir aus Herzensgrund. Alleluja!

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14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

GroSSe Kunst braucht gute Freunde Wir danken den Förderern der Dresdner Philharmonie

Heide Süß & Julia Distler

Ekaterina Kudryavtseva Ekaterina Kudryavtseva wurde in St. Petersburg geboren. 2003 gewann sie den Sonderpreis Hope of Russia und den 3. Preis beim Gesangswettbewerb „Sankt Petersburg“. 2005 schloss sie ihr Studium am Rimsky-Korsakow-Konservatorium ihrer Heimatstadt mit einem Diplom in den Fächern Schauspiel, Opern- und Kammermusik ab. 2008 gewann sie den 1. Preis des Kammermusikwettbewerbs „Bernstein Nachtigall“ in Kaliningrad und den Sonderpreis für die beste Interpretation von Mozartwerken. Im selben Jahr war sie Preisträgerin des Gesangswettbewerbs „Kammeroper Schloss Rheinsberg“, bei dem sie die Partie der Konstanze („Die Entführung aus dem Serail“, W. A. Mozart) sang. 2009 / 2010 war sie mit der Partie der Donna Anna („Don Giovanni“, W. A. Mozart) im Schlosstheater Schönbrunn in Wien und als Pamina („Die Zauberflöte“, W.A. Mozart) im Musiktheater Oberlausitz (Görlitz) zu hören. An der Sankt Petersburger 12

Kammeroper sang sie die Partien der Lucia („The Rape of Lucretia“, B. Britten), Gilda („Rigoletto“, G. Verdi), Lucia („Lucia di Lammermoor“, G. Donizetti), Musetta („La Bohème“, G. Puccini) und Donna Anna. 2011 wurde ihr der „Förderpreis für junge Theaterkünstler“ der Gesellschaft der Staatstheaterfreunde in Braunschweig e.V. verliehen. Am Staatstheater Braunschweig ist sie seit der Spielzeit 2010/2011 engagiert und sang hier mit großem Erfolg Partien wie Rosina („Il barbiere di Siviglia“, G. Rossini), Merab („Saul“, G. F. Händel), Violetta Valéry („La Traviata“, G. Verdi), Virginia („Die Reise des Edgar Allan Poe“, D. Argento), Kitty („Anna Karnina“, J. Hubay), Berenice („Farnace“, A. Vivaldi), Berthe („Le Prophète“, G. Meyerbeer), Anne Trulove („The Rake‘s Progress“, I. Strawinsky), Solveig („Peer Gynt“, W. Egk) und Oscar („Un ballo in maschera“, G. Verdi).

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

Christian Höcherl wurde 1973 in Wörth an der Donau geboren. Seinen ersten Trompetenunterricht erhielt er mit 15 Jahren; schon nach kurzer Zeit konnte er erste Orchestererfahrungen im Bayerischen Landesjugendorchester sammeln. Ab 1990 erhielt er Privatunterricht bei Paul Lachenmeir, bei dem er ab 1994 auch an der Hochschule für Musik und Theater in München studierte. Sein Hauptfach schloss er 1999 bei Hannes Läubin ab. Seit 1999 – mit zweijähriger Unterbrechung 2003 bis 2005 beim Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks als stellvertretender Solo-Trompeter – ist Christian Höcherl SoloTrompeter der Dresdner Philharmonie. Daneben ist er bei den renommiertesten Klangkörpern gern gefragter Gast, darunter die Sinfonieorchester des NDR, des BR, des SWR, die Münchner Philharmoniker, die Sächsische Staatskapelle Dresden, das Bayerische Staatsorchester, das Münchener Rundfunkorchester unter Dirigenten wie Lorin Maazel, Zubin Mehta, Rafael Frühbeck de Burgos und Mariss Jansons. Als Solist trat er unter anderem mit der Dresd-

ner Philharmonie, dem Radiosinfonieorchester Pilsen z. B. in der Dresdner Frauenkirche sowie bei verschiedenen Festivals, z.B. dem RheingauMusikfestival, den Brandenburger Sommerkonzerten und bei den Festspielen MecklenburgVorpommern erfolgreich auf. Durch zahlreiche CD-Einspielungen mit oben genannten Ensembles und Orchestern ist sein künstlerisches Schaffen im In- und Ausland, u. a. Südamerika, Japan, Südkorea, China, Spanien, Italien, Griechenland und Österreich dokumentiert. Außerdem widmet sich Christian Höcherl der Kammermusik. Er musiziert in Kammermusikgruppen wie German Brass, Opera Brass, Semper Brass, Ensemble Frauenkirche und Bavarian Chamber Brass. Dass er nicht nur der klassischen Musik zugetan ist, zeigt er z.B. in verschiedenen Big Bands oder auch bei den Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten. Sein musikalisches Können und Wissen gibt er als Dozent in verschiedenen Kursen weiter. Zudem ist er bei Wettbewerben gern gefragtes Jurymitglied, z.B. beim Internationalen Blechbläser Wettbewerb Passau.

Jauchzet Gott in allen Landen

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KONRAD JUNGHÄNEL Konrad Junghänel gehört zu den führenden Dirigenten auf dem Gebiet der Alten Musik. Er begann seine Karriere als international gefragter Lautenist. Bereits während des Studiums in Köln entstanden erfolgreiche Zusammenarbeiten mit dem Countertenor René Jacobs und Ensembles wie Les Arts Florissants, La Petite Bande und Musica Antiqua Köln. Als Solist wie auch in kammermusikalischen Formationen trat Konrad Junghänel weltweit auf. Die fortgesetzte Beschäftigung mit der vokalen Musik des Barock führte Junghänel 1987 zur Gründung des Vokalensembles Cantus Cölln, das heute zu den angesehensten Ensembles dieser Art im internationalen Musikleben gehört. 14

1994 nahm er seine Tätigkeit als Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln auf. Seit über einem Jahrzehnt ist Konrad Junghänel zudem gefragter Gastdirigent im In- und Ausland, vor allem bei Opernproduktionen des Barock und der frühen Klassik. In einer Kritikerumfrage der „Welt am Sonntag“ wurde er zum besten Dirigenten der Opernspielzeit 2010 / 2011 in Nordrhein-Westfalen gekürt. Zu seinen jüngeren Erfolgen im Musiktheater gehören Produktionen u.a. an der Komischen Oper Berlin, an der Deutschen Oper am Rhein, bei den Musikfestspielen Schwetzingen und den Wiener Festwochen. Weitere Premieren u.a. in Berlin und Wiesbaden sind in Vorbereitung.

14. NOV 2015, SA, 20 Uhr und 15. NOV 2015, SO, 19 Uhr | Schlosskapelle

Die Dresdner Philharmonie im heutigen Konzert 1. V ioli n e n

V iolo n c e lli

Heike Janicke KV

Matthias Bräutigam KV

Christoph Lindemann KV

Rainer Promnitz KV

Prof. Roland Eitrich KV

Thomas Bäz KV

Marcus Gottwald KV

Juliane Kettschau KM

K o n t r ab ä ss e Benedikt Hübner KM

2. V ioli n e n Markus Gundermann

O r g e l / C e mbalo

Denise Nittel

Viola Marzin KV

Sonnhild Fiebach*

Constanze Sandmann KV Susanne Herberg KM

B r atsch e n Hanno Felthaus KV

Steffen Neumann KV

KM Kammermusiker · KV Kammervirtuos

Tilman Baubkus

* Gast ** Substitut

Sonsoles Jouve del Castillo

Jauchzet Gott in allen Landen

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Impressum

Dresdner Philharmonie Postfach 120 424 01005 Dresden Besucherservice Telefon 0351 4 866 866 [email protected] Chefdirigent: Michael Sanderling Ehrendirigent: Kurt Masur Erster Gastdirigent: Bertrand de Billy Intendantin: Frauke Roth Text: Verena Großkreutz Redaktion: Adelheid Schloemann Der Text ist ein Originalbeitrag für dieses Heft, Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin. Grafische Gestaltung: büro quer Druck: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH Preis: 2,00 € Bildnachweise Bildarchiv der Dresdner Philharmonie: 3, 9 Holger Beinhorn: 12 Marco Borggreve: 13 Stefan Schweiger: 14

Zweiklang für Ihr Lächeln Harmonie für Ihren Auftritt: Optische Misstöne wie erschlaffte Haut, fehlende Zähne oder störende Fettpolster lassen sich beseitigen. Durch unsere innovativen, risikoarmen Operationsverfahren verschwinden Spuren des Alltags oder Auffälligkeiten. Unsere Behandlungsergebnisse geben Ihnen Selbstsicherheit und Lebensfreude – Beifall wird Ihnen sicher sein.

Plastisch-ästhetische Chirurgie beim Spezialisten für Ihren Gesichts- und Halsbereich Zahnimplantate und ästhetische Zahnheilkunde

Gemeinschaftspraxis Dres. Pilling Bautzner Straße 96 01099 Dresden Telefon 0351 6588750 www.marcolini-praxisklinik.de www.marcolini-gesicht.de

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