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47

REPORT HORIZONT 36/2014

4. September 2014

www.horizont.net/report

FOTO: OLEKSIY MARK / FOTOLIA

MEDIASTRATEGIE 2015 BEWEGTBILD AGF, Agof und Google arbeiten an unterschiedlichen Standards SEITE 58

HÖRFUNK Erhebung der Radio-MA ist nicht mehr zeitgemäß SEITE 56

INTERVIEW Vivaki-COO Frank-Peter Lortz über die Macht von Google SEITE 60

MAGAZIN-CHECK Experten bewerten Innovation und Potenzial von Newcomern SEITE 64

Wem gehört der nächste Baustein?

WIE CONTENT MARKETING D I E AG E N DA D E R M E D I AA G E N T U R E N V E R Ä N D E R T 50

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48 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 ZUM THEMA

Klasse statt Masse Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Schlagwort Big Data in die Mediawelt gedrungen ist und die meisten Planer zu wahrer Sammelwut getrieben hat. „Alles ist messbar – dann lasst es uns messen“, schien das Motto. Erst allmählich zeigt sich ein Sinn hinter der Leidenschaft: Immer mehr Mediaexperten setzen sich damit auseinander, was sie mit den unendlichen Datenmengen eigentlich anstellen können. Und es stellt sich heraus: Eine ganze Menge. Richtig interpretiert geben Klickzahlen und Co nämlich viel Aufschluss über die Konsumenten. Über das, was sie gern sehen oder lesen, über das, was sie kaufen und warum. Genauso wie über das, mit dem sie lieber nicht belästigt werden möchten. Und während man einerseits geneigt ist, den Planern auf die Schulter zu klopfen und sie zu loben, weil sie endlich Struktur in ihren Datenwust bringen, und weil sie die errechneten Profile nutzen, um Werbung relevanter zu machen, schleicht sich doch gleichzeitig ein ungutes Gefühl ein: Wie war das doch mit der totalen Transparenz in Dave Eggers Roman „The Circle“? Der Umgang mit dem durch Daten erworbenen Wissen mag dort satirisch und überzogen dargestellt sein – so weit entfernt von der Wirklichkeit oder dem, was möglich ist, ist er aber nicht. Das titelgebende Unternehmen Circle, ein Konglomerat aus Google, Apple, Facebook und Twitter, verfügt natürlich über so gigantische Informationsmengen, wie sie eine reale Mediaagentur nie haben wird. Doch die Versuchung wird groß sein, in dem Spiel um die größten Datensätze weiter mitzuspielen. Aber das können Mediaagenturen nicht gewinnen. Ihr Ansinnen sollte es umso mehr sein, sich auf ihre alte Kernkompetenz zu besinnen: die Beratung für den besten Werbeplatz.

Bettina Sonnenschein Ressort Specials

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

INHALT

„Statt 30 Millionen Euro in Display Ads zu investieren, kann es sinnvoller sein, dieses Geld in den Aufbau eigener Content-Plattformen zu stecken“

Content Marketing: Die zunehmende Bedeutung von Owned Media könnte die Agenda der Mediaagenturen verändern. 50 Marketing: Immer häufiger werden Performance-Tools genutzt, um Branding-Ziele zu erreichen. 52 Mediaagenturen: Das Recma-Ranking zeigt die 14 global wichtigsten Mediamärkte und die Rolle der Netzwerke darin. 54 Hörfunk: Die MA Radio steht unter Beschuss, ihre Ergebnisse bilden die Realität nicht mehr ab. 56 Bewegtbild: AGF, Agof und Google arbeiten an unterschiedlichen Standards – je nach eigenem Interesse. 58 Interview: Vivaki-Netzwerk-COO FrankPeter Lortz über den erwarteten Aufstieg von Content Marketing. 60 Umfrage: Mediaplanung wird immer öfter vom Computer abgewickelt. Vor- und Nachteile der Automatisierung. 62 Zeitungen: Trotz anhaltend sinkender Auflagen gibt es im Tageszeitungsmarkt Trends, die Hoffnung machen. 63 Magazine: Im HORIZONT-Check bewerten Medienexperten die Zeitschrift „Flow“ als beste Neuerscheinug. 64 Know-how: Die verlagsübergreifende Markt-Media-Studie Best for Planning kategorisiert Zielgruppen. 66

HORIZONTREPORT ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien

Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Natascha Gross, Giuseppe Rondinella

FOTO: JOCHEN ROLFES

Frank-Peter Lortz, CEO von Zenithmedia und COO des globalen Netzwerks Vivaki, über die Macht von Google und die wachsende Bedeutung von Content Marketing 60

Im Fokus: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse Die Nähe der Leser zum Medium Print stellt die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) mit den Begriffen „umfassend printaffin“ (regelmäßiger, häufiger Lesekonsum von Tageszeitungen und Zeitschriften), „selektiv printaffin“ (eher sporadisches Lesen beider Gattungen) und „printabstinent“ (geringer Lesekonsum) dar. Der Fünf-JahresVergleich zeigt, dass seit 2009 der Anteil der weitgehend Printabstinenten von 15 auf 20 Prozent gestiegen ist, wohingegen die regelmäßigen Leser weniger werden. Interessant ist ein Blick auf die unter 30-Jährigen: Der Anteil derer, die kaum Gedrucktes lesen, steigt von 28 Prozent (2009) auf 33 Prozent (2014). Die Veränderung betrifft aber offenkundig insbesondere Leser der Zielgruppe mit höherer Schulbildung. Waren 2009 noch 25 Prozent printabstinent, sind es 2014 bereits 32. Der Anteil derer mit einfacher Schulbildung blieb hingegen konstant. SON

Abstinente haben kein Interesse an Politik und Wirtschaft

Zahl der Leseratten nimmt ab

Interessengebiete der unter 30-Jährigen

Angaben in Prozent

Umfassend Printaffine

Selektiv Printaffine

Lokales

86

79

Sport

86

79

Bücher

74

Wirtschaft

49

73

37

28

26

48 29

2014

Basis: Bundesrepublik Deutschland, 14-29-Jährige Quelle: AWA 2014

46

19

39

51

Angaben in Prozent

33

56

54

62

Autos

Umfassend Printaffine Selektiv Printaffine Weitgehend Printabstinente

48

69

68

66

Politik

Entwicklung der Printaffinität bei unter 30-Jährigen

Printabstinente

Basis: Bundesrepublik Deutschland, 14-29-Jährige HORIZONT 36/2014

Quelle: : AWA 2014

2009 HORIZONT 36/2014

50 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

Ja,wo laufen Ja, sie denn? S

Von Jürgen Scharrer

ie sind die beste Erfindung, seit es professionelle Werbung gibt – oder zumindest die lukrativste. Die großen Mediaagenturen fahren hierzulande seit vielen Jahren Margen von 20, 30 oder sogar 40 Prozent ein, sie sind die Cashcows der großen, global aufgestellten Werbenetzwerke. Auch gegenüber Kritik erwiesen sich die Mediaagenturen stets als ausgesprochen robust. An Anwürfen von außen fehlte es in den vergangenen Jahren nicht: Die Geschäftsmodelle seien intransparent, der florierende Handel mit Werbeinventar (Trading) zuvörderst ein Mittel zur Optimierung der eigenen Rendite, die Macht über das Wohl und Wehe von einzelnen Medien bedenklich groß. Stets wurde heftig darüber diskutiert, ob man die Mediaagenturen nicht doch mal ein bisschen an die Kandare legen sollte – und stets fanden Group M und Co Mittel und Wege, dass alles mehr oder weniger so blieb, wie es war.

die größte Finanzkraft, um immer noch ausgefeiltere Systeme zu entwickeln. Zweitens: Umso automatisierter der Einkauf von Mediainventar vonstatten geht und je günstiger die dafür notwendigen IT-Systeme am Markt zu haben sind, desto entbehrlicher wird die Arbeit von Mediaagenturen. Willibald Müller, bis Mitte 2012 bei der Mediaagentur Carat und heute bei der Strategieberatung Companion, sagte ver-

Geschäftsmodell wankt Doch diesmal könnte es ernst werden. Das tradierte Geschäftsmodell der Mediaagenturen gerät ins Wanken. Und das liegt nicht daran, dass die Kritiker nun auf einmal Gehör finden, sondern an Branchenentwicklungen, die immer mehr an Wucht gewinnen: Erstens: Marketing und Werbung gehorchen zunehmend Big-Data-Regeln. Wenn aber die Fähigkeit, Daten im großen Stil einzusammeln, Algorithmen zu entwickeln und Konsumenten in einem Ausmaß zu durchleuchten, wie es vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, dann sind die drei Unternehmen nicht zu schlagen: Google, Facebook, Amazon. Sie haben die größten Server, die leistungsstärkste IT, die meisten Daten und vor allem

gangene Woche in einem Interview mit HORIZONT: „Man merkt deutlich, dass einige Kunden die Daten- und Planungshoheit zurückgewinnen und damit wieder autonomer werden wollen – mit eigener technologischer Infrastruktur, wie zum Beispiel Adservern, Demand-SidePlattformen oder Datenmanagement-Lösungen.“ Dank der neuen Technik könnten die Werbungtreibenden „vieles wieder selbst machen und die Handelsstufe der Mediaagenturen mit ihren Margen auch umgehen“. Noch eine Spur härter ist das, was Lars Lehne sagt, seines Zeichens Manager bei Google Deutschland: „Ich bin überzeugt, dass es die Mediaagenturen in drei oder fünf Jahren in der heutigen Aufstellung nicht mehr geben wird. Die Bereiche Einkauf und Beratung werden sich voneinander abspalten.“ (HORIZONT 9/2014) Drittens: Wenn, wie alle sagen, Owned Media im Vergleich zu Paid Media immer stärker wird, hat das natürlich auch Folgen für die Mediaagenturen. Schließlich ist genau das deren Jobbeschreibung: Der Einkauf des „richtigen“ Mediainventars zum bestmöglichen Preis.

Der Trend als Freund

FOTO: MARIDAV / FOTOLIA

Wie der Siegeszug von Content Marketing die Agenda der Mediaagenturen verändert

HORIZONT 36/2014

Im Grunde haben die Mediaagenturen zwei Optionen, auf diese Entwicklungen zu reagieren. Option 1 ist, sich auf ihre Beratungskompetenz zu konzentrieren und die Paid-Fahne hochzuhalten. Die Message an die Kunden wäre: Owned Media wird niemals in der Lage sein, klassische (bezahlte) Werbung zu ersetzen. Da die Anzahl der Kanäle, die werbevermarktet werden, immer größer wird, wird auch die Arbeit der Mediaagenturen immer komplexer und unverzichtbarer. Die zweite Option besteht darin, sich den Trend zum Freund zu machen. Das gilt vor allem für den Aufstieg von Owned Media, von dem noch keiner weiß, ob er in den nächsten Jahren massiv an Schwung gewinnt oder sich womöglich als Modethema erweist, dem aktuell zu viel Bedeutung beigemessen wird. Die Mediaagenturen scheinen sich entschieden zu haben, und das erstaunlich eindeutig – und zwar für Lesart 2. Worum es zunehmend gehe, sei „valuable consumer experiences“ zu schaffen, also wertvolle Konsumentenerfahrungen, sagt Frank-Peter Lortz, COO des Mediaagentur-Netzwerks Vivaki und einer der einflussreichsten Vertreter seiner Zunft (Seite 60). Lortz ist komplett davon überzeugt, dass Content Marketing „in den nächsten Jahren massiv an Bedeutung gewinnen wird“ und man gerade erst „am Anfang einer tiefgreifenden Entwicklung“ stehe. Auf die Frage, ob der Siegeszug von Content Marketing zulasten von bezahlter

4. September 2014

Werbung (Paid Media) gehen werde, antwortet er: „Ja, auf jeden Fall.“ Lortz ist kein Bilderstürmer, sondern repräsentativ für ein neues Denken, das weite Teile des Marketings und eben auch der Mediaagenturen erfasst hat. Aufhorchen ließen jüngst Aussagen von Andreas Bölte, dem scheidenden Deutschlandchef von Dentsu Aegis. In einem Interview mit HORIZONT erzählt Bölte, wie der neue Mutterkonzern Dentsu in Asien schon seit Jahrzehnten als Käufer von Sportund Musikrechten unterwegs ist und sich an internationalen Filmproduktionen beteiligt und dass das, und hier wird es spannend, doch auch ein Modell für Deutschland sein könne. Keine große Überraschung wäre auch, wenn WPPChef Martin Sorrell demnächst die Übernahme eines Contentproduzenten bekannt gäbe. Die Mediaagenturen wären dann endgültig angekommen in der schönen Welt des Content Marketing. Vielleicht ist der Weg, den die großen Mediaagentur-Networks gerade einschlagen, ja tatsächlich die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen. Eines ist er aber ganz sicher: hoch riskant. Die Mediaagenturen begeben sich auf ein Terrain, auf dem sie es mit ganz neuen Wettbewerbern zu tun bekommen: mit Corporate-Publishing-Agenturen (die sich heute gerne als Content-MarketingAgenturen bezeichnen und auch entsprechend aufstellen), mit Digitalagenturen und nicht zuletzt mit Kreativagenturen.

Riskante Strategie Dass Mediaagenturen zu den Helden des Content Marketing werden können, bezweifeln viele. So wie Peter Figge, CEO von Jung von Matt, die nach wie vor als Kreativhochburg gilt. Figge hält das Argument, dass Mediaagenturen über die tiefsten Consumer Insights verfügten und es bei Content Marketing viel mehr um Media-Expertise als um kreative Exzellenz geht, für wenig überzeugend: „Ich kann bei vielen Mediaagenturen systembedingt keine herausragende konzeptionelle Stärke erkennen. Die meisten sind getrimmt auf Einkaufseffizienz. Wenn es aber um eine vertiefte Expertise bei der Verbindung verschiedener Kanäle und der sinnvollen Vergleichbarkeit von Key Performance Indicators (KPI) geht, ist da nicht viel.“ (HORIZONT 18/2014) Gleichzeitig rüsten klassische Werbeagenturen wie Jung von Matt ihrerseits beim „transmedialen Storytelling“ auf. Im Grunde befinden sich die Mediaagenturen in einer strategischen Klemme, die die Verlage seit Jahren quält. Die haben ein äußerst margenträchtiges Kerngeschäft und ein deprimierend margenschwaches Neugeschäft. Die Frage ist: Soll man weiter in das Kerngeschäft Print investieren obwohl es weiter schrumpft? Oder soll man alles auf die Karte Digital setzen obwohl nur sehr viel bescheidenere Renditen drin sind? Die Verlage haben jahrelang den Fehler gemacht, Print totzureden. Die Mediaagenturen wären gut beraten, nicht den gleichen Fehler zu begehen, indem sie allzu lautstark in den Abgesang auf Paid Media einstimmen.

52 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

Daten machen Marken Stumpfes Targeting war gestern, immer häufiger wird Big Data auch dafür eingesetzt, Brandingziele zu erreichen

Wer viele Daten über seinen Kunden hat, kann damit nicht nur den Abverkauf ankurbeln. Richtig eingesetzt können damit auch Brandingziele verfolgt werden

Von Bettina Sonnenschein

D

ie Technik macht den Job: Sie sammelt Daten, führt sie zusammen, entscheidet, was damit gemacht wird. Vor dem Rechner sitzt dazu ein mathematisch ausgebildeter Planer, der mit ein paar Klicks Befehle erteilt. Auf die Frage, ob für diese Arbeit denn noch Kreativität vonnöten sei, antwortete Iain Jacob, Mitglied des Global Board der Starcom Mediavest Group, kürzlich im HORIZONT-Interview (35/2014): „Es geht nicht darum, möglichst viele Daten zu verarbeiten. Sondern darum, sie zum Sprechen zu bringen.“ Die Daten zum Sprechen bringen – das scheint seit geraumer Zeit auch der Anspruch vieler auf Datenmanagement spezialisierter Agenturen, die sich plötzlich ihrer kreativen Fähigkeiten rühmen. Das Interessante daran: Es geht ihnen nicht nur um das beliebte „Alles aus einer Hand“. Vielmehr wollen sie beweisen, dass mit ihren Werkzeugen nicht nur Performance-Ziele erreicht werden, sondern diese auch auf die Marke einzahlen. „Ein guter Teil des Wachstums im Performance-Bereich entfällt auf Markenbildungsmaßnahmen“, sagt Christian Kohn, Executive Managing Director Performics, einer auf Performance Marketing und Daten spezialisierten Agentur unter dem Dach von Zenith Optimedia. Suchmaschinenmarketing, das auf die Marke einzahlt? Ein vorderer Platz bei Google und schon steigen die Imagewerte? Das klingt weder sonderlich kreativ noch überzeugend. Henning Ehlert, Geschäftsführer von Jom Jäschke Operational Media, will den Gedanken dennoch nicht so einfach beiseite wischen. Er entwirft den fiktiven Fall, dass ein Unternehmen den Abverkauf steigern möchte und im Onlinebanner mit 60 Prozent Rabatt wirbt: „Das funktioniert sicher zunächst nur aus Performance-Perspektive gut. Aber dann gibt es schließlich auch den Ropo-Effekt – Research online, purchase offline –, die Wechselwirkung zwischen Online- und Offline-Kanälen. Und schon spielt das Thema Marke eine wichtige Rolle.“ Hier das Gleichgewicht zwischen Sales und Markenbild auch durch Performance Marketing zu wahren, es „in Nuancen zu verschieben, ohne das Gesamte aus den Augen zu verlieren“, sei durchaus eine kreative Herausforderung.

Die Zusammenführung von Performance und Kreation ist also durchaus sinnvoll, mindestens aber der intensivere Dialog zwischen Daten- und Kreationsspezialisten. Obwohl sich auch hier die Frage stellt: Hat es den denn bislang nicht gegeben? „In der Praxis findet er tatsächlich zu selten statt“, sagt Ehlert und gibt zu, dass die Beteiligten vielleicht zu häufig

noch in ihren eigenen Interessen verhaftet sind. „Das macht es auch für den Kunden nicht immer einfach.“ Kann es aber sein: Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer Mediascale und absoluter Liebhaber von Performance Marketing, ist überzeugt, dass sein Daten-Werkzeug beide Disziplinen zusammenführt: Es erlaubt, jeden Baustein einer Online-

Ingo Kahnt, Newcast, und Christian Kohn, Performics

„Es geht um Markenerlebnisse – Inspired by Data Ingo Kahnt, Senior Managing Partner Newcast, und Christian Kohn, Executive Managing Director Performics, über Daten und Content Agenturen Newcast und Performics unter dem Zenith-Optimedia-Dach so eng zusammenarbeiten. Daten und Inhalte gehören zusammen.

Immer mehr datenorientierte Dienstleister schreiben sich auch Markenführung und Kreation auf die Fahne. Ist abverkaufsorientiertes Performance Marketing am Ende seiner Möglichkeiten angekommen? Christian Kohn: Im Gegenteil. Performance Marketing wächst über Abverkaufswerbung hinaus. In der Kommunikation spielen unternehmenseigene Inhalte, also Owned Media, eine zentrale Rolle. Um diese Inhalte an die Zielgruppe zu bringen, werden immer häufiger Performance-Instrumente eingesetzt. Sie helfen, Branding-Leistungskennzahlen zu erfüllen.

Wenn Daten die Kreativen inspirieren können, werden umgekehrt auch die Dataanalysten kreativ? Kohn: Der Umgang mit Daten erfordert insofern eine gewisse Kreativität, als wir uns überlegen müssen, wie wir sie wirklich clever einsetzen können. Erheben können wir viel, aber man braucht eine Idee, wie eine Kampagne mit den richtigen Daten besser werden kann.

Image lebt nicht zuletzt von der kreativen Idee. Aber hat die Idee im Datendschungel überhaupt eine Chance? Ingo Kahnt: Sicher, aber auch der Erfolg von Imagewerbung muss sich heute an klar definierten Leistungswerten messen lassen. Im Klartext: Auch Kreationen müssen performen. Es geht darum, Markenerlebnisse zu schaffen – Inspired by Data. Das ist auch das Motto, unter dem unsere

Und wie wird sie besser? Kahnt: Wir haben zum Beispiel auf der Basis von Wetterdaten Kampagnenmotive automatisiert ausgesteuert. Wenn es regnet, kommt der Indoor-Spot mit Kuschelfaktor, bei schönem Wetter die Outdoor-Variante. Wir haben auch schon Kampagnen mit Pollenflugprognosen synchronisiert. All das hilft, um für die Zielgruppe die Relevanz zu steigern.

kampagne – Preis, Text, Produkt, Bild – in Echtzeit zu modifizieren. Und das bedeutet eben nicht nur, dass etwa Schuhe bei ausverkauften Größen gar nicht mehr beworben werden, sondern auch, dass nicht jeder potenzielle Konsument einen Schuh zu sehen bekommt, sondern vielleicht ein Markenlogo. „Was weiß ich über den Nutzer?“, ist die Frage, die vor der Ausspielung steht. Auf die datenbasierten Antworten kann dann kreativ reagiert werden: Wo ein umweltbewusster älterer Autofahrer die ökologischen Neuerungen des Fahrzeugs präsentiert bekommt, wird einem Jüngeren möglicherweise die Sportlichkeit des Modells schmackhaft gemacht. Dieselbe Reisedestination kann mit unterschiedlicher Kreation für Pauschalbucher, Singles in Partylaune oder Familien präsentiert werden.

V

oraussetzung ist, dass sich die Kreativen auf das Tool einlassen, was laut Bscheid oft eine Hürde darstellt: Zu groß ist die Angst, von der Technik in der eigenen Freiheit eingeschränkt zu werden. Der Onlineexperte versucht zu überzeugen: „Am Ende ist es zweitrangig, ob ich gerade ein Produkt oder eine Marke darstellen will. Was zählt, ist: Je näher ich mit der Präsentation an die Lebenswelt des Users herankomme, desto besser.“ Dem mag Dirk Kraus, Gründer und CEO des Mobile-Advertising-Unternehmens Yoc, zwar nicht widersprechen. So ganz einleuchten will ihm aber nicht, wo der innovative Ansatz ist: „Als Yoc vor 13 Jahren die ersten Gewinnspiele über SMS aufs Handy gebracht hat, haben wir eine Gillette-Kampagne sinnvollerweise auch nur an Männer ausgeliefert“, sagt er, wenngleich er zugibt, dass die Aussteuerung heute deutlich filigraner funktioniert. Im Vergleich zu früher bietet Kraus’ Unternehmen heute praktisch keinerlei Kreation mehr an nach der Maxime: „Es ist sinnvoll, sich auf das zu konzentrieren, was man am besten kann.“ Auf der anderen Seite sei man bei Yoc gerade mit Brandingkampagnen, errechnet durch Targeting und ausgespielt auf Mobile, besonders erfolgreich. Sich aller Tools zu bedienen, die heute vorhanden sind, um sowohl Performance als auch Image zu forcieren, sei natürlich angebracht. Die Daten zum Sprechen bringen – wenn Kraus darüber nachdenkt, findet er den Gedanken durchaus charmant.

54 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

In den USA spielt die Musik

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

USA unangefochtene Übermacht Top-14 Mediamärkte 2013

Laut Recma-Ranking entfallen auf die Top-14-Märkte 81 Prozent der globalen Mediabillings – das sind rund 339 Milliarden US-Dollar

in Mrd. US-Dollar

Platz

Land

1

USA

2

China

3

Großbritannien

4

Deutschland

5

Frankreich

6

Russland

6

Australien

8

Italien

8,6

9

Kanada

8,4

10

Indien

11

Spanien

6,0

12

Niederlande

5,9

13

Mittlerer Osten

14

Mexiko

141,0 27,0 26,1 25,5 19,2 10,0 10,0

6,8

5,8 3,5

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand: Juni 2014

D

Von Elke Jacob

ieses Frühjahr konnte die Branche beobachten, wie kläglich die geplante Fusion der beiden Agenturholdings Omnicom und Publicis gescheitert ist. Doch das war sicher nicht der letzte Versuch einer international operierenden Agenturgruppe, sich mit einem Wettbewerber zusammenzuschließen. Vor allem der Druck im Mediabereich, der sowohl in Deutschland als auch global von der

Kopf-an-Kopf-Rennen Holdings in den 14 größten Mediamärkten Rang

Marktanteil Billings 2013 Veränd. zu 2012 2013 in Prozent in Mrd. US-Dollar in Prozent

Gruppe / Holding

1

Group M / WPP

26,7

81,35

12,4

2

Publicis Media Groupe

24,0

73,00

13,9

3

Omnicom Media Group

14,2

43,19

11,6

4

Dentsu Aegis Network

11,3

34,27

16,5

5

Mediabrands / IPG

9,1

27,77

11,4

6

Havas Media

4,7

14,16

3,8

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014

HORIZONT 36/2014

Londoner WPP-Holding dominiert wird, setzt die kleineren Player weiter unter Druck. Schon wenige Wochen nach dem geplatzten Merger von Omnicom und Publicis schossen deshalb Gerüchte ins Kraut, dass die New Yorker InterpublicHolding mit ihren Medianetzwerken Initiative (IM) und Universal McCann (UM) der nächste Übernahmekandidat sei. Seit Jahren wird über deren Zukunft spekuliert, passiert ist bislang aber nichts und die neuerlichen Gerüchte sind längst wieder verstummt. Bei einer Elefantenhochzeit auf dem internationalen Parkett gibt es viele Parameter, die abseits der schieren Größe eine Rolle spielen. Mit am wichtigsten sind inzwischen die Kompatibilität im digitalen Sektor und die Aufstellung der Gruppen in den einzelnen Wirtschaftsregionen. Im Idealfall ergänzen sich die neuen Partner in diesen Bereichen. Dass solch ein Deal nicht immer billig ist, zeigt die Übernahme der Londoner Aegis Group mit ihren Medianetzwerken Carat und Vizeum, die im Frühjahr 2013 für 4 Milliarden US-Dollar von der japanischen Dentsu-Gruppe aufgekauft wurde.

HORIZONT 36/2014

Ein hoher Preis, aber ein Blick auf die regionalen Auswertungen des Pariser Recma-Instituts zeigt, dass sich das neu formierte Dentsu Aegis Network (DAN) damit unter die drei größten Agenturgruppen in Asien katapultiert hat. Im weltweiten Vergleich, der sich bei Recma auf 62 Märkte bezieht, liegt DAN mit 11,5 Prozent Marktanteil zwar noch deutlich hinter dem Weltmarktführer Group M von WPP zurück, kann aber den Anschluss an die drei größten Mediaagenturgruppen halten. Mediabrands, unter deren Dach Interpublic seine beiden Netzwerke IM und UM sowie in den USA die dritte Agenturmarke BNP bündelt, könnte DAN nur im Verbund mit der letztplatzierten Havas Media überholen.

D

er aktuelle Recma-Report über die Verteilung der Billings auf die einzelnen Medianetworks im Jahr 2013 liefert aber nicht nur die globalen Kennziffern, sondern nennt auch die nicht minder interessanten Mediainvestitionen in insgesamt 13 Regionen. Daran wird deutlich, dass der Löwenanteil von rund 304 Milliarden Euro allein auf die

Top-14-Märkte entfällt. In diese Länder fließen 81 Prozent des weltweiten Mediavolumens in Höhe von rund 339 Milliarden Dollar. Spitzenreiter sind nach wie vor die USA, wo die Medianetzwerke im vergangenen Jahr 141 Milliarden Dollar betreut haben. Klarer Marktführer ist hier die Pariser Publicis Media Groupe, deren Agenturgruppe Starcom Media Vest mit 13,4 Prozent den größten Marktanteil in den Top 14 erreicht und auch Marktführer in den USA ist. In China, dem zweitgrößten Mediamarkt der Welt, hat wiederum Group M die Nase vorn. Das gilt auch für Indien, das zweite asiatische Land, das zu den Top 14 gehört. Doch selbst zusammen mit Russland, das wie China und Indien zu den boomenden Wirtschaftsregionen gehört, bleiben die dortigen Mediainvestitionen noch deutlich hinter Westeuropa zurück, wo sechs Länder zu den Top 14 gehören. Trotz der anhaltenden Finanzund Wirtschaftskrise in Spanien und Italien betreuten die Medianetzwerke in diesen sechs Ländern im vergangenen Jahr ein Billingvolumen von insgesamt 91,2 Milliarden Dollar.

Starcom Media Vest führt in den Top 14 Märkten

Mediatöchter von Publicis dominieren in den USA

Top 15 Networks weltweit

Marktanteile in den Top 14 Ländern (in Prozent)

Rang

Marktanteil 2013 Billings 2013 in Prozent in Mrd. US-Dollar

Medianetwork

Gruppe / Holding

1

Starcom Media Vest

Publicis

13,4

40,61

2

OMD

Omnicom

10,7

32,58

3

Zenith Optimedia

Publicis

10,6

4

Mindshare

Group M / WPP

5

Carat

Dentsu Aegis Network

Veränd. zu 2012 in Prozent

USA

19,8

30,0

14,2

7,6

11,3

10,7

Kanada

24,5

20,4

20,4

10,9

11,7

1,5

32,38

8,3

8,7

26,52

11,7

Mexiko

24,4

20,3

4,9

7,2

11,4

30,7

8,6

26,27

21,7

Großbritannien

42,5

16,2

14,8

15,4

5,5

3,7

Deutschland

39,1

9,0

15,3

13,0

6,5

3,8

Frankreich

19,5

23,9

10,0

18,9

3,1

20,8

Italien

40,2

19,8

11,0

16,6

4,2

3,8

Spanien

18,8

23,5

7,3

19,3

3,7

26,1

Niederlande

38,7

11,0

8,1

13,0

23,6

5,7

Russland

17,6

19,5

25,0

17,8

6,5

7,0

Mittlerer Osten

25,4

28,1

14,6

4,4

19,4

3,7

Indien

41,1

12,6

9,4

3,7

13,5

4,2

China

36,5

27,6

15,1

14,1

1,8

1,2

Australien

29,3

13,7

16,3

19,7

15,8

Mediacom

Group M / WPP

7,8

23,69

8,4

MEC

Group M / WPP

6,9

20,87

13,6

8

Universal McCann

Mediabrands / IPG

4,9

14,91

11,0

Havas Media

Havas

4,7

14,16

3,8

Initiative

Mediabrands / IPG

3,6

10,98

10,5

11

PHD

Omnicom

3,4

10,39

14,2

12

Maxus

Group M / WPP

3,1

9,37

12,9

13

Vizeum

Dentsu Aegis Network

2,0

5,97

8,7

14

BPN

Mediabrands / IPG

0,4

1,20

55,7

15

Dentsu Media

Dentsu Aegis Network

0,3

0,81

–0,5

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014

Havas Media Group

18,9

6

9

Dentsu Aegis Mediabrands Network

Group M / WPP

7

10

Publicis Omnicom Media Groupe Media Group

Land

HORIZONT 36/2014

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014

2,3

– HORIZONT 36/2014

HORIZONT 36/2014

REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 55

4. September 2014

25,5 Milliarden US-Dollar entfallen auf Deutschland, das nach den USA, China und Großbritannien der viertgrößte Mediamarkt der Welt ist. Hierzulande hat bekanntlich Group M mit 39,1 Prozent den mit Abstand höchsten Marktanteil und liegt seit Jahren uneinholbar vorn. Insgesamt spielt also nach wie vor in14 Kernmärkten die Musik, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Mediaagenturen ihre internationalen Kunden auch in den anderen Regionen in der gleichen Qualität bedienen müssen. Im Hinblick auf die Marktanteile in den weltweiten 13 Wirtschaftsregionen, die von Recma ausgewertet wurden, weist die WPP-Tochter Group M noch immer die ausgewogenste Verteilung auf. Bei den

beiden kleinsten Agenturgruppen Havas Media und Mediabrands, der Dachorganisation für IM und UM von Interpublic, tun sich indes Lücken auf.

D

as gilt zum Beispiel für den pazifischen Raum mit Australien, aber auch für Nordeuropa und das Baltikum, Nord- und Lateinamerika sowie den Raum „Middle East & Africa“. In diesen Regionen würde sich Havas Media, das durch seine spanischen Wurzeln traditionell stark in den lateinamerikanischen Märkten aufgestellt ist, durchaus mit der US-geprägten Mediabrands von Interpublic ergänzen. Im Falle einer Fusion würde die Zahl der weltweit operierenden Mediaagenturgruppen erneut re-

duziert, es blieben nur noch fünf übrig. Sie stehen Tausenden Werbekunden mit zum Teil weltweiten Mediabudgets gegenüber. Wettbewerbskonflikte innerhalb einer Agenturgruppe gehören mittlerweile aber zum Tagesgeschäft. Entweder akzeptiert ein Werbungtreibender, dass weitere Konkurrenten aus seiner Branche von derselben Gruppe oder sogar demselben Network betreut werden. Oder er ist groß genug und bekommt eine exklusive Agentur oder zumindest Unit. Ein klarer Trend in diese Richtung lässt sich allerdings nicht ausmachen, denn nach wie vor gibt es internationale Werbekunden, die sich je nach Region für das Medianetzwerk entscheiden, das schlicht am besten zu ihnen passt.

Globale Player

Asiatischer Markt ist fest vergeben

Marktanteil der Mediaagentur-Gruppen in 62 Ländern 2013

Marktanteile der Mediaagenturgruppen in 15 Regionen weltweit (in Prozent) in Prozent

Independents 9,6 Havas Media Group 4,7

Group M 27,9

Mediabrands

Dentsu Aegis Network

9,5

11,5

22,2 Omnicom Media Group

Publicis Media Groupe

14,6

Region

Group M/WPP

Publicis Omnicom Media Groupe Media Group

Dentsu Aegis Mediabrands Network

Havas Media Group

Nordamerika

20,1

29,5

14,6

7,8

11,3

2,3

Lateinamerika

22,9

21,1

12,1

4,8

13,2

23,3

EMEA

32,2

15,5

15,2

14,6

8,0

7,1

Top 5 in Europa*

34,4

16,7

12,9

15,9

5,0

9,2

andere westeurop. Länder

32,6

8,7

12,3

12,8

15,1

6,3

Nordeuropa & Baltikum

32,5

7,8

21,1

19,7

8,6

0,8

Zentraleuropa

38,3

18,5

18,0

6,1

7,6

4,4

Südosteuropa

25,4

15,1

18,7

8,2

12,1

3,2

Osteuropa/Russland

18,2

19,9

24,3

17,9

6,9

6,7

Mittlerer Osten & Afrika

28,6

20,6

18,8

6,8

19,1

2,2

APAC Asien-Pazifik

36,6

20,6

13,7

14,4

8,1

2,0

Südasien/Indien

41,1

12,6

9,4

3,7

13,5

4,2

Südostasien

44,0

17,5

7,2

14,8

9,0

4,3

Nordasien/China

35,8

25,4

15,2

15,2

4,2

1,3

Pazifik/Australien

28,5

14,3

18,5

17,7

15,7

0

62 Märkte gesamt

27,9

22,2

14,6

11,5

9,5

4,7

* Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand: Juni 2014

HORIZONT 36/2014

Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014

HORIZONT 36/2014

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56 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 Von Guido Schneider

R

adio hat es nicht eilig, dem Medienwandel zu folgen – dieser Eindruck drängt sich mit Blick auf seine Nutzungserhebung auf. Denn diese besteht im Kern immer noch aus der erinnerungsgestützten Befragung über das Festnetz und droht damit aus der Zeit zu fallen. Schließlich sieht die Medienwelt heute anders aus als 1999, dem Jahr, als die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) die telefonische Befragung nach CATI-Verfahren zum Standard erkor. Vor allem jüngere Menschen sind nur noch schwer über ein Festnetztelefon erreichbar. Doch die Radio-MA hat bislang eher widerwillig auf diese Umbrüche reagiert. Immerhin will sie demnächst Reichweiten für die Webradionutzung vorlegen und diese mit den UKW-basierten Nutzerzahlen zu einer Konvergenzreichweite verschmelzen. Doch die Erhebung des

werden die von der Radio-MA beauftragten Institute auf die Handystichprobe des Arbeitskreises Deutscher Marktforscher (ADM) zugreifen und endlich auch die reinen Mobilfunktelefonierer erreichen, die circa 8 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Für Forscherin Hoffmann würde die Stichprobe so valider, auch weil dann viele Menschen befragt werden können, die unter der Woche auswärts arbeiten und nicht über ihr heimisches Festnetz erreichbar sind. ARD-Mann Mai glaubt, dass die Radio-MA dann auch besser an Jüngere herankommt. Möglicherweise folgen bald weitere neue Befragungsformen. So plädiert AG.MA-Forscher Händler für Multimethoden-Ansätze. Als Beispiel nennt er die Erhebung der Printnutzung in der Schweiz: „Dort wird die Stichprobe für Pressemedien via Telefon rekrutiert und ein Großteil dann via Online befragt.“ Radio-Mann Müller empfiehlt der AG.MA sogar, sich mit Big-Data-Anbietern zusammenzuschließen, um deutlich

Kein Ruck im Radioland Die Radio-MA wirft ungelöste Fragen auf / Grundlegende formen kommen nur schwer in Gang Radiokonsums über den klassischen Rundfunk läuft wie eh und je. Wenn weniger Menschen per Festnetz erreichbar sind, drängt sich die Frage nach einer anderen Methode auf. So ließe sich die Radionutzung über bereits vorhandene Instrumente wie die Mediawatch (vormals Radiowatch) oder das Peoplemeter von Arbitron messen, wäre also nicht mehr von der Erinnerungsleistung der Befragten abhängig. Doch Branchenvertreter winken ab. Henriette Hoffmann, die in der AG.MA als gewählte Marktforscherin von Radio Marketing Service (RMS) agiert, hält einen Methodenwechsel schlicht „nicht für angebracht“. Viele Experten bezweifeln, ob eine Uhr misst, was das Ohr hört, oder ob sie die wachsende Zahl der Audioangebote richtig zuordnen könnte.

Neue Methoden Für Lothar Mai, Leiter Radioforschung der ARD-Werbung, spielt neben den methodischen Einwänden auch Geld eine Rolle: „Eine Messung mit der Uhr wäre sehr teuer. Das macht man nicht ohne Zwang.“ Und der fehlt, weil auch die Nutzer in der AG.MA nicht umsteigen wollen. „Messen ist nicht besser, es sei denn, man misst bei den richtigen Personen das Richtige, was aber nur selten der Fall ist. Außerdem muss allen klar sein, dass Tests mit Kosten verbunden sind“, sagt Frank Händler, Director Brand Science und gewählter Marktforscher Agenturen der AG.MA. Auch Steffen Müller, Geschäftsführender Gesellschafter von Radio 21 und Rockland Radio, will aufgrund technischer und methodischer Unzulänglichkeiten vorerst nicht zur Uhr greifen. Sollten die eines Tages beseitigt sein, dann hätte die „objektive Messung“ der Hörfunknutzung für ihn durchaus Charme. Auch wenn die Uhr in der Schublade bleibt, wird es ein „Weiter so“ in Sachen Telefonbefragung nicht geben. Ab 2015

mehr und aktuellere Daten zu akzeptablen Kosten zu erhalten. Dabei kann er sich vorstellen, dass die rein quantitative Abfrage der Radionutzung künftig über Befragungen im (mobilen) Internet läuft und auf wenige Kernfragen beschränkt wird. Fragen zur Soziodemographie oder der sonstigen Mediennutzung sollen mithilfe der über 45000 Basisfälle der MA erhoben werden. „Die Abfrage der quantitativen Nutzung über Online und Mobile ist viel günstiger als ein Telefoninterview, sodass wir bei ähnlichen Kosten zu höheren Fallzahlen kommen“, so Müller.

Höhere Fallzahlen Der Ruf nach mehr Fällen kommt vor allem von kleineren Radiosendern. Wenn es gelänge, die Reichweiten möglichst vieler Sender in Kreisen, Städten oder Ballungsräumen auszuweisen, würde das den Lokal- und Spezialsendern bei der Vermarktung helfen, weil sie dann ihre relativ stärkere Position im eigenen Sendegebiet gegenüber den Landesweiten dokumentieren könnten. (HORIZONT 30/ 2014). Problem: Die nötigen Fallzahlaufstockungen müssen die Sender entweder selbst oder mit Unterstützung der Medienanstalten finanzieren, was viele nicht leisten können. Um das Problem zu lösen, will Müller künftig für die lokale Planung vier statt zwei MA-Erhebungswellen kumulieren. Wer Radio dagegen für nationale Kampagnen nutzt, soll wie bisher die gängigen Daten auf Basis von zwei Wellen nutzen können. Mehr Datentiefe im Tausch gegen Aktualität – das reißt Hoffmann nicht vom Hocker. Die RMS-Forscherin plädiert stattdessen für den Status quo: „Es steht jedem Sender frei, deutlich mehr Fallzahlen in seinem Gebiet umzusetzen. Die MA hat da keine Barrieren.“ Auch Udo Becker, Geschäftsführer von Radio NRW, will nichts ändern: „Sonst gäbe es einen ständigen Wechsel zwischen den berich-

HORIZONT 36/2014

teten Zeiträumen, der Werbekunden die Orientierung nicht erleichtert.“ Ein Problem, das auch ARD-Experte Mai sieht. Dennoch will er die „MA der zwei Geschwindigkeiten“, wie er Müllers Vorschlag nennt, nicht grundsätzlich ablehnen, sofern sich alle darauf einigen, also auch die Nachfrager. Agenturmann Händler ist nicht abgeneigt: „Die Kumulation mehrerer Wellen klingt interessant. Das sollten wir uns mal ansehen.“ Die Fallzahlen sind auch unter einem anderen Gesichtspunkt ein Thema. So fragen sich einige in der Branche, ob sich das Interview der Radio-MA verkürzen ließe, indem die nicht auf Radio bezogenen Fragen entfallen. Das eingesparte Geld könnte für mehr Fallzahlen verwendet werden, wie Radio-Group-Chef Stephan Schwenk unlängst in HORIZONT (30/2014) gefordert hat. Doch dafür stehen die Chancen schlecht, da die Zusatzfragen im Rahmen der MA-Intermedia benötigt werden. „Der Fragebogen enthält nur das, was wirklich wichtig ist“, ist Händler überzeugt. „Und wenn der Markt Intermedia will, dann müssen die Informationen irgendwo herkommen.“ Radio-NRW-Chef Becker glaubt ebenfalls nicht, dass die verbindenden Variablen der verschiedenen Teil-MAs verzichtbar sind. Zumal das Radiolager auf den Konsens mit anderen Gattungen verzichten würde, wie Hoffmann betont. Doch ganz unbegründet scheint ihr die Forderung nach einem verkürzten Interview nicht, jedenfalls sieht sie Bedarf darin, „zukunftsfähige Lösungen“ zu finden.

4. September 2014

„Es steht jedem Sender frei, mehr Fallzahlen umzusetzen. Die MA hat keine Barrieren“ Henriette Hoffmann, RMS

„Eine Messung mit der Uhr wäre sehr teuer. Das macht man nicht ohne Zwang“

Problemfall Kosten

Lothar Mai, ARD-Werbung

Apropos Kosten: Mancher Radioentscheider fragt sich, weshalb ein Interview in der MA gut 50 Euro kostet, während es die Funkanalyse Bayern (FAB) für rund 35 Euro schafft. ARD-Forscher Mai hält den Preisvergleich für irreführend, weil die MA eine deutliche längere Feldzeit aufweist als die FAB und ihre Stichprobe so gut wie keine andere Medienstudie in Deutschland abarbeitet. Zudem seien die Kosten pro Fall in der MA seit Jahren konstant: „Wenn wir weniger zahlen wollen, müssen wir die Qualität senken.“ Auch Hoffmann findet, dass der Vergleich der Kosten hinkt: „Da wird der Bau eines Gartenhäuschens mit dem eines Wolkenkratzers verglichen.“ Die RMS-Forscherin würde es stattdessen begrüßen, wenn beide noch existierende Regionalstudien FAB und EMA aus Nordrhein-Westfalen in die MA integriert würden. Doch Radio NRW, das die EMA mitfinanziert, tut ihr den Gefallen nicht: „Die EMA ist für Programmverantwortliche vor Ort ein unverzichtbares Instrument zur Steuerung und Optimierung ihrer Sender und Inhalte“, sagt Geschäftsführer Becker. „Schon allein deshalb ist eine Integration in die MA Radio nicht sinnvoll, weil dort keine qualitativen Fragen zu Einzelprogrammen gestellt werden können.“

Bayern und NRW beschreiten Sonderwege Regionale Hörfunk-Reichweitenstudien im Vergleich Funkanalyse Bayern 2014*

EMA NRW 2014

Grundgesamtheit

Deutsprachige ab 10 Jahren

Deutschsprachige ab 14 Jahren

Erhebungsmethode

telefonisch-computergestützt (CATI)

CATI

Erhebungszeitraum

20. Januar bis 30. März 2014

2 Blöcke mit je 4 Wellen: 1. Block 13. Januar bis 18. Mai 2014, 2. Block 25. August bis 14. Dezember 2014

Berichterstattung

8. Juli 2014

8 landesweite Trends, 6 lokale Trends (keine Veröffentlichung), 2 lokale Berichterstattungen (EMA I+II) parallel zur MA-Veröffentlichung

Fallzahl

22928 Personen in Bayern und angrenzenden Empfangsgebieten

Befragungsinhalte

u.a. Bekanntheit / WHK / Nutzungsfrequenz Hörfunkprogramme, Viertelstundenreichweiten, Programmkompetenz der Sender, Radioprogramme über Internet gehört, Programmempfang über Digitalradio/Kabel/Satellit, Demographie

Radionutzung analog zur MA Radio, inkl. Tagesablaufschema (WHK, Hörer gestern, Durchschnittsstunde etc.), zusätzlich: Imagefragen zum Programm des Lokalradios, Bekanntheit/Beliebtheit von Moderatoren, Beurteilung von Musik u. Wort, Markenimage des Senders, Soziodemographie

* Hörfunkstichprobe Quelle: Funkanalyse Bayern 2014, EMA NRW 2014, Radio NRW

HORIZONT 36/2014

58 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

In parallelen Welten

AGF, Agof und Google arbeiten an unterschiedlichen Standards für eine konvergente Bewegtbildreichweite

Von Guido Schneider

V

om boomenden Bewegtbildmarkt im Internet wollen viele etwas abhaben. TV-Sender verlängern ihre Inhalte aus dem linearen Fernsehen und machen sie über digitale Plattformen abrufbar – in der Hoffnung, Zuschauer und Werbekunden bei der Stange zu halten. Googles Youtube und Video-on-Demand-Angebote anderer Konzerne wollen ebenso ans große Mediageld. Schließlich sind da noch die Publisher statischer Websites, die in ihren Angeboten auch mit Videowerbung Geld machen wollen. Mittendrin in diesem Gerangel stehen der Kundenverband OWM wie auch die Organisation der Mediaagenturen (OMG), die wichtigsten Akteure auf der Nachfrageseite. Sie drängen auf ein Messmodell, das alle Bewegtbildformen adäquat erfasst und aussagekräftige Zahlen für die konvergente Nutzung über mehrere Verbreitungswege liefert. Noch aber scheitert ein solcher Standard an den divergierenden Interessen des Online- und TV-Lagers, weil jeder der Akteure die für sich beste Lösung anstrebt und unter Bewegtbild etwas anderes versteht. Und so arbeiten gleich drei Player parallel an eigenen Bewegtbild-Standards. Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), in der ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben Sat 1 das Sagen haben, versteht Online-Bewegtbild als eine Art verlängertes TV. „Konvergenz bedeutet für die AGF, Fernsehen auf allen Endgeräten zu erfassen“, betont Robert Schäffner, Head of Research IP Deutschland und Leiter der Arbeitsgruppe Streaming der AGF. „Bewegtbild in unserem Sinne liegt dann vor, wenn eine Videodatei mit Inhalt und Werbung von einem Mediaplay-

er ausgespielt wird.“ Bloße Werbefilmchen auf statischen Websites, zum Beispiel in Form von Flash-animierten Bannern, fallen nicht unter die Definition der AGF: „Dort bewegt sich zwar etwas, doch es ist kein Video.“ Getreu diesem Motto arbeitet die AGF unter Mitwirkung von Kunden und Agenturen an einer Konvergenzreichweite für TV, die 2015 vorliegen soll. Dabei ist die Organisation inzwischen bereit, auch Anbieter aus der Nicht-TV-Welt in ihr Messmodell zu integrieren. Erste Interessenten haben laut AGF-Geschäftsstellenleiterin Anke Weber schon angeklopft. „Einige Gesprächspartner sind bereits dabei, die technische Umsetzung und unser Angebot wirtschaftlich zu prüfen.“

D

ie AGF ist in erster Linie daran interessiert, die Streaming-Nutzung zu erfassen und hat zu diesem Zweck ein Zweisäulen-Modell entwickelt: Eine technische Messung, auch Zensusmessung genannt, erfasst über einen Code im Mediaplayer des Bewegtbildanbieters die Zahl der abgerufenen Streams. Dabei können bislang nur die Abrufe von PCs und Laptops erfasst werden, doch die AGF will in Kürze auch Abrufzahlen von Smartphones und Tablets messen. Die zweite Säule bildet ein von Nielsen betriebenes Onlinepanel mit 25000 Teilnehmern, das die Bewegtbildnutzung ermittelt. Seit März veröffentlicht die AGF die Zahl der abgerufenen Streaming-Angebote einzelner Lizenznehmer in Form wöchentlicher Hitlisten. Beginnend mit dem Monat Juni stehen seit wenigen Tagen nun für ausgewählte Angebote auch Angaben zur Zielgruppenstruktur (Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße) bereit, die monatlich aktualisiert werden sollen. Als

Nächstes will die AGF die beiden Datenquellen, Zensusmessung und Paneldaten, fusionieren, um so zu Nettoreichweiten und Sehbeteiligung für die StreamingAngebote zu gelangen.

A

uch methodisch geht es voran. So ist es den AGF-Forschern gelungen, ihr Onlinepanel gemäß den Vorgaben der Media-Analyse zu gewichten. Nun arbeiten sie an der sogenannten Kalibrierung. Dabei wird die Zensusmessung als weitere Außenvorgabe für die Gewichtung der Daten verwendet, die im Onlinepanel erhoben wurden. Ist das geschafft, steht die lang ersehnte Fusion der Videostreaming-Daten in das AGF-Panel an, aus der dann konvergente Reichweiten für lineares TV und Onlinevideo hervorgehen. Die Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (Agof) verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Ihre Reichweitenstudien Internet Facts und Mobile Facts, die zu den Digital Facts vereint werden sollen, wollen alle Online-Angebote inklusive Bewegtbildformen abbilden. Sie beschränken sich also nicht wie die AGF auf Instream-Bewegtbild, sondern berücksichtigen auch Bewegtbildwerbung auf statischen Websites. Seit August befasst sich zudem eine Pilotgruppe in der Agof damit, die Werbevielfalt auf Smart-TVGeräten zu erheben. Dass Agof und AGF parallel am Thema Onlinevideo arbeiten, stört Björn Kaspring, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Agof, nicht: „Die Reichweitenerhebungen beider Organisationen folgen unterschiedlichen, jedoch ihrem Medium entsprechenden Planungslogiken. Bei Online steht der Kontakt sowie die Nutzungszeit pro Kontakt im Zentrum, bei TV die Sehbeteiligung des einzelnen Formats.“ Das parallele Herumwerkeln ist allerdings nicht im Sinne der Werbekunden. Sie verlangen ein Reichweitenmo-

dell, das alle Formen von Bewegtbild vereint. Dass sich AGF und Agof bald auf einen gemeinsamen Nenner verständigen, ist vorerst aber nicht zu erwarten, auch wenn das offiziell anders klingt: „Wir halten eine Zusammenarbeit mit der AGF grundsätzlich für empfehlenswert“, sagt Kaspring. „Wie diese im Einzelnen aussehen kann und für welche Bereiche sie sinnvoll sein wird, müssen die Gespräche klären.“ Die AGF will laut Leiterin Weber ebenfalls zur Klarheit beitragen: „Dabei stehen wir durchaus im Dialog mit der Agof, allein schon über teilweise identische Gesellschafter.“ Doch die bleiben reserviert. „In nächster Zeit sollte man vielleicht keine Revolutionen erwarten“, sagt IP-Forscher Schäffner, der in AGF und Agof mitwirkt. „Es würde mich aber wundern, wenn es mittelfristig nicht doch zu der einen oder anderen Zusammenarbeit kommen würde.“

D

er dritte Akteur im Ringen um eine Konvergenzwährung ist Youtube-Betreiber Google, der dem Markt medienübergreifende Zahlen für lineare und nichtlineare Angebote anhand des Media Effiency Panels (MEP) der GfK liefert. Das Tool verfolgt einen Single-Source-Ansatz und untersucht neben der Onlinenutzung auch den Konsum klassischer Medien sowie das Kaufverhalten. Geht es nach Google, dann sollen die heimischen TV-Anbieter beim MEP mitarbeiten. Doch die denken nicht daran. Schäffner hält die Fallzahlen des MEP für zu klein, um die Bewegtbildnutzung auch kleinerer Anbieter zuverlässig zu erfassen. Stattdessen fordert er Google auf, bei der AGF mitzuarbeiten: „Ohne eine Teilnahme am AGF-System ist die Vernetzung von Youtube mit klassischem TV für alle intransparent.“ Auf Nachfrage von HORIZONT will sich bei Google niemand zu diesen Vorwürfen äußern. Wohl auch, weil man inzwischen mit OWM, OMG und AGF nach einer Lösung sucht (HORIZONT 35/2014). An einem einheitlichen Standard sei auch Google interessiert, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der deutschen Dependance. Doch die Konzernmutter in den USA tut sich mit solchen Einzellösungen auf nationaler Ebene noch schwer. FOTO: BERNAD / FOTOLIA

Youtube dominiert Online-Bewegtbild Onlinevideo-Nutzung in Deutschland (Juli 2014) Angebot

Unique Audience* in Mio.

Youtube

21,38

40,2

04:14:36

Myvideo

3,12

5,9

00:16:22

T-Online Bewegtbild

2,32

4,4

00:19:33

Vimeo

1,25

2,3

00:11:31

Clipfish

0,58

1,1

00:18:00

Maxdome

0,57

1,1

00:37:46

Watchever

0,29

0,6

01:24:52

26,46

49,7

05:21:02

Videos/Movies gesamt

pro Active Reach** Nutzungsdauer Person in in Prozent Std.: Min.: Sek.

*Unique Audience: absolute Zahl der Unique Persons ab 2 Jahren, die eine Website oder App mindestens einmal im Berichtszeitraum besucht haben, Mehrfachbesucher werden nur einmal gezählt **Active Reach: Anteil der aktiven Unique Persons ab 2 Jahren, die eine Website oder App besucht haben Basis: Standard Metrics (inklusive Apps), Panel: Home and Work, Land: Deutschland Quelle: Nielsen Netratings

HORIZONT 36/2014

60 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

FOTO: JOCHEN ROLFES

„Keine Angst vor Google“

4. September 2014

Vivaki: Frank-Peter Lortz über die Macht der US-Giganten und warum Content Marketing das nächste große Ding wird Von Jürgen Scharrer

V

ivaki-COO Frank-Peter Lortz sagt im HORIZONT-Interview ein paar Dinge, über die es sich zu diskutieren lohnt. Zum Beispiel, dass Content Marketing massiv an Bedeutung gewinnen wird – und das auf Kosten von Paid Media geht. Oder dass lineares TV in wenigen Jahren massiv Werbegeschäft verlieren wird. Lortz: „Da können die TV-Protagonisten heute postulieren, was sie wollen.“ Auch bei Themen wie Google und Konvergenzwährung bekennt er Farbe.

Der Manager

So viel Kontinuität ist im Mediabusiness selten: In diesem Jahr feiert Frank-Peter Lortz sein 20-jähriges Jubiläum bei Zenithmedia. 2009 wurde der Diplom-Kaufmann, der nächste Woche seinen 49. Geburtstag feiert, CEO der Agentur, seit 2013 ist er zusätzlich COO des globalem Agenturnetzwerks Vivaki.

Herr Lortz, laufen wir in eine Situation, in der Google und Facebook den digitalen Werbemarkt dominieren? Google dominiert Search und hat inzwischen auch im Displaygeschäft eine sehr starke Position, die es definitiv weiter ausbauen wird. Bei Mobile ist Facebook extrem stark. Dazu kann man, wie zu allem im Leben, eine kritische oder eine positive Haltung einnehmen. Facebook ist mit seiner Mobile-Strategie enorm erfolgreich und investiert sehr viel Geld, um herauszufinden, welche Werbeformen funktionieren und welche nicht. Davon profitiert der ganze Markt. Unterm Strich bleibt: Google beherrscht Search und wird bei Display und Bewegtbild immer stärker. Bei Mobile, dem Zukunftsmarkt schlechthin, ist Facebook der Star der Stunde. Die USGiganten geben das Tempo vor. Aus einer globalen Perspektive betrachtet ist das sicher so. Google und Facebook entwickeln ihre Strategien zentral und rollen ihre Konzepte dann rund um den Erdball aus. Die kleinen gallischen Dörfer haben es da natürlich schwer, ihre Stellung zu halten. Aber: Ich finde, gerade wir in Deutschland sind gar nicht so schlecht unterwegs. Im Gegensatz zu manchen anderen Märkten gibt es hierzulande noch lokale Optionen. Das ist die Situation jetzt, 2014. Die Frage ist, ob das so bleibt. Google wird noch stärker werden, aber ich glaube nicht, dass es in allen Segmen-

ten die gleiche Dominanz entwickeln kann wie bei Search – dafür fehlt es etwa bei Display und Bewegtbild einfach an der Uniqueness. Wir wissen alle, dass die mobile Nutzung dramatisch an Bedeutung gewinnt. Was Facebook hier an Bewegtbild-Applikationen entwickelt hat, muss sich aus meiner Sicht überhaupt nicht hinter Google verstecken.

Wenn Big Data immer wichtiger wird, läuft alles auf Google zu. Google etabliert sich vor allem bei globalen Kunden zunehmend als zentraler Ansprechpartner in Sachen Werbung. Google geht es darum, das eigene Inventar zu vermarkten. Das schließt eine objektive Beratung aus. Den meisten Kunden ist das sehr wohl bewusst.

Ist ja toll: Der Einzige, der dem USGiganten Google gefährlich werden kann, ist der US-Gigant Facebook. (lacht) Zwei globale Player, die sich untereinander bekämpfen, sind doch schon mal besser, als wenn es nur einen gäbe. Außerdem: Der digitale Markt ist von Innovationen geprägt und wird sich auch künftig weiterentwickeln und neu sortieren. Die Mediaagenturen sind daran maßgeblich beteiligt. Insofern sind die Machtverhältnisse, so wie Sie sie beschreiben, keineswegs in Stein gemeißelt.

Na ja, wir könnten jetzt lange darüber sprechen, wie neutral Mediaagenturen beraten ... Ich kenne Ihre Einstellung zu diesem Thema. Tatsache ist, dass eine Mediaagentur Kunden sehr viel neutraler berät, als es Google jemals tun wird. Und was das Thema Big Data betrifft: Natürlich verfügt Google über extrem viele Daten, keine Frage. Wenn es aber darum geht, diese Daten mit Daten aus der analogen Welt zu verknüpfen, ist Google schwach. Was die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen und eine kundenindividuelle Aufarbeitung betrifft, sind wir Mediaagenturen weitaus besser. Deshalb habe ich auch überhaupt keine Angst vor Google. Google denkt global und Google denkt digital, unser Ansatz ist da weitaus profunder. Jetzt zahlt sich aus, dass wir in den vergangenen Jahren sehr viel in Technologie investiert haben.

Was halten Sie von der These, dass die Zeit von Display Ads bald vorbei ist? Möglich, dass wir in diesem Jahr tatsächlich einen Sättigungspunkt erreichen. Entscheidender ist aber, dass sich jetzt zunehmend die Spreu vom Weizen trennt. Je mehr Daten uns zur Verfügung stehen, desto genauer sehen wir, welche Plattformen wirklich funktionieren. Hinzu kommt, dass man sich zu lange auf die Messung von Klicks konzentriert hat. Heute lautet die Frage eher, welche Rolle Banner in der Customer Journey spielen und in welchen Umfeldern die Ansprache der Zielgruppe am besten funktioniert. Mein Eindruck ist, dass viele Werbungtreibende die Werbewirkung von Bannern zunehmend skeptisch beurteilen. Diese Skepsis teile ich überhaupt nicht. Das Problem ist eher, dass wir immer noch zu wenig darüber wissen, wie Display Ads funktionieren, insbesondere auch im Zusammenspiel mit klassischen Werbekanälen. Es mag sicher Enttäuschungen geben, von einer prinzipiellen Abkehr kann jedoch keine Rede sein. Was aber stimmt, ist: Das große Wachstum ist vorbei. In den nächsten Jahren wird Native Advertising stärker werden und auf Kosten von Display wachsen.

Ist es nicht ein mediapolitischer Skandal, dass sich die US-Unternehmen allen Joint-Industry-Ansätzen in der Werbewirkungsforschung entziehen? Natürlich wäre es wünschenswert, dass Google und Facebook mit Gremien wie AGF oder AG.MA kooperieren. Realistisch ist das aber nicht. Der Kundenverband OWM versucht gerade, Google und Facebook ins Boot zu holen. Das ist verlorene Liebesmüh? Das wird sicher sehr schwierig. Google und Facebook sind ihr eigenes Universum. Sich zu sehr auf lokale Gremien einzulassen, würde ihrem Geschäftsprinzip komplett widersprechen. Das ist doch eine kuriose Situation: Von den deutschen Vermarktern wird vehement gefordert, gemeinsam Standards zu entwickeln – und die Amis machen

einfach ihr eigenes Ding. Vor allem das Media Efficiency Panel von Google ist vielen ein Dorn im Auge. Wir Deutsche sind besonders gründlich, wenn es um die Etablierung von Marktstandards geht. Meine englischen Kollegen haben nie verstanden, welche Bedeutung Gremien wie AG.MA oder Agof bei uns haben. Das ist schon alles extrem kompliziert. Die Welt wird globaler, sie verändert sich – vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob wir hier in Deutschland nicht das eine oder andere über Bord werfen sollten. Grundsätzlich bin ich aber sehr wohl ein Anhänger dieser Gremien und des Joint-Industry-Gedankens. Wenn Google und Co sich dem entziehen, ist das bedauerlich. Andererseits eröffnet das aber auch Chancen. Wenn wir es hinbekommen, crossmediale Reichweiten zu entwickeln, haben wir etwas, was Google nicht hat. Das ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Wie stark ist MEP aus Ihrer Sicht schon? Das MEP hat eine hohe Anziehungskraft, weil es momentan das einzige SingleSource-Panel ist. Aber es ist auch extrem teuer und in Gänze kaum bezahlbar. MEP wird daher weiter eine wichtige Rolle bei bestimmten Projekten spielen, sich aber nicht als Standard durchsetzen. Lassen Sie uns über Content Marketing sprechen, das neue Lieblingsthema von Marketiers und Mediaagenturen. Wie stark ist dieser Bereich heute schon – und wie stark wird er werden? Content Marketing ist heute schon stark – wird aber in den nächsten Jahren noch massiv an Bedeutung gewinnen. Wir stehen da erst am Anfang einer tiefgreifenden Entwicklung. Unser globales Netzwerk hat nicht zufällig eine neue strategische Initiative gestartet: „Owned first“. Das geht genau in diese Richtung. So richtig habe ich noch nicht kapiert, was genau dahintersteckt. Wer Markenerlebnisse schaffen will, braucht Inhalte. Werbungtreibende sind heute – und künftig noch mehr – Inhalte Schaffende. Die Frage lautet: Welche Inhalte hat der Kunde bereits, welche kann man nutzen und welche relativ einfach

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

hinzuaddieren? Wir haben in dieser Initiative entsprechende Instrumentarien und Prozesse geschaffen, die global ausgerollt werden. Jetzt geht es darum, weltweit Best Cases zu entwickeln und zu zeigen, welches Potenzial in Content Marketing steckt. „Owned first“ ist so etwas wie eine strategische Guideline. Geht es um den Aufbau von OwnedMedia-Kanälen oder darum, für Traffic auf diesen Plattformen zu sorgen? Es geht um beides. In der Praxis gibt es unterschiedliche Szenarien. Der Kunde kann für die Inhalte eine Spezialagentur engagieren und uns damit beauftragen, für Traffic zu sorgen. Er kann uns aber auch als strategische Instanz einsetzen, die sich federführend um das Thema kümmert. Da ist jede Variante möglich. Sie sagen also: Wir können nicht nur Traffic, sondern auch Content. (lacht) Na klar. Wer kann das besser als eine Mediaagentur? Da fällt mir schon einiges ein: Kreativagenturen, Corporate-PublishingAgenturen ... Eine Kreativagentur ist gut darin, Big Ideas zu entwickeln und TV-Spots, Anzeigen, Plakate daraus abzuleiten. Content Marketing ist dagegen viel näher an Media als an Kreation. Man muss wissen, welche Inhalte bei welcher Zielgruppe in welchem Kanal am besten funktionieren, und man muss in der Lage sein, den Content dynamisch anzupassen. Content Marketing hat sehr viel mit Big Data zu tun. Im Übrigen: Unsere Gruppe ist seit zehn Jahren mit der Agentur Newcast in Bereichen wie Branded Content und Content Marketing aktiv. Es ist also nicht so, dass wir mit unserer „Owned first“Strategie Neuland betreten.

Wenn Content Marketing so massiv zulegen wird, wie Sie es beschreiben, ist die logische Konsequenz: Paid Media verliert an Bedeutung. Ja, auf jeden Fall. Content Marketing wird zulasten von Paid gehen. Dennoch wird Paid Media nicht verschwinden. Die Wertschöpfung wird einfach größer und variantenreicher. Die Frage ist doch, was man den Konsumenten heute bieten muss. Es geht zunehmend um „valuable consumer experiences“, also wertvolle Konsumentenerfahrungen. Platt gesprochen: Statt 30 Millionen Euro in Display Ads zu investieren, kann es sinnvoller sein, dieses Geld in den Aufbau eigener Content-Plattformen zu stecken. Das Geschäftsmodell einer Mediaagentur war bisher ziemlich einfach zu verstehen: Sie kaufen Werbeinventar ein und bekommen dafür Geld von Ihren Kunden und den Medien. Wie verhält es sich bei Content Marketing? Das Ökosystem, in dem sich eine Mediaagentur bewegt, ist doch schon viel komplexer und längst nicht mehr so linear und simpel wie in der Vergangenheit. Wir reden heute über Themen wie Data, Programmatic Buying und Content. Das wird auch künftig so weitergehen. Eine wichtige Aufgabe wird zum Beispiel sein, Datenquellen miteinander zu verknüpfen, mit dem Ziel, dass unsere Kunden für diese uniquen Daten dann auch bezahlen. Auch wir Mediaagenturen befinden uns in einem Transformationsprozess. Wie auch unsere Marktpartner müssen wir uns verändern, um bestehen zu können. Wir verändern unsere Strukturen, unser Wissen, unsere Technologie. Für mich ist das kein Grund zur Klage. Wird diese Neuausrichtung so weit gehen, sich an Contentherstellern wie

REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 61 Film-Produktionsgesellschaften zu beteiligen? WPP-Boss Martin Sorrell denkt offenbar genau darüber nach. Die Vivaki-Agenturen in Deutschland werden eher auf Kooperationen mit Content-Herstellern setzen. Das können Youtube-Stars sein, Bewegtbildproduzenten wie Dolphin, aber auch deutsche Verlage. Bleibt bei so vielen zukunftsweisenden Themen in Ihrem Kopf noch Platz für so profane Sachen wie Print? Oder lineares Fernsehen? Als ich in diesem Business angefangen habe, ging es gerade mit den Privatsendern los und irgendwann wollte keiner mehr etwas von den öffentlich-rechtlichen Sendern hören. Das hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren gründlich geändert, bei Mediaagenturen wie bei Werbungtreibenden. Warum? Weil man bei ARD und ZDF eine Qualität findet, auf die man nicht verzichten will. Und was sagt uns das? Dass Qualität nicht unwichtiger wird. Ich glaube, wir werden eine kleine Renaissance des Qualitätsjournalismus erleben. Das sagen Sie nicht im Ernst? Kein Mediaplaner traut Print im Werbegeschäft noch überhaupt irgendetwas zu. (lacht) Moment, ich habe von einer Renaissance des Qualitätsjournalismus gesprochen – und nicht von einer Trendwende im Werbegeschäft. Meine Prognose ist, dass Print weiter Umsatz verliert. Und dass Tageszeitungen davon stärker betroffen sein werden als Zeitschriften. Die Story der vergangenen zehn Jahre war: Online gewinnt, Print verliert und TV ist der Fels in der Brandung. Manche sagen: Das nächste Opfer heißt TV. Lineares Fernsehen wird noch zwei oder

drei Jahre prosperieren und dann massiv unter Druck kommen. Wer wird das Geschäft Bewegtbildwerbung dominieren? Kommt darauf an, über welches Bewegtbild wir sprechen. Sprechen wir über echte Fernsehprogramme oder reden wir über kleine Videogeschichten? Das ist ein weites Spektrum. Die Frage bezog sich eher darauf, wohin das Werbegeld fließt. Das Werbegeld geht immer dahin, wo die Zielgruppen sind. Die junge Generation nutzt das Internet zunehmend mobil. Auf mobilen Geräten sieht man sich eher kurze Videos als stundenlange Fernsehprogramme an. Hinzu kommt, dass SmartTV eine immer wichtigere Rolle spielen wird, daran führt kein Weg vorbei. Ist das für die TV-Konzerne eine gute oder schlechte Nachricht? Eine schlechte.

Das Unternehmen

Die Vivaki-Gruppe ist mit 285 Büros in über 80 Ländern der Welt vertreten, von den 18 000 Mitarbeitern sind 600 in Deutschland beschäftigt. Zum Vivaki-Netzwerk gehört eine ganze Reihe von Agenturen: Zenithmedia, Optimedia, Newcast, Performics, Razorfish und Starcom Mediavest. Deutschlandchefin von Vivaki ist Nicole Prüsse.

Die klassischen Vermarktungsmodelle mit Werbeblöcken werden auch auf dem großen Bildschirm so nicht mehr funktionieren? Genau. Auf den Oberflächen der neuen Fernsehgeräte werden sich neue Anbieter etablieren. Filmproduzenten werden vermehrt den direkten Weg zum Konsumenten suchen, es werden sich Aggregatoren durchsetzen, die auf Big Data basierende neue Services anbieten. Vor allem aber wird es möglich, Werbung sehr viel individueller auszuspielen, die Vermarktung wird Data-driven. All das wird dazu führen, dass lineares Fernsehen in ein paar Jahren massiv Werbegeschäft verliert – da können die TV-Protagonisten heute postulieren, was sie wollen. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Anzeige

62 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

Perfektioniertes Bauchgefühl

Mensch versus Maschine oder sinnvolle Zusammenarbeit? HORIZONT hat Mediaexperten zu ihrer Meinung über automatisierte Prozesse befragt

B

ig Data, Programmatic Buying, Real Time Advertising – im MediaAlltag breitet sich die Automatisierung aus, Maschinen übernehmen Mediaplanung und Werbeschaltung. Welchen Nutzen bringt diese Entwicklung für das Business, welche Nachteile sehen Sie?

Anzeige

Thomas Sudholt, Director Research Havas Media

Frank Sültmann, Managing Director Amnet Germany

Andrea Malgara, Geschäftsführer Mediaplus

S

I

B

trategie und Planung werden nicht an Maschinen delegiert – sie bleiben Kernkompetenz erfolgreicher Agenturen. Automatisierung heißt erst einmal: Weniger fehleranfällige Handarbeit, ein besser fundierter Marktüberblick, meist auch weniger Bauchgefühl, und das ist gut so. Entscheidungen auf der Grundlage von Algorithmen sind nachvollziehbar, Bauchgefühl nicht. Wofür werden die Algorithmen eingesetzt? Zu oft wird heute der Sinn von Automatisierung darin gesehen, Einkaufsvorteile am Rande der statistischen Nachweisgrenze zu generieren, zu bündeln und die zugrundeliegenden Annahmen in Algorithmen fernab jeglicher Beurteilbarkeit zu verbergen. Beim datengestützten automatisierten Einkauf geht es nicht um Masse, sondern um nachweisbare Klasse. Wie weist man Platzierungsqualität nach oder das Erreichen der richtigen Zielgruppen mit ausreichenden Kontaktdosen? Die Wirkung muss stimmen. Wirkungsforschung muss Teil des Pakets sein, und am Ende zählen Image, Umsatz und Absatz.

n Deutschland etabliert sich allmählich der RTAMarkt. Dank der breiten Akzeptanz des Premium Marketplaces – ein Marktplatz, wo wir nur mit Agof-Premium-Vermarktern zusammenarbeiten – verlagert sich das Geschäft auch hin zur BrandingOrientierung. Die datenbasierte RTA ist mehr als eine Automatisierung, da man durch die holistische Echtzeitoptimierung deutlich an Budgeteffizienz und -kontrolle gewinnt. Wir erwarten den programmatischen Einkauf von Mediaflächen/Werbekontakten sowie deren Optimierung in Echtzeit nicht nur als Standard im digitalen Bereich sondern auch in der „Klassik“, wie beispielsweise in den Bereichen Out-of-Home oder Connected-TV. Mit dem Einsatz der Universal ID lässt sich in absehbarer Zeit holistisches Cross-Device Targeting realisieren. Auf der Vermarkterseite wird man neben dem erhöhten Gewinn durch Premium Marketplace zukünftig auch vermehrt von der Monetarisierung eigener Nutzerdaten profitieren. Allerdings ist Intransparenz immer noch ein Nährboden für markenschädigende Inhalte beziehungsweise Click Fraud. Die Komplexität wird durch die eigenen Datensilos diverser amerikanischer Marktteilnehmer bzw. mangelhafte Plattformstandardisierung verstärkt. Die Einführung praxisfähiger Richtlinien zur Stärkung der Transparenz und Standardisierung wird entscheidend für die Zukunft von RTA sein.

ig Data ist das Schlagwort, das über allem steht. Auch wir haben ja längst eine Unit, die mithilfe der neuen Systeme, mit Know-how und Maschinen, für erste Kunden konkrete Beispiele erarbeitet. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass die gesammelten Daten allein gar nichts nützen. Ihr Potenzial erschließt sich erst dann, wenn wir in der Lage sind, sie zu analysieren. Wenn es gelingt, sie so darzustellen, dass die Wirkung einzelner Maßnahmen zurückverfolgbar wird und auf diese Weise laufende Kampagnen optimiert werden können. Nutzen entsteht nur, wenn maschinelles Buying mit Big- oder auch Small-Data-Ansätzen kombiniert wird. Dafür müssen intelligente Menschen hinter den Maschinen sitzen – sie werden nicht überflüssig durch die Technik. Vielleicht kommt allerdings noch eine Zeit, in der wir die Maschinen so einsetzen können, dass sich die Menschen dahinter um andere, spannendere Themen kümmern können. Aber zurzeit werden immerhin noch 50 Prozent des Online-Einkaufs händisch abgewickelt, das sollten wir auch nicht vergessen.

HORIZONT 36/2014

REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 63

4. September 2014

In Zeiten

der Renaissance

Händler und Zeitung arbeiten zusammen – eine Möglichkeit der fruchtbaren Kooperation

Die Auflagen sind weiter unter Druck, doch es gibt auch erfreuliche Zahlen und ermutigende Trends bei den Zeitungen

B

Von Roland Karle

rutto gerechnet haben die deutschen Zeitungen von Januar bis Juli dieses Jahres fast 2,6 Milliarden Euro an Anzeigengeld erlöst – ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zudem behauptet sich die Gattung mit einem Marktanteil von 17 Prozent hinter TV hierzulande weiter als zweitgrößter Werbeträger. Das versetzt Vermarkter wie Matthias Schönwandt in Begeisterung. „Über 70 Millionen Euro Bruttozuwachs im 1. Halbjahr zeigen, dass es sich nicht nur um den WM-Einmaleffekt handelt, sondern um eine anhaltende Renaissance“, behauptet der Vorsitzende der Geschäftsführung von Medienhaus Deutschland. Schönwandt liefert auch Zahlen für die eigene Zeitungsallianz. Bereits im 1. Halbjahr 2014 habe sie den Umsatz des Vorjahres erreicht, auch weil renommierte Marken wie Microsoft und Vodafone als Neukunden akquiriert wurden. „Wir gehen für 2014 insgesamt von einer Verdopplung bis Verdreifachung unserer Vorjahreserlöse aus“, sagt er. Explodierende Auflagen können dafür allerdings nicht der Grund sein. Die Tageszeitungen haben im 2. Quartal 2014 je Erscheinungstag 19,8 Millionen Exemplare abgesetzt, ein Rückgang von 4,2 Prozent gegenüber II/2013. Unter den rund 130 in der Media-Analyse 2014 gelisteten Zeitungsausgaben und -kombinationen weist die Mehrheit stagnierende oder geringere Reichweiten als im Vorjahr auf, immerhin 51 Titeln bestätigt die Studie ein Plus. „Angesichts der rasanten Veränderungen der Medienlandschaft und -nutzung ist das wenig überraschend“, erklärt Gerhard Müller, Vorstand Tageszeitungen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA). In den Verlagen wird viel getan, um „die Idee der Zeitung“, wie Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gerne sagt, unabhängig vom Ausgabemedium zu beleben. Einige Themen und Trends, die auffallen:

Nachfrage nach E-Paper steigt Die digitale Zeitungslektüre nimmt zu: Die Zahl der verkauften E-Paper ist binnen eines Jahres um mehr als 40 Prozent gestiegen. Mit 589930 Stück nimmt sich die absolute Menge aber immer noch bescheiden aus. Das entspricht gerade mal

2,7 Prozent des Gesamtabsatzes – und mehr als die Hälfte (53 Prozent) zählen zum Sonstigen Verkauf. Zu den führenden elektronischen Zeitungsangeboten gehören überregional die „Taz“, die zwei von zehn Ausgaben bereits als E-Paper verkauft, und das „Handelsblatt“, das auf eine Quote von 11,3 Prozent kommt (siehe Tabelle). Laut Umfrage der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG) haben die Verlage ihr App-Angebot merklich ausgebaut. Aktuell sind 79 Prozent der Zeitungshäuser mit Tablet-Apps im Markt, ein Jahr zuvor waren es erst 54 Prozent. Wichtig ist, die digitalen Kanäle der Medien flexibel und maßgeschneidert zu gestalten, betont Susan Molzow, Geschäftsführerin der „Hamburger Morgenpost“: „Der MobileAuftritt wird im Idealfall völlig anders aussehen als die Desktop-Variante und morgens beispielsweise eine andere inhaltliche Ausrichtung haben als abends.“

Medienangebot wird ausgebaut Die „Hamburger Morgenpost“ ist ein gutes, aber längst nicht das einzige Beispiel dafür, wie Verlage versuchen, ihr Spektrum zu erweitern. „Die Medienkanäle der Zeitungsmarken müssen unterschiedliche Bedürfnisse und zum Teil auch Zielgruppen bedienen. Der Content wird genau darauf zugeschnitten“, betont Molzow. Zugleich werden die Publikationen, ob gedruckt oder digital, individueller, spezieller, nischiger. Deshalb entsteht „ein zunehmend größeres Produktportfolio, das klar an unserer Kernkompetenz Hamburg ausgerichtet ist“, sagt sie. Belege sind die jüngst erschienenen FußballZeitschriften über die großen Clubs der Stadt HSV und FC Sankt Pauli. Wettbewerber „Hamburger Abendblatt“ will das Interesse am Fußball ebenfalls nutzen und hat gerade „HSV kompakt“ gestartet, eine digitale Sportzeitung, die jeden Montag für 89 Cent herauskommt. „Unser E-Paper bietet das Beste aus Print, Blog und Buch in einem – mehr multimedial geht kaum“, verspricht Chefredakteur Lars Haider.

Punkten als regionaler Werbepartner Große Filialisten wie Aldi und Co reduzierten ihr Mediabudget für Zeitungen und probierten andere Wege. Jetzt ist – zumindest teilweise – eine Rückkehr fest-

Taz und Handelsblatt nehmen die 10-Prozent-Hürde im Takt Überregionale Zeitungen: Anteil von E-Papers an verkaufter Auflage Titel / Erscheinungsweise Taz - Die Tageszeitung / täglich

Verkaufte Auflage II/2014

davon E-Paper in Prozent

davon E-Paper absolut

davon E-PaperAbos

E-PaperVerkauf II/2013 8 769

58 144

19,7

11 468

5 029

Handelsblatt / täglich

121 334

11,3

13 719

13 490

4 239

Frankfurter Allgemeine Zeitung / täglich

306 779

8,9

27 386

18 288

19 716

Die Welt (inkl. Welt kompakt) / täglich

208 045

8,5

17 624

8 418

4 630

Welt am Sonntag / wöchentlich

401 011

7,5

29 897

17 128

6 978

Süddeutsche Zeitung / täglich

397 033

7,0

27 714

15 169

19 965

Frankfurter Allg. Sonntagszeitung / wöchentlich

319 298

4,7

15 125

8 411

8 288

Die Zeit / wöchentlich

503 970

4,7

23 788

10 555

17 051

Bild am Sonntag / wöchentlich

1 191 109

2,5

29 235

22 134

32 446

Bild / B.Z. (gesamt) / täglich

2 444 783

1,0

25 539

24 672

32 847

Quelle: IVW

HORIZONT 36/2014

zustellen. Beispiel Edeka Nord: Der Handelsverbund hat mit einem großen Aufschlag in der regionalen Presse sein 111jähriges Jubiläum gefeiert. Eine achtseitige Sonderedition lag allen Tageszeitungen in Norddeutschland (1,4 Millionen Exemplare) bei. Zudem gingen 180000 Exemplare an die rund 720 Edeka-Märkte im Vertriebsgebiet. Auch online spielten Zeitung und Händler zusammen: Skyscraper auf den 16 wichtigsten Nachrichtenportalen der Medienhäuser und Onlinedossiers flankierten die Sonderedition. Anzeige

64 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

Applaus für Flow

Im Zeitschriften-Check bewerten Medienexperten junge Titel nach Innovationskraft und Erfolgschancen

E

Flow

Manual

Bin im Garten

Von Roland Karle

s gibt sie noch, die Papierliebhaber: Als Gruner + Jahr im November 2013 „Flow“ herausbrachte, kündigte der Verlag die niederländische Lizenzausgabe als „Magazin für Paperlovers“ an und verkaufte auf Anhieb 55000 Exemplare. Absatz genug, um die Erscheinungsweise von vierauf sechsmal jährlich zu erhöhen. Auch bei den Medienexperten, die für HORIZONT zehn in den vergangenen Monaten gestartete Zeitschriften bewertet haben, schneidet der G+J-Titel bestens ab: Mit der Note 2,5 führt „Flow“ das Feld an, vor „Manual“ (2,6) aus demselben Verlag und „Bin im Garten“ (2,8) aus dem Jahr Top Special Verlag. Die Magazine liegen relativ dicht beieinander und erhalten fast alle ein „befriedigend“ im Zeugnis. Nur bei „Herzstück“ steht „ausreichend“ (3,6), was die herausgebende Funke Mediengruppe jedoch verschmerzen wird. Nachdem die dritte Ausgabe der vor knapp einem Jahr gestarteten Zeitschrift rund 60000 Mal verkauft wurde, erscheint sie nun ebenso wie „Flow“ zweimonatlich statt vierteljährlich. Beide Magazine bedienen den Trend, bewusster leben zu wollen. „Herzstück“Chefredakteurin Anne Hoffmann: „Wir sprechen die Sehnsucht der Leserinnen an, aus der Hektik und dem Lärm des Alltags einfach mal auszusteigen.“ Auch „Emotion Slow“ (Rang 6, Note 3,0) ist in diesem Segment zuhause, was Hannelore Deimel, Head of Print bei Mediaplus, stutzig macht. „Ist zu Themen wie Entschleunigen, Yoga, Selbstfindung nicht bald alles gesagt?“ Die Rückmeldungen aus den Verlagen – auch „Emotion Slow“ erwägt, die Frequenz zu verdoppeln (vierstatt zweimal im Jahr) – deuten auf das Gegenteil hin. „Manual“, das durch die Kooperation mit dem Modefilialisten H&M ungewohnte Vertriebswege einschlägt, wird von den Juroren durchweg positiv gesehen – sowohl was die Innovationskraft als auch die Erfolgschancen betrifft. Wobei die Beurteilungen in den beiden Kategorien bei manchen Titeln deutlich auseinanderdriften: So landet „Harpers Bazaar“ von Burda im Innovationsranking mit 3,55 nur auf dem vorletzten Platz, jedoch auf Rang 1 bei Erfolgsaussichten (2,33). Auch „Einfach hausgemacht“ aus dem Landwirtschaftsverlag („Landlust“) wird trotz mäßiger Erneuerungskraft (3,4) einiges zugetraut (2,9). Umgekehrt verhält es sich bei Bauers „Mutti“ und Falke Medias „Am Haken“, denen die Jury innovative Konzepte bescheinigt, die Erfolgsaussichten aber eher skeptisch einschätzt. Durchaus überraschend: Axel Springers Wirtschaftsmagazin „Bilanz“, belegt im Newcomer-Check nur den vorletzten Platz.

Verlag: Gruner + Jahr, Hamburg Start: 19. November 2013 Frequenz: zweimonatlich Verkaufte Auflage: 55000 (Erstausgabe) Copypreis: 6,95 Euro Chefredaktion: Sinja Schütte Profil: Magazin für Achtsamkeit, Inspiration, Zeitgeist

und Paperlovers

Noten: 2,2 (Innovation) / 2,8 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 2,5 Kommentare: Inspirationsquelle für weibliche Paper-

lovers – extrem kreativ (Schliep). Seelenschmeichler mit unglaublich attraktiver Aufmachung (Fröhler). Die niederländische Erfolgsstory wird auf dem deutschen Markt ausprobiert. Erinnert an „Happinez“ (Reiber). Alles soft, blumig, retro und in Watte verpackt. Hochwertig gemacht. Für Mehrfachkäufer wenig Neues (Molzow). Mutiges Konzept (Julius-Warning). Poesiealbum für Frauen, die dem Alltag entfliehen (Schönwandt). In einer Nische mit entsprechend kleiner Auflage (Dörper). Zu viele Themen, unklare Positionierung im Werbemarkt (Triebel).

Verlag: Gruner + Jahr, Hamburg Start: 26. Juli 2014 Frequenz: zweimonatlich Verbreitete Auflage: 150000 Copypreis: 3,80 Euro Chefredaktion: Jörn Kengelbach Profil: Männermagazin Noten: 2,5 (Innovation) / 2,7 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 2,6 Kommentare: Markenartikelhersteller werden be-

geistert sein (Triebel). Modernes Frauenmagazin für Männer, überraschende Themen (Molzow). Cool gemacht, für den modernen, urbanen Mann (Deimel). Handbuch für den Hipster ab Mitte 30 – schöner Gegenentwurf zu „GQ“, „Men’s Health“ & Co (Lamberty). Holt den Mann 2014 perfekt ab. Keine nackten Frauen mehr. Super! (Julius-Warning). Lässt sich „Mann“ auf ein Magazin nach Frauenheft-Stickmuster ein? (Schönwandt) Diskrepanz zwischen redaktioneller Zielgruppe und primärem Vertriebsweg über H&M schränkt Erfolgsaussichten ein (Dörper). Nah am „Hipster“, weit weg von echten Kerlen (Schliep).

Lücke, die „Lecker“ hinterlassen hat, seit sie erwachsen geworden ist (Schliep). Tolle Bildsprache (Lamberty). Gute Inhalte, aber Name überzeugt nicht (Triebel). Vielleicht lieber gleich zu Mutti an den gedeckten Tisch? (Molzow). Klarer Fall von zu viel gewollt (Reiber). Inhalte sind nicht wirklich neu (Dörper). Fragt sich, ob die Zielgruppe nicht eher bei Chefkoch.de im Netz unterwegs ist (Julius-Warning). Name ist hausbacken, bringt das Konzept nicht sofort rüber – schade (Deimel). Bei einer Zielgruppe ohne Kochambitionen und wenig Printliebe dürfte es schwierig werden (Schönwandt).

Am Haken

Harper’s Bazaar

Mutti

Verlag: Bauer Media Group, Hamburg Start: 9. April 2014 Frequenz: offen Startauflage: 125000 Copypreis: 4,50 Euro Chefredaktion: Uwe Bokelmann / Jessika Brendel Profil: Kochmagazin für 20- bis 30-Jährige Noten: 2,7 (Innovation) / 3,2 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 2,9 Kommentare: Originelles Projekt. „Mutti“ füllt die

Verlag: Jahr Top Special Verlag, Hamburg Start: 16. Juni 2014 Frequenz: viermal jährlich Startauflage: 60000 Copypreis: 4,80 Euro Chefredaktion: Michael Fiedler Profil: Magazin für Gärtnern, Grillen, Chillen Noten: 2,9 (Innovation) / 2,6 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 2,8 Kommentare: Gardening-Trend umgesetzt für Städter – nutzwertig und trotzdem modern (Schönwandt). Schöne Haptik und Gestaltung (Molzow). Der Markt für Gartenmagazine ist überflutet, aber nicht übersättigt. Insofern alles im grünen Bereich! (Lamberty). Für junge Freizeitgärtner, zeitgemäß aufgemacht (Deimel). Gefällt – bewegt sich aus der spießigen Gärtnerei in Richtung Urban Gardening (Julius-Warning). Mutig (Reiber). Schönes Konzept (Schliep). Fraglich, ob es zusätzlich zur Landlust noch eine spezielle Gartenlust braucht (Fröhler).

Verlag: Hubert Burda Media Start: 31. August 2013 Frequenz: monatlich Verkaufte Startauflage: 150000 Copypreis: 6,00 Euro Chefredaktion: Margit J. Mayer Profil: Modezeitschrift Noten: 3,6 (Innovation) /

2,3 (Erfolgschancen)

Gesamtnote: 2,9 Kommentare: Sehr hochwertig, stylish, dürfte im An-

zeigenmarkt funktionieren (Deimel). Hat innerhalb kurzer Zeit seine Position zwischen „Elle“, „Vogue“ und „Madame“ gefunden (Dörper). Wurde Zeit, dass das traditionsreichste Modemagazin der Welt auch auf Deutsch erscheint (Lamberty). Ohne Überraschungen, solide gemacht (Molzow). Hochwertig produziert, aber das Konkurrenzumfeld wird es nicht leicht machen (Triebel). Die Modelabels haben schon reichlich Anzeigenfläche (Schliep). Brauchen wir wirklich noch ein Hochglanz-Modemagazin? (Julius-Warning). Wenig überraschend, austauschbar und mit einem Hauch von Raffinesse (Schönwandt).

Verlag: Falke Media, Kiel Start: 12. März 2014 Frequenz: zweimonatlich Verbreitete Auflage: 50000 Copypreis: 5,00 Euro Chefredaktion: Dirk Brichzi Profil: Angelmagazin Noten: 2,9 (Innovation) /

3,1 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 3,0 Kommentare: Junge Angler werden das digital lesen, schönes Konzept mit tollen Bildern (Triebel). Es wird gelingen, sich eine junge Zielgruppe zu angeln, Kompliment! (Fröhler). Solide gemachtes Magazin (Molzow). Angel-Muff ade (Reiber). Nutzwertig, unterhaltsam, aufgeräumt. Aber gibt’s so viele Angler für all die Angelmagazine? (Deimel). Will ein moderner „Blinker“ sein. Eine Nische in der Nische, die braucht Anzeigen (Julius-Warning). Nette Idee, doch die Zahl der Angler liegt immer noch deutlich hinter der der Hobbyköche (Schliep).

HORIZONT 36/2014

Die Jury

Hannelore Deimel, Geschäftsleitung/Head of Print Mediaplus Gruppe, München; Marco Dörper, Executive Managing Director Zenith, Düsseldorf; Christine Fröhler, Stellvertretende Geschäftsführerin Communication Consultants, Stuttgart; Martina JuliusWarning, Geschäftsführende Gesellschafterin John Warning Corporate Communications und Quarto Media, Hamburg; Cornelia Lamberty, Vorstandsvorsitzende Moccamedia, Trier; Susan Molzow, Geschäftsführerin Morgenpost Verlag, Hamburg; Nike Reiber, Unit Direktorin Crossmedia, Düsseldorf; Ina-Christin Schliep, Direktorin Beratung Media Pilot, Hamburg; Matthias Schönwandt, Vorsitzender der Geschäftsführung Medienhaus Deutschland, Hamburg; Jonas Triebel, Verlagsleiter IDG Tech Media, München.

4. September 2014

Verlag: Emotion Verlag, Hamburg Start: 14. Mai 2014 Frequenz: halb- oder vierteljähr-

lich (noch offen) Startauflage: 60000 Copypreis: 6,90 Euro Chefredaktion: Mareile Braun (Redaktionsleitung), Andrea Huss (Konzeption) Profil: „Mehr Zeit fürs Wesentliche“ Noten: 3,0 (Innovation) / 3,0 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 3,0

Verlag: Axel Springer, Berlin/Hamburg Start: 2. Mai 2014 Frequenz: monatlich Verkaufte Auflage: 208045 (IVW, II/2014) als Supplement der Tageszeitung „Die Welt“ Copypreis: gratis Chefredaktion: Klaus Boldt Profil: Wirtschaftsmagazin Noten: 3,5 (Innovation) / 3,1 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 3,3

REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 65 Emotion Slow

Einfach hausgemacht

Kommentare: Das Thema der Stunde in

Kommentare: Intelligente Weiterent-

schön aufbereiteter Form. Daumen hoch für den verlegerischen Mut (Triebel). Gute Ergänzung zu „Emotion“ mit etwas differenzierterem Blickwinkel (Schönwandt). Sicher ein relevanter Titel (Lamberty). Trifft den Trend nach Sinnsuche und Entschleunigung, kann eine erfolgreiche Line Extension zum Mutterheft Emotion werden (Molzow). Das Mutterprodukt ist gut genug, das Special verwässert das Profil (Fröhler). Kein eindeutiges Profil zu erkennen – wäre dringend notwendig, da das Thema im Markt bereits mehrfach besetzt ist (Reiber). Gilt für „Emotion Slow“, „Flow“, „Herzstück“ – alle drei Titel sind inhaltlich austauschbar (Deimel).

Verlag: Landwirtschaftsverlag, Münster Start: November 2013 Frequenz: zweimonatlich Verkaufte Auflage: 75000 (Erstausgabe) Copypreis: 4,20 Euro Chefredaktion: Wolfgang Koschny Profil: Magazin für Haus und Küche Noten: 3,4 (Innovation) / 2,9 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 3,2

wicklung des Landwirtschaftsverlages, für Stadt- und Landmenschen gleichermaßen (Reiber). Hebt sich deutlich von anderen Food-Magazinen ab, greift relevante Themen mit Bezug zu Regionalität, Tradition auf (Dörper). Hochwertig, inhaltlich klar strukturiert, dazu die tollsten Rezepte (Schliep). Neu ist das nicht, aber die Zielgruppe ist da (Lamberty). Produkttests ziehen Werbekunden an (Triebel). Me too, ganz klar (Julius-Warning). Kein USP erkennbar (Fröhler). Etwas altbacken, nicht wirklich notwendig (Molzow). Titel ohne Trennschärfe, gestrig (Schönwandt).

Bilanz

Herzstück

Kommentare: Ob die Macher ihren hohen inhaltlichen Anspruch Heft für Heft einlösen können? (Fröhler). Relativ anspruchsvoll, auch durch die Leserschaft der „Welt“ – das ist der Knackpunkt: Weiteres Potenzial wird dadurch nicht erschlossen (Deimel). Dürfte dauern, bis es bei Anzeigenkunden einen Stand à la „SZ Magazin“ oder „Zeit Magazin“ erreicht (Schliep). Optik gefällt, Inhalte auch (Julius-Warning). Wirtschaftsthemen zum Anfassen. Etwas mehr Profilschärfe täte gut (Lamberty). Hätte mir mehr Mut und einen kreativeren Auftritt gewünscht (Molzow). Wirtschaftstitel ohne Esprit, ohne Überraschungen (Schönwandt).

Kommentare: Geht auf die „Flow“-

Verlag: Funke Mediengruppe Start: 19. September 2013 Frequenz: zweimonatlich Verkaufte Auflage: 60000 (Ver-

lagsangaben)

Copypreis: 4,50 Euro Chefredaktion: Anne Hoffmann Profil: Mindstyle-Magazin für

Spirituelles, Mode, Beauty, Deko, Lifestyle. Noten: 3,7 (Innovation) / 3,5 (Erfolgschancen) Gesamtnote: 3,6

Zielgruppe. Da inhaltlich etwas anders aufgemacht, könnte es funktionieren (Julius-Warning). Titel für Frauen ab 30, mit hohem Bildungsgrad und Interesse an Spiritualität, Yoga etc. Sicher ein wachsender Markt (Lamberty). Herzlich wenig Innovatives im Segment der Wohlfühlmagazine (Fröhler). Schwierige Kombination ohne Innovationscharakter (Reiber). Zu viele unterschiedliche Themenschwerpunkte für eine klare Positionierung (Triebel). Eher verhaltene Erfolgsaussichten im Schatten von „Happinez“ (Dörper). Anzeigenkunden? Schwierig (Schliep).

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66 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015

HORIZONT 36/2014

4. September 2014

Bewusst oder intuitiv

Die verlagsübergreifende Markt-Media-Studie „Best for Planning“ kategorisiert Zielgruppen-Typologien, die das Potenzial zahlreicher Märkte aufschlüsseln. Eine Auswahl

know how

Von Bettina Sonnenschein

22%

Ernährungsbewusster Bio-Liebhaber: achtet bewusst auf gesunde Ernährung; beim Einkauf qualitätsorientiert und markenbewusst; wird zum Thema Ernährung gern um Rat gefragt

10%

Versorgter: eher männlicher Typ; kauft nicht ein und kocht nicht; uninteressiert an Ernährungsthemen

16%

Statusorientierter Genießer: leistungsorientierter, vorwiegend männlicher Typ; schätzt gutes Essen und Trinken; hohe Markenorientierung bei Getränken; kocht nicht

Food-Typologie

20%

Kochbegeisterter: Leidenschaft für Kochen und Backen; eher weiblicher Typ; hohes Informationsinteresse und Probierfreudigkeit

17%

Convenience-Liebhaber: spontaner Typ; Essen muss schnell gehen; konsumiert häufig Tiefkühlprodukte; probiert gern Exotisches aus

16%

Sparsamer: bescheidener Typ, der an Gewohntem hängt; kocht schnelle Gerichte; Lebensmittel müssen lange halten und dürfen nicht viel kosten

12%

16% 16%

Krankheitsvermeider: Vorbeugen als Strategie, um sich nicht weiter mit dem Thema Gesundheit befassen zu müssen

Betroffener: eher älterer, gesundheitsbewusster Typ mit chronischen Beschwerden; großes Interesse und Informationsbedürfnis für Gesundheitsthemen; kennt sich aus, erteilt Ratschläge

Gesundheitsinteressierter: aufgeschlossener, eher weiblicher Typ; Gesundheit hat hohen Stellenwert, von Wellness über Prävention bis hin zu Medikation

12% Health-Typologie

14%

16%

19%

Abgesicherter Best Ager: vorsichtiger Anleger; spart regelmäßig, sonst kaum Interesse an Finanzthemen; ist für Alter bereits abgesichert

15%

Sorgloser: eher junger, männlicher Typ; Gesundheitsthemen spielen kaum eine Rolle, Spaß, Sport und Freunde stehen im Mittelpunkt

Finance-Typologie

Sicherheitsbewusster Normalsparer: konservativer Umgang mit Geld; befasst sich ungern mit Finanzthemen; spart oft für Immobilie; oft risikoscheue, festverzinsliche Anlagen

6%

4%

43%

Pauschalreisender Sonnen-/Badeurlauber: bevorzugt Strandurlaub; wählt einmal im Jahr Reise bei Pauschalanbieter

Homöopath: eher weiblicher Typ; sozial engagiert und umweltbewusst; bevorzugt Heilpraktiker und homöopathische Produkte

15%

Passiver: eher männlicher Typ, der nichts von Gesundheitsvorsorge hält; wird nur im Krankheitsfall aktiv; setzt dann eher auf Selbstmedikation

14%

Gutsituierter Finanzexperte: hoch interessierter, risikofreudiger Online-Banker; erledigt Anlagegeschäfte selbst; streut Anlagen breit; wird oft um Rat gefragt

Gesundheitsratgeber: eher älterer weiblicher Typ; konsumfreudig und werbeaufgeschlossen; gut informiert über Gesundheitsthemen; präventionsorientiert

Rundreisender Kreuzfahrturlauber: Schiff ist Hauptreisemittel; entdeckt gern ferne Länder

Cluborientierter Familienurlauber: Urlaubszeit ist Familienzeit; legt Wert auf Betreuung der Kinder

Reise-Typologie

9%

Sportlicher Aktivreisender: lebt Fitnessbegeisterung in Freizeit und Urlaub aus; unternimmt mehrfach pro Jahr Kurzreisen, häufig im eigenen Pkw

18% 18%

Kreditfinanzierter Hedonist: gibt lieber Geld aus als es anzulegen; aufgeschlossen für Kredite; wechselt für bessere Konditionen die Bank

Quelle: Best for Planning

18%

Sparwilliger Familienversorger: : hohes Interesse an Finanzthemen; Familie wird mehrfach abgesichert; eher risikoscheu; konservative Geldanlagen

17%

Sparunfähiger Desinteressierter: kann aufgrund fehlender Mittel nicht sparen; kein Interesse an Finanzthemen; überproportional großer junger Teil der Zielgruppe wächst erst in Finanzthemen hinein

19%

Kulturinteressierter Städtereisender: wählt gerne Kurzurlaub im Rahmen von Bildungsreisen innerhalb Europas; gern auch mit Bus und Bahn unterwegs

Wandernder Individualurlauber: plant Urlaub selbst, gern innerhalb Deutschlands; bevorzugt Auto als Transportmittel; lehnt Badeurlaub ab

HORIZONT 36/2014

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