Musikstunde: Geigenbauer I

February 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

Download Musikstunde: Geigenbauer I...

Description

SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Musikstunde Mönche am Bodensee Oberschwäbische Klöster im 18. und frühen 19. Jahrhundert (5) Von Stefan Morent Sendung:

Freitag, 05. Februar 2016

Redaktion:

Bettina Winkler

9.05 – 10.00 Uhr

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

2

Musikstunde Mönche am Bodensee: Oberschwäbische Klöster im 18. und frühen 19. Jahrhundert (5) 05.02.2016 Signet 0:05 Zu den Musikstunden, in denen es diese Woche um „Mönche am Bodensee“ geht, begrüßt Sie wieder Stefan Morent. Zum Schluss erkunden wir heute oberschwäbische Klöster im 18. Jahrhundert bis zur Säkularisation. Indikativ Nach den Wirren und Schrecken des Dreißigjährigen Krieges erholte sich die Musikpflege in den Klöstern im oberschwäbischen Hinterland des Bodensees nachhaltig erst wieder fast 100 Jahre später Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu den Klöstern Altwürttembergs, die bereits bei Einführung der Reformation im 16. Jahrhundert aufgelöst wurden, konnte sich so bis zur Säkularisation erneut ein reiches Musikschaffen entfalten. Der Begriff Oberschwaben steht hierbei über die heutigen politischen Grenzen hinweg für einen großen zusammenhängenden Kulturraum: Er umfasst das Bodenseegebiet, Voralberg, das Allgäu und die Schwäbische Alb sowie das bayerische Schwaben mit Verbindungen nach Tirol, Österreich, Böhmen und Italien. Bemerkbar macht sich dies etwa im Bau neuer großer Orgeln und in Komponistenpersönlichkeiten unter den Konventualen, die nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch zur Rekreation der Klostergemeinschaft mit Singspielen und Kantaten beitrugen und damit die Äbte und ihre illustren Gäste unterhielten. Natürlich wurde im Gottesdienst nach wie vor der Gregorianische Choral gepflegt, wenn auch in zeitgemäßer Adaption meist mit Orgelbegleitung. Michael Haydn, der jüngere Bruder von Joseph Haydn, verfasste 1792 im Auftrag von Abt Nikolaus Betscher ein Antiphonale mit Generalbassbegleitung für den mit der Orgel begleiteten Gesang des Stundengebets der Chorherren in der Prämonstratenser Reichsabtei Rot an der Rot. Michael Haydns lebenslange intime Vertrautheit mit dem Choral zeigt sich in vielen seiner Werke, so auch in seinen beiden Requiem-Vertonungen: Sowohl im Requiem c-Moll von 1771 zum Tod von Fürsterzbischof Sigismund Graf Schrattenbach zitiert er im Introitus-Vers Choral als auch im unvollendeten Requiem B-Dur. In diesem von Kaiserin Maria Theresia in Auftrag gegebenen und 1805 begonnenen Werk erklingt zum Vers „Te decet hymnus“ der „tonus peregrinus“, der irreguläre Psalmton mit zwei verschiedenen Rezitationsebenen - wie in Mozarts Requiem. Und dies ist nicht die einzige

3 Parallele zu Mozart; denn wie dieser verstarb Michael Haydn während der Komposition seines Requiems: Michael Haydn: Introitus aus dem Requiem B-Dur Lydia Teuscher (Sopran) KammerChor Saarbrücken Kammerphilharmonie Mannheim Leitung: Georg Grün 1243402-001, 03:38 Der Kammerchor Saarbrücken, die Kammerphilharmonie Mannheim und Lydia Teuscher: Sopran unter der Leitung von Georg Grün mit dem Introitus von Michael Haydns Requiem in B-Dur. Abt Nikolaus Betscher von Rot an der Rot hat selbst ein reiches kompositorisches Schaffen hinterlassen, darunter eine Messe in C-Dur: Nikolaus Betscher: Kyrie aus der Messe in C-Dur Camerata vocalis der Universität Tübingen Christophorus Kantorei Altensteig Stefan Bleicher (Orgel) SWF Sinfonieorchester Baden-Baden Leitung: Alexander Sumksi M0110174-001, 04:00 Sie hörten das Kyrie aus Nikolaus Betschers Messe in C-Dur mit der Camerata vocalis der Universität Tübingen, der Christophorus Kantorei Altensteig, Stefan Bleicher: Orgel, dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Solisten unter der Leitung von Alexander Sumksi. Als letzter Abt musste Nikolaus Betscher die Enteignung und Auflösung seiner einst wohlhabenden Reichsabtei Rot an der Rot miterleben. Viele der fast ausschließlich handschriftlich überlieferten Werke oberschwäbischer Klosterkomponisten des 18. Jahrhunderts sind im Zuge der Säkularisation leider verloren gegangen. Teilweise wurden sie sogar in den Klöstern selbst als Einbandmaterial für neue Bücher weiterverwendet oder gleich ganz entsorgt, weil diese Werke durch den stilistischen Wandel um 1750 als veraltet galten. Die erhaltenen Bestände sind heute zu einem großen Teil im „Schwäbischen Landesmusikarchiv“ am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen versammelt. Bei der gesamten geistlichen Musik des süddeutschen Raumes werden starke Einflüsse der Salzburger Kirchenmusiktradition deutlich: Johann Ernst Eberlin (1702–

4 1762), Leopold Mozart und Michael Haydn wirkten stilbildend auf die geistlichen Kompositionen in den oberschwäbischen Klöstern. Dagegen fanden Komponisten wie Schütz, Bach, Händel oder Vivaldi nach Ausweis der Klosterarchive keine Rezeption. Der ältere polyphone Stil in der Tradition der Niederländer wurde etwa in Eberlins Missa Caena Domino in Contra puncto von 1741 in g-Moll, mit einem Krebs-Kanon im Benedictus, vermittelt. Der Komponist überreichte die Messe selbst dem Kloster Weingarten in einer prachtvoll gestalteten Abschrift: Johann Ernst Eberlin: Kyrie aus der Missa secundi toni g-moll Gabriele Prottengeier (Sopran) Waltraud Häberle (Alt) Norbert Mölich (Tenor) Klaus-Joachim Vest (Bass) Chor der Dreifaltigkeitskirche Fellbach-Schmiden Stuttgarter Instrumentalsolisten Leitung: Reiner Kowarik 1608206 01-A-002, 3‘50 Direkte Einflüsse Eberlins lassen sich bei dem aus Leutkirch stammende Franziskus Xaverius Rottach ausmachen. Er legte 1730 unter dem Ordensnamen Meingosus die Profess im Kloster Weingarten ab und war dann vor allem im von Weingarten aus gegründeten Priorat Hofen, dem heutigen Friedrichshafen, als Lehrer für Philosophie, als Regens chori und Cellerar tätig. Von ihm sind Messen, Offertorien, Vertonungen des Magnificat und des Salve Regina und zwei RequiemVertonungen überliefert: Im Requiem in contrapuncto in c-Moll lehnt sich Rottach stilistisch an die Gründonnerstagsmesse von Eberlin an, das Requiem in Es-Dur von 1751 ist in Form einer Kantatenmesse mit einer Doppelfuge im Kyrie gestaltet: Meingosus Rottach: Kyrie aus dem Requiem Es-Dur (1751 Oberschwäbischer Kammerchor Harald Geerkens (Orgel) SWF Sinfonieorchester Baden-Baden Leitung: Erno Seifritz M0011509-001, 01:43 Das Kyrie aus dem Requiem in Es-Dur von Meingosus Rottach mit dem Oberschwäbischen Kammerchor, dem SWF Sinfonieorchester Baden-Baden, Harald Geerkens: Orgel und Solisten unter Erno Seifritz.

5 Von Meingosus Rottach führt eine direkte Verbindung zum Kloster St. Georg in Isny: Dort wirkten seine Brüder Jacob und Wunibald Rottach, letzerer sogar als Abt der 1096 begründeten Benediktinerabtei. Unter ihm und seinen Nachfolgern blühte das Musikleben des Klosters neu auf, zahlreiche Kompositionen wurden bei auswärtigen Komponisten in Auftrag gegeben, Musikalien und Instrumente erworben. Im Bestand des Isnyer Notenarchivs ist auch die "Große Messe" in C-Dur des Zwiefaltener Benediktiners und Komponisten Ernest Weinrauch erhalten. Er war über Zwiefalten hinaus als Komponist, Organist und Lehrer hoch geschätzt. Mit einer Aufführungsdauer von einer Stunde stellt Weinrauchs Messe ein Werk von monumentalen Ausmaßen dar. Auch die Besetzung für Soli, Chor, 2 Trompeten, 2 Klarinetten, 2 Hörner, Streicher, Bass, Orgel und Pauke verweist auf die beträchtlichen musikalischen Möglichkeiten der oberschwäbischen Klöster dieser Zeit. Bei Bedarf kamen noch Musiker aus den Hofkapellen umliegender fürstlicher Hofhaltungen hinzu. Mit dem Entstehungsjahr 1769 von Weinrauchs Messe betreten wir den musikalischen Stilwandel der Zeit nach 1750. Klarinetten und Hörner sind dabei typisch für den Einfluss der Mannheimer Schule und der böhmisch-süddeutschen Musiktradition, die formale Anlage verweist auf den italienisch-neapolitanischen Stil: Ernest Weinrauch: Kyrie aus der Messe in C-Dur Camerata vocalis der Universität Tübingen Christophorus Kantorei Altensteig Matthias Eisenberg (Orgel) SWF Sinfonieorchester Baden-Baden Leitung: Alexander Sumksi, M0012348-001, 07:09 Das Kyrie aus der Großen Messe in C-Dur von Ernest Weinrauch mit der Camerata vocalis der Unversität Tübingen, der Christophorus Kantorei Altensteig, Matthias Eisenberg: Orgel, dem SWF Sinfonieorchester und Solisten unter Alexander Sumski. Ein Weinrauchs Großer Messe ebenbürtiges Werk ist die 1789 entstandene Missa sollenis in C-Dur von Sixtus oder auch Sixt Bachmann, der in der Prämonstratenser Reichsabtei Marchtal Vokal- und Tastenmusik komponierte. Einer Missa solennis angemessen ist die doppelchörige Anlage für zwei vierstimmige Chöre und die opulente Instrumentierung mit fünfstimmigem Streicherensemble, Oboen und Hörnern. Das Credo hebt Bachmann allerdings durch die Besetzung mit vier Männerstimmen besonders heraus und verwendet Stimmgruppierungen zur Verdeutlichung der Textgliederung:

6 Sixt Bachmann: Credo aus der Missa sollenis C-Dur Camerata vocalis der Universität Tübingen Christophorus Kantorei Altensteig Matthias Eisenberg (Orgel) SWF Sinfonieorchester Baden-Baden Leitung: Alexander Sumksi M0061385-001, 04:42 Der Beginn des Credo aus der Missa sollenis in C-Dur von Sixt Bachmann mit der Camerata vocalis der Unversität Tübingen, der Christophorus Kantorei Altensteig, Matthias Eisenberg: Orgel, dem SWF Sinfonieorchester und Solisten unter Alexander Sumski. Sixt Bachmann erlangte auch dadurch einen Platz in der Musikgeschichte, dass er 1766 als 12jähriger mit dem 10jährigen Wolfgang Amadeus Mozart ein Wettspiel an der Orgel der Wallfahrtskirche in Marktbiberach bei Augsburg bestritt, als sich die Mozarts auf dem Heimweg von ihrer zweiten großen Konzertreise befanden. Auch wenn der Wettstreit unentschieden ausgegangen sein soll: Ein neuer Mozart oder Haydn ist bei aller Begabung unter den oberschwäbischen Klosterkomponisten nicht zu finden. Lange Zeit lag der Fokus von Musikforschung und Aufführungspraxis auf der protestantischen und norddeutschen Kirchenmusik. Seitdem sich aber beide seit den 1990er Jahren der vernachlässigten Musikkultur der süddeutsch-oberschwäbischen Klöster verstärkt zugewendet haben, entsteht für unsere Ohren wieder die Klanglandschaft, in die für die Zeitgenossen die Musik Mozarts und Haydns ganz selbstverständlich eingebettet war. Hierzu gehören auch die erst jüngst wieder entdeckten Werke von Pater Aemilian Rosengart, Lehrer und Komponist in der benediktinischen Reichsabtei Ochsenhausen. "Ein sehr guter Organist und Tonsezer" wurde er von seinen Zeitgenossen genannt und sein "Ave Maria" stellt dies mit inniger Schlichtheit unter Beweis: Aemilian Rosengart: Ave Maria Orpheus Vokalensemble Ars Antiqua Austria Leitung: Jürgen Essl M0129662-005, 02:07 Das Orpheus Vokalensemble und Ars Antiqua Austria unter Jürgen Essl mit Aemilian Rosengarts Ave Maria, aufgenommen in der Klosterkirche Ochsenhausen.

7 Von Ochsenhausen kehren wir zum Schluss unserer Musikstunde wieder nach Weingarten zurück. Untrennbar zur süddeutsch-oberschwäbischen Klanglandschaft gehören natürlich auch die großen Klosterorgeln. Der aus Ochsenhausen stammende Orgelbauer Johann Joseph Gabler schuf für die Abtei Weingarten sein Meisterstück: 1750 stellte er die Hauptorgel nach 13 Jahren Bauzeit mit der symbolischen und nicht ganz realen Zahl von 6.666 Pfeifen und 66 Registern und für die Summe von 32.000 Gulden fertig. Vor allem seine EffektRegister verhalfen dem Instrument zu Berühmtheit: Nachtigall, Kuckuck, Glockenspiel, Pauken und Donner sowie vor allem die Vox humana, die die menschliche Stimme nachahmt. Für sie soll der Meister der Legende nach mit dem Teufel höchstpersönlich paktiert haben: Johann Ernst Eberlin: Toccata quinta Stephan Debeur (Orgel) Förderverin Basilikamusik Weingarten 001, 05:30 Stephan Debeur spielte die Toccata quinta von Johann Ernst Eberlin an der Gabler-Orgel der Basilika Weingarten. Noch vielen anderen oberschwäbischen Klostertönen könnten wir lauschen: Den Orgeln von Johann Nepomuk Holzhey in Rot an der Rot, Marchtal und Weißenau, oder den Kompositionen von Isfried Kayser in Marchtal, und Christoph Vogel in Weingarten, oder von Franz Xaver Schnizer in Ottobeuren, Verabschieden wollen wir uns aber von der Klostermusik am Bodensee und Oberschwabens mit einem Ausschnitt aus der "comischen Oper Adams und Evas Erschaffung" von Meingosus Gaelle aus Weingarten. Zunächst Schüler von Meingosus Rottach, studierte er in Salzburg und wirkte später als Lehrer, Komponist, hervorragender Cembalist und Harfenist in der Abtei. Am Vorabend der Säkularisation komponierte er 1796 das Singspiel für Sopran als Eva, Tenor als Adam und Bass als Gottvater sowie Harfe, Flöte, Viola oder Violoncello als Vertonung der "Schwäbischen Schöpfung" von Pater Sebastian Sailer aus Marchtal. Anlass war eine nicht näher bekannte Feierlichkeit im Kloster. Die heiteren Töne bilden somit als Ausklang unserer Musikstundenwoche auch den Abgesang auf die reiche Musikkultur der Bodenseelandschaft und ihrer Klöster, die mit deren Aufhebung ihr Ende fand. Meingosus Gaelle: Schluss von Adams und Evas Erschaffung Solistenensemble (s.u.) M0337765-061 bis 066, 6‘51

8 Karl Friedrich Dürr (Gottvater), Peter Besch (Adam), Angelika Luz (Eva), Helga Siele (Engel), Willy Freivogel (Sprecher), Horst Strohfeldt (Viola), Heinrich Kammerer (Cello) und Renie Yumahata (Harfe) mit einem Ausschnitt aus "Adams und Evas Erschaffung" von Meingosus Gaelle. Damit sind wir ans Ende der Musikstunden-Woche zu „Mönche am Bodensee“ mit Stefan Morent gekommen. Die Manuskripte der Sendungen finden Sie wie immer auf den Internet-Seiten von SWR2 unter dem Stichwort „Musikstunde“. Dort können Sie die Sendungen auch eine Woche lang nachhören. Mitschnitte der Musikstunden können Sie unter der Telefonnummer 07221-92926030 bestellen. Am Mikrofon verabschiedet und bedankt sich fürs Zuhören, Stefan Morent.

View more...

Comments

Copyright � 2017 NANOPDF Inc.
SUPPORT NANOPDF