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January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Geschichte, Weltgeschichte
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Zeitschrift für historische Bildung

C 21234

ISSN 0940 - 4163

Heft 2/2015

Militärgeschichte

Militärgeschichte im Bild: Propagandapostkarte »Zeppelin kommt!«, 1915.

Mythos Stuka Österreicher in der Wehrmacht »Moltke als Schimpfwort!« Chemische Kriegführung 1914–1918

Militärgeschichtliches Forschungsamt

MGFA

Impressum

Editorial

ZMG 2014-H3 Impressum Editorial

Militärgeschichte Zeichen: 2.900

Zeitschrift Bildung V1für mthistorische 2014-08-21, V2 lekt 2014-08Herausgegeben 21, V3 mt 2014-08-22 vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr S. 2 durch Oberst Dr. Hans-Hubertus Mack und Oberst Dr. Sven Lange (V.i.S.d.P.) Produktionsredakteure der aktuellen Ausgabe: Major Dr. Klaus Storkmann und Mag. phil. Michael Thomae Redaktion: Friederike Höhn B.A. (fh) Hauptmann Ariane Huth M.A. (aau) Major Dr. Jochen Maurer (jm) Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp) Major Dr. Klaus Storkmann (ks), korresp. Mitglied Mag. phil. Michael Thomae (mt) Bildredaktion: Dipl.-Phil. Marina Sandig Lektorat: Dr. Aleksandar-S. Vuletić Karte: Dipl.-Ing. Bernd Nogli Layout/Grafik: Maurice Woynoski / Medienwerkstatt D. Lang Anschrift der Redaktion: Redaktion »Militärgeschichte« Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam E-Mail: ZMSBwRedaktionMilGeschichte@ bundeswehr.org Homepage: www.zmsbw.de Manuskripte für die Militärgeschichte werden an obige Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht gehaftet. Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung usw. Die Honorarabrechnung erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redak­ tion behält sich Änderungen von Beiträgen vor. Die Wiedergabe in Druckwerken oder Neuen Medien, auch auszugsweise, anderweitige Vervielfältigung sowie Übersetzung sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung erlaubt. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte von in dieser Zeitschrift genannten Webseiten und deren Unterseiten. Für das Jahresabonnement gilt aktuell ein Preis von 14,00 Euro inklusive Versandkosten (innerhalb Deutschlands). Die Hefte erscheinen in der Regel jeweils zum Ende eines Quartals. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende des Bezugszeitraumes. Ihre Bestellung richten Sie bitte an: SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Stellmacherstraße 14, 26506 Norden, E-Mail: [email protected] © 2015 für alle Beiträge beim Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)

Liebe Leserin, lieber Leser, aus Ihren Rückmeldungen wissen wir, dass bei manchen besonderes Interesse an der Technikgeschichte der Weltkriege besteht. Diesem Wunsch kommt Jens Wehner mit einem Blick auf den Mythos »Stuka« nach. Das Sturzkampflugzeug Ju 87 galt auch nach 1945 als eines der erfolgreichsten Flugzeuge der Luftwaffe. Dies lag, so Wehner, an seinem »innovativen Einsatz« im Gefecht der verbundenen Waffen, der gar als Vorbild des späteren Close Air Support gelten könne. Beim Blick auf Technik und Taktik dürfen jedoch niemals die Opfer dieser Angriffe in Vergessenheit geraten. Martin Meier trägt diesem Wunsch Rechnung: Er blickt auf die chemische Kriegführung im Ersten Weltkrieg, den Einsatz von Chlorgas und Phosgen sowie auf andere grauenhafte Erfindungen im »Gaskrieg«. Auf Ihr besonderes Interesse wird sicher der Beitrag von Norman Domeier über eine ab 1907 öffentlich vor Gerichten ausgetragene Schlammschlacht um Ehre, Verleumdung und die damals noch unter der Strafe des Paragrafen 175 stehende Homosexualität stoßen. Im Fokus standen »allerhöchste Kreise« des Reiches und des preußischen Militärs mit engen freundschaftlichen Beziehungen zum Kaiser. Vordergründig drehte sich der Skandal um Sexualität und die Ehre des preußischen Militärs, hinter den Kulissen ging es um knallharte politische Fragen: um Einfluss beim Kaiser und die Richtung der deutschen Außenpolitik. Der Skandal von 1907 wirkt sogar bis in die Gegenwart nach. Der damalige preußische Kriegsminister General Karl von Einem trat als Verfechter einer besonders harten Linie gegen homosexuelle Offiziere in der preußischen Armee hervor. Im Reichstag meldete er sich in der Debatte am 29. November 1907 zu Wort: »Mir sind diese Leute ekelhaft und ich verachte sie! […] Wo ein solcher Mann mit solchen Gefühlen in der Armee weilen sollte, da möchte ich ihm zurufen: Nimm Deinen Abschied, entferne Dich, denn Du gehörst nicht in unsere Reihen! Wird er aber gefasst, meine Herren […] so muss er vernichtet werden.« Von Einems Reichstagsrede ist neben anderen kontroversen Punkten im Leben des 1934 verstorbenen Generals heute Hauptargument für die Umbenennung der mancherorts noch bestehenden Von-Einem-Straßen. In Essen scheiterte 2013 eine solche von der Stadt vorgesehene Umbenennung an einem Bürgerentscheid der Anwohner. Auch in Berlin sollte die Einemstraße unbenannt werden, und auch hier formierte sich Widerspruch der Anwohner, sodass der Nordteil der Straße bis heute Einems Namen trägt. Ihr Südteil wurde 2013 nach Karl Heinrich Ulrichs, einem 1895 verstorbenen Vorkämpfer der Homosexuellenbewegung, benannt. In eigener Sache: Die Redaktion verabschiedet sich von Herausgeber Oberst Dr. Sven Lange und dankt ihm für seine vertrauensvolle und inhaltlich stets bereichernde Zusammenarbeit. Für seine weitere Dienstzeit wünschen wir viel Erfolg und Soldatenglück. Hauptmann Ariane Aust M.A. begibt sich auf Entdeckungsreise: Sie ist vor wenigen Tagen in den Ehestand getreten. Unserer Redaktion bleibt sie weiter erhalten, wenn auch unter verändertem Namen: Ariane Huth.

Druck: SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden

Für Ihr Interesse an der Militärgeschichte danken

ISSN 0940-4163

Klaus Storkmann und Michael Thomae

Inhalt »Stuka!« Mythos und Wirklichkeit

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Service Das historische Stichwort: Die Schlacht von Gorlice-Tarnów 23

Jens Wehner M.A., geb.1978 in Schlema/Sachsen, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden

Neue Medien 

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Lesetipps26 Die historische Quelle

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Geschichte kompakt

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Ausstellungen30

»Österreicher« in der Wehrmacht

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»Zeppelin kommt!« 

Mag. Dr. Richard Germann, geb. 1974 in Wels/Oberösterreich, Ludwig Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft, Wien

»Moltke als Schimpfwort!« Der Eulenburg-Skandal und die moralische Rechtfertigung eines »großen Krieges«

Militärgeschichte im Bild

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Dr. Norman Domeier, geb. 1979 in Duderstadt/ Südniedersachsen, Akademischer Rat am Historischen Institut der Universität Stuttgart

Die Propagandapostkarte »Zeppelin kommt!« aus dem Jahr 1915 zeigt den Angriff eines Zeppelins auf den »Kriegshafen von England« als Kinderspiel. So vielschichtig das »Kinderspiel« mit Blick auf das Kriegsgeschehen und die beabsichtigte Wirkung der Propaganda hier auch zu lesen sind, gibt die Karte ebenso Auskunft über die gesamtgesellschaftliche Dimension der Militarisierung. Foto: Archiv Markus Pöhlmann, ZMSBw

Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:

Gaskampf 1914–1918 Kampfstoffe und Einsatzgrundsätze der Entente- und der Mittelmächte Dr. Martin Meier, geb. 1975 in Bergen/Rügen, Studienrat, Fachlehrer für Chemie und Geschichte

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Tobias Gräf, SHK Uni Regensburg; Major Holger Hase M.A., Dresden; Oberst Prof. Dr. Winfried Heinemann, ZMSBw; Stefan Kahlau M.A., Geltow; Kapitänleutnant d.R. Christian Senne M.A., Cuxhaven; Carsten Siegel B.A., Potsdam; Dr. Thomas Vogel, ZMSBw; Dr. Susanne Willems, Berlin.

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MHM

Stuka

5Eine Ju 87 kurz vor dem Start am Mittelabschnitt der Ostfront, um 1943.

D

»Stuka!« Mythos und Wirklichkeit

ie Junkers Ju 87 – genannt »Stuka« (für Sturzkampfflugzeug) – ist wahrscheinlich das bekannteste deutsche Flugzeug des Zweiten Weltkrieges. Geradezu symbolhaft steht sie bis heute für die fliegerische Komponente des »Blitzkriegs«. Doch was steckt dahinter, wie besonders war die Ju 87 wirklich? Die Idee für die Sturzbomber oder Sturzkampfbomber – so die gängige Bezeichnung – entstand in der US Navy in den 1920er Jahren. Dahinter stand die Überlegung, dass horizontal fliegende Flugzeuge keine militäri­schen Punktziele und insbesondere keine Schiffe treffen könnten. Beim Sturzflug könne der Pilot jedoch mit dem ganzen Flugzeug das Ziel anvisieren und dann die Bomben in niedriger Flughöhe einfach entlang der Flugbahn abwerfen. Dieses Prinzip funktionierte tatsächlich recht gut und steigerte die Präzision enorm. Im Zweiten Weltkrieg ent-

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schieden die Sturzbomber sogar Seeschlachten, wie zum Beispiel 1942 bei den Midway-Inseln im Pazifik. Dort war es etwa drei Dutzend US-amerika­ ni­schen Sturzbombern gelungen, drei japanische Flugzeugträger in nur sechs Minuten schwer zu beschädigen. Bereits die Reichswehr hatte in den 1920er Jahren die Idee entwickelt, ein Sturzkampfflugzeug in eine künftige deutsche Luftwaffe einzuführen. Ernst Udet (1896–1941) trieb diese Idee ab Mitte der 1930er Jahre wesentlich voran. Udet, nach Manfred von Richt­ hofen der erfolgreichste deutsche Jagdflieger im Ersten Weltkrieg, trat 1935 als Oberst in die von seinem persönli­ chen Bekannten Hermann Göring geführte Luftwaffe ein. Er wurde zunächst Inspekteur der Jagd- und Sturzkampfflieger und ab 1936 Chef der Luftwaffenrüstung. 1935 führte die neuaufgestellte Luftwaffe zwei Ausschreibungen durch, in

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denen sowohl die Entwicklung eines leichten einsitzigen Sturzbombers als auch die eines größeren Sturzbombers mit einem Piloten und einem nach hinten ausgerichteten Bordschützen mit beweglichen Maschinengewehr (MG) als Ziele genannt wurden. Für die leichte einsitzige Variante gewann die Firma Henschel die Ausschreibung mit einem konservativen Doppeldecker ihres Modells Hs 123. Im Zuge der zweiten Ausschreibung traten die Arado 81, die Heinkel 118 und die Junkers 87 gegeneinander an. Die Arado 81 war ebenfalls im konservativen Doppeldeckerdesign gehalten, während die Heinkel ähnlich wie der Eindecker Ju 87 geformt war, aber nicht deren Knickflügel aufwies. Die Ju 87 gewann und wurde in die Serienproduktion genommen. Der Erstflug der Ju 87V-1 erfolgte bereits im September 1935. Der Knickflügel war ein aerodynamisches Mittel, um der Stuka mehr Sta-

D-Variante der Ju 87 zu fliegen, und stellte ein stabiles Flugverhalten sowie ausgezeichnete Sichtmöglichkeiten fest. Im Sturzflug sei die Stuka das beste Flugzeug des Krieges: »Tatsächlich hatte ich noch kein Sturzkampfflugzeug geflogen, mit welchem Stürze steiler als 70 Grad möglich gewesen wären. Nur die Ju 87 war ein echter 90Grad-Stürzer! [...] Mit diesem Flugzeug schien es die natürlichste Sache der Welt zu sein, wenn man ›auf dem Kopf‹ stand.«

Taktik und erster Einsatz Der erste Kampfeinsatz der Ju 87 erfolgte im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) im Rahmen der »Legion Condor« zur Unterstützung der gegen die Republik putschenden Truppen des späteren Diktators Francisco Franco. Von viel Skepsis durch die Luftwaffenführung begleitet, erwiesen sich die Stukas als äußerst wirksam in der punktgenauen Bekämpfung gegnerischer Stellungen und Einheiten. Die Verluste durch Flugabwehrkanonen (Flak) und feindliche Jagdflugzeuge blieben nicht zuletzt dank der deutschen Luftüberlegenheit gering. Das Ziel wurde von den Ju‑87-Piloten in Vförmigen Formationen angeflogen, denn in der V‑Formation konnten die Heckschützen der Stukas ihre toten Feuerwinkel am besten gegenseitig ausgleichen. Jede Kette, bestehend aus drei Flugzeugen, bildete ein V, eine Staffel bildete wiederum aus ihren drei Bundesarchiv, Bild 183-1987-1210-502 / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA

bilität im Kurvenflug zu geben, da sich dabei die Luftströmung veränderte. Eine andere Stellung der Tragfläche konnte hier von Vorteil sein. Zudem war durch den Knick ein Punkt geschaffen, der unterhalb der Gesamtfläche des Flügels lag, also der Erde näher war. Genau dort befand sich das Fahrwerk, dessen »Beine« daher recht kurz geformt werden konnten. Entgegen dem damaligen Trend in der Flugzeugentwicklung war es nicht einziehbar, wahrscheinlich um Gewicht zu sparen und die Stabilität beim Landen und Starten zu erhöhen. Im Unterschied zu der US-amerikanischen Sturzbomberkonstruktion war die deutsche Stuka eher für den Landkrieg gedacht, eine Ausführung, die Ju 87C, sollte jedoch auch auf Flugzeugträgern eingesetzt werden. Der einzige in Bau befindliche deutsche Träger »Graf Zeppelin« wurde allerdings nie in Dienst gestellt. Luftwaffenpiloten bezeichneten das Flugverhalten der Stuka übereinstimmend als sehr einfach und stabil. Einer von ihnen, Gerd Stehle, schrieb nach dem Zweiten Weltkrieg, der Knickflügel »versprach zwar eine außerordentliche Stabilität im Flug, aber schnell sah diese Tragfläche auch nicht aus«. Zum Fahrwerk meinte er: »Wenn es mal zu matschig wurde, dann montierten die Bordwarte die ›Maukepantoffeln‹ (so nannten sie die Radverkleidungen) einfach ab, weil sich beim Rollen zu viel Dreck sammelte.« Der britische Testpilot Eric Brown hatte nach dem Krieg Gelegenheit, eine

5Sturzkampfflugzeuge 1939 in Polen.

Ketten ein V. Kurz vor dem Erreichen des Zieles formierten sich die Ju 87 zu einer Linie, und danach rollte eine nach der anderen über die Tragfläche ab und stürzte mit einem Winkel von bis zu 90° – also fast senkrecht – auf das Ziel. In der Regel wurde in Höhen um 4000 bis 5000 m angeflogen und bis zu 1000 m Höhe herunter gestürzt. Viele Piloten gingen tiefer, um besser treffen zu können, steigerten jedoch dabei auch das Risiko abzustürzen oder abgeschossen zu werden. Vor dem Sturz wurden Luftwiderstand erzeugende Sturzflugbremsen ausgefahren, wodurch gleichzeitig die am Fahrwerkbein befindlichen Sirenen ausgelöst wurden. Diese sogenannten Jerichotrompeten erzeugten ein laut-heulendes Geräusch, um Angst und Panik beim Gegner zu erzeugen. Bereits der britische Luftkriegstheoretiker Hugh Trenchard hatte nach dem Ersten Weltkrieg erkannt, dass die psychologische Wirkung eines Bombenangriffs zwanzig Mal stärker sei als die Trefferwirkung selbst. Tatsächlich rannten viele Soldaten vor den heranstürzenden Stukas davon. Beim Sturz traten jedoch trotz der Sturzflugbremsen sehr hohe Geschwindigkeiten auf, die beim Abfangen in den Normalflug enorme G-Kräfte bis zum Neunfachen des eigenen Körpergewichtes verursachten. Nicht wenige Piloten erlitten dabei kurzzeitigen Blutverlust im Auge (»black-out«) oder verloren gar das Bewusstsein. Bei Verlust des Bewusstseins griff eine sogenannte Abfangautomatik ein, die ab einer bestimmten Höhe das Flugzeug sicher abfing. Noch höhere Belastungen traten für den Heckschützen der Ju 87 auf. Doch auch die Automatik schützte nicht vor allen Eventualitäten. Am 15. August 1939 stürzte eine StukaGruppe durch eine Wolkendecke über dem schlesischen Truppenübungsplatz Neuhammer. Da die Wolken niedriger als vom Wetterdienst vorhergesagt hingen, rammten sich 13 Stukas binnen Sekunden in die Erde, weil ihre Piloten sie zu spät abgefangen hatten. Die Bedienung der Stukas war für die Piloten nicht nur in physischer, sondern auch in psychischer Hinsicht eine große Herausforderung, denn oft stürzten die Ju 87 in das dichteste Flakfeuer hinein. In den Anfängerfliegerschulen der Luftwaffe wurden daher besonders mutige

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Stuka

Ausführungen der Ju 87* Ausführung

Gefertigt ab

Stückzahl MaximalWaffen (starr/vorn (gerundet) leistung (PS) und beweglich/hinten)

Bombenlast

Ju 87A

7/1937

260

720

1 x 7,92-mm-MG 1 x 7,92-mm-MG

500 kg

Ju 87B

9/1938

920

1 200

2 x 7,92-mm-MG 1 x 7,92-mm-MG

500 kg

Ju 87R (R für Reichweite)

1/1940

720

1 200

2 x 7,92-mm-MG 1 x 7,92-mm-MG

250 kg (dafür mehr Betankung)

Ju 87D

8/1941

3 640

1 420

2 x 20-mm-Bordkanone (ab D-5) 1 x 7,9- mm-Doppelrohr-MG

1 800 kg

Ju 87G

12/1943

210

1 420

2 x 3,7-cm-Bordkanone 1 x 7,92-mm-Doppelrohr-MG

in der Regel ohne Bomben; für Panzerbekämpfung vorgesehen

1936 – 1944

5 800

Gesamt (inklusive Prototypen)

*Angegeben sind nur die häufigsten Ausführungen der Ju 87. Quellen: W. Wagner, Hugo Junkers. Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge, Bonn 1996; P.C. Smith, Stuka: Luftwaffe Ju 87 Dive-Bomber Units 1942 – 1945, Hersham 2006.

Piloten für die Sturzkampfgeschwader ausgewählt. Die Ausbildungszeit dauerte zwischen 13 und 24 Monate und umfasste mindestens 200 Flugstunden. Viele Stuka-Piloten fühlten sich aufgrund der in sie gesetzten Erwartungen und ihrer Auswahl als Elite. Wenig bekannt ist, dass der berühmte Aktionskünstler Joseph Beuys (1921–1986) als Bordschütze und -funker auf der Stuka flog.

Erfolge und Propaganda Zum Überfall auf Polen im September 1939 konnte die Luftwaffe auf rund 340 Ju 87 zurückgreifen. Die meisten waren beim Fliegerführer z.b.V. (zur besonderen Verwendung) konzentriert, der unter dem Kommando des Generals Wolfram von Richthofen auf die Unterstützung der Heeresverbände spezialisiert war. Die Ju‑87-Verbände begannen die ers­ ten offenen Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg; eine Kette zerstörte am 1. September um 4.35 Uhr – also zehn Minuten vor dem offiziellen Angriffsbeginn – polnische Sprengkabel an einer Eisenbahnbrücke bei Tczew (Dirschau). Etwa fünf Minuten vor Angriffsbeginn bombardierte eine StukaGruppe die polnische Kleinstadt Wieluń, wobei dieser Angriff viele ­Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte. Der erste Luft-Luft-Abschuss im Zweiten Weltkrieg gelang ebenfalls

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© ZMSBw

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einem Stuka-Piloten. Die polnischen Luftstreitkräfte verfügten über meist veraltete und deutlich weniger Flugzeuge als die deutsche Luftwaffe. In den ersten Eroberungsfeldzügen der Wehrmacht in Polen 1939 und Norwegen 1940 zeigten die Stukas beträchtliche militärische Wirkung. Mit ihren Sirenen und Bomben stürzten sie sich auch im Westfeldzug 1940 gegen Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande auf die gegnerischen Truppenstellungen und ebneten so den motorisierten Verbänden der Wehrmacht den Weg. Oft geschah dies an den entscheidenden Brennpunkten der Front. Einer der intensivsten Angriffe dieser Art fand am 13. Mai 1940 bei Sedan statt. Hier erzielte die Wehrmacht einen entscheidenden Durchbruch, der zur Niederlage Frankreichs führen sollte. An diesem 13. Mai bombardierten von 8.00 Uhr früh bis abends Hunderte deutscher Flugzeuge die französischen Stellungen bei Sedan, darunter viele Stukas. Ein Oberleutnant der bombardierten französischen Division schrieb dazu nach dem Krieg: »Zu den Bombern gesellen sich die ›Stukas‹. Das Sirenengeräusch des herunterstoßenden Flugzeugs bohrt sich ins Ohr und legt den Nerv bloss. Man bekommt Lust, zu brüllen.« Beeindruckt waren auch die deutschen Heeressoldaten. Einer beschrieb nach dem Krieg: »Staffel um Staffel ziehen in großer Höhe heran, entfalten sich zur Reihen­formation und da, da saust die

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ers­te Maschine senkrecht herab, gefolgt von der zweiten, dritten; zehn, zwölf Flugzeuge sind es, die gleichzeitig wie die Raubvögel auf ihre Beute stürzen und dann ihre Bombenlast über dem Ziel auslösen.« Die Stukas erfüllten also die in sie gesetzten Erwartungen einer wirksamen Waffe für die Zerschlagung feindlicher Erdtruppen. Der NS-Propagandaapparat instrumentalisierte sehr bald die Ju 87 für seine Zwecke. In den filmischen Inszenierungen im Nationalsozialismus wurden für die Stukas Raubtiervögelund Insektenschwärme genutzt und die Ju 87 als moderne Waffe dargestellt. So zeichneten die Propagandis­ ten Bilder eines in Panik, Chaos und Unordnung geratenen Feindes, während die Piloten als kraftvolle Wesen gezeigt wurden. Schließlich wurde 1941 sogar ein Film mit dem Titel »Stukas« aufgeführt, bei dem die technische Darstellung der Ju 87 im Vordergrund stand. Die deutschen Kriegswochenschauen griffen das Kriegsbild »Stuka« mit Vorliebe auf. Immer wieder wurden nachvertonte Stuka-Angriffe gezeigt, in denen die »Jerichotrompeten« heulten und die Feinde schwer getroffen wurden. Diese Bilder und Klänge sind so wirkmächtig, dass sie bis heute immer wieder auftauchen, und selbst in einigen Fliegerfilmen sind abstürzende Flugzeuge mit dem Geheul von Sirenen der Ju 87 unterlegt, weil abstürzende Flugzeuge vermeintlich so klingen.

Erste Probleme und Zenit der Stuka-Verbände Doch schon bald nach Kriegsbeginn bekam der Stuka-Mythos zumindest im inneren militärischen Bewertungssystem Kratzer. In der Luftschlacht um England im Sommer und Herbst 1940 gelang es den Jagdflugzeugen der ­Royal Air Force, den britischen Luftraum gegen die Luftwaffe zu verteidigen. Messerschmitt-Jagdflugzeuge konnten nicht immer einen effektiven Begleitschutz für die Ju 87 sicherstellen. Waren die Ju‑87-Verbände den Angrif­fen britischer Jäger ausgesetzt, wurden sie dezimiert. Nach fünf Tagen intensiver Luftschlachten mussten sie aus dem Einsatz genommen werden. Es zeigte sich, dass die Ju 87 zu schwach

und fortschrittlichste Streitmacht der Welt. Darin ist letztlich eines ihrer »Erfolgsgeheimnisse« der ersten Kriegsjahre zu sehen. Motor dieser Entwicklung war das VIII. Fliegerkorps. Es war 1939 aus dem »Fliegerführer z.b.V.« unter dem Kommando Richthofens hervorgegangen. Seine Stukas waren unter anderem beim deutschen Vormarsch auf Leningrad beteiligt und warfen etliche Bomben auf die zweitgrößte sowjetische Stadt. Da die Wehrmacht Leningrad nicht einnehmen wollte bzw. konnte, belagerte sie fast drei Jahre die Stadt. Die Folge waren rund eine Million Hungertote und weitere Zehntausende Opfer durch Artilleriebeschuss und Fliegerbomben. Ende 1941 wurde der deutsche Vormarsch vor Moskau gestoppt. Der kontinentale Winter Russ­ lands traf auf eine schlecht vorbereitete Luftwaffe, deren Einsatzbereitschaft drastisch gesunken war. Aber bereits im folgenden Frühjahr 1942 änderte sich die Lage, als die Stukas einen entscheidenden Anteil an den Schlachten an der Ostfront hatten. In Kertsch und Charkow zerschlugen sie starke sowjetische Verbände. Im Juni 1942 eroberte die 11. Armee unter General Erich von Manstein Sewastopol. Neben äußerst schwerer Artillerie hatten die Ju 87 des VIII. Fliegerkorps daran entscheidenden Anteil. Die letzte deutsche Großoffensive (»Fall Blau«) in Richtung Stalingrad und Kaukasus wurde ebenfalls massiv vom VIII. Fliegerkorps unterstützt. Besonders Stalingrad wurde heftig bombardiert, da der Befehl Hitlers ausdrücklich lautete, die Stadt »auszuschalten«. Beteiligt waren waren neben dem VIII. auch das I. und IV. Fliegerkorps. Die Wohngebiete MHM

gepanzert und bewaffnet waren und aufgrund ihrer niedrigen Geschwindigkeit aus beliebigen Positionen angegriffen werden konnten. Die britischen Jagdflieger sprachen daher bald von einer »Stuka-Party«, wenn sie auf Ju‑87Einheiten trafen. Oft genug ist diese mangelnde Luftkampffähigkeit der Stukas als Schwachpunkt bezeichnet worden. Dabei wird jedoch nicht beachtet, dass die Stukas gar nicht für Luftkämpfe konzipiert worden waren. Dies galt für nahezu alle leichten Bomber und Sturzkampfbomber jener Zeit. Auch die leichten britischen Sturzbomber vom Typ »Blackburn Skua« erlitten 1941 schwere Verluste gegen die deutschen Jagdflugzeuge. Ihren eigentlichen Zweck, nämlich feindliche Truppen punktgenau zu bombardieren, erfüllten die Stukas nach wie vor, wie sich bei Angriffsoperationen der Wehrmacht auf dem Balkan, in Afrika und in Osteuropa 1941 zeigen sollte. Besonders beim Überfall auf die Sowjetunion hatten die StukaVerbände großen Anteil am Erfolg beim zunächst siegreichen Vormarsch des Heeres. Stets versuchten Stukas, die stärksten Verteidigungspunkte der sowjetischen Bodentruppen zu zerstören. Dazu gehörten Widerstandsnester, Bunker- und Grabensysteme sowie Geschütz­stellungen. Dass dies so präzise und schnell geschah, lag auch am System der Fliegerverbindungsoffiziere. Diese »Flivos« waren Luftwaffenoffiziere, die per Funk am Boden die Stukas in Frontnähe zu den Zielen führten und ihre Bombenwürfe lenkten. Im taktischen Zusammenspiel zwischen Luftwaffe und Heer war die Wehrmacht damals die erfahrenste

5Die Ruinen von Wielun´ im September 1939.

brannten größtenteils nieder und die Flugbesatzungen meldeten: »Stadt vernichtet.« Die Ju 87 stürzten sich hauptsächlich auf den sowjetischen Schiffsverkehr der Wolga. Doch trotz der schweren Bombardements konnten sie nicht das militärische Desaster verhindern. Ende 1942 wurde die deutsche 6. Armee in Stalingrad eingekesselt und Anfang 1943 vernichtet. Es folgte ein langer Rückzug der südlichen Armeen der Wehrmacht. Im Mittelmeerraum gelang es den Ju‑87-Gruppen 1941/42, die Panzertruppen des Afrikakorps von General Erwin Rommel zu unterstützen und ­einige alliierte Schiffe zu versenken. Doch als die Alliierten der Luftwaffe und den verbündeten italienischen Luftstreitkräften 1942/43 die Luftüberlegenheit entrissen, nahm auch hier die Effektivität der Stukas ab.

Niedergang der Stukas Besonders im Krieg gegen die Sowjetunion zeigte sich sehr bald, dass es sich beim Sturzkampfflugeinsatz um ein viel zu aufwendiges Konzept handelte. Es hatte sich herausgestellt, dass die Stukas gar nicht steil stürzen mussten, um ihre Ziele präzise zu treffen. Oft reichte es stattdessen aus, sich dem Gegner in geringeren Höhen mit einem relativ geringen Winkel von 20 Grad im Bahnneigungsflug zu nähern. Auf diese Art und Weise wurde auch die Physis des Piloten geschont. Zudem waren mehrfache Anflüge auf das Ziel möglich, wobei jede Bombe einzeln und gezielt geworfen werden konnte und außerdem die Maschinengewehre einsetzbar waren. Die Stukas flogen oft in rollenden Einsätzen. Das bedeutete nach der Landung eine sofortige Beladung mit neuer Munition und Betankung, um den nächsten Kampfeinsatz fliegen zu können. So schafften es manche Stuka-Besatzungen, neun Einsätze am Tag zu fliegen, was bei einer Stärke von 100 Ju 87 bis zu 900 Bombeneinsätze bedeuten konnte. Die Luftwaffenführung musste außerdem verblüfft feststellen, dass die sowjetischen Soldaten im Gegensatz zu den westeuropäischen Soldaten meist unbeeindruckt das Geheul der »Jerichotrompeten« bei den Stuka-Angriffen über sich ergehen ließen. Der Kommandeur der Erpro-

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MHM

Stuka

5Ein Stuka-Pilot beim Sturzflug auf ein Ziel in Polen, 1939.

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Zum letzten Großeinsatz von Stukas kam es im Juli 1943 in der Schlacht von Kursk. An diesem Abschnitt versuchte die Wehrmacht mit einem Zangenangriff den sowjetischen Frontbogen abzuschneiden und zu vernichten. Insgesamt standen rund 350 Stukas bereit. Das war eine große Zahl, denn während des Krieges waren in der gesamten Luftwaffe oft nicht mehr als 360 Maschinen einsatzbereit. Obwohl die Stukas am ersten Tag zu 1718 Einsätzen starteten, blieb ihre Wirkung zusammen mit den Horizontalbombern der Luftwaffe geringer als zuvor. Im Süden hatten sich zwei Stuka-Geschwader immer wieder gleichzeitig auf die sowjetischen Verteidiger gestürzt und so einem von drei angrei-

Verwendung bis Kriegsende Bis zum Kriegsende wurde die Ju 87 als leichter Nachtstörbomber sowie als Panzerjäger mit schweren Kanonen eingesetzt. Die Rote Armee führte an der Ostfront beträchtliche Mengen an Panzern auf das Gefechtsfeld, das Heer zeigte sich mit der Bekämpfung überfordert. Die Luftwaffe unternahm ­daher sehr viele technische Anstren­ gun­gen, um dem Ostheer bei der Panzervernichtung zu helfen. Im Jahr 1942 wurden experimentell immer schwe­re­re MHM

bungsstellen, Oberst Edgar Petersen, stellte zu den Sirenen 1942 lakonisch fest: »Sie sind in Frankreich eingesetzt worden und haben gute Wirkung gehabt, aber im Osten nicht.« Gemäß der sowjetischen Taktik schossen die Solda­ ten mit allem, was sie hatten, zurück. In Großbritannien lies man britische Sturzbomber während der Ausbildung auf die Soldaten der Flak stürzen, um sie an Sturzangriffe zu gewöhnen. All dies sorgte bei den Stukas in Ost wie West für eine steigende Verlustrate, nicht zuletzt weil der Sturzflugweg für die gegnerische Flugabwehr gut vorhersehbar war. Junkers und die Luftwaffe reagierten mit technischen Modifikationen. Ab 1942 wurden die Sturzflugbremsen und Sirenen in der Variante Ju 87D-5 nicht mehr eingebaut, dafür aber die Panzerung verstärkt. Statt zwei Maschinengewehre vom Kaliber 7,9 mm wurden nun zwei 20‑mm-Kanonen verwendet, um die Beschusswirkung zu erhöhen. Die Ju 87 hatte sich damit dem sowjetischen Konzept des Schlacht­ flugzeuges Iljuschin Il-2 angepasst. ­Diese schwer gepanzerten und langsam fliegenden Maschinen waren mit 36 000 Stück die meistgebauten Kriegsflugzeuge der Geschichte. In Deutschland war mit der Henschel HS 129 seit 1937 ein ähnliches Konzept verfolgt worden. Diese Flugzeuge wurden ab 1942 eingesetzt, konnten aber aufgrund der Untermotorisierung und konstruktiver Mängel nie die Zufriedenheit der Luftwaffenführung erreichen. Lediglich 800 Stück wurden gefertigt.

fenden Panzerkorps den Weg gebahnt. Doch nach etwa einer Woche blieb der deutsche Vormarsch stecken. Waren die Stukas anfangs noch recht verlustarm eingesetzt worden, stiegen die Verluste bis Mitte Juli ungewohnt rapide an. Acht sehr erfahrene und hoch dekorierte Offiziere gingen den drei Stuka-Geschwadern bei Kursk verloren, davon sieben durch die sowjetische Flak. Es hatte sich erwiesen, dass die Ju 87 Mitte 1943 zu langsam und zu schwach gepanzert für den modernen Luftkrieg geworden war. Im Oktober 1943 wurden sämtliche Sturzkampfgeschwader (StG) in Schlachtgeschwader (SG) umbenannt und mit den Schlachtfliegern zu einer Waffengattung zusammengefasst. Im selben Zeitraum wurden die Stukas aus der Front herausgezogen und durch moderne Jagdbomber vom Typ Focke Wulf Fw 190F ersetzt. 1944 lief die Produktion der Ju 87 aus.

5Eine Stuka-Besatzung vor ihrem Flugzeug, Polen 1939.

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MHM

5Drei Ju 87 und eine Ju 52 auf einem Feldflugplatz in der Sowjetunion, 1941.

panzerbrechende Kanonen unter die Flugzeuge montiert. Die Ju 87 wurden mit zwei veralteten 3,7-cm-Flak-18-Kanonen ausgestattet, die panzerbrechende Hartkerngeschosse abfeuerten. Um einen Panzer abschießen zu können, mussten sich diese »Kanonenvögel« genannten Flugzeuge von hinten dem Feindpanzer annähern. Dies steigerte nicht nur das Risiko, der Flugabwehr zum Opfer zu fallen, sondern erfor­derte auch großes fliegerisches Geschick. Daher wurde diese Variante der Panzerbekämpfung mittels Ju 87 wieder aufgegeben. Die Ausrüstung hierfür wurde jedoch nicht zurückgezogen. Bei Kursk 1943 soll es dem StukaOffizier Hans-Ulrich Rudel dann in Eigen­initiative gelungen sein, mehrere sowjetische Panzer mit diesen Kanonen abzuschießen. Allerdings lassen sich diese Panzerabschüsse nicht in sowje­tischen Dokumenten nachweisen, zumal das Datum dieses ersten Einsatzes nicht gesichert ist. Der Wahrheitsgehalt der Panzerabschusszahlen kann daher nicht überprüft werden. Der Erfolg der deutschen Panzerjäger war wahrscheinlich eher taktischer Natur, indem sie den Gegner zum Abdrehen zwangen, und ging weniger auf direk­te Abschusszahlen zurück. Immerhin 200 Ju 87D wurden mit diesen Kanonen versehen und als Ju 87G eingeführt. Rudel und einige wenige andere geschickte Piloten häuften nun Panzerabschuss um Panzerabschuss auf ihren »Erfolgskonten« an. Die Luftwaffen-

führung blieb gegenüber diesen Angaben skeptisch und teilte die mitgeteilten Panzervernichtungszahlen ihrer Einheiten sicherheitshalber durch zwei. Für die NS-Propaganda erlangte Rudel jedoch eine überragende Bedeutung. Bis Kriegsende soll er über 500 Panzer abgeschossen haben. Am 1. Januar 1945 verlieh ihm Adolf Hitler als einzigem Soldaten der Wehrmacht das Goldene Eichenlaub mit Brillanten und Schwertern zum Ritterkreuz. Es war die zweithöchste militärische Auszeichnung des »Dritten Reiches«. Hitler war von dem überzeugten Nationalsozialisten Rudel begeistert.

Vorbild für Close Air Support? Nicht einmal 6000, also nur rund 5 Prozent, der 110 000 gefertigten Kriegsflugzeuge des Deutschen Reiches waren Stukas. Insgesamt wurden in der Luftwaffe von Zehntausenden Piloten nur 977 für die Stukas ausgebildet. Die meisten waren 1945 tot, verwundet oder in Gefangenschaft. Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Herrmann Göring meinte 1944, dass die Luftwaffe am Anfang des Krieges nichts Besonderes an Flugzeugtechnik besessen habe, außer der Ju 87. Selbst diese Bewertung ist zweifelhaft, lassen sich doch Sturzkampfbomber in den Luftstreitkräften aller großen kriegführenden Nationen des Zweiten Weltkrieges finden. Auch in den mit Deutschland verbündeten Luftstreitkräften Italiens,

Bulgariens und Rumäniens wurden Flugzeuge dieser Art eingesetzt. Das Sturzkampflugzeug Ju 87 blieb als »Stuka« jedoch nach 1945 als eines der erfolgreichsten Flugzeuge der Luft­waffe in den Köpfen haften. Dies lag weniger am überragenden technischen Konzept der Stuka, sondern an ihrem taktischen Einsatz im Gefecht der verbundenen Waffen. Das taktische Zusammenspiel zwischen Heer und Luftwaffe der Wehrmacht funktionierte im Vergleich mit anderen Streitkräften gut. In den heutigen Kriegen fliegen die Luftstreitkräfte viele taktische Einsätze zur Unterstützung der Bodentruppen. Die US Air Force führt derartige CAS-Missionen (Close Air Support, Luftnahunterstützung) in der Regel mit dem Schlachtflugzeug A‑10 aus. An dessen Entwicklung soll HansUlrich Rudel, der sich nach dem Krieg als NS-Fluchthelfer betätigte und sich in einer rechtsextremen Partei (Deutsche Reichspartei, DRP) politisch engagierte, in den 1970er Jahren mitgewirkt haben. Insofern hätten die Erfahrungen der Stuka-Piloten an der Ostfront bis heute Auswirkungen auf den Luftkrieg.  Jens Wehner Literaturtipps Peter C. Smith, Stuka. Die Geschichte der Junkers Ju 87. Technik, Taktik, Einsatz, Stuttgart 1990. Christian Kehrt, Moderne Krieger. Die Technikerfahrung deutscher Luftwaffenpiloten 1910–1945, Paderborn 2010.

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»Österreicher« in der Wehrmacht

Eingliederung in die Wehrmacht Selbst Hitler war von dem umfassenden und eindeutigen Erfolg seines Coups überrascht. Der militärische Zuwachs durch die Eingliederung der Alpenrepublik war beträchtlich. Noch im Frühjahr 1938 wurden der Wehrmacht 60 000 gut ausgebildete österreichische Soldaten – darunter 1600 Offiziere – zugeführt. Am Einmarschtag hatte der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, zwar noch für eine allmähliche Angleichung der österreichischen Soldaten an die Wehrmacht votiert, aber die politische Führung in Berlin entschied sich – nicht zuletzt beeindruckt von den freudigen Begrüßungsszenen – für eine umgehende Assimilation des österreichi­

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ÖStA/KA NL

A

m 12. März 1938 marschierten deutsche Wehrmacht-, Polizeiund SS-Einheiten in das souveräne Österreich ein. Die deutschen Invasoren wurden von großen Teilen der Bevölkerung jubelnd empfangen und erreichten schnell die oberösterreichi­ sche Landeshauptstadt Linz sowie die Bundeshauptstadt Wien. In der Nacht vor dem deutschen Einmarsch war der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zurückgetreten und öster­ reichische Nationalsozialisten übernah­ men handstreichartig die wichtigs­ten Verwaltungspositionen und Staatsämter. Am 10. April 1938 befürworteten 99,73 Prozent der Österreicher in einer Volksabstimmung den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich. Aus Österreichern wurden deutsche Reichsbürger. Die Wahlen können nicht als geheim, allgemein und frei bezeichnet werden; im Vorfeld wurde sozialer Druck auf Unschlüssige ausgeübt und Juden und »Mischlinge« waren von der Wahl ausgeschlossen. Dennoch muss man davon ausgehen, dass auch bei weniger Zwang mehr als 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung für den »Anschluss« gestimmt hätten. Ein durchschlagender Erfolg bei der Volksabstimmung war aber auch deshalb gegeben, weil Karl Renner, angesehener Sozialdemokrat und erster Kanzler der (deutsch-)österreichischen Republik 1918/19, und der Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer an ihre Mitbürger appelliert hatten, mit Ja zu stimmen.

5Sowjetunion im Sommer 1941: Angehörige der »ostmärkischen« 44. Infanteriedivision während einer Gefechtspause.

»Österreicher« in der Wehrmacht schen Militärpotenzials in die deutsche Streitkräftestruktur. Damit war das Ende des Österreichischen Bundesheers besiegelt. Bereits am 14. März 1938 wurden österreichische Soldaten auf Hitler vereidigt und am 1. April wurde in Wien das Heeresgruppenkommando 5 als oberste Kommandobehörde des deutschen Heeres auf ehemals österreichischem Boden gebildet, um den Wehrmacht­ aufbau in der »Ostmark« – so die natio­ nalsozialistische Bezeichnung für das Gebiet der ehemaligen Republik – durchzuführen. Gleichfalls wurden die Wehrkreise XVII (Wien) und XVIII (Salzburg) eingerichtet und die Angehörigen der vormaligen österreichi­ schen Landstreitkräfte wurden mehrheitlich in fünf Divisionen deutscher Struktur überführt. Es waren dies die 44. und 45. Infanteriedivision (ID), die 2. und 3. Gebirgsdivision (GD) und die 4. leichte Division (Anfang 1940 in 9. Panzerdivision umgegliedert). Die »reichsdeutsche« 2. Panzerdivision aus dem Wehrkreis XIII, die am deutschen Einmarsch in Österreich teilgenommen hatte, verblieb zudem im Raum Wien und ergänzte sich künftig aus Soldaten des Wehrkreises XVII, womit ihre Prä-

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gung zusehends »österreichischer« wurde. Wenn in Folge von »ostmärkischen« Divisionen die Rede sein wird, sind dies in der Regel militärische Verbände, die in der »Ostmark« aufgestellt wurden, deren Friedensstandorte ebendort lagen und die sich personell überwiegend aus ehemals »österreichischen« Staatsangehörigen zusammensetzten. Die Wehrmachtführung suspendierte in der »Anschlusszeit« wesentliche Teile der alten österreichischen Militär­ elite. Zwei Drittel der österreichischen Divisions- und gut die Hälfte der österreichischen Regimentskommandanten schieden aus dem Militärdienst aus. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, General Wilhelm Zehner, starb unter mysteriösen Umständen; Generaltruppeninspektor Sigismund Schilhawsky wurde nach mehreren Festnahmen zwangspensioniert, eben­ so der Kommandant der Theresianischen Militärakademie, Generalmajor Rudolf Towarek, der den Eid auf Hitler verweigert hatte. Generalstabschef Feldmarschallleutnant Alfred Jansa wurde bereits im Vorfeld, im Februar 1938, infolge massiven deutschen Drucks abgelöst und nach dem »Anschluss« zum

Zwangsaufenthalt im »Altreich« gezwungen. Zeitgleich mit dem Ausscheiden der alten Elite wurden rund 50 ehemalige österreichische Offiziere, die zuvor wegen national­so­zialisti­scher Betätigung aus dem Bundesheer entfernt worden waren, reaktiviert. Bei der Säuberung des Offizierkorps von »politisch Unzuverlässigen«, durchgeführt vom früheren deutschen Militärattaché in Wien, Generalleutnant Wolfgang Muff, halfen auch einige nationalsozialistisch und opportunistisch gesinnte Offiziere österreichischer Provenienz; sei es um alte Rechnungen zu begleichen oder Startvorteile für die eigene Karriere zu sichern. Das Ausscheiden von Teilen der öster­ r eichischen Militärelite bei gleichzeitiger Reaktivierung nationalsozialistisch gesinnter österreichischer Offiziere begünstigte die erfolgreiche Einglie­d erung der österreichischen Soldaten in die deutsche Wehrmacht. Sie waren nun Soldaten einer schlagkräftigen ­Armee einer europäischen Großmacht, konnten auf soziale und monetäre Besser­stellung, gesellschaftliche Akzeptanz und rasche Beförderung hoffen. Wesentlicher Faktor für den Erfolg war auch die gemeinsame Sprache.

zum Einsatz. In und um die Stadt Narvik kämpfte besonders exponiert das Gebirgsjägerregiment 139 (3. GD), das unter dem Kommando des in Nieder­ österreich geborenen Oberst Alois Win­disch stand. Kommandeur der Division war Generalmajor Eduard Dietl, der noch 1940 zum General der Infanterie befördert und – hoch dekoriert – zum Kommandierenden General des Gebirgskorps Norwegen, bestehend aus beiden »ostmärkischen« Gebirgsdivisionen, ernannt wurde. Dietls kometenhafter Aufstieg war untrennbar mit der militärischen Leistung »österreichischer« Soldaten verbunden. Auch am Krieg gegen Frankreich 1940 nahmen die meisten »ostmärkischen« Verbände teil, wenngleich sich aufmarschbedingt keine räumliche Konzentration ergab. Die »ostmärkische« 2. und 9. Panzerdivision waren an den kriegsentscheidenden Operationen Richtung Kanalküste und an den Kämpfen um Dünkirchen beteiligt. Im Krieg gegen Griechenland und Jugoslawien 1941 kämpfte sich das XVIII. Gebirgsarmeekorps mit zwei während des Krieges in der »Ostmark« geschaffenen Gebirgsdivisionen (5. und 6.) ­sowie der 2. Panzerdivision von Südwestbulgarien kommend zum Ägäi­

Erste Feldzüge Bereits ein halbes Jahr nach dem »Anschluss« marschierten die noch in Aufstellung begriffenen »ostmärkischen« Divisionen in die südböhmischen und südmährischen Gebiete und im Frühjahr 1939 in die durch das Münchner Abkommen verkleinerte Tschechoslowakei ein. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 kamen alle bis dahin aufgestellten »ostmärkischen« Divisionen räumlich konzentriert – vornehmlich in den westkarpatischen Gebieten (Beskiden) – in einem etwa 250 Kilometer langen Angriffsabschnitt zum Einsatz. In den nächsten Wochen eroberten sie jene Gebiete, die keine 25 Jahre vorher noch als Kronland Galizien und Lodomerien Teile der k.u.k. Monarchie gewesen waren. Für seine Leistungen beim Angriff auf Warschau erhielt Josef Stolz, Leutnant österreichischer Herkunft, als einer der beiden ersten Soldaten das Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz. Im Laufe der folgenden Jahre sollten noch 325 seiner Landsleute diese Auszeichnung verliehen bekommen. Im Krieg gegen Norwegen 1940 kamen beide der bis dahin in der »Ostmark« aufgestellten Gebirgsdivisionen

Die Organisation der Wehrmacht in der »Ostmark« 1938 Wehrkreis V



0

rnb

Franken

erg

Bayrische Ostmark

Stuttgart

20

(ab Ende 1938)

WürttembergHohenzollern Wehrkreis VII

Baden

80

100 km

Südmähren

Niederdonau 2. Pz.

Oberdonau

(ab Ende 1938)

4. le.

45. Linz

München

MünchenOberbayern

60

Wehrkreis XIII Südböhmen

Schwaben

40

44. Luftgau-Kdo XVII

Wehrkreis XVII

HGr Kdo 5 Wien

Wien Luftwaffen-Kdo Österreich (später Luftflotte 4)

Salzburg

2. Geb. Heeresgruppe

Innsbruck

Tirol-Vorarlberg

Wehrkreis XVIII Salzburg

(zu Luftgau VII/München ab Mai 1939)

Steiermark

3. Geb. Graz

Korps

Division

rot blau

Kärnten

Heer Luftwaffe Untersteiermark (1941 okkupiert) Grenze des Deutsche Reiches Oberkrain (1941 okkupiert) Nordgrenze der Ostmark bis Ende 1938 Gaugrenzen August 1939 Wehrkreisgrenzen Quelle: Mueller-Hildebrand, Das Heer, Bd. 1; Richard Germann. Luftgaugrenze (ab Mai 1939)

© ZMSBw

07548-06

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Norbert Leder

»Österreicher« in der Wehrmacht

5Militärarzt Erwin Leder (1914–1997), 1999 als »Gerechter unter den Völkern« geehrt.

schen Meer (Saloniki) durch und stieß danach tief in den Süden vor, um in Teilen (5. GD) die auf Kreta in Bedrängnis geratenen Fallschirmjäger zu verstärken. Mit der Vorbereitung und Durchführung der Operation gegen Kreta wurde der ehemalige Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte und nunmehrige Oberbefehlshaber der Luftflotte 4, Generaloberst Alexander Löhr, betraut. Löhr, ein in Rumänien geborener »Österreicher«, trug zuvor bereits die Verantwortung für die Luftkriegführung gegen Jugoslawien. Seine Luftflotte bombardierte auf Befehl Hitlers Belgrad, das von der jugoslawischen Regierung zwei Tage vor dem deutschen Überfall zur offenen Stadt erklärt worden war. Der Angriff kostete mehr als 3000 Zivilisten das Leben und zerstörte bzw. beschädigte 40 Prozent der Gebäude. Aus operativer Sicht führte die Bombardierung Belgrads im April 1941 zur rasanten Paralyse der jugoslawischen Führung – die jugoslawische Regierung flüchtete aus der Stadt – und zur raschen militärischen Niederlage der Streitkräfte. 1947 wurde Löhr in Belgrad in einem Schauprozess wegen eben dieser Bombardierung zum Tode durch Erschießen verurteilt.

Entgrenzung des Krieges Die deutschen Streitkräfte in Serbien mussten rasch feststellen, dass die militärische Besetzung des Landes deutlich einfacher zu bewerkstelligen war

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als die verwaltungsmäßige Besatzung des eroberten Gebietes. In Serbien sah man sich ab Sommer einer Aufstandsbewegung gegenüber, die immer größere Teile des Landes zurückeroberte. Der in der Steiermark geborene Offizier Franz Böhme wurde als Bevollmächtigter Kommandierender General (später auch Befehlshaber in Serbien) mit der Niederschlagung der Aufstandsbewegung beauftragt, die 1941 aus untereinander konkurrierenden und verfeindeten nationalistischen und kommunistischen Gruppierungen (Tschetniks und Partisanen) bestand. Böhme, dem SS-Gruppenführer Harald Turner als Chef des Verwaltungsstabes zur Seite gestellt wurde, schlug die Auf­ standsbewegung mit brutalsten Mitteln – sogenannten Sühnemaßnahmen – nieder: Auf Anschläge der Aufständischen folgten Tötungsmaßnahmen gegen die serbische Zivilbevölkerung, darunter sämtliche männliche Juden, da die Aufständischen nur schwer zu fassen waren. Die ausführenden Organe dieser Erschießungen waren in der ­Regel Angehörige von Besatzungsdivisionen (z.B. die 717. ID) oder von Landesschützenbataillonen, die – dem infrastrukturellen Vorteil der kurzen Wege Rechnung tragend – überproportional oft aus der »Ostmark« stammten. Am Ende der zweieinhalb Monate dauernden Herrschaft Franz Böhmes in und über Serbien waren 20 000 bis 30 000 Menschen seiner von Berlin legitimierten und von ihm radikalisierten Vergeltungspolitik zum Opfer gefallen. »Ostmärkische« Truppenverbände waren im Krieg gegen die Sowjetunion an allen Abschnitten über vier Jahre lang eingesetzt. Im Juni 1941 eroberte die 45. ID aus »Oberdonau« die Festung Brest-Litowsk und hatte dabei in eineinhalb Wochen in etwa so viele Verluste zu beklagen wie im Krieg gegen Polen und Frankreich zusammen. Im hohen Norden kämpften sich »ostmärkische« Gebirgsdivisionen Richtung Murmansk vor, ohne das Ziel zu erreichen. Im Dezember 1941 war es die »ostmärkische« 2. Panzerdivision, die Moskau am nächsten kam. Im Kessel von Stalingrad 1942/43 wurden auch drei »ostmärkische« Divisionen (44. und 297. ID sowie 100. Jägerdivision) eingeschlossen und vernichtet. Auch waren »ostmärkische« Divisio­

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nen an der Umsetzung des Kommissarbefehls – also die Erschießung politischer Kommissare der Roten Armee – beteiligt. Hier wie an anderen Orten tat sich insbesondere die 44. ID hervor, die sich vornehmlich aus Angehörigen aus den Gauen Wien und »Niederdonau« zusammensetzte. Sie führte 125 nachweisbare Exekutionen durch. Immerhin ist ein couragierter Lichtblick bei der verbrecherischen Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen überliefert: Der aus Wien stammende Militärarzt Erwin Leder (1914–1997) war im Herbst 1941 Standortarzt in Sluzk (Weißrussland). In dieser Funktion unterstand ihm auch das Lazarett des Kriegsgefangenenlagers mit 25 000 bis 30 000 Häftlingen. Bis zu seiner Ankunft starben dort täglich 70 bis 80 Kriegsgefangene an Fleckfieber, Hunger und Kälte, nicht zuletzt wegen der Gleichgültigkeit seines Vorgängers. Nach einem radikalen medizinischen, hygienischen und ernährungstechnischen Soforthilfeprogramm, unterstützt vom kriegsgefangenen jüdischen Arzt Raphael Gabovich, konnte Leder die tägliche Todesrate auf drei Kriegsgefangene reduzieren. Als er erfuhr, dass das Sluzker Ghetto liquidiert werden sollte, ließ er Pakete mit Medikamenten und Lebensmitteln hineinschmuggeln und gab Informationen an die dort lebenden Juden weiter. Viele, hauptsächlich junge Menschen, konnten rechtzeitig fliehen. Für seine Verdienste als »Retter in Uniform« wurde Erwin Leder 1999 postum mit der höchsten Auszeichnung geehrt, die der Staat Israel an Nichtjuden vergibt: »Gerechter unter den Völkern.« Gemeinsame Kampf- und Fronteinsätze hatten bereits früh die vorhandenen Animositäten zwischen »reichsdeutschen« und »österreichischen« Soldaten – die gerade für die Friedenszeit 1938/39 überliefert sind – auf ein niedriges Niveau zurückgeführt. Im Krieg gegen die Sowjetunion spielte die Frage nach der Herkunft der Verbände keine Rolle mehr. Die »Österreicher« akzeptierten die Wehrmacht als Institution, sahen sie als ihre Armee und nahmen sich größtenteils als gleichwertige Soldaten wahr und wurden auch so von ihren »reichsdeutschen« Kameraden gesehen. An dieser Einstellung änderte sich auch nichts, als sie sich in westalliierter Kriegsge-

fangenschaft wiederfanden und ihre Stubengespräche vom britischen und US-amerikanischen Nachrichtendienst systematisch abgehört und ausgewertet wurden. Die protokollierten Gespräche von »Österreichern« und »Reichsdeutschen« ähneln sich frappant und geben Einblick in einen gemeinsamen militärischen Referenzrahmen, dessen unterschiedlichen Akzente durch Zugehörigkeit zu verschiedenen Waffengattungen, jedoch wenig durch die regionale Provenienz der Soldaten geprägt sind. Insofern entfaltete die Moskauer Deklaration vom Herbst 1943, in der die alliierten Außenminis­ ter die Wiederherstellung eines souveränen Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen hatten und die heute als ein Gründungsdokument der Zweiten Österreichischen Republik gesehen wird, wenig Wirkung auf die »österreichischen« Kriegsgefangenen.

Nachkriegspolitik

BArch, Bild 101I-452-0985-36/Briecke

Am 27. April 1945 proklamierte die Provisorische Regierung in Wien die Wiedererrichtung der Republik Österreich und erklärte den »Anschluss« für null und nichtig. Im Gegensatz zum November 1918, als die damalige öster­ reichische provisorische Nationalversammlung – paralysiert durch den Zusammen­bruch der k.u.k. Monarchie – die Republik Deutschösterreich gründete und diese einstimmig zum »Bestandteil der Deutschen Republik« ­erklärte, stellte eine gemeinsame Zukunft mit dem Deutschen Reich 1945 keine Option mehr dar.

5Generaloberst österreichischer Herkunft: Alexander Löhr (links), hier im Gespräch mit Generaloberst Wolfram Freiherr von Richthofen, 1942.

Der Umgang mit dem schweren Erbe des Zweiten Weltkrieges verlief in Österreich zweigleisig. Nach außen gab man das überfallene Opfer und nach innen dankte man – nicht zuletzt um Wählerstimmen buhlend – den ehemaligen Wehrmachtangehörigen österreichischer Provenienz mitunter für Pflicht­erfüllung und Kampf ums Vater­ land, was auch immer darunter verstanden wurde. Im österreichischen Außenministerium wurde die Opferthese weniger ideologisch gesehen, sondern pragmatisch als Instrument der Außen- und Innenpolitik ausgearbeitet und verwendet. Nicht zuletzt darauf gründet die Erfolgsstory der österreichischen Nachkriegspolitik. Der Leitsatz der österreichischen Opferthese lautete salopp verkürzt: Deutschland war der alleinige Täter und Österreich das (erste) Opfer. Wie aber ließ sich diese (Hypo-)These aufrechterhalten angesichts der Tatsache, dass 1,3 Mil­ lionen »Österreicher« Teil der Wehr­ macht waren? Viele »Öster­ rei­ cher« nahmen besonders aktiv am Eroberungs- und Vernichtungskrieg teil und nicht weniger als 200 »Österreicher« erlangten gar den Generalsrang in der Wehrmacht. Darüber schwieg man sich offiziell aus und bot für das Wirken der »Österreicher« in Wehrmachtuniform eine gleichermaßen bemer­kens­werte wie falsche Argumenta­t ions­k ette: Demnach seien die »Österreicher« in den deutschen Streitkräften von den Deutschen besonders hart und demütigend behandelt worden und man habe sie regelrecht zum Kampf im »verhassten Hitlerkriege« zwingen müssen. Sichergestellt worden sei dies, so die Argumentation weiter, durch die starke Durchsetzung der Militärformationen in der »Ostmark« mit »Reichsdeutschen«. Die »Österreicher« seien dadurch zu einer Minderheit in diesen Verbänden geworden und hätten daher leichter überwacht werden können. Deshalb sei die Behauptung, »ostmärkische« Truppen hätten im Kampfe gestanden, völlig unberechtigt. Tatsächlich wissen wir heute, nachdem die wissenschaftliche Forschung in Österreich 40 Jahre einen großen Bogen um die »österreichische« Kriegsbeteiligung und Verantwortung gemacht hatte, dass Kompanieangehörige in »ostmärkischen« Divisionen 1939 zu mehr als 80 Prozent aus Österreich

stammten. Auch die Unteroffiziere in den Kompanien kamen mehrheitlich aus Österreich. Zudem wurde viele dieser Kompanien von »Österreichern« befehligt. Die Personalallokationspolitik der Wehrmacht, d.h. die Ausstattung ihrer (Heeres-)Einheiten mit Soldaten, die einen ähnlichen soziokulturellen und insbesondere den gleichen regionalen Hintergrund aufwiesen, weil man sich dadurch eine gewichtige Grundlage für Zusammenhalt und Leis­tungsfähigkeit erhoffte, wurde auch in der »Ostmark« angewandt. In »ostmärkischen« Truppenkörpern waren somit auch größtenteils »österreichische« Soldaten eingereiht und sie fanden sich nicht nur bei den Mannschaften, sondern auch im Unteroffizier- und Offizierkorps. Die große gesellschaftliche Zäsur in Österreich begann mit dem Bundespräsidentenwahlkampf 1986. Damals kandidierte auch der ehemalige UNGeneralsekretär Kurt Waldheim für dieses Amt. Waldheim, der die Wahl gewann, sah sich jedoch ungewollt mit seiner Vergangenheit als Soldat und Offizier im Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Er erklärte öffentlich, dass er im Krieg nichts anderes getan habe als Hunderttausende andere Österreicher auch, nämlich seine Pflicht als Soldat erfüllt. Diese Sichtweise dürfte viele ehemalige »österreichische« Wehr­ macht­angehörige nicht überrascht haben, da sie selbst so oder ähnlich empfanden; dem internationalen Publikum aber wurde schlagartig ein Widerspruch der österreichischen (Geschichts-)Politik bewusst.

 Richard Germann Literaturtipps Gerhard Botz und Gerald Sprengnagel (Hrsg.), Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. Verdrängte Vergangenheit, Österreich-Identität, Waldheim und die Historiker, Frankfurt a.M., New York 2008. Richard Germann, »Österreicher« im deutschen Gleichschritt? In: Harald Welzer, Sönke Neitzel und Christian ­Gudehus (Hrsg.), »Der Führer war wieder viel zu human, viel zu gefühlvoll«. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht deutscher und italienischer Soldaten, Frankfurt a.M. 2011, S. 217–233. Thomas R. Grischany, Der Ostmark treue Alpensöhne. Die Integration der Österreicher in die großdeutsche Wehrmacht 1938–45, Wien 2015.

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»Moltke als Schimpfwort!«

»Moltke als Schimpfwort!« Der Eulenburg-Skandal und die moralische Rechtfertigung eines »großen Krieges«

Harden, einem der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Publizisten und Intellektuellen der damaligen Zeit, gelang es durch den sich über drei lange Jahre von 1906 bis 1909 hinziehenden Skandal, mit Eulenburg den letzten royalen Günstling der deutschen Geschichte zu stürzen, aber auch ein großes Narrativ wilhelminischer Dekadenz zu popularisieren: Danach hatte die »Eulenburg-Kamarilla« bereits 1890 den Sturz Bismarcks bewerkstelligt, seither den Monarchen vom Volk abgeschirmt und durch eine von übersteigerter Friedensliebe bestimmte Politik das Deutsche Reich in die internationale Isolation manövriert. Mit dem nach Eulenburgs Schloss in der Uckermark nördlich von Berlin auch »Liebenberger Tafelrunde« genannten intimen kaiserlichen Freundeskreis war ein Sündenbock für die zahlreichen politischen Fehlleistungen während der Herrschaft Wilhelms II. gefunden worden. Mehr noch: Die gesamte Politik des Kaiserreiches geriet in den Ruch der Homosexualität, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts auch als politische Deutungskategorie etablierte, um individuelle Gegner, verfeindete Nationen und ganze Gesellschaftssysteme zu diskreditieren.

5»Heldenverehrung.« Doppeldeutige zeitgenössische Karrikatur über die Vorliebe älterer Herren für Soldaten, hier im militärischen Gewand der Potsdamer Gardesdu-Corps. Die Muskete (Wien), 14. November 1907, Abb. aus: J. Grand-Carteret, Derrière »Lui«, Paris 1908, Neudr. 1992, S. 11.

D

er Eulenburg-Skandal ist bis heute als erster großer Homosexualitätsskandal des 20. Jahrhunderts in Erinnerung. In seiner europa­weit beachteten Politik- und Kulturzeitschrift »Die Zukunft« unterstellte Maximilian Harden im Herbst 1906 dem Fürsten Philipp zu Eulenburg und Hertefeld, bester Freund und zeitweise wichtigster Berater Kaiser Wilhelms II., das Haupt einer homosexuellen »Kamarilla« (so der zeitgenössische Schmähruf) innerhalb der Reichsregierung zu sein. Eulenburg (1847–1921, vom Kaiser im Jahre 1900

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in den erblichen preußischen Fürstenstand erhoben) war seit der ersten Begegnung 1886 der engste Freund des späteren Kaisers und zudem bis 1903 in diplomatischen Diensten tätig, unter anderem als deutscher Botschafter in Wien. Er galt als frankophil und als Befürworter der Verständigung mit Frankreich. Ihm wurde auch eine maßgebliche Rolle beim Sturz des Reichskanzlers Otto Fürst von Bismarck 1890 nachgesagt. Der von 1900 bis 1909 regierende Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow galt dagegen als Eulenburgs Protegée.

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Ansehensverlust der wilhelminischen Herrschaftselite Vor allem das preußische Militär geriet durch den Eulenburg-Skandal ins Zwielicht. Dazu trugen die Sensationsprozesse zwischen Maximilian Harden und Generalleutnant Kuno Graf von Moltke bei, die 1907/08 im Justizpalast von Berlin-Moabit stattfanden. Sie bildeten zusammen mit anderen Gerichtsprozessen das juristische Gerüst des Eulenburg-Skandals. Generalleutnant von Moltke, der engste Freund Philipp zu Eulenburgs, sollte auf Druck Kaiser Wilhelms II. und seiner militärischen Berater durch einen Beleidigungsprozess gegen Harden die Ehre der »allerhöchsten Kreise« des Reiches wahren. Von allen Mitgliedern des kaiserlichen Freundeskreises um Fürst zu

ullstein bild

5Kaiser Wilhelm II. und sein Vertrauter Fürst Eulenburg an Bord der Yacht »Hohenzollern«, 1905.

Eulenburg hielt man am Hofe den Stadtkommandanten von Berlin und Flü­ g eladjutanten des Kaisers für (ho­mo-)sexuell »am geringsten belas­ tet« und daher prozessfähig – ein folgenschwerer Irrtum. Denn es kam ganz anders, als von der Reichsleitung erhofft: Die Beweisaufnahmen in den Moltke-Harden-Prozessen lieferten Enthüllungen, die europaweit Sensation machten, denn Homosexualität wurde in einem bis dahin kaum gekannten Ausmaß politisiert. Formaljuristischer Hintergrund der Prozesse war der im Reichstrafgesetzbuch von 1872 enthaltene Paragraph 175, der neben Sodomie auch sexuelle Handlungen (»widernatürliche Unzucht«) zwischen Männern unter Strafe stellte und mit Gefängnis und Aberkennung der »bürgerlichen Ehrenrechte« belegte. Das Licht der Öffentlichkeit fiel besonders auf die nach kurzer Zeit gescheiterte Ehe Kuno von Moltkes mit Lilly von Elbe. Sie wurde Kernstück des juristischen Wahrheitsbeweises, ob Moltke »sexuell abnorm« sei. Unter Eid bekräftigte Lilly, die seit Langem Harden mit Informationen gegen ihren Ex-Mann und dessen Freunde versorgt hatte, dieser habe mit Blick auf schwangere Frauen geäußert: »Die Ehe ist eine Schweinerei.« Damit habe der Kaiserfreund keineswegs die Ehe ohne Liebe,

sondern »die Ehe als Institut überFür die herrschenden Kreise des Kaihaupt« gemeint. Moltke habe das ehe- serreiches war das Urteil ein Schlag ins liche Schlafzimmer, erklärte sie weiter, Gesicht. »Der Kerl muss suspendiert als »die reine Notzuchtanstalt« emp- werden«, entrüstete sich der Monarch funden und, pikanterweise nach der über den Vorsitzenden Richter Dr. Rückkehr von einer Nordlandreise mit Kern, »er hat geradezu das Vaterland Kaiser Wilhelm II., ausgerufen: »Wo- und uns alle verraten«. Die Wut über chenlang habe ich, Gott sei Dank, keine die Stoßrichtung des Sensationsprozes­ Weiber gesehen!« Am meisten entrüs­ ses gegen die Herrschaftselite findet tete sich die Öffentlichkeit aber über sich besonders in den Randbemerdie folgende vulgäre Äußerung kungen Wilhelms II. an ZeitungsartiMoltkes: »Eine Frau ist für ihren Mann keln: »[Der Prozess] zeigt, dass wir nicht mehr als ein Klosett, was bist du Oberen und Monarchen heute vogeldenn anderes.« Dies wurde als Beleidi- frei sind und in der Justiz auch nicht gung aller deutschen Ehefrauen ge- den leisesten Schutz haben! Die Preuwertet. Allerdings erschien Moltke ßische Justiz ist stolz, unabhängig zu nicht allein als Täter, sondern auch als sein! Das ist sie! Aber nur gegen die Opfer häuslicher Gewalt: Die Enthül- Krone und ihre Regierung und ihre Belungen, dass der Generalleutnant sich amten; vor dem Plebs und dem Mob von seiner Frau, einer symbolischen macht sie Cotau! […] Ich werde sie Degradierung gleichkommend, die nicht wieder um Hilfe angehen!« Epauletten von der Uniform reißen Bereits nach der Beweisaufnahme ließ, mehrfach von seiner weitaus jün- hatte Reichskanzler Fürst von Bülow geren Ehefrau verprügelt worden war ein panikartiges Telegramm an den und sich wegen solcher Verletzungen Kaiser gerichtet: »Der Verlauf des Prowiederholt vom Dienst als Stadtkommandant von Berlin krankmelden musste, stellte alle preußischen Männlichkeitsideale und, mehr noch, die Ehre der Uniform infrage. Bekannt wurde zudem, dass sich Eulenburg und Moltke in intimen Briefen als »Liebster« und »Alter Dachs« titulierten und von Kaiser Wilhelm II. als ihrem »Liebchen« sprachen. Mit solch intimen Details war in Deutschland noch kein Schlafgemach der aristokratischen Herrschaftselite für die neugierigen Augen und Ohren der Öffentlichkeit geöffnet worden. Die sensationsgierige Presse hatte ihr Futter, ganz besonders als sich das Gericht dem Gutachten des Berliner Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld anschloss, der bei Moltke eine »ihm selbst unbewusste Homosexualität« diagnostiziert hatte. Maximilian Harden wurde vom Vorwurf der Beleidigung und üblen Nachrede freigesprochen, denn 5»Nachtleben in Potsdam: ›Na, Dicker, willst du mitMoltke habe »seine homose- kommen?‹«. Der Wahre Jacob (Stuttgart), 26. Noxuelle Anlage anderen gegenvember 1907, Abb. aus: J. Grand-Carteret, Derrière »Lui«, Paris 1908, Neudr. 1992, S. 11. über nicht verheimlicht«.

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»Moltke als Schimpfwort!«

Im Zwielicht »homosexueller Verfehlungen« Durch den Eulenburg-Skandal geriet die gesamte preußische Armee – bis dahin unbändig stolz, an Schlagkraft, Zucht und Ordnung die erste Militärmacht der Welt zu sein – unter den Verdacht der Homosexualität. Schatten fielen auf militärische Institutionen und Statussymbole wie den preußi­ schen Generalsrang, die Potsdamer Gardes-du-Corps und den Moltke­Mythos. Auch »des Königs Rock« – die preußische Uniform – und »Deutschlands erster Offizier« Kaiser Wilhelm II. erlitten durch den Skandal einen für Friedenszeiten beachtlichen Ansehensverlust. Bereits die Tatsache, dass Generalleutnant Kuno Graf von Moltke, eben noch stolzer Stadtkommandant von Berlin, bei den Gerichtsprozessen gegen Maximilian Harden in schwarzem Frack und Zylinder erschien, besaß ­einen hohen Symbolwert, denn ein General in Zivil war ein wilhelminisches Unding. Die Gesellschaft war gewohnt, selbst dem kleinsten Leutnant den größten Respekt zu erweisen, sobald er seine Uniform trug. Der Fall des »Hauptmanns von Köpenick« vom Oktober 1906 lag gerade ein Jahr zurück und hatte der ganzen Welt, allen satirischen Deutungen zum Trotz, die Allmacht der Uniform im Kaiserreich vor Augen geführt. Als ambivalent erwies sich Moltkes Charakterisierung als »Hofgeneral«, die als entlastende Erklärung der monarchistisch gesinnten Presse gedacht war. Tatsächlich offenbarte sich an diesem Punkt die zentrale Problematik des Kaiserreiches, das gesamte soziale Leben militärischen Kategorien unterwerfen zu wollen. Repräsentanten höchster Staatsämter, wie Reichskanz-

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ler Fürst von Bülow oder Reichstagspräsident Graf Franz von Ballestrem, erschienen bei gesellschaftlichen Ereignissen vorzugsweise in militärischen Uniformen, die jedoch ihrer politischen Bedeutung in keiner Weise entsprachen. Sozialdemokratische Zeitun­ gen nutzten konsequent die seltene Gelegenheit, am Beispiel Kuno von Moltkes, des »hilflosen, weltfremden [...] Typus eines Generals in Zivil« und »pietistischen Operettengenerals«, den Uniformfimmel zu verspotten, aber auch die militärische Schlagkraft eines von dekadenten Aris­tokraten geführ­ ten Landes in Zweifel zu ziehen. Wie ein böses Omen wurde empfunden, dass sich am zweiten Prozesstag des Ersten Moltke-Harden-Prozesses der Geburtstag des 1891 verstorbenen Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke jährte. »Der Schatten des Namens schwebt über allem. Das wusste ich von der ersten Stunde dieser Aktion an«, erklärte Maximilian Harden. Nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 und dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 war der Name Moltke zum Synonym der militärischen Schlagkraft des neuen Reiches geronnen. Moltke-Hagiografien gehörten zur literarischen Grundausstattung jedes patriotischen Haushalts in Deutschland. Nach Meinung Kaiser Wilhelms II. und seiner militärischen Berater sowie großer Teile der deutschen Öffentlichkeit hatte Kuno von Moltke schon allein deshalb die Pflicht, vor Gericht zu gehen, um dort »seinen ehrlichen Namen durchzufechten«. ullstein bild

zesses Moltke-Harden ist unerhört. Ich bin umso empörter, als ich in jeder (gesetzlich zulässigen) Weise auf eine f­ este Zügelführung vonseiten des Vorsitzenden Richters hingewirkt hatte.« Es dürften sich wenige Affären in der neueren Geschichte Deutschlands finden, denen nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch von der Staatsspitze eine derartige politische Bedeutung und Wirkung zugewiesen worden ist wie dem Eulenburg-Skandal.

5Kuno Graf von Moltke, gezeichnet an einem der zahlreichen Prozesstage in der Harden-Eulenburg-Affäre, 1908.

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­ iese hochgespannte ErwartungshalD tung trug entscheidend dazu bei, dass der Eulenburg-Skandal überhaupt zu einer symbolischen Verhandlung der militärischen Ehre Deutschlands vor aller Welt ausufern konnte. Mit einem der Homosexualität überführten Generalleutnant von Moltke war nicht nur das Andenken an den militärischen Reichsgründer beschädigt, sondern das Überlegenheitsgefühl vieler Deutscher in Frage gestellt, jederzeit bereit zum Krieg zu sein und notfalls gegen »eine Welt voll Feinden« bestehen zu können. Durch den Skandal wurde der Name Moltke zum Spielball für Satirezeitungen und »ordinäre Ansichtskarten«, sodass selbst Liberale beklagten, dass sich nun mit dem »großen Namen dauernd der ekle Geruch des scheußlichsten aller Las­ ter« verbinden würde. Vor allem Angehörige der Unterschichten nahmen in den folgenden Jahren eigensinnig die Chance wahr, an der Abwertung von Sinnbildern des Kaiserreichs mitzuwirken. Im Mai 1908 etwa wurde ein reisender Handlungsgehilfe zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er einem Gendarmeriewachtmeister aus dem Fenster eines Zuges »Moltke« zugerufen hatte. Das Schöffengericht in Rixdorf wertete dies als schwere Beleidigung. »Moltke als Schimpfwort!«, stöhnte die monarchistische »Tägliche Rundschau«. »Wer hätte gedacht, dass es dahin kommen würde?«

»Homosexuelle Orgien« bei den Potsdamer Gardes-du-Corps Die Vernehmung des Zeugen Bollhardt, eines ehemaligen Soldaten der Gardes-du-Corps, vollendete das Desaster, das die moralische Vernichtung Generalleutnant von Moltkes vor Gericht für das Ansehen der preußischen Armee bedeutete. Die Gardes-du-Corps waren seit den Zeiten Friedrichs des Großen Leibwache der Könige von Preußen, Kaderschmiede und Aushängeschild der Armee. Vor der internationalen Presse berichtete Bollhardt nun detailliert über den homosexuellen Missbrauch von Garde-Rekruten durch hochadlige Offiziere wie Major Johan­ nes Graf von Lynar und Generalleutnant Wilhelm Graf von Hohenau, ­Cousin des Kaisers, zugleich dessen Flügeladjutant und Kommandeur der

1. Garde-Kavallerie-Brigade. In der Adlervilla am Potsdamer Heiligen See habe Graf Lynar hübsche Rekruten sogar an die Prinzen Friedrich Leopold und Friedrich Heinrich von Preußen verkuppelt. In dieser dem kaiserlichen Marmorpalais gegenüberliegenden Villa wollte Bollhardt auch Generalleut­ nant von Moltke und einen »Herrn in Zivil« erkannt haben, den er, nachdem ihm ein Bild gezeigt worden war, als den Fürsten zu Eulenburg identifizierte. Die blendend weiße Ausgehuniform der Gardes-du-Corps mit dem roten Saum und den markanten schwarzen Stulpenstiefeln, die bis über das Knie reichen, war ein Symbol des preußischen Militärstaates. Durch den Eu­ len­ burg-Skandal aber, bilanzierten große Teile der deutschen und internationalen Presse, sei sie nun »eine Art Prostituiertentracht« geworden. Mit den angeblichen homosexuellen Orgien in Potsdam wurde auch das Ausmaß männlicher Prostitution in Berlin enthüllt, speziell derjenigen von Soldaten in Uniform. Beides verkehrte die hergebrachten Zuschreibungen von maskulinem Militär und femininem Zivil in ihr Gegenteil. Während der preußische Kriegsminister General der Kavallerie Karl von Einem im Reichstag versuchte, das Militär als durch homo­sexuelle Zivilisten bedroht darzustellen, erhielt die umgekehrte Deutung eine glaubwürdigere amtliche Bestä­tigung durch Innen- und Polizeiminister Theobald von Bethmann Hollweg, den späteren Reichskanzler, der publik machte, dass sogar er schon im Berliner Tiergarten von Strichern in Uniform belästigt worden sei. Die Alldeutschen, politisches Sammelbecken der monarchiekritischen Imperialisten in Deutschland, warfen die Frage auf, wie nach diesen Enthüllungen die Disziplin der gesamten Armee noch aufrecht erhalten werden könne, da nun jeder Soldat seine Offiziere der Homosexualität für fähig halten müsse; für die zum Krieg drängenden, monarchiekritischen Radikalen hatte in erster Linie Kaiser Wilhelm II. als »erster Offizier der Nation« versagt.

Schadenfreude im Ausland Die Enthüllung der Soldatenprostitution in Berlin und der homosexuellen Übergriffe bei den Gardes-du-Corps

erschütterte das Ansehen der preußi­ schen Armee auch im Ausland. Die chauvinistische französische Zeitschrift »Gaulois« triumphierte: »Die verehr­ testen Namen, von denen sich einige innig mit dem Kolossalwerk der Reichsgründung verbinden, dem allgemeinen Spott, der Volkswut gewissermaßen als Fraß hingeworfen, der Name des Herrschers mitten in diesem Schlamm verkündet: Welche Schmach und welche Erniedrigung an einem Tage!« Andere Blätter wie »Libre Parole« und »Intransigeant« stellten ehrverletzend die »Männlichkeit« des preußischen Militärs infrage, wenn sie dessen »ersten Offizier« Wilhelm II. mit Napoleon III. verglichen, der auch »le bien-aimé« genannt worden sei – allerdings von Frauen, die ihn als Helden siegreicher Kämpfe bewunderten, während der Deutsche Kaiser, ohne je in Schlachten gezogen zu sein, von Männern – gemeint war Fürst zu Eulenburg – bekanntermaßen den Kosenamen »Liebchen« erhalten hatte. Angesichts dieser »moralischen Wunde am deutschen Volkskörper«, wie die weite Teile des politischen Spektrums in Deutschland den Eulenburg-Skandal empfanden, plädierte bald nicht mehr nur die radikale Presse der Alldeutschen für eine vermeintliche Gesundung der Nation durch einen »frischen, fröhlichen Krieg«. ­ Selbst der von Kriegstreibern als friedenssüchtiger »Schönwetterkanzler« geschmähte Reichskanzler Fürst von Bülow leitete aus der öffentlichen Erregung des Eulenburg-Skandals kriegerische Optio­nen ab: »Die skandalösen Enthüllungen, welche jetzt das sensa­ tionslüsterne Publikum beschäftigen«, schrieb er Wilhelm II., »werden wir am besten dadurch überwinden, dass wir nach innen und außen eine feste und würdige Politik machen, welche die Nation aus diesem Schlamme zu großen Zielen emporhebt.« Mit Feuer und Schwert möge er »solche ekelhaften Geschwüre« ausbrennen, wie sie jetzt durch den Skandal aufgedeckt worden seien, forderte von Bülow den Kaiser auf. Ohne einen Determinismus auf »1914« hin zu behaupten, stärkte der Eulenburg-Skandal durch seine homosexuell konnotierte Kompromittierung prestigeträchtiger Symbole des Kaiserreiches den Wunsch vieler Deutscher

5»Wie wir vernehmen, soll der preußi­ sche Orden Pour le Mérite in Hinkunft so getragen werden.« Mit den Gardesdu-Corps traf der Spott eines der elitärs­ten und ehrwürdigsten Regimenter der preußischen Armee, mit dem »Pour le Mérite« die höchste Auszeichnung. Quelle: Der Floh (Wien), November 1907, Abb. aus: J. GrandCarteret, Derrière »Lui«, Paris 1908, Neudr. 1992, S. 11.

nach einem »großen Krieg«. Krieg war damit noch lange nicht unausweichlich geworden. Aber der Eulenburg-Skandal erweiterte den Erwartungshorizont des Kriegerischen und stärkte ein Weltbild, in dem er von vielen Zeitgenossen als geeignetes Mittel, ja Notwendigkeit für die moralische Reinigung eines dekadent gewordenen Reiches angesehen wurde.  Norman Domeier

Literaturtipps Frank Bösch, Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880– 1914, München 2009. Norman Domeier, Der Eulenburg-Skandal. Eine politische Kulturgeschichte des Kaiserreichs, Frankfurt a.M., New York 2010. Martin Kohlrausch, Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2009.

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Gaskampf im Ersten Weltkrieg

zierki, 28. Juli 1917, 0.20 Uhr. Ein leichter Wind wird mit 1,5 bis 2 m/sec auf offenen Flächen, mit 0,5 m/ sec im Wald registriert. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch. »Ideale Bedingungen«, denkt der junge Offizier. Er faltet die Karte zum handlichen Quadrat, ergreift eine Taschenlampe. Das vor ihm liegende waldreiche Gelände ist für Phase I in 14 Abschnitte, für Phase II in 36 Abschnitte eingeteilt, jeder Abschnitt ist etwa einen Hektar groß. Acht mittlere und acht leichte Werfer stehen dem Offizier zur Verfügung. Alles ist präzise geplant. 540 C-Minen (Chlorameisensäurechlormethylester), 850 phosgengefüllte D-Minen sowie 140 weitere leichte und mittlere Minen werden die beiden Russenkompanien erledigen. Ein Blick zur Uhr: 0.25 Uhr. Ruhig begibt sich der Oberleutnant zur ersten Werfergruppe. Um 0.30 Uhr erteilt er den Feuerbefehl. 72 Gasüberfälle erfolgen insgesamt. Einschlagende Geschosse reißen die Russen aus dem Schlaf. Ein angenehmer Geruch nach feuchtem Heu steigt in ihre Nasen. Nur ein älterer Korporal weiß dieses Zeichen zu deuten. Er blickt empor, beginnt weinend zu fluchen. Das Ammoniakfläschchen wird ihm nichts nützen. Phosgen dringt ihm und seinen ungeschützten Kameraden in die Lungen. Gegen 1.30 Uhr beendet der deutsche Offizier den Angriff. Jetzt heißt es ­warten. Die feuchte Luft verstärkt die grausame Wirkung der D-Minen. Das Phosgen wird sich in den Lungen in Kohlenstoffmonoxid und Salzsäure umsetzen. Diese zerfrisst die Lungenschleimhäute langsam – viel zu langsam. Bluterbrechend und hustend krümmen sich die jungen Soldaten in den Stellungen. Die Deutschen werden nicht nachsetzen, wissen sie doch, dass die Menschen ihnen gegenüber nur sehr langsam sterben werden und durchaus noch eine Zeitlang von ihren Waffen Gebrauch machen können. Zwei bis drei Stunden wird ihr Todeskampf dauern. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges drei Jahre zuvor ging der sofortige Einsatz chemischer Kampfstoffe einher. Gemäß Haager Landkriegsordnung war im Artikel 23 der Einsatz von Giften oder vergifteten Waffen untersagt. Es wurde jedoch nicht genau geklärt, was unter Giften zu verstehen

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Gaskampf 1914–1918. Kampfstoffe und Einsatzgrundsätze der Entente- und der Mittelmächte ZMSBw

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5Deutsche Gaswerfer an der Westfront, 1916. Abb. aus: Hanslian (Hrsg.), Der chemische Krieg, S. 179.

sei. Ein Zusatzprotokoll verbot Geschosse, deren vergiftende Wirkung die Brisanzwirkung (die Wirkung durch Splitter) übertraf, und den Einsatz von Munition mit dem alleinigen Zwecke des Vergiftens. Ein vollständiges Verbot giftiger Gase im Kampf war hingegen nicht möglich, da beim Auftreffen größerer Artilleriegeschosse grundsätzlich giftige Substanzen frei werden, vor allem Kohlenstoffmonoxid und nitrose Gase (Stickstoffoxide). Auch der direkte Angriff mit giftigen Gasen blieb völkerrechtlich ungeregelt. Dementsprechend wurden bereits ab 1914 toxische Stoffe im Kampf verwendet. Hierzu zählten französische Bromessigsäureethylester-Geschosse, deren Tränengaswirkung weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Auch der Einsatz von Chlorazeton führte nicht zum erhofften Erfolg. Chemische Kampfstoffe, vor allem Tränengase, dienten den Ententetruppen zunächst vor allem dazu, die Deutschen aus den Gräben zu zwingen und sie somit der Wirkung konventioneller Waffen auszusetzen.

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Der Einsatz von Chlor Nicht einmal ein Jahr nach Beginn des Völkerringens trat die Geschichte der chemischen Kriegführung in ein neues Zeitalter ein. Im Dezember 1914 schlug der Leiter des Kaiser-Wilhelm-Institutes für physikalische Chemie und spätere Nobelpreisträger Fritz Haber erstmals den Einsatz von Chlor vor. Hierfür sprachen die Eigenschaften des Stoffes ebenso wie die geringen Herstellungskosten. Haber war 1909 durch die gemeinsam mit seinen Kollegen Walther Nernst und Carl Bosch entwickelte Synthese von Ammoniak aus dem in der Luft enthaltenden Stickstoff bekannt geworden. Ihm wurde die fachliche Aufsicht über den ersten großen »Blasangriff« übertragen. Am 22. April 1915 versuchte die deutsche 4. Armee, mit einem Angriff auf die französische Nordfront im Abschnitt Drie Grachten (Belgien) bis Becelaere einen Durchbruch zu erzielen. Im Befehlsbereich des XXIII. und XXVI. Reservekorps sollte das zu einem

französischerseits drei Schießplätze nur für das Üben mit chemischen Kampfstoffen freigegeben. Die britischen Verbündeten hingegen konzentrierten sich zunächst auf das Blasverfahren. Der britische Gassonderdienst bestand ab 1915 aus drei Abteilungen: Entwicklung, Gasangriff und Gasabwehr. Bereits am 25. September führten die Briten ihren ersten Chlorgasangriff durch. Die Verantwortung oblag dem Pioniermajor Charles Howard Faulkes. Dieser wählte einen 30 km breiten Frontabschnitt bei Loos und ließ dort 5500 Gasflaschen mit insgesamt 150 t Chlor im Wechsel mit Rauchkerzen einbauen. Bereits während dieses ersten britischen Blasangriffes kamen indische Einheiten zum Einsatz, die später auch im Gasminenschießen häufig verwendet wurden. Faulkes Angriff konnte nicht zufriedenstellen. Durch wechselnde Windverhältnisse konnten nahezu 3000 Flaschen nicht abgeblasen werden. Somit verzeichnete das gegenüberstehende VII. deutsche Armeekorps gerade einmal 120 Gasgeschädigte. Der operativtaktische Erfolg blieb dementsprechend ebenso bescheiden wie der der Deutschen vom April. Faulkes Vorstoß

beantwortete das Gasregiment Petersen mit dem noch giftigeren Stoff Phosgen. Dennoch blieben nun durch die gesteigerten Möglichkeiten des Gasschutzes weitere nachhaltige Erfolge aus. Hiervon zeugt auch ein weiterer Tagebucheintrag Bindings: »19. Dezember 1915. Eine kleine Hoffnung war in der Luft. Die Division machte mit einem neuen Gas einen Versuch und Angriff. Die Engländer empfingen aber die Gaswolken mit hipp hipp hurra! Und die nachstoßenden Patrouillen fanden einen Kranz von Bajonetten in den feindlichen Stellungen, so daß die Ausschau nach den Wirkungen des Kampfmittels sich erübrigte. Unsere Verluste sind ein Toter und vier Verwundete. Außerdem das schöne Gas; worüber aber jeder froh ist. Die Kerls wollen von den Gasstänkereien nichts mehr wissen.« Auch französische Truppen mischten das grüngelbe Chlorgas mit Phosgen, um die Wirksamkeit noch zu erhöhen. Im Gegensatz zu ihren französischen Verbündeten setzten die Briten trotz erster Misserfolge auf die Weiterentwicklung des Blasverfahrens. Zwischen 1916 und 1918 führten sie mehr als 300 Angriffe an der Westfront ZMSBw

erheblichen Teil aus Chemikern und Chemiestudenten bestehende »Gasregiment Petersen« (Pionierregiment 35) eine neue Art des Einsatzes chemischer Kampfstoffe erproben. Die Infanterie der beiden genannten Korps sollte einem Chlorgasangriff folgend nachsetzen. Ebenso waren zwei Regimenter des XV. Korps hierfür vorgesehen. ­Diese im Süden des Ypernbogens stehenden Verbände wurden jedoch abgezogen, da die Windverhältnisse sich änderten. An eben jenem 22. April wurden gegen 18.00 Uhr 5730 Chlorgasflaschen mit 180 000 kg verflüssigtem Chlor nahe Ypern in Richtung der französischen Front abgeblasen. Die gelbweiße, dichte Gaswolke bewegte sich auf einer Breite von 6 km, in einer Tiefe von 600 bis 900 m und mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 m/sec auf die gegnerische Linie zu. Sie traf auf unvorbereitete französische Kolonialtruppen und kanadische Soldaten, die fluchtartig das Gefechtsfeld verließen. 3000 Menschen entkamen der tödlichen Gefahr nicht. Sie starben an jenem Frühlingstag. Rudolf Binding, ein gebürtiger Deutschschweizer, der als Kavallerieoffizier an der Westfront diente, berichtet in seinem Tagebuch: »Die Wirkungen des geglückten Gasangriffes sind grauenhaft. Menschen zu vergiften – ich weiß nicht. Freilich man wird erst darüber wüten in der ganzen Welt und es uns dann nachmachen. Die Toten liegen alle mit geballten Fäusten auf dem Rücken.« Bindings Weissagung erfüllte sich rasch. Im Mai 1915 begann auch die Entente mit einer deutlichen Ausdehnung des eigenen Gaskampfes. So kamen ab Mitte 1915 täglich bis zu 20  000 Gashandgranaten zum Einsatz, die mit einem Gemisch aus Schwefelkohlenstoff, Schwefelwasserstoff und Capsaicin, einem Hitze- und Schärfereiz hervorrufenenden Stoff, gefüllt waren. Zudem wurden zehnpfündige Chlorgasgeschosse entwickelt. Der Erfolg des Einsatzes war gering. Französische Chemiker setzten eher als Briten und Deutsche auf den Einsatz von kampfstoffgefüllten Geschossen, vor allem auf mit Phosgen gefüllte Granaten. Ein französischer Gasdienst entstand noch im Laufe des Jahres 1915 mit einer großtechnischen Versuchsanstalt in einem Pariser Vorort. Ebenso wurden

5Gasflascheneinbau an der Westfront. Abb. aus: Hanslian (Hrsg.), Der chemische Krieg, S. 78.

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Gaskampf im Ersten Weltkrieg

5Zwei deutsche Soldaten mit Gasmaske und Lanzen auf Pferden mit Gasmasken, 1918.

durch. Angesichts ihrer führenden Stellung innerhalb der Ententemächte nimmt es kaum Wunder, dass britische Gassondertruppen die Ausbildung französischer und US-amerikanischer Verbände übernahmen. Gerade die britischen Industriekapazitäten ermög­ lichten eine rasche Antwort auf den deutschen Chlorgasangriff bei Ypern und die Entwicklung neuer Kampfstoffe.

Gasangriffsverfahren: Der Blasangriff Grundsätzlich gelangten im Ersten Weltkrieg drei Gasangriffsverfahren zum Einsatz: der Blasangriff, das Gasminen­ schießen und das Artilleriegasschießen. Alle drei Verfahren erforderten ein hohes Maß an chemisch-technischen und meteorologischen Kenntnissen. Sie wurden nacheinander entwickelt und bildeten auch hinsichtlich ihrer Effektivität eine klare Rangfolge. Der Blasangriff als erstes und zugleich schwächstes Verfahren eröffnete den Reigen. Chlor, Phosgen, Diphosgen und Chlorpikrin waren die am häufigsten eingesetzten Kampfstoffe. Jede Substanz bot Vorteile und Nachteile, die es gegeneinander abzuwägen galt. Durch die Kombination verschiedener Stoffe erhofften sich die planenden Chemiker größtmögliche Wirkungen. Ein wesentlicher Vorteil des Chlorgases bestand in seiner hohen Flüchtigkeit. Begaste Geländeabschnitte waren nur kurzzeitig kontaminiert und konnten zügig von der eigenen Truppe besetzt werden. Dementsprechend glaubten die Planer mit Blasangriffen schnell Durchbrüche in wichtigen Geländeabschnitten zu erzielen. Sowohl

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bei Ypern als auch wenig später an der Ostfront bei Bolimov (31. Mai 1915) riss die Chlorgaswolke zwar beachtliche Lücken in die gegnerischen Frontlinien. In beiden Fällen unterblieb jedoch der notwendige infanteristische Nachstoß, der einen Einbruch in die gegnerische Verteidigung erzielen sollte. Somit war der operative Effekt der Blasangriffe eher gering. Hinzu kam die rasche Umstellung der Ententetruppen auf die neuen Erfordernisse, sodass auch der technologische Vorsprung sank. Ein erstes Gasmaskenmodell war bereits im 19. Jahrhundert in Großbritannien erfunden worden. So setzte die Entwicklung geeigneter Gasmasken zum Schutz vor Lungenkampfstoffen nahezu zeitgleich mit den ersten Giftgaseinsätzen ein. Infanterieangriffe wurden entweder zu früh geführt, wodurch die angreifende Truppe in ihre eigene Gaswolke geriet, oder zu spät und die Soldaten fielen im feindlichen Artilleriefeuer. Somit ging die deutsche Führung dazu über, Gasangriffe zunächst anzutäuschen. Mit ungiftigen Dämpfen wurde der Eindruck wesentlich breiterer Blasangriffsstreifen erweckt und der Gegner dadurch gezwungen, sein Artilleriefeuer breiter zu streuen. Gleichzeitig schufen die ungiftigen Rauchwolken Möglichkeiten zur Tarnung der angreifenden Infanterie. Hinzu traten weitere neue Kampfstoffe und Kampfstoffgemische. Jedoch zeitigte weder der Zusatz von Phosgen noch von Diphosgen (ab 1916) bei Chlorgasangriffen einen nachhaltige­ ren Erfolg. Phosgen führte bei der im Blasverfahren erreichbaren Konzentration erst nach ein bis zwei Stunden

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zum Ausfall des Kombattanten. Dies wiederum ermöglichte es den angegriffenen Soldaten trotz schwerer Vergiftungserscheinungen wie Husten und Erbrechen, weiterhin Widerstand zu leisten. Der Tod ereilte die Betroffenen bei vollem Bewusstsein, oft erst nach Tagen. Ein weiterer Nachteil der ersten Lungenkampfstoffe war ihre leichte Nachweisbarkeit. Phosgen und Diphosgen waren am heuartigen Geruch erkennbar. Die letale (tödliche) Dosis muss etwa eine Minute auf den Betroffenen einwirken. Gelang es diesem also, auf ein geeignetes Schutzmittel zuzugreifen, standen die Überlebenschancen gut. Zu diesen zahlrei­chen Problemen kam die hohe Abhängigkeit der Blasangriffe von Gelände- und Witterungsbedingungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der britische Blasangriff bei Nieu­ port in Flandern am 5. Oktober 1916. Hier nutzten die Briten die äußerst ungünstigen Windverhältnisse im Küs­ten­ abschnitt. Deutscherseits hielt man ­einen Blasangriff in diesem Frontabschnitt für ausgeschlossen. Dies führte zur mangelhaften Ausstattung der Soldaten mit Gasmasken und schlechter Gasdisziplin in der Truppe. So kostete jener Angriff, obwohl er bereits innerhalb einer Minute von den deutschen Einheiten erkannt wurde, etwa 1500 Gastote und -geschädigte.

Das Gasminenverfahren Nicht zuletzt die Eigengefährdung der Truppe erforderte eine rasche Entwicklung weiterer Gaskampfverfahren. Die Briten führten als erste Versuche für das deutlich wirkungsvollere Gasminenschießen ein, blieben jedoch auch hier hinter den deutschen Entwicklungen zurück. Deutscherseits setzte sich Walther Nernst erfolgreich für das Gasminenschießen ein. Nernst gehörte ebenso wie Haber zu den international renommierten deutschen Chemikern. Noch heute lernt jeder Chemiestudent die Nernstsche Gleichung zur Ermittlung der bei galvanischen Elementen auftretenden Spannungen. Bereits im Juni 1915 wurde zum ers­ ten Mal das einen Monat zuvor aufgestellte Gas-Minenwerfer-Bataillon 1 bei Neuville-St.Vaast eingesetzt. Verschossen wurden mit Bromazeton gefüllte B-

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5Deutsche Krankenschwestern demonstrieren Erste Hilfe nach einem Gasangriff, 1917.

den, da die Gaswolke sonst zeriss und ihre Wirkung sich nicht mehr entfalten konnte. Dies änderte sich mit Einführung des Gasbrisanzschießens im Jahre 1917. Hierbei wurden Brisanzgranaten mit sesshaften Kampfstoffen gefüllt (sesshafte Kampfstoffe verdampften im Gegensatz zu flüchtigen weniger schnell). Der große Vorteil bestand in einer effektiven Kombination von Splitter- und Kampfstoffwirkung. Das Gasbrisanzschießen war zudem bei jedem Wetter anwendbar. BArch, Bild 183-R34609

Minen und C-Minen, die Chlorameisensäuremethylester enthielten. Die Minen enthielten zwischen 0,8 und 15 Liter Reiz-, Gift- oder Kampfstoff. ­Unter den eingesetzten giftigen Substanzen entfiel die größte Menge auf Phosgen. Zu den Reizstoffen zählten Xylolbromide und Bromazeton. Bei den Einsatzverfahren wurden zwischen dem kleinen, mittleren und großen Gasminenschießen unterschieden. Beim kleinen Gasminenschießen erfolgte ein schlagartiger, etwa einminütiger Überfall auf einen eng begrenz­ ten Geländeabschnitt, in dem sich ausreichend lebende Ziele aufhielten. Es kamen hierbei möglichst alle Werfer ­einer Minenwerfergruppe gleichzeitig zum Einsatz. Beim mittleren und großen Gasminenschießen erfolgte eine großflächige Beschießung durch mehrere Werfergruppen. Prinzipiell stellte dies nichts anderes dar, als zahlreiche Gasminenüberfälle nebeneinander zu setzen. Hierfür wurden Geländeabschnitte von etwa einem Hektar Größe je Werfergruppe ausgewählt. Ein großer Vorteil des Gasminenschießens gegenüber dem Blasangriff lag im Überraschungsmoment und in der hiermit schlagartig zu erzielenden hohen Kampfstoffdichte. Da die Gasminenbataillone auch Brisanzgranaten mitführten, wurde zunächst streng darauf geachtet, dass diese grundsätzlich nicht mit Gas­ ­ minen zusammen verschossen wur-

Während die Deutschen sowohl technologisch als auch taktisch den Gasminenkampf zügig entwickelten, blieben die Ententemächte in diesem Bereich bis Ende 1917 eindeutig unterlegen. So benötigten die Briten zwei Jahre für die Entwicklung eines einsatzreifen Gasminenwerfers. Das von Frederick W. Stokes produzierte Gerät wurde in seiner ersten Typenfassung im Juni 1915 indischen Einheiten zugeteilt und verschoss zunächst nur Phosphor-Nebelminen. Im Frühjahr 1916 stellte das britische Heer das Gasbataillon 5 auf, dem im Folgejahr Minen mit etwa 3,2 kg Gaskampfstoff mit Phosgen, Chlorpikrin und Jodessigester zugewiesen wurden. Französische Einheiten wurden zwar bereits 1916 vereinzelt mit Gasminen beliefert, die Ethylschwefelsäurechlorid enthielten, wirksame Einsätze führte das französische Militär im Bereich des Gasminenschießens aber erst ab 1917 durch.

Das Artilleriegasschießen

5Warnschild an der Westfront in Armentieres, ca. 1917.

Das wirksamste Gaskampfverfahren war das Artilleriegasschießen, das auch von den Ententetruppen im großen Umfang betrieben wurde. Es bot neben der Witterungsunabhängigkeit und dem Überraschungsmoment auch den Vorteil, keiner Gassondertruppen zu bedürfen. Es genügte, die Artillerie entsprechend zu bewaffnen. Deut-

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Gaskampf im Ersten Weltkrieg

scherseits existierten hierfür verschiedene Munitionsarten: Grünkreuz (Lungenkampfstoffe), Blaukreuz (Nasenund Rachenkampfstoff) und Gelbkreuz (Hautkampfstoffe). Je nach Kombination der Kampfstoffe erfolgte eine differenzierte Kennzeichnung der Munition, beispielsweise mit einem, zwei oder drei Kreuzen. In Großbritannien verwendete man Sternsymbole und Buchstabenkombinationen zur Kennzeichnung. So erhielt reines, in Gasflaschen abgefülltes Chlor die Tarnbezeichnung »red star«, Chlor in Kombination mit Phosgen »white star«, mit 20 Prozent Schwefelchloriden »blue star«. Mit dem ersten deutschen Einsatz von sogenannten Blaukreuzgranaten begann in der Nacht vom 10. zum 11. Juli 1917 bei Nieuport ein neues Zeitalter chemischer Kriegführung. Die neuen Geschosse enthielten Diphenylarsinchlorid (Clark I; Clark – Abkürzung für Chlorarsinkampfstoff) und Diephenylarsincyanid (Clark II), zwei kandiszuckerähnliche Feststoffe. Clark II wandelt sich erst bei 350 °C in Gas um. Der Stoff wurde zunächst in halslose Bierflaschen, später in andere Glasgefäße gefüllt und dann mit verflüssigtem Sprengstoff umgossen. Die nach der Detonation durch den Sprengstoff freiwerdende Hitze verdampfte den Blaukreuzkampfstoff. An der kalten Luft trat er dann rasch in die flüssige Phase und verteilte sich in 0,0001 mm feinen Tröpfchen in der Luft. Diese durchdrangen alle bis dahin bekann­ten Schutzmaskenfilter. Der Chemi­ ker spricht bei Gas-Flüssig­ keitsgemischen von Nebeln. Erstaunlicherweise durchdrangen Nebel die Atemschutzmasken, während Gase zurückgehalten wurden. Dies ist auf die relativ starke Eigenbewegung der Gasmoleküle zurückzuführen. Diese Bewegungen führten zur Bindung an die im Schutzfilter enthaltenden Materia­ lien. Die feinen Flüssigkeitstropfen in chemischen Nebeln hingegen bestehen aus mehreren Molekülen, deren enger Zusammenhalt die Teilchen deutlich ruhiger lässt. Hierdurch drangen die Nebelteilchen ungehindert durch die großen Zwischenräume des Schutzfiltermaterials. Clark I und Clark II dienten als Reizkampfstoffe. Bereits ab 0,25 mg ruft Clark II unerträgliches Niesen, Kopf-, Ohr- und Zahnschmerzen sowie

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Schmerzen im Brustbereich und schließlich Erbrechen hervor. Tödliche Wirkung wurde mit ihnen nicht erzielt. Vielmehr kombinierte man sie mit Grünkreuz. Hierdurch zwang man gegnerische Einheiten, die Schutzmasken herunterzureißen. Die erwünschte tödliche Wirkung konnte dann durch Lungenkampfstoffe herbeigeführt werden. Das Verfahren, Reiz- und Lungenkampfstoffe zu kombinieren, wurde »Buntschießen« genannt, die vergasten Geländeabschnitte »Bunte Räume«. Abschließend darf auf den berüchtigten Gelbkreuzkampfstoff »Lost« (Dichlordiethylsulfid) hingewiesen werden. Der nach den deutschen Chemikern Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf benannte und in reiner Form nahezu geruchlose Kampfstoff drang durch alle Uniformstoffe und rief schmerzhafte blasige Wunden hervor. Tödlich war auch er nur in den seltensten Fällen. Durch chemische Verunreinigungen erhielt er einen senfartigen Geruch und war deshalb auch als Senfgas bekannt.

befüllt waren, ist die Zahl der Gastoten nahezu verschwindend gering. Sie schwankt in der Literatur zwischen 70 000 und 90 000. Ist dies Anlass genug, die Effektivität des Einsatzes chemischer Kampstoffe zu bezweifeln? Ziel des militärischen Ringens damals wie heute war und ist nicht der Tod des Gegners, sondern dessen Willen zur Fortsetzung des Kampfes zu brechen. In diesem Sinne war der Einsatz chemischer Kampfstoffe im Ersten Weltkrieg sehr effektiv. Die Zahl der Gasgeschädigten wird von der älteren und jüngeren Forschung auf 1,2 bis 1,3 Millionen beziffert. Die schweren körperlichen und psychischen Wunden führten nicht nur zur längeren oder vollständigen Frontuntauglichkeit, sondern begleiteten die Betroffenen oft zeitlebens.  Martin Meier

Fazit

Dieter Martinez, Vom Giftpfeil zum Chemiewaffenverbot. Zur Geschichte der chemischen Kampfmittel, Frankfurt a.M. 1995. Rudolf Hanslian (Hrsg.), Der chemische Krieg, Bd 1: Mili­ tärischer Teil, 3., völlig neubearb. Aufl., Berlin 1937.

Angesichts der Tatsache, dass bis zu 30 Prozent aller im Ersten Weltkrieg verschossenen Granaten mit Kampfstoffen

Literaturtipps

Lungenkampfstoffe (dt. Feldbezeichnung: Grünkreuz) Chlor Das 1771 von Carl Wilhelm Scheele erstmals gewonnene blassgelbe Gas ist durch einfachste chemische Reaktionen darzustellen. Gerade die kostengünstige Herstel­ lung ließ den giftigen Stoff bereits 1914 in das Blickfeld deutscher und französischer Chemiker als möglichen Kampfstoff rücken. Chlor löst beim Vergiften ein stark stechendes Gefühl in den Atmungsorga­ nen aus, so »als zielte jemand mit dem Schweißbrenner auf deine Luftröhre« (Theo­dore Gray). Betroffenen beginnen zunächst die Augen zu brennen. Mund und Verdauungstrakt werden angegriffen. Erbrechen und ein starkes Schwindelgefühl stellen sich ein, bei Erreichen der letalen Dosis kann Atem- oder Herzstillstand eintreten. Chlor lässt sich leicht verflüssigen und geht bei -34 °C in die Gasphase über. Es besitzt eine geringe Sesshaftigkeit und ist leicht neutralisierbar. Phosgen/Diphosgen Noch wirkungsvoller als Chlor erwies sich aufgrund höherer Giftigkeit und Sesshaftigkeit Phosgen. Bei Blasangriffen kombinierten die Kriegsparteien beide Gase. Phosgen ist der von Ententetruppen am erfolgreichsten eingesetzte Lungenkampfstoff. Nahezu 80 Prozent der deutschen Gasgeschädigten sind auf ihn zurückzu-

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führen. Ein Nachteil des Phosgens liegt in seinem relativ hohen Siedepunkt (8 °C). Im Winter war deshalb ein kombinierter Einsatz mit Chlor nur bedingt möglich. Chlorameisensäuretrichlormethylester lautet der chemische Name des wichtigsten deutschen Lungenkampfstoffes im Ersten Weltkrieg, der bis heute unter dem Trivialnamen Diphosgen oder Perstoff firmiert. Ähnlich dem Phosgen zerstört er die Lungenschleimhaut und ermöglicht hierdurch ein Eindringen von Blut in die Lungenbläschen. Der Tod tritt somit durch langsames Ersticken ein. Chlorpikrin (dt. Feldbezeichnung: Klop) Die farblose, stechend riechende Flüssigkeit hat seinen Siedepunkt bei 112 °C, setzt jedoch bereits bei Zimmertemperatur stark giftige Dämpfe frei. Vor allem die Hornhaut des Auges wird stark gereizt. Chlorpikrin schädigt zudem das Lungengewebe sowie Magen und Darm. Die betroffenen Soldaten litten oft wochenlang an Durchfällen, Atembeschwerden, Erbrechen. Die Entente setzte als Ersatz für Chlorarsinkampfstoff (in den Varianten Clark I und II), der Ihnen nicht zur Verfügung stand, die sogenannte N.C.-Mischung ein, welche aus 80 Prozent Chlorpikrin und 20 Prozent Zinntetrachlorid bestand.

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Das historische Stichwort

Die Schlacht von Gorlice-Tarnów

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ie frühen Niederlagen gegen die Deutschen im Sommer und Herbst 1914 bewogen das russische Oberkommando dazu, den Schwerpunkt der Kriegführung an die Südfront nach Galizien zu verlagern. Dort hatte man schon bald nach Kriegsbeginn die k.u.k. Armee erfolgreich bis auf die Karpaten zurückschlagen können. Ab Januar 1915 erhöhten die Russen deshalb ihren Druck an der Karpatenfront. Am 22. März musste die belagerte österreichische Festung Przemyśl kapitulieren; die Donaumonarchie stand vor einer militärischen Katastrophe. Ihre Schwäche erhöhte zudem die Gefahr eines Kriegseintritts der neutralen Staaten Italien und Rumänien auf Seiten der Entente. Vor diesem Hintergrund fiel im deutschen Oberkommando Anfang April 1915 der Entschluss, den Verbündeten mit einer großen Offensive im Osten zu entlas­ ten. Ausgehen sollte sie vom Frontabschnitt zwischen Gorlice und Tarnów in Westgalizien, der für Aufmarsch und Angriff gleichermaßen günstige Bedingungen bot. Dort zogen die Deutschen ihre operative Heeresreserve zusammen, die 11. Armee unter Generaloberst August von Mackensen. Sie ­erhielt den Auftrag, gemeinsam mit der k.u.k. 4. Armee (General Erzherzog Joseph Ferdinand) die Front der russi­ schen 3. Armee (General Radko Dimi­ triew) frontal nach Osten zu durchbrechen, dadurch hinter die russische Karpaten­front zu gelangen und diese zum Rückzug zu zwingen. Auf deutsches Verlangen wurde die k.u.k. 4. Armee der 11. Armee unterstellt. Damit entstand, unter deutscher Führung, erstmals im Krieg eine deutsch-österreichische Heeresgruppe. Formell wurde die gesamte Offensive vom k.u.k. Generalstabschef geleitet. Er musste sich aber vor allen wichtigen Entscheidun­ gen mit dem deutschen Oberkommando abstimmen. Der Erfolg der gesamten Operation war abhängig vom Durchbruch durch die russischen Stellungen. Ein ausgeklügeltes taktisches Angriffsverfahren setzte auf die Ausnutzung des Überraschungsmoments: Die Infanterie sollte

tief gegliedert und unter dem Schutz der letzten Artilleriesalven angreifen. Danach musste im schnellen Vorgehen der Widerstand auch in den hinteren feindlichen Stellungen frühzeitig gebrochen und das Heranführen feindlicher Reserven verhindert werden. Von der Artillerie wurde Unterstützung mittels eines detaillierten Feuerplanes erwartet – ein Verfahren, das an der Westfront bereits üblich, an der Ostfront aber noch ungewohnt war. Auch zahlenmäßig stellte man eine klare artilleristische Überlegenheit her: Insgesamt 720  leichte und 243 schwere Geschütze sowie 96 Minenwerfer ergaben die bis dahin höchste Konzentration von Feuerkraft im Weltkrieg. Dagegen konnte die russische 3. Armee an diesem nördlichen Abschnitt ihrer Front nur etwa 350 leichte und maximal vier schwere Geschütze einsetzen, denen es zudem an Munition mangelte. Die Mittelmächte versammelten eine mindestens zweifache Übermacht an Infanterie, vor allem im Schwerpunktabschnitt der 11. Armee. Deren zehn Infanteriedivisionen, darunter mehrere Eliteverbände, standen lediglich viereinhalb russische gegenüber, überwiegend Reserve- und Ersatzverbände. Der Aufmarsch blieb der Gegenseite trotz strenger Geheimhaltung und Täuschungsmaßnahmen nicht verborgen. Doch verkannte das russische Oberkommando die Gefahr eines Großangriffs, weshalb es die 3. Armee nicht rechtzeitig verstärkte. Der deutsche Angriff begann am 2. Mai 1915 um 6 Uhr mit einem vierstündigen Trommelfeuer auf die russischen Stellungen. Um 10 Uhr folgte der Sturmangriff der Infanterie. Bereits das gut gelenkte, massierte Artilleriefeuer wirkte sich verheerend aus. Viele russische Schützengräben von meist nur behelfsmäßiger Qualität waren in kurzer Zeit zerstört. Ohne Deckung erlitten die vordersten russischen Linien bereits in dieser Phase Ausfälle von bis zu einem Drittel ihrer Gesamtstärke, bevor sie vom nachfolgenden Infanteriesturm überwältigt wurden. Den taktischen Reserven erging es nicht besser, da sie ungedeckt zu weit vorne lager-

ten. Auffangstellungen in der Tiefe hatten die Russen nicht angelegt, was ihren Rückzug mancherorts bald zur Flucht ausarten ließ. So gerieten allein am ersten Angriffstag 17 000 russische Soldaten in Gefangenschaft. Bereits am Abend des 2. Mai war die 11. Armee auf ganzer Breite von 30 km zwischen 2 und 4 km tief in die gegnerischen Stellungen eingebrochen. Durch ständi­ ges Nachsetzen, Einführen der Armeereserve und neue Schwerpunktbildung auf dem rechten Flügel (X. Armeekorps) konnte sie den Einbruch bis zum 5./6. Mai zu einem fast 40 km tiefen Durchbruch ausweiten. Das III. Kaukasische Korps, das zur Unterstützung der russischen 3. Armee im Anmarsch war, kam zu spät und wurde bald in den Strudel des russischen Rückzugs gerissen. Die 3. Armee war geschlagen. Der Erfolg ihres Durchbruchs bei Gorlice und Tarnów ermöglichte es den Mittelmächten, auch ihre weiter gesteckten Ziele zu verwirklichen. Mitte Mai erreichten sie den Fluss San, über den bald Brückenköpfe gebildet waren, wodurch sich die gesamte russische Karpatenfront zum Rückzug gezwungen sah. Am 3. Juni gelang den Mittelmächten die Rückeroberung von Przemyśl, am 22. Juni nahmen sie Lemberg ein. Bald darauf befand sich fast ganz Galizien wieder in österreichi­ scher Hand. Die Gefahr für ÖsterreichUngarn war endgültig abgewendet. Gleichzeitig legte der Erfolg der Heeresgruppe Mackensen im Süden der Ostfront die Grundlage für eine große Zangenoffensive der Mittelmächte, die im Sommer/Herbst 1915 die Russen zur Aufgabe von ganz Polen zwingen sollte. Aus dem taktischen Durchbruch von Gorlice und Tarnów erwuchs somit einer der größten operativen Erfolge der Mittelmächte des gesamten Krieges. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch: Bis Mitte Juni verzeichneten die Mittelmächte 90 000 gefallene, verwundete und in Gefangenschaft geratene Soldaten. Die russischen Verluste betrugen das Vierfache, davon allein 240 000 Gefangene. Holger Hase und Thomas Vogel

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Neue Medien

www.story.br.de/oktoberfest-attentat »Die Suche nach der Wahrheit«

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ritischer, investigativer Journalismus ist ein wichtiges Korrektiv, wenn Behörden und Justiz (vermeintlich) versagen. Ulrich Chaussy, Hörfunkjournalist des Bayerischen Rundfunks, recherchiert seit nunmehr fast 35 Jahren zur Bombe, die im September 1980 auf dem Münchner Oktoberfest 13 Menschen in den Tod riss (mehr dazu in Geschichte kompakt auf S. 29). Seiner beharrlichen Suche nach der Wahrheit wurde vor Kurzem im Spielfilm »Der blinde Fleck« zur besten Sendezeit in der ARD ein mediales Denkmal gesetzt. Der Bayerische Rundfunk präsentiert seine Recherchen nun auf einem eigens eingerichteten, sehr aufwendig gestalteten Internetauftritt: Gezeigt werden neben Dokumenten und Fotos vor allem Audio- und Videomitschnitte, u.a. die ARD-Tagesschau vom 28. September 1980. Zu Wort kommen Opfer und Augenzeugen, die kurz vor der Explosion neben dem mutmaßlichen Attentäter zwei weitere Männer gesehen haben; ein weiterer Zeuge sagt aus, unmittelbar nach der Explosion sei etwas entfernt eine Stichflamme wie bei einer Zündung zu sehen gewesen. Möglicherweise gab es eine weitere Bombe, die nicht detonierte. Sein Schweigen bricht erstmals auch der damalige Sprengstoffexperte des Bundeskriminalamtes Gerd Ester, der im Zuge der Ermittlungen die Oktoberfestbombe rekonstruiert hat und deren Aufbau genau erklärt. Im Kapi-

Screenshot der Tagesschau vom 28. September 1980.

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tel »Die Hand« weist Chaussy gravierende Ermittlungsfehler nach. Aservate wurden vernichtet, eine abgrissene Hand, die weder dem mußmaßlichem Täter noch einem der Opfer zuzuordnen war, ist noch immer spurlos verschwunden. Im Kapitel »Die Politik« sucht Chaussy nach möglichen Erklärungen und Hintergünden: Die Bombe explodierte wenige Tage vor der Bundestagswahl 1980, bei welcher der bayerische Ministerpräsident Franz Joseph Strauß gegen Helmut Schmidt kandidierte. Offene Worte über die damaligen Ermittlungen findet Max Strauß, der damals 21-jährige Sohn des Ministerpräsidenten. Besonders brisant sind die Informationen über Hans Langemann, den damaligen Leiter der Abteilung Staatsschutz im Bayerischen Innenministerium (»Der Ex-Agent«). Dieser habe die Ermittlungen massiv behindert und in die politisch gewollte Richtung der Einzeltäterthese gelenkt. Die multimediale Zeitreise endet mit einem optimistischen Ausblick: 2014 hat der Generalbundesanwalt die Wiederaufnahme der Ermittlungen angeordnet. Ein großer Erfolg für Chaussy und den investigativen Journalismus. ks

Bismarck

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er aus altem preußischem Land­ adel stammende Bismarck zeigte schon während seiner Studienzeit das Durchsetzungsvermögen und die Beharrlichkeit, die ihn in späteren Jahren auszeichnen sollten. Mit dem langweiligen Staatsdienst in der preußischen Provinz konnte er sich jedoch nicht anfreunden. So schied er bereits früh aus dem Staatsdienst aus und übernahm die Verwaltung des elterlichen Gutes in Pommern. Dort sammelte er erste politische Erfahrungen und Erfolge, u.a. den Einzug in den Preußischen Landtag. Sein Mandat nutzte er geschickt als Sprungbrett, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Nach Stationen als preußischer Gesandter beim Deutschen Bund und in St. Petersburg erreichte er 1862 mit der Berufung zum Ministerpräsidenten seinen vorläufigen Karrierehöhepunkt. Die

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Frank Eckhardt, Otto von Bismarck, München 2015. ISBN 978-3-8445-1622-7; 1, 2 CDs, 128 Minuten, 9,99 Euro maßgeblich von ihm beförderte Gründung des Deutschen Reiches unter Vorherrschaft Preußens im Jahre 1871 war sein wohl größter politischer Erfolg. In den folgenden zwanzig Jahren galt sein Wirken der Stabilisierung des neuen Reiches im Konzert der Großmächte. Außenpolitisch schmiedete Bismarck zahlreiche Bündnisse, innenpolitisch bekämpfte er seine Gegner mit aller Kraft. Seine Entlassung durch den jungen Kaiser Wilhelm II. am 20. März 1890 bedeutete das Ende dieser überaus erfolgreichen Karriere. Die Legende des »Eisernen Kanzlers« Otto von Bismarck war geboren. Pünktlich zu seinem 200. Geburtstag am 1. April erschien nun ein Feature des Hessischen Rundfunks, das sich tiefgreifend mit der schillernden Persönlichkeit und dem politischen Wirken Bismarcks auseinandersetzt. Das Hörbuch überzeugt durch seine umfassende und abwechslungsreiche Darstellung Bismarcks und seiner Zeit. Es beschränkt sich nicht nur auf die Person des Reichskanzlers, sondern bringt dem Hörer auch die historischen Umstände und Ereignisse anschaulich näher. Ergänzt werden die erklärenden Passagen durch Zitate Bismarcks und durch Kommentare der renommier­ ten Historiker Katharine Lerman und Lothar Gall. Abgerundet wird das Hörbuch durch die Verwendung atmosphärisch passender Musik zur Einrahmung der Kapitel. Ein uneingeschränktes Hörvergnügen. Carsten Siegel

Audiowalks in Berlin

neue

www.gedenkstaette-koepenickerblutwoche.org/audiowalk

http://kudamm31.com/

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er Terror der NS-Schlägertrupps gegen jüdische Bürger und politi­ sche Gegner begann schon weit vor 1933. Gerade in der Hauptstadt Berlin eskalierte die Gewalt, angeführt von der SA, mitten im Zentrum. Am 12. September 1931, am jüdischen Neujahrstag, sammelten sich mehrere hundert SA-Männer an der Gedächtniskirche und begannen auf Passanten einzuprügeln, die ihrer Meinung nach Jüdinnen oder Juden waren. Sie stürmten Lokale und Geschäfte und verletzten zahlreiche Menschen. Fast zwei Jahre später, Ende Juni 1933, war die NSDAP bereits Regierungspartei und die Macht ihrer paramilitärischen Organisationen war gewachsen. Während der »Köpenicker Blutwoche« (siehe Militärgeschichte 2/2013, S. 10–13) folterten SAMänner Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden im Berliner Bezirk Köpenick. Mindestens 24 Menschen starben. Als sich ein junges SPD-Mitglied wehrte und drei Männer erschoss, eskalierte die Situation. Wer heute nach Berlin fährt und mehr über die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen in der Stadt er-

fahren möchte, kann zum Kurfürstendamm oder nach Köpenick fahren. Die Orte der Verbrechen sind noch immer vorhanden, aber ohne intensive Recherche kaum mehr zu lokalisieren. ­Diese Mühen haben sich junge Historikerinnen und Historiker aus Berlin gemacht: Am Kurfürstendamm und in Köpenick bringen sie die Geschichte zum Sprechen. Mittels sogenannter Hörblasen wird an den Schauplätzen des Terrors über die Geschichte der Orte informiert, Zeitzeugen und Angehörige erzählen von den Gewalttaten und den Opfern. Dazu werden die Geschehen in einen breiteren Rahmen eingeordnet. Für den Hörspaziergang wird die App »Radio Aporee« benötigt, die kostenlos für Apple- und Android-Smartphones heruntergeladen werden kann. Vor Ort müssen die Anwender/innen die Anwendung nur noch starten und loslaufen, die Hörblasen starten automatisch per GPS. Unter und können die Hörblasen auch ganz einfach von zu Hause angehört werden. Dort sind zudem weitere Informationen zu der genauen Lokalisierung der Audiowalks zu finden. fh

Kriegsgefangenschaft

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as Stammlager (Stalag) II B in Hammerstein/Pommern (poln. Czarne) diente seit 1940 als Lager für polnische, belgische und französische Kriegsgefangene. Einer von ihnen war René Tardi, französischer Panzersoldat, der im Mai 1940 in deutsche Gefangenschaft geriet und bis zur Räumung des Lagers Ende Januar 1945 dort verblieb. Als das Gebiet um das Lager mit dem Vorrücken der Roten Armee zum Kriegsgebiet wurde, evakuierte die Wehrmacht das Stalag und schickte die Gefangenen auf einen monatelangen Marsch gen Westen. Der französische Comicautor Jacques Tardi rekonstruiert aus den Aufzeichnungen seines Vaters René dessen Geschichte im Zweiten Weltkrieg. Der erste Teil, der von der Zeit als Soldat und seiner Kriegsgefangenschaft in Hinterpommern berichtet, erschien 2013 auf Deutsch (siehe Militärgeschichte 2/2014, S. 25). Der zweite Band

Jacques Tardi, Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag II B. Der lange Marsch durch Deutschland, Zürich: Edition Moderne 2014. ISBN 978-3-03731-136-3; 128 S., 32,00 Euro schließt unmittelbar daran an und zeichnet den Weg Renés von Hammerstein quer durch Nord- und Westdeutschland bis nach Valence nach, wo seine Verlobte Henriette auf ihn wartet. Vier Monate dauert es, bis er sie endlich in seine Arme schließen kann. Den deutschen Flüchtlingen begegnet René ohne Mitleid, ihr Schicksal ist ihm egal, besonders nachdem seine Kriegsgefangenenkolonne am Lager Bergen-Belsen vorübergekommen ist und Lagerinsassen auf Todesmärschen ihren Weg gekreuzt haben. Die Deutschen haben es seiner Meinung nach nicht anders verdient, dass sie nun beklaut und ausgebombt werden. Wie schon im ersten Teil begleitet der Junge seinen Vater imaginär, stellt Fragen, die selten beantwortet werden, und liefert Hintergrundinformationen über die Ereignisse während der letzten Kriegsmonate in Mitteleuropa. Die Kombination aus den subjektiv-zynischen Anmerkungen Renés und den recherchierten Ereignissen des Sohnes ergeben ein eindrückliches Gesamtbild. Dass sich zwischen den beiden dabei nur selten ein Dialog entspinnt, kann als Hinweis darauf gesehen werden, dass die Heimkehrer mit ihren Fami­lien daheim oder den Nachgeborenen wie Jacques (Jahrgang 1946) aufgrund ihrer unterschiedlichen Kriegserfahrungen nicht ins Gespräch über den Krieg kommen konnten. Das gilt auch für Vater und Sohn Tardi. fh

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Lesetipp

Spionage im Ersten Weltkrieg

Geschichte Kambodschas

Lusitania

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ls Heinrich Wandt 1920 sein Kriegstagebuch auszugsweise in der Presse abdrucken ließ, löste dies lautstarke Empörung in Armeekreisen aus. Das Reichswehrministerium leitete Untersuchungen ein. Bereits im Dezember 1920 wurde Wandt zu sechs Monaten Haft verurteilt; 1921 folgten ein weiterer Prozess und neuerliche Untersuchungshaft. 1923 wurde er erneut, jetzt sogar vor dem Reichsgericht, wegen Landesverrats angeklagt und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Auf Druck der belgischen Öffentlichkeit wurde er 1926 aus der Haft entlassen. Der Furor, mit dem die Reichswehr­ führung Wandt juristisch verfolgte, lag in der Brisanz seines Tagebuchs über die deutsche Besatzungsherrschaft von 1914 bis 1918 in Belgien und Nordfrank­ reich. Wandt nannte die beteiligten ­Offiziere bei vollem Namen, u.a. Prinz Udo zu Stollberg-Wernigerode-Uslar: »Prinz Udo machte die Offiziersbordelle unsicher. Dort ritt er seine schneidigen Reiterattacken […] sternhagelvoll [...] torkelte er in wenig fürstlicher Haltung aus der Brunststätte hinaus und ließ sämtliche streng geheimen Schriftstücke zurück […] Selbstverständlich war die Rote Titi nicht auf den Kopf gefallen. Sie hatte dafür gesorgt, dass der Inhalt der Geheimbefehle zur Kenntnis eines feindlichen Agenten gekommen war. Dem Prinzen ist nichts passiert. Hätte sich ein einfacher Mann eines solchen ›Vergessens‹ schuldig gemacht, wäre er auf den Sandhaufen gestellt worden.« Selbst »die Liebesgenüsse des Kronprinzen« wurden nicht verschwiegen. Diese detailreiche Dokumentation liest sich auch heute überaus spannend und gibt einen aufschlussreichen Einblick in Verbrechen von Teilen der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg. ks

Heinrich Wandt, Erotik und Spionage in der Etappe Gent. Hrsg. von Jörn Schütrump, Berlin 2014. ISBN 978-3320-02303-4; 365 S., 19,90 Euro

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as »Zeitalter der Extreme« hat in der Geschichte Kambodschas tiefe Narben hinterlassen. Im Schatten des Vietnamkriegs allen Seiten als rückwärtiges Operationsgebiet dienend, wurde Kambodscha auch vom Vietcong genutzt, was die USA zunehmend als Sicherheitsrisiko betrachteten. Unter strenger Geheimhaltung versuchten die USA daher, die Versorgungslinie der Guerillaorganisation Anfang der 1960er Jahre durch massive Bombardements zu unterbrechen, da Angriffe auf das offiziell neutrale Kambodscha geltendes Völkerrecht verletzten. Auch auf diesem »Nebenschauplatz« kamen berüchtigte Entlaubungsmittel wie

Bernd Stöver, ­Geschichte Kambodschas. Von Angkor bis zur Gegenwart, München 2015. ISBN 978-3406-67432-7; 268 S., 12,95 Euro

»Agent Orange« zum Einsatz. Mit Beginn des uneingeschränkten Luft- und Bodenkriegs am 18. März 1969 wurde Kambodscha vollends zum Angriffsziel. Die bis Mai 1970 andauernde »Operation Menu« hielten US-Präsident Richard Nixon und sein Sicherheitsberater Henry Kissinger selbst vor hohen Befehlshabern geheim. Die militärisch sinnlose Offensive führte zu einer horrenden Zahl ziviler Opfer. Trotz massiver öffentlicher Proteste und demonstrativer Rücktritte von Mitarbeitern Kissingers flogen die B-52-Bomber Tag und Nacht Luftangriffe. Der zerstörerische Höhepunkt war 1973 erreicht. Den Roten Khmer, denen die zu Waisen gewordenen Kinder und Jugendlichen zuhauf zuliefen, waren Tür und Tor geöffnet. Dieses und weitere Kapitel der wechselvollen Geschichte Kambodschas lässt Bernd Stöver den Leser nacherleben: von den Anfängen des Landes im 2. Jahrhundert über die Zeit der französischen Kolonialherrschaft bis hin zu seiner »Wiederentdeckung durch die Welt« seit 1999. Stefan Kahlau

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m 7. Mai 1915 um 13.20 Uhr entdeckte das deutsche U-Boot »U 20« unter Kapitänleutnant Walther Schwieger vor der südirischen Küste den britischen Passagierdampfer »Lusitania«. Das luxuriöse Schiff war auf dem Weg von New York nach Liverpool. An Bord befanden sich fast 2000 Personen, darunter viele Angehörige der angelsächsischen High Society. Die »Lusitania« war das einzig verbliebene Passagierschiff auf der Nordatlantikroute. Alle anderen befanden sich im Kriegseinsatz. Den deutschen U-BootKommandanten war sie ein Dorn im Auge, da sie sich über den Kriegszustand hinwegzusetzen schien. Nach der Order zur Verschärfung des UBoot-Krieges vom 13. Februar 1915 war die Jagd auf den Passagierdampfer eröffnet. Auf ihrer 17. Fahrt während des Krieges traf der Dampfer auf »U 20«. Schwieger ließ einen Torpedo abfeuern und traf den Kohlenbunker. Die Lusitania explodierte und sank binnen 18 Minuten. Unter den 1198 Toten waren etliche Kinder und Säuglinge. Willi Jasper sieht den kaltblütigen Abschuss eines unbewaffneten Passagierschiffs im Zusammenhang mit dem Beginn des Gaskrieges in Flandern und dem Völkermord an den Armeniern in Anatolien. Im Frühjahr 1915 entgrenzte der Krieg und eröffnete das Zeitalter der totalitären Gewalt, das erst 1945 enden sollte. Um diese These zu untermauern, untersucht Jasper die Reaktio­ nen auf den Untergang der »Lusitania« in der deutschsprachigen Kulturwelt und die Empörung auf der anderen Seite, die sich fortan nur intensiver der Bekämpfung der deutschen Barbarei widmen wollte. Das Buch geht weit über die Geschichte der »Lusitania« ­hinaus und führt gewinnbringend in die Geisteswelt der Kriegsintellektuellen ein. fh

Willi Jasper, Lusitania. Kulturgeschichte einer Katastrophe, Berlin 2015. ISBN 978-389809-112-1; 208 S., 19,95 Euro

Friedenskunst

Feindbilder

Churchill

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riegerdenkmale und Bücher über Kriege gibt es in großer Zahl. Beim Thema Frieden wird es rarer. Ausnahmen von dieser Regel sind unter anderem der Friedensengel in München und das hier anzuzeigende Buch von Stephan Elbern. Darin werden nicht weniger als 59 Friedensverträge bzw. Friedensschlüsse analysiert, die sieben Epochen zugeordnet sind: Alter O ­ rient, Klassisches Altertum, Mittelalter, Zeitalter der Reformation, Barock und Aufklärung, 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert. Der Autor spannt dabei den Bogen von Ägypten über die Welt und wieder zurück nach Ägypten. Am Anfang steht das erste bekannte Friedens-

Stephan Elbern, Frieden Eine verlorene Kunst. Von Kadesch bis Camp David, Mainz 2014. ISBN 978-3943904-39-0, 199 S., 24,90 €

abkommen der Geschichte zwischen Pharao Ramses II. und den Hethitern nach der Schlacht bei Kadesch im Jahre 1284 v.Chr. Am Ende des Bandes wird das Abkommen von Camp D ­ avid zwischen Israel und Ägypten von 1978 behan­delt. Natürlich sind der Westfälische Friede (1648), der Friede zu Hubertusburg (1763), der Wiener Kongress (1814/15), der Frieden von Frankfurt (1871), von Brest-­Litowsk (1918) und von Versailles (1919) mit dabei. Die einzelnen Konfliktparteien, die Kriege, die Friedensbestimmungen und ihre Wirkungsgeschichte werden zu jedem der 59 Frieden vorgestellt. Bezeichnend für das 20. Jahrhundert ist, dass weder der Zweite Weltkrieg noch der Koreakrieg mit einem formalen Friedensschluss endeten, sondern mit Kapitulation und Waffenstillstand. Nicht zuletzt deshalb spricht der Autor von einer verlorenen Kunst, und es gilt das Wort von Franz Grillparzer: »Der Weg der neueren Menschheit geht / von Humanität durch Natio­nalität zur Bestialität« – religiöser Fanatismus und Ideologie müssen im 21. Jahrhundert leider hinzugefügt werden. hp

ie nationalsozialistisch war die Deutsche Wehrmacht? Die neuere Forschung stellte fest, dass es nur zum Teil die NS-Ideologie war, die »normale« Menschen brutal handeln ließ. Es kam viel eher auf die Prägung innerhalb des Militärs, auf das Verhalten der Gruppe und ganz besonders auf die jeweilige Situation an. Michaela Kipp griff diese Überlegungen auf und stellte die Frage anders herum: Wie prägten Alltagsvorstellungen das brutale Handeln? Sie kam dabei auf »deutsche« Bilder von Ordnung, Sauberkeit und Hygiene. Die Autorin untersuchte Feldpostbriefe hinsichtlich der Verwendung der genannten drei Bilder und erstellte daraus Freund- und Feindbilder: Die Sauberkeits- und Ordnungsdiskurse in Feldpostbriefen aus dem Osteinsatz, die Radikalisierung des Sagbaren im Nationalsozialismus und die Radikalisierung des Machbaren am Einsatzort. Wenn Ordnung und Sauberkeit als deutsche Eigenschaften u.a. im Nationalsozialismus hochstilisiert wurden, dann wurde logischerweise der Gegner im Osten mit den gegenteiligen Begriffen versehen: Schmutz, Dreck, Unordnung und Chaos. Als Maßnahmen griffen: Aufräumen, Reinemachen, Ungeziefer und damit auch den Gegner beseitigen sowie Ordnung stiften bzw. schaffen. Diese Begriffe und die damit verbundenen Gedanken fanden sich sowohl in den Feldpostbriefen, die Soldaten nach Hause schickten, als auch in der Post, die sie von daheim erhielten. Briefe aber waren nicht nur privat, mit ihnen wurde in Flugblättern und Frontzeitschriften Propaganda betrieben. Kipp kommt in dem ungewöhnlichen Buch zu dem Ergebnis, dass der Reinlichkeitsdiskurs funktionaler Bestandteil der Kriegführungsmaschinerie war. hp

Michaela Kipp, »Grossreinemachen im Osten«. Feindbilder in deutschen Feldpostbriefen im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt a.M., New York 2014. ISBN 9783-593-50095-9; 493 S., 45,00 Euro

inston Churchills Leben bewegte sich zwischen den Polen Kämpfen, Schreiben und Politik. Er konnte in persönlicher Gefahr todesmutig sein: als junger Leutnant bei der Schlacht von Omdurman im Sudan (1898), als Kriegsberichterstatter im Zweiten Buren­krieg. Nur mit Mühe konnten die alliierten Militärs den Premierminister davon abbringen, mit der ersten Welle der Invasion am 6. Juni 1944 in der Normandie an Land zu gehen. Mit 25 Jahren wird Churchill ins Unterhaus gewählt, dem er von 1900 mit kurzer Unterbrechung bis 1964 angehört. Im Ersten Weltkrieg Marinemi­ nister, muss er nach der gescheiterten

Thomas Kielinger, Winston Churchill. Der späte Held. Eine Biographie, München 2014. ISBN 9783-406-66889-0; 400 S., EUR 24,95

alliierten Landung in den Dardanellen zurücktreten und verschwindet nach 1929 weitgehend in der politischen Versenkung. Schon früh sieht er, dass Hitler auf einen neuen Weltkrieg hinsteuert, und schärfer als jeder andere geißelt er die britische AppeasementPolitik. Als sich abzeichnet, dass der Krieg unausweichlich wird, wird aus Churchill der Mann der Stunde. Am 8. Mai 1945 jubeln ihm die Londoner enthusiastisch zu; im Herbst, bei den von ihm selbst angesetzten Wahlen, lassen sie ihn fallen. 1951 wird er erneut Regierungschef, aber jetzt setzen ihm sein Alter und seine Gesundheit Grenzen: 1955 muss er zurücktreten. Thomas Kielinger fasst geschickt die Forschungsliteratur zusammen und stützt sich zugleich auf Churchills eigenes literarisches Œuvre. Sein Buch widmet den langen Jahren der politischen Lernprozesse Churchills große Aufmerksamkeit. So entsteht das Bild des vielseitigen, manchmal schwierigen, immer wortgewaltigen Mannes, dem der historische Moment am Ende doch seine Rolle zuweist: eben die des »späten Helden«. Winfried Heinemann

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Die historische Quelle

Militärhistorisches Archiv Prag

Auschwitz − Ausbau für die Kriegswirtschaft

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Militärhistorisches Archiv Prag. Foto Gabriele Senft, Berlin

uschwitz − das ist von Juni 1940 bis Januar 1945 einer der Orte der Unterdrückung des polnischen Widerstands, der Folter und Hinrichtung von Männern und Frauen, die sich gegen die deutsche Besetzung des Landes zur Wehr setzten. Auschwitz ist 1941/42 auch ein Ort des Massenmords an sowjetischen Kriegsgefangenen und 1943/44 Ort der Vernichtung der zumeist deutschen, österreichischen und tschechischen Sinti und Roma. Und Auschwitz ist der Ort, an den aus dem deutschen Machtbereich ab März 1942 über eine Million Juden deportiert wurden, von denen die SS bis Oktober 1944 die meisten, mehr als 900 000, vom Säugling bis zum Greis, binnen Stunden nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordete. Das Dokument aus dem Militärarchiv in Prag illustriert den Funktionswandel des Lagers im zweiten Halbjahr 1942: Im Februar 1941 hatte die SS der IG Farben, die im Osten der polnischen Stadt Oświęcim ein gigantisches

Kunststoffwerk errichtete, 10 000 KZ-Arbeiter für die Werkbaustellen zugesagt. Der Chemiekonzern revanchierte sich mit der Bereitstellung von Bezugsrechten für kontingentiertes Baumaterial, um der SS den Ausbau und die Erweiterung des Stammlagers Auschwitz zu ermöglichen. Das zweite Auschwitzer Lager in Birkenau sollte nach Maßgabe des Reichsführers-SS Heinrich Himmler vom 1. März 1941 als Kriegsgefangenenlager der WaffenSS für den bevorstehenden Überfall auf die Sowjetunion errichtet werden. Der erst im Oktober 1941 begonnene Aufbau des Lagers kam jedoch bereits im Laufe des ers­ ten Halbjahres 1942 zum Stillstand: Die SS richtete Tausende Gefangene bei Erdarbeiten in dem versumpf­ten Gelände zugrunde; aus Abbruchmaterial bauten Gefan­ gene die dreißig Steinbaracken im ersten Lagerabschnitt; ansonsten wurden als Unterkünfte nur die vom Oberkommando des Heeres bewilligten, für 52 Pferde ausge-

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legten Holzbaracken aufgestellt, in die zwischen 500 und 1000 Menschen gepfercht werden sollten. Ein Einsatz von Baufirmen mit Facharbeitern und Maschinen jedoch war ausgeschlossen; kontingentiertes Baumaterial − Holz, Steine, Zement und Eisen − fehlte, eine Folge später Anmeldung, mehrfacher Umplanung und mangelnder Kriegswichtigkeit des Bauvorhabens. Nur weil Rüs­ tungsminister Albert Speer das Bauvorhaben der SS für eigene Zwecke vereinnahmte und als Umschlagplatz für Zehn- und dann Hunderttausende von Arbeitssklaven in den Dienst der Kriegswirtschaft stellte, konnte die SS das Lager überhaupt weiter ausbauen. Mitte September 1942 bewilligte der Rüs­tungsminister der SS ein zusätzliches Bauvolumen in Höhe von 13,76 Millionen Reichsmark für das »Sonderprogramm Prof. Speer«. Im Lageplan vom 6. Oktober 1942 (im Original 1,30  x  1  m, im Bild ein Ausschnitt) rot markiert sind die eingezäunten neuen Anlagen: zwei spiegelbildlich gleiche Krematorien mit unterirdischen Gaskammern am Ende der Eisenbahnrampe (links), der Lagerabschnitt mit dreißig Baracken zur Sortierung der den Deportierten geraubten Habe, zwei weiteren Krematorien mit Gas­kam­mer­anbauten und dem »Zentrale Sauna« genannten Aufnahmegebäude (Mitte), durch das die SS die zur Sklavenarbeit selektierten Deportierten schleuste. Der Plan zeigt einen neuen Kommandanturbereich am gegenüberliegenden Ende der künftigen Hauptlagerstraße; das jenseits dieser rot markierte Barackenlager wurde nur noch teilweise aufgebaut. Ab Sommer 1944 − das bei Lublin liegende Vernichtungslager Majdanek hatte die Rote Armee am 24. Juli befreit − beeilte sich die SS, die als Arbeitssklaven an der Rampe selektierten ungarischen und polnischen Juden in industrielle KZ-Außenlager im Reichsinnern zu transferieren. Darunter befanden sich Großbunkerbaustellen, wie die für die Flugzeugmontage von Messer­ schmidt, Focke-Wulf und Dornier in Landsberg am Lech, einem heutigen Bundeswehr-Standort. Susanne Willems Literaturtipp Susanne Willems, Auschwitz. Die Geschichte des Vernichtungslagers. Mit Fotos von Frank und Fritz Schumann, Berlin 2015.

Geschichte kompakt

9. September 1965

26. September 1980

Erster Leopard-Panzer der Bundeswehr

Die Oktoberfestbombe

I

BArch B 145 Bild-F027414-0004/Berretty

m Rahmen der Wiederbewaffnung bezog die junge Bundeswehr ihr erstes Wehrmaterial von den verbündeten NATO-Staaten, allen voran den USA. Ende der 1950er Jahre gab es Überlegungen, die westdeutsche Rüstungsproduktion zu stärken und eigene Waffensysteme herzustellen. In der Folge wurde 1957 begonnen, gemeinsam mit Frankreich einen neuen Kampfpanzer mittleren Typs zu entwickeln. Als Grundlage diente ein Anforderungskatalog der NATO und des Führungsstabes des Heeres, der die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges berücksichtigte und u.a. eine hohe operative Beweglichkeit sowie eine effektive Mischung aus Panzerung und Feuerkraft vorgab. An der Entwicklung der ersten Prototypen waren mehrere deutsche Unternehmen beteiligt, etwa die Porsche KG und Rhein­ metall, die bis 1963 die Entwicklungsarbeiten abgeschlossen hatten, sodass das bis dahin als »Standardpanzer« bezeichnete Projekt nun der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Zeitgleich liefen intensive Erprobungsversuche an Wehrtechnischen Dienststellen der Bundeswehr sowie an der Panzertruppenschule Munster. Da Frankreich wegen Finanzierungsproblemen aus dem Projekt ausschied, erhielt der Panzer 1963 einen deutschen Namen: Der »Leopard« wurde damit zum ersten nach 1945 in Deutschland serienmäßig hergestellten Kampfpanzer, der in der Truppe den bis dahin eingesetzten, jedoch veralteten amerikanischen M 47 ersetzen sollte. Der Bundestag stellte 1,5 Mrd. DM für den Kauf von 1500 Stück des neuen Modells zur Verfügung. Daraufhin fand bei Krauss-Maffei in München, dem Hauptproduzententen, am 9. September 1965 durch Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) die offizielle Übergabe des ersten Serienmodells an die 4. Kompanie des Panzerlehrbataillons 93 statt. 1976 umfasste der Gesamtbestand der Bundeswehr bereits knapp 2500 Leopard 1. In den folgenden Jahren wurde der Kampfpanzer Leopard 1 kontinuierlich weiterentwickelt und systematischen Kampfwertsteigerungen unterzogen. Weiterentwicklungspotenzial und der allgemein hohe Qualitätsstandard führten dazu, dass der Panzer als Basis für zahlreiche weitere Kettenfahrzeuge diente (z.B. Brückenlege-, Flak-, Bergeoder Pionierpanzer) und auch international als Exportprodukt sehr angesehen war. Bis zum Produktionsende 2003 wurden insgesamt 4700 Exemplare des Leopard 1 gefertigt, die in neun Ländern auf fünf Kontinenten eingesetzt wurden oder sich nach wie vor im aktiven Dienst befinden.

D

3Kampfpanzer L­ eopard auf dem

ie Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 11. Dezember 2014 zur Wiederaufnahme der Ermittlungen in Sachen »Oktoberfestbombe« war eine kleine Sensation. Am Abend des 26. September 1980, also ganze 34 Jahre zuvor, explodierte am Ausgang des Münchner Oktoberfestes eine Bombe und forderte 13 Tote, darunter drei Kinder, und mehr als 200 zum Teil schwer Verletzte. Als Täter wurde schnell der 21-jährige Gundolf Köhler identifiziert, auch er starb bei der Explosion. Nach seiner Dienstzeit als Zeitsoldat in Immendingen hatte Köhler Geologie studiert. Aber schon schon als Jugendlicher besaß er Kontakte zu rechtsradikalen Gruppen, später unterhielt er enge Verbindungen zur »Wehrsportgruppe Hoffmann«. Die Ermitt­ler legten sich schnell fest: Köhler sei Einzeltäter gewesen; es gebe keine weiteren Beteiligten und keine Hintermänner. Ein rechtsterrorisischer Hintergrund sei ausgeschlossen. Bereits 1982 stellte Generalbundesanwalt Kurt Rebmann das Ermittlungsverfahren ein. 1997 wurde die beim Generalbundesanwalt verwahrten Asservate vernichtet, obwohl Mord bekanntlich nie verjährt. Schon damals gab es erhebliche Zweifel an der Einzeltäterthese. Der Journalist Ulrich Chaussy sowie der Hinterbliebenen- und Opferanwalt Werner Dietrich kämpften hartnäckig und mutig gegen alle Widerstände, ermittelten auf eigene Faust, fanden neue Zeugen. Ihnen ist die Wiederaufnahme der Ermittlungen zu verdanken. Die nach ihrer Überzeugung einseitig geführten Ermittlungen in den 1980er Jahren waren auch mehrfach Thema im Deutschen Bundestag. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stellten in den vergangenen Jahren Dutzende parlamentarischer Anfragen zum Thema. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken im September 2014 teilte die Bundesregierung u.a. mit, dass vor dem Hintergrund rechtsterroristischer Ereignisse des Jahres 1980 im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz »erstmals ein Referat eingerichtet« worden sei, dass »rechtsexremistischen Terrorismus« beobachten sollte (Bundestagsdrucksache 18/2544, S.2). Damals ­jedoch war gegenüber der Öffentlichkeit jeder rechtsterroris­ tische Hintergrund des Anschlags verneint worden. Im November 2014 verlangten die Grünen auch Auskunft über VLeute des Verfassungsschutzes im Umfeld des Bombenanschlags. Die Bundesregierung teilte daraufhin mit, dass »die Informationen der angefragten Art so sensibel [seien], dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Unständen hingenommen werden kann« (Bundestagsdrucksache 18/3117, S. 12). Im April 2015 kündigten die Grünen an, vor dem Bundesverfassungsgericht auf Herausgabe aller Informationen zum Oktoberfestanschlag zu klagen, v.a. im Hinblick auf V-Leute deutscher Geheimdienste im Umfeld des Anschlags. Laut Medienberichten, u.a. in Zeit-online vom 4. Januar 2015, hat auch der Generalbundesanwalt die Herausgabe bislang zurückgehaltener Akten verlangt.

Truppenübungsplatz Munster­ lager, Lüneburger Heide, 1965.

ks

Tobias Gräf

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• Berlin 1945 – Niederlage. ­Befreiung. Neuanfang. Zwölf Länder Europas nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft 24. April bis 25. Oktober 2015 sowie Homosexualität_en 26. Juni bis 1. Dezember 2015 Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2 10117 Berlin Tel.: 0 30 / 20 30 40 www.dhm.de täglich 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt: 8,00 Euro (unter 18 Jahren Eintritt frei) 1914–1918: Falkenstein zieht in den Krieg. Perspektiven auf den Weltenbrand Militärhistorisches ­Museum Flugplatz Berlin-Gatow Am Flugplatz Gatow 33 14089 Berlin Tel.: 0 30 / 36 87 26 91 www.mhm-gatow.de Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt frei

• Dresden »Die Flotte schläft im Hafen ein« – Kriegsalltag 1914/1918 in Matrosentage­ büchern Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Olbrichtplatz 2 01099 Dresden Tel.: 03 51 / 82 32 85 1 www.mhmbw.de 26. Juni bis vorauss. Oktober 2015 Montag 10.00 bis 21.00 Uhr Donnerstag bis Dienstag 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt: 5,00 Euro

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Ausstellungen

ermäßigt: 3,00 Euro (für Bundeswehr­Angehörige Eintritt frei)

• Friedrichshafen Zeppelin Museum Seestraße 22 88045 Friedrichshafen Tel.: 07541 / 3801-0 www.zeppelin-museum.de Dauerausstellung täglich 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr

• Ingolstadt Die Alpen im Krieg – Krieg in den Alpen. Die Anfänge der deutschen Gebirgstruppe 1915 bis 27. September 2015 Napoleon und Bayern Bayerisches Armee­ museum Ingolstadt Neues Schloss 85049 Ingolstadt Tel.: 08 41 / 88 14 94 0 www.armeemuseum.de bis 31. Oktober 2015 täglich 9.00 bis 18.00 Uhr

• Frankfurt a.M. Struwwelpeter wird Soldat. Der Erste Weltkrieg im Kinderzimmer Struwwelpeter-Museum Schubertstr. 20 60325 Frankfurt a.M. Tel.: 0 69 / 74 79 69 www.struwwelpeter­museum.de bis 20. September 2015 Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr Eintritt: 4,00 Euro ermäßigt: 2,00 Euro

• Ludwigsburg »Gerüstet für den Krieg – vorbereitet auf den Frieden« 24. Mai 2015 bis 31. Januar 2016

sowie Attentat auf Hitler – Stauffenberg und mehr 12. Juli bis 13. September 2015 Garnisonmuseum Ludwigsburg Asperger Str. 52 71634 Ludwigsburg Tel.: 07 11 / 25 73 416 www.garnisonmuseumludwigsburg.de Mittwoch 15.00 bis 18.00 Uhr, Sonntag 13.00 bis 17.00 Uhr

• Meersburg Zeppelinmuseum Schlossplatz 8 88709 Meersburg Tel.: 07 53 2 / 79 09 www.zeppelinmuseum.eu Dauerausstellung täglich  10.00 Uhr bis 18.00 Uhr

• Neu-Isenburg

Heft 3/2015

Service

Militärgeschichte Zeitschrift für historische Bildung

 Vorschau Im nächsten Heft untersucht Rudolf J. Schlaffer die Führungsphilosophie der Bundeswehr im Verlauf der vergan­genen 60 Jahre. Er fragt, inwiefern die »Innere Führung« Veränderungen unterliegt und wie das Leitbild des »Staatsbürgers in Uniform« heute noch umgesetzt wird. Ein besonderes Augenmerk legt er hierbei auf die zahlreichen Einsätze der Bundeswehr im Ausland und deren Auswirkungen auf das soldatische Grundverständnis. Ulrich van der Heyden widmet sich

Zeppelinmuseum Kapitän-Lehmann-Str. 2 63263 Neu-Isenburg / Zeppelinheim Tel.: 0 69 / 69 59 59 78 www.zeppelin-­museumzeppelinheim.de Dauerausstellung Freitag 14.00 bis 17.00 Uhr Samstag, Sonntag, Feiertag 11.00 bis 17.00 Uhr

dem Thema der ungesühnten Kriegs-

• Wustrau

schah dies bei Beschuldigten aus

Bismarck 200 – von Water­loo bis ­Friedrichsruh Brandenburg-Preußen Museum Eichenallee 7a 16818 Wustrau Tel.: 03 39 25 / 7 07 98 www.brandenburg-­ preussen-museum.de 26. April bis 22. November 2015 täglich (außer Montag) 10.00 bis 18.00 Uhr

dem Ersten Weltkrieg nicht.

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verbrechen im Ersten Weltkrieg am Beispiel des deutschen U-Boot-Kommandanten Helmuth Patzig und ­seines Befehls, Überlebende eines versenkten Hospitalschiffes zu erschießen. Im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg, wo Kriegsverbrecher vor alliierte Gerichte gestellt wurden, ge-

Das Bismarckbild hat sich in den letzten 100 Jahren stetig verändert. Doch wie wurde und wie wird der Reichskanzler in der Bundeswehr rezipiert? Dieser interessanten Frage geht Christoph Nübel nach. aau, jm

Militärgeschichte im Bild

»Zeppelin kommt!«

5Propagandapostkarte, ca. 1915. Kinder und Kriegsspielzeug waren ein beliebtes Motiv für Bildpostkarten dieser Art.

Hilf uns im Krieg / Fliege nach Engeland / Engeland wird abgebrannt / Zeppelin, flieg«. Ein sehr verbreitetes Mittel zur Stärkung der Moral an der Heimatfront waren in großen Auflagen produzierte patriotisch-propagandis­ tische Postkarten. Auf der Postkarte mit der Überschrift »Zeppelin kommt!« wird der 1915 von deutscher Seite eingeleitete strategische Luftkrieg auf London oder den »Kriegshafen von England« zum Kinderspiel. Die Propaganda-Postkarte macht durch die Kinder, die etwa unter Regenschirmen oder Stühlen Schutz suchen und furchtsam auf den über ihnen hängenden Miniatur-Zeppelin schauen, allerdings recht gut deutlich, um was es bei den BArch, Bild 134-B3216

m frühen Morgen des 31. Mai 1915 begann mit dem ersten Bombenangriff eines deutschen Luftschiffs auf die britische Hauptstadt London eine neue Ära der Kriegführung: der strategische Luftkrieg. Ermöglicht wurde dieses Übergreifen des Krieges auf weit hinter der Front liegende Städte durch die Konstruktionen des Luftfahrtpioniers Ferdinand Graf von Zeppelin. Am 2. Juli 1900 hatte Graf von Zeppelin die erste Fahrt mit einem von ihm gebauten Luftschiff unternommen. Die militärische Führung des Deutschen Reiches und besonders Kaiser Wilhelm II. zeigten sich sehr interessiert an dem neuartigen Luftfahrzeug. 1908 wurde das dritte von Graf Zeppelin produzierte Luftschiff als »Z 1« für den Betrag von zwei Millionen Mark von der preußischen Armee angekauft. Das Luftschiff besaß in der Frühphase der Fliegerei deutliche Vorteile gegenüber dem Flugzeug. Bei gleicher Geschwindigkeit konnten Luftschiffe deutlich höher steigen, weiter fahren, mehr Nutzlast mitführen und vor allen Dingen viel länger in der Luft bleiben. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges verfügte das Deutsche Reich über sieben Luftschiffe des Typs Zeppelin. Die Besatzung der Zeppeline bestand aus je 20 Mann, die unter anderem die bis zu vier Bord-MGs bedienten, Bomben abwarfen und Aufklärung betrieben. Die Erfolge dieses noch neuen Kriegsmittels fanden ihren Niederschlag auch in der patriotischen Propaganda während des Ersten Weltkrieges. So sangen deutsche Schulkinder: »Zeppelin, flieg /

pa/Mary Evans Picture Library

A

3Zeppelin L 14 (Werk-Nr. LZ 46), erfolgreichstes deutsches Marineluftschiff mit 42 Aufklärungsfahrten und 17 Angriffsfahrten gegen England, dabei Abwurf von 22 045 kg Bomben.

deutschen Bombardements britischer Städte im Zeitraum 1915 bis 1917 eigentlich ging. Denn bei den nächtlichen Angriffen auf Großbritannien waren nicht so sehr die tatsächlichen Zerstörungen von Bedeutung, sondern die erhebliche moralische und demotivierende Wirkung auf gegnerische Soldaten und die Bevölkerung sowie die Bindung von Kräften durch die immer effektivere Luftverteidigung. Von den 123 Luftschiffen, die während des Ersten Weltkrieges auf deutscher Seite zum Einsatz kamen, verloren Heer und Marine 79, davon 40 durch Feindeinwirkung. Denn neben der zunehmend wirkungsvolleren gegnerischen Luftabwehr führten eine Vielzahl von Unfällen zum Verlust der Luftfahrzeuge, da insbesondere die Befüllung der aus zelloniertem Baumwollstoff bestehenden Umhüllung mit Wasserstoffgas, das Aushallen, sowie der Start und die Landung bei schwierigen Wetterverhältnissen oder Dunkelheit erhebliche Risiken aufwiesen. Im Ersten Weltkrieg fielen 450 Angehörige der deutschen Luftschiffeinheiten. Die hohen Verluste führten schließlich dazu, dass 1917 die Heeresluftschifffahrt eingestellt wurde, die Marineluftschiffe operierten noch bis zum Kriegsende 1918. Christian Senne

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Neue Publikationen des ZMSBw

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Matthias Rogg, Kompass Militärgeschichte. Ein historischer Überblick für Einsteiger. Jahresabonnement: 14,00 Euro inkl. MwSt. Hrsg. vom ZMSBw, Freiburg i.Br., Berlin, Wien: Rombach 2013, X, 384 S., 19,80 Euro und Versandkosten (innerhalb Deutschlands, ISBN 978-3-7930-9732-7 Wie Napoleon nach Waterloo Auslandsabonnementpreise auf Anfrage) kam. Eine kleine Geschichte der Kündigungsfrist: 6 Wochen zum Ende des Befreiungskriege 1813 bis 1815. Bezugszeitraumes. Im Auftrag des ZMSBw, Potsdam, und in Zusammenarbeit mit dem Kontakt zum Bezug der Zeitschrift: Napoleonmuseum Thurgau hrsg. von Eberhard Birk, Thorsten Loch Zentrum für Militärgeschichte und und Peter Popp, Freiburg i.Br. u.a.: Sozialwissenschaften der Bundeswehr Rombach 2015; VIII, 340 S.; z.Hd. Frau Christine Mauersberger 24,80 Euro Postfach 60 11 22, 14471 Potsdam ISBN 978-3-7930-9802-7 Tel.: 0331/9714 599, Fax: 0331/9714 509 Die Garnisonkirche Potsdam. Zwischen Mythos und Erinnerung. Im Auftrag des Mail: [email protected] ZMSBw hrsg. von Michael Epkenhans und Carmen Winkel, Freiburg i.Br., Berlin, Wien: Rombach 2013, 120 S., 10 Euro Die Betreuung des Abonnements erfolgt ISBN 978-3-7930-9729-7 über die Firma SKN Druck und Verlag, Stellmacher Straße 14, 26506 Norden, die sich mit den Interessenten in Verbindung setzen wird.

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»Vom Einsatz her denken!« Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit Beiträgen von Donald Abenheim, Eberhard Birk, Bernhard Militärisch-IndustriellerChiari, Komplex? Antje Dierking, Axel F. Gablik, Winfried Heinemann, Hans-Hubertus Mack und Rüs­tung in Europa und Nordamerika Peter Andreas Popp. Im Auftrag des ZMSBw hrsg. von Dieter H. Kollmer, Potsdam: nach dem ZweitenZMSBw Weltkrieg. 2013, 107 S. (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 22), 9,80 Euro Mit Beiträgen von Torsten ISBNDiedrich, 978-3-941571-26-6 ­Bastian Giegerich, Holger H. Herwig, ­Dieter H. Kollmer, John Louth, Søren Nørby, Erwin A. Schmidl, Florian Seiller, Niklas Stenlås, Matthias Uhl und ­Christoph Wyniger. Im Auftrag des ZMSBw hrsg. von Dieter H. Kollmer, ­Freiburg i.Br.: ­Rombach 2015; VIII, 312 S.; 24,80 Euro Piraterie in der Geschichte. Mit Beiträgen von Robert Bohn, Martin Hofbauer, Teresa ISBN 978-3-7930-9808-9 Modler, Gorch Pieken und Martin Rink. Im Auftrag der Deutschen Kommission für Militärgeschichte sowie des ZMSBw hrsg. von Martin Hofbauer, Potsdam: ZMSBw 2013, V, 85 S. (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 21), 9,80 Euro ISBN 978-3-941571-25-9

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