Presserat und Pressekodex

January 20, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Schreiben, Journalismus
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Presserat und Pressekodex Kurs: Kolloquium zum MedienkompetenzZertifikat Lehrender: Felix Pfeiffer Referentinnen: Irina Agranovski, Verena Zimmermann

Überblick: Der Deutsche Presserat: • • •

Gründung und Hintergrund Organisation Aufgaben und Ziele

Der Pressekodex: • •

Aufbau und Inhalt Die 16 Ziffern

Beschwerden und Konsequenzen bei Verstoß gegen den Pressekodex: • • • • •

Beschwerden Sanktionsmaßnahmen Rügenabdruck: Theorie und Realität Statistik über die Rügen Fallbeispiele

Kritik an Presserat und –kodex: •

Zahnloser Tiger?

Weitere Regeln für journalistisches Arbeiten: •

Regeln des Netzwerk Recherche, praktische Regeln und eigene Überlegungen

- Presserat Gründung und Hintergrund: • 20. November 1956: fünf Zeitungsverleger und fünf Journalisten gründen den Deutschen Presserat als freiwillige Instanz der publizistischen Selbstkontrolle. Ein Jahr später tritt der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger dem Selbstkontrollorgan bei. • Vorbild ist der 1953 gegründete British Press Council • Reaktion auf die geplante Einführung eines Bundespressegesetzes • Angst vor staatlichen Zensurinstanzen (NSVergangenheit) • 12. Dezember 1973: Pressekodex wird Bundespräsident Gustav W. Heinemann überreicht

Organisation:

Aufgaben und Ziele: • Eintreten für die Pressefreiheit • Eintreten für den unbehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen • Beseitigung von Missständen im Pressewesen • Wahrung des Ansehens der deutschen Presse • Selbstregulierung des Redaktionsdatenschutzes • Ansprechpartner für Leser, Journalisten und Verleger • Selbstkontrolle der Medien: Pressekodex und Beschwerden Sanktionen für Verstöße gegen den Pressekodex

Der Pressekodex: • Der Deutsche Presserat hat seine publizistischen Grundsätze als „Pressekodex“ ausgearbeitet => es ist eine Art Ehrenkodex für Medienvertreter • Der Pressekodex ist das ethische Regelwerk für die journalistische Arbeit • Es enthält klare Regeln für eine verantwortungsvolle Berichterstattung und ein angemessenes journalistisches Verhalten • Hierzu gehören vor allem die Regeln zur Achtung der Wahrheit, zur Sorgfaltspflicht bei der Recherche sowie zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte

Aufbau und Inhalt: • Am Anfang des Pressecodex steht die Präambel  sie ist Bestandteil der ethischen Normen • Der Pressecodex enthält 16 Ziffern  sie legen die Maßstäbe für die Berichterstattung und das journalistische Verhalten fest • + ergänzende Richtlinien  bieten praktische Hilfen, um in der redaktionellen Praxis auftretende Fragen zu beurteilen

Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde Oberste Gebote der Presse sind: • • • •

die Wahrheit zu achten die Menschenwürde zu bewahren wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit  Jede in der Presse tätige Person muss das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien wahren. • 3 Richtlinien zu: Exklusivverträgen, Wahlkampfberichterstattung und Pressemitteilungen

Ziffer 2 – Sorgfalt • Alle Informationen sind sorgfältig auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben • Denn: Recherche ist das unverzichtbare Instrument der journalistischen Sorgfalt! • Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. • Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen • 6 Richtlinien zu: Umfrageergebnissen, Symbolfotos, Vorausberichten, Interviews, Grafischen Darstellungen, Leserbriefen.

Ziffer 3 - Richtigstellung • Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen (insbesondere personenbezogener Art) die sich nachträglich als falsch erweisen, müssen vom Publikationsorgan richtig gestellt werden • 2 Richtlinien zu den Anforderungen und der Dokumentierung

Ziffer 4 – Grenzen der Recherche • Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden • 3 Richtlinien zu: Grundsätze der Recherchen, Recherche bei schutzbedürftigen Personen, Sperrung oder Löschung personenbezogener Daten

Ziffer 5 – Berufsgeheimnis • Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis • Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren • 3 Richtlinien zu: Vertraulichkeit, Nachrichtendienstliche Tätigkeiten, Datenübermittlung

Ziffer 6 – Trennung von Tätigkeiten • Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten • Eine Richtlinie zu: Doppelfunktionen

Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion • Redaktionelle Veröffentlichungen sollen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen beeinflusst werden • Es muss auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichung zu werblichen Zwecken geachtet werden • Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein • 4 Richtlinien zu: Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen, Schleichwerbung, Sonderveröffentlichungen, Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit • Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung • Ausnahme: Sein Verhalten ist von öffentlichem Interesse  dann kann es in der Presse erörtert werden • Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit muss die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen (bei einer identifizierenden Berichterstattung) • Aber: Bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung! • Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz. • Elf Richtlinien zu: Kriminalberichterstattung, Opferschutz, Kinder und Jugendliche, Familienangehörige und Dritte, Vermisste, Erkrankungen, Selbsttötung, Aufenthaltsort, Jubiläumsdaten, Auskunft, Opposition und Flucht

8.2 Opferschutz • Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Ziffer 9 – Schutz der Ehre • Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen

Ziffer 10 – Religion, Weltanschauung, Sitte • Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen

Ziffer 11 – Sensationsberichterstattung, Jugendschutz • Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid • Die Presse beachtet den Jugendschutz • 6 Richtlinien zu: Unangemessene Darstellung, Berichterstattung über Gewalttaten, Unglücksfälle und Katastrophen, Abgestimmtes Verhalten mit Behörden/Nachrichtensperre, Verbrecher-Memoiren, Drogen

Ziffer 12 – Diskriminierungen • Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden • Eine Richtlinie zu: Berichterstattung über Straftaten

Ziffer 13 – Unschuldsvermutung • Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen • Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse • Drei Richtlinien zu: Vorverurteilung, Folgeberichterstattung, Straftaten Jugendlicher

Ziffer 14 – MedizinBerichterstattung • Bei Berichten über medizinische Themen soll eine unangemessen sensationelle Darstellung (die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte) vermieden werden • Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden

Ziffer 15 – Vergünstigungen • Keine Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen  sie sind mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. • Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten aufgrund von Bestechung  das ist unehrenhaft und berufswidrig. • Eine Richtlinien zu: Einladungen und Geschenke

Ziffer 16 – Rügenveröffentlichung • Vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen sollen veröffentlicht werden, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen bzw. Telemedien • 2 Richtlinien zu: Inhalt der Rügenveröffentlichung, Art und Weise der Rügenveröffentlichung

Beschwerden: • Jeder kann eine Beschwerde beim Presserat einreichen • Die Beschwerde ist kostenlos • Sie muss schriftlich (Online oder per Post) eingereicht werden • Die Beschwerde sollte nach Möglichkeit Bezug auf den Pressekodex nehmen • Der Artikel sollte mit eingereicht werden, im OnlineBereich sind der Link zum Artikel, sowie ein Screenshot notwendig • Der Presserat entscheidet, ob die Beschwerde begründet ist

Sanktionsmaßnahmen: • Trotz begründeter Beschwerde wird auf eine Maßnahme verzichtet, wenn das betroffene Presseorgan den Fall in Ordnung gebracht hat • Hinweis • Missbilligung • Rüge: – Öffentliche Rügen (mit Abdruck) – Nicht-öffentliche Rügen

Rügenabdruck:



Größe und Platzierung im Blatt: Rügenabdruck und Berichterstattung sollen gleichwertig behandelt werden

Realität:

„Rügen“ von Caspar David Friedrich

Statistik über die Rügen:

Fallbeispiele:

Spiegel, 28.07.2014

Pressekodex 8.2: Opferschutz • Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücksbzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt. • Der Spiegel erhält eine Missbilligung, da er Opferfotos auf der Titelseite für eine politische Aussage instrumentalisiert hat

Bildzeitung, 02.06.07

Pressekodex 7: Trennung von Werbung und Redaktion • Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein. • Die Bildzeitung erhält eine öffentliche Rüge

Viel Spaß, 17.11.2010

Pressekodex 8: Persönlichkeitsrechte • Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz. • Die Zeitschrift „Viel Spaß“ erhält eine öffentliche Rüge

Kritik am Presserat: •

„Zahnloser Tiger“ - Artikel in der faz: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/presseratzur-sache-kaetzchen-1305684.html (22.01.2006, von Stefan Niggemeier)

• • •

Sanktionen haben keine gesetzliche Grundlage/sind keine richterlichen Urteile Viele Medien reagieren nicht auf die Sanktionen und drucken die Rügen nicht ab Presserat geht mit Rügen sehr zögerlich um  Grund: Der Presserat muss bei einer Entscheidung für eine Rüge bedenken, dass ein Thema durch seine erneute Publikation im Zusammenhang mit einer Rüge erneut Aufmerksamkeit erzeugt – und so kann der Effekt schnell ins Gegenteil umschlagen Unzeitgemäß: Presserat/-kodex sind nur auf Printmedien und Printmedien mit OnlinePräsenz beschränkt



Weitere Regeln für journalistisches Arbeiten: Weitere Regeln des Netzwerks Recherche: • • •

„Sicherheit vor Schnelligkeit“ Journalisten unterscheiden erkennbar zwischen Fakten und Meinungen Journalisten ermöglichen und nutzen Fortbildung zur Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit

Praktische Regeln: • • •

Zwei-Quellen-Regel: Eine Quelle allein ergibt keine Nachricht. Für eine Nachricht braucht es mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen Keine einseitige Berichterstattung: Bei Konflikten sind die Positionen beider Seiten darzustellen Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute

Eigene Überlegungen: •

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Angemessenheit: Öffentlichkeitsrelevanz und Umfang des Artikels/Aufwand müssen übereinstimmen Kritikfähigkeit des Journalisten Kein Schema F – Vorgehen Authentizität der Berichterstattung: Schreibtischrecherche vermeiden

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