Studie über Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik

February 6, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Physik
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Studie über Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik

Studienarbeit

vorgelegt von

Berkant Göksel geboren in Berlin

Institut für Luft- und Raumfahrt der Technischen Universität Berlin 1997

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Studie über Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik

Studienarbeit

vorgelegt von

Cand.-Ing. Berkant Göksel geboren in Berlin (Matr.-Nr. 150 132)

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Nitsche

Institut für Luft- und Raumfahrt der Technischen Universität Berlin 1997

4

5

6

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meines Hauptstudiums am Institut für Luft- und Raumfahrt der Technischen Universität Berlin. Dem Direktor des Institutes und Lehrstuhlinhaber für Aerodynamik, Aerothermodynamik, Gasdynamik und Projektaerodynamik, Prof. Dr. Wolfgang Nitsche, danke ich herzlich für seine freundliche Unterstützung und für die Möglichkeit, diese Arbeit im Fachgebiet Aerodynamik anfertigen zu können. Mein Dank gilt auch Herrn Martin Baumann und Herrn Frank Haselbach. Dem Leiter des Hermann-Föttinger-Institutes für Strömungsmechanik und Sprecher der DFG-Forschergruppe Beeinflußung und Steuerung turbulenter Scherschichten, Prof. Dr. Hans Hermann Fernholz, danke ich für die Durchführung der Lehrveranstaltung Grenzschichttheorie. Für die Durchführung der Seminarveranstaltungen Grundlagen und Technische Anwendung (MHD) der Plasmaphysik sowie Materialien der Elektrotechnik: Ferroelektrika (FE) möchte ich besonders den Dozenten Dr. Joachim Seidel von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und Dr. Huschang Heydari vom Institut für Theoretische Elektrotechnik danken. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Eckehard Schöll vom Institut für Theoretische Physik für die Durchführung des Seminars Selbstorganisation in makroskopischen Nichtgleichgewichtssystemen. Diese Arbeit wurde im Rahmen meines Hauptstudiums durch ein Studienstipendium der Walther Blohm Stiftung gefördert. So danke ich auch herzlich dem Vorsitzenden Herrn Dr. Hermann Klug von der Daimler-Benz Aerospace Airbus GmbH und dem gesamten Vorstand der Stiftung.

Berlin, im Mai 1997

Berkant Göksel

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Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Symbole

9

Kurzfassung

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Einleitung

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1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.3 Zielsetzung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Elektrische Effekte

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2.1 Koronaentladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

2.2 Dielektrophorese

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29

2.3 Elektrokinetische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2

2.3.1 Doppelschichtpolarisation

3

. . . . . . . . . . . . . . . .

31

2.3.2 Elektrophorese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2.4 Elektroviskosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Weitere Grundlagen und Anwendungen der Elektrofluiddynamik

41

3.1 Elektrofluiddynamische Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

3.2 Elektrofluiddynamische Pumpen . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

3.3 Elektrofluiddynamische Generatoren . . . . . . . . . . . . . . .

43

3.4 Sonstige Anwendungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . .

44

3.4.1 Beeinflußung des Wärmeübergangs . . . . . . . . . . . . .

44

3.4.2 Beeinflußung der turbulenten Grenzschicht . . . . . . . . . .

46

3.4.3 Beeinflußung der Dampfkondensation . . . . . . . . . . . .

50

3.4.4 Anwendungen in der Meßtechnik . . . . . . . . . . . . . .

50

8 4

5

Elektrische Beeinflußung laminarer Grenzschichten

52

4.1 Elektrostatische Beeinflußung laminarer Grenzschichten . . . . . . .

52

4.1.1 Stabilisierung durch unipolaren Ionenwind normal zur Strömungsrichtung über einer geerdeten Metallplatte . . . . . . . . . .

52

4.1.2 Stabilisierung durch unipolare Ionenbewegungen parallel zur Strömungsrichtung in Anordnungen mit Koronadrähten über dielektrischen Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

4.1.3 Stabilisierung durch unipolare Ionenbewegungen parallel zur Strömungsrichtung in Anordnungen mit oberflächenbündigen Influenzelektroden über dielektrischen Materialien . . . . . . . . . .

61

4.2 Elektrodynamische Beeinflußung laminarer Grenzschichten . . . . . .

66

4.2.1 Störung durch periodische Oszillation von Ionen normal zur Strömungsrichtung über einer geerdeten Metallplatte . . . . . . . .

66

4.2.2 Störung durch periodische Oszillation von Ionen parallel zur Strömungsrichtung in Anordnungen mit Koronadrähten über dielektrischen Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

4.2.3 Beeinflußung durch periodische Oszillation von Ionen parallel zur Strömungsrichtung in Anordnungen mit oberflächenbündigen Influenzelektroden über dielektrischen Materialien . . . . . . . . .

69

Zusammenfassung

72

5.1 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

5.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Tabellen und Abbildungen Literaturverzeichnis

77 108

9

Verzeichnis der Symbole Lateinische Buchstaben, skalare Größen Zeichen

Einheit

Bedeutung

a Azyl b b+, bbe B c c cf cF cp C d D e E E0 Ex, Ey f F FC Fx Gr H I Il I0 J Jϖ J ϖ ,0 k l lpol L m ni N Nu p ppol

m m² m² / V s m² / V s m² / V s V s / m² m/s m/s 1 1 N m / kg K A / V² m m A s / m² As V/m V/m V/m m² / V² N N N / m³ 1 1 A A/m A A / m² A / m² A / m² Nm/K m m m kg 1 / m3 1 1 N / m² Asm

Rohrradius bzw. halbe Plattenbreite Querschnitt eines (Glas)zylinders Beweglichkeit der Ladungsträger Beweglichkeit der positiven bzw. negativen Ionen elektrophoretische Beweglichkeit magnetische Flußdichte Lichtgeschwindigkeit mittlere Geschwindigkeit der Moleküle örtlicher (lokaler) Reibungsbeiwert Gesamtreibungsbeiwert spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck Konstante Elektrodenabstand dielektrische Verschiebung (Verschiebungsdichte) Elementarladung elektrische Feldstärke elektrische Feldstärke in x=0 Komponenten der elektrischen Feldstärke ‘Viskositätskonstante’ Kraft Coulomb-Kraft Volumenkraft elektrischer Feldern Grashof-Zahl Konstante nach Helmholtz (H=1/4 π ) Stromstärke längenbezogene Stromstärke Stromstärke bei u=0 Stromdichte Wechselstromdichte Amplitude der Wechselstromdichte BOLTZMANNsche Konstante Drahtlänge Abstand der Ladungsschwerpunkte in Dipolen Länge einer ebenen Platte Masse eines Ions Anzahl von Ionen Wertigkeit der Ionen Nusseltzahl Druck elektrisches Dipolmoment

10 ∆p P Pe Ph Pr q qpol q& r R0, R1 Re Rekrit Ree s s0 s1 S t T TF TW U Ua u uD ue uT v vd V & V Z

N / m² A s / m² Nm/s Nm/s 1 As As W / m² m V/A 1 1 1 1 1 1 Nm/K s K K K V V m/s m/s m/s m/s m/s m/s m³ m³ / s 1

Druckverlust Polarisation elektrische Leistung Heizleistung Prandtl-Zahl Ladung eines Ions Ladung eines Pols in Atom oder Molekül Wärmestromdichte Radius variabler Vorwiderstände Reynoldszahl kritische Reynoldszahl elektrofluidische Reynoldszahl (EHD-Reynoldszahl) Stoffkonstante in dynamischer Viskosität Stoffkonstante in dynamischer Viskosität Stoffkonstante in dynamischer Viskosität Entropie Zeit absolute Temperatur Fluidtemperatur Wandtemperatur elektrische Spannung Anfangsspannung Geschwindigkeit des neutralen Fluids (x-Komponente) Geschwindigkeit am Rande der Doppelschicht elektrophoretische Geschwindigkeit elektrische Transportgeschwindigkeit Geschwindigkeit des neutralen Fluids (y-Komponente) Driftgeschwindigkeit von Ionen (unabhängig v. Komp.) Volumen Volumenstrom numerischer Faktor größer 1

Griechische Buchstaben, skalare Größen α α0 δ δD εe εr ε0 Φ Φ0 Φd

W / m² K W / m² K m m 1 1 As/Vm V V V

Wärmeübergangskoeffizient Wärmeübergangskoeffizient bei Nullspannung U=0 Dicke der Strömungsgrenzschicht Dicke der Helmholtz-Doppelschicht effektive relative Dielektrizitätszahl relative Dielektrizitätszahl Dielektrizitätskonstante (8,854 10-12 A s / V m) Potential Potential in x=0 Potential in x=d

11 η0 η η Pump λ λ µ µe µm µ pol ν ρ σ σS τ τW τW l , τW t ϖ ζ

A s m² / V A s m² / V 1 W/mK m Ns / m² Ns / m² Ns / m² (A s)² s m² m² / s kg / m³ A s / m³ A s / m² 1/K N / m² N / m² 1/s V

konstante Polarisierbarkeit (unabhängig von T) Polarisierbarkeit eines Moleküls [N m (m / V)²] Wirkungsgrad einer Ionenpumpe Wärmeleitfähigkeit freie Weglänge dynamische Viskosität effektive dynamische Viskosität (EHD oder TFD) effektive dynamische Viskosität (MHD) permanentes Dipol eines Moleküls kinematische Viskosität Luftdichte, Fluiddichte (Raum)ladungsdichte Oberflächenladungsdichte reziproke Temperatur Wandschubspannung laminare bzw. turbulente Wandschubspannung Frequenz des Wechselstroms elektrokinetisches Potential (Zeta-Potential)

Vektoren a D E F FC J lpol ppol P u x

Einheitsvektor Vektor der Verschiebungsdichte Vektor der elektrischen Feldstärke Vektor der Kraft Vektor der Coulomb-Kraft Vektor der Stromdichte Abstandsvektor der Ladungsschwerpunkte in Dipolen Vektor des elektrisches Dipolmoments Vektor der Polarisation Geschwindigkeitsvektor (u, v) Ortsvektor

Subskript x y z EHD, MHD TFD

x-Komponente (axial) y-Komponente (normal) z-Komponente Elektrohydrodynamik, Magnetohydrodynamik Thermofluiddynamik

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Kurzfassung In der vorliegenden Studienarbeit werden die Grundlagen der Elektrofluiddynamik diskutiert und Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik untersucht. Dabei liegt der Schwerpunkt im Bereich der Transitionsforschung. Hierzu werden unter Nutzung verschiedener elektrischer Effekte mögliche Versuchsanordnungen zur statischen und dynamischen Beeinflußung laminarer Grenzschichten herausgearbeitet und in Anlehnung an existierende Anwendungen und Untersuchungen beurteilt. Zu den betrachteten, grundlegenden elektrischen Effekten zählen Koronaentladungen, Dielektrophorese, Elektrophorese, Doppelschichtpolarisation und Elektroviskosität. Es wird ein umfangreiches Literaturverzeichnis zu der Thematik bereitgestellt. Elektrostatische Anordnungen werden hinsichtlich einer stabilisierenden Beeinflußung des mittleren Geschwindigkeitsprofils untersucht, wobei elektrodynamische Anordnungen zur Erzeugung von periodischen Störungen betrachtet werden. Diese würden dann in einem Sensor-Aktuator-System zur Dämpfung natürlicher Störungen durch Superposition verwendet werden. Für beide Fälle werden analoge Anordnungen vorgeschlagen. Die Betrachtung beschränkt sich im Rahmen dieser ersten Studie aber vornehmlich auf das Aktuatorprinzip, welches heute die größte Herausforderung der anwendungsorientierten Transitionsforschung darstellt. Anhand einiger industrieller Anwendungen wird die Bedeutung der Elektrofluiddynamik für zukünftige, umweltfreundliche Entwicklungen unterstrichen. Es werden auch aktuelle Studien im Luft- und Raumfahrtbereich diskutiert, die definitiv neue Tendenzen aufzeigen. Von industrieller Bedeutung sind heute vorallem elektrische Filter, Pumpen und Generatoren. Die Beeinflußung des Wärmeübergangs, Prozesse sogenannter elektrostatischer Kühlung, Beeinflußung turbulenter Grenzschichten, Wirkungen auf (thermische) Dampfkondensationen stehen in direktem Zusammenhang mit der möglichen Beeinflußung des laminar-turbulenten Umschlags. Die hier untersuchten elektrischen Effekte, Studien und Ergebnisse zeigen, daß die Elektrofluiddynamik in der Tat große Möglichkeiten zur Beeinflußung laminarer Grenzschichten und generell verschiedener Phänomene in der Aerodynamik bietet, von denen auch weitere Anwendungen für fortschrittliche Antriebstechniken abgeleitet werden könnten. Die untersuchten Studien und daraus gewonnenen Erkenntnisse zeigen aber auch, daß dieses Feld nur durch verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit erschlossen werden kann.

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1 Einleitung 1.1 Einführung In der aerodynamischen Auslegung von Profilen, Flügeln und Flugzeugen werden zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit immer kleinere Widerstandsbeiwerte bei verbesserten Auftriebscharakteristiken gefordert. So spielt die Widerstandsbetrachtung in der Entwurfsaerodynamik eine wichtige Rolle. Der größte Teil der Verkehrstransportflugzeuge fliegen heute im Unterschallbereich, wobei moderne Flugzeuge mit Strahlantrieben hohe transsonische Geschwindigkeiten nahe der Schallgrenze erreichen können. Die Concorde ist das einzige Überschallflugzeug, welches derzeit für den zivilen Passagiertransport eingesetzt wird. Der Gesamtwiderstand eines Flugzeuges setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, deren Anteile neben der Geometrie des Körpers vorallem von den Flugbedingungen abhängen, welche eng mit dem jeweiligen Antriebssystem und dessen Konfiguration gekoppelt sind. In Bild 1.1 ist die Gesamtwiderstandsbilanz eines modernen Verkehrsflugzeuges im ungestörten Reiseflug dargestellt [1]. Die wichtigsten Widerstandsanteile im Unterschallbereich sind: 1) Reibungswiderstand durch viskose Grenzschichten 2) Auftriebsinduzierter Widerstand durch Druckausgleich 3) Druckwiderstand durch Ablösungen 4) Interferenzwiderstand zwischen Komponenten 5) Wellenwiderstand durch Kompressibilitätseffekte 6) Sonstige Anteile durch Rauhigkeit u.a. Der Reibungswiderstand stellt mit nahe 50% den größten Anteil in der Widerstandsbilanz dar. Die Wandreibung hängt entscheidend davon ab, ob der Körper laminar oder turbulent umströmt wird. So führt der laminar-turbulente Umschlag (Transition) zu einem drastischen Anstieg des viskosen Widerstands und stellt einen wichtigen Entwurfsparameter dar. Heutige Verkehrsflugzeuge mit überkritischen Profilen werden so ausgelegt, daß die laminaren Lauflängen auf Nasenbereiche beschränkt sind, d.h. der Flugkörper wird fast komplett turbulent umströmt. Durch aktive und passive Maßnahmen zur Transitionsverzögerung kann der Gesamtwiderstand erheblich reduziert werden. Daher hat die Transitionsforschung eine besondere Bedeutung in der Strömungsmechanik [3], [4]. Sie ist zu einer eigenständigen Fachdisziplin gewachsen. Das Ziel ist die Erforschung der komplexen Mechanismen des laminar-turbulenten Umschlags zur Entwicklung von zuverlässigen numerischen Methoden für allgemeine Vorhersagen der Transition und die Erarbeitung von praktischen Maßnahmen zur passiven und aktiven Steuerung der Transition unter grundlagen- und anwendungsorientierten Aspekten. Das Endziel ist die Einführung von Steuerungstechnologien (Laminar Flow Control) in zukünftigen Generationen von Flugzeugen. Dabei ist die Steuerung der Transition zur Widerstandserniedrigung sehr eng mit der Wärmeübergangssteuerung gekoppelt.

14 Die laminare Grenzschicht kann nach der Stabilitätstheorie bereits dadurch stabilisiert werden, daß über eine lange Lauflänge ein negativer Druckgradient vorherrscht. Diese passive Maßnahme über Formgebung nennt sich Natürliche Laminarhaltung der Strömung (Natural Laminar Flow). Der Einsatz beschränkt sich jedoch auf Anwendungen bei kleinen Reynoldszahlen. Bei größeren Reynoldszahlen moderner Verkehrsflugzeuge sind zusätzlich künstliche oder aktive Maßnahmen erforderlich. Die Kombination aus Formgebung und aktiver Störungsdämpfung im Nasenbereich wird als Hybrid Laminar Flow Control (HLFC) bezeichnet. Dabei bezieht sich HLFC-Technologie historisch bedingt auf die Kombination aus Formgebung und Absaugung im Nasenbereich [1], [2]. Die Strömungskontrolle über das ganze Profil kann gegebenfalls notwendig sein [5]. Bei der Störungsdämpfung wird zwischen zwei grundsätzlichen Methoden unterschieden: Die erste Methode zielt auf eine günstige Änderung der mittleren Geschwindigkeit der Grenzschicht, die zweite Methode propagiert die dynamische Dämpfung von linearen Instabilitäten der natürlichen Grenzschicht durch Superposition mit künstlich eingebrachten, phasenverschobenen Störungen. Zu der ersten Methode zählen die passive Formgebung, aktive Maßnahmen wie Absaugen durch poröse Wände sowie Heizen/Kühlen der Wand [5]. Das Absaugen im Nasenbereich von gefeilten Flügeln reduziert die Querströmungsinstabilität [6], [7]. Diese zählt gemeinsam mit der Tollmien-Schlichting-Instabilität [8], [9], der Görtler und Staulinieninstabilität zu den primären Störschwankungen, die bei fehlender Dämpfung in nichtlineare Instabilitäten höherer Ordnungen übergehen. Die anschließende nichtlineare Modulation [10] und Superposition führt über Turbulent Spots [11] zu dem chaotischen Zustand der Turbulenz [12], [13]. Das Kühlen der Wand in Bereichen mittlerer Profiltiefe (entspricht auch Heizen im Nasenbereich) führt zu einer Erhöhung der kritischen Reynolds-Zahl. Der veränderte Wärmeübergang beeinflußt die Viskositätsverteilung entlang der Grenzschicht. Das Geschwindigkeitsprofil wird ‘fülliger’, die Stabilität wird erhöht [1], [14], [15], [16], [17], [18], [19], [20], [21], [22]. Zu der zweiten Methode der aktiven Auslöschung von 2D-Tollmien-Schlichting Wellen (Active Wave Control) gehören der Einsatz schwingender Wandbereiche (Piezoschwinger), Maßnahmen wie periodisches Absaugen/Ausblasen und periodisches Heizen der Wand. Die Verwendung einer flexiblen Oberfläche zur Transitionsverzögerung wurde erstmals von Kramer als Ergebnis von Studien über die hydrodynamische Leistung von Delphinen vorgeschlagen. Kramer konnte bereits 1960 experimentelle Ergebnisse mit flexiblen Oberflächen präsentieren, die eine Halbierung des Reibungsbeiwertes unter bestimmten Bedingungen in Wasser zeigten [23]. Chang berichtete 1961 von der Möglichkeit der Widerstandsreduzierung durch ‘Injektion von Schallenergie’ [24]. Die ersten Experimente über gesteuerte Auslöschung (AWC) ohne Regelung wurden von Milling [25] bei Lockheed und Liepmann, Brown sowie Nosenchuck [26] am California Institute of Technology (Caltech) durchgeführt. Die ersten Arbeiten mit einer Sensor-Regelung stammen von Liepmann und Brown [27] sowie Thomas [28] von Lockheed. In [29] zeigt Thomas den Stand der Forschung bis Ende der 80er Jahre.

15 Den aktuellen Stand der Forschung präsentieren die Arbeiten von Baumann und Nitsche am Institut für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin [30], [31], [32]. Natürliche 2D-Störwellen werden mit Oberflächenheißfilmen registriert, die phasenverschobene Gegenwelle wird von einem stromab liegenden Aktuator (Schlitzanordnung für periodisches Absaugen/Ausblasen) erzeugt und die Auswirkung des Auslöschvorganges auf die Strömung mit einem weiter stromab angeordneten Hitzdraht festgestellt [32]. Das Ziel der aktiven Störungsdämpfung ist die Entwicklung eines oberflächenbündigen Sensor-Aktuator Systems mit neuronaler Regeltechnik. Dabei besteht vorallem Bedarf an technologischen Verbesserungen im Bereich der verwendeten Aktuatoren. Für ein fortschrittliches Kontrollsystem mit selbstorganisierender, ‘intelligenter’ Regelung werden effiziente Aktuatoren gefordert, die hochfrequent und hochwirksam arbeiten können. Hierzu zählt die Betrachtung von elektrischen Konzepten. Wilkinson schreibt, daß derzeit vorallem großer Bedarf an relativ einfachen Kontrolltechniken für direkte, ingenieurtechnische Anwendungen besteht, die wirksam und effizient sind [33].

1.2 Stand der Forschung In dem vorliegenden Abschnitt soll ein erster Überblick über existierende Literatur zu dem Thema Elektrofluiddynamik gegeben werden. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die ersten Grundlagen der Elektrofluiddynamik sind teilweise vor über hundert Jahren geschrieben worden und haben sich nicht grundlegend geändert. Hierzu zählen vorallem die Entdeckung und Erforschung verschiedener elektrischer Effekte und deren Wechselwirkungen mit Fluiden. Die Elektrofluiddynamik beginnt im weitesten Sinne bereits mit der Entdeckung des elektrischen Windes vom Mitglied der Royal Society Francis Hauksbee im Jahre 1709. Isaac Newton berichtete 1718, daß der elektrische Dunst manchmal gegen seinen Finger drückt, so daß er es fühlen kann. Die ersten Theorien stammen von Tiberius Cavallo (1777), Michael Faraday (1838) und James Clerk Maxwell (1873) [34]. August Töpler (1868) untersuchte erstmals den elektrischen Wind mit Hilfe der Schlierenfotografie [35]. H. Helmholtz (1879) entwickelte die Theorie der Doppelschicht und R. Helmholtz führte (1887) Versuche zur Untersuchung der Wechselwirkungen eines Dampfstrahls mit einem elektrischen Windstrahl durch [36]. Lehmann (1897) gibt einen Überblick zu diesen Arbeiten und berichtet über den elektrischen und magnetischen Wind [37]. Der moderne Fortschritt in der Elektrofluiddynamik wurde jedoch durch die Arbeiten von Thomson und Rutherford (1896) sowie Chattock (1899) eingeleitet [38], [39]. Chattock führte die erste quantitative Analyse über den Mechanismus des Ionenwindes durch. Er zeigte experimentell verifizierbare Beziehungen zwischen dem Druck und dem Ionenstrom des elektrischen Windes und konnte die Beweglichkeit der Ladungsträger bestimmen. Warburg (1899, 1902) führte weitere Untersuchungen über leuchtenden elektrischen Wind der Spitzenentladung. [40], [41], [42]. Es kann anhand verschiedener Lichterscheinungen an spitzen Elektroden festgestellt werden, welche Polarität anliegt. Die vorhergehenden Arbeiten dienten Franck (1906), Ratner (1916) und

16 Wagner (1916) als Grundlage für weitere Studien über Ionenbeweglichkeit und Gesetzen zwischen Druck und Strom des elektrischen Windes [43], [44], [45]. Die theoretischen und experimentellen Studien nach Chattock mündeten vorallem in die Entwicklung von Apparaturen zur elektrischen Gasreinigung. Ladenburg und Tietze (1930) sowie Strigel (1931) beschäftigten sich mit den Grundlagen elektrischer Filter [46], [47], [48]. Dieses Feld der Elektrofluiddynamik ist heute Gegenstand intensiver numerischer und experimenteller Studien im Rahmen des Projektes Europäisches Forschungszentrum für Maßnahmen zur Luftreinhaltung (PEF) am Kernforschungszentrum Karlsruhe [49], [50], [51], [52]. Senftleben (1931, 1936) führte die ersten Untersuchungen über den Einfluß elektrischer Felder auf den Wärmeübergang in Gasen. Ein geheizter Draht im elektrischen Feld gibt mehr Wärme ab als ohne Feld. Der Effekt steigt mit Feld, Druck und Drahtheizung quadratisch an [53], [54]. Elton und Hirschler (1948) sowie Andrade und Dodd (1949) untersuchten den Einfluß elektrischer Felder auf die Viskosität von Flüssigkeiten [55], [56]. Die Ergebnisse zeigen bei polaren Flüssigkeiten beträchtliche Erhöhungen der Viskosität. In [55] wird auch die Wirkung von scherenden Helmholtz-Doppelschichten auf den Strömungswiderstand und der Einfluß elektrokinetischer Potentiale auf die Viskosität angesprochen. Löb (1954) vertiefte mit seinem Beitrag über die Druckwirkung von Ionenströmen in atmosphärischer Luft bei verschiedenen Entladungsanordnungen die Grundlagen für Ionenlautsprecher. Er untersuchte ebene Plattenkondensatoren, konzentrische Kugeln und koaxiale Zylinder. Der Vorteil dieser Lautsprecher liegt in ihrem glatten Frequenzgang. Unter Vernachlässigung der geringen Masse der ionisierten Gasmoleküle kann das System bis zu hohen Frequenzen im kHz-Bereich als masselos angenommen werden [57]. Tombs (1955) veröffentlichte in Nature einen Artikel über “Corona Wind Loud-Speaker“ [58] und Dittrich (1955) berichtete über “Informative spektrale Korona-Untersuchungen“ [59]. Die Arbeit von Harney (1957) am Caltech [60] ist die erste bekannte Studie über elektrische Felder in der Aerodynamik und bezieht sich grundlegend auf die Arbeiten von Thomson , Chattock und Loeb. Stuetzer (1959) begann mit seiner Arbeit “Ion Drag Pressure Generation“ eine Reihe von wichtigen Beiträgen zu den Grundlagen der modernen Elektrofluiddynamik [61]. Er präsentierte eine experimentell verifizierte Theorie über den Druckaufbau unipolarer Ionenströme und untersuchte planare, zylindrische und spherische Elektrodenanordnungen. 1960 berichtete Stuetzer erstmals über sogenannte “Ion Drag Pumps“ [62]. Diese Studien haben heute eine neue Bedeutung in der industriellen Anwendung [63]. Stuetzer (1961) zeigte, daß die Viskosität in bewegten, isolierenden Fluiden (Flüssigkeiten und Gasen) ansteigt, wenn sich Raumladungen mit einer unterschiedlichen Geschwindigkeit als die ungeladenen Teilchen des Fluids bewegen. Der Effekt wächst mit Zunahme der Raumladungsdichte und ist analog zu ähnlichen Effekten in der Magnetohydrodynamik. Koronaentladungen können zur Injektion von Ionen verwendet werden. Mit dieser Arbeit schaffte Stuetzer eine wichtige Grundlage für anwendungsorientierte Forschungen in der Aerodynamik [64].

17 Stuetzer (1962) zeigte in einer weiteren Veröffentlichung grundlegende Analogien zwischen der Magnetohydrodynamik und der Elektrohydrodynamik. Es werden allgemeine Gleichungen formuliert und diskutiert [65]. Dieser Publikation folgte im Jahre 1963 die experimentelle Studie “Electrohydrodynamic flow control“. Bei niedrigen Reynoldszahlen konnte die turbulente Strömung um einen Zylinder relaminarisiert und Ablösungen verhindert werden. Die Transition von turbulent nach laminar ist auf die Erhöhung der Viskosität zurückzuführen [66]. Velkoff (1962) studierte an der Ohio State University die Grundaspekte der Elektrofluidmechanik. Hierzu zählten neben den vorher beschriebenen Wechselwirkungen auch weitere Effekte wie Elektrophorese und die Polarisation in Helmholtz-Doppelschichten. Er erwähnte erstmals die mögliche Verwendung von Elektreten (ferroelektrische Materialien), Resonanzerscheinungen mit Mikro- und Radiowellen, mögliche Wechselwirkungen mit Grenzschichten und Stößen aller Art. Elektrokinetische Effekte wie Elektrophorese sind grundlegende Erscheinungen in biologischen Strömungen, so daß einige Anwendungen elektrischer Felder in der Fluiddynamik bionischer Natur sind. Die Wandreibung basiert mikroskopisch auf elektrischen Wechselwirkungen und kann makroskopisch mit elektrischen Feldern beeinflußt werden [67]. Velkoff (1963) konnte experimentell in einer Rohrströmung unter isothermen Bedingungen zeigen, daß die effektive Viskosität von atmosphärischer Luft durch bewegte Raumladungen in hohem Maße erhöht wird [68]. Boiarskii (1967) führte vergleichbare Studien und bestimmte ebenfalls Geschwindigkeitsprofile elektrohydrodynamischer Rohrströmungen [69]. Velkoff und Ketcham (1968) berichteten über den Effekt eines elektrostatischen Feldes auf die Transition in einer Plattengrenzschicht. Hierzu wurden vier Koronadrähte senkrecht zur Strömungsrichtung über eine geerdete Aluminium-Platte gespannt. Zur Druckmessung kamen Bohrungen und Preston-Rohre zum Einsatz. Die Transitionslage konnte um etwa vier Prozent stromabwärts verschoben werden [70]. Melcher (1961) startete am Massachusets Institute of Technology (MIT) theoretische und experimentelle Untersuchungen zu magneto- und elektrohydrodynamischen Vorgängen. In Analogie zu den Alfvén-Wellen in der MHD können mit elektrischen Potentialvariationen elektrohydrodynamische Oberflächenwellen (electrohydrodynamic surface waves) gebildet werden, die sich entlang der elektrischen Feldlinien ausbreiten [158]. Man spricht auch von feldgekoppelten Polarisationswellen (field-coupled polarization waves), Raumladungswanderwellen (traveling waves of surface charge) oder kurz von longitudinalen, elektrostatischen Wellen (longitudinal electrostatic waves). Diese Wellen können sowohl zur Stabilisierung als auch Störung von Strömungen verwendet werden [159]-[161]. Die Anwendungen reichen bis zur hochgespannten Überschallaerodynamik und fortschrittlichen Antriebstechniken [162], [163]. Dittrich (1970) von der Technischen Universität München untersuchte den Einfluß hochgespannter elektrischer Felder auf Flammen [71]. In einem nachfolgenden Beitrag berichtete er über die Grundlagen der Elektroaerodynamik [72]. Die Arbeiten wurden von Münzberg und Kappler gefördert [73], [74], [75], [76], [77], [78], [79], [80], [81], [82], [83], [84], [85].

18 In den USA und der ehemaligen Sowjetunion wurden Anfang der achtziger Jahre die grundlegenden Studien aus den 50er und 60er Jahren teilweise wieder aufgegriffen und neu bewertet. 1981 veröffentlichten die Wright-Laboratorien eine Zusammenfassung der Studien von Udartsev (1966) über die Möglichkeit der Laminarisierung von Strömungen durch radioaktive Ionenquellen. Es wird gezeigt, daß elektrophysikalische Effekte sowohl eine Erhöhung als auch Senkung der kritischen Reynoldszahl hervorrufen können [86]. Diese Untersuchungen zeigen Übereinstimmungen mit den Arbeiten von Stuetzer und Velkoff aus den frühen 60er Jahren. Malik, Weinstein und Hussaini (1983) begannen erneute Studien über “Ion Wind Drag Reduction“. Hierzu wurden Koronadrähte (30° in Strömungsrichtung angestellt) in einem Isolator (Harz) eingebettet, um flächige Ionenverteilungen und Ionenbewegungen zu induzieren. Nach außen erschienen die Drähte als Punktelektroden. Es wurden für alle untersuchten Konfigurationen Widerstandsreduzierungen ermittelt. Die Strömungsgeschwindigkeit lag zwischen 10 und 30 m/s. Es wurde erkannt, daß die Anordnung von vielen Punktelektroden in einem Isolator eine unwirtschaftliche Methode zur Widerstandsreduzierung turbulenter Strömungen darstellt. Es wurde jedoch in Aussicht gestellt, daß große ökonomische Widerstandsreduzierungen durch die Anwendung von Oberflächenentladungen nahe der Wand erzielt werden können [87]. Hierzu kommen u.a. diffuse Schichten bewegter positiver Raumladungen bei Doppel- bzw. Grenzschichtpolarisation über permanent polarisierten, dielektrischen Materialien in Frage [67]. Malik et al. zitierten die Arbeit von Stuetzer (1962) [65] und neuere Studien von Velkoff (1971, 1977, 1981) [88], [89], [90], die dem Leser eine Vertiefung in diesem Fachgebiet erlauben würden. In [65] wird auch der Einfluß elektrischer und magnetischer Felder auf die Viskosität in Fluiden beschrieben und auf [64] verwiesen. Van Rosendale, Malik und Hussaini (1988) veröffentlichten eine weitere Studie über den Ionenwind-Effekt auf Poiseuille und Blasius Strömungen. In Kanalströmungen konnten durch numerische Simulation von Eindraht- und Zweidrahtsystemen Widerstandsreduktionen zwischen 15 und 20 % ermittelt werden. Die Anordnung der Koronadrähte ist vergleichbar mit dem Aufbau (ebene Platte) in [70]. Bei der Simulation in einer Blasius Strömung wurde der Koronadraht in die Oberfläche integriert. Die Simulation zeigte eine Erhöhung des Reibungsbeiwertes vor und Senkung nach der Koronaposition in der ebenen Platte. Effektiv konnte in der laminar strömenden Umgebung der Gasentladung keine Widerstandsreduzierung ermittelt werden. Stabilitätsbetrachtungen und Wirkungen auf die Transitionslage wurden nicht untersucht (vgl. [70]). Es würde Bedarf an weiteren Untersuchungen koronaler Entladungen in der Nähe von Oberflächen und Grenzschichten bestehen, da experimentelle Ergebnisse über die Wirkung einer Koronaentladung in Grenzschichten nicht verfügbar seien [91]. Viskose Effekte bewegter Raumladungen als Folge koronaler Entladungen wurden im Modell nicht berücksichtigt. Einige weiterführende theoretische und experimentelle Ergebnisse finden sich in [64], [65], [66], [67] und [68]. Die neuesten Studien aus den USA stammen von El-Khabiry (1995, 1997) von der Iowa State University. Sie knüpfen an die Arbeiten von Hussaini et al. (1983, 1988) und

19 stellen eine Verbesserung in der numerischen Simulation koronaler Entladungen auf Oberflächen dar. In seiner Dissertation behandelte El-Khabiry numerisch die Wirkung einer positiven Gleichspannungs-Koronaentladung (als Quelle unipolarer Ladungsträger) auf laminare Grenzschichten bei Reynoldszahlen kleiner gleich 105. Das Modell simuliert zwei parallel senkrecht zur Strömung angeordnete Koronadrähte (2 µm) auf der Oberfläche einer ebenen Platte mit niedriger Leitfähigkeit. Der stromauf liegende Draht wird positiv aufgeladen, der stromab befindliche Draht wird geerdet, so daß ein unipolarer Strom positiver Raumladungen in Strömungsrichtung beschleunigt wird. Es wurde die Annahme getroffen, daß der Draht die Strömung nicht stört. Ionendiffusion wurde vernachlässigt. Bei 7 kV konnte eine Reduzierung des Widerstandes um 8% für die Reynoldszahl 100000 ermittelt werden. Der Elektrodenabstand betrug 2,5 cm. Die widerstandsreduzierende Wirkung (Effizienz der Korona) nimmt mit Zunahme der Potentialdifferenz, Abnahme des Elektrodenabstands und der Elektrodendurchmesser zu. Eine weitere Verbesserung kann durch die Verwendung isolierender Materialien (mit geladenen Oberflächen) erreicht werden. El-Khabiry schreibt, daß das Modell durch die Berücksichtigung von Ionendiffusion und Ionenbeweglichkeit in Abhängigkeit der elektrischen Feldstärke verbessert werden kann. Es sollten nicht-ohmische Oberflächen simuliert werden [92], [93]. Im russisch sprachigen Raum sind vor allem die Studien von Kuriachii und Kazakov hervorzuheben. Sie präsentieren den aktuellen Stand der elektrostatischen Grenzschichtkontrolle und knüpfen entschiedener an die Arbeiten aus den 50er und 60er Jahren an. Kuriachii (1982, 1984) startete mit der Untersuchung elektrogasdynamischer Grenzschichten auf einer dielektrischen Platte und rekapitulierte einige mathematische Probleme zur Bestimmung der Stabilität elektrogasdynamischer Grenzschichten [94]. Die Stabilität sollte in erster Abschätzung durch eine Analyse des Eigenwertproblems für hydrodynamische Störungen bestimmt werden [95]. Dieser Ansatz knüpfte eng an die Arbeit von Udartsev (1966) an, welche 1981 von den Wright-Laboratorien neu bewertet wurde. Kuriachii (1984) zeigte danach in seiner Studie zur Beurteilung des elektrogasdynamischen Effektes auf die Grenzschichtstabilität, daß die kritische Reynoldszahl durch einen unipolaren Ionenstrom, der sich in Nähe einer dielektrischen Platte fortpflanzt, erhöht werden kann. Eine elektrohydrodynamische Kontrolle würde möglich sein [96]. Zur Abschätzung verwendete er wie in [86] die hydrodynamische Stabilitätstheorie aus Lin (1958) [102]. Im selben Jahr veröffentlichte Kuriachii eine weitere Arbeit über die Ausbreitung eines Ionenjets nahe einer dielektrischen Grenzschicht. Er berechnete die elektrischen Charakteristiken des unipolar geladenen Stroms in einem viskosen inkompressiblen Gas unter Berücksichtigung von Oberfächen- und Polarisationsladungen einer ideal dielektrischen Platte (Doppelschicht -bzw. Grenzschichtpolarisation). Er präsentierte Berechnungen zur diffusen Ionenschicht und beschrieb die elektrostatische Aufladung von Flugzeug-Oberflächen [97]. Diese Arbeit zeigt eine Realisierung der Anspielungen von Malik, Weinstein und Hussaini [87] auf die Studien von Stuetzer und Velkoff. Kuriachii (1985) setzte seine Arbeiten fort und berichtete demonstrativ über die effektive Transitionsverzögerung durch eine elektrohydrodynamische Technik, welche basierend auf elektrostatische Volumenkräfte in einem geladenen Medium unter Einwirkung elektrischer Felder eine effiziente und ökonomische Methode zur aktiven Grenz-

20 schichtkontrolle darstellen würde [98]. Diese Studie wurde von Kazakov und Kuriachii (1986) erweitert. Nunmehr wurden statt ebene Platten in inkompressiblen Strömungen symmetrische Profile in kompressiblen Strömungen analysiert. Für die eingesetzten Profile konnten Transitionsverzögerungen zwischen 8 und 11 % erzielt werden. Dieses Ergebniss zeigte Übereinstimmungen mit der vorherigen Studie, in der auf einer dünnen Platte eine Erhöhung der kritischen Reynoldszahl von 13% registriert werden konnte. Es wurde zusammengefaßt, daß mit elektrogasdynamischen Effekten anwendungsorientiert Transitionsverzögerungen von 10% zu erzielen sind [99]. Kazakov, Kuriachii et al. (1988) veröffentlichten einen langen Bericht über nichttraditionelle Methoden zur Stabilitätskontrolle von laminaren subsonischen Grenzschichten und verglichen die elektrogasdynamische Methode auch mit der Aufheizung der Leitkante von Tragflügeln [17]. Letztere Methode wurde vorallem von Kazakov intensiv studiert [18], [19], [20], [22]. Kuriachii und Vatazhin (1989) führten weitere Studien in turbulenten Strömungen durch und verwendeten auch hier elektrokinetische Effekte [100]. Kuriachii (1991) untersuchte in einer inkompressiblen Gasströmung die elektrischen Charakteristiken eines unipolar geladenen Jets, welcher durch Ionenquellen in der Leitkante einer dielektrischen Platte erzeugt wurde [101]. In den USA patentierte Nosenchuck (1994) eine elektromagnetische Vorrichtung und Methode zur Grenzschichtkontrolle [103], welche teilweise auf das Patent von Dornier (1971) zur aktiven Grenzschichtkontrolle unter Nutzung elektrokinetischer Effekte über einem ferroelektrischen Isolator aufbaut [104]. Im selben Jahr (1994) wurde ein Patent von Meng zur aktiven Turbulenzkontrolle genehmigt. Diese Methode verwendet klassische 3M-Ribbletfolien, deren Rillen jedoch zusätzlich abwechselnd mit einem permanent magnetischen Material und einem Elektrodenmaterial beschichtet werden. Die Methode zielt in erster Linie auf hydrodynamische Anwendungen, wobei unbeschichtete Folien heute auch für Serienflugzeuge eingesetzt werden [105]. Fundamentale Analogien zur Magnetohydrodynamik sowie viskose Effekte als Folge bewegter Raumladungen und magnetischer Effekte würden auch eine Anwendung in der Aerodynamik zulassen [64], [65], [66]. Aktuelle Studien der Grenzschichtkontrolle werden u. a. von Brown und Nosenchuck zur 28th AIAA Fluid Dynamics Conference, 13th AIAA Computational Fluid Dynamics Conference und 4th AIAA Shear Flow Control Conference präsentiert [106] - [113].

1.3 Zielsetzung und Übersicht Die Arbeit sollte mit einer Literaturstudie zum Thema Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik beginnen, wobei der Schwerpunkt vorallem auf den Aspekt der Grenzschichtbeeinflußung gelegt wurde. Hierzu mußten Stichpunkte, Suchkriterien und Verknüpfungen definiert werden. Es mußte davon ausgegangen werden, daß nur wenig direkt auswertbare Literatur existiert, da Arbeiten zur Interaktion von elektrischen Feldern und Strömungen generell wenig beachtet werden. Die ersten Suchbegriffe für eine Literaturrecherche waren:

21 - electrofluiddynamic(s) - electrohydrodynamic(s) - electrogasdynamic(s) - electroaerodynamic(s) - (magnetohydrodynamics) - electric corona(s) - electric spark(s) - electrokinetic(s) - ferroelectric dielectric(s) - electrostatic effects - electrostatic field(s) - electrostatic drag - electrostatics - ion wind - ion drag - space charge(s) - charged fluid(s) - boundary layer control Gesamtziel der vorliegenden Arbeit war die grundlagenorientierte Darstellung der genutzten und nutzbaren elektrischen Effekte zur Herausarbeitung von möglichen Versuchsanordnungen zur statischen und dynamischen Beeinflußung laminarer Grenzschichten mit elektrischen Feldern. Elektrostatische Anordnungen sollten hinsichtlich einer stabilisierenden Beeinflußung des mittleren Geschwindigkeitsprofils untersucht werden, wobei elektrodynamische Anordnungen im Hinblick auf oberflächenbündige Ionenlautsprecher zur Dämpfung instabiler Störungen durch Superposition betrachtet werden sollten. Für den Fall, daß keine direkt auswertbaren Untersuchungen vorliegen würden, mußten Abschätzungen zur Grenzschichtbeeinflußung auf Grundlage anderer Teilgebiete der E-Feld-Strömungsinteraktion im Rahmen der Möglichkeiten einer Studienarbeit durchgeführt werden. Diese Studie sollte eine erste Beurteilung zu möglichen Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik gewähren und Grundlagen für nachfolgende numerische und experimentelle Untersuchungen schaffen. Im nächsten Kapitel werden die elektrischen Effekte dargestellt, die für Anwendungen elektrischer Felder in der Aerodynamik genutzt werden können. Diese sind wichtigste Grundlage der Elektrofluiddynamik. Zu den relevanten physikalischen Effekten gehören Koronaentladungen, Dielektrophorese, elektrokinetische Effekte wie Doppelschichtpolarisation und Elektrophorese sowie Elektroviskosität. Es wird auch hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Darstellung der Koronaentladung beschränkt sich dabei auf grundlegende Größen und sekundäre Effekte wie dem Ionenwind, die zur statischen und dynamischen Beeinflußung von Strömungs- und Temperaturgrenzschichten relevant sind. Im Rahmen einer anwendungsorientierten Studie kann keine detaillierte Betrachtung durchgeführt werden. Es wurden bereits umfassende Bücher zum Thema Koronaentladungen verfaßt. Hierzu werden weiterführende Literaturangaben bereitgestellt.

22 In divergenten elektrischen Feldern treten Effekte wie Dielektrophorese auf. Dielektrophorese beschreibt die Bewegung ungeladener Teilchen aufgrund von Polarisationseffekten in Gleich- und Wechselfeldern. Elektrophorese ist definiert als die Bewegung geladener Teilchen durch elektrostatische Coulomb-Kräfte. Elektrophorese tritt häufig in Kombination mit Koronaentladungen und Doppelschichtpolarisation auf. Auf geladenen Grenzflächen bilden sich Helmholtz-Doppelschichten bestehend aus einer ‘gebundenen’ und diffusen Schicht. Hierzu wird der Zusammenhang zu permanent polarisierten Materialien dargestellt. Die Elektroviskosität ist ein wichtiger Sekundäreffekt bewegter Raumladungen in neutraler Umgebung. Es werden grundlegende Untersuchungen vorgestellt. Die Elektrokinetik und Elektroviskosität sind fundamentale Effekte in biologischen Strömungen und haben eine Bedeutung in Biologie, Chemie, Medizin und allgemein für sogenannte Smart Technologies. Im Kapitel 3 werden weitere anwendungsorientierte Grundlagen und bekannte Anwendungen der Elektrofluiddynamik beschrieben. Beispiele industrieller Anwendungen sind elektrogasdynamische Filter, Pumpen und Generatoren. Unter sonstigen Anwendungen werden weitere bekannte Möglichkeiten der Beeinflußung mittels elektrischer Felder dargestellt. Hierzu gehören die Beeinflußung des Wärmeübergangs, turbulenter Grenzschichten, der Dampfkondensation und Anwendungen in der Meßtechnik. Thema des vierten Kapitels ist die Elektrische Beeinflußung laminarer Grenzschichten. In diesem Abschnitt werden vorhandene Studien vorgestellt und analysiert, mögliche Versuchsanordnungen zur statischen und dynamischen Beeinflußung laminarer Grenzschichten mit elektrischen Feldern vorgeschlagen und deren Wirksamkeit in Anlehnung an vorhandene Studien beurteilt. Der Unterpunkt Elektrostatische Beeinflußung behandelt die Möglichkeit der Stabilisierung durch einen unipolaren Ionenwind normal zur Strömungsrichtung über einer geerdeten Metallplatte. Hierzu wird senkrecht zur Strömungsrichtung ein positiv geladener Koronadraht über die Grenzschicht gespannt. Es werden auch Möglichkeiten zur Stabilisierung durch einen unipolaren Ionenwind in Strömungsrichtung über elektrokinetisch aktiven (permanent polarisierten) bzw. inaktiven Isolatoren vorgestellt. Die Anordnung besteht aus zwei parallel senkrecht zur Strömung auf der Oberfläche anliegenden Koronadrähten mit kleinsten Durchmessern. Desweiteren wird die Möglichkeit der Stabilisierung durch parallel angeordnete oberflächenbündige Influenzelektroden gezeigt. Elektrostatische Volumenkräfte führen zur Bewegung (Scherung) der diffusen Ionenschicht über einem elektrokinetisch aktivem Dielektrikum. Im Unterpunkt Elektrodynamische Beeinflußung werden die Möglichkeiten zur Störung der laminaren Grenzschicht durch periodische Oszillationen von Ionen normal zur Strömungsrichtung mittels eines Koronadrahtes über einer Metallplatte und in Strömungsrichtung durch aufliegende Koronadrähte sowie durch oberflächenbündige Influenzelektroden über elektrokinetisch aktiven bzw. inaktiven Isolatoren betrachtet. Hierzu werden bei allen Anordnungen die Ladungsdichten variiert, d.h. ein elektrostatisches Grundpotential durch ein Wechselanteil superponiert.

23

2 Elektrische Effekte 2.1 Koronaentladungen Wird zwischen einer spitzen Elektrode und einer entgegengesetzt geladenen, ebenen Platte in Abständen von einigen Millimetern bzw. Zentimetern unter standardatmosphärischen Bedingungen in Luft eine Spannung angelegt, so stellt man fest, daß ab einer bestimmten Anfangsspannung ein meßbarer Strom fließt und Lichterscheinungen an der Spitze in Abhängigkeit von der Polarität auftreten. Die Größe der Anfangsspannung hängt von der Geometrie der Spitze, den atmosphärischen Bedingungen und von der elektrischen Polung ab. Der Elektrodenabstand ist bei Anordnungen von spitzen mit ebenen Elektroden von geringerer Bedeutung. Bei einer positiv geladenen Nähnadel treten sogenannte Koronaströme bei etwa 2700 Volt auf. Bei negativer Polung liegt die Anfangsspannung bei etwa 2000 V [114]. Im Fall einer negativ gepolten Spitze kann ein leuchtender ‘Büschel’ beobachtet werden, der unter dem Mikroskop betrachtet aus kleinen Lichtpunkten besteht, von denen kurze Strahlen ausgehen. Bei positiver Polung erscheint dagegen ausgehend von der Spitze ein kohärenter ‘Stiel’, von dessen Ende längere, fein verästelte, schwach leuchtende Büschel austreten. In Bild 2.1 sind die Lichterscheinungen bei negativer und positiver Polung dargestellt. Dieses Phänomen wird Spitzenentladung bzw. Büschelentladung genannt. Heute spricht man in der Technik allgemein in Anlehnung an die verschiedenen Lichterscheinungen von Koronaentladungen [114]. Die Lichterscheinungen sind Folge von Stoßionisationsprozessen an der spitzen Elektrode. Dort laufen die elektrischen Feldlinien zusammen, so daß hohe elektrische Feldstärken auftreten, in denen (z. B. durch kosmische Strahlung) vorhandene Ladungsträger beschleunigt werden. In Bild 2.2 ist der Verlauf der Feldlinien zwischen einer spitzen Elektrode und einer entgegengesetzt geladenen Platte dargestellt. Die Visualisierung erfolgte mit feinkörnigem Grießpulver [114]. Als sekundärer Effekt tritt bei Koronaentladungen eine Luftströmung ausgehend von der spitzen Elektrode aus. Dieser sogenannte elektrische Wind bzw. Ionenwind entsteht als Folge von inneren Reibungseffekten (Momentenübertragung) zwischen von der Spitze wegfliegenden Ionen und neutralen Luftmolekülen. Mit dem Ionenwind aus spitzen Elektroden lassen sich z. B. Kerzenflammen ausblasen. Die makroskopische Luftströmung kann auch unter Ausnutzung des Rückstoßprinzips sogenannte elektrische Flügelräder (Bild 2.3) antreiben [114]. Koronaentladungen und deren vielfältige Sekundäreffekte in dichten Gasen sind komplexe Phänomene und werden in Llewellyn-Jones (1957), Cobine (1958), Loeb (1965) sowie Kunhardt und Luessen (1983) differenzierter behandelt [115], [116], [117], [118]. An dieser Stelle werden im Hinblick auf aerodynamische Anwendungen nur die Beweglichkeit der Ladungsträger, die Ladungsdichte und die Druckwirkung als Folge des elektrischen Windes bei Koronaentladungen betrachtet.

24 Der Druckgradient eines Ionenwindes kann ohne explizite Kenntnis der elektrischen Feldstärke oder Ladungsdichte bestimmt werden. Chattock (1899) verwendete dieses Ergebnis zur Ermittlung der Beweglichkeit von Ionen bei Koronaentladungen zwischen einer Punkt- und Ringelektrode [39]. Die Elektroden wurden in einem Glaszylinder angeordnet, wobei der Elektrodenabstand größer als der Ringquerschnitt gewählt wurde, um eindimensionale Annahmen zu treffen: dp J = . dx b

(2.1)

So konnte die Beweglichkeit der Ionen in guter Näherung durch Messen der Druckdifferenz und der Stromstärke bestimmt werden: b = d⋅

I A Zyl ⋅ ∆p

= d⋅

J . ∆p

(2.2)

Das Verhältnis J / ∆ p ist für weite Bereiche der Feldstärke konstant. Jedoch kann bei höheren Feldstärken in Abhängigkeit vom Umgebungsdruck die Beweglichkeit zunehmen. Dieses Phänomen, welches eine überproportionale Erhöhung der Driftgeschwindigkeit (b E) der Ionen zur Folge hat, wird als abnormales Verhalten bezeichnet und tritt besonders bei niedrigeren Drücken und negativen Ionen auf [44]. Die Nichtlinearität bei Überschreiten kritischer Feldstärken bleibt in (2.2) unberücksichtigt. Mikroskopisch läßt sich die Beweglichkeit der Ionen in erster Näherung gemäß der elementaren kinetischen Theorie von Gasen durch die Langevin-Gleichung beschreiben [44]: b=

q λ ⋅ . m c

(2.3)

Bei gleichen Molekülen ist die Beweglichkeit negativer Ionen größer als die von positiven Ionen, so daß gilt: b- > b+ .

(2.4)

Aufgrund dieses Verhaltens wird die Verteilung von Ionen auch in homogenen Feldern im allgemeinen stets unsymmetrisch sein. Unter Standardbedingungen in trockener Luft ergeben sich für die Beweglichkeit der Ionen [60], [61] unter Vernachlässigung einer möglichen Clusterbildung: b- = 2,0 ⋅ 10 -4 m² / V s b+ = 1,4 ⋅ 10 -4 m² / V s

(2.5) (2.6)

Die Driftgeschwindigkeit eines Ions beträgt vd =

q ⋅E . m

(2.7)

25 Die Driftgeschwindigkeit von Ionen in einem Gas ist nach (2.3) das Produkt aus der Beweglichkeit der Ionen und der elektrischen Feldstärke: vd = b ⋅ E .

(2.8)

Die Ladungsdichte σ ist das Produkt aus der Zahl der Ionen pro Volumeneinheit ni und der Ladung eines Ions q : σ = ni ⋅ q .

(2.9)

Multipliziert man beide Seiten der Gleichung (2.8) mit der Ladungsdichte σ , so erhält man nach Umformen die Volumenkraft σ ⋅ E : Fx = σ ⋅ E = σ ⋅

v d J ∆p = = . b b d

(2.10)

Die Volumenkraft Fx ist ein Druckgradient und kann auch folgendermaßen geschrieben werden: Fx = σ ⋅ E =

dp = ∇p . dx

(2.11)

Der Quotient aus der Stromdichte J und der elektrischen Feldstärke E ist die Leitfähigkeit des Medium. Sie beschreibt den Zusammenhang zwischen der Beweglichkeit der Ionen b und der Ladungsdichte σ : J = σ⋅b . E

(2.12)

J = σ⋅b⋅E .

(2.13)

So gilt für den stationären Fall u=0:

Wird dem Ionenwind der Koronaentladung eine Strömung mit Geschwindigkeit u überlagert, so wird bereits das eindimensionale Problem zunehmend komplizierter: J = σ ⋅ (u + b ⋅ E ) oder

σ=

J . u + b⋅ E

(2.14) (2.15)

Setzt man die Gleichung (2.15) in (2.11) ein, so ergibt sich die Beziehung Fx =

J ⋅E = ∇p . u + b⋅E

(2.16)

26 Der Versuch einer vereinfachten eindimensionalen Betrachtung führt zu Schwierigkeiten in den Randbedingungen vorallem im Punkt x=0. Das elektrische Feld in der näheren Umgebung der Spitzenelektrode ist hochgradig divergent und ausgezeichnet durch sehr hohe elektrische Feldstärken. Gerade diese Bedingung ist Voraussetzung für eine Koronaentladung. Daher kann das Problem zur Bestimmung der Druckdifferenz entlang einer Koronaentladung nur gelöst werden, wenn auch eindimensionale Näherungsgleichungen für das elektrische Feld gefunden werden. Für aerodynamische Anwendungen müßte auch der Einfluß des Luftstroms auf die Eigenschaften der Koronaentladung beschrieben werden [60]. Die Betrachtung wäre halbempirisch. Vorallem Stuetzer (1959) hat sich diesem Problem angenommen und experimentell verifizierbare Beziehungen aufgestellt [61]. Die Ladungsdichte σ kann auch als die Divergenz des Verschiebungsdichtevektors D geschrieben werden:

σ = ∇⋅D .

(2.17)

Die Verschiebungsdichte ist über die Dielektrizitätskonstante zur elektrischen Feldstärke proportional: D = ε0 ⋅ εr ⋅ E ,

(2.18)

wobei in Luft ε r =1 ist. Die Differentialgleichung für den Feldstärkevektor E ist: ∇⋅E =

σ . ε0

(2.19)

Für den eindimensionalen Fall vereinfacht sich (2.19) zu ∇E =

dE σ = . dx ε 0

(2.20)

Mit (2.15) ergibt sich für den Feldstärkegradienten die Beziehung ∇E =

oder

dE 1 J = ⋅ dx ε 0 u + b ⋅ E

1 J d (u + b ⋅ E) 2 = dx . 2⋅ b ε0

(2.21)

(2.22)

Die Integration zwischen den Elektroden von x=0 ergibt [60] die Beziehung ( u + b ⋅ E ) 2 − (u + b ⋅ E 0 ) 2 =

2 ⋅b⋅J ⋅ x , ε0

(2.23)

27 wobei E0 die Feldstärke in x=0 ist. Harney (1957) leitete aus der Gleichung (2.23) die explizite Lösung für die elektrische Feldstärke E her: 1

2 1 2 u 2 E = ⋅  ⋅ b ⋅ J ⋅ x + (u + b ⋅ E 0 )  − . b ε 0 b 

(2.24)

Diese Beziehung kann weiter vereinfacht werden, wenn angenommen wird, daß die Ionenquelle eine planare Elektrode ist und die Ionisation sich auf eine dünne Fläche bei x=0 konzentriert [60], [120]: 1

E=

2 u 1 2 ⋅  ⋅ b ⋅ J ⋅ x + u2  − . b ε 0 b 

(2.25)

Die Gleichung (2.25) könnte nun in (2.16) eingesetzt werden, um den Druckgradienten zu bestimmen. Harney (1957) führte weitere Berechnungen durch, um eine Beziehung für den Strom, die Geschwindigkeit und das angelegte Potential zu finden, die zudem experimentell nachprüfbar wäre [60]. Den Zusammenhang zwischen der elektrischen Feldstärke und dem elektrischen Potential beschreiben die beiden nachfolgenden Beziehungen E=−

dΦ dx

(2.26)

x

oder

Φ = − ∫ E dx .

(2.27)

0

Das Integrationsgebiet für die Feldstärke ist x=[0;d]. Die Potentialdifferenz wäre demnach ∆Φ = Φ 0 − Φ d . Der Strom in Abhängigkeit des angelegten Potentials ist bis zu einem Anfangspotential Ua gleich Null. Somit ist die Stromstärke eine Funktion von (U-Ua), der Differenz zwischen angelegtem Potential und dem Anfangsspotential (Anfangsspannung). Harney (1957) gibt verschiedene experimentell verifizierte Beziehungen zwischen der Stromstärke und Spannung an [60]. Bei atmosphärischen Luftdrücken konnte Harney entlang einer Punkt-Koronaentladung mit MikroampereStrömen Druckunterschiede von etwa 0,2 - 0,4 mm Wassersäule ermitteln. Die Geschwindigkeitsmessungen führte er mit einem geerdeten Hitzdrahtanemometer durch und konnte so auch mit Hilfe der Bernoulli-Gleichung den Druckabfall am Rohrende bestimmen (Bild 2.4). Eine Erweiterung der Arbeit von Harney stellt die Publikation von Stuetzer (1959) dar. Stuetzer versuchte eine experimentell verifizierte, ‘einheitliche Theorie’ über die Druckwirkung von Ionenwinden aufzustellen und bemerkte, daß für einstufige Anordnungen sogar 10 mm Wassersäule für Gase und 1000 mm für isolierende Flüssigkeiten erhalten werden können, wenn geeignete elektrische und hydrodynamische Randbedingungen berücksichtigt werden [61]. Diese Arbeit hat für Ionenpumpen Bedeutung.

28 Yabe, Mori und Hijikata (1978) veröffentlichten eine EHD-Studie über die Koronaentladung zwischen Draht- und Plattenelektrode [119]. Die Experimente wurden in einer Stickstoffatmosphäre unter Raumbedingungen durchgeführt. Für den Elektrodenabstand zwischen einem Platindraht (l=12 cm) mit 0,04 mm Durchmesser und einer Platte wurden 2 cm gewählt. Die angelegte elektrische Spannung lag um U=8 kV, die Anfangsspannung betrug U a =4 kV. Dies entspricht einer längenbezogenen Stromstärke von etwa Il=10 µA/m bzw. I=1,2 µA. Die Beziehung zwischen dem längenbezog enen Entladungsstrom und den Potentialen lautet: I l = C ⋅ U ⋅ (U − Ua )

.

(2.28)

C ist eine konstante Zahl von 5,5 µA / kV² m. Für Luft soll C den gleichen Wert besitzen. In einem weiteren Versuch (Bild 2.5) wurde statt des Drahtes eine feine Hohlzylinder-Elektrode mit 0,4 mm Durchmesser und neun Bohrungen eingesetzt. In dieser Anordnung wurden Druck- und Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. Der gemessene Druck an den Bohrungen der Hohlelektrode war um etwa 1 Pa kleiner als auf der Platte. In Bild 2.6 ist der maximale radiale Druck auf der Platte über dem Entladungsstrom bezogen auf die Drahtlänge dargestellt. Der Zusammenhang ist linear. Die Autoren nehmen ebenfalls an, daß die Druckdifferenz mit dem dynamischen Druck korrespondiert, die Geschwindigkeit des Ionenwindes um die Hohlelektrode betrug 3 m/s und steigt mit der Wurzel der Stromstärke. Die Druckwirkung von Ionenströmen kann auch zur Erzeugung von Schall eingesetzt werden. Man würde in diesem Fall von Koronawind-Lautsprechern, Ionen- bzw. Plasmalautsprechern oder elektrostatischen Lautsprechern sprechen. Löb (1954) behandelte die Druckwirkung im ebenen Plattenkondensator, bei zwei konzentrischen Kugeln als Entladungsanordnung und bei zwei koaxialen Zylinderelektroden. Die Grundvoraussetzung für eine Druckwirkung ist eine unipolare Strömung. [57], [61]. Die elektrostatische Druckdifferenz beim Plattenkondensator beträgt: ∆p =

ε0 2 ⋅ (E 2 − E 0 ) 2

.

(2.29)

Wird der Stromdichte J nach (2.13) ein tonfrequenter Wechselanteil J ϖ = J ϖ , 0 ⋅ sin( ϖt)

(2.30)

überlagert, so entstehen periodische Druckschwankungen mit der vorgegeben Frequenz ϖ . Die Amplitude der Wechselstromdichte J ϖ ,0 muß dabei deutlich kleiner als die Gleichstromdichte J sein, sofern die Gültigkeit der Beziehung (2.29) bleiben soll. Andernfalls würde die zeitliche Funktion der Raumladungsdichte nicht vernachlässigbar sein. Es lassen sich je nach Anordnung Druckdifferenzen von 10 mm Wassersäule und mehr induzieren [57] und Schallquellen mit Frequenzen bis zu einigen 100 kHz bauen. Tombs (1955) beschreibt die Wirksamkeit koronaler Triodenanordnungen zur Erzeugung von periodischen bzw. gepulsten Druckschwankungen in Luft [58].

29

2.2 Dielektrophorese Der Begriff phoresis kommt aus dem Griechischen und bedeutet Bewegung. So ist Dielektrophorese definiert als die Bewegung von dielektrischen Stoffen (Fluiden) aufgrund von Polarisationseffekten in divergenten elektrischen Feldern. Die Polarisierung der nach außen neutralen Teilchen oder Moleküle kann durch das Feld induziert werden oder auch natürlich bzw. permanent vorliegen. Polarisierte Teilchen bewegen sich in der Regel in Richtung größerer Feldintensitäten, so daß die Polarität des anliegenden Potentials keine Rolle spielt. Dielektrophorese läßt sich sowohl in divergenten elektrischen Gleich- als auch Wechselspannungsfeldern beobachten [121], [67]. Pohl (1958) zeigte einige Grundlagenversuche mit Flüssigkeiten [121]. Die Natur der Dielektrophorese ist jedoch komplizierter als die makrospkopisch beschreibbare Bewegung polarisierter Teilchen. Eine weitere Vertiefung erlaubt das entsprechende Lehrbuch von Pohl (1978) [122]. Befindet sich ein Atom bzw. Molekül in einem elektrischen Feld, so verschieben sich die Ladungsschwerpunkte (Bild 2.7). Dies führt zu einem elektrischen Dipolmoment: p pol = q pol ⋅ l pol .

(2.31)

Viele Moleküle wie Wasser und Sauerstoff besitzen natürliche (permanente) Dipole. So ist das gesamte Dipolmoment eines Molekül die Summe aus permanentem und feldinduzierten Dipol [67]: p pol = η ⋅ E mit der Beziehung nach Debye η = η0 +

µ pol 3⋅ k ⋅ T

(2.32)

.

(2.33)

Die Polarisation ist das volumenbezogene elektrische Dipolmoment: P=

p pol V

= ε 0 ⋅ ( ε r − 1) ⋅ E .

(2.34)

Den Zusammenhang zur Verschiebungsdichte (2.18) beschreibt D = ε 0 ⋅E + P .

(2.35)

In einem ungleichförmigen Feld gilt nach [121] die Beziehung F = p pol ⋅ ∇E .

(2.36)

Velkoff (1962) gibt entsprechend (2.36) für den Zusammenhang zwischen der Volumenkraft und dem Feldgradienten folgende Gleichung an [67]:

30

Fx =

bzw.

p pol ∂E ⋅ = P ⋅ ∇E V ∂x

Fx = ε 0 ⋅ ( ε r − 1) ⋅ E ⋅ ∇E =

ε 0 ⋅ ( ε r − 1) 2

(2.37)

⋅ ∇E 2 .

(2.38)

Diese Beziehung zeigt, daß im Fall eines Gradienten in der Feldstärke eine Volumenkraft im Dielektrikum existiert. Die Größe der Kraft wird duch die relative Dielektrizitätszahl des Mediums und dem Gradienten des Quadrats der Feldstärke bestimmt. Die Beziehung (2.38) zeigt auch, daß divergente Wechselfelder ebenfalls zu einer dielektrischen Bewegung in Richtung höchster Feldstärkeintensität führen. Bild 2.8 zeigt die Wirkung des Ionenwinds und der Dielektrophorese im Vergleich. In ungeladener bzw. nichtionisierter Luft ist die Wirkung der Dielektrophorese jedoch vernachlässigbar klein. Dieser Umstand ändert sich aber, wenn eine Teilionisation vorliegt. So können geladene Teilchen (z. B. Luftionen) neutrale Moleküle (z. B. des permanent polarisierten Sauerstoffs) anziehen. D. h. die geladenen Teilchen würden als mikroskopische Punktelektroden eine divergente Feldwirkung auf ungeladene Teilchen ausüben. In Bild 2.9 ist diese Wechselwirkung schematisch dargestellt. Nicht permanent polarisierte Moleküle würden feldinduziert polarisiert werden, wobei die Wirkung nach (2.33) auf natürlich polarisierte Teilchen stets größer wäre. Die genaue Wechselwirkung polarisierter und geladener Teilchen gleicher Größe ist nicht vollständig verstanden. Man vermutet jedoch, daß die Wechselwirkung zu einer sogenannten ‘Clusterbildung’ führt. Mehrere neutrale Moleküle umgeben das geladene Teilchen. In einem solchen Fall müßte dieser ‘Clustering’-Effekt zu einer Veränderung der Fluideigenschaften wie Viskosität führen und Auswirkungen auf Geschwindigkeitsprofile etc. haben [67], [127], [128]. Das Phänomen der Elektroviskosität wird im Abschnitt 2.4 konkreter behandelt. Melcher (1969) et al. zeigten die Bedeutung der Dielektrophorese zur Stabilisierung von Fluiden unter schwerelosen Bedingungen [123], [124], [125], [126].

2.3 Elektrokinetische Effekte Die Elektrokinetik beschreibt allgemein die Bewegung von geladenen Teilchen. Die Wechselwirkung geladener Teilchen mit Strömungsfeldern (in Bereichen mit großen Oberflächen-zu-Volumenverhältnissen) nennt man elektrokinetische Effekte. Es werden vier Grundeffekte unterschieden [67], [130]: 1) Elektroosmose 2) Elektrophorese 3) Elektrisierung (Electrification und Streaming Potential) 4) Dorn Effekt (Sedimental oder Settling Potential) . Grundlage elektrokinetischer Effekte ist die Ausbildung einer Helmholtz-Doppelschicht [67], [130] (siehe Abschnitt 2.3.1).

31 Elektroosmose ist der Transport von Fluiden durch feine Rohre (Kapillaren) mittels elektrischer Felder. Wird eine Spannung entlang der Kapillare angelegt, so wird das Fluid durch die Kapillare gepumpt. Die Wirkung ist auf die Bewegung der diffusen Ionenschicht in der Helmholtz-Doppelschicht zurückzuführen [67], [130]. Die Bewegung von dielektrischen Fluiden oder Fluiden sehr niedriger Leitfähigkeit an festen Grenzschichten führt zu einem elektrischen Potential (Streaming Potential). Dieser Vorgang wird Elektrisierung (Electrification) genannt und ist Ursache für statische Aufladungen von Oberflächen [67], [129]. Auch Flugzeugoberflächen werden durch Wandreibung (unkontrolliert) elektrisiert [133], [134], [135], [136]. Durch unkontrollierte statische Aufladung kann es in Kerosintanks unter ungünstigen Umständen zu Funken- und Feuerbildung kommen [67]. Befinden sich schwebende Partikel in einem dielektrischen Fluid, so können durch deren Bewegung sehr große Spannungen z. B. zwischen Boden und Decke von ÖlContainern induziert werden. Man spricht in diesen Fällen vom Dorneffekt [67]. Der Vorgang der Elektrophorese wird im Abschnitt 2.3.2 gesondert erläutert. Dieser Effekt gehört zu den Wechselwirkungen, die für Anwendungen in der Aerodynamik bedeutsam sind.

2.3.1 Doppelschichtpolarisation Obgleich elektrokinetische Effekte teilweise schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts bekannt sind, ist deren Popularität über die Bereiche der Biologie, Chemie und Medizin nur beschränkt gewachsen [130]. Die erste Theorie der Doppelschicht wurde von Helmholtz (1879) entwickelt [131] und später von Smouluchowski (1903) erweitert [137]. Sie hat bis heute Gültigkeit. Aus dieser Zeit stammt auch der historische Begriff der ‘Oberflächenleitfähigkeit’ (surface conductance, non-ohmic surface, surface (dis)charge) im Zusammenhang mit Doppelschichten [130]. Doppelschichten treten nicht nur auf Oberflächen auf, sondern können auch geladene Teilchen umgeben. Daher kann die Doppelschicht nicht unmittelbar mit einer Leitfähigkeit verglichen werden, solange keine Scherung durch eine Strömung oder ein axiales E-Feld auftritt. Heute wird der Begriff ‘Oberflächenleitfähigkeit’ oft als kurze Umschreibung bzw. Anspielung an nicht genannte elektrokinetische Effekte und deren Folgeerscheinungen verwendet [87], [93]. Velkoff (1962) gibt eine Kurzbeschreibung der Doppelschichtpolarisation und einen Überblick über elektrokinetische Effekte [67]: An einer positiv geladenen Oberfläche lagern sich durch Adsorption negativ geladene Ionen an und bilden eine unbewegliche, ‘gebundene’ Schicht. Diese unbewegliche Ionenschicht induziert positive Raumladungen, die weit in das umgebende Fluid hineinreichen und die sogenannte diffuse Schicht bilden. Die Kombination aus der ‘gebundenen’ und diffusen Schicht nennt man elektrische Doppelschicht oder HelmholtzDoppelschicht. Diese entspricht zwei in Reihe geschalteten Kondensatoren verschiede-

32 ner Kapazität. Die Kapazitäten der ‘mikroskopischen’ Kondensatoren werden reziprok addiert [132]. So wird die effektive Dielektrizitätszahl von den Materialeigenschaften der festen Oberfläche und des Fluids bestimmt. Die relative Dielektrizitätszahl des Festkörpers und dessen Adsorptionseigenschaften sind entscheidend für die Ausprägung der ‘gebundenen’ Ionenschicht und die Stärke der Raumladungsdichte der diffusen Schicht. Daher kommen für eine ‘Oberflächenleitfähigkeit’ nur gut isolierende Werkstoffe in Frage, die eine natürliche (permanente) Polarisation besitzen. Hierzu zählen ferroelektrische Stoffe wie Bariumtitanat mit sehr hohen relativen Dielektrizitätszahlen ( ε r ≈ 3600 ) [138] und verschiedene Elektretmaterialien auf Kunstoffbasis (Plastik) [140]. Elektrete sind permanent polarisiert. Die Polarisation ist jedoch künstlich aufgeprägt. So kann aus dem vielfältig eingesetzten Teflon ein Elektret mit ausgeprägten Eigenschaften hergestellt werden. Ferroelektrika hingegen besitzen von Natur aus eine permanente Polarisation und damit die Fähigkeit elektrische Energie zu speichern. Ferroelektrika sind die natürlichen Gegenstücke von Ferromagneten im Magnetismus. Sie besitzen stets piezoelektrische Eigenschaften und zählen zu den sogenannten ‘exotischen’ Materialien mit großer Bedeutung im Bereich der Smart Technologies [138]. Ferroelektrische Materialien wie Barium-Strontium-Titanat ( ε r ≈ 10000 ) werden in Zukunft zur kommerziellen Entwicklung von Höchstleistungsrechnern mit Gigabit-Dram-Bausteinen verwendet [139]. Die Entwicklung nichttraditioneller, bionischer Rechner hat eine Bedeutung im Bereich ‘Künstliche Intelligenz’ und fortschrittliche Avionik-Technologie. Diese Entwicklung könnte zu ‘lebenden’ Maschinen führen, die wie biologische Organismen auch im zellulären Aufbau auf ferro- und piezoelektrische Materialien zur adaptiven Kontrolle zurückgreifen könnten. Die diffuse Doppelschicht kann durch die Bewegung des umliegenden Fluids (Strömung) geschert werden. Dabei nimmt das Fluid die Ladung an, die in der diffusen Schicht vorherrscht. In dielektrischen Fluiden oder Fluiden sehr niedriger Leitfähigkeit kann die Ladung nicht neutralisiert werden, so daß bei Scherung durch Ladungsverschiebungen hohe Spannungen aufgebaut werden können. Man spricht in solchen Fällen von Doppel- bzw. Grenzschichtpolarisation. In Bild 2.10 ist die HelmholtzDoppelschicht dargestellt. Loeb (1958) und Burgreen (1963) diskutierten weitere Aspekte [129], [130]. Die Doppelschicht hat die Dicke δ D . Velkoff (1962) gibt folgende Beziehung an [67]: δD =

ε0 ⋅εe ⋅ k ⋅T . 2 ⋅ n i ⋅ N ⋅ e2

(2.39)

Die Doppelschicht liegt im Bereich der viskosen Unterschicht von Strömungsrenzschichten. Die Geschwindigkeitsverteilung ist in der Doppelschicht linear, so daß gilt: u=

uD ⋅y . δD

(2.40)

33 Für die Wandschubspannung ergibt sich die Beziehung τW = µ ⋅

u du = µ⋅ D . dy δD

(2.41)

Nach der Doppelschichttheorie gibt es eine Potentialdifferenz zwischen dem Fluid und der geladenen Wand. Dieses Potential wird elektrokinetisches bzw. Zeta-Potential ζ genannt. Es wird entlang der Dicke der Doppelschicht linear angenommen, so daß ein elektrisches Feld ζ / δ D vorliegt. Allgemein gilt für den Zusammenhang zwischen Oberflächenladungsdichte- und Potentialdifferenz die Beziehung σS = ε 0 ⋅ ε r ⋅

U . d

(2.42)

Bei Doppelschichten wird nach Helmholtz die Konstante H=1/4 π berücksichtigt, so daß für die Oberflächenladungsdichte gilt: σS =

H ⋅ζ ⋅ ε0 ⋅ εe . δD

(2.43)

Die Gleichung (2.43) ergibt umgeschrieben für das elektrokinetische Potential ζ=

4 ⋅ π ⋅ δ D ⋅ σS . ε0 ⋅εe

(2.44)

2.3.2 Elektrophorese Elektrophorese ist definiert als die Bewegung geladener Teilchen durch elektrostatische Wechselwirkungen. In einem Coulomb-Feld gilt für die Kraft: FC =

q ⋅q 1 ⋅ 1 2 2 a . 4⋅ π ⋅ ε0 ⋅εr r

(2.45)

Die elektrische Kraft auf eine Ladung in einem elektrischen Feld wird beschrieben durch F =qE . (2.46) In einem konstanten elektrischen Feld gilt:

bzw.

F = q Ex

(2.47)

m ⋅ &&x = q E x .

(2.48)

34 Integration über x führt zu x& =

q ⋅ E x ⋅ t + C1 . m

(2.49)

Für t=0 folgt x& = 0 und damit C1=0, so daß gilt: x=

q ⋅ E x ⋅ t 2 + C2 . 2⋅m

(2.50)

Für t=0, x=0 und C2=0 vereinfacht sich (2.50) zu x=

q ⋅ Ex ⋅ t2 . 2⋅m

(2.51)

Velkoff (1962) schreibt, daß diese Gleichung der Bewegung eines fallenden Körpers in einem gleichförmigen Gravitationsfeld (nach Newton) entspricht. Es würde auch die (Kollisions-) Bewegung eines Ions in einem neutralen Gas beschreiben [67]. Der Zusammenhang zwischen konstantem E-Feld und Spannung ist die Beziehung Ex = −

dU = −∇U = const. . dx

(2.52)

Aus (2.52) folgt nach Integration U = − E x ⋅ x + C3 .

(2.53)

Für U=0 in x=0 folgt die bekannte Gleichung U = −Ex ⋅ x .

(2.54)

Die Variable x kann durch den Elektrodenabstand d ersetzt werden. Im Gegensatz zur Dielektrophorese ist die Bewegung geladener Teilchen nicht unabhängig von der Richtung des elektrischen Feldes, so daß eine Umpolung auch zu einer Umkehr der elektrophoretischen Bewegungsrichtung führt. Bei der Dielektrophorese ist die Bewegungsrichtung nur vom Feldgradient bzw. dessen Quadrat abhängig. In divergenten elektrischen Feldern treten beide Effekte gleichzeitig auf und können in polaren Fluiden bezüglich ihrer Intensität auch konkurieren [121]. Elektrophorese und Doppelschichtpolarisation hängen eng miteinander zusammen. Die tangentiale Bewegung (Scherung) von zwei Phasen ist nach Definition ein elektrophoretischer Prozess, wenn ein axiales E-Feld anliegt. Die elektrophoretische Geschwindigkeit wird beschrieben durch die Beziehung (vgl. (2.8)) u e = be ⋅ Ex

(2.55)

35 mit der elektrophoretischen Beweglichkeit be =

ζ ⋅ ε0 ⋅ εe . 4⋅ π ⋅µe

(2.56)

Die Scherung der diffusen Doppelschicht gehorscht den Gesetzen viskoser Strömungen. Die effektive Viskosität in der diffusen Doppelschicht ist jedoch eine unbestimmte Größe. Sie wird aufgrund der hohen Feldstärken und der Wechselwirkungen zwischen den Schichten größer sein als die Viskosität des neutralen Fluids [132]. Bier (1959) diskutiert die Erhöhung der Viskosität in elektrischen Feldern und zitiert die Beziehung von Andrade und Dodd (1946, 1951) dµ = f ⋅ E2 , µ

(2.57)

nach der die Viskosität dem Quadrat der Feldstärke proportional ist [132]. Die ‘Viskositätskonstante’ soll bei organischen Lösungen in der Größenordnung 2 ⋅10 −7 liegen. Bei Feldstärken von 106 Volt pro Zentimeter würde die Viskosität beträchtlich steigen [132] und sogar zur Bildung fester Schichten führen [138], [141]. Solche Feldstärken können in der Doppelschicht über einem permanent polarisierten Isolator mit hoher relativer Dielektrizitätszahl erreicht werden, obgleich die ‘Viskositätskonstante’ in Luft nicht in der vorher genannten Größenordnung liegen sollte. Das Thema Elektroviskosität wird im nachfolgenden Kapitel ausführlich behandelt. Es werden auch Untersuchungen in Luft unter Raumbedingungen vorgestellt und diskutiert, wie die Elektrovikosität zur Stabilisierung von Grenzschichten in Strömungen verwendet werden kann. Die elektrophoretische Scherung wirkt stabilisierend im Sinne der ersten Methode der günstigen Beeinflußung der mittleren Geschwindigkeit. Es könnten aber auch periodische Störungen der Grenzschicht in der viskosen Unterschicht induziert werden. Ein Teil der Ionen in der Doppelschicht könnte elektrophoretisch hin und her bewegt werden, wobei das statische Grundpotential bereits durch Scherung der Doppelschicht im Sinne der ersten Methode wirken sollte. Elektrophorese wird in großem Maße zur Trennung und Identifizierung von verschiedenen Substanzen wie Proteinen in der Biochemie verwendet [67], [132] und ist Grundlage biologischer Strömungen. Elektrohorese hat auch eine Bedeutung bei der Beschichtung von Oberflächen und für Ionenpumpen [67].

2.4 Elektroviskosität Die Elektroviskosität behandelt Veränderungen der Viskosität von Fluiden durch elektrische Felder. Im Temperaturbereich 79 K < T < 1845 K gilt für die dynamische Viskosität [142] s0 ⋅ T Ns . (2.58) µ= -s ⋅τ 1 + s ⋅ τ ⋅10 m2 1

36 In trockener Luft gilt für die Konstanten s, s0 und s1: s0=1,488⋅10 −6 ;

s=122,1 ;

s1=5 .

In Bild 2.11 ist die dynamische Viskosität über die Temperatur aufgetragen. Der bekannte Zusammenhang zur Wandschubspannung ist in (2.41) beschrieben. Für eine inkompressible laminare Grenzschicht ohne Druckgradient (einseitig benetzte Plattenströmung) gilt für die Wandschubspannung die Beziehung τW

l

 µ ⋅ρ⋅ u3  = 0,332 ⋅    x 

1/ 2

.

(2.59)

Der örtliche Reibungsbeiwert ist allgemein definiert durch cf =

τW . ρ⋅u2

(2.60)

Bis zu lokalen Reynoldszahlen um Rex=105 gilt nach (2.59) die Beziehung c f = 0,664 ⋅ (Re x )

−1/ 2

.

(2.61)

Der Gesamtreibungsbeiwert ist in diesem Fall: 1,328 Re

(2.62)

u ⋅ L u ⋅ L⋅ρ = . ν µ

(2.63)

cF = Re =

mit

Für inkompressible turbulente Grenzschichten ohne Druckgradient gilt für die Wandschubspannung die Näherungsgleichung τW

t

 µ ⋅ ρ4 ⋅ u 9  = 0,0296 ⋅    x 

1/ 5

.

(2.64)

Dobinski (1935) beobachtete, daß die Viskosität verändert (erhöht) werden kann, wenn in strömenden Flüssigkeiten ein elektrisches Feld angelegt wird. Die Erhöhung würde vom Quadrat der elektrischen Feldstärke und Grad der Verunreinigungen des Fluids abhängen, wobei geringste Mengen ausreichen würden [67]. In polaren Fluiden sei der Effekt besonders groß. Velkoff (1962) schreibt, daß für praktische Anwendungen stets ausreichende Konzentrationen an Fremdpartikeln vorliegen, daß ein ausgeprägter viskoser Effekt meßbar ist. Wasser als Dipolmolekül habe einen entscheidenden Einfluß auf nichtleitende Fluide und würde in den meisten praktischen Fluiden vorhanden sein [67]. In atmosphärischer Luft befinden sich stets große

37 Mengen an Wasser und verschiedener anderer Aerosole. Andrade und Dodd (1949) konnten die Experimente von Dobinski verifizieren und zeigen, daß der Effekt für dynamische Felder bis zu einer kritischen Frequenz (mehrere 1000 Hz) konstant bleibt und danach wieder abnimmt. Die kritische Frequenz nimmt mit zunehmendem Elektrodenabstand ab und ist vom Fluid abhängig. Dieses Verhalten läßt teilweise auf dielektrische Effekte schließen. Andrade und Dodd versuchten so auch die Erhöhung der Viskosität qualitativ durch eine Clusterbildung zu erklären. D.h. ein Ion wird durch polare Moleküle umgeben, so daß ein größeres, virtuelles Teilchen (Cluster) entsteht. Es gibt Analogien zu rheologischen Prozessen. Ein Teil der Viskositätserhöhung ist aber auf die sogenannte dielektrische Erwärmung zurückzuführen [56]. Elton (1948) führte Untersuchungen über weitere elektroviskose Effekte durch und zeigte Zusammenhänge zur Doppelschichtpolarisation und Elektrisierung in Rohr- und Kanalströmungen mit flüssigem Medium. Nach seiner Theorie würde die Viskosität in einer geladenen Flüssigkeit steigen, da das Scheren der Doppelschicht einen elektrischen Widerstand hervorrufe [55]. Er formulierte erstmals Beziehungen zwischen der Viskositätsänderung, dem Zeta-Potential und dem induzierten axialen E-Feld (Streaming-Potentialgradient). Stuetzer (1961) untersuchte die effektive Viskosität geladener Fluide und verwendete hierzu auch die experimentell verifizierten Ergebnisse von Elton (1948) über Zusammenhänge zu elektrokinetischen Effekten [64]. Stuetzer schreibt, daß Ladungen in einer Flüssigkeit oder einem Gas unter Einfluß eines selbstinduzierten (StreamingPotentialgradient) oder angelegten Felds die Viskosität erhöhen. Er stellt vereinfachte elektrohydrodynamische Grundgleichungen zur Beschreibung der Elektroviskosität auf und zieht diesbezüglich Vergleiche zur Magnetohydrodynamik. Zudem berichtet Stuetzer über einige experimentelle Versuche, die zeigen, daß die Injektion von Ionen in isolierende Flüssigkeiten oder Gase zu elektroviskosen Effekten erster Ordnung führen [64]. Im Gleichgewicht bewegt sich jedes Ion mit der Driftgeschwindigkeit v D und übt eine Reibungskraft auf das umgebende Fluid. Es gilt die Beziehung q ⋅E = q ⋅

vD − u . b

(2.65)

Falls ( v D − u ) negativ ist, so wird die Strömung gebremst. Im Fall einer positiven Differenz liegt eine sogenannte Ionenpumpe (ion drag pump) vor. In beiden Fällen wird Wärme produziert, die zu einer Erhöhung der Viskosität führt [64]. Die Volumenkraft (Druckgradient) auf eine Raumladung ist nach (2.11) σ ⋅ E . Für eine geladene Strömung in einem Kanal der Breite 2a leitet Stuetzer eine einfache Beziehung für die effektive elektrohydrodynamische Viskosität µ e her: σ ⋅ a2 µe = µ + . 3⋅ b Für eine laminare Strömung in einem Rohr mit Radius a gilt [64]:

(2.66)

38

µe = µ +

σ ⋅a2 . 8⋅ b

(2.67)

Es gilt allgemein [66] die Beziehung 2 1 σ ⋅a ⋅ . µe = µ + Z b

(2.68)

Der numerische Faktor Z hängt von den Randbedingungen der Strömung ab. Für MHD-Strömungen in einem Kanal der Breite 2a zitiert Stuetzer für die elektromagnetische Viskosität µ m die Beziehung µm = µ +

1 ⋅ c ⋅ a 2 ⋅ B2 . 15

(2.69)

Elton (1948) hatte in seiner mikroskopischen Theorie für die effektive Viskosität in EHD-Strömungen mit Doppelschichtpolarisation in einem Kanal der Breite 2a die nachfolgende Beziehung angegeben [55], [64]: 3 ⋅ ( ε 0 ⋅ ε e )2 ζ 2 µe = µ + . 2⋅σ ⋅ b ⋅a2

(2.70)

Geladene Fluide besitzen Raumladungen. In Doppelschichten befinden sich in der diffusen Ionenschicht ebenfalls Raumladungen. So vergleicht Stuetzer seine makroskopische Theorie, indem er das Zeta-Potential durch ein Potential ersetzt, welches von den Raumladungen zwischen der halben Kanalbreite a und den Wänden gebildet wird: ζ=

σ ⋅a2 . 2 ⋅ ε0 ⋅ εe

(2.71)

Wird (2.71) in (2.70) eingesetzt, so ergibt sich die Beziehung (2.66) für Z=8/3. In experimentellen Untersuchungen setzte Stuetzer Korona-Punktelektroden als Generatoren unipolarer Ionen ein. Stuetzer gibt für die Raumladungsdichte in Luft unter Raumbedingungen bei Koronaentladungen den mittleren Wert σ =10-4 A s / m3 an. Dies würde bereits zu gut beobachtbaren Effekten erster Ordnung führen [64]. Wird angenommen, daß die Wertigkeit der Ionen N=1 ist, so trägt jedes Ion die Elementarladung e=1,6 10-19 As. Nach Gleichung (2.9) ergibt sich für die Anzahl der Ionen ni: ni =

σ σ = . q N⋅e

(2.72)

Für eine unipolare Raumladungsdichte σ =10-4 A s / m3 als Folge einer koronalen Entladung liegt die Zahl der Ionen pro Volumeneinheit bei

39 n i = 1015 Ionen / m 3

(2.73)

oder

n i = 10 9 Ionen / cm 3

(2.74)

bzw.

n i = 10 6 Ionen / mm 3 .

(2.75)

Positive Ionen in Luft haben die Beweglichkeit b=1,4 ⋅10 −4 m² / Vs (vgl. (2.6)). Mit der Raumladungsdichte σ =10-4 As / m3 vereinfacht sich die Beziehung (2.68) für aerodynamische Anwendungen unter Raumbedingungen zu µe = µ +

a2  Ns  ⋅ 0,714  4  . Z m 

(2.76)

Die Gültigkeit dieser Beziehung wurde von Stuetzer nur für kleine Reynoldszahlen untersucht. Wird keine Doppelschichtpolarisation berücksichtigt so gilt für Rohrströmungen Z=8 und für rechtwinklige Kanalströmungen Z=3 [64]. Mit diffuser Ionenschicht wird der numerische Faktor kleiner. In einfach benetzten laminaren Plattenströmungen könnte die Variable a in Analogie zur Rohr- und Kanalströmung durch die Grenzschichtdicke δ ersetzt werden. Stuetzer (1963) konnte in den Sandia-Laboratorien experimentell für isolierende Flüssigkeiten demonstrieren, daß durch Injektion von Raumladungen bei kleinen Reynoldszahlen turbulente Strömungen relaminarisiert und Ablösungen der Grenzschicht verhindert werden [66]. Einige Experimente wurden in Glas-, Plastik- und Metallrohren mit kleinen Durchmessern (einige Zentimeter) sowie in rechtwinkligen Kanälen durchgeführt. Zur Visualisierung der Strömungszustände wurden Gasblasen eingeleitet [143]. Stuetzer schreibt, daß die Erhöhung der Viskosität durch Zufügen von Raumladungen die effektive Reynoldszahl (am Beispiel einer Rohrströmung mit Radius a) mindert, ohne die Strömungsgeschwindigkeit u zu ändern [66]: Re =

2⋅a ⋅ρ⋅ u . µe

(2.77)

Eine Reduzierung der effektiven Reynoldzahl durch elektroviskose Effekte entspricht einer Erhöhung der kritischen Reynoldszahl der freien Strömung. Daher ist die elektrohydrodynamische Methode in seiner Wirkung mit der thermischen Beeinflußung der Reynoldzahl vergleichbar [66]. Stuetzer konnte die Theorie der Elektroviskosität durch quantitative Untersuchungen in einem Metallrohr, in dessen Mittelachse in Strömungsrichtung ein feiner Koronadraht gespannt wurde, teilweise bestätigen. Es wurden die Druckgradienten an der Wand bei konstanter Geschwindigkeit gemessen und so die Druckverluste im Rohr bestimmt. In Bild 2.12 ist der Versuchsaufbau und die Druckmessungen dargestellt. Die Erhöhung der Viskosität führt in laminaren Strömungen (
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