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February 3, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Architektur
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Entscheidungshilfe durch Seminare

Sanieren oder Abreißen? In den kommenden zwei Jahrzehnten sollen laut einer Studie rund die Hälfte aller deutschen Wohngebäude saniert werden. Doch was ist sinnvoll, vertretbar und wirtschaftlich? Seminare sollen Bauingenieuren, Architekten und Vermietern bei der richtigen Entscheidung helfen. | Jens Nordmann

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› Viele Gebäudebesitzer wissen nicht, wann eine Sanierung technisch nicht mehr möglich oder ökonomisch nicht vertretbar ist. Manchmal bleibt nur noch der Abriss.

Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 35 Milliarden Euro werden Jahr für Jahr für die Sanierung von Gebäuden aufgewendet. Das entspricht in etwa den Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kinder- und Jugendhilfe bundesweit. Eine Ursache: etwa ein Drittel der rund 19 Millionen

Wohngebäude in Deutschland ist zwischen 1949 und 1978 gebaut worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte schnell und günstig Wohnraum geschaffen werden, Quantität ging vor Qualität. Heute muss ein Großteil dieser Häuser saniert oder sogar abgerissen werden.

Diese Ausgabe ist lizensiert für die Technische Akademie Wuppertal und unterliegt dem Copyright von Schiele & Schön. Eine Vervielfältigung oder Verbreitung außerhalb dieser Lizenz wird strafrechtlich verfolgt.

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Der Putz bröckelt von der Fassade, Wasserleitungen sind marode, der Keller feucht – ein klarer Fall: Es besteht Sanierungsbedarf. Laut Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) sollten in den kommenden 20 Jahren etwa die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland saniert werden – vor allem wegen der gestiegenen Anforderungen an die Objekte: Bestimmte Gebäude müssen an die verschärften Energieeffizienz-Standards der Energieeinsparverordnung angepasst und wärmegedämmt werden. Auch gesetzliche Brand- und Schallschutzregelungen spielen eine große Rolle. Immobilienbesitzer, Architekten und Bauingenieure stehen oft vor der Frage: Ist eine Sanierung im Bestand sinnvoll, vertretbar und wirtschaftlich? Oder gibt es Gründe, die für einen Abriss oder Teilabriss sprechen? Jörg Brandhorst, Bauphysiker und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, kennt diese Fragen aus seiner täglichen Arbeit. „Viele Hauseigentümer sind unsicher, welche Kosten für Sanierung und Instandhaltung auf sie zukommen. Und tatsächlich kann es sich je nach Bausubstanz und Alter der Haustechnik schnell um größere Summen handeln.“

Seminare bieten Praxistipps Brandhorst berät Bauingenieure, Architekten und Immobilienbesitzer in einem zweitägigen Seminar „Sanieren oder Abreißen“ an der Technischen Akademie Wuppertal (TAW) und erklärt, worauf es beim Thema ankommt. „Im Kurs geht es vor allem um Hilfestellungen in konkreten Fällen: Welche rechtlichen Punkte muss ich bei einer Sanierung oder einem Abriss beachten? Wofür kann ich Fördermaßnahmen beantragen? Und wie gehe ich vor, wenn meine Immobilie mit Schadstoffen belastet ist?“

Erst untersuchen, dann sanieren Eine Schadstoffbelastung ist ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, ein Gebäude zu sanieren. Brandhorst drückt es deutlich aus: „Schadstoffe in Wohnobjekten sind ein Dauerbrenner und sorgen für große Fragezeichen bei den Betroffenen.“ Seit den 1950er Jahren, als die Bauchemie Einzug in den Hausbau hielt, sind Millionen Häuser in Deutschland schadstoffbelastet. Der Wohnungsbau-Boom in den 1960er Jahren – mit Hunderttausenden billig und schnell gebauten Mietwohnungen – hatte die negative Folge, dass eine Reihe problematischer Materialien verbaut wurden, von Asbest in Dachtafeln bis zu Formaldehyd im Fußboden. „Viele Gebäudebesitzer wissen nicht, wann und

wo problematische Stoffe ins Haus eingebaut wurden, wie sie erkannt und gemessen werden können. Ich rate dazu, zunächst gründlich zu erfassen, wie hoch die Schadstoffbelastung ist. Andernfalls kann dies zu deutlich erhöhten Folgekosten führen, unabhängig von den gesundheitlichen Belastungen der Bewohner“, so Brandhorst. Weitere Folgen können ein Minderwert des Gebäudes sein oder auch hohe Abbau- und Entsorgungskosten. Zugleich haben auch Besitzer neuer oder frisch sanierter Immobilien mit Schadstoffbelastung zu kämpfen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegt, dass bis zu 30 Prozent der Haushalte in Europa ein zu feuchtes Innenraumklima haben. Schuld sind die modernen, praktisch luftdicht verschlossenen Gebäudehüllen. „Die hohe Luftfeuchtigkeit führt zu steigender Schadstoffbelastung. Wir stellen in Messungen dann oft erhöhte Konzentrationen von Formaldehyd fest“, berichtet Brandhorst. Parallel zur bauphysikalischen Komponente sieht der Bonner Sachverständige einen weiteren Grund in der heutigen Wohnstruktur. „Es gibt immer mehr Single-Haushalte und Berufstätige, die tagsüber unterwegs sind. Folge: Es wird zu wenig gelüftet. Perfekte Bedingungen für die Ausbreitung von Schadstoffen und Schädlingen.“

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„Konsequent gedacht sind 30 Prozent der Immobilien in Deutschland reif für die Abrissbirne“, so Jörg Brandhorst, Bauphysiker und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden.

Abriss als Alternative Wenn eine Sanierung technisch nicht mehr möglich oder ökonomisch nicht vertretbar ist, bleibt nur noch der Abriss. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) hat in einer Studie ermittelt, dass fast jedes achte Eigenheim abgerissen werden sollte. Jörg Brandhorst geht noch weiter: „Konsequent gedacht sind 30 Prozent der Immobilien in Deutschland reif für die Abrissbirne“. Tatsächlich korreliert diese Einschätzung mit Prognosen, etwa des Bundesinstituts für Stadtforschung, die von einem Rückgang der Haushalte von bis zu 3,8 Millionen von 2025 an ausgehen. „Bei dem erwarteten hohen Wohnungsleerstand sind Investitionen in die Sanierung stadtplanerisch und wirtschaftlich fragwürdig“, meint Brandhorst. Doch auch beim Abbruch von Gebäuden stehen die Besitzer oft vor vielen ungelösten Fragen – von den Formalitäten für die Bauaufsichtsbehörde bis hin zur Entsorgung des Bauschutts und der verbauten Schadstoffe. In den Seminaren der Technischen Akademie Wuppertal beantwortet Brandhorst diese Fragen dann. ‹

› Sanierung im Bestand Vor der Sanierung sollte eine Bestandsanalyse durchgeführt werden. Diese beinhaltet: › Lage des Objekts › Größe des Objekts bzw. möglicher Teil-Nutzungseinheiten › Gebäudehülle (ggf. Denkmalschutz beachten) › Haustechnik (Ist eine energetische Sanierung notwendig? Ist die Trinkwasserversorgung hygienisch einwandfrei?) › Umfeld (Stellplätze, Straßenanbindung, öffentlicher Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten etc.) › Nutzungsmöglichkeiten (Wohnen, Büro etc.)

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Buch-Tipp: Sanieren oder Abreißen, Jörg Brandhorst/Norbert Bogusch, Fraunhofer IRB Verlag, 2013.

Jens Nordmann › Dipl.-Ing. (FH); Studium der Elektrischen Energietechnik, FH Dortmund, gelernter Energieanlagenelektroniker; seit 2001 Produktmanager für elektrotechnische Seminare; Bautechnik/Baumanagement bei der Technischen Akademie Wuppertal

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