YOU`LL Never walk alone - Theater und Orchester Heidelberg

January 8, 2018 | Author: Anonymous | Category: Kunst & Geisteswissenschaften, Musik
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YOU‘LL Never walk alone Themenheft Ein Themenheft des Theatermagazins DIE DEUTSCHE BÜHNE in Zusammenarbeit mit dem Theater und Orchester Heidelberg

Ensembletheater am Theater und Orchester Heidelberg

Foto: Kalle Kuikkaniemi

Premieren 2015|16 Musiktheater

Schauspiel

Le nozze di Figaro

Unschuld

von Wolfgang Amadeus Mozart ab 18. September 2015 Musikalische Leitung Elias Grandy Regie Nadja Loschky

von Dea Loher ab 01. Oktober 2015 Regie Brit Bartkowiak

Hänsel und Gretel

von Ray Bradbury ab 10. Oktober 2015 Regie Viktor Bodó

von Engelbert Humperdinck ab 24. Oktober 2015 Musikalische Leitung Dietger Holm Regie Clara Kalus Deutsche Erstaufführung

Didone abbandonata

von Leonardo Vinci / Georg Friedrich Händel ab 05. Dezember 2015 Musikalische Leitung Wolfgang Katschner Regie Yona Kim

Pym

Uraufführung

von Johannes Kalitzke ab 18. Februar 2016 Musikalische Leitung Elias Grandy Regie Johann Kresnik

Der fliegende Holländer

von Richard Wagner ab 09. April 2016 Musikalische Leitung Elias Grandy Regie Lydia Steier

La bohème

von Giacomo Puccini ab 29. Mai 2016 Musikalische Leitung Gad Kadosh Regie Andrea Schwalbach

Kiss me, Kate

von Cole Porter ab 25. Juni 2016 Musikalische Leitung Dietger Holm Regie Holger Schultze

Hexenjagd

von Arthur Miller ab 30. Juni 2016 Regie Isabel Osthues

Tanz

Fahrenheit 451

SILVER

von Nanine Linning ab 14. November 2015

Pfirsichblütenglück

Uraufführung

von Gesine Schmidt ab 03. Dezember 2015 Regie Markolf Naujoks

Unframed #3

Uraufführung

Der Abend junger Choreografen ab 08. Juli 2016

Junges Theater

Die Ratten

From Zero to Hero?!

von Gerhart Hauptmann ab 12. Dezember 2015 Regie Holger Schultze

Wir sind die Neuen

Uraufführung

Uraufführung

nach Ralf Westhoff ab 14. Februar 2016 Regie Christian Brey

Ensembleprojekt ab 19. September 2015 Regie Sarah Victoria Wagner

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch von Michael Ende ab 08. November 2015 Regie Natascha Kalmbach

Richard III.

von William Shakespeare ab 09. März 2016 Regie Elias Perrig

Michael Kohlhaas

nach Heinrich von Kleist ab 09. Dezember 2015 Regie Obid Abdurakhmanov

Die Verwandlung nach Franz Kafka ab 16. April 2016 Regie Britta Ender

Stadt Land Flucht (at)

Uraufführung

Mahlzeit Uraufführung

von Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris ab 23. April 2016 Regie Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris

Der Mann aus Oklahoma

Uraufführung

von Bernhard Studlar ab 13. März 2016 Regie Markolf Naujoks

Freund Till, genannt Eulenspiegel

von Katrin Lange ab 15. Juni 2016 Regie Franziska Theresa Schütz

von Lukas Linder ab 29. April 2016

Theater und Orchester Heidelberg Intendant Holger Schultze, Theaterstraße 10, 69117 Heidelberg Theaterkasse Theaterstraße 10, ✆ 06221 | 5820 000, Mo-Sa 11-18 Uhr www.theaterheidelberg.de

YOU’LL Never walk alone Ensembletheater am Theater und Orchester Heidelberg

Ein Themenheft des Theatermagazins DIE DEUTSCHE BÜHNE in Zusammenarbeit mit dem Theater und Orchester Heidelberg und INSPIRING NETWORK

DIE deutsche

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Schauspiel Tanz Musiktheater Reportage

Fotoessay

Schauspieler in der Maske Gegenüberste

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Machtspiele mit Shakespeare

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86. Jahrgang | Septem ber 2015 | H 4724 Österreich 8,50 € E | Deutschland 7,00 | Schweiz 12,60 CHF €

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Abgehoben: Streic hquartett mit Heliko ptern

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

ENSEMBLETHEATER Vorwort

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Liebe Leserinnen und Leser Ensembletheater – was ist das? An vielen Theatern ist die Arbeit mit einem Ensemble selbstverständliche Praxis. Wird darüber gesprochen, stellt man schnell die Einzigartigkeit des deutschsprachigen Theatersystems fest. Nirgends auf der Welt ist die Theaterlandschaft so vielfältig und reich, nirgends gibt es flächendeckend so viele öffentlich geförderte Theaterensembles wie in Deutschland. Das ist eine historisch gewachsene Errungenschaft, auf die wir zu Recht stolz sind und die wir nicht missen möchten.

Foto: Annemone Taake

Auf der anderen Seite ist die Praxis des Ensembletheaters schon längst nicht mehr selbstverständlich. Etatkürzungen haben manche Ensembles bis zum Skelett eingedampft. Doch mit einem Skelett ist schlecht Theater spielen. Die entstehenden Lücken mit Gästen aufzufüllen ist eine fragwürdige Lösung. Auch wenn sie sich zunächst verlockend anhören mag: Es sei effektiver, genau diejenigen Künstler für ein paar Wochen zu engagieren, die man für eine bestimmte Produktion braucht. Und durch Kooperationen mit unterschiedlichen Künstlern und Gruppen könne man der immer stärkeren Differenzierung des Publikums und der angebotenen Formate besser gerecht werden als mit einem festen Ensemble. Fragwürdig sind diese Lösungen meines Erachtens deshalb, weil dadurch die unverwechselbare Einzigartigkeit jedes einzelnen Theaters verloren geht. Darum glaube ich an das Ensemble als Herz des Theaters: das, was ein Theater ausmacht und es von allen anderen Theatern unterscheidet. Ausschlaggebend für mein Theaterverständnis ist der Dia­ log mit dem Publikum. Dialog funktioniert aber bloß dann, wenn man sein Gegenüber in seiner Identität wahrnimmt und wenn man auch selbst eine Identität entwickelt. Identität entsteht jedoch nicht dadurch, dass man zusammenkauft, was auch andere kaufen können. Das Ensemble des Theaters und Orchesters Heidelberg gibt es nirgendwo zu kaufen. Das gibt es bloß in Heidelberg. Es ist die Identität unseres Theaters.

Darum ­glaube ich an das ­Ensemble als Herz des ­Theaters: das, was ein ­Theater ausmacht und es von allen ­anderen ­Theatern ­unterscheidet

Wir würden uns freuen, wenn uns mit diesem Heft eine exem­ plarische Dokumentation über das Ensembletheater gelungen wäre. Wir laden Sie ein, liebe Leserinnen und Leser, uns über die Schulter zu schauen bei unserer Arbeit, von der ersten Idee für ein Stück bis zur laufenden Vorstellung („fertig“ ist eine Aufführung ja nie) – und zu hören, wie andere uns wahrnehmen. Zum Beispiel der Opernregisseur Peter Konwitschny, der in der vergangenen Spielzeit in Heidelberg die große Johannes-Harneit-Uraufführung „Abends am Fluss“/„Hochwasser“ inszeniert hat. Er spricht mit Bezug auf diese Inszenierung vom Ensemble als Utopie einer ganzheitlichen Theaterarbeit. An dieser Utopie wollen wir auch weiterhin mitwirken. Viel Spaß!

Holger Schultze, Intendant Theater und Orchester Heidelberg

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ENSEMBLETHEATER Inhalt

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

INHALT

18 MUSIK WILL EINE GANZHEIT

Peter Konwitschny, einer der wichtigsten Regisseure unserer Zeit, über Inszenieren als Lebenszeit, falsches Startheater und Chordirektoren als Koregisseure. Ein Interview

VON ANFANG AN EIN ZUHAUSE 12

Die Sopranistin Irina Simmes trat in der Spielzeit 2012/13 ihr erstes Engagement am Theater und Orchester Heidelberg an. Über ihren Start in die Profilaufbahn in der geschützten Atmosphäre des Ensembles

24 UNSERE VEREINBARUNG

Der Intendant des Heidelberger Theaters Holger Schultze über Ensemblepflege, flache Hierarchien, die steigende Belastung Einzelner und Mülltonnen im Innenhof. Ein Interview

DIE EWIGE SUCHE 40

Für einen Operndirektor gehören Reisen und die Suche nach Sängern zum Arbeitsalltag. Wie plant man mit einem Ensemble von nur 12 festen Sängern und einem Gästeetat von 180000 Euro? Ein Praxisbericht

DAS ENSEMBLE SICHTBAR MACHEN 30

Die Architekten Sibylle und Felix Waechter betreuten die Sanierung des Heidelberger Theaters. Über die Chance, in der historischen Altstadt ein nach außen und innen hin offenes Haus zu schaffen

Fotos: Gülay Keskin (1), Kangmin Justin Kim (1), Tobias Kruse (1), Kalle Kuikkaniemi (1), Florian Merdes (1), Thomas Ott (1), Annemone Taake (7)

EINLEITUNG 08

Detlef Brandenburg, Chefredakteur des Theatermagazins DIE DEUTSCHE BÜHNE, über die Prinzipien Ensembletheater und Produktionstheater

ENSEMBLETHEATER Inhalt

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

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DAS REGIME 50 DES NEUEN

Eventschuppen oder Ensembletheater? Sich dem Regime des Neuen hingeben? Schauspieldramaturgin Lene Grösch und Intendant Holger Schultze über Kreativität und Innovationsdruck im Theaterbetrieb

58 GETANZTE SYNERGIE

Nanine Linning, Leiterin der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg, und ihr Dramaturg Phillip Koban über interdisziplinäres Arbeiten, Kontinuität und Beleuchter als Mittänzer

NEUGIER AUF ANDERE 66

Das multikulturelle Ensemble des Heidelberger Jungen Theaters hat auch Einfluss auf den Spielplan, Mehrsprachigkeit wird zum Konzept. Eine Einschätzung von Viktoria Klawitter und Franziska-Theresa Schütz

74 VERTRAUEN INS

70 ABONNIERT AUF REIHE 8

IMPERFEKTE

GMD Elias Grandy und der 1. Kapellmeister Dietger Holm über Chancen, Selbstzweifel und glückliche Verbindungen im Ensemblemusiktheater. Ein Gespräch mit der Musikdramaturgin Julia Hochstenbach

Annette Trabold hat langjährige Erfahrung mit dem Theater und Orchester Heidelberg: als Abonnentin, Alt-Stadträtin und 2. Vorsitzende des Theater-Freundeskreises. Anmerkungen einer Zuschauerin

78 DER GEMEINSAME

82 NEUANFANG ALS

HERZSCHLAG

TRADITION

Als Mitglied des Extrachores beschreibt die Psychologin Elisabeth Hutter die Probenarbeit zu Johannes Harneits „Abends am Fluss“: Welche Motivationsformen funktionierten? Was heißt geteilte Aufmerksamkeit?

VORWORT 05

Der Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg, Holger Schultze, glaubt an das Ensemble als Herz des Theaters. Und an den Dialog mit dem Publikum

Im sanierten Heidelberger Theater steckt die Erinnerung an EnsembleLeistungen aus mehr als dreißig Jahren. Von Volker Oesterreich, Feuilletonchef der Rhein-Neckar-Zeitung

ENSEMBLE UND AUTOREN 88 Die künstlerischen Mitarbeiter der Sparten Schauspiel, Musiktheater, Tanz, Junges Theater sowie die Autoren dieser Dokumentation

IMPRESSUM 94

MITARBEITER 96 THEATER HEIDELBERG

Alle Mitarbeiter vor, neben und hinter der Bühne: Leitungsteam, Orchester, Chor, technisches Personal und Werkstätten

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ENSEMBLETHEATER Einleitung

Jeder Handgriff im Team muss sitzen: Bühnentechniker des Theaters und Orchesters Heidelberg bei der Arbeit

Wachstum braucht ein gutes Klima Ensembletheater und Produktionstheater werden immer wieder als unvereinbare Prinzipien hingestellt. Dabei können sie sich sehr gut ergänzen. Allerdings nur, wenn ihre jeweiligen Stärken gepflegt und entwickelt werden. Das fordert beim Ensemble eine ganz besondere Liebe und Sorgfalt Text_Detlef Brandenburg

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

ENSEMBLETHEATER Einleitung

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Foto: Florian Merdes

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Ein Riss geht durch die Theaterwelt: Hier die schlanken, in ihrer Organisation ganz auf die einzelne Produktion zugeschnittenen Häuser, wo die beteiligten Künstler gezielt für eine bestimmte Inszenierung zusammengestellt werden, diese in ein paar Wochen erarbeiten und am Ende der Vorstellungsserie, nach der Dernière, weiterziehen. Dort die Ensemblehäuser, die mit einem festen Künstlerstab ein Repertoire erarbeiten und dieses in mehr oder minder breiter Verteilung über eine Saison zeigen. Im letzten Frühjahr ist dieser ewige Streit wieder neu entbrannt: Als der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner den belgischen Theatermann und Avantgarde-Kurator Chris Dercon zum Nachfolger von Frank Castorf als Intendant der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz bestellte, da flammte der Riss zwischen den beiden Arbeitsweisen blendend auf, lichterloh beleuchtet von den Verteidigern des einen wie des anderen Prinzips. Renner fand es ohne tiefere Begründung irgendwie schick, den alten Tanker Volksbühne zu einem hart am ästhetischen Wind segelnden Trendliner umfunktionieren zu lassen. Die CastorfFraktion schnaubte was von einer „Eventbude“ (Claus Peymann) und rockte die gute alte Volksbühne unversehens zum

Inbegriff des deutschen Ensembletheaters hoch. Da staunte der Laie, und der Fachmann wunderte sich.

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duktionsprinzip längst nicht so neoliberal und Event-beliebig, wie seine Kritiker behaupten. Im Grunde genommen ist übrigens Castorfs Volksbühne sogar der beste Beweis dafür, wie gut beides zusammenpasst. Denn die Stärke der Volksbühne war ja gerade ihre Vielfalt: hier das grandiose Schauspielerensemble um Frank Castorf, das aber an den Rändern bald ausfranste, weil sich einerseits einige aus der Kerngruppe anderen Aufgaben zuwandten und andererseits neue Mitglieder und Gäste hinzukamen; dort die von den Dramaturgen Matthias Lilienthal und Carl Hegemann „kuratierten“ Gastgruppen, von denen aber einige – die MarthaProduktionstheater ler-Truppe, die Schlinund Ensembletheater gensief-Bande bis hin erscheinen immer zur Meg-Stuart- oder früwieder in einem her der Johann-Kresnikschiefen Licht. Dabei Compagnie – irgendist das Ensemble viel wann einfach dablieben besser als der Ruf, oder zumindest so regelder ihm manchmal mäßig vorbeischauten, angehängt wird – und dass sie mehr oder mindas Produktions- der zur Familie gehörprinzip längst nicht so ten.

neoliberal und Eventbeliebig, wie seine Kritiker behaupten

Der Zwist verrät vor allem eines: dass besagter Riss seine Existenz nicht zuletzt auch den Wahrnehmungsdefiziten auf der einen wie der anderen Seite verdankt. Anders gesagt: Der Anschein der unversöhnlichen Gegensätzlichkeit von Produktionstheater und Ensembletheater – wie wir die beiden Prinzipien hier verkürzt nennen möchten – ist eher ideologischer als sachlicher Natur. Und er wirkt auch deshalb so tief, weil vor allem in der kulturpolitischen Diskussion etliche Büchsenspanner unterwegs sind, die sich von ideologischen Grabenkämpfen argumentative Vorteile versprechen. In der Folge erscheinen sowohl das Produktionstheater wie das Ensembletheater immer wieder in einem schiefen Licht. Dabei ist das Ensemble viel besser als der Ruf, der ihm manchmal angehängt wird – und das Pro-

Sachlich betrachtet, können sich beide Prinzipien sehr fruchtbar ergänzen. Aber warum dann überhaupt ein Heft über Ensembletheater herausbringen? Ganz einfach: Ergänzen können sie sich nur so lange, wie sie ihre Stärken ungehindert ausspielen können. Denn Ergänzung setzt Verschiedenheit voraus. Und nur aus Differenz entsteht Reichtum. Gerade das gute alte Ensembletheater ist aber in den letzten Jahrzehnten ins Fadenkreuz geraten. Erst ins Fadenkreuz der forschen Effizienzoptimierer, die das Theater ohne Rücksicht auf ästhetische Verluste dem Spardruck der Politik anpassen wollen. Und dann ins Fadenkreuz der Differenzierungs-Enthusiasten, die an einem Haus immer mehr ästhetische Handschriften für immer neue Zielgruppen anbieten und die dazu nötigen

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ENSEMBLETHEATER Einleitung

Künstler möglichst kurzfristig und möglichst bunt zusammenwürfeln wollen. Gerade im Musiktheater ist aber auch die innere Erosion der Ensembles ein großes Problem. Hier sind insbesondere große Häuser immer mehr dazu übergegangen, für wichtige Partien regelmäßig medienprominente Gäste zu engagieren und nur noch die kleinen, die „Wurzen“, aus dem Haus zu besetzen. Dadurch ist in den Ensembles mitunter eine Art Zweiklassengesellschaft entstanden: Eine Inszenierung wird mit dem eigenen Ensemble vorbereitet, die großen Partien werden zunächst mit sogenannten Cover-Besetzungen ebenfalls aus diesem Ensemble geprobt. Und irgendwann erscheint der Star und wird in einem konzentrierten Arbeitsprozess eingewiesen. Dass diese Praxis mit einem anspruchsvollen Regiekonzept kaum vereinbar ist, liegt auf der Hand. Vor diesem Hintergrund lohnt es, wieder einmal nachdrücklich auf die Stärken des Ensembles aufmerksam zu machen. Und daran zu erinnern, dass noch immer viele deutsche Stadt- und Staatstheater diesem Prinzip ihre besondere ästhetische Kraft und Identität verdanken: in Kiel oder in Bremen, in Augsburg oder in Ingolstadt, in Stuttgart oder in Kassel, in Potsdam oder in Weimar. Oder am Theater und Orchester Heidelberg, mit dem DIE DEUTSCHE BÜHNE dieses Sonderheft zum Thema Ensembletheater gemeinsam herausgebracht hat. Aber beginnen wir dort, wo die Argumentation am einfachsten ist: bei den eifrigen Effizienzoptimierern im Kielwasser der kulturellen Sparpolitik, die im Produk­ tionshaus die preiswertere und obendrein auch ästhetisch innovativere Alternative zum Ensemble sehen. Man konnte das gerade wieder am Beispiel der sogenannten Rostocker „Theaterreform“ beobachten, die das Volkstheater dazu verdonnerte, seine vier Sparten nach dem schönen Prinzip 2 plus 2 zu „erhalten“. Wobei „plus 2“ allerdings bedeutet: Tanz und Musiktheater werden nicht mehr am eige-

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Wahrheit. Denn das ProduktionstheaterModell impliziert durchaus und ganz konkret, dass sich die Institution Theater sehr viel weitgehender als beim Ensembletheater aus der Entwicklung und Pflege der Eine Sängerin Künstler, die die Kunstmöchte ein Kind form Theater am Leben und danach ihren beruflichen Wieder- erhalten, verabschiedet. Ein Sänger ist unsicher, einstieg organisiewelche Partien für die ren? Soll sie doch nen Haus mit eigenem sehen, wie sie klarEntwicklung seiner StimEnsemble produziert, son- kommt. Das sind die me am besten sind? Das dern dazugekauft. Dahin- Konsequenzen einer muss er schon selber herter steckt die Annahme, Haltung, die aus ausfinden! Ein Schauspiedie Ensembletheater bür- Effizienzgründen ler fragt sich, mit welchem Regisseur er sein persönlideten sich mit ihren fest das Ensemble zu angestellten Künstlern fi- diskreditieren sucht ches künstlerisches Potennanzielle Verpflichtungen zial am besten fördern und soziale Lasten auf, die doch die Künstkann? Soll er’s doch ausprobieren! Ein Sänger fühlt sich nicht mehr wohl in seiler viel besser allein tragen könnten. Warum Künstler fest anstellen, wenn sie doch nem Fach, weiß aber nicht, ob er wechseln auf Zeit viel billiger sind? Und warum soll? Warum sucht er sich keinen Gesangsnicht überhaupt gleich komplette Prolehrer?! Eine Tänzerin zweifelt, ob ihre Trainingsmethode zu ihr passt? Ihr Pro­ duktionen einkaufen, statt sie selber zu blem! Eine Sängerin möchte ein Kind und produzieren? danach ihren beruflichen Wiedereinstieg organisieren? Soll sie doch sehen, wie sie In diesem Zusammenhang lohnt es, klarkommt. Das sind die Konsequenzen sich klar zu machen, was es konkret einer Haltung, die aus Effizienzgründen heißt, das feste Ensemble als Basis der Prodas Ensemble zu diskreditieren sucht. duktion abzuschaffen (wie das in weiten Teilen Italiens, Frankreichs, Englands und Mit all diesen in nahezu jeder KünstAmerikas längst geschehen ist). Zunächst mal ist es natürlich eine sowohl sprachlilerkarriere virulenten Problemen che wie auch semantische Abkürzung, sind die Künstler ohne ein festes Enwenn wir hier die Begriffe Produktionssemble in hohem Maße alleingelassen. Während in einem funktionierenden Entheater und Ensembletheater einander gegenüberstellen. Denn auch im Ensemblesemble die Dramaturgen, der Hausregistheater-Modell ist die Produktion und seur, der GMD, die Chefchoreographin, damit die Aufführung vor Publikum der die vertrauten Kollegen, die KorrepetitoEndzweck allen künstlerischen Fleißes. ren, Spartendirektoren und natürlich Und natürlich kümmert sich auch das auch die Leitung des Hauses als AnProduktionstheater nicht nur um Produksprechpartner zur Verfügung stehen (solltionen, sondern auch um die, die sie auf ten). Ohne so ein Ensemble muss sich ein die Bühne bringen – und engagiert sogar frei arbeitender Sänger sein Beratungsgelegentlich dieselben Künstler regelmänetzwerk privat aufbauen. Das aber kosßig wieder, sodass auch hier eine partielle tet Zeit, es entsteht meist erst in der BeKontinuität möglich wird. Trotzdem rufspraxis – deshalb stehen gerade junge steckt in der Suggestion, dass das ProdukKünstler, die so ein Netzwerk am nötigstionstheater sich primär um Produktioten bräuchten, ohne Ensemble oft sehr nen kümmert, mehr als nur ein Körnchen alleingelassen vor ihren Problemen.

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Ohne die Ensembles als Keimzellen der persönlichen künstlerischen Entwicklung wäre der Verschleiß an ästhetischem Talent, den sich das Theater leistet und zum Teil vielleicht auch leisten muss, noch viel größer. Darauf hat im Interview mit der DEUTSCHEN BÜHNE (DdB 7/2015) unlängst auch der neue GMD der Hamburgischen Staatsoper, Kent Nagano, hingewiesen: „Wenn Sie mit Plácido Domingo sprechen, mit José van Dam, Christa Ludwig und mit so vielen anderen heute berühmten Sängern – die sprechen alle mit großer Dankbarkeit von der Zeit, in der sie fest in einem Ensemble waren und sich dort entwickeln konnten. Sie sprechen von ,ihrem Haus‘. Dieser Hafen, wo man in Ruhe seine Technik entwickeln, sein künstlerisches Profil aufbauen, wo man einfach Erfahrungen sammeln kann in einem geschützten Kontext – alle diese großen Sänger betonen, wie wichtig das für sie war.“

für kleinere Häuser, die sich zwar keine teuren Sänger, Schauspieler und Tänzer leisten, die aber solche Prozesse geschickt steuern und stimulieren können, liegt hier ein enormes Potenzial, mit dem sie selbst größere, stärker auf Gäste setzende Häuser durchaus überflügeln können. Wie solche Ensemblepflege genau funktioniert, kann man sehr detailliert im Beitrag des Heidelberger Operndirektors Heribert Germeshausen nachlesen. Und die Tatsache, dass die Künstler ständig am Haus sind, dass sie am Ort wohnen und fürs Publikum wiedererkennbar sind: All das steigert die Präsenz des Theaters in der Stadt und ermöglicht dem Publikum die Identifikation mit „seinen“ Künstlern (mehr dazu im Beitrag der langjährigen Heidelberger Theaterfreundin Annette Trabold). Im Idealfall greift die Vertrauensbasis oder das gute „Betriebsklima“ des Ensembles dann auf das Publikum über. Und diese Vertrauensbasis kann auch ästhetische Zumutungen Aber auch jenseits solcher Talententtragen und dabei helfen, zeitgemäße wicklung ist das Ensemble ungemein neue oder umstrittene Theaterformen wertvoll: als Brutkasten einer gedeihlian die Zuschauer zu vermitteln. Und sie chen ästhetischen Entwicklung, die eben kann verbreitert werden durch Begleitnicht mit dem Abspielen der einzelnen programme aller Arten, die Künstler und Produktion immer wieder abbricht. In Publikum zusammenführen: in Schulen diesem Heft schildert die Heidelberger und im Theater, bei Festen und Diskus­ Sopranistin Irina Simmes diese Prozesse sionen, Festivals und regelmäßigen Matisehr anschaulich. Aus der Vertrautheit neen, Einführungsveranstaltungen und der Künstler heraus, aus einer sich über After-Show-Meetings. Wie soll es all das viele Produktionen hinweg entwickelngeben, wie soll all das entstehen, wenn den Synergie der bedas „Ensemble“ nach jeteiligten Individuen der Show schon wieder Eine Vielfalt über weg ist? kann eine ästhetische Festivals, Theatertage Intensität entstehen, und Kooperationen Richtig ist zweifellos, die weit mehr ist als bieten, ohne dabei dass das Hinzu-Engagedie Summe der einzeldie Ensemblepflege ment von externen nen Talente. Gerade als Identitätskern des Künstlern und GrupTheaters zu vernach- pen die Theatervielfalt lässigen, das ist das einer Stadt bereichern Erfolgsgeheimnis des kann. Aber das ist immer Theaters Heidelberg eine gekaufte Vielfalt, die auch andere einkaufen könnten und die sich nie so spezifisch, kontinuierlich und intensiv auf eine Stadt beziehen kann wie ein festes Ensemble.

ENSEMBLETHEATER Einleitung

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Genau das ist die Lehre, die man aus Castorfs Zeit an der Berliner Volksbühne ziehen muss, und offenbar haben sie sowohl Castorfs Nachfolger Chris Dercon wie auch Dieter Dorns Nach-Nach-Nachfolger Matthias Lilienthal an den Münchner Kammerspielen genau so gezogen: Die Vielfalt durch Kooperation mit unterschiedlichsten Gruppen und Künstlern ist etwas Wunderbares. Wir brauchen sie, um einer sich immer heterogener ausdifferenzierenden Gesellschaft entsprechend ausdifferenzierte Theaterangebote zu machen. Aber sie bliebe ort- und gesichtslos ohne den Kern eines fest engagierten und gut gepflegten Ensembles. Genau das ist das Erfolgsgeheimnis des Theaters Heidelberg, das über Festivals, Theatertage und Kooperationen mit externen Gruppen einen für die Größe des Hauses wirklich enormen Reichtum an unterschiedlichen Theaterformen bietet, ohne darum die Ensemblepflege als Identitätskern des Theaters zu vernachlässigen. Deshalb fanden wir es lohnend, unseren Lesern das „Prinzip Ensemble“ in einem gemeinsam mit dem Theater und Orchester Heidelberg entwickelten Themenheft nahezubringen. Wir würden uns freuen, wenn wir auf diese Weise andere mit unserer Begeisterung für das Ensemble anstecken könnten. Und wenn sie dann vielleicht auch ein bisschen besser gewappnet wären gegen die ideologischen Parolen der kulturpolitischen Vereinfacher und Büchsenspanner.

DER AUTOR Detlef Brandenburg ist Chefredakteur

des Theatermagazins DIE DEUTSCHE BÜHNE.

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ENSEMBLETHEATER Oper

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Von Anfang an ein Zuhause Die lyrische Sopranistin IRINA SIMMES hat am Theater und Orchester Heidelberg ihr erstes Festengagement. Sie beschreibt, wie der Kreis der vertrauten Kollegen ihr beim Einstieg in die professionelle Laufbahn geholfen hat Text_Irina Simmes

ENSEMBLETHEATER Oper

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Fast so entspannt wie daheim: Das Foto entstand beim Covershooting für das Theatermagazin DIE DEUTSCHE BÜHNE

Foto: Tobias Kruse

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

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ENSEMBLETHEATER Oper

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Irina Simmes als Konstanze in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ (oben links), backstage (Mitte), privat (unten links) sowie als Rosalinde in Johann Strauß’ „Fledermaus“ (großes Foto) gemeinsam mit Annemarie Herfurth (Korrepetitorin) und Winfrid Mikus

Fotos: Laurenziu (5 sw, diese Seite und oben links und darunter), Florian Merdes (oben)

Ich war sehr glücklich, in dieser traumhaften Stadt zu sein! Ein sanfter Einstieg sozusagen

Ein Sopran hinter und auf der Bühne: Irina Simmes als Rosalinde in der „Fledermaus“ (links) …

Von der „Entführung“ waren 30 Vorstellungen geplant, und so bekam ich die Chance, mir diese Rolle wirklich zu eigen zu machen

… gemeinsam mit Róbert Farkas und Ipˇ ca Ramanović …

… wieder als Rosalinde in Johann Strauß’ „Die Fledermaus“ …

… als Adela in „Rumor“, einer Oper in fünfzehn Bildern von Christian Jost …

… als Violetta Valéry gemeinsam mit Jesús García (Alfredo Germont) in Verdis „La traviata“ …

Da war plötzlich eine ganz neue, eine andere Energie in unserem gemeinsamen Spiel: direkt rein in die Situation! Ohne Berührungsängste, ohne besondere Vorsicht

Fotos: Florian Merdes (2)

Fotos: Tobias Kruse (2, oben rechts)

Foto: Annemone Taake

… und als Pilade in der deutschen Erstaufführung „Iphigenie auf Tauris“, ein Dramma per musica in drei Akten von Tommaso Traetta

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ENSEMBLETHEATER Oper

D

Der Einstieg in mein erstes Festengagement in Heidelberg war für mich wirklich eine sehr positive Erfahrung. Zuvor hatte ich ja schon für eine Spielzeit das Opernstudio im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen besucht, wo ich Fachpartien wie die Musetta in „La Bohème“ übernehmen durfte. Auch in meiner Studienzeit in Essen konnte ich ein paar Hauptpartien mit Orchester singen, sodass ich mich bereits ein bisschen einschätzen konnte. Das war sehr wichtig für mich, da mein Engagement in Heidelberg mit der Rolle der Konstanze aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ beginnen sollte. Da musste ich schon sehr gut überlegen und in mich hineinhorchen, ob ich der Aufgabe gewachsen war. Doch schon vor Beginn der Proben zur „Entführung“ konnte ich bei den Heidelberger Schlossfestspielen in einem Konzert mitwirken. Dabei lernte ich schon mal ein paar der Kollegen und das Orchester kennen. Die Atmosphäre bei den Konzerten im Sommer dort oben auf dem Schloss ist immer so herrlich, und ich war sehr glücklich, in dieser traumhaften Stadt zu sein! Ein sanfter Einstieg sozusagen. Dann begann die Probenzeit für die Mozart-Oper. Von der „Entführung“ waren 30 Vorstellungen über zwei Spielzeiten geplant, und so bekam ich die Chance, mir diese Rolle wirklich zu eigen zu machen. Das ist einer der Vorteile, wenn man in einem Ensemble singt und nicht nur als Gast ein paar wenige Vorstellungen übernimmt. Aber eben auch eine große Aufgabe!

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Mein damaliger Gesangslehrer, Saverio Suarez Ribaudo, spielte bei dieser Entscheidung eine sehr wichtige Rolle. Wir hatten 2012 gerade begonnen, miteinander zu arbeiten, als ich das Angebot für die Konstanze bekam. Ich wollte es sehr gerne wahrnehmen, jedoch nur unter der Bedingung, dass er mein Mentor ist. Sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht zugesagt. Ich wusste, dass in der ersten Spielzeit zwei große Fachpartien auf mich zukommen würden. Im Endeffekt waren es dann sogar drei. Einen Lehrer zu finden, der alle Parameter jeder Stimmlage kennt und nicht lockerlässt, der weiß, was Vor allem unser die Herausforderungen einer Partie sind und wann man welche singen Operndirektor sollte, der bei den Vorstellungen ist Heribert und zuhört, das ist ein Geschenk! Germeshausen Bei der Konzeptionsprobe war ich ist für mich eine schon aufgeregt. Die Situation war Vertrauensmir zwar bereits bekannt, aber der person. Wir geschützte Rahmen des Opernstudios haben das Glück, war ja nicht mehr vorhanden. Bereits mit ihm einen am Abend fand meine erste Probe Chef zu haben, mit dem Kollegen Michael Pietsch der mit uns aus dem Heidelberger Schauspielenlange im Vorfeld semble in der Rolle des Bassa Selim das kommende statt, und ich muss sagen, dass ich unRepertoire glaublich viel gelernt habe durch die bespricht Arbeit mit einem Schauspieler. Ich habe mir viele Gedanken gemacht über die Rolle der Konstanze in dieser extremen Situation: Sie ist entführt, schon wer weiß wie lange, ist heimatlos, verzweifelt, verstört. Das als totale Anfängerin glaubhaft darzustellen ist nicht leicht. Die junge Regisseurin Nadja Loschky hatte für Konstanze eine Art Isolationshaft vorgesehen, sodass ich fast alle Proben immer mit dem Bassa-Selim-Schauspieler allein hatte. Wir waren in einer intimen Probensituation, dadurch war der Raum, Dinge auszuprobieren und an die eigenen Grenzen zu gehen, auf jeden Fall gegeben und wurde auch von uns allen genutzt. Auch die sehr junge, tolle Dirigentin Mirga Gražinyte ˙-Tyla hatte ihren Spaß daran, zu experimentieren. Wir konnten uns dann gut einigen, wenn sie zum Beispiel fragte, ob der Bassa in der ersten Arie der Konstanze vielleicht besser doch nicht gleich das halbe Bühnenbild zerlegen müsse, sodass wir es dann bei seinen Schmerzensschreien beließen. Nein, im Ernst: Das war eine besondere Arbeit, die mich schauspielerisch sehr viel weitergebracht hat. Wir Sänger sind halt immer mit einem Teil der Aufmerksamkeit

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Es ist auf jeden Fall sehr hilfreich, sich als Anfängerin in einem konstanten Umfeld zu bewegen, in dem man Vertrauen aufbauen kann

bei der Musik, bei unserer Stimme, unserem „Instrument“. Ein Schauspieler dagegen kann sich hundertprozentig auf die Szene einlassen. Auf dieses intensive Spiel zu reagieren hat meiner Interpretation sehr viel gebracht. Meine Sorge, die Not der entführten Konstanze nicht darstellen zu können, war schon nach der ersten Probe verflogen. Als der Huldigungsmarsch für Bassa Selim beginnen sollte, meinte die Regisseurin ganz locker zu Michael Pietsch: „So, jetzt bringst du sie mal in die Halle“ (das Bühnenbild war eine Fabrikhalle, die Pa­ rallelwelt des Bassa Selim). Und dann verband er mir die Augen, zerrte mich grob in den Raum und warf mich auf den Boden. Da war plötzlich eine ganz neue, eine andere Energie in unserem gemeinsamen Spiel: direkt rein in die Situation! Ohne Berührungsängste, ohne besondere Vorsicht. Da war ich der Konstanze schon einen großen Schritt näher. In der Produktion spielte ich auch zum ersten Mal mit dem Tenor Namwon Huh, der zusammen mit mir engagiert wurde. Mittlerweile haben wir schon viermal das lyrische Paar auf der Bühne darstellen können, und es ist natürlich sehr schön, wenn man sich schon kennt – gerade wenn man Liebesszenen spielen soll. Wenn man ein gutes Team ist, kann sich im Ensemble das Zusammenspiel sehr gut entwickeln. Hinzu kommt, dass man sich mehr mit der Stadt identifizieren und auch einen Bekanntenkreis unter Kollegen aufbauen kann. Es ist auf jeden Fall sehr hilfreich, sich als Anfängerin in einem konstanten Umfeld zu bewegen, in dem man Vertrauen aufbauen kann. Man hat im besten Falle Kollegen, die einem zur Seite stehen und zu denen man Vertrauen hat. Im Heidelberger Ensemble ist die Anzahl der Sänger nicht so groß, und jeder hat sein bestimmtes Repertoire. Wenn man zum Beispiel noch zwei, drei Kolleginnen desselben Fachs „im Nacken“ hat, dann ist das sicherlich eine andere Situa­ tion. Da kann ein Konkurrenzkampf entstehen, der natürlich auch zu diesem Beruf gehört und in gewissem Maße auch notwendig und produktiv sein kann. Aber als Einsteiger empfinde ich es in den ersten Spielzeiten doch als sehr gut, noch nicht diesen enormen Druck zu haben, sondern ein harmonisches Um-

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feld und Ruhe für die stimmliche und letztendlich auch persönliche Entwicklung. Vor allem unser Operndirektor Heribert Germeshausen ist für mich eine sehr wichtige Vertrauensperson. Wir haben das Glück, mit ihm einen Chef zu haben, der mit uns lange im Vorfeld das kommende Repertoire bespricht. Das ist ausgesprochen wichtig, um sich stimmlich gut und mit genügend Zeit auf große Partien vorzubereiten. Man profitiert in einem Ensemble davon, dass nicht nur die Leistung in einer einzelnen Partie wahrgenommen wird, sondern die eigene künstlerische Entwicklung insgesamt. Ich habe das große Glück, hier ein relativ stringent zusammengestelltes Repertoire zu singen, worauf ich aufbauen kann und was es natürlich auch erlaubt, nach außen hin ein bestimmtes Profil im Repertoire vorzuzeigen. Zudem macht unser Operndirektor es uns, wenn es irgendwie geht, möglich, attraktive Gastengagements wahrzunehmen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber beide Seiten, sowohl die Sänger im Ensemble als auch das Haus, können davon viel profitieren. Es ist doch toll zu sehen, dass die Sänger eines Ensembles so gut sind, dass sie auch anderswo gefragt sind. Und für uns ist es unbedingt notwendig, ein Netzwerk ausbauen zu können. Diese Art der Zusammenarbeit macht ein Engagement im Ensemble sehr wertvoll. Eine Besonderheit sind für mich auch die Barockfestspiele Winter in Schwetzingen des Heidelberger Theaters. In zwei Barockopern habe ich dort mitgewirkt. Das frühklassizistische Schlosstheater von 1752 hat eine so wunderschöne, intime Architektur! Dort bekommen wir die Chance, uns mit einem stilistisch noch mal ganz eigenen Repertoire-Segment auseinanderzusetzen, was für die persönliche künstlerische Entwicklung sehr von Vorteil ist.

DIE AUTORIN Die Sopranistin Irina Simmes wechselte zur Spielzeit 2012/13

vom Opernstudio des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen in das Ensemble des Theaters und Orchesters Heidelberg.

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Musik will eine Ganzheit Herr Konwitschny, Sie kennen sehr viele Opernhäuser, große und kleine – wie haben Sie die Arbeit hier in Heidelberg erlebt? Die Arbeit war so, wie ich mir das nur wünschen kann, weil es immer um die Sache ging und nicht um irgendwelche Starallüren oder andere sachfremde Einflüsse. Die Sänger waren sehr gut vorbereitet, sowohl auf ihre Aufgabe wie auch auf die Arbeitshaltung, die mir wichtig ist: dass es nicht nur auf schönes Singen ankommt, sondern auf eine ganzheitliche Interpretation des Werkes. Das war für mich eine Freude von Anfang an.

Mehrere Wochen lang hat PETER KONWITSCHNY in der vergangenen Saison mit dem Heidelberger Opernensemble eine anspruchsvolle Doppelpremiere des zeitgenössischen Musiktheaters erarbeitet: Johannes Harneits große Oper „Abends am Fluss“ und sein komödiantisches Kammerspiel „Hochwasser“. Im Interview spricht er über seine Arbeit Interview_Detlef Brandenburg

Peter Konwitschny:

Ja. Und zu so einem Ensemble gehören nicht nur die Sänger. Die Chordirektorin Anna Töller zum Beispiel – so eine tolle Zusammenarbeit habe ich noch nie erlebt! Ich kenne Chordirektoren, die sich drücken vor ihrer ethischen Aufgabe, die beispielsweise darin besteht, den Chor auch mal auf die Disziplin anzusprechen. Und ich kenne gute Chordirektoren, die den Chor motivieren. Frau Töller aber, die hat mitgearbeitet wie eine Koregisseurin. Wenn irgendwo ein Problem auftauchte, wie man die Sänger positioniert, wie man mit bestimmten kompositorischen Fragen des Chor-

Peter Konwitschny:

Was Sie am Beispiel von Anna Töller be­ schreiben, ist ein Arbeitsethos, nach dem nicht nur jeder „seinen Job“ macht, son­ dern Verantwortung für das gesamte Un­ ternehmen übernimmt. Peter Konwitschny: Und so würde ich es mir immer wünschen. Aber das ist ja nicht nur mein persönlicher Wunsch, das ist etwas ganz Grundsätzliches. Wagner beispielsweise hat sich das auch gewünscht, oder Verdi: Wenn man Verdis Briefe liest, sieht man, wie verzweifelt er war, wenn die Sänger ihre Interessen über das Werk stellten. Das ist einerseits eine Frage an jedes einzelne Ensemblemitglied. Aber es ist auch eine Frage an die Leitung eines Hauses. Das muss von oben ausgehen. Und da muss ich den

Foto: Annemone Taake

Sie haben hier also ein Ensemble vorge­ funden, das von einer gemeinsamen Hal­ tung zur Sache getragen war?

satzes umgeht, da hatte sie immer gleich einen Vorschlag parat. Das ist eine ganz große Qualität von Ensemblearbeit: dass jeder sich einbringt mit dem, was er zum Ganzen beitragen kann.

Proben zum Doppelabend „Abends am Fluss“/„Hochwasser“, dessen Uraufführung Peter Konwitschny Anfang 2015 in Heidelberg inszenierte

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Szenische Probe zu „Abends am Fluss“/ „Hochwasser“ mit dem Komponisten Johannes Harneit, der auch die musikalische Leitung hatte

„Wir sind hier sechs oder acht Wochen zusammen, und die Hauptsache ist stets die Arbeit an einem Werk, das ist für mich was Wunderbares. Wer das kaputtmacht, weil er den Star raushängen lässt, der ist asozial.“

Kann man sagen, dass man dieses Ethos eher an kleineren Häusern findet?

An größeren Häusern hat man die berühmteren Sänger, man hat die größere mediale Wirkung … Aber ob das dann wirklich der Sache dient? Auch die mediale Resonanz hat aus meiner Sicht oft etwas Verlogenes. Für mich hat das Ethos des Ensembles viel mehr Wahrheit als ein Musiktheater, das mit Stars arbeitet und dann diese Riesenaufmerksamkeit bekommt. Plötzlich spielen da nämlich ganz andere Interessen eine Rolle, und das ist dem Geld geschuldet. Jeder will die größte Aufmerksamkeit, weil das wieder der Karriere dient, das heißt: weil sich diese Aufmerksamkeit in bare Münze umsetzen lässt. Das muss man wirklich im größeren gesellschaftlichen Zusammenhang sehen: Das ist ein System, wo das Geld unser Gott geworden ist. Da zählen andere Werte leider weniger. Und an den großen Häusern spielt das Geld einfach eine wichtigere Rolle. Das ist der Grund, warum es dort seltener vorkommt, dass man ein Erlebnis hat, das einen bereichert, wo eine Katharsis entsteht, wo etwas Positives für die Gesellschaft passiert. Peter Konwitschny:

Würden Sie so weit gehen, zu sagen, dass sich die Motivation, Geld zu verdienen, vor die Motivation schiebt, ein Kunst­ werk optimal zu verlebendigen? Peter Konwitschny: Das ist leider so. Und das merkt man sehr schnell. Man spürt einfach, ob die Leonore wirklich auf den Florestan fokussiert ist oder nur auf sich: Komme ich gut rüber, bekomme ich meine Aufmerksamkeit? Natürlich kann es an großen Häusern auch anders laufen. Ich habe ja in meinen Jah-

Fotos: Annemone Taake

Operndirektor Heribert Germeshausen erwähnen, der dieses ganze Projekt ja initiiert und alle so motiviert hat, dass hier diese tolle Arbeit stattfinden konnte. Er hat die Produktion auch besetzt, und zwar großartig besetzt! Er ist jemand, der ethisch einwirkt auf das Ensemble, sodass hier eben nicht so entfremdet produziert wird, dass jeder nur an sich denkt, an seine Arbeit, an seinen Job, dass jeder nur seine Tönchen singt. Hier kommt die Kraft aus dem gemeinsamen Wollen, aus der gemeinsamen Lust, dieses Werk, diese Noten, die auf dem Papier stehen, zu beleben. Deswegen würde ich sogar sagen: Hier in Heidelberg habe ich viel besser arbeiten können als beispielsweise an der Bayerischen Staatsoper. Da habe ich erlebt, wie sich eine Starsängerin, Waltraud Meier, meiner „Tristan“-Inszenierung verweigert hat. Und da war keiner, der sich zuständig fühlte, da stand ich ganz alleine, und das hatte zur Folge, dass dieser „Tristan“ nur halb gelungen ist. Ich behaupte, dass etwas Ähnliches hier in Heidelberg undenkbar wäre unter der augenblicklichen Leitung des Hauses. Und da ziehe ich allemal Arbeitsbedingungen wie hier in Heidelberg vor – da scheiße ich auf das Geld, das ich in München mehr kriege. Inszenieren, das ist meine Lebenszeit. Wir sind hier sechs oder acht Wochen zusammen, und die Hauptsache ist stets die Arbeit an einem Werk, das ist für mich was Wunderbares. Wer das kaputtmacht, weil er den Star raushängen lässt, der ist asozial.

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geschlossen, dass auf diese Weise eine Gruppe von Menschen entsteht, die gemeinsam etwas Spezielles erzählen wollen – nein, die wollen nur ihre schönen Tönchen über die Rampe bringen. Und die können gar nicht anders, als am Partner vorbei in die Kamera oder aufs Publikum zu gucken und sich darum zu sorgen, dass sie gut rüberkommen. Das ist system­ bedingt. Ich verstehe das sogar: Wenn die sich auf ihren Partner einließen und dann fliegen sie wieder woanders hin, wo sie mit einem anderen Partner singen – na, dann kommen die doch vollkommen durcheinander. Das heißt: Solche Sänger praktizieren eine entfremdete Art, Theater zu spielen.

„Ich sage dem Intendanten immer: Ich brauche Zeit. Und ein dummer Intendant sagt dann womöglich: Wieso denn, Sie sind doch ein toller Profi, und die Sänger, das sind doch auch Profis, das geht doch viel schneller …“

ren an der Hamburgischen Staatsoper eine wunderbare Zeit erlebt. Aber das lag auch dort daran, dass der damalige musikalische Leiter Ingo Metzmacher dafür gesorgt hat, dass Starallüren nicht zum Tragen kamen. Wir haben damals mit Stars gearbeitet, klar, aber entscheidend war, dass die sich eben nicht wie Stars benommen haben. Trotzdem glaube ich, dass an großen Häusern die Verführung zum falschen Startheater größer ist.

In einem echten Ensemble, wo die Sänger nicht nur für eine einzige Produktion zu­ sammenengagiert werden, ist ja auch die Arbeitsverabredung eine ganz andere: Man kennt den anderen, weiß zumindest mit ihm umzugehen. Und man weiß auch, dass man einander in der nächsten Produktion wiedertrifft. Die Motivation zum Gemeinsinn müsste hier größer sein. Natürlich. Wenn Sie „Tristan und Isolde“ proben, über Wochen, aber die Isolde ist die meiste Zeit gar nicht da, und wenn sie dann endlich kommt, dann haben Sie plötzlich einen Fremdkörper in der Inszenierung – ja, was soll dabei denn herauskommen?! Ich sage dem Intendanten immer: Ich brauche Zeit. Und ein dummer Intendant sagt dann womöglich: Wieso denn, Sie sind doch ein toller Profi, und die Sänger, das sind doch auch Profis, das geht doch viel schneller … Klar: Ich kann „Tristan und Isolde“ auch in drei Tagen inszenieren, aber dann kommt genau das dabei raus: Die Starsänger werden von überallher eingeflogen, man stimmt sich kurz ab, und dann singt jeder für sich allein. Es ist doch ausPeter Konwitschny:

Und wer steuert dieses Sys­ tem?

Peter Konwitschny: Letztlich das Geld, weil man auf diese Weise, wenn man gut im Geschäft ist, natürlich mehr Geld verdient, als wenn man sich für längere Zeit aneinander bindet. Aber ich muss es sagen: Dieses System wird auch gesteuert von geschmacklosen und dummen Menschen – von den Freunden der toten Oper. Die merken das ja nicht, die sind zu dumm. Oder nein: Die sind selbst entfremdet. Die wünschen sich, dass eine Inszenierung immer wieder mit Stars besetzt wird. Und das finden sie dann total toll – sogar wenn von der Inszenierung kaum noch was übrig ist. Bei diesem System ist ja noch nicht mal gewährleistet, dass der jeweilige Sänger den Regisseur überhaupt noch kennt. Es geht nur um den Star und gar nicht mehr um die Ganzheit der Oper. Und das ist doch umso entsetzlicher, weil es hier um Musik geht. Dann wird auch die Musik zur Lüge. Das ist wie bei manchen Stardirigenten, die sich wunderbar am Pult bewegen können, aber gar nicht mehr das umsetzen, was in der Partitur steht. Und das Publikum fällt drauf rein. Da wird nur noch Können oder vermeintliches Können bestaunt, das Können eines Einzelnen, obwohl doch die Musik eine Ganzheit will. Ich schwöre es Ihnen: Das ist nicht die Absicht der Komponisten gewesen! Hier in Heidelberg aber – da habe ich diese Ganzheit erlebt. Ganz und gar! Und ich fühlte mich aufgehoben in ihr. Ich hatte nie morgens beim Aufwachen diesen Bammel: Mein Gott noch mal, wie verklickerst du jetzt diesem Sänger, was er machen soll? Ich habe mich angenommen gefühlt als einer von ihnen, eben nicht: da der Regisseur, hier wir Sänger. 

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Szene aus „Abends am Fluss“/„Hochwasser“ mit Angus Wood (Mann), Irina Simmes (Frau), Chor und Extrachor

Ganzheit. Ja, und an diesen Rändern, wo ja auch Theaterarbeit „Die Wahrheit des Singens besteht stattfindet, da ist so ein ganzheitliches, humanes Miteinander doch nicht in der Perfektion. noch möglich. Ein Miteinander, Wenn dem Tenor genau in dem wo Zeit für Humor ist, für Tränen Moment die Stimme bricht, in Peter Konwitschny: Na ja – wenn des Glücks, Schauer des Entsetdem die Figur, die er darstellt, diese Gemeinsamkeit nicht da ist, zens … Da ist noch Raum für all existenziell am Ende ist, dann dass alle sich in den Dienst des diese menschlichen Emotionen, finde ich das hinreißend.“ Werkes stellen, dann merke ich, ohne die Sie so ein komplexes dass man dem Werk eben auch Werk wie eine Oper nicht umsetnicht mehr gerecht wird. Und das macht mir dann zen können. Da ist dann etwas möglich, bei dem es schon zu schaffen. Damals in Hamburg zum Beinicht nur um perfektes Singen geht, sondern darum, spiel: Ohne Ingo Metzmacher wäre keine der elf Indass im Singen der Mensch durchscheint. Das ist ja szenierungen so geworden, wie sie dann geworden auch so etwas, das dem System geschuldet ist: Es geht ist. Allein hätte ich das nicht durchsetzen können. nur noch um Perfektionismus. Ein Computer, der Allein bin ich machtlos. Und weil ich das weiß, macht bestimmt weniger Fehler als wir Menschen, macht es mir zu schaffen, wenn ich mich alleingelaswenn er ordentlich programmiert ist. Aber müssen sen fühle. Da kann es dann schon passieren, immer wir Menschen darum funktionieren wie Computer? noch, nach all den vielen Jahren und InszenierunZumal in der Kunst, auf der Bühne: Geht damit gen, dass ich Bammel habe. nicht die Wahrheit des Singens verloren? Die besteht doch nicht in der Perfektion. Wenn dem Tenor So wie Sie die Ensemblearbeit in den ge­ genau in dem Moment die Stimme bricht, in dem sellschaftlichen Kontext einer auf Geld die Figur, die er darstellt, existenziell am Ende ist, fixierten Gesellschaft projizieren, könnte dann finde ich das hinreißend. Wenn der das perfekt man ja fast sagen: Gelungene Ensem­ singt, und dann brüllt das Publikum bravo, das finde blearbeit ist die Utopie eines nicht vom ich geradezu pervers. Damit ist doch die ganze GeGeldwert bestimmten Lebens. schichte vergessen. Peter Konwitschny: Na ja, die Gesellschaft, in der wir leben, steht im Widerspruch zur ganzheitlichen Damit sind wir wieder bei den Freunden Existenz des Menschen und damit auch zum ganzder toten Oper … heitlichen Theater. Das ist aber nicht irgendwelchen Peter Konwitschny: Na ja, zum Glück gibt’s ja auch bösen Menschen geschuldet, sondern es ist das Sysdie Freunde der lebendigen Oper. Aber manchmal tem, das fortschreitet. Und es schreitet in den Zen­ würde ich mir wünschen, dass die sich ein bisschen tren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ledeutlicher artikulieren, dass die vielleicht auch mal bens am schnellsten fort. Je weiter weg vom Zentrum Briefe schreiben und ihre Werte verteidigen. Denn Sie sind, desto mehr bleibt noch übrig von dieser was die Freunde der toten Oper mir schon alles ge-

Foto: Annemone Taake

Das finde ich ja bemer­ kenswert: Sie sind nun wirklich ein berühmter Regisseur – und haben immer noch diesen Bam­ mel?

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schrieben haben, also, das war nicht ohne, das ging damals in Hamburg bis zur Liquidierung, das hat mich wirklich erschreckt. Und Ingo Metzmacher hat mir sicher gar nicht alles gezeigt, weil er mich schüt­ zen wollte.

Kommen wir noch mal zurück zum Ensemble als Utopie eines nicht entfremdeten Miteinander-Arbeitens: Manchmal gibt’s aber doch auch Krach in der „Familie“. Und es gibt ja auch in vielen Ensembles Geschichten von innig miteinander verfeindeten Sängern, von Eifersüchteleien, Missgunst … Peter Konwitschny: Ja, das ist richtig, und ich finde auch den Begriff der Familie nicht sehr geeignet, weil dem so etwas Reaktionäres anhängt. Ich würde eher vom Kollektiv sprechen – aber in der Sache än­ dert das nichts: Überall, wo Menschen zusammen arbeiten, kann es zu Konflikten kommen. Und wenn nicht alle bereit sind, mit diesen Konflikten kon­ struktiv umzugehen – na ja, dann werden die de­ struktiv, natürlich. Das habe ich in meiner Zeit in Halle erlebt. Da waren damals wunderbare junge Sänger. Aber es gab auch etablierte Sänger. Und da hat sich ein Teil des Ensembles gegen den anderen und auch gegen mich positioniert, ohne Rücksicht aufs gemeinsame Ganze. Das kann passieren, ja. Aber will man darum lieber Startheater machen? Wenn die dann nur kurz mal vorbeikommen, schnell ins Kostüm schlüpfen, um dann das Gleiche zu machen, was sie überall sonst auch machen – klar, wenn man das zulässt, funktioniert das reibungslos. Die haben ja gar keine Zeit, sich zu streiten. Aber das führt doch künstlerisch trotzdem zu nichts. Nein, ich finde, man muss auf dem Ideal der ganzheit­ lichen künstlerischen Arbeit bestehen. Und die Lei­ ter der Opernhäuser haben dafür die Verantwor­ tung, die müssen das durchsetzen – sie müssen ihre Mitarbeiter von ihrem besseren Ich überzeugen. Darum geht’s.

Das heißt: Ein Ensemble ist nichts, was von selbst entsteht, wenn die Sänger nur fest an einem Haus sind. Es muss gepflegt und gebildet werden. Na klar, das ist bei jedem Indi­ viduum und jedem Kollektiv so. Wenn man eine positive Entwicklung will, dann muss man die wol­ len, fördern und pflegen. Für mich ganz persönlich heißt das beispielsweise, dass es mir nicht nur darum Peter Konwitschny:

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geht, mit der Inszenierung meinen Ruhm zu meh­ ren, sondern dass ich eine Situation schaffe, in der alle mit Lust zusammenarbeiten. Weil alle spüren, dass ganzheitlich zu arbeiten uns erfüllt. Wenn wir alle am letzten Tag gefragt werden: Na, was haste denn gemacht in deinem Leben?, dann ist es doch ziemlich bitter, wenn man sagen muss: Na ja, ich habe hauptsächlich andere drangsaliert und betro­ gen, damit ich besser vorankomme. Ich finde, dass ich großes Glück habe, weil ich Lehrer hatte, die mir die Augen für diesen sozialen Aspekt unserer Arbeit geöffnet haben, und weil ich einen Beruf habe, der mir eine solche Arbeit ermöglicht. Manchmal frage ich mich, ob das Theater vielleicht die einzige Insel ist, wo das noch möglich ist. Wir dürfen spielen wie die Kinder, obwohl wir erwachsen sind. Wir können erwachsen werden, ohne die Unschuld des Kindes preiszugeben. Das ist doch großartig!

UNSER INTERVIEWPARTNER Peter Konwitschny (geb. 1945 in Frankfurt am Main) hat mit

seinen polarisierenden Inszenierungen an den großen europäischen Opernhäusern vor allem des deutschsprachigen Raums immer wieder kontroverse Diskussionen in den Feuilletons und der Öffentlichkeit angestoßen. Er ist einer der erfolgreichsten Opernregisseure seiner Generation. Als Sohn des Dirigenten und Gewandhaus-Kapellmeisters Franz Konwitschny wuchs er in Leipzig auf und studierte ab 1965 an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin Regie. In den 70er-Jahren Arbeit als Regieassistent am Berliner Ensemble, vor allem unter Ruth Berghaus Ab 1980 freier Regisseur, auch im Schauspiel 1986 bis 1990 Hausregisseur am Landestheater Halle Gastinszenierungen im Westen, so u. a. 1987 „Herzog Blaubarts Burg“ in Kassel Nach der Maueröffnung Arbeit u. a. in Graz, Leipzig und Basel, ab Mitte der 90er-Jahre zunehmend Wagner-Inszenierungen u. a. in München, Dresden, Stuttgart und Hamburg 1997 bis 2005 elf viel beachtete gemeinsame Arbeiten mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher an der Hamburgischen Staatsoper 2008 bis 2011 Chefregisseur an der Oper Leipzig Zahlreiche Auszeichnungen und Preise, Mitglied der Akademie der Darstellenden Künste.

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Unsere Vereinbarung HOLGER SCHULTZE, Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg, erklärt, was es heißt, ein Ensemble nicht nur zu haben, sondern auch zu pflegen Interview_Detlef Brandenburg

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Die Mitarbeiter des Theaters mit dem Heidelberger Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner und dem Intendanten Holger Schultze

Foto: Annemone Taake

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L

Lieber Holger Schultze, so ein Ensemble, wie Sie es als Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg Ihr Eigen nennen, ist doch ein purer Luxus, oder? 

Holger Schultze: Das ist zum Einstieg gleich eine klassische

Zwickmühle! Wenn ich jetzt mit „Ja“ antworte, wirkt das so, als ob ich in meinem dicken Intendantensessel sitze und mir ein dekadentes Hobby namens Ensemble leiste. Und wenn ich mit „Nein“ antworte (was ich natürlich gleich tun werde), bin ich sofort in der Defensive und muss begründen, warum Kultursubventionen so enorm wichtig für unsere Gesellschaft sind. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Die Stadt und das Land stellen eine bestimmte Summe Geldes zur Verfügung mit dem Ziel, Strukturen zu finanzieren, in denen Theater möglich ist. Unser Programm in Heidelberg mit über 40 Produktionen inklusive der Konzerte ist nur mit festen Ensembles zu verwirklichen. Es ist doch interessant, dass ein Haus wie die Volksbühne in Berlin mehrere Millionen zusätzlich bekommen wird, um

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sowohl freie Projekte als auch Ensemblearbeit zu realisieren. Ein festes Ensemble scheint billiger zu sein und ermöglicht eine kontinuierliche Arbeit in den Städten, insofern ist es ökonomisch alles andere als luxuriös. Nehmen Sie zum Beispiel unsere Entscheidung, wieder ein festes Tanzensemble in Heidelberg zu etablieren und nicht auf eine Kooperation in zwei Städten mit einer Tanzcompagnie zu setzen. Seit diesem Zeitpunkt hat der Tanz eine Auslastung von 99 Prozent, die Einnahmen steigen, und die Tänzer werden mit dem Theater Heidelberg identifiziert. Gleichzeitig erhält die kontinuierlich arbeitende Tanzcompagnie mehrere FAUST-Preisnominierungen, Preise und Gastspieleinladungen. Und im Schauspiel und in der Oper kommen namhafte Regisseure gerade wegen unserer Sänger und Schauspieler. Für mich ist die Arbeit mit einem Ensemble innerhalb eines künstlerischen Schutzraums genau deshalb kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um spannendes Theater zu machen. Der einzige Luxus, der mir dabei einfällt, ist die Tatsache, dass mir diese Arbeit zugegebenermaßen großen Spaß macht.

Dabei wird ja oft auch mit der künstlerischen Qualität argumentiert: Es sei doch viel toller, sich auf dem großen Markt der freien Sänger und Schauspieler für jede Partie und jede Rolle genau die Richtige oder den Richtigen zu holen, statt immer mit diesen Leuten aus dem Ensemble zu arbeiten, die alles können müssen und deshalb nichts richtig können. Stimmt das: Bekommt man durch gezielte Gastverpflichtung die bessere Qualität? Holger Schultze: Ein System, das ausschließlich mit Gästen arbeitet, funktioniert schon aus Kostengründen nicht, ein wechselndes Repertoire wäre so nicht möglich. Und in einem kleinen bis mittleren Stadttheater halte ich ein solches System auch aus künstlerischen Aspekten für problematisch. Aber ich habe den Eindruck, dass es in der aktuellen Diskussion gar nicht um

Fotos: Annemone Taake

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eine Entscheidung zwischen Ensemble oder Gästen geht, sondern um die Frage, wie man den Begriff des Stadttheaters erweitern und freie Produktionsformen mit der Idee eines Ensem­ bles verbinden kann. Die Diskussionen in Berlin an der Volksbühne oder an den Münchner Kammerspielen zeigen doch genau diesen Versuch. Und auch in Heidelberg ist unser Thema, wie man neben dem gängigen Repertoire andere Formate, partizipative Projekte und internationale Kooperationen realisieren kann. Doppelpass, das Förderprogramm der Bundeskulturstiftung, bei dem es darum geht, die Zusammenarbeit zwischen festen Häusern und freien Gruppen zu intensivieren, ist extrem konstruktiv. Aber auch über die jeweils geförderten zwei Jahre braucht es eine ständige Auseinandersetzung.

Im Ensemble kann es, wenn es gut gepflegt wird, unglaublich fruchtbare Entwicklungen geben, weil man sich immer besser kennenlernt, sich immer inniger miteinander eingroovt, Vertrauen fasst, auf dieser Basis immer intensiver interagiert – das schafft große künstlerische Potenziale sowohl in Hinsicht auf die Qualität wie in Hinsicht auf die Ausbildung eines individuellen künstlerischen Profils, das es so dann nur in Heidelberg gibt. Holger Schultze: Ensemble ist eine Vereinbarung zwischen Spielern und Theaterleitung. Oder auch ein gegenseitiges Versprechen. Auf der einen Seite braucht es die Lust des Einzelnen, sich über einen längeren Zeitraum hinweg auf ein Theater einzulassen, und auf der anderen Seite braucht es die Verantwortung einer Theaterleitung, den einzelnen Künstler zu fördern, aufzubauen und in ein Ensemble zu integrieren. Dabei ist es für die Sänger, Schauspieler und Tänzer ja gerade spannend, sich mit unterschiedlichen ästhetischen Formen auseinanderzusetzen und verschiedene Arbeitsweisen kennenzulernen. So hätte es Ihnen als Schauspieler in dieser Spielzeit in Heidelberg passieren können, dass Sie erst in einer realistischen Spielform in einem Stück von Bertolt Brecht besetzt gewesen wären, sich dann mit einem Rechercheprojekt über Afghanistan auseinandersetzen mussten, um anschließend mit dem Regisseur Milan Peschel in einer ästhetisch furiosen Arbeit „Die Kassette“ von Sternheim zu erarbeiten. Nebenbei hätten Sie im Heidelberger Stückemarkt mehrere Lesungen zeitgenös-

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sischer Stücke absolviert, um jetzt auf dem Schloss „Romeo und Julia“ zu proben. Aber hier liegt natürlich auch die Proble­ matik. Der Druck auf die Theater steigt, die Überlastung des Einzelnen nimmt zu, und dadurch entsteht häufig eine Si­ tuation, die einen verantwortungsvollen Dialog miteinander verhindert.  

Was bedeutet es vor diesem Hintergrund für Sie als Intendant ganz praktisch, ein Ensemble zu pflegen?

Holger Schultze: Die zentrale Frage ist doch, wie man in einem

Betrieb, der ökonomischen Zwängen ausgesetzt ist und oft überhitzt wirkt, Zeit bekommt, um wirklich miteinander zu reden und Vertrauen zu schaffen. In diesem Zusammenhang sind eine flache Hierarchie und der Versuch, strukturell auf die Bedürfnisse des Einzelnen und der unterschiedlichen Ensembles zu reagieren und Freiräume zu schaffen, von Bedeutung. So versuchen wir zusammen mit unserer Tanzchefin Nanine Linning, die Strukturen an die besonderen Arbeitsbedingungen der Tänzer anzupassen, oder im Schauspiel und in der Oper dem Einzelnen Freirunden, Gastierurlaube oder auch Drehtage zu „Der Druck ermöglichen, um nicht in auf die Theater der Routine des Alltags steigt, die unterzugehen.

Überlastung des Einzelnen nimmt zu, und dadurch entsteht häufig eine Situation, die einen verantwortungsvollen Dialog miteinander verhindert.“

Natürlich spielen auch die pragmatischen Rahmenbedingungen wie Probenzeiten oder Probebedingungen eine große Rolle. Bei all dem ist es die größte Aufgabe, Kommunikationsstrukturen zu finden, die einen regelmäßigen Austausch ermöglichen. Aber all das sind Versuche, die auch immer wieder das Scheitern beinhalten. Da brauchen alle Beteiligten viel Geduld und den Willen,

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dem Betrieb immer wieder Zeit abzutrotzen für eine fruchtbare Auseinandersetzung und Infragestellung der Strukturen.

formuliert werden, die für Sänger wie Schauspieler wegweisend sind und eine Gruppe miteinander verbinden. 

Was halten Sie von einer Mischung aus „echten“ Ensemblemitgliedern, die Sie vielleicht auch mal anderswo gastieren lassen, und Gästen, die dann vielleicht regelmäßig wiederkommen?

Die Tatsache, dass man lange miteinander umgeht, kann zu Vertrautheit führen, aber sie kann auch Animositäten zementieren, die im StagioneBetrieb schon deshalb begrenzt sind, weil man ja nach dem Abspielen der Produktion wieder ausein­andergeht. Wie reagiert man, wenn’s mal Krach in der Theaterfamilie gibt? Wie kann man das steuern?

Holger Schultze: Das ist in großen Teilen unsere Realität in

Heidelberg. Wir arbeiten mit einem festen Stamm von Gästen, die wir für einzelne Produktionen engagieren. Im Zentrum steht natürlich das Ensemble, aber es ist künstlerisch sinnvoll, immer wieder neue Impulse von außen dazuzuholen.

Als wir mal einen Schwerpunkt zum „Wir haben in Thema Ausbildung allen Sparten gemacht haben, haben sehr sorgsam uns viele junge Schaudarauf geachtet, spieler und Sänger daKünstler zu von erzählt, wie wertengagieren, voll es für sie gewesen die sich auf sei, in ein Ensemble zu das Theater kommen, wo jeder sich Heidelberg auch ein bisschen für einlassen und den anderen verantähnliche wortlich fühlt – und künstlerische zwar über die einzelne Ansichten Produktion hinaus. haben.“ Und dass individuelle künstlerische Entwicklungsprozesse dort über längere Zeiträume hinweg begleitet und gefördert werden. Das Ensemble als pädagogische Anstalt: Spielt das in Ihrer Arbeit eine Rolle? Holger Schultze: Neben Kontinuität und den selbstverständli-

chen Dingen wie respektvollem Umgang miteinander ist es sehr wichtig, unter welchen Aspekten man ein Ensemble zusammenstellt. Wir haben in allen Sparten sehr sorgsam darauf geachtet, Künstler zu engagieren, die sich auf das Theater Heidelberg einlassen und ähnliche künstlerische Ansichten haben. Und wir haben sowohl in der Oper als auch im Schauspiel ein Ensemble, in dem viele Generationen vertreten sind. Das ist leider gar keine Selbstverständlichkeit mehr, aus pragmatischen Kostengründen werden die Ensembles in der Tendenz leider immer jünger. Dabei gibt gerade die Altersdurchmischung die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, Erfahrungen auf verschiedenen Ebenen zu reflektieren und sich miteinander auszutauschen. Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die Regisseure, die mit einem Ensemble arbeiten. Inszenierungen von Peter Konwitschny, Milan Peschel, Viktor Bodó, Lorenzo Fioroni oder Nadja Loschky sind prägend, weil in ihren Arbeiten künstlerische Ansprüche

Holger Schultze: Konflikte gehören zum Alltag und können

nur individuell gelöst werden. Da habe ich leider auch kein Patentrezept. Aber man könnte Ihre Frage ja auch umdrehen: Wenn man genau weiß, dass man nach sechs Wochen wieder abreist, übernimmt man als Einzelner vielleicht auch weniger Verantwortung für die Atmosphäre an einem Haus? Streiten gehört nun mal dazu und im Theater sowieso. Das Gute daran ist doch: Je länger man jemanden kennt, desto besser kann man sich streiten und danach wieder versöhnen.  

Welches sind Ihre wichtigsten Partner bei der Ensemblepflege? Holger Schultze: Meine wichtigsten Ansprechpartner

sind der Operndirektor, die Tanzchefin, die Leiterin des Jungen Theaters und die Dramaturgen. Gemeinsam versuchen wir Formen zu finden, Transparenz und gute Kommunikation im Haus zu ermöglichen. Dramaturgen sind für Schauspieler wichtige Ansprechpartner, gerade, wenn es mal nicht rundläuft. Aber alle meine Spieler und Sänger haben natürlich auch meine Handynummer und wissen, dass sie sich jederzeit bei mir melden können, wenn sie Redebedarf haben.

In dem Moment, wo Ensemblepflege gelingt, hat man als kleineres Haus schnell den Ruf der Talentschmiede. Und dann kommen die großen Häuser und kaufen einem die Talente weg. Was kann man da zum Zusammenhalt des Ensembles tun? Holger Schultze: Das ist ein normaler Prozess am Theater. An-

fänger sollten sowieso nach ein paar Jahren wechseln, um neue Erfahrungen zu sammeln. In Heidelberg wurden Mitarbeiter an das Staatstheater Mainz, die Münchner Kammerspiele, das Nationaltheater Mannheim und das Staatstheater Nürnberg engagiert. Umgekehrt haben wir bei uns aber auch Ensemblemitglieder, die vorher an sehr viel größeren Häusern waren, in Berlin, Leipzig oder Hamburg, und das finde ich immer das schönste Kompliment an unser Theater. Solange die Fluktua­ tion nicht zu groß wird, und das ist bei uns definitiv nicht der Fall, sind diese Wechsel überhaupt kein Problem, im Gegenteil.

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Es tut doch eher gut, ab und zu neue Kollegen kennenzulernen, sowohl menschlich als auch künstlerisch.

Wie wirkt sich die dauernde Anwesenheit des Ensembles auf das Publikum aus: Werden die Schauspieler oder Sänger als „unsere Künstler“ wahrgenommen, als Menschen, deren künstlerische Entwicklung man als Zuschauer miterlebt, die man vielleicht irgendwann auch als Heidelberger Mitbürger und Mitmenschen wahrnimmt – und schätzt? Oder gibt es auch Abnutzungsphänomene, nach dem Motto: „Ach je, der schon wieder!“? Holger Schultze: Das ist sicher ein wichtiger Aspekt und

wird immer wieder als Argument für ein Ensemble im Stadttheater angeführt. Ob im Tanztheater, in der Oper oder im Schauspiel, die Zuschauer identifizieren sich in den Städten mit ihren Künstlern. Sie werden in Heidelberg auf der Straße angesprochen, die Leute gehen wegen bestimmter Künstler ins Theater und sind stolz auf ihr Ensemble. An Abnutzungserscheinungen glaube ich überhaupt nicht, dazu bekommen wir viel zu viel Rückmeldung, die genau das Gegenteil bestätigt.

Wenn man vom Ensemble redet, denkt man zuerst nur an Sänger, Schauspieler, Tänzer. Aber wer gehört denn noch alles zu einem guten Ensemble, wer prägt seine Entwicklung? Holger Schultze: Letzten Endes geht es immer um das

gesamte Haus. Wie gelingt es, Technik, Beleuchtung, Maske, Kostüm und andere Gewerke dazu zu bringen, sich zusammen mit den Künstlern für das große Ganze zu engagieren und sich mit dem Theater zu identifizieren? Bei einem Eisberg sind vier Fünftel unter der Wasseroberfläche und unsichtbar, und im Theater schaut es doch ganz ähnlich aus, hinter jedem Künstler, der auf der Bühne steht, sind gleich mehrere, die unsichtbar für ihn arbeiten. Und wenn die schon abends keinen Applaus bekommen, ist es das Mindeste, ihnen ab und an zu zeigen und zu sagen, dass sie eine tolle Arbeit machen, ohne die überhaupt nichts funktionieren würde. Ich erlebe in Heidelberg in allen Abteilungen ungewöhnlich motivierte Mitarbeiter. Aber nur dadurch, dass künstlerisches und nichtkünstlerisches Personal an einem Strang ziehen, ist das tägliche Pensum überhaupt durchführbar, das ist ganz oft eine Gratwanderung. Besonders verbindend sind spartenübergreifende Produktionen wie die Oper „Echnaton“ von Philip Glass, die von Nanine Linning zusammen mit Sängern und Tänzern inszeniert wurde. Da entstehen oft besondere Momente, die davon erzählen, was Ensemble heißen kann.

Intendanten, deren Bühnen sich auf verschiedene Spielstätten verteilen, die womöglich auch noch in un-

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terschiedlichen Stadtteilen liegen wie in Bonn, Köln oder Kiel, klagen gelegentlich darüber, wie schwer es ist, unter solchen Bedingungen eine gute Ensemblekultur aufzubauen. Sie haben das Glück, in diesem sanierten Haus zu sitzen, wo alles unter einem Dach ist. Prägt auch so ein Haus das Klima des Ensembles? Holger Schultze: Unbedingt. Natürlich ist es eine außerge­

wöhnliche Situation, gemeinsam einen Theaterneubau im Zen­ trum der Stadt zu eröffnen. Architektur hat eine sehr konkrete Bedeutung für die Atmosphäre eines Ortes, sowohl nach innen als auch nach außen. Abgesehen davon, dass das Heidelberger Theater durch seine zwei Bühnen ein ungeheuer attraktiver Spielort ist, konnten wir uns in der Planung gemeinsam Gedan„Ob im Tanz­ ken machen, wie man Arbeitsstrukturen in diesem Gebäude theater, in der verbessern kann. An vielen Oper oder im Stellen ist uns das auch gelunSchauspiel, die gen, aber natürlich nicht an Zuschauer idenallen. Wir haben zum Beispiel tifizieren sich in einen sensationellen Innenhof, den Städten mit die Schnittstelle zwischen ihren Künstlern. Werkstätten, Büros und BühSie werden in ne, eigentlich der perfekte Ort, Heidelberg auf um Menschen aus jeweils ander Straße an­ deren Abteilungen zu begeggesprochen, die nen, zu reden, sich auszutauLeute gehen schen. Leider ist dieser Ort die wegen bestimmeinzig denkbare Möglichkeit, ter Künstler unsere Mülltonnen zu lagern, ins Theater und und das sind im Theater ja sind stolz auf durchaus einige. Dieser tolle ihr Ensemble.“ Innenhof ist fast komplett zugestellt, und wir sind vor allem im Sommer alle neidisch auf das exklusive Umfeld unseres Mülls. Sie sehen: Irgendetwas zum Jammern gibt es immer. Aber das kann man in Heidelberg wirklich nur auf sehr hohem Niveau.

UNSER INTERVIEWPARTNER Holger Schultze war von 2005 bis 2011 Intendant am

Theater Osnabrück. Seit Beginn der Spielzeit 2011/12 ist er Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg. Er ist Mitglied im Vorstand der Intendantengruppe sowie seit 2011 Vorsitzender des künstlerischen Ausschusses im Deutschen Bühnenverein.

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Die Sanierung des Heidelberger Theaters durch das Architekturbüro Waechter + Waechter von 2008 bis 2012 bot die Chance, im historischen Ensemble der Altstadt ein nach außen und innen hin offenes Haus zu schaffen. Als Architekten schreiben Felix und Sibylle Waechter über die Aufgabe, künstle­rischer Kreativität einen Raum zu geben Text_Felix und Sibylle Waechter

Foto: Thomas Ott

Das Ensemble sichtbar machen

„Nach dem Theater ist vor dem Theater. Trügerische Ruhe draußen – innen läuft der Betrieb auf Hochtouren weiter …“ Sonja Zirkler, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Theater und Orchester Heidelberg

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Bernd Blaß, Betriebsingenieur, Theater und Orchester Heidelberg

Fotos: Thomas Ott (2)

„Baufortschritt bei nächtlicher Beleuchtung: Die Phantasie füllt die Schatten mit der noch fehlenden immensen Technik.“

„Das Leben ist eine Baustelle. Eine Baustelle für ein Theater ist ein Zeichen für lebende Kunst. Kunst ist ein Lebensmittel.“ Peter Eickholt, Dipl.-Ing., Architekt, Bausachverständiger im Auftrag der Theater- und Orchesterstiftung

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„Der MarguerreSaal symbolisiert in schönster und akustisch vortrefflicher Weise zu Theaterarchitektur geronnenes Bürgerengagement.“ Heribert Germeshausen, Operndirektor und leitender Dramaturg Oper, Theater und Orchester Heidelberg

„Probebühne. Erinnert mich an Tabori: ,Eine leere Bühne ist eine Stätte der Schönheit, besonders am ersten Probentag. Warum? Weil noch nichts schiefgegangen ist.‘“ Jürgen Popig, leitender Dramaturg Schauspiel, Theater und Orchester Heidelberg

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„Unser Alter Saal ist eine wundervolle Reminiszenz an den Spätklassizismus – und der beste Ort für Elektropartys beim Stückemarkt: Historisches im Hier und Jetzt!“ Holger Schultze, Intendant, Theater und Orchester Heidelberg

„Hier fühle ich mich wohl, hier bin ich zu Hause: Das Foyer verbindet Alt und Neu, Intern und Extern, Besucher und Mitarbeiter.“

Fotos: Thomas Ott (4)

Nadine Wagner, Service für Besuchergruppen, Theater und Orchester Heidelberg

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Die Lage des Theaters ermöglicht es, das Haus als kulturellen Mittelpunkt der Stadt zu gestalten und zu öffnen – nicht als Musentempel, sondern als einen offenen Marktplatz. Wie ein Passepartout rahmt die Fassadenstruktur das alte Theater sowie die vier denkmalgeschützten und in den Theaterbetrieb zu integrierenden historischen Bürgerhäuser, sodass diese in ihrer Wirkung gesteigert werden. Die Fassadenstruktur ermöglicht eine natürliche Belichtung aller Bereiche; zugleich öffnet sich das Theater auf diese Weise schaufensterartig zum Straßenraum hin. Durch die neue Wegeverbindung zwischen der begleitenden Theater- und Friedrichstraße entlang der Werkstätten ist diese Öffnung noch weiter erfahrbar. Transparent, nicht gläsern, ist der Theaterbetrieb im öffentlichen Raum sichtbar. Es kann Einblick genommen werden in Foyer, Werkstatt, Musik- und Proberäume. Je nach Blickrichtung und perspektivischer Verkürzung wirkt der Bau zugleich aber auch steinern und fügt sich so in die Materialität der Altstadt ein. Der Einblick macht neugierig auf das Theater, ermöglicht eine Sneak-Preview, eine Art Amuse-Gueule auf kommende Inszenierungen, somit eine Werbung für das Haus ganz ohne die üblichen Mittel. Mit der Öffnung ist gleichzeitig das Ensemble des Theaters – auf wie hinter der Bühne – im Stadtraum präsent. Aus der Begegnung des Passanten mit dem Mitarbeiter entsteht eine neue Identifikation mit dem Theater – für die Mitarbeiter ebenso wie für die Passanten eine neue, zunächst ungewohnte Situation. Die Entstehung der Inszenierung, der Prozess wird sichtbar, ebenso wie jene, die an ihm beteiligt sind. Die künstlerisch Arbeitenden, die nicht mehr ausschließlich aus der Fernsicht wahrgenommen werden, aber auch die technisch Arbeitenden erfahren eine neue Wertschätzung. Das Haus öffnet sich jedoch nicht nur in den öffentlichen Raum, sondern Transparent, nicht gläsern, ist der Theaterbetrieb im öffentlichen Raum sichtbar. Es kann Einblick genommen werden in Foyer und Proberäume Fotos: waechter+waechter architekten bda

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it Schillers „Braut von Messina“ wird im Oktober 1853 das Theater Heidelberg im Herzen der Altstadt eröffnet. Über die Jahrzehnte gewachsen, immer wieder erweitert, umgebaut und an geänderte Anforderungen angepasst, muss das Theater im Oktober 2006 aufgrund diverser baulicher Mängel geschlossen werden. Unter dem Motto Weiterspielen wird das Programm in Ersatzspielstätten aufgeführt. Auch im Hinblick auf die Nähe zu anderen Theatern in der Rhein-Main-Neckar-Region wird intensiv und kontrovers über die Zukunft des Stadttheaters diskutiert. Während andernorts Theater geschlossen werden, entscheidet im Juli 2007 der Heidelberger Gemeinderat, das Theater fortzuführen. Alternative Überlegungen, das Theater außerhalb der Altstadt neu zu errichten, werden aufgegeben. In einem europaweit ausgelobten Architektenwettbewerb werden Entwürfe zur Sanierung und Erweiterung des Thea­ ters am historischen Standort in der Altstadt erbeten. Die bis dahin auf verschiedene Standorte verteilten Abteilungen sollen hier zusammengefasst und ein den vielfältigen Anforderungen eines Fünfspartenhauses entsprechender neuer Saal errichtet werden. So funktional sinnvoll die Konzentration auf einen Standort für den Theaterbetrieb ist, so schwierig ist die städtebauliche und architektonische Integration der damit verbundenen großen Baumasse in die Maßstäblichkeit der historischen Altstadt Heidelbergs. Unser im Rahmen des Architektenwettbewerbs ausgezeichneter Entwurf verbirgt die große Kubatur der Theaterfunktionen unter einer durchgehenden, auf acht Meter angehobenen steinernen Dachplatte. Diese Dachplatte fährt allseitig die Grundstückskanten nach, umschmiegt den Bestand und verbindet auf diese Weise die heterogene Gebäudesubstanz, sodass Alt und Neu nahtlos ineinanderfließen und zwanglos verbunden werden. Die Kuben für Bühnenturm, Zuschauerraum und Musikprobenbereich durchstoßen die Dachplatte. Die großvolumige Nutzung des Theaters fügt sich sowohl im Straßenraum als auch in der Dachaufsicht harmonisch in das städtebauliche Gefüge und die Gliederung der umgebenden Altstadt ein. Es entsteht ein vielfältiges städtebauliches und architektonisches Ensemble, ein spannungsvolles Miteinander – kein Nebeneinander – der in ihrem jeweils eigenen Charakter restaurierten Bürgerhäuser, des historischen Theaters und der Neubauteile.

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schiebetor (50dB)

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Wie ein Passepartout rahmt die Fassadenstruktur das alte Theater sowie die vier denkmalgeschützten historischen Bürgerhäuser

auch nach innen mit seinen Durchblicken zwischen den Abteilungen. Durch die funktionale Ordnung und die räumlichen Öffnungen soll der Prozess der Entstehung der Inszenierung auch im Inneren sichtbar werden. Die Belange des Einzelnen sollen nachvollziehbar und damit das Verständnis füreinander sowie das Miteinander gefördert werden. Gelungene Theaterarbeit setzt das Mitwirken aller Beteiligten voraus – das Zusammenfassen der unterschiedlichen Abteilungen an einem Ort ermöglicht, das Ensemble über die rein künstlerisch Tätigen hinaus zu verstehen. Die Nähe, die vielen Verbindungen zwischen den benachbarten Abteilungen und die hierarchiefreie Anordnung in einem Raumkontinuum fördern gruppendynamische Prozesse. Motivation, Freude, Engagement für die Theaterarbeit setzen nicht nur die Identifikation mit den künstlerischen Inhalten, sondern auch anregende räumliche Bedingungen für das Ensemble und die Mitarbeiter voraus. In diesem Selbstverständnis sind auch die Arbeitsplätze hinter der Bühne zwar im Ausbaustandard angemessen, jedoch ebenso sorgfältig in einem durchgängigen Entwurfs-, Material- und Farbkonzept geplant. Diese Sorgfalt drückt eine Wertschätzung für die Mitarbeiter aus, die gespürt und wahrgenommen wird. Grundvoraussetzung ist dabei zunächst ein funktional stimmiges Konzept mit dem Ziel, Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Indem zum Beispiel alle bühnenbildnerischen Werkstätten mit kurzen Wegen auf Bühnenniveau angeordnet sind, werden einfache Arbeitsabläufe und insbesondere schnelle Transportmöglichkeiten rea­lisiert. Gleiches gilt für alle Stimm- und Musikräume, die ebenengleich mit Orchester- und Chorprobe angeordnet sind. Zu der guten Funktionalität gehören auch direkte Anbindungen zum Beispiel zwischen Garderoben und den verschiedenen Spielstätten. Das vielgestaltige Ensemble aus Neu und Alt, die Inte­ gration der ursprünglich als Bürgerhäuser entstandenen Altbauten führt zu einer angenehmen Maßstäblichkeit im Inneren. Die einzelnen Häuser mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Anmutungen fördern die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz. Den verschiedenen räumlichen Situationen gleich ist, dass alle Arbeitsplätze – seien es Büros, Musikzimmer, Garderoben, Werkstätten oder Probebühnen – natürlich belichtet werden. In Theatern keine Selbstverständlichkeit! Aus den im Bühnenturm angeordneten Probebühnen blicken so die Schauspieler auf die Dächer der Altstadt und das Heidelberger Schloss – nur bei Bedarf, bei szenischen Proben, wird der Raum verdunkelt –, ein

gänzlich anderes Proben. Hier wie in allen anderen Bereichen eine lichtdurchflutet freundliche, anregende Atmosphäre. Indem auch Flure nicht als dunkle Erschließungsflächen, sondern als helle Kommunikationsflächen gestaltet sind, werden die Begegnung und das Gespräch zwischen den Mitarbeitern gefördert. Öffnung nach außen in den Stadtraum und nach innen zwischen den Abteilungen – will das Theater kultureller Mittelpunkt der Stadt sein, muss es mehr bieten als die klassischen Abendveranstaltungen: Es muss sich neuen Formaten und Veranstaltungsformen zuwenden. Um dies zu ermöglichen, haben wir größtmögliche Flexibilität gesucht. Beispielsweise ist der neue Saal durch die rückseitige Öffnung in den innerstädtischen Patio natürlich belichtet. So ist er nicht nur als Dunkelraum, sondern auch tagesbelichtet für Vorträge, Konzerte etc. zu benutzen. Die rechtwinklig zueinander angeordneten Bühnen des alten und des neuen Saals sind koppelbar, neuer Saal und Foyer können räumlich zueinander geöffnet werden und regen zu neuen Spielformen an. Im Zuschauerraum des alten Saals ermöglicht die verfahrbare Podesterie vielfältige Möblierungen und Nutzungen. Auch sind viele Bereiche jenseits der Bühnen für Aufführungen und Veranstaltungen vorgesehen, sodass der Zuschauerbereich nicht am Bühnenportal endet. Indem der Zuschauer nicht nur aus dem Straßenraum hinter die Bühne blicken kann, sondern zu Veranstaltungen hinter die Bühne geführt wird, wird seine Identifikation mit dem Theater als Ganzem gestärkt. Das Theater öffnen, das Ensemble als solches erst sichtbar machen, das Miteinander der verschiedenen Theatermacher fördern und neue Richtungen ermöglichen – nicht mit Schiller, sondern mit „Mazeppa“ von Peter I. Tschaikowsky wurde dieses neue alte Theater im November 2012 unter der Intendanz von Holger Schultze wiedereröffnet.

DIE AUTOREN

Felix und Sibylle Waechter leiten gemeinsam

das Büro Waechter + Waechter Architekten BDA in Darmstadt, das die Heidelberger Theatersanierung plante und durchführte.

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„Trotz seiner Nüchternheit ist dies für mich ein heimeliger Ort: Hier tauschen wir uns mit unserem Publikum aus, vor und nach der Show.“ Nanine Linning, künstlerische Leiterin Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg

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Fotos: Thomas Ott, Florian Merdes

„Den Guckkasten neu denken. Theater aus unterschiedlichen Perspektiven. Immer anders.“ Sonja Winkel, geschäftsführende Dramaturgin Schauspiel, Theater und Orchester Heidelberg

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Der Kinderchor mit Ankleiderin Irene Leible bei einer Vorstellung von „Abends am Fluss“/„Hochwasser“

MUSIKTHEATER

Die ewige Suche

Blick auf die Bühne der Produktion „Abends am Fluss“/„Hochwasser“: Hye-Sung Na (Schatten), Carolyn Frank (Innere Stimme) und Irina Simmes (Frau)

Fotos: Annemone Taake

Ensemblepflege heißt auch: viel reisen! Zumindest für den Operndirektor, der die geeigneten Sänger für sein Haus sucht. Ein Praxisbericht von HERIBERT GERMESHAUSEN

Alex Kudrjavcev (Bühnentechniker), Jürgen Wilz (Requisite) Marcel Greif (Bühnentechniker) und Marc Schröter (Bühnentechniker)

In der Maske: Swantje Behnke (Maskenbildnerin) und Wilfried Staber (Schwerer Koffer)

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Szene mit Ipcˇa Ramanovic´ (Leichter Koffer, die Noten haltend), Anna Töller (Chordirektorin) und Laurenz Micke (Requisite)

Fotos: Annemone Taake

Die Kostüme für „Abends am Fluss“/„Hochwasser“

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Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Heidelberg im Orchestergraben

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Foto: Annemone Taake

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DAS ENSEMBLE IST TOT? „Das alte Ensembletheater ist für die großen Häuser vorbei, das kommt auch nie mehr wieder“, meinte Herbert von Karajan im SPIEGEL vom 27. 11. 1963, in der Mitte seiner letzten Saison als Operndirektor der Wiener Staatsoper (dass das seine letzte Saison in Wien sein würde, wusste Karajan zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht; im Juni 1964 stürzte er über eine Intrige und demissionierte mit sofortiger Wirkung). Ein halbes Jahrhundert später zeigt sich, dass seine Prophezeiung nur bedingt eingetreten ist. Sie stimmte übrigens auch in Bezug auf Karajans eigenes Wirken nur bedingt. Denn Karajan hat, wo auch immer er Oper dirigierte – in Wien, Mailand, New York, Salzburg – über Jahrzehnte mit seinen Lieblingssängern für die jeweiligen Partien zusammengearbeitet und damit im übertragenen Sinn eben doch ein „festes“ Ensemble gehabt (Christa Ludwig, Gundula Janowitz, Mirella Freni), nur dass dieses Ensemble eben nicht an ein Theater gebunden war, sondern mit dem Dirigenten mitreiste. Gleiches galt in der Folge für so gut wie alle Stardirigenten der 60er- bis 80er-Jahre – man denke insbesondere an die weltweit weitestgehend identischen Sängerbesetzungen von Karl Böhms Dirigaten von „Die Frau ohne Schatten“ in New York, Paris, Salzburg, San Francisco und Wien oder „Così fan tutte“ in Salzburg, Wien und Mailand. Dennoch steht natürlich außer Zweifel, dass seine Veränderung des Wiener Staatsopernbetriebes weltweit Modellcharakter hatte, und zwar nicht nur für die großen Staatsopern, sondern gerade auch für die mittleren und kleineren Stadttheater. Die von ihm initiierte grundsätzliche Durchsetzung der Origi-

nalsprache als Aufführungssprache führte zu einer nachhaltigen Internationalisierung sowie qualitativen Verbesserung der Stadttheaterensembles insbesondere im Zusammenspiel mit dem immensen Zustrom von bestens ausgebildeten Sängern aus Asien und Osteuropa in dem von Karajan nicht mehr erlebten Zeitalter der Globalisierung: Im global village von heute gibt es das, was ehedem als „künstlerische Provinz“ bezeichnet wurde, nicht mehr. Andererseits haben die ökonomischen Krisen und die aus ihr resultierenden Sparmaßnahmen im Kultursektor der letzten zwanzig Jahre dazu geführt, dass sich heute selbst die großen Staatsopern wieder mehrheitlich als Ensembletheater verstehen und Gäste eher punktuell und für spezielle Partien und Anlässe engagieren. Auf Stadttheaterebene lässt sich der Opernbetrieb ohne eigenes Ensemble künstlerisch vertretbar gar nicht mehr aufrechterhalten. In Wuppertal wurde dies ex negativo gerade nachdrücklich unter Beweis gestellt: Ein Dirigent und Leiter der Oper, der sich den Verzicht auf das komplette Ensemble auf die Fahnen geschrieben hatte und nur noch mit produktionsbezogen engagierten Gästen arbeiten wollte, scheiterte dort bereits in der ersten Saison. Ensembletheater lässt sich bei bewusster Planung mit den heutigen Möglichkeiten des Sängermarktes allerdings wesentlich differenzierter ausgestalten als im Ensembletheater alter Prägung mit einer einfachen oder mehrfachen Besetzung bestimmter Stimmfächer. Lässt man etwa den Heidelberger Spielplan der letzten beiden Spielzeiten Revue passieren, würde man auf den ersten Blick nicht vermuten, dass folgende Planung für ein Stadttheater mit einem Ensemble von nur 12 festen Sängern und einem Gästeetat von lediglich 180 000 Euro (Reisekosten inklusive) möglich ist.

2013/14 PREMIEREN (in chronologischer Reihenfolge) Giacomo Puccini: „Tosca“ Tommaso Traetta: „Ifigenia in Tauride“ (deutsche Erstaufführung) Giuseppe Verdi: „Un ballo in maschera“ Christian Jost: „Rumor“ (deutsche Erstaufführung) Wolfgang Amadeus Mozart: „Così fan tutte“ Philip Glass: „Echnaton“ Frederick Loewe: „My Fair Lady“ Wiederaufnahmen „Die Entführung aus dem Serail“, „Die Fledermaus“

2014/15 PREMIEREN (in chronologischer Reihenfolge) Giuseppe Verdi: „La traviata“ „In meiner Nacht“ – Drei Einakter über den Tod in weiblicher Personifikation (Mark-Anthony Turnage: „Twice Through the Heart“, Christian Jost: „Death Knocks“, Arnold Schönberg: „Erwartung“) Claude Debussy: „Pelléas et Mélisande“ Niccolò Jommelli: „Fetonte“ (zum 300. Geburtstag des Komponisten) Johannes Harneit: „Abends am Fluss“/ „Hochwasser“ (Uraufführung) John Kander: „Cabaret“ Wiederaufnahmen „Ifigenia in Tauride“, „Così fan tutte“, „Echnaton“, „My Fair Lady“ (Dieser Opernspielplan wurde mit dem Preis der Deutschen Theaterverlage 2014 ausgezeichnet)

ENSEMBLE FOLGT PROGRAMMATIK … FOLGT ENSEMBLE

Möglich wird die Realisierung solcher Vorhaben durch eine ausgesprochen langfristige programmatische Vorplanung und eine auf der verbindlich abgeschlossenen Programmplanung basie-

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rende Ensemblezusammenstellung, bei der die Auswahl der Sänger nicht nach Stimmfächern erfolgt, sondern auf konkreten Paketen von Partien basiert. Die Voraussetzung hierfür wiederum war, dass ich mit meinem Intendanten Holger Schultze sehr langfristig zwischen Mai und September 2010 vier Spielzeiten durchgeplant hatte (2011/12 bis 2014/15) und dann unmittelbar mit der Zusammenstellung des Ensembles für diese Planung beginnen konnte.

DER HEIDELBERGER OPERNSPIELPLAN MIT SECHS PREMIEREN PRO SPIELZEIT WIRD VON FÜNF PROGRAMMATISCHEN REIHEN GEPRÄGT: 1) Barock-Raritäten im Rahmen des Barockfestes Winter in Schwetzingen: In einem ursprünglich auf vier Spielzeiten konzipierten und mittlerweile auf sieben Spielzeiten ausgewachsenen Zyklus wird mit der scuola musicale napoletana eine der innovativsten, von den heutigen Opernspielplänen gänzlich verschwundenen Epoche der Barockoper vorgestellt, wobei in den ersten vier Spielzeiten ein historischer Längsschnitt durch diese Epoche geboten wurde, während in den folgenden drei Spielzeiten die Ausstrahlung der neapolitanischen Barock­ oper auf zeitgenössische Opernzentren untersucht wird. 2) Musiktheater des 21. Jahrhunderts: Diese Linie umfasst deutsche Erstauf­ führungen, Zweitinszenierungen, Uraufführungen. Als eigentliche Eröffnung dieser Reihe möchte ich die Zweitinszenierung von Wolfgang Rihms „Dionysos“ zweieinhalb Jahre nach seiner Uraufführung bei den Salzburger Festspielen betrachten. 3) Raritäten des 19. und 20. Jahrhunderts: Hierzu zählen die Uraufführung von Elfriede Jelineks und Irene Disches

Schubert-Bearbeitung „Der tausendjährige Posten“ sowie „Mazeppa“, „Echnaton“ (erstmals szenisch im deutschen Staats-/Stadttheater seit der Uraufführung 1984 in Stuttgart) und „In meiner Nacht“. Publikumsseitig sollte diese Planung abgesichert werden durch 4) einen neuen Mozart-Zyklus ab der zweiten Spielzeit (das Provisorium Opernzelt, in dem wir unsere erste Spielzeit noch spielten, war aufgrund seines Bühnenschnittes für Mozart-Opern nicht sonderlich geeignet), 5) Werke des italienischen Kernrepertoires (Verdi, Puccini). Dass ab der Spielzeit 2013/14 aus dem Gästeetat Mittel für einen zusätzlichen zwölften Festvertrag für einen Countertenor umgewidmet wurden, war eine direkte Konsequenz aus der oben aufgeführten Spielplankonzeption. Mit Artem Krutko fand ich schließlich im Februar 2011 bei einem insgesamt siebenstündigen Vorsingen in Moskau einen Countertenor von ganz ungewöhnlicher, trotz hoher Geläufigkeit geradezu heroisch anmutender vokaler Statur, dunkel timbriert, mit metallischer Höhe, der den Anforderungen so unterschiedlicher Partien wie Orest (Traetta), Echnaton (Glass) und Epafo (Jommelli) bestens gerecht wurde.

DIE AUSSICHT AUF DIE TRAUMPARTIE

Die programmatischen Schwerpunkte der neapolitanischen Barockoper und der Musik des 21. Jahrhunderts stellen insbesondere an die Koloratursopranistinnen des Heidelberger Ensembles immense Anforderungen hinsichtlich Stimmumfang (Höhe bis zum g‘‘‘), Musikalität, technischer Souveränität und gestalterischer Intelligenz: Die Partien der Ariadne/1. hoher Sopran in Rihms „Dionysos“ und Teti/La Fortuna in Jommellis „Fetonte“ seien hier beispielhaft angeführt.

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Als mir Sharleen Joynt im Rahmen des Belvedere Wettbewerbes 2010 begegnete, wusste ich, dass ich meine Sängerin für dieses Repertoire gefunden hatte. Ihr Engagement ist auch ein Beispiel dafür, wie sich Sängerengagements auf die Spielplangestaltung jenseits der programmatischen Schwerpunkte auswirken können: Um sie für einen Festvertrag nach Heidelberg zu locken und ein Angebot des Bolschoitheaters für einen in der Schwebe befindlichen Gastvertrag im „Goldenen Hahn“ auszustechen, setzte ich eine Neuproduktion von „Ariadne auf Naxos“ an, in deren Rahmen sie ihr Rollendebüt als Zerbinetta gab. Zwar verstehen Sänger, sobald sie in Heidelberg angekommen sind, sehr schnell, dass sie ihre Karriere in erster Linie über Premierenerfolge mit den mitunter als verrückt empfundenen Barock- und Moderne-Musik-Projekten bauen müssen (so wurde Sharleen Joynt für ihre Rihm’sche Ariadne für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2013 nominiert), weniger über die Fachpartien des Kernrepertoires (die Zerbinetta war insofern eine Ausnahme, als sie die Abschiedsproduktion von Cornelius Meister als Heidelberger GMD war). Für den Vertragsschluss ist jedoch in der Regel nichts so wichtig wie die Aussicht, solche individuellen Traumpartien in Neuproduktionen singen zu können. Auch die Höhe der Gage tritt dann ab einem bestimmten Punkt in den Hintergrund. Sehr schwierig ist in einer solchen Kon­ stellation, in der jeder Sänger ein hochindividueller Puzzlestein in einer komplexen Ensemblestruktur ist, wenn ein Sänger vorzeitig aus dem Vertrag ausscheiden will. Rinnat Moriah hat mit ihrer Teti/La Fortuna in „Fetonte“ allerdings den Beweis erbracht, dass sie glänzend die ihrer Vorgängerin zugedachten Rollen übernehmen konnte. Ein weiteres Beispiel für Rückwirkungen von Sängerpersönlichkeiten auf die Spielplangestaltung und Ensemblestruktur ist Kangmin Justin Kim, ein Counter, dessen Tessitur Richtung männlicher So-

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pran tendiert und der eine ganz außergewöhnliche Bühnenpräsenz besitzt. Sobald sich abzeichnete, dass er nicht nur als Gast für „Didone abbandonata“, sondern auch für einen Festvertrag nach Heidelberg kommen würde, überzeugte ich Johannes Kalitzke, die Titelpartie für „Pym“, die ursprünglich als Hosenrolle für einen hohen Mezzosopran konzipiert war, für einen Counter (um)zuschreiben, und ging das Experiment ein, Cherubino in unserer neuen „Figaro“-Inszenierung mit einem Counter zu besetzen.

RASTLOS AUF DER SUCHE, DRAHTLOS MIT DEM HAUS VERBUNDEN

Mitglieder des Chores und Extrachores bei „Abends am Fluss“/„Hochwasser“

Häusern, insbesondere Diego Torre: Ensemblemitglied in Sydney und Gast in Oslo, Chicago und San Francisco); der Belvedere Wettbewerb (Sharleen Joynt) und der Cesti-Gesangswettbewerb für Alte Musik, bei dem ich mittlerweile wiederholt in der Jury sitze. Nicht unerwähnt darf in diesem Kontext bleiben, dass die hierfür notwendige, durchaus umfangreiche Reisetätigkeit natürlich nicht ohne eine entsprechende Unterstützung durch meinen Intendanten Holger Schultze möglich wäre, sowohl hinsichtlich der mit ihr verbundenen Kosten als auch der Abwesenheiten von Heidelberg. Sie erfordert es, auch im Zeitalter der drahtlosen Telefonie im wahrsten Sinne des Wortes einen guten Draht zueinander zu haben, damit die im Theateralltag allfälligen Probleme zur Not im Gespräch über Handy gelöst werden können. Grundsätzlich heißt es aber, immer die Ohren neugierig offen zu halten und auch Ungewöhnliches nicht zu scheuen. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist Kangmin Justin Kim, auf den ich erstmals durch eine Cecilia-Bartoli-Parodie auf-

merksam wurde, die im Internet in Form eines viral gewordenen Youtube-Videos kursiert. (Kimchilia Bartoli: https://www. youtube.com/watch?v=vdQU-N8b3HA). Ich begann mich für den offenkundig hochbegabten jungen Mann hinter der Parodie zu interessieren, lud ihn zu einem Vorsingen ein und hatte dann noch Gelegenheit, ihn beim Cesti-Wettbewerb 2013 zu verfolgen. Beim Wettbewerb hatte er zwar durch eine nicht ganz glückliche Wahl seiner zweiten Arie im Finale den dritten Platz knapp verfehlt, ich lud ihn aber zunächst als Sonderpreis für das Sopran(!)-Solo in einer Aufführung von Händels „Messiah“ nach Heidelberg ein und verpflichtete ihn dann für besagten Festvertrag. Gerade noch rechtzeitig, denn 2014/15 hat er bereits zwei große Premieren in Paris (eine davon mit Marc Minkowski) gesungen; er ist bereits jetzt dabei, zu einer großen internationalen Karriere anzusetzen.

DIE EIERLEGENDE WOLLMILCHSAU

Wobei solche Entdeckungen nicht nur für ganz junge Sänger gelten. Angus

Foto: Annemone Taake

Punktuell klang bereits an, über welche Kanäle Sänger für Heidelberg engagiert werden. Ich halte grundsätzlich wenig von Vorsingen traditioneller Art, zumindest für ein Haus der Größe Heidelbergs und mit dessen spezifischem Profil, für das quantitativ wenige, dafür aber hoch spezielle Verträge zu vergeben sind. Ich ziehe es vor, Sänger über einen längeren Zeitraum und am besten in Vorstellungssituationen zu beobachten, sei es an den Opernstudios einiger großer Staatsopern wie der Staatsoper Berlin (von dort kamen James Homann und Rinnat Moriah in das Heidelberger Opernensemble), der Bayerischen Staatsoper München (Namwon Huh) oder der Komischen Oper Berlin (Ipcˇa Ramanovic´, der mir zuerst als wagemutiger Einspringer an der Jungen Oper Stuttgart aufgefallen war, an der er 14 Tage vor der Premiere die immens schwere Partie des Cahit in „Gegen die Wand“ übernommen hatte), sei es über komplette Wettbewerbe ab den Vorrunden. Unter den Letzteren sind für mich insbesondere maßgeblich: neue Stimmen der Bertelsmann Stiftung (Pavel Shmulevich und Diego Torre habe ich von dort zu meiner Zeit als Operndirektor in Dessau verpflichtet und für einen Festvertrag 2011/12 beziehungsweise einen Gastauftritt nach Heidelberg mitgenommen. Beide singen mittlerweile an großen

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Wood fiel mir etwa in mehreren Repertoirevorstellungen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden auf, an dem er unter der damaligen Intendanz sehr unspezifisch eingesetzt wurde. Durch das Angebot entsprechender Rollen, die er mittlerweile auch an großen Häusern wie dem Münchener Gärtnerplatztheater oder am Konzert Theater Bern singt, konnte ich ihn erst nach Dessau und dann nach Heidelberg engagieren. Und letztlich ist es sehr schön zu erleben, wenn Bernd Loebe, der für seine ausgezeichnete Sänger-Expertise bekannte Intendant der Oper Frankfurt, nach dem Vorstellungsbesuch einer Heidelberger „Traviata“ gleich drei Protagonisten des Abends nach Frankfurt verpflichtet: Lahav Shani, Jesus Garcia und Irina Simmes, auf die ich durch ihren Gesangslehrer am Ende ihres Studiums aufmerksam gemacht wurde, und die sich in Rollen wie Konstanze, Adela („Rumor“), Fiordiligi und Violetta Valéry zu einer Säule des Heidelberger Ensembles entwickelt hat. Dasselbe gilt allerdings auch für HyeSung Na, eine technisch perfekte Sängerin, die bereits vor Beginn meiner Tätigkeit in Heidelberg unter Vertrag war und die sich in den letzten Jahren mit Tosca, Amelia („Un ballo in maschera“) und Maria („Mazeppa“) ein neues Fach erobert hat. Aufgrund der finanziellen Restriktionen ist es an einem Stadttheater manchmal notwendig, die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau zu finden. In Heidelberg betraf das den Festvertrag des lyrischen Tenors, der einerseits extrem hoch gelagerte und schwer zu lernende Par­ tien wie Apollon/Ein Gast in „Dionysos“ (die schwerste Partie dieser Oper) und den über vier (!) Oktaven vokalisierenden Hund in Harneits „Abends am Fluss“ bewältigen muss, der aber andererseits auch über das Stilempfinden und die geläufige Gurgel für die angesetzten Werke der opera napoletana verfügt und dessen Stimme zudem zur lyrischen Emphase für die großen Fachpartien Mozarts fähig ist. Da insbesondere bei diesem Festver-

trag kein Fehler unterlaufen durfte – eine Fehlentscheidung wäre in den Konsequenzen finanziell nicht zu bewältigen gewesen, da null Cent für etwaige einspringende Gäste zur Verfügung standen –, gab es für diese Position zwar ein Vorsingen, aber eines mit einem sehr ungewöhnlichen Repertoire: Die Bewerber mussten die gesamte Partie des Apollon/ Ein Gast vortragen. Es gab nicht viele Sänger, die sich dieser Anforderung gewachsen zeigten. Namwon Huh wurde nicht nur deshalb engagiert, weil er der beste Sänger war, sondern auch, weil er sich dieser Anforderung stellte, obwohl er spürbar gesundheitlich angeschlagen war. Neben vokaler Brillanz, stimmlicher Schönheit, gestalterischer Intelligenz, einer guten Bühnenpräsenz und physischer Attraktivität ist auch die gesundheitliche Robustheit (auch wenn sie schwer zu überprüfen ist) ein wichtiges Kriterium für ein Engagement im Festvertrag in Heidelberg. Denn aufgrund des speziellen Heidelberger Repertoires gibt es für die Hälfte der gespielten Opern keinen Ersatz, falls Sänger erkranken. Dass wir dennoch in vier Jahren noch nie eine Vorstellung absagen mussten, spricht für das hohe Verantwortungsbewusstsein unserer Sänger – und, so denke ich, auch für ein gutes Betriebsklima.

DAS ENSEMBLE LEBT!

Das Heidelberger Theater kann aufgrund seiner finanziellen Ausstattung Ensemble- wie auch Gastsängern nur unterdurchschnittliche Gagen bezahlen. Es bietet dafür aber die Möglichkeit, in einem Haus mit einer sehr hohen Reputation und Wahrnehmung (was wiederum durch die Programmatik ausgelöst wird) Fachpartien auszuprobieren und in geschütztem Rahmen nachhaltig eine Karriere aufzubauen. Voraussetzung dazu ist aber auch, dass wir unseren Sängern inter­ essante Regisseure für die szenische Arbeit bieten können. Die Kontakte von Intendant und Operndirektor sowie die Ausstrahlung des Hauses haben dazu geführt, dass in den letzten Spielzeiten zahlreiche

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aufstrebende Jungregisseure mit mittlerweile selbst großer Reputation wie Lydia Steier, Nadja Loschky, Eva-Maria Höckmayr in Heidelberg gearbeitet haben, aber auch herausragende Regisseure der mittleren Generation wie Lorenzo Fioroni und Ingo Kerkhof sowie Starregisseur Peter Konwitschny. Der Shootingstar der Ballettszene, Demis Volpi, gab in Heidelberg sein Operndebüt, und die Heidelberger Chefchoreographin Nanine Linning inszenierte Philip Glass’ „Echnaton“ als spartenübergreifendes Projekt mit dem Tanzensemble. Die Verträge laufen meist über drei bis vier Jahre, die Sänger wissen in der Regel bereits bei Vertragsunterzeichnung, welche Partien in welcher Reihenfolge in der Laufzeit ihres Vertrages auf sie zukommen (auch wenn wir die Rollen prinzipiell nicht explizit in den Vertrag schreiben können). Und es lässt sich leicht feststellen, dass die zahlreichen Preise und Nominierungen für die Opernsparte und individuelle Sänger in der letzten Zeit in Jahresumfragen der wichtigen Fachmagazine als Versicherung wahrgenommen werden, dass man in Heidelberg in relativ kurzer Zeit positiv auffallen kann. Der Zauber der Stadt Heidelberg wie das Renommee des Schwetzinger Rokoko-Theaters tun ein Übriges – wie auch das Bestreben der Theaterleitung, das Theater als Haus der kurzen Wege und der offenen Türen zu führen. Das Heidelberger Credo lautet: Das Ensembletheater lebt.

DER AUTOR

Heribert Germeshausen

ist seit der Spielzeit 2011/12 Operndirektor am Theater und Orchester Heidelberg.

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ENSEMBLETHEATER Schauspiel

SCHAUSPIEL

Das Regime des Neuen Eventschuppen oder Ensembletheater? Festivalhaus oder Repertoirebetrieb? Kuratieren oder produzieren? Der deutsche Kulturfrühling bot feinstes feuilletonistisches Futter bezüglich der Frage: Was macht ein Ensemble aus? Und was erzählt strukturelle Ensemblepolitik über die künstlerische Vision einer Theaterleitung? Theater zwischen Kreativitätswunsch und Innovationsimperativ Text_Lene Grösch und Holger Schultze

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Foto: Annemone Taake

Milan Peschel inszenierte in der Spielzeit 2014/15 Carl Sternheims „Die Kassette“ in Heidelberg. Hier: Magdalena Neuhaus als Emma (Bühne) und Christina Rubruck als Tante Elsbeth (beim Auftritt)

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HIP UND HYBRID Die Reaktionen auf die beiden Protagonisten dieser erhitzten Debatte hätten unterschiedlicher nicht sein können. Auf der einen Seite der Volksbühnen- und HAU-geprägte Matthias Lilienthal, zukünftiger Intendant der Münchner Kammerspiele, der als Stadttheaterrevolutionär mit Mut zu hybridem Kunstdenken gefeiert wurde. Auf der anderen Seite der Museumsmann und belgische Kulturmanager Chris Dercon, zukünftiger Intendant der Volksbühne Berlin, der zunächst als theaterferner Kurator mit Hang zu neoliberalem Elitedenken abqualifiziert wurde: zwei Theaterleiter, zwei Traditionshäuser, zwei Modellversuche, den traditionellen Strukturen eines Ensemble- und Repertoirethea­ ters mit größerer Flexibilität und Durchlässigkeit zu begegnen. Erstaunlich an dieser Debatte ist dabei nicht nur die Bandbreite zwischen größtmöglicher Euphorie bei Lilienthal und größtmöglicher anfänglicher Skepsis bei Dercon, sondern vielmehr die Frage, was unter dem Strich an Innovation bei den jeweiligen Theaterkonzepten bleibt, erleichtert man den Blick um hochgekochte Emotionen und kulturpolitische Befindlichkeiten. Matthias Lilienthal arbeitet verstärkt mit freien Gruppen und besetzt zwei

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

feste Stellen in seinem Ensemble mit ­einer Sängerin und einem Performer anstelle eines Schauspielers. Chris Dercon arbeitet neben dem Ensemble, das er ­eigenen Aussagen gemäß nicht infrage stellt, zusätzlich mit einer Gruppe von autonomen Künstlern. Sein künstlerisches Leitungsteam wird sich aus einer Regisseurin, einer Choreographin, einem Tänzer und Choreographen, einem Filmemacher und einer Programmdirektorin zusammensetzen. Allerdings gehört Multimedialität schon jetzt so sehr zur Volksbühnen-Identität wie die Zusammenarbeit großer und kleiner Theater mit freien Gruppen wie Rimini Protokoll oder She She Pop – und auch die proportional minimale Umstrukturierung oder Ergänzung der Ensembles durch interdisziplinäre Künstler lassen die von der Theaterwelt prognostizierte Strukturveränderung eher gering erscheinen. Das alleine kann also nicht das Neue, Innovative, Andere sein, und es gehört zu den guten Phänomenen des Theaterbetriebs, dass die eigentlich spannenden Entwicklungen sich erst im praktischen

Fotos: Annemone Taake

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Theatermachen über die Theorie hinaus manifestieren – und darauf darf man sowohl an den Kammerspielen als auch an der Volksbühne mit Recht gespannt sein. Nachdrücklich bleibt, dass sowohl Matthias Lilienthal als auch Chris Dercon sich mehrfach und sehr explizit für die Theaterstruktur ihrer beiden Häuser aussprechen und sich genau nicht als Revolutionäre des Betriebs stilisieren, sondern als Künstler, die reformatorisch, aber mit großem Bewusstsein für Verantwortung und Tradition mit einem ambitionierten Konzept an ihrem neuen Haus antreten. Beide bejahen vehement den Schutzraum, den feste Theaterhäuser den Künstlern bieten – und bejahen in diesem Sinne auch die Bedeutung des (erweiterten) Ensemblegedankens für ihre Theaterutopien.

VOM KREATIVEN ALLEINANSPRUCH ZUR KREATIVITÄTSDIENSTLEISTUNG

Die Erwartungshaltung, die im Vorfeld dieser beiden Intendanzen gleichzeitig lustvoll und hemmungslos geschürt wird, verweist aber jenseits der eigentlichen Inhalte und Konzepte auf ein Dilemma, das tiefer greift und bei aller Offensichtlichkeit gerne verdrängt wird: auf die widersprüchliche Ambivalenz aller Theaterschaffenden zwischen Kreativitätswunsch und Kreativitätsimperativ. Man

Links richtet Stephanie Schumann Requisiten zu „Die Kassette“ ein, rechts Josepha Grünberg, Friedrich Witte und Bertram M. Gärtner in „Der amerikanische Soldat“ von Rainer Werner Fassbinder

will kreativ und innovativ sein, aber man soll es auch sein. Die ständige Produktion von Neuem gehört längst nicht mehr nur zum Selbstverständnis des eigenen „kreativen Ethos“, sondern ist scheinbar unverzichtbarer Teil der allgegenwärtigen Anforderung der Theaterwelt geworden. Das Abweichende genießt gegenüber dem Standard per se Vorschusslorbeeren, das Neue wird zum Mythos erhoben, und nur das zuverlässige Erbringen theatraler Innovation sichert die theaterhierarchische Inklusion innerhalb der Theatergesellschaft. Diese manische Orientierung am Neuen teilen Theater und Kunst natürlich mit Medien, Politik und im Grunde allen Subsystemen des Kapitalismus, trotzdem ist das Dilemma für den Kunstbetrieb ein besonders gravierendes. Bis ins zweite Drittel des 20. Jahrhunderts hatte Kultur nahezu den Alleinanspruch auf die Idee der Kreativität, spätestens seit dann umfasst das „Kreativitätsdispositiv“, wie der Kultursoziologe Andreas Reckwitz den Zwang zur ästhetischen Innovation nennt, in großen Teilen das Soziale der spätmodernen Gesellschaft. „Was sich in

ENSEMBLETHEATER Schauspiel

der spätmodernen Kultur seit den 70er-Jahren vollzieht, ist nun eine bemerkenswerte Umkehrung: ein Umkippen von Ideen und Praktiken ehemaliger Gegenkulturen in die Hegemonie. Das Kreativitätsideal, die ästhetische Utopie der scheinbar hoffnungslos minoritären ästhetisch-künstlerischen Gegenbewegungen ist in die dominanten Sektoren der postmodernen Kultur, in ihre Arbeits-, Konsum- und Beziehungsformen eingesickert und dabei ganz offensichtlich nicht dasselbe geblieben. (…) Im Kreativitätsdispositiv findet nun eine Verkoppelung von Vermarktlichung/kapitalistischer Dynamisierung und ästhetischer Sozialität statt.“ (Andreas Reckwitz: „Die Erfindung der Kreativität“, Frankfurt am Main 2012). Was aber bedeutet das für den Umgang mit Kreativität und Innovation innerhalb des Theaterbetriebs? Inwiefern lassen sich hier Gegenkräfte mobilisieren? Oder ignorieren wir stillschweigend das Paradox und geben uns hemmungslos dem Regime des Neuen hin?

DER BLINDE SEEKREBS ALS UTOPIE Um einen Spielplan zu gestalten und state of the art zu sein, sollten Intendanz und Dramaturgie ­eines Stadttheaters gemäß des Innovationskanons unbedingt folgende Punkte beachten: a Es sollte mindestens eine Uraufführung dabei sein.

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Schauspieler Dominik Lindhorst (Seidenschnur in „Die Kassette“) in der Maske; Paolo Amerio und Lee Meir in „CONVERSION_1“, einer deutsch-amerikanischen Choreographie

b Es sollte etwas Interdisziplinäres dabei sein. c Es sollte mindestens eine internationale Koproduktion dabei sein. d Es sollte auf jeden Fall ein Stadtraumprojekt dabei sein. e Es sollte auf jeden Fall ein Audiowalk dabei sein. f Es sollte mindestens eine Kooperation mit einer freien Gruppe dabei sein. g Und um das Ganze abzurunden, wäre auch etwas mit Flüchtlingen unbedingt wünschenswert. Auf jeden Fall aber mit Experten des Alltags, Stichwort Bürgerbühne! Um eines klarzustellen: Alle diese Punkte haben ihre absolute Berechtigung und sind nicht mehr wegzudenkende Ergebnisse eines Theaterprozesses der letzten Jahre, der Gott sei Dank stattgefunden hat und die klassischen Spielpläne von Stadttheatern mehr als nur bereichert. Es geht an dieser Stelle auch in keinster Weise darum, Neues, Überraschendes, Originelles verhindern zu wollen, das wäre nicht nur reaktionär, sondern würde den kreativen Motor und das Wesen von Theater verleugnen. Der zynische

Fotos: Annemone Taake, Florian Merdes

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Die durchexerzierte Planbarkeit von Kunst und scheinbar logische Berechenbarkeit von sowohl ideellem als auch ökonomischem Erfolg wird damit radikal infrage gestellt. Und würde man diese durchaus extreme These konsequent weiterdenken, so hieße das, die größte und schwierigste Aufgabe einer künstlerischen Theaterleitung ist es, Bedingungen am eigenen Haus zu schaffen, in denen Künstler mit möglichst geringem Druck als Seekrebse tasten dürfen. Kunst nicht als Ziel, sondern als immer wieder neu überraschendes Ereignis. Das ist natürlich leicht

Schauspielerin Lisa Förster (Lydia) beim Schminken zur Produktion „Die Kassette“, einer Art wilhelminischen Variante von Molières „Der Geizige“

gesagt und leicht geschrieben und im Alltag noch viel leichter vergessen. Aber es geht um die Kernaufgabe eines Theaters als fruchtbarer Ort der Begegnungen.

MÖGLICHKEITSRAUM STATT ANFORDERUNGSKATALOG

Und Heidelberg? Der Rückblick auf diese Spielzeit zeigt: Wir hatten zum Spielzeitauftakt anlässlich des Abzugs der amerikanischen Soldaten aus Heidelberg ein spartenübergreifendes Festival auf einem leer stehenden Kasernengelände – mit der Beteiligung unzähliger Gruppen und Vereine aus Heidelberg und Umgebung. Wir haben zwei Jahre mit der freien und interdisziplinären Gruppe costa compagnie zusammengearbeitet. Die Audiokünstlerin Katharina Kellermann hat einen Audiowalk für Heidelberg entwickelt. Als einer von acht internationalen Teilnehmern des Projekts „Art of Ageing“ der European Theatre Convention (ETC) haben wir mit dem Gavella Theater aus Zagreb koproduziert. Uraufführungen machen wir nicht nur selber, sondern versammeln sie auch einmal jährlich prominent beim Heidel-

Fotos: Annemone Taake

Umgang mit diesen „Innovationstools“ innerhalb einer Theaterprogrammatik allerdings tut genau das Gegenteil: Man jagt Innovationen hinterher, statt ein Gesamtumfeld zu schaffen, in dem Kreativität nicht Zwang, sondern Lust bedeutet. Wenn ein Thea­tersystem als Ganzes vor Novitätssucht stetig überhitzt, darf das einzelne Theater nicht Frosch spielen und Kreativität semantisch verwässern. An dieser Stelle bietet es sich geradezu an, den Dramaturgen Carl Hegemann zu zitieren, der gerne den Philosophen Christoph Menke zitiert, der wiederum gerne Friedrich Nietzsche zitiert: „Das Genie ist wie ein blinder Seekrebs, der fortwährend nach allen Seiten tastet und gelegentlich etwas fängt: Er tastet aber nicht, um zu fangen, sondern weil seine Glieder sich tummeln müssen.“

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berger Stückemarkt. Und momentan laufen die Vorbereitungen für das Flüchtlingsprojekt „Stadt Land Flucht“ von Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris, das kommende Spielzeit Premiere haben wird … Und siehe da: Obige Punkte a) bis g) sind lückenlos abgedeckt. Das Theater und Orchester Heidelberg hat hoffentlich eine Waschmaschine gewonnen oder zumindest ein undotiertes Anerkennungs-Innovations-Bienchen. Der inhärente Glaube, anhand solcher formalästhetischer Kriterien die Qualität eines Theaters von außen beurteilen zu können, folgt einer fragwürdigen Denkweise. Wer wissen will, ob in Heidelberg auch wirklich gutes Theater gemacht wird, der muss ganz einfach gucken kommen, egal, ob das Label des Neuen und ästhetisch Anderen daran klebt oder eben genau nicht. Die wichtigen Innovationen, die in den letzten Jahren im Theater stattgefunden haben, dürfen nicht als abzuhakende Anforderungskataloge in unseren Köpfen verankert sein, sondern als Optionen des Jetzt, die unseren ästhetischen Möglichkeitsraum immer wieder faszinierend erweitern und dabei inhaltliche Korrelationen zur notwendigen Bedingung erheben. Das Regime des Neuen verdient also gleichzeitig Skepsis und Offenheit – und irgendwo dazwischen wird im günstigen Fall künstlerische Identität gestiftet.

Lisa Förster (Ivana), Josepha Grünberg (Natalija) und Fabian Oehl (Filip) in der Uraufführung „Ich befürchte, jetzt kennen wir uns“ von Ivor Martinic´

DIE AUTOREN

Holger Schultze ist seit Beginn der Spielzeit 2011/12 Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg.

Lene Grösch ist seit 2014

Schauspieldramaturgin am Theater und Orchester Heidelberg.

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In Heidelberg denken wir momentan nicht darüber nach, unser festes Ensemble à la Lilienthal oder Dercon durch Performer und interdisziplinäre Künstler zu erweitern beziehungsweise zu ersetzen. In diesem Punkt sind wir ausnahmsweise sehr gerne altmodisch. Nicht, weil wir keine performativen Impulse zulassen wollen, und nicht, weil wir das Bestehende unreflektiert bewahren wollen. Aber unser Schauspielensemble ist für uns wichtig und beglückend, genau so, wie es ist. Weil sich unsere Schauspieler nicht nur auf vieles einlassen, sondern auch vieles fordern. Weil natürlich auch einiges schiefgeht und wir uns das aber meistens gemeinsam eingestehen können. Weil wir Schauspieler nach wie vor im absoluten Zen­ trum unseres Theaters sehen. Und dafür geht ein enormer Dank an Nicole Averkamp, Sheila Eckhardt, Hans Fleischmann, Lisa Förster, Steffen Gangloff, Dominik Lindhorst, Florian Mania, Fabian Oehl, Katharina Quast, Hendrik Richter, Christina Rubruck, Andreas Seifert, Nanette Waidmann, Olaf Weißenberg und Martin Wißner.

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TANZ

Getanzte Synergie Treue und Loyalität als Basis der künstlerischen Arbeit: Leiterin Nanine Linning und Tanzdramaturg Phillip Koban über das Selbstverständnis der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg

Foto: Kalle Kuikkaniemi

Text_Nanine Linning und Phillip Koban

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

ENSEMBLETHEATER Tanz

„Hieronymus B.“, ein Tanz durch Hölle und Paradies von Nanine Linning, wurde Anfang 2015 in Heidelberg uraufgeführt. Hier eine Szene mit TingAn Ying (Teufel) und dem Tanzensemble

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Backstage bei der Produktion „Hieronymus B.“: Jesse Hanse, Eden Orrick, Schnürmeister Klaus Schwannberger und Tonmeister Thomas Mandl

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eit der Spielzeit 2012/13 hat das Theater und Orchester Heidelberg mit der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg wieder eine fest am Haus ansässige Tanzcompagnie. Die niederländische Choreographin Nanine Linning war in ihrem künstlerischen Werdegang unter anderem Hauschoreographin beim Rotterdamer Scapino Ballet und in den Niederlanden auch mit ihrer eigenen Compagnie naninelinning.nl sehr aktiv, bevor sie 2009 unter der Intendanz von Holger Schultze zunächst als Chefchoreographin und künstlerische Leiterin der Sparte Tanz ans Theater Osnabrück kam. Entgegen der Tendenz, wonach Compagnien an größeren Häusern beziehungsweise Staatstheatern eher klassisch orientiert sind, ist die Heidelberger Tanzkunst konsequent zeitgenössisch – und dabei auf innovative Weise interdisziplinär: Die abendfüllenden Uraufführungen und häufig spartenübergreifenden Werke bringen nicht nur Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Chöre

ENSEMBLETHEATER Tanz

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getragen werden, gehören fest zum charakteristischen Bewegungsrepertoire der Compagnie. Bei aller Bedeutsamkeit, die gestalterische Elemente wie Kostümbild und Masken in den Heidelberger Tanzproduktionen haben, steht der Kunstform entsprechend doch der tanzende, wohlproportioniert durchtrainierte Körper mit seiner klar erkennbaren Muskulatur zumeist im Fokus der ästhetischen Wahrnehmung.

Foto: Annemone Taake

Die Heidelberger Tanzkunst ist konsequent zeitgenössisch – und dabei auf innovative Weise interdisziplinär, mit abendfüllenden Uraufführungen und häufig spartenübergreifenden Werken zusammen mit dem Tanzensemble auf die Bühne, auch an der Konzeption sind bewusst „theaterfernere“ Kreative aus Haute Couture und Videodesign, bildender Kunst und Wissenschaft beteiligt, um frische Impulse zu geben und gewohnte theatrale Pfade zu verlassen. Ein großes Corps de Ballet ist am Theater Heidelberg nicht zu finden. In der aktuellen Spielzeit 2015/16 gehören dem Tanzensemble zwölf Tänzerinnen und Tänzer aus sieben verschiedenen Nationen an – acht Männer und vier Frauen. Bei einem Ensemble dieser Größe kommt es umso mehr auf die Einzelpersönlichkeiten der Mitglieder an – „Homogenität“ im Auftreten ist, trotz Aspekten der Synchronität und eines spezifischen Profils der Compagnie, nur bedingt gefragt. Allen Ensemblemitgliedern müssen selbstverständlich die Leidenschaft für die Kunst, die Kreativität sowie der Drive zur gemeinsamen Entwicklung solch energetischer Tanzproduktionen eigen sein. Ferner ist körperliche Fitness und Kraft möglicherweise wesentlicher, als es im Durchschnitt in dieser Profession der Fall sein mag. Denn Ensemblechoreographien mit raumgreifenden Hebefiguren, bei denen oftmals auch Männer von Frauen

Aber hiermit genug zur Homogenität. Bezeichnend für das Ensemble ist vielmehr die Heterogenität der verschiedenen Mitglieder hinsichtlich ihrer spezifischen menschlichen und tänzerischen Qualitäten: Es gilt eine gute Balance zu finden aus guten „Bodenarbeitern“, sprungkräftigen Tänzerinnen und Tänzern sowie Performerinnen und Performern mit überzeugenden darstellerischen Fähigkeiten. In diesem Sinne sollte daher auch nicht von „Typen“ oder gar „Fächern“, sondern vielmehr von „Talenten“ die Rede sein, die in ein ästhetisch produktives Ensemble eingebracht werden müssen. Hinsichtlich der Ensemblestärke hat sich eine Zahl von zehn bis zwölf Tänzerinnen und Tänzern als ideal erwiesen: Bei einer Saison mit etwa 40 bis 60 Vorstellungen wären bei weniger Mitgliedern der Druck und das Risiko durch verletzungsbedingte Ausfälle zu groß. Ensembles von dreizehn oder mehr Mitgliedern wiederum neigen zur Gruppenbildung, was dem Zusammengehörigkeitsgefühl und der Atmosphäre eventuell weniger zuträglich ist. Zudem ist in Heidelberg durch die Größe des Tanzstudios und der Bühne die Ensemblestärke derzeit auf ein gewisses Maß zu beschränken. Verglichen mit den Künstlerinnen und Künstlern anderer Sparten, ist die aktive Karriere von Tänzerinnen und Tänzern sehr kurz und ähnlich dem Hochleistungssport meist im Alter von spätestens Mitte 30 beendet. Unter diesem Gesichtspunkt kann man sich glücklich schätzen, im Heidelberger Ensemble derart treue und loyale Tänzerinnen und Tänzer zu haben, die diesem häufig schon etliche Jahre angehören und den Wechsel von Osnabrück nach Heidelberg mitvollzogen haben. Choreographinnen und Choreographen haben im Laufe ihrer Karriere theoretisch die Möglichkeit, mit mehr als 60 verschiedenen Compagnien zu arbeiten, Tänzerinnen und Tänzer kommen in ihrem Werdegang von rund zehn Jahren eher nur auf drei oder vier, eine längere Compagniezugehörigkeit betreffend. Aus diesem Grund ist es für sie oft reizvoll, mit Re-

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Training im Studio: Paolo Amerio, Morgane de Toeuf, Nanine Linning, im Spiegel: Wessel Oostrum, Eden Orrick, Paolo Amerio und Karen Brinkman

guten Ensembles. Das Engagement für die Compagnie wird gesteigert und die Co-Urheberschaft an den Produktionen tiefer empfunden. Das wiederum spürt auch das Publikum. So entsteht der spezifische Ensemblegeist – und dieser muss täglich beschworen und aktiviert werden. Kontinuität ist in vielerlei Hinsicht wichtig: Das Publikum, für das die Kunst nun einmal entsteht und das in jedem Moment des kreativen Schaffensprozesses mitreflektiert wird, vermag eine tiefere Bindung durch Identifikation mit seinem Ensemble aufzubauen, wird von dessen Leidenschaft angesteckt und durch dessen Leistung herausgefordert.

Foto: Annemone Taake

pertoire-Compagnien zu arbeiten, die unterschiedliche Choreographinnen und Choreographen beschäftigen. Umso höher ist es zu schätzen, wenn die hiesige Vertragslaufzeit drei bis sieben Jahre beträgt. Das Programm besteht zu 90 Prozent aus Uraufführungen von Nanine Linning. Für den kreativen Prozess haben sich die Langfristigkeit der Zusammenarbeit, das gemeinsame Wachsen und die tiefe Vertrauensbasis als ungemein hilfreich und inspirierend offenbart. Das funktioniert sicherlich nur, da die künstlerische Leitung es als ihre Verantwortung ansieht, nicht nur hinsichtlich der Auswahl des Ensembles, sondern weiterhin Sorge um die Persönlichkeit und das Wohlergehen ihrer Tänzerinnen und Tänzer zu tragen. Das Arbeitsklima ist entscheidend, denn die Tanzcompagnie ist in jeder ihrer Produktionen zusammen. Insofern ist der Beginn einer neuen Arbeit immer mit einer Reflexion des aktuellen Stands der Compagnie, ihres Potenzials und ihrer Bedürfnisse verbunden. Die Tänzerinnen und Tänzer werden im Produktionsprozess so intensiv wie möglich in die Gesamtheit der Produktion eingebunden und etwa über den Stand des Bühnen- und Kostümbilds, der Videoarbeiten etc. auf dem Laufenden gehalten. Doch auch das private Leben mit seinen Sorgen und Nöten findet Gehör: Viele neue Ensemblemitglieder sind gerade einmal siebzehn, achtzehn Jahre alt, sind womöglich das erste Mal in einem anderen Land, von Familie und Freunden getrennt wohnend. Da ist Hilfe in vielen Bereichen nötig: Wie funktioniert die deutsche Verwaltung, wie ein Stadttheater, wie eine Compagnie? Was ist Professionalität – wie soll man sich auf eine Probe vorbereiten, welche Vorbereitung und Konzentration braucht eine Vorstellung? Wie lässt sich die Ruhezeit zur optimalen Erholung nutzen? Wie geht man mit Verletzungen, wie mit Nervosität um? Wenn man dieser Verantwortung gerecht wird, fühlen sich alle als Teil eines

Die Kollegen der Beleuchtung an den Verfolgern waren zunächst irritiert: „Ihr bewegt euch so viel!“ Doch in kürzester Zeit durch gemeinsame Proben sind sie zu Mittänzern geworden

Den Produktionen kommt es zugute, wenn Choreographinnen und Choreographen intensiver und ergiebiger mit Tänzerinnen und Tänzern arbeiten können, weil sie diese bereits kennen und nicht ein neues Produktionsensemble vor sich haben. Ein festes Ensemble, in dem das Gruppenklima stimmt, sich die individuellen Stärken und Schwächen in gegenseitigem Vertrauen austarieren, stärkt demzufolge den längerfristigen künstlerischen Entwicklungsprozess, wie auch die generelle Struktur eines Stadttheaters mit seinen zugehörigen Werkstätten, Lagerflächen und dem engagierten Einsatz all seiner Mitarbeiter eine zukunftsführende Planbarkeit und künstlerische Entwicklungen fundamental unter-

stützt. Und auch mit diesen wächst, denn der gemeinschaftliche Ensemblegeist reicht weit über das Tanzensemble hinaus. Um ein Beispiel zu nennen: Die Kolleginnen und Kollegen der Beleuchtung an den Verfolgern waren zunächst irritiert, als sie zum Einstand der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg Duette und Trios im Tanz begleiten sollten. In den Jahren zuvor war dies nur in den Bereichen Oper und Schauspiel gefordert. „Ihr bewegt euch so viel“, war die verzweifelte und ironische Klage. Doch in kürzester Zeit durch gemeinsame Proben sind sie zu Mittänzerinnen und -tänzern geworden und beherrschen auch neue Choreographien schnell wie aus dem Effeff. 

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Die Sicherheit eines Stadttheaters als Basis kreativer Produktivität wird noch höher geschätzt, wenn Letztere nach eigener Erfahrung über Jahre durch die tägliche Sorge um das Weiterbestehen der eigenen Compagnie überschattet war. In den Niederlanden konkurrieren alle Compagnien und Ensembles letztlich um die gleichen Fördermittel. Dort oder in der freien Szene aber ist zu lernen, wie wichtig eine eigene Identität für Erfolg und Fortbestehen von Compagnien ist, dass ein erfolgreiches Ensem­ ble unter einer gelungenen künstlerischen Leitung sich quasi als „Marke“ etablieren muss. Interessanterweise sind es meist die Tanzensembles, die an den deutschen Mehrspartenhäusern unter einem spezifischen Eigennamen firmieren – meist auf die künstlerische Leitung verweisend. Dies hat sicherlich auch mit jener Internationalität zu tun, die Tanz aufgrund seiner personellen Struktur und erhöhten Gastspieltätigkeit eigen ist. Die Wichtigkeit der Herausbildung eines individuellen Profils wird gerade in Theatersystemen deutlich, die sich durch Gastspiele und nicht durch fest an einem Haus verortete Ensembles auszeichnen. In den Niederlanden etwa sind „Theater“ bis auf wenige Ausnahmen lediglich leere Gebäude. Um gebucht zu werden, müssen sich einzelne Compagnien mit einer klaren Identität positionieren, auch wenn dies gerade aufgrund fehlender Kontinuität und Planungssicherheit extrem schwierig ist. In Deutschland ließe sich im Gegenzug sicherlich diskutieren, ob Stadt- und Staatstheater solch ein klares Profil durch eine eigenständige künstlerische Vision ausreichend ausbilden oder ob nicht durch die (zwar wichtige) Pflege des Repertoiretheaters und die rotierenden regieführenden und partiell auch choreographischen Akteure eher eine Nivellierung der spezifischen Merkmale auszumachen ist, viele Häuser sich eher durch Festivals und sonderprogrammatische Formen deutlicher positionieren. Obwohl die Möglichkeiten des Gastierens aufgrund des durchgetakteten Spielplans begrenzt sind und die Compagnie logischerweise ihrem lokalen Publikum eine regelmäßige Anwesenheit schuldet, wer-

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den Heidelberger Tanzproduktionen immer mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren geplant und ihre Tourbarkeit bereits in der Konzeption mitgedacht. Schließlich fungiert die Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg auf Tour auch als „Botschafter“ Heidelbergs und seines Theaters und trägt zu dessen überregionaler Wahrnehmung bei. Eine weitere künstlerische Bereicherung der Stadttheaterstruktur ist die leichter umsetzbare Interdisziplinarität: Wo sonst wären etwa „spartenübergreifende“ Abende wie „Hieronymus B.“ oder „Echnaton“ mit Tanzensemble, Chor und Opernsolisten in Orchesterbegleitung ohne Weiteres möglich? In der freien Szene lässt sich ein solches Projekt derzeit schwerlich stemmen. Eine solche gelungene hausinterne Kooperation gelingt durch das

Foto: Kalle Kuikkaniemi

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Schließlich fungiert die Dance Company Nanine Linning/ Theater Heidelberg auf Tour auch als „Botschafter“ Heidelbergs und seines Theaters und trägt zu dessen überregionaler Wahrnehmung bei „Zero“ war Nanine Linnings erste Heidelberger Tanzproduktion; hier eine Szene mit Erik Spruijt, hinten: Konstantinos Kranidiotis und Léa Dubois

gleichberechtigte Miteinander der verschiedenen Sparten. Da sich die Intendanz gleichermaßen für alle Sparten einsetzt, um das gesamte Haus erfolgreich zu führen, sind auch die jeweiligen Spartenleiterinnen und -leiter kollegiale und respektvolle Partner. Den Tanz betreffend bilden am Theater Heidelberg Nanine Linning als künstlerische Leiterin der Compagnie und Intendant Holger Schultze ein enges Team, das sich auf Augenhöhe für Belange des Tanzes auch über die Grenzen des eigenen Hauses hinaus einsetzt: auf Basis der gemeinsamen Liebe

zur Kunst und des jeweiligen, auch internationalen Erfahrungsschatzes lassen sich im beständigen, vertrauensvollen und lösungsorientierten Austausch die Strukturen der Tanzförderung stetig weiterentwickeln und verbessern. Entgegen jener in den Niederlanden der finanziellen Unsicherheit geschuldeten Konkurrenz zwischen Compagnien lässt sich in Deutschland aber auch generell eine wesentlich ausgeprägtere Kolle­ gialität zumindest zwischen den einzelnen Tanzcompagnien ausmachen. Man respektiert und achtet einander, ist eher darauf bedacht, eine gemeinsame Stimme zu finden und nach Lösungen zu suchen. Organisationen und Institutionen wie der Deutsche Bühnenverein oder die Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektorenkonferenz tragen hierzu bei; der Dachverband Tanz Deutschland oder die TanzSzene Baden-Württemberg e. V. vereinen zudem Tanzschaffende aus freier Szene und festen Häusern im Dialog. Dies liefert wichtige Impulse und eine ebenso innovative wie konstruktive institutionenübergreifende Basis, die uns am Theater und Orchester Heidelberg – wie aus der Kooperation mit dem freien Heidelberger UnterwegsTheater und dem gemeinsam getragenen Choreographischen Centrum oder der Tanzbiennale zu ersehen – besonders wichtig ist. Denn Tänzerinnen und Tänzer sind per se „frei“: Sie sind international und ästhetisch ebenso flexibel wie innovativ. Bei aller Freiheit ist ihre Lage aber auch stets prekär – und ein gut funktionierendes Ensemble liefert die Sicherheit und Kontinuität, um sich halbwegs sorgenfrei leidenschaftlich für Kunst und Publikum zu engagieren.

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DIE AUTOREN

Nanine Linning ist die Leiterin, Phillip Koban war der Dramaturg der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg.

Foto: Annemone Taake

Backstage: Milo Pablo Momm (Regieassistent), Mitglieder des Kinderchores und Martina Müller (stellvertretende Chefmaskenbildnerin)

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ENSEMBLETHEATER Junges Theater

Neugier auf andere Am Jungen Theater Heidelberg begegnen sich verschiedene Kulturen auf spielerische Weise Text_Viktoria Klawitter und Franziska-Theresa Schütz

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ENSEMBLETHEATER Junges Theater

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ie Theaterarbeit im Kinder- und Jugendtheater unterscheidet sich nicht grundlegend von der Arbeit für Erwachsene. Der entscheidende Unterschied ist das Publikum, für das Theater gemacht wird. Im Jungen Theater muss das Publikum anders mitgedacht werden. Diese Tatsache fordert ein Interesse für die jungen Zuschauer, nicht nur bei den Theaterpädagogen, Dramaturgen und Regisseuren, sondern vor allem bei den Schauspielern. Sie müssen eine Bereitschaft mitbringen, sich mit dem Publikum auseinanderzusetzen – während der Vorstellungen und im direkten Austausch bei Probenbesuchen und Nachgesprächen. Bei eigenständigen Kinder- und Jugendtheaterhäusern oder Sparten mit eigenem Ensemble ist die Auseinandersetzung mit dem Publikum stärker als bei Sparten mit integriertem Modell. Die Schauspieler können dem jungen Publikum kontinuierlich begegnen. Das Wissen, wie Reaktionen aus dem Zuschauerraum einzuordnen sind und wie damit umgegangen werden kann, entwickelt sich entsprechend konsequenter. Die Schauspieler werden zu Experten für junges Publikum. Das Theater und Orchester Heidelberg hat eine Sparte mit sieben festen Schauspielerstellen, eigenem künstlerischen Team und einer Spielstätte für junges Theater. Dies ist nicht nur eine künstlerische Entscheidung, sondern auch eine Notwendigkeit. Mit Beginn der Intendanz von Holger Schultze in der Spielzeit 2011/12 wurde die Zusammenarbeit zwischen Theater und Schulen durch Schulkooperationen intensiviert. Mit Schulen aller Schulformen wurden Verträge geschlossen, die besagen, dass Klassen der Jahrgangsstufen 5 bis 11 mindestens einmal im Jahr ins Theater gehen und dabei alle Sparten

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und Spielstätten kennenlernen. Der Theaterbesuch wird durch die klassischen Angebote der Theaterpädagogik ergänzt. Die Zahl der Kooperationsschulen ist seit der ersten Spielzeit stark angestiegen: Im ersten Jahr der Kooperation waren es 17 und 38 Kooperationsschulen in der Spielzeit 2014/15. Hinzu kommen Spielplanpositionen im Jungen Theater, die nicht durch die Schulkooperationen abgedeckt werden, wie das Weihnachts- und das Schlossfestspiele­ stück sowie Inszenierungen für Kindergärten. Diese Tatsache ergibt das Luxusproblem, dass wir im Jungen Theater viel mehr Vorstellungen spielen könnten, als uns möglich ist. Mit dem Intendantenwechsel kamen wir als neues künstlerisches Team für das Kinder- und Jugendtheater nach Heidelberg. Ein wesentlicher Baustein der Neukonzeption des Jungen Theaters war der Aufbau eines multikulturellen Ensembles. Dies kristallisierte sich aus dem Gedanken Theater für alle. Im Kinderund Jugendtheater ist das, was auf den ersten Blick wie eine Utopie klingt, am ehesten erfüllt. Im Publikum findet sich ein Querschnitt der Bevölkerung. Das Kinder- und Jugendtheater hat ein kulturell und sozial vielfältigeres Publikum als das Theater für Erwachsene, was natürlich mit den Institutionen Kindergarten und Schule zusammenhängt. Um Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen und die Lebensrealität der Zuschauer abbilden zu können, wurden verstärkt Schauspieler verschiedener Herkunftskulturen für das Ensemble gesucht und engagiert. Die Zusammensetzung des Ensembles hat dabei immer Einfluss auf den Spielplan. Bestimmte Stoffe und Themen werden offensichtlich oder erst möglich. Persönliche Fremdheits- oder Kindheitserfahrungen unseres Ensembles gaben den Impuls für einige Stücke. Durch Charity Laufer, von 2012 bis 2014 Ensemblemitglied, wurde „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende auf den Spielplan gesetzt. Charity Laufer, deren Eltern aus Ghana kommen, berichtete über ihre Begegnung mit der Figur Jim Knopf in ihrer Kindheit, dass er eine der ersten Identifikationsfiguren der Literatur für sie war. Einige Kinder reagierten beim Inszenierungsbesuch ähnlich begeistert. Auch die Mehrsprachigkeit des Ensembles fließt immer wieder in die Inszenierungen ein. So unter anderem im „Themenpaket: Speaking Deutsch?“ (2012/13). Bei den sogenannten Themenpaketen arbeiten der Regisseur, ein Schauspieler und ein Theaterpädagoge gemeinsam an einem Thema. Ein

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Auch die Mehrsprachigkeit des Ensembles fließt immer wieder in die Inszenierungen ein. So unter anderem im „Themenpaket: Speaking Deutsch?“ Szene aus „Themenpaket: Speaking Deutsch?“ mit Charity Laufer

Foto: Florian Merdes

interaktives Format entsteht, bei dem Schauen und Machen in einer Inszenierung verschmelzen. Bei „Speaking Deutsch?“ war nicht nur die Inszenierung selbst bilingual, sondern auch der Probenprozess. Der Engländer Lee Beagley arbeitet beim Inszenieren vorwiegend in seiner Muttersprache. In „Weil wir kein Deutsch konnten“ (2013/14) nach Mehrnousch Zaeri-Esfahani wird die reale Fluchtgeschichte einer iranischen Familie erzählt, die in den 80ern über die Türkei nach Heidelberg kam, und die Zweisprachigkeit von Schauspieler Mehmet Ali Berber floss selbstverständlich in die Inszenierung ein. Die Herkunftskultur der Schauspieler wird bei den Besetzungen in dieser Weise berücksichtigt. Ansonsten ist es uns wichtig, unsere Ensemblemitglieder nicht aufgrund ihrer Ethnie für bestimmte Rollen nicht zu besetzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die jungen Zuschauer unsere Besetzungspolitik als selbstverständlich annehmen. In der Spielzeit 2015/16 führen wir die Begegnung mit anderen Kulturen fort: Für die Produktion „Michael Kohlhaas“ kooperiert das Theater mit dem Youth Theatre of Uzbekistan in Taschkent. Der junge usbekische Regisseur Obid Abdurakhmanov inszeniert mit den Heidelberger Schauspielern das Stück, während Franziska-Theresa Schütz in Taschkent ebenfalls eine Inszenierung von „Michael Kohlhaas“ erarbeitet. Austauschgastspiele sind im Frühjahr 2016 geplant. Diese Arbeit wird für uns sicher auf mehreren Ebenen eine Herausforderung. In Usbekistan gibt es eine ganz andere Tradition von Kinder- und Jugendtheater. Interkultur zieht sich auch durch Projekte der Theaterpädagogik. So setzten sich unter anderem beim 1. Heidelberger Kinderund Jugendkongress in der Spielzeit 2012/13 unter

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dem Thema „Wir öffnen Grenzen“ Kinder und Jugendliche künstlerisch mit der Thematik auseinander. Sieben Schulklassen begaben sich jeweils mit einem Schauspieler auf die Suche nach Heidelberger Spuren der Herkunftsländer des Ensembles. Aber nicht nur besondere Projekte, die explizit das Thema behandeln, spielen eine Rolle. Für die zweite Ausgabe des Kinder- und Jugendkongresses unter dem Motto „Wir machen Helden“ wurden selbstverständlich Künstler mit verschiedenen Herkunftskulturen als Werkstattleiter eingeladen. Seit einigen Spielzeiten ergänzt Gabija Diavara, in Litauen geboren, als Spielclubleiterin die Theaterpädagogik, und seit September 2015 ist Pauline de Groot, eine Niederländerin, Theaterpädagogin im Team des Jungen Theaters. So gibt es beim Jungen Theater Heidelberg nicht nur ein kulturell vielfältiges Publikum, sondern auch ein kulturell vielfältiges Team. Das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen mit verschiedenen Herkunftskulturen erzeugt hin und wieder Befremden, Reibung oder Widerstand. Dies befruchtet die Arbeit, ist aber gleichzeitig eine große Herausforderung für Team und Ensemble. Einer der schwierigsten Aspekte liegt dabei vielleicht bei der Suche nach Schauspielern für ein multikulturelles Ensemble. Die Auswahl an Schauspielern, die für ein solches Ensemble infrage kommen, ist gering. Wobei sich das in den letzten Jahren etwas verbessert hat. Die Schauspielschulen reagieren langsam mit der Auswahl der Studierenden auf unsere vielfältige Gesellschaft. Ein anderer Punkt, der die Suche nach entsprechenden Schauspielern nicht gerade erleichtert, ist nach wie vor die abwertende Haltung gegenüber dem Kinderund Jugendtheater von (jungen) Schauspielern. Einige von uns kontaktierte Schauspieler sind erst gar nicht zu einem Vorsprechen nach Heidelberg gereist. Schade, sie verpassen vielfältige und künstlerisch hochkarätige Theaterarbeit.

UNSERE AUTORINNEN Viktoria Klawitter ist Dramaturgin am Jungen Theater Heidelberg, Franziska-Theresa Schütz ist dessen Leiterin.

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ravi – der Applaus des Publikums nach einem gelungenen Theaterabend (egal ob Oper, Schauspiel, Tanz) ist immer auch ein Ap­ plaus für die gesamte Ensembleleistung. Damit meine ich alle technischen, redaktionellen und organi­ satorischen Arbeiten, die zum Gelingen eines Abends beitragen. In Heidelberg sind rund 320 Personen am Theater fest beschäftigt, und gerade in der Musik oder beim Tanz bemerkt das Publikum die gelebte Internationalität dieses städ­ tisch verankerten Arbeitgebers.

Foto: Florian Merdes

Die deutsche Theaterlandschaft ist weltweit einmalig und auch daher at­ traktiv – doch die Förderung durch die öffentliche Hand für diese Bildungsein­ richtung des Geistes, die in Heidelberg 1853 einer republikanischen, von der Bürgergesellschaft getragenen Bewegung entsprang, gerät als sogenannte „freiwil­ lige Leistung“ finanziell zusehends unter Druck und in Rechtfertigungszwang. Ja, manchmal steht sie sogar zur Disposi­ tion, weil derzeit in unserer Gesellschaft ein zu kurz gedachtes Kosten-LeistungsDenken Hochkonjunktur hat, das sich zumeist nur auf rein Materielles be­ schränkt und den nur schwer messbaren Wert von kultureller und geistiger Bil­ dung nicht berücksichtigt. Warum darf die öffentliche Förderung in meinen Au­ gen nicht zur Disposition stehen? „Das Theater ist Ort der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und zugleich Zukunftswerkstatt. Theater ist Aufklärung und damit Widerstand gegen das Verdrängen des Vergangenen und gegen die Blindheit vor der Zukunft. Das Theater stellt Alltag dar und stellt

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Abonniert auf Reihe 8 Unvollständige Anmerkungen einer treuen Zuschauerin Text_Annette Trabold

Theater ist Aufklärung und damit Widerstand gegen das Verdrängen des Vergangenen und gegen die Blindheit vor der Zukunft

Man darf in meinen Augen natürlich sehr wohl auch über Zuschüsse und die Wirtschaftlichkeit in einem städtischen Theater sprechen – aber erst dann, wenn man sich über die gesellschaftliche Notwendigkeit verständigt hat, als zwei­ ten Punkt sozusagen. Das ist in Heidel­ berg bei den politisch Entscheidenden (noch) der Fall.

ihn auf den Kopf. Das Theater leuchtet Hintergründiges und Abgründiges aus. Theater stellt Vertrautes infrage und macht uns Fragwürdiges vertraut. In die­ sem Sinne bleibt Theater immer auch eine moralische Anstalt“, so eine für mich nach wie vor ganz aktuelle Ein­ schätzung der Arbeitsgruppe „Zukunft von Theater und Oper in Deutschland“ vom 11.  12.  2002. http://theaterpolitik.de/ index.php/diskurse/das-stadttheater-reif-fuer-reformen/47-buendnis-fuer-theater-wirbrauchen-einen-neuen-konsens

„Die darstellenden Künste in Schauspiel und Oper, im Tanz und Konzert zeigen ihr Außergewöhnliches darin, dass das, was sie bieten, auf andere Weise nicht kommuniziert werden kann. Theater und Musik zielen auf An­ wesenheit des Publikums, auf Präsenz, auf gemeinsame Erfahrung von Gegen­ wart. Kein Bildschirm, keine Leinwand kann die direkte Kommunikation zwi­ schen Künstlern auf der Bühne und Zu­ schauern ersetzen.“ (a. a. O.) Und gerade auch durch die zunehmenden virtuellen

ENSEMBLETHEATER Publikum

Welten sehnt sich das Publikum nach diesen „Live-Erfahrungen“ mit den Künstlerinnen und Künstlern. Die Zuschauer erfreuen sich daher nicht nur an der Ensembleleistung und den jeweiligen Einzelleistungen der Künstler des Abends, sondern wir sind außerdem etwas stolz darauf, dass das Heidelberger Theater immer ein Sprung­ brett für die Karriere bedeutender Regis­ seure und Künstler war. Hätten Sie es gewusst, dass diese Personen – um nur einige zu nennen, und bei allen Nicht­ genannten bitte ich um Nachsicht – in Heidelberg den Grundstein für ihre Kar­ riere legten: Thomas Fritsch, Brigitte Gel­ ler, Mirga Gražinyte˙-Tyla, Gottfried John, Johann Kresnik, Cornelius Meister, Da­ vid Mouchtar-Samorai, Hans Neuenfels, Jürgen Prochnow, Otto Sander, Elisabeth Trissenaar, Ulrich Tukur, Ulrich Wildgru­ ber, Ruth Ziesak etc., etc. Ich werde beispielsweise nie vergessen, wie Johann Kresnik 1988 in seiner „Macbeth“-Inszenierung den Tod Uwe Barschels in der Badewanne zitierte und den Wald von Birnam als dicke Pres­ sebleistifte interpretierte. Dieses aktuelle, streitbare, prickelnde choreographische Theater hat mich in meiner Studienzeit so begeistert, dass ich mich auch deshalb in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadträtin immer vehement für den Er­ halt der Tanzsparte im Theater eingesetzt habe und nun sehr froh bin, dass unser Intendant Holger Schultze nicht nur den Tanz am Theater wiederbelebt hat, son­ dern zusammen mit dem UnterwegsTheater, das als Ensemble der freien Szene seit über 25 Jahren den zeitgenössischen Tanz in Heidelberg am Leben hält, eine Tanzbiennale und ein choreographisches Zentrum geschaffen hat. Qualitätsvolle künstlerische Kooperatio­ nen ohne Berührungsängste oder Stan­ desdünkel und Verbündete auf allen Ebenen sind in der Kulturszene von gro­ ßer Bedeutung – gerade auch für die Stadttheater. Daher befürworte ich als

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Qualitätsvolle künstlerische Kooperationen ohne Berührungsängste oder Standesdünkel und Verbün­ dete auf allen Ebenen sind in der Kulturszene von großer Bedeutung – gerade auch für die Stadttheater Freundin des Zeitgenössischen ebenso die Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Klangforum zur Förderung und Verbrei­ tung zeitgenössischer Musik. Ein öffent­ lich gefördertes Theater hat in meinen Augen übrigens geradezu die Pflicht, wie im Februar 2015 geschehen, Opern wie „Abends am Fluss“/„Hochwasser“ von Jo­ hannes Harneit aufzuführen – und wenn es dann Uraufführungen unter der Regie von Peter Konwitschny sind, umso besser! Übrigens: Zeitgenössisches ist für mich et­ was anderes als die Dekonstruktionen von bekannten Klassikern bis hin zur Un­ kenntlichkeit im modernen Regietheater. Neue beeindruckende Stücke können beim Heidelberger Stückemarkt vorge­ stellt werden und das auch durchaus mit Brisanz. Beim Gastland Italien spürte man den Versuch des politischen Einflusses: Wegen „Giudici“ von Renato Gabrielli, ei­ ner bitteren Farce auf die zunehmende Einflussnahme der Politik auf Rechtspre­ chung und Gesetzesauslegung in Italien, die am 4. Mai 2002 aufgeführt wurde, zog der italienische Staat – Ministerpräsident war Berlusconi – seinen finanziellen Bei­ trag zurück. Das war die beste Werbung für das Stück … Apropos Politik: Wichtig für städtische Theater ist auch, Verbündete auf der lo­ kalen politischen Ebene zu gewinnen und zu halten, den Ensemblegeist also in diesem Sinne auf die Stadtgesellschaft auszudehnen, denn die ehrenamtlich tä­ tigen Stadträte sind nicht „die Politik“ als etwas Abstraktes, sondern Bürger der Stadt mit den verschiedensten – manch­ mal auch künstlerischen – Berufen, die bei der Wahl zum GMD oder zum Inten­ danten in Heidelberg ein Wort mitzure­

den haben. Bei der Wahl des damals 24-jährigen Cornelius Meister zum GMD haben Stadträtinnen aus der Personalfin­ dungskommission zusammen mit dem damaligen Intendanten Peter Spuhler das Orchester gewissermaßen überzeugt. Das war ja wirklich kein Fehler … Zu dieser gesellschaftlichen Ausweitung und Identifikation mit dem Theater trägt natürlich der Freundeskreis bei. Wir unterstützen Produktionen des Theaters mit unseren Mitgliedsbeiträgen, bemühen uns um Sponsoren, organisie­ ren Fahrten für unsere Mitglieder zum Kennenlernen, verleihen einen Publi­ kumspreis beim Stückemarkt und anderes mehr. Eine beeindruckende künstlerische Leistung stellt natürlich die beste Verbin­ dung zwischen dem Publikum und „sei­ nen“ Künstlern dar. Wir bemühen uns aber, weitere Möglichkeiten zur Intensivie­ rung des Kontakts zu schaffen: bei einem Sommerfest, bei Talks oder beim Brunch, um auch den Künstlern ein zusätzliches Feedback neben dem Applaus zu ermögli­ chen, wenn es gewünscht wird. Ganz wichtig ist für mich: Das Theater muss ein Ort der Aufklärung bleiben, irgendjemandes wie auch immer gearte­ ten politische oder religiöse Gefühle oder finanzielle Abhängigkeiten durch Geldgeber dürfen niemals dazu führen, hinter diese Aufklärung zurückzufallen. Und das erreichen wir in einer Stadt nur „ensemble“ – gemeinsam.

UNSERE AUTORIN Dr. Annette Trabold ist Abonnentin

des Theaters und Orchesters Heidelberg, Alt-Stadträtin und 2. Vorsitzende des Theater-Freundeskreises.

Fotos: Annemone Taake (6), Florian Merdes (o. l.), Gülay Keskin (2. v. o. l.)

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Publikumsandrang zur Neueröffnung des Theaters Eröffnung der ersten „TANZBIENNALE HEIDELBERG“

Eröffnungsparty zum 32. „Heidelberger Stückemarkt“ Theaterspektakel „Born with the USA“

Wir unterstützen Produktionen des Thea­ ters mit unseren Mit­ gliedsbeiträgen, bemü­ hen uns um Sponsoren, organisieren Fahrten für unsere Mitglieder zum Kennenlernen, verleihen einen Publikumspreis beim Stückemarkt und anderes mehr

Publikum vor der Eröffnung des „Heidelberger Stückemarktes“ Eröffnung des „Heidelberger Stückemarktes“ im Zwinger3

Eröffnungsparty zum 32. „Heidelberger Stückemarkt“ Holger Schultze und Nanine Linning

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Vertrauen ins Imperfekte Generalmusikdirektor ELIAS GRANDY und der 1. Kapellmeister sowie stellvertretende GMD DIETGER HOLM im Gespräch über ihre Arbeit mit Sängerensemble und Orchester Interview_Julia Hochstenbach

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Zurzeit werden Theaterstrukturen vielfältig diskutiert und neu überdacht, darunter auch die des Ensembletheaters. Elias Grandy, du trittst im September am Theater und Orchester Heidelberg erstmals die Stelle eines Generalmusikdirektors an. Erstmals wirst du damit einer Konzertsparte und – zusammen mit dem Operndirektor Heribert Germeshausen – auch einer Musiktheatersparte vorstehen. Dietger Holm, 1. Kapellmeister und stellvertretender GMD, du hattest diese Position in der vergangenen Spielzeit kommissarisch inne. Was reizt euch persönlich besonders an der kontinuierlichen gemeinsamen Arbeit, die solch ein Theater ermöglicht?

Fotos: Annemone Taake

Dietger Holm: Es ist natürlich von enor-

mem Wert, wenn man sich über einen längeren Zeitraum in verschiedensten künstlerischen „Lebenslagen“ kennengelernt hat: Man kann einander besser einschätzen und verstehen. Ein Gewinn ist für mich auch die Chance einer gemeinsamen Weiterentwicklung – das gilt für das Sängerensemble ebenso wie für das Orchester. Als ich ans Heidelberger Haus kam, setzte das Orchester sich zum Beispiel bereits seit einigen Jahren mit großer Intensität mit der historischen Aufführungspraxis auseinander. Das war ein sehr wichtiger Schritt für das Orchester, der auch auf das Spiel

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„Die Idee ist tatsächlich, den Ensemblegedanken auf den Konzertbetrieb zu übertragen, um ein wenig von einer Form der Austauschbarkeit von Solisten wegzukommen. Zu versuchen, einen Raum zu schaffen, in dem das Heidelberger Publikum eine Beziehung zu ,seinen‘ Künstlern aufbauen kann, die es wiederholt und in verschiedenen Perspektiven erlebt.“ Elias Grandy

späterer Epochen auszustrahlen begann, auf die Frühklassik, Klassik, selbst Schumann. Und ebenfalls auf die Sänger. Ich bin kein Barockspezialist, aber diese intensive Auseinandersetzung hat auch mich erfasst. Wenn ich eine Haydn-Sinfonie vorbereite, tue ich das heute ganz anders als vor fünf Jahren.

Elias, steht der Ensemblegedanke auch hinter deiner Idee der „Artists in Residence“? Du hast vier Instrumentalsolistinnnen und -solisten engagiert, Nils Mönkemeyer, Lena Neudauer, William Youn und Julian Steckel, die in den kommenden zwei Jahren je mindestens viermal in den philharmonischen Konzerten oder in den Kammerkonzerten solistisch oder gemeinsam auftreten werden. Elias Grandy: Die Idee ist tatsächlich, den Ensemblegedanken auf den Konzertbetrieb zu übertragen, um ein wenig von einer Form der Austauschbarkeit von Solisten wegzukommen. Zu versuchen, einen Raum zu schaffen, in dem das Heidelberger Publikum eine Beziehung zu „seinen“ Künstlern aufbauen kann, die es wiederholt und in verschiedenen Perspektiven erlebt. Und zugleich vielleicht auch den Solisten ein wenig von einer Austauschbarkeit der Konzerte und einer Einsamkeit zu nehmen, indem sie an einen bekannten Ort, zu bekannten Menschen zurückkehren können. Ob sich das so

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ENSEMBLETHEATER Dirigenten

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„Die Chance eines Ensemble-Musiktheaters ist, dass sich in der stetigen Zusammenarbeit zwischen Dirigent, Orchester und Sängerensemble Vertrauen aufbauen kann – das dem Ensemblemitglied, aber auch einer Leitungsperson erlaubt, einmal Selbstzweifel oder Schwierigkeiten auszusprechen.“ Dietger Holm

einlöst, bleibt abzuwarten. Man kann ja nicht planen, dass Menschen eine glückliche Verbindung miteinander eingehen. Aber auf den Versuch freue ich mich.

Während die Solisten einzeln und gezielt ausgewählt werden können, trifft ein Dirigent, der neu ans Haus kommt, mit dem Orchester auf ein bestehendes Kollektiv, das bereits in einer langen eigenen Tradition steht. Wie situierst du dich zwischen Orchestertradition und eigenen Zielen? Elias Grandy: Es gehört immanent zum Beruf des Dirigenten, mit bereits gewachsenen Klangkörpern zu arbeiten. Man steht einem lebendigen Organismus, eigentlich einer komplexen Persönlichkeitsstruktur gegenüber, der man mit Respekt begegnen, mit deren Eigenheiten man umgehen lernen muss – genau wie bei einer Einzelperson. Gerade diese Herausforderung finde ich spannend: einander in der kontinuierlichen Arbeit allmählich kennen und lieben zu lernen, herauszufinden, wo die lang verankerten Spieltraditionen dieses Orchesters sind, wo vielleicht noch weniger bebaute Gebiete, wo ich etwas Neues einbringen kann, wo Bestehendes ausschöpfen. Dadurch entsteht eine vielschichtige, in Bewegung bleibende Beziehung.

Es besteht eine starke Tendenz zur medialen Erschaffung von Künstlerbildern, die die Künstler zum Star, zum Popstar, zu einer Marke stilisieren, die mit deren tatsächlichen Qualitäten nicht unbedingt zu tun haben. Die Struktur des Ensemble­ theaters widersetzt sich ihrem Wesen nach dieser Tendenz: Die Stärke des Theaters liegt im Miteinander, im Einander-Zuspielen. Kann man sich gegenüber diesen Starbildern behaupten?

Dietger Holm: Diese starke mediale Bildwelt ist schon eine Herausforderung für die Ensembletheater, die ja auch in verschiedensten Formen darauf reagieren. Doch manches können wiederum nur sie. Eine Beziehung des Publikums zu den Künstlern etwa, zu seinen heiß geliebten persönlichen „Stars“, kann nur in der Kontinuität eines Ensembles entstehen. Elias Grandy: Die Frage ist ja heute, wodurch eine Identifikation mit den Künstlern oder dem Theater entsteht. Sind es die Namen? Ist es das sogenannte Profil? Muss es immer ein „Profil“, eine Besonderheit, etwas Neues geben? Hat etwas, nur weil es zum Beispiel neu ist, mehr Qualität als schon Bestehendes? Allgemeiner ausgedrückt: Macht die Werbung die Marke oder die Qualität des Produkts? Und: Hat das alles noch mit der Kunst zu tun? Mit welchem Schlagwort, welcher Vermarktung kann man das Wunder einer Verdi-Oper wirklich festmachen? Das lässt sich doch nur im Moment der Aufführung erleben. Und diese Diskussion finde ich spannend: Wie können wir unsere Begeisterung auf das Publikum übertragen? Dietger Holm: Dieses Spannungsfeld zwischen „Markt“-Erwartung und Suche nach künstlerischer Aufrichtigkeit ist oft aufreibend für mich. Wie findet oder bewahrt man sich einen eigenen, freien Raum? Elias Grandy: Vielleicht geht es einfach darum, ehrlicher zu werden. Nils Mönkemeyer, einer unserer Artists in Residence, hat einen sehr schönen Artikel über dieses Immer-Funktionieren-Müssen geschrieben. Darüber, nicht zeigen zu dürfen, dass man Angst hat, dass man eine Stelle in einem Stück nicht ganz beherrscht. Immer einen äußeren Schein erfinden zu müssen, der nichts Menschliches mehr erlaubt, obwohl doch unsere Kunst da überhaupt erst beginnt, wo etwas Zerbrechliches, Imperfektes – eben etwas Menschliches zum Vorschein kommt. Dietger Holm: Die Chance eines Ensemble-Musiktheaters ist, dass sich in der stetigen Zusammenarbeit zwischen Dirigent,

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„Vielleicht geht es einfach darum, ehrlicher zu werden. Nils Mönkemeyer, einer unserer Artists in Residence, hat einen sehr schönen Artikel über dieses Immer-FunktionierenMüssen geschrieben. Darüber, nicht zeigen zu dürfen, dass man Angst hat, dass man eine Stelle in einem Stück nicht ganz beherrscht.“ Elias Grandy

Orchester und Sängerensemble Vertrauen aufbauen kann – das dem Ensemblemitglied, aber auch einer Leitungsperson erlaubt, einmal Selbstzweifel oder Schwierigkeiten auszusprechen.

Bis etwa in die 70er-Jahre hinein sahen sich die GMDs oftmals als Mentoren „ihrer“ Sänger, die sie in ihrer Entwicklung beobachteten und förderten, die sie mitunter mit pädagogischem Blick auf den nächsten Entwicklungsschritt für bestimmte Rollen besetzten. Das ist heute weitgehend verloren gegangen, unter anderem wegen der größeren Mobilität auf beiden Seiten. Dietger Holm: Mein Ideal ist das nach wie vor, und mitunter

Fotos: Annemone Taake

kann man es auch verwirklichen. Ein Aspekt davon bewahrt sich aber in der Theaterstruktur, die ein Learning by Doing ermöglicht: Das Dirigieren und das Singen und Agieren auf der Bühne kann man eigentlich nur in der Ausübung, im „Ernstfall“ lernen. Schon Karajan nannte den Dirigentenberuf einen „Lehrberuf mit 20-jähriger Lehrzeit“. So ist es! Am Theater können Dirigenten ihre Arbeit in verschiedenen Verantwortungsgraden und aus verschiedenen Perspektiven nach und nach erlernen: Korrepetitoren werden mit dem Betrieb, in dem man schnell und aufmerksam reagieren muss, noch weitgehend vom Klavier aus vertraut und können mit Nachdirigaten und ersten kleinen Produktionen allmählich ins Dirigieren hineinwachsen.

Was versteht ihr heute unter Ensemblepflege? Elias Grandy: Ensemblepflege findet meiner Meinung nach

maßgeblich in der konkreten gemeinsamen Arbeit statt. Wo man eine Fermate setzt, welches Tempo eine Arie hat, ist schnell geklärt. Aber in welcher Haltung, in welchem Geist eine Arie ge-

sungen wird, wie sich dies musikalisch umsetzen lässt, wie jeder seine Persönlichkeit so einbringen kann, dass die Inhalte zum Leben erwachen: Das sind Fragen, für die man Zeit braucht. Und den Willen und die Offenheit, sich auf diese Art des Arbeitens einzulassen und einander wirklich zuzuhören. Daraus kann dann ein Ensemble entstehen: aus einer gemeinsamen Grundhaltung dem Theater und der Musik gegenüber.

UNSERE INTERVIEWPARTNER Elias Grandy übernimmt im September 2015 das Amt des

Generalmusikdirektors am Theater und Orchester Heidelberg. Der gebürtige Münchner studierte zunächst Cello und war ab 2007 stellvertretender Solo-Cellist an der Komischen Oper Berlin, im Sommer 2011 gab er diese Stelle zugunsten seiner Dirigiertätigkeit auf. Seit 2009 studierte er Dirigieren an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, 2012 wurde er koordinierter 1. Kapellmeister am Staatstheater Darmstadt. Dietger Holm ist seit der Saison 2007/08 1. Kapellmeister und

stellvertretender Generalmusikdirektor am Theater und Orchester Heidelberg. Er studierte Dirigieren bei Klauspeter Seibel an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildeten in den letzten Jahren zeitgenössische Musiktheater-Produktionen. Julia Hochstenbach ist Musiktheaterdramaturgin am Theater

und Orchester Heidelberg.

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ENSEMBLETHEATER Psychologie

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Der gemeinsame Herzschlag Eindrücke von der Probenarbeit des Opernchores an Johannes Harneits Musiktheater „Abends am Fluss“ aus psychologischer Sicht Text_Elisabeth Hutter

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Die Zeichnungen stammen vom Countertenor Kangmin Justin Kim, der seit der Spielzeit 2015/16 neu im Heidelberger Ensemble ist. Es sind Impressionen zur Probenarbeit von „Le nozze di Figaro“ (Premiere: 18. 9. 2015)

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Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie an Chören kann das Singen in einer Gruppe gesund für den Körper sein und ähnlich entspannende Effekte hervorrufen wie beispielsweise Yoga. Die Wirkung gründet sich wohl auf eine Angleichung des Herzschlags unter den Sängern, die wahrscheinlich durch den ähnlichen Rhythmus der Atmung erreicht wird. Ob und inwieweit auch Opernchöre dieser Angleichung des Herzschlags teilhaftig werden können, ist noch nicht erforscht – und nach meinen Eindrücken von der Chorarbeit an der Oper auch eher fraglich. Jedenfalls hatte ich, als unsere Chordirektorin Anna Töller freundlich und engagiert auf mich zukam und anfragte, ob sie mich denn für die Uraufführung der Oper „Abends am Fluss“ gewinnen könne, trotz ihrer hoch motivierenden Worte doch den leisen Verdacht, dass bei dieser unkonventionellen Art von Musik Effekte wie eine einheitliche Atmung und Entspannung beim Singen eher nicht an der Tagesordnung sein würden. In der Tat wurde ich nicht enttäuscht. Die Probenarbeit begann in der Besetzung des Extrachores, der nicht fest am Haus angestellt ist, um sich in das Werk einzuarbeiten und musikalisch daran zu feilen. Einer meiner ersten Gedanken war, wie es wohl möglich beziehungswei-

ENSEMBLETHEATER Psychologie

se ob es nicht schlicht unmöglich sein könnte, sich diese komplizierten Chorpassagen einzuprägen und auswendig zu merken. Die verschiedenen Methoden der Lernpsychologie schienen hier an ihre Grenzen zu stoßen; sie waren vor allem deshalb unnütz, weil sich weder Text noch Musik in vertraute Schemata pressen ließen. Das Erlernen dieser Chorsätze gelang dann auch weniger mithilfe von Methoden der Lernpsychologie als vielmehr in der Zusammenarbeit der Chormitglieder: Zunächst suchte sich jeder seinen Weg durchs Dickicht. Und als dann in den letzten musikalischen Proben der Haus- und der Extrachor des Theaters gemeinsam am Werk waren, wurden die verschiedenen individuellen Lerntaktiken munter ausgetauscht. Dies führte allerdings manchmal auch zu Verwirrung und der Gefahr, dass das eigene, selbst zurechtgelegte System in Text und Musik zusammenbrechen könnte, weil andere von ganz anderen Erfahrungen zu berichten wussten. Und um mir diesen Zusammenbruch zu ersparen, bin ich dazu übergegangen, selektiv das aufzuschnappen, was mir mit meiner persönlichen Strukturierung des Werks vereinbar schien, und andere Taktiken auf einer frühen Ebene der auditorischen Bahn von Ohr zu Gehirn auszufiltern. Auch das ist ein schönes praktisches Beispiel dafür, wie wichtig psychosoziale Faktoren und soziale Ressourcen für die Entlastung in der Gruppe sind – wenn man sie gut zu filtern weiß. Psychosoziale Faktoren können sich auch auf die Motivation auswirken, die in einer Gruppe schnell verstärkt, ebenso schnell aber auch ausgebremst werden kann. Ist bei eher beliebten, eingängigen Werken von einer grundsätzlich hohen intrinsischen Motivation auszugehen – also einem hohen Antrieb, das Werk um seiner selbst willen zu erarbeiten –, so sind bei weniger leicht verständlichen oder eingängigen Werken extrinsische Faktoren für eine ausreichende Motivation sehr wichtig. So ist es zu er-

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klären, dass nach einer intensiven Probenarbeit des Haus- und des Extrachores beim ersten Kennenlernen mit dem Komponisten Johannes Harneit eine deutliche Veränderung im Chor zu spüren war. Eine informative Einführung und weitere Erklärungen zum Werk und seinen Ideen beim Komponieren – eine gewisse Ähnlichkeit zum in der Psychotherapie verwendeten Counseling als wirksamem Bestandteil mancher Therapien – machten die Musik für uns plötzlich viel nachvollziehbarer.

Ideen von Chormitgliedern wurden aufgegriffen, der Klang der Stimmgruppen floss in die Erarbeitung ein. Eine aus Sicht der medizinischen Gesundheitsforschung positiv zu wertende Arbeitsweise

Zugleich war Johannes Harneit auch der Dirigent dieser Uraufführung. Sein erfrischend lockerer Umgang mit der Komposition und seine humorvolle Betrachtungsweise vieler Probleme und Fragen ließen die gemeinsame Arbeit fruchten und bereiteten Freude. Ich persönlich habe aufgeatmet, als der Komponist sich mit der bisherigen Arbeit des Chores sehr zufrieden zeigte und mit positiver Verstärkung nicht sparte, die – gezielt einge-

setzt – aus psychologischer Sicht natürlich sinnvoll ist und gewiss einen motivationsfördernden Faktor darstellte. Schön zu sehen war in dieser Probenphase, wie ein großer Spielraum an Mitgestaltung des Chores bei einer Uraufführung unter Mitwirkung des Komponisten möglich war und genutzt wurde. Ideen von Chormitgliedern wurden aufgegriffen, und der Klang der Stimmgruppen floss in die musikalische Erarbeitung ein. Eine aus Sicht der medizinischen Gesundheitsforschung positiv zu wertende Arbeitsweise! Mehr und mehr wird dort eine ganzheitliche Betrachtungsweise angewendet, die die psychosozialen Belastungen bei Musikern als negativen Einfluss auf die Gesundheit anführt. Darunter fällt neben Zeitdruck und Rollenkonflikten auch der (oftmals geringe) persönliche Entscheidungsspielraum. Auch der Regisseur Peter Konwit­ schny räumte dem Chor und ebenso dem Solistenensemble in der szeni­ schen Erarbeitung des Werks viel Ge­ staltungsspielraum ein. Spätestens jetzt, wo unterschiedliche an der Produktion beteiligte Gruppen und Solisten zusammenkamen, war die Probe eine intensive und anspruchsvolle Arbeit, die zu Spannungen und Konflikten führen kann. Ein Grund dafür könnte sein, dass nun die Individualität der einzelnen Personen in der Gruppe zugunsten des Ganzen noch stärker in den Hintergrund treten muss. Das kann dann auch schon mal zu Frustrationsreaktionen führen, mit denen man sowohl bei sich selbst als auch bei anderen oft gar nicht gerechnet hat. In so einer Konstellation kann es hilfreich sein, wenn der künstlerische Chef einen Weg findet, seinen Respekt vor der Individualität der Gruppenmitglieder zum Ausdruck zu bringen. Peter Konwitschny stellte das beispielsweise durch Kenntnis aller Namen der Chormitglieder eindrucksvoll unter Beweis: ein sehr gut geeignetes Mittel zur Vorbeugung gegen Spannungen im Kollektiv. Wir haben aber auch erfahren, dass

Zeichnungen: Kangmin Justin Kim

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der durch die künstlerische Herausforderung erzeugte Stress und auch die in der Probenarbeit immer mal wieder auftretenden Konflikte den Zusammenhalt innerhalb unserer Gruppe gefördert und unseren Chor als Einheit spürbar gestärkt haben. Ein besonders komplexes Gefüge aller beteiligten Personen und Gruppen auf der Bühne entstand schließlich bei den Endproben. War zuvor das Solistenensemble – relativ überschaubar – hinzugekommen, so waren nun die Bühnentechniker ins Geschehen einbezogen, später auch die Orchestermusiker, im Hintergrund waren die Abteilungen von Maske und Kostüm tätig. Der streng geregelte zeitliche Ablauf solcher Endproben erzeugt natürlich Druck auf jede einzelne Gruppe, die zudem im Interagieren auf­ ein­ander angewiesen und damit voneinander abhängig sind. Daraus entsteht eine ganz spezifische Dynamik in der Beziehung zueinander, der man im strengen Reglement der Proben mehr oder minder ausgeliefert ist. So muss der Chor beispielsweise den Ton, auf dem er in einer bestimmten Passage einsetzt, von einem der Solisten abnehmen; die Bühnentechniker wiederum müssen ihre Programmierung der Bühnenmaschine auf Bewegungen des Chores abstimmen; Chor und insbesondere die Solisten sind bei ihren teils durchaus waghalsigen szenischen Aktionen auf die perfekte Koordination der Techniker angewiesen; und der Solist aus dem Ensemble muss sich in seinem Schauspiel auf das Mitwirken und -spielen des Chores verlassen können. All das erzeugt Stress, der sich dann manchmal auch Luft macht – in zumindest auf der Bühne hörbaren einschlägigen Äußerungen. In diesen Endproben traten mir die Mechanismen zweier wichtiger neu­ ropsychologischer Funktionen in manchmal geradezu erschütternder Klarheit vor Augen: das Gedächtnis und die geteilte Aufmerksamkeit. Hatte ich gegen Ende der musikalischen Pro-

ben, im Chorsaal meist neben den gleichen Personen sitzend, doch den Eindruck, dass das Üben Früchte getragen hatte und die Chorpassagen gut im Gedächtnis verankert sind, so sah das unter den veränderten äußeren und inneren Bedingungen der szenischen Endproben gleich wieder ganz anders aus. Der Raumwechsel, in jeder Szene eine neue und ungewohnte Aufstellung innerhalb des Chores und der Stimmgruppen, auch eine veränderte emotionale Situation: All das ist einem reibungslosen Funktionieren des Gedächtnisses eher hinderlich. Viel günstiger wären vielmehr ähnliche äußere und innere Bedingungen sowohl in der Lern- wie auch in der Abrufsituation, um aus dem Gedächtnis möglichst erfolgreich Gespeichertes wiedergeben zu können (wenn das Abzurufende denn überhaupt schon gespeichert worden war). Aber das widerspricht natürlich jeder szenischen Arbeit. Hinzu kommen hohe Anforderungen an alle Künstler, ihre Aufmerksamkeit zwischen verschiedenen Faktoren (gesangliche Intonation, szenisches Spiel, Dirigent, Interaktion mit dem Partner und anderen Gruppen) aufzuteilen. Die Funktionsweise dieser geteilten Aufmerksamkeit haben die Psychologen meist nur im Labor erforscht, und man kann nach deren Ergebnissen eigentlich eher davon ausgehen, dass zwar das schnelle Switchen zwischen verschiedenen Aufgaben möglich ist, dass aber das wirklich parallele Erledigen zweier unterschiedlicher Aufgaben eher unmöglich ist. Genau diese Fähigkeit aber hätte ich mir auf der Bühne oft gewünscht, wenn Musik, Dirigent, Szene und Mitmenschen gleichzeitig Beachtung finden sollten. Wenn Endproben und Generalprobe über die Bühne gegangen sind, dann treten in der Premiere und bei den folgenden Aufführungen neben der gesunden, leistungssteigernden Aufregung möglicherweise Ängste und Stress auf, die in der Musikmedizinforschung natürlich auch

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untersucht wurden und werden. Wenige, meines Erachtens aber wichtige Forschungsergebnisse gibt es auch im Bereich der psychosozialen Einflüsse auf die Leistung und Gesundheit der beteiligten Musiker, die an der Oper arbeiten. Gerade in der räumlich engen und auf eine bestimmte Gruppe begrenzten Zusammenarbeit im Ensemble mit Chor und Solisten sind gruppendynamische Prozesse und psychosoziale Faktoren bedeutend, und zwar sowohl für das psychische und körperliche Wohlbefinden wie auch für die Qualität des künstlerischen Endproduktes, das in der Zusammenarbeit entsteht. Mitgestaltungsmöglichkeiten, Entscheidungsspielraum und gegenseitige soziale Unterstützung, die ich hier bereits angesprochen habe, sind wichtige Pluspunkte in der Ensemblearbeit. Es war schön zu beobachten, wie die Mitglieder des Chores und der Chor- und Musikleitung in der Produk­ tion „Abends am Fluss“ kompetent und mit ganzem Einsatz die positiven psychosozialen Faktoren gefördert haben und so eine konstruktive Arbeit in schwierigen Situationen aufrechterhalten konnten. Dies hat einen geschlossenen Auftritt des Chores sicherlich unterstützt. Ob unsere Einheit als Opernchor bei der Arbeit an „Abends am Fluss“ wirk­ lich so weit ging, dass wir zu einem einheitlichen Herzschlag gekommen sind – ich weiß es nicht. Und meines Wissens gibt es dazu bisher ja auch leider noch keine Studie.

UNSERE AUTORIN Elisabeth Hutter ist seit 2013 Altistin

im Extrachor des Theaters und Orchesters Heidelberg. Im Hauptberuf arbeitet sie als Psychologin in der HNO-Abteilung der Heidelberger Universitätsklinik.

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ENSEMBLETHEATER Historie

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Das Ensemble ist am Theater Heidelberg seit Jahrzehnten die Basis künstlerischer Neuentwicklungen Text_Volker Oesterreich

Foto: Annemone Taake

Neuanfang als Tradition

Christina Rubruck (Elsbeth), Roland Bayer (Carl), Nanette Waidmann (Fanny), Magdalena Neuhaus (Emma) und Lisa Förster (Lydia; v. l.) in „Die Kassette“ von Carl Sternheim

Wer sich den SitzungsMitschnitt anhört, ist entsetzt von dem Niveau der Debatte, das jedem Kabarettisten überreiches Material

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ENSEMBLETHEATER Historie

Bertram Maxim Gärtner (Franz), Jan Krauter (Erich), Lisa Förster (Gunda), Josepha Grünberg (Marie), Viola Pobitschka (Elisabeth) und Florian Mania (Bruno; v. l.) in „Katzelmacher“ von Rainer Werner Fassbinder; Regie führte Isabel Osthues

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Foto: Annemone Taake

er Schein trügt. Theater sind mitnichten Zauberkästen, in denen ausschließlich die Kunst des Augenblicks regiert. Erinnerungen an geistige Höhenflüge der Vergangenheit oder an knallige Klamotten, an virtuose Ensembleleistungen, solistische Glanznummern, subversive Provokationen und sicher auch an die eine oder andere Enttäuschung klingen aus dem Resonanzkörper, sobald man ein vertrautes Theatergebäude betritt. Das ist keine nostalgische Gefühlsduselei, sondern Resultat einer langen Überzeugungsarbeit, geleistet von sich immer wieder neu formierenden Ensembles, die in einem bestimmten Stadt-, Landes- oder Staatstheater arbeiten. Ein stetiger Entwicklungsprozess. Aus der Sicht der Zuschauer sind diese Erfahrungswerte aufs Engste mit den Erlebnisräumen namens Parkett, Rang und Bühnenhaus verbunden, also mit der architektonischen Hülle und ihrem Dekor. Gerade deshalb wurde in Heidelberg so heiß diskutiert, als das mehr als 150 Jahre alte Theatergebäude von 2009 bis 2012 saniert, erweitert und mit einer Investition von rund 70 Millionen Euro, zu der auch viele Kleinspender und Großsponsoren beitrugen, fit für die Zukunft gemacht wurde. Als die Arbeiten begannen und ein zusätzlicher neuer Saal als Herzstück konzipiert wurde, fürchteten manche um die Aura des stuckstrotzenden, aber doch etwas eklektizistischen Alten Saals. Verständlich, denn wo, wenn nicht dort, könnte man die Seele des künstlerischen Betriebs verorten? Und wo, wenn nicht dort, manifestiert sich die Erinnerung an Ensembleleistungen, die drei, zehn, dreißig oder noch mehr Jahre zurückliegen? Wie gut also, dass sich der technisch aufgepeppte kleinere Alte Saal und der neue, nach einem Großsponsor benannte Marguerre-Saal des Heidelberger Theaters gegenseitig ergänzen und vielfältig nutzbar sind. Sie können bei Großprojekten wie denen der Tanzchefin Nanine Linning oder beim DoppelOpern-Abend der beiden Johannes-Harneit-Werke „Abends am Fluss“ und „Hochwasser“ sogar in toto

bespielt werden. Verbunden ist dies mit dem Mehrwert von Wandel-Performances, bei denen die Besucher nicht ständig auf einem Sitzplatz ausharren müssen, sondern zu unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten in einem ganzen Raumgefüge inklusive der Foyers, Treppenhäuser und/ oder Werkstätten eingeladen sind. Theater total, das den Spektakel-Ideen eines Benno Besson oder Peter Palitzsch sehr nahekommt. Beim Pausenplausch oder dem Après-Théâtre werden in Heidelberg gern die späten 60er- bis frühen 90erJahre beschworen, verbunden mit Erinnerungen an Schauspielerpersönlichkeiten wie Otto Sander, Ulrich Wildgruber, Evelyn Hamann, Lore Stefanek, Elisabeth Trissenaar, Gottfried John und später auch Ulrich Tukur oder die Sopranistin Ruth Ziesak, die immer wieder als Gast zurückkehrt und mit ihrem glockenhellen Timbre sowie ihrer facettenreichen Bühnenpräsenz das Publikum betört. Als John, Trissenaar, Wildgruber & Co. in Heidelberg arbeiteten, standen sie am Anfang ihrer Karriere, berühmt wurden sie andernorts, aber ihr späteres Renommee strahlt auch rückwirkend auf die Stadt. Mag sein, dass aus der Sicht des Publikums dabei auch Momente der Verklärung mitspielen, andererseits wirken die Berichte älterer Premierentiger und/oder Abonnenten noch heute mitreißend, wenn sie von Hans Neuenfels’ geradezu als revolutionär empfundener „Zicke-Zacke“-Inszenierung berichten. Die mit den Elementen der Popkultur und starken Rhythmen arbeitende Fußballrevue spiegelte das wider, was sich 1968/69 zeitgleich auf den Straßen und in den Hörsälen der studentenbewegten Universitätsstadt abspielte. Auf eine ganz andere Weise zu einer Schule des neuen Sehens wurde der Bau an der Theaterstraße, als Johann Kresnik seinen „Familiendialog“ oder seinen „Macbeth“ (mit Anspielungen auf den toten CDUPolitiker Uwe Barschel in einer Genfer Hotelbadewanne) aufführen ließ. In den 80er-Jahren sahen die Besucher in ihm den angry young man des politischen Tanztheaters, und natürlich verstand er es auch, mit seinen rabiaten Choreographien zu polarisieren. Wenn Kresnik jetzt in der Saison 2015/16 an den Neckar zurückkehrt, um die Uraufführung von Johannes Kalitzkes Oper „Pym“ zu inszenieren (eine Auftragsarbeit des Heidelberger Theaters, die auf einem Roman Edgar Allan Poes basiert), kann er auf dem künstlerischen Fundament, das er vor mehr als 30 Jahren gelegt hat, aufbauen. Und er kann auch darauf vertrauen, dass die Zuschauer im auratischen

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ENSEMBLETHEATER Historie

Erinnerungsort des Heidelberger Theaters die vergangenen Ensembleleistungen selbst dann „mitdenken“ und „mitfühlen“, wenn sie selbst aus rein biographischen Gründen damals keine Zeitzeugen sein konnten. Dafür sorgt der erwähnte generationsübergreifende Pausenplausch über vergangene Highlights. Oder das eine oder andere publizistische Statement zu einer Neuproduktion, sprich: die Kritik, die Zusammenhänge zu deuten vermag. Dass die Sparte Tanz, die es an anderen Bühnen oft sehr schwer hat, in Heidelberg gerne gehegt und gepflegt wird, hat sicher auch etwas mit Kresniks Pionierleistungen zu tun. Davon kann nun auch Nanine Linning mit ihrer Dance Company profitieren, obwohl die Niederländerin als Vertreterin eines ästhetisch-sinnlichen und zugleich poetischen Tanztheaters alles andere ist als eine Bühnenberserkerin. Von Kresnik trennen sie Welten, dem Weltgeist des Tanztheaters ist sie gleichwohl verpflichtet. Das Merkwürdige dabei: Das Konzept der Linning’schen Gesamtkunstwerke ist oft so umfassend und bildmächtig, dass die individuellen Leistungen der einzelnen Tänzerinnen und Tänzer absorbiert werden. Bei ihr ist das international geprägte Ensemble der Star schlechthin. Allein das Kollektiv zählt, ephebenhafte Solisten oder betörende Primaballerinen gehören nicht zu Linnings Stil der atmosphärischen Überwältigung. Dafür tauchen alle ein in eine opulente Ausstattungsmagie mit äußerst aufwendigen und phantasievollen Kostümen, die mitunter sogar den Charakter belebter Skulpturen haben, wenn Nanine Linning das niederländische Künstlerduo Les Deux Garçons (Michel Vanderheijden van Tinteren und Roel Moonen) mit ins Boot holt. So zuletzt geschehen bei ihrer Produktion „Hie­ronymus B. – Tanz durch Hölle und Paradies“ über den großen Renaissance-Künstler. Anders als beim Tanz sind die Truppen des Heidelberger Musiktheaters, des Schauspiels und des Jungen Theaters von Individualisten geprägt, die dem Ensemblegeist selbst dann huldigen, wenn einzelne Künstlerinnen oder Künstler dem Regieauftrag gemäß die Rampensau aus sich herausholen wollen beziehungsweise sollen. Beispiel: Milan Peschels Inszenierung von Carl Sternheims Komödie „Die Kassette“, in der das gesamte Ensemble zu Höchstleistungen des Klamauks angetrieben wurde und die Stilformen des guten, alten Kintopps mit seinen übertriebenen Gesten, Running Gags

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Bertolt Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ mit Olaf Weißenberg (Graham), Steffen Gangloff (Slift) und Hendrik Richter (Meyers)

und expressionistischen Verrenkungen in Perfektion bediente – das aber auf intelligente, hintersinnige Weise. Eine ganz besondere Nummer durfte sich dabei Dominik Lindhorst in der Rolle des Fotografen Seidenschnur leisten. Mit seiner altertümlichen Stativkamera vollführte er ein liebestolles Balzritual, das man so schnell nicht vergessen wird. Ob Nanette Waidmann oder Lisa Förster, ob Roland Bayer oder Michael Kamp – sie alle machten darin beste Figur. Selten gerät Klamauk so niveauvoll.

Foto: Annemone Taake

Insgesamt fällt am derzeitigen Heidelberger Schauspielensemble, zu dem natürlich auch regelmäßig Gäste engagiert werden, die wohlausgewogene Altersstruktur auf. Künstlerinnen und Künstler wie Christina Rubruck, Stefan Reck, An­ dreas Seifert oder Hans Fleischmann sorgen mit ihren Erfahrungen, die sie an großen Häusern, aber auch vor der TV- und Filmkamera gesammelt haben, dafür, dass psychologische Tiefe auch dann noch gewährleistet ist, wenn der Regiestil aufs allzu Äußerliche oder Vordergründige ausgelegt sein mag. Oder anders ausgedrückt: Diese Truppe kann auch Tschechow, und sie ist ebenfalls in der Lage dazu, fern vom Pathos klassische Sprachschönheit zu zelebrieren. Etwa in „Maria Stuart“. Die Schiller-Inszenierung Ingo Berks gehörte in der vergangenen Saison zu den beliebtesten Aufführungen, obwohl sie in weiten Teilen eher konventionell anmutete. Eine hohe Qualität erreichte sie, weil Berk seinen beiden Hauptdarstellerinnen Christina Rubruck (als Elisabeth) und Nicole Averkamp (als Maria) viel Raum dafür ließ, die seelischen Zerreißproben der beiden Königinnen zu verdeutlichen: als Frauen von heute mit dem Herrschaftsdenken von gestern und einer Schar von Männern um sich, die auf dem Feld der politischen und amourösen Ranküne fast durch die Bank weg nur an ihr eigenes Ego denken. Das Talent, diese Facetten mitzuspielen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Weder im Schauspiel- noch im Musiktheater­ ensemble herrschen Kommen und Gehen, sondern eine ausgewogene und für die künstlerische Erneuerung dienliche Fluktuation. Es gab ja Zeiten, da regierte – sicher auch aus Spargründen – an so

manchen Bühnen der reinste „Jugendwahn“ mit Exund-hopp-Engagements für ein, zwei Spielzeiten, sodass die jungen Künstlerinnen und Künstler kaum an ihrer darstellerischen Profilierung arbeiten konnten, weil sich die Konzentration zu sehr auf ein Folgeengagement beziehungsweise auf eine weitere Sprosse auf der Karriereleiter richten musste. Auch den Sängerpersönlichkeiten wie Irina Simmes, Angus Wood, Hye-Sung Na, Wilfried Staber oder Ipcˇa Ramanovic´ merkt man an, dass Heidelberg kein Durchlauferhitzer ist, sondern die Chance bietet, anspruchsvolles Rollenfutter aufgetischt zu bekommen. Beispielsweise beim erwähnten Opern-Doppel von Johannes Harneit, das in der Inszenierung Peter Konwitschnys und unter der musikalischen Leitung des Komponisten zu den ambitioniertesten Projekten der vergangenen Saison gehörte. Mit von der Partie waren dabei auch Carolyn Frank und Winfrid Mikus, die beiden einzigen Mitglieder des Opern­ ensembles, denen der Ehrentitel Kammersänger zuteilwurden. Beide kennt das Heidelberger Publikum seit vielen Jahren. Und beide sind sich nicht zu schade, auch mal in kleineren Partien aufzutreten. Bedauerlich nur, dass es die Struktur des Heidelberger Theaters nicht erlaubt, Produktionen wie „Die Kassette“ oder das Harneit-Doppel „Abends am Fluss“ und „Hochwasser“ in die neue Saison mitzunehmen. Diese Produktionen, aber auch das übrige Repertoire beweisen, dass die Tradition des Ensembletheaters noch längst nicht passé ist. Notorische Schwarzseher glaubten zwar, mit der Ablösung Frank Castorfs von der Berliner Volksbühne und der Neuberufung des Ausstellungskurators und Kulturmanagers Chris Dercon werde heftig das Totenglöcklein für das gute, alte Ensembletheater geläutet. Doch weit gefehlt. Wenn sich tolle Truppen für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort formieren, ist – wie so oft in der Kunst – alles möglich. Das beweist die Tradition. Und das beweisen auch die ständigen programmatischen Neuanfänge.

UNSER AUTOR Volker Oesterreich ist Leiter des Kulturressorts

der Rhein-Neckar-Zeitung.

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ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Das Ensemble Und hier ist es, das Herz des Theaters und Orchesters Heidelberg: künstlerisches Ensemble und Mitarbeiter

ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

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Fotos: Philipp Ottendörfer (5), Florian Merdes (2), Paul Schöpfer (1)

Schauspiel

NICOLE AVERKAMP

SHEILA ECKHARDT

HANS FLEISCHMANN

LISA FÖRSTER

studierte an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Sie spielte am Theater Dortmund, am Nationaltheater Mannheim, am Theater Basel, am Staatstheater Darmstadt und am Theater Osnabrück. Am Theater und Orchester Heidelberg ist sie seit 2011 engagiert.

studierte bis 2014 an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Während ihrer Ausbildung gastierte sie regelmäßig an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Ab 2015/16 ist Sheila Eckhardt in Heidelberg zu sehen.

war nach seiner Schauspielausbildung an der OttoFalckenberg-Schule in München u. a. am Nationaltheater Mannheim, dem Berliner Ensemble und an der Schaubühne Berlin fest engagiert. Seit der Spielzeit 2011/12 ist Hans Fleischmann Mitglied des Ensembles in Heidelberg.

schloss 2013 ihr Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen ab. Bereits während ihrer Ausbildung spielte sie am Schauspielhaus Bochum und am Schauspiel Essen. Lisa Förster trat zur Spielzeit 2013/14 in Heidelberg ihr erstes Festengagement an.

STEFFEN GANGLOFF

DOMINIK LINDHORST

FLORIAN MANIA

studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Es folgten Festengagements in Magdeburg, Essen sowie Osnabrück. Steffen Gang­loff ist seit der Spielzeit 2011/12 Mitglied des Ensem­ bles am Theater und Orchester Heidelberg.

absolvierte bis 2008 seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Von 2008 bis 2011 war er am Theater Osnabrück engagiert. Seit Beginn der Spielzeit 2011/12 ist Dominik Lindhorst als festes Ensemblemitglied in Heidelberg.

studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Währenddessen spielte er bereits am LAB und am Schauspiel Frankfurt. Nach einem Gastauftritt bei den Heidelberger Schlossfestspielen 2010 ist Florian Mania seit 2011 in Heidelberg engagiert.

FABIAN OEHL schloss 2013 sein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und dem Schauspielstudio Halle ab. Er arbeitete bereits am Neuen Theater Halle und an der LehnschulzenHofbühne Viesen. In Heidelberg trat er 2013/14 sein erstes Festengagement an. 

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ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

HENDRIK RICHTER

CHRISTINA RUBRUCK

ANDREAS SEIFERT

studierte bis 2000 an der Westfälischen Schauspielschule Bochum. Er war fest am Theater Oberhausen und anschließend bis 2012 am Theater Bonn engagiert. 2010 erhielt er den Bonner Theaterpreis Thespis. Im Heidelberger Ensemble ist Hendrik Richter seit 2014/15.

absolvierte ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Sie war u. a. am Staatstheater Stuttgart, dem Nationaltheater Mannheim oder am Schauspielhaus Hamburg zu sehen. Sie ist seit 2011 fest am Heidelberger Theater engagiert.

war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hannover ab 1986 am Staatstheater Stuttgart engagiert. Es folgten Engagements in Frankfurt, Bremen, Bonn, Wien und Berlin. Seit der Spielzeit 2011/12 ist Andreas Seifert Ensemblemitglied in Heidelberg.

NANETTE WAIDMANN

OLAF WEISSENBERG

MARTIN WISSNER

studierte Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste. Während ihres ersten Engagements am Volkstheater Wien wurde sie 2012/13 mit dem Dorothea-Neff-Preis als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Seit 2013 spielt sie im Heidelberger Ensemble.

absolvierte sein Schauspielstudium an der Folkwang Hochschule in Essen. Seine Fest­ engagements führten ihn nach Kaiserslautern, Tübingen, Graz, Potsdam sowie Darmstadt und Osnabrück. Er ist Mitglied im Heidelberger Ensemble seit der Spielzeit 2011/12.

schloss 2007 sein Schauspielstudium an der Bayerischen Theaterakademie „August Everding“ ab. Von 2007 bis 2013 war er Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Seit der Spielzeit 2013/14 ist Martin Wißner am Theater und Orchester Heidelberg engagiert.

Fotos: Philipp Ottendörfer (4), Florian Merdes (3),

KATHARINA QUAST studierte bis 2001 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Sie war von 2001 bis 2005 am Theater Augsburg, anschließend am Theater Osnabrück engagiert. Seit Beginn der Spielzeit 2011/12 ist Katharina Quast in Heidelberg zu sehen.

ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

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Fotos: Philipp Ottendörfer (5), Florian Merdes (1), Robert Taylor (1), privat (1)

Musiktheater

ELISABETH AUERBACH

CAROLYN FRANK

JAMES HOMANN

NAMWON HUH

Ensemblemitglied seit 2014/15. Wichtige Partien waren und sind bisher: Dorabella, Lybia in „Fetonte“, Selene in „Didone abbandonata“, Hänsel. Umfassende Tätigkeit auch als Lied- und Konzertsängerin u. a. unter Vladimir Jurowski mit Mahlers „Wunderhorn“Liedern.

Ensemblemitglied seit 1986. Zuvor 1980 bis 1983 Ensemblemitglied am Staatstheater Saarbrücken. Wichtige Partien waren u. a.: Dorabella, Idamante, Herodias, Titelpartie in Henzes „Phaedra“. Zurzeit singt sie: Despina, Marcellina, Genevìeve, Knusperhexe/Gertrud in „Hänsel und Gretel“.

Ensemblemitglied seit 2011/12. Wichtige Partien waren z. B.: Amonasro, Renato, Giorgio Germont, Scarpia, Escamillo, Musiklehrer, Peter Besenbinder, Mazeppa, Guglielmo, Fremder in Josts „Rumor“. Er gastierte auch an der Staatsoper Berlin und der Vlaamse Opera Antwerpen/Gent.

Ensemblemitglied seit 2012/13. Wichtige Partien: Belmonte, Ferrando, Don Ramiro, Graf Almaviva, Orcane („Fetonte“), Araspe („Didone abbandonata“), Apollon/Ein Gast in Rihms „Dionysos“. Gastspiele an der Staatsoper Stuttgart sowie u. a. in Innsbruck und Braunschweig.

KANGMIN JUSTIN KIM

WINFRID MIKUS

RINNAT MORIAH

HYE-SUNG NA

Ensemblemitglied seit 2015/16. Sein Operndebüt war 2013 als Menelao in Cavallis „Elena“ in Aix en Provence, 2014/15 u. a. in Paris Prinz Orlofsky an der Opéra Comique und Oreste in „La belle Hélène“ am Théâtre du Châtelet. Er wurde als Kimchilia Bartoli 2011 zum You­ Tube-Star.

Ensemblemitglied seit 1991/92. Zunächst war er als Buffotenor engagiert, ab 2002 sang er auch zentrale Partien als Charakter- und jugendlicher Heldentenor, darunter Herodes, Max, Tannhäuser, Florestan, Otello, Canio, Cavaradossi, Radamès. Zurzeit gibt er Basilio und Herrn Schultz.

Ensemblemitglied seit 2013/14. Wichtige Partien: Oscar in „Ballo“, Blonde, Susanna, Violetta Valéry, Adele, Teti/La Fortuna in „Fetonte“, Dido in „Didone abbandonata“, Waldvogel in „Siegfried“. Sie sang u. a. unter Barenboim an der Mailänder Scala und der Staatsoper Berlin.

Ensemblemitglied seit 2009/10. Sie debütierte 2007 in Heidelberg als Cio-Cio San. Mit dieser Partie gastierte sie u. a. auch in Saarbrücken, Linz, Erfurt und Regensburg. Wichtige Partien: Tosca, Mimì, Amelia in „Ballo“, Maria in „Mazeppa“, Micaëla  und Desdemona.

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ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

IPC ˇ A RAMANOVIC´

IRINA SIMMES

WILFRIED STABER

ANGUS WOOD

Ensemblemitglied seit 2013/14, wichtige Partien: Guglielmo, Graf Almaviva, Golaud, Leichter Koffer in der UA von Harneits „Hochwasser“, Regie Peter Konwitschny. Gastspiele waren auch an der Staatsoper Stuttgart, der Komischen Oper Berlin und am Théâtre du Capitole Toulouse.

Ensemblemitglied seit 2012/13. Wichtige Partien: Konstanze, Fiordiligi, Gräfin Almaviva, Violetta Valéry, Micaëla, Pro­ tagonistin der UA von Harneits „Abends am Fluss“ in der Regie von Peter Konwitschny. Von Irina Simmes stammt auch der Artikel auf Seite 12 in diesem Heft.

Ensemblemitglied von 2004 bis 2007, wieder seit 2009/10. Zwischenzeitlich war er Ensemblemitglied an der Oper Köln, der er weiter als Gast verbunden ist. Ebenso gastierte er bei den Bregenzer Festspielen. Wichtige Partien waren z. B.: Landgraf, Rocco, Sarastro, Osmin, und Kotschubej in „Mazeppa“.

Ensemblemitglied seit 2011/12. Wichtige Partien bisher u. a.: Radamès, José, Cavaradossi, Rodolfo, Pinkerton, Riccardo in „Ballo“, Pelléas. Umfassende Gastiertätigkeit u. a. am Staatstheater am Gärtnerplatz, Konzert Theater Bern, bei den Bregenzer Festspielen sowie in Sydney, Auckland und Perth.

DEMI-CARLIN AARTS

PAOLO AMERIO

MALLIKA BAUMANN

BRECHT BOVIJN

absolviert derzeit ihr Bachelorstudium an der Amsterdamer Hochschule der Künste, im Zuge dessen sie u. a. mit dem Repertoire von Hofesh Shechter vertraut wurde. Zur Spielzeit 2015/16 sammelt sie praktische Erfahrungen mit der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg.

stammt aus Italien und schloss sein Studium 2013 an der Thea­ terschool Amsterdam ab, in dessen Rahmen er u. a. mit Emio Greco und Pieter C. Scholten, Club Guy & Roni und Heidi Vierthaler arbeitete. 2012/13 kam er zur Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg.

erhielt ihre Ausbildung an der Hamburger CDSH und der ArtEZ Dansacademie in Arnhem. Bevor sie 2009/10 fest zu Nanine Linnings Compagnie stieß, tanzte sie bereits in „Dolby“ und „SKIN@FOAM“ und für Choreographen wie Félix Duméril, Roberto Zappala und Ed Wubbe.

Der aus Belgien stammende Tänzer wechselte nach seinem ersten Ausbildungsjahr vom Tanzkonservatorium Artesis in Antwerpen 2011 zu Codarts nach Rotterdam und verbrachte die Spielzeit 2014/15 am Konzert Theater Bern. Dort tanzte er auch bereits in Linnings „Requiem“.

Fotos: Arjen Roos (1), Annemone Taake (2), Piet van den Eynde (1), Philipp Ottendörfer (3), Florian Merdes (1)

Tanz

ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

KAREN BRINKMAN

Fotos: Annemone Taake (3), Arash Nikkhah (1), privat (3), Yuuki Kabayashi (1)

Die Niederländerin erhielt ihr Diplom 2014 an der Amsterdamer Kunsthochschule. Sie arbeitete und tourte u. a. mit Club Guy & Roni, Conny Janssen Danst und Loic Perela & Dario Tortorelli. Im November 2014 kam sie zunächst als Gast ans Theater Heidelberg.

LORENZO PONTEPRIMO tanzte zuletzt bei Conny Janssen Danst. Er beendete seinen in Italien begonnenen Ausbildungsgang 2013 bei Codarts, Rotterdam. Bisher sammelte er Erfahrungen mit Choreographien von Regina van Berkel, Club Guy & Roni und Sjoerd Vreugdenhil.

ABEL HERNÁNDEZ GONZÁLEZ verbringt sein letztes Studienjahr bei Codarts in Rotterdam mit der Tanzcompagnie Nanine Linnings. Bisher tanzte er Choreographien von Jiˇrí Kylián, Michael Schumacher, Marina Mascarell oder Felix Landerer und ging 2013 mit Trànsit Dansa auf Kolumbien-Tournee.

ENDRE SCHUMICKY aus Ungarn wurde an der Budapester Akademie und der Ronan Morgan School of Irish Dancing ausgebildet. Er war Gast an den Staatstheatern Košice und Mainz, Tänzer für u. a. Georg Reischl, Pascal Touzeau, Jacopo Godani und ab 2013/14 zwei Jahre in der Tanzcompagnie Gießen bei Tarek Assam.

KYLE PATRICK gebürtig aus Sint Maarten, erhielt seine Ausbildung an der Hochschule der Künste Fontys und bei Codarts in Rotterdam. Sein Bühnendebüt hatte er 2007 in „La traviata“ in Zürich, tanzte für Thom Stuart beim Scapino Ballet und wurde im August 2010 Mitglied der Compagnie Heidelberg.

EMMA VÄLIMÄKI schließt 2015 ihre Ausbildung bei Iwanson ab und wirkte u. a. 2014 in Minka-Marie Heiß’ und Roberto Scafatis Produktion „Mondlicht“ der Strado Compagnia Danza mit. Seit Beginn der Spielzeit 2015/16 ist sie nun im Team von Nanine Linning.

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SEBASTIAN PIOTROWICZ studiert in Rotterdam an der Codarts-Akademie und verbringt sein Abschlussjahr 2015/16 mit der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg. Vor Beginn seiner Ausbildung gehörte er 2010 in seiner Heimat Polen zu den Finalisten von „You Can Dance“.

THOMAS WALSCHOT erhielt dieses Jahr den Bachelor der Amsterdamer Kunsthochschule und sammelte u. a. Erfahrungen mit Krisztina de Châtel und Wim Vandekeybus. Mit Linnings Inszenierung „Echnaton“ begann 2014 sein Engagement bei der Dance Company am Theater Heidelberg.

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ENSEMBLETHEATER Das Ensemble

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

JULIA APFELTHALER studierte von 2006 bis 2010 Schauspiel an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz. Von 2010 bis 2014 war sie festes Ensemblemitglied am Theater Heilbronn. Seit der Spielzeit 2014/15 ist sie im Ensemble des Jungen Theaters Heidelberg.

MASSOUD BAYGAN wurde nach einem Studium in Germanistik, Geschichte und Spanisch Regieassistent am Theater Heidelberg. Seit 1992 gehört er fest zum Ensemble am Jungen Theater Heidelberg.

Impressum Herausgeber Deutscher Bühnenverein – Bundesverband der Theater und Orchester/DIE DEUTSCHE BÜHNE in Kooperation mit: Theater und Orchester Heidelberg, Intendant: Holger Schultze, Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp

PEDRO STIRNER studierte an der Universität der Künste Berlin. Erstes Festengagement am Deutschen Theater Berlin. Anschließend folgte eine Ausbildung zum Theaterpädagogen an der Theaterwerkstatt Heidelberg. Seit der Spielzeit 2015/16 ist er am Jungen Theater Heidelberg tätig.

Redaktion Detlef Brandenburg, Chefredaktion und Konzeption Ulrike Kolter, Textredaktion Sonja Zirkler (Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Theater und Orchester Heidelberg), redaktionelle Mitarbeit Anna-Maria Losardo (Mitarbeit Presseund Öffentlichkeitsarbeit am Theater und Orchester Heidelberg), redaktionelle Mitarbeit Anschrift von Herausgeber und Redaktion DIE DEUTSCHE BÜHNE, St.-ApernStraße 17–21, 50667 Köln. Tel.: +49.221.208 12 18, E-Mail: info@ die-deutsche-buehne.de Theater und Orchester Heidelberg, Theaterstraße 10, 69117 Heidelberg

PAUL BRUSA

JULIANE SCHWABE

studierte an der Anton Bruckner Universität, Linz. Danach arbeitete er als freiberuflicher Schauspieler u. a. am Stadt­ theater Ingolstadt und am Theater Paderborn. Seit der Spielzeit 2015/16 ist er am Jungen Theater Heidelberg engagiert.

erhielt ihre Ausbildung mit dem Schwerpunkt Schauspiel an der Stage School Hamburg. Es folgten Engagements u. a. an den Hamburger Kammerspielen, an der Staatsoper Hamburg und an der Badischen Landesbühne Bruchsal. Seit 2015/16 ist sie am Jungen Theater Heidelberg engagiert.

Intendant: Holger Schultze. Tel.: +49. 6221.583 50 10, E-Mail: [email protected]

Koban, Peter Konwitschny, Nanine Linning, Volker Oesterreich, Holger Schultze, Franziska-Theresa Schütz, Irina Simmes, Annette Trabold, Felix Waechter, Sibylle Waechter

Verlag INSPIRING NETWORK GmbH & Co. KG, Hoheluftchaussee 95, 20253 Hamburg, Tel.: +49.40.609 46 59 06, www.inspiring-network.com Geschäftsführung: Dr. Katarzyna Mol-Wolf (Vorsitzende), Anke Rippert Redaktionsteam INSPIRING NETWORK Redaktionelle Beratung: Andreas Möller, Andrea Huss; Redaktionsmanagement: Marta Braun, Artdirektion/Graphik: Almut Moritz, Schlusskorrektur: Tina Hohl

Illustrationen im Beitrag von Lisa Hutter S. 78 – 81: Kangmin Justin Kim, Countertenor, ab 2015/16 Ensemblemitglied am Theater und Orchester Heidelberg

Druck NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG, Schillerstraße 2, 29378 Wittingen

Kritiken im Beitrag von Volker Oesterreich S. 82 – 87: Kritik zu „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“: „Willkommen in der Spekulanten-Hölle“, erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung am 8. 12. 2014 Kritik zu „Katzelmacher“: „Was in diesem Stück gärt, brodelt heute noch“, erschienen in der RheinNeckar-Zeitung am 16. 2. 2015 Kritik zu „Die Kassette“: „Auch Klamauk kann große Kunst sein“, erschienen in der Rhein-NeckarZeitung am 31. 3. 2015

Autorinnen/Autoren Detlef Brandenburg, Heribert Germeshausen, Elias Grandy, Lene Grösch, Julia Hochstenbach, Dietger Holm, Lisa Hutter, Viktoria Klawitter, Phillip

Statements von Nanine Linning, Nadine Wagner, Sonja Winkel, Sonja Zirkler, Bernd Blass, Peter Eickholt, Heribert Germeshausen, Jürgen Popig, Holger Schultze

Repro/Herstellung Peter Becker GmbH, Medienproduktionen, Delpstraße 15, 97084 Würzburg

Fotos: Florian Merdes (1), Richard Ohme (1), Philipp Ottendörfer (1), Ingrid Theis (1), Annemone Taake (1)

junges Theater

ENSEMBLETHEATER Die Autoren

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

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Die Autoren DETLEF BRANDENBURG

ist Chefredakteur des Theatermagazins DIE DEUTSCHE BÜHNE, seine Schwerpunkte sind Musiktheater und Kulturpolitik. Zuvor arbeitete er für diverse Rundfunk- und Printmedien in Ansbach, Kiel und Köln.

HERIBERT GERMESHAUSEN

LISA HUTTER studierte Psychologie und arbeitet am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung in Heidelberg sowie seit 2014 am Universitätsklinikum Heidelberg. Seit 2014 ist sie Mitglied im Extrachor des Theaters Heidelberg.

VIKTORIA KLAWITTER

HOLGER SCHULTZE war von

2005 bis 2011 Intendant am Theater Osnabrück, seit 2011/12 ist er Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg. Er ist Vorsitzender des künstlerischen Ausschusses im Deutschen Bühnenverein.

FRANZISKA-THERESA SCHÜTZ

war von 2009 bis 2011 Operndirektor am Anhaltischen Theater Dessau, seit der Spielzeit 2011/12 ist er Operndirektor sowie künstlerischer Leiter von „Winter in Schwetzingen“ am Theater und Orchester Heidelberg.

studierte Theaterwissenschaft in Leipzig. Ehe sie 2014/15 an das Junge Theater nach Heidelberg kam, arbeitete sie als Dramaturgin an der Landesbühne Niedersachsen Nord und am Pfalztheater Kaiserslautern.

studierte in London und Paris Theaterregie. Regieassistenz am Landestheater Linz, ab 2000 dann Arbeit als freie Regisseurin. Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie Leiterin des Jungen Theaters Heidelberg.

ELIAS GRANDY studierte Dirigieren, Violoncello, Musiktheorie und Kammermusik. 2011/12 wurde er 1. Kapellmeister am Staatstheater Darmstadt. Ab der Spielzeit 2015/16 ist er GMD am Theater und Orchester Heidelberg.

PHILLIP KOBAN arbeitete als

IRINA SIMMES wechselte

Dramaturg, Produktionsleiter und Kurator. 2012 bis 2015 war er Company Manager der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg. Seit 2015 ist er Geschäftsführer der TanzSzene Baden-Württemberg.

2012/13 vom Opernstudio des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen in das Ensemble des Theaters und Orchesters Heidelberg. Hier übernahm sie Hauptpartien wie u. a. Konstanze, Fiordiligi und Violetta.

LENE GRÖSCH war zunächst Dramaturgin am Theater Ingolstadt, von 2012 bis 2014 war sie am Oldenburgischen Staatstheater engagiert. Seit 2014 ist sie Schauspieldramaturgin am Theater und Orchester Heidelberg.

PETER KONWITSCHNY

ANNETTE TRABOLD war von 1989 bis 2014 Stadträtin im Heidelberger Gemeinderat. Außerdem ist sie stellvertretende Vorsitzende des Theater-Freundeskreises. Sie leitet die Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.

JULIA HOCHSTENBACH

NANINE LINNING wurde 2009 von Holger Schultze als Leiterin der Sparte Tanz ans Theater Osnabrück berufen, 2012 wechselte sie mit ihm nach Heidelberg. Sie ist Mitglied im Leitungsteam der Tanzbiennale Heidelberg.

FELIX WAECHTER studierte

VOLKER OESTERREICH war Kulturredakteur der Berliner Morgenpost und Reporter beim Radiosender Rias. 2001 wechselte er als Feuilletonchef zur Rhein-NeckarZeitung nach Heidelberg. Er schreibt als Autor für DIE DEUTSCHE BÜHNE.

SIBYLLE WAECHTER studierte an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Architektur und Design sowie an der École d’Architecture in Lyon. Arbeit in Stuttgart und Boston/USA, seit 1998 gemeinsames Büro mit ihrem Mann Felix Waechter.

war Operndramaturgin und Pressereferentin am Theater Hagen, später in der Operndramaturgie des Landestheaters Linz engagiert. Seit Ende 2012 ist sie Operndramaturgin am Theater und Orchester Heidelberg.

DIETGER HOLM Nach einem

Engagement als Kapellmeister am Staatstheater Schwerin ging er zur Spielzeit 2007/08 als 1. Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor an das Theater und Orchester Heidelberg.

inszenierte an allen großen Bühnen. Wichtige Neuinterpretationen der Werke Händels, Verdis und Wagners. In Heidelberg inszenierte er die Uraufführungen von J. Harneits „Abends am Fluss“/„Hochwasser“.

Architektur an der Universität Stuttgart, Master in Architecture an der Harvard University in Cambridge. Seit 1998 leitet er mit Sibylle Waechter das Büro Waechter + Waechter Architekten BDA in Darmstadt.

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ENSEMBLETHEATER Die Mitarbeiter

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Mitarbeiter INTENDANZ Intendant Holger Schultze Verwaltungsleiterin Andrea Bopp Stellv. Intendant im künstlerischen Bereich Wilfried Harlandt Persönliche Referentin des Intendanten Angelika Holschuh Assistentin des Intendanten Lisa Deußen

KÜNSTLERISCHE VORSTÄNDE

Anzeigen, Vertrieb, Service f. Besuchergruppen Nadine Wagner Vertrieb Qingmiao Shi Duale Studentin Melissa Gaster Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur Katharina Wolf, Jasmin Lachmann

PÄDAGOGIK UND THEATERPROJEKTE Opern- und Konzertpädagogin Magdalena Erhard Schauspielpädagogin Julia Weingart Theaterpädagogik Junges Theater Pauline de Groot, Nelly Sautter Koordination Theaterprojekte und -besuche für Kinder und Jugendliche Claudia Villinger

Generalmusikdirektor Elias Grandy Operndirektor Heribert Germeshausen Leitender Dramaturg Schauspiel Jürgen Popig Leiterin Dance Company Nanine Linning/ Theater Heidelberg Nanine Linning Leiterin Junges Theater Franziska-Theresa Schütz Künstlerische Betriebsdirektorin Evelyn Marien

FESTIVALS

EHRENMITGLIEDER DES THEATERS UND ORCHESTERS HEIDELBERG

Winter in Schwetzingen Künstlerische Leitung Heribert Germeshausen Organisation Katharina Simmert

Hans Fischer †, Ivica Fulir, Karl-Otto Gärtner, Peter Spuhler, Prof. Dr. Peter Stoltzenberg, Klaus Teepe, Mario Venzago

KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO Künstlerische Betriebsdirektorin Evelyn Marien Mitarbeiterin im künstlerischen Betriebsbüro Anita Bauer

DRAMATURGIE Operndirektor und leitender Dramaturg Oper Heribert Germeshausen Operndramaturgin Julia Hochstenbach Leitender Dramaturg Schauspiel Jürgen Popig Geschäftsführende Dramaturgin Schauspiel Sonja Winkel Schauspieldramaturgin und internationale Kontakte Lene Grösch Dramaturgieassistentin Laura Guhl Tanzdramaturg Hubertus Martin Mayr Konzertdramaturg Stefan Klawitter Dramaturgin Junges Theater Viktoria Klawitter

PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Sonja Zirkler Mitarbeiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Anna-Maria Losardo Marketing Caroline Thiemann Graphik Ulrike Czoch-Rudolph, Jens Mogler Redaktion Homepage Alicia Solzbacher Theaterfotografin Annemone Taake

Tanzbiennale Heidelberg 2016 Künstlerische Leitung Bernhard Fauser, Jai Gonzales, Nanine Linning, Holger Schultze Produktionsleitung Dirk Elwert Heidelberger Stückemarkt Künstlerische Leitung Holger Schultze, Jürgen Popig Produktionsleitung und künstlerische Mitarbeit Katja Herlemann Heidelberger Schlossfestspiele Künstlerische Leitung Holger Schultze Organisation Katharina Simmert Schülertheatertage Leitung und Organisation Pauline de Groot, Nelly Sautter

MUSIKTHEATER Generalmusikdirektor Elias Grandy Operndirektor und leitender Dramaturg Oper Heribert Germeshausen Stellv. Generalmusikdirektor und 1. Kapellmeister Dietger Holm Operndramaturgen Yvonne Gebauer*, Julia Hochstenbach, Christoph Klimke* 2. Kapellmeister und Assistent des Generalmusikdirektors Gad Kadosh Chordirektorin Anna Töller Studienleiter und Dirigent Timothy Schwarz Korrepetitor und Dirigent Róbert Farkas

Korrepetitorin Eunjung Lee Opern- und Konzertpädagogin Magdalena Erhard Regieassistenz Milo Pablo Momm, Eva-Maria Weiss* Inspizienz und Leitung der Statisterie Silke Kurpiers, Uwe Stöckler* Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur Teresa Spiller Regie Clara Kalus*, Yona Kim*, Johann Kresnik*, Nadja Loschky*, Holger Schultze, Andrea Schwalbach*, Lydia Steier* Dirigenten Róbert Farkas, Elias Grandy, Dietger Holm, Gad Kadosh, Wolfgang Katschner*, Timothy Schwarz Bühne und Kostüme Marion Eisele*, Gianluca Falaschi*, Margrit Flagner*, Nora Johanna Gromer*, Susanne Gschwender*, Marcel Keller*, Erika Landertinger*, Ulrich Leitner*, Frank Lichtenberg*, Hugo Holger Schneider*, Maren Steinebel*, Violaine Thel*, Nanette Zimmermann* Choreographie Thomas McManus* Opernensemble Elisabeth Auerbach, Ks. Carolyn Frank, James Homann, Namwon Huh, Kangmin Justin Kim, Ks. Winfrid Mikus, Rinnat Moriah, Hye-Sung Na, Ipcˇa Ramanovic´, Irina Simmes, Wilfried Staber, Angus Wood Gäste Katrin Adel, Polina Artsis*, Benjamin Glaubitz*, Camilla Kallfaß*, Eva Patricia Klosowski*, Janina Moser*, Gesine Nowakowski*, Johanni van Oostrum*, Claudia Renner*, Terry Wey*

OPERNCHOR Chordirektorin Anna Töller Sopran Mi Rae Choi, Julia Janssens, Ulrike Machill, Claudia Schumacher, Manuela Sonntag, Ekaterina Streckert Alt Jana Krauße, Barbara Link, Grazyna Polinska, Elena Trobisch, Brigitte van der Velden Tenor Sang-Hoon Lee, Adrien Mechler, Young-O Na, Young Kyoung Won, Seung Kwon Yang, Dagang Zhang Bass David Otto, Philipp Stelz, Hans Voss, Zachary Wilson, Michael Zahn, AP Zahner Extrachor Mirjam Beckmann, Johannes Beierle, Regina Buck, Jan Cohrs, Gloria Graf Ediger, Daniel Habicht, Elisabeth Hutter, Steffen Krüger, Stefanie Kübast, Manfred Kuhbier, Thomas Kuhnle, Edna Meyer, Kenji Mikus, Petra Müller, Tobias Oberlies, Miriam Reh, Theodor Schaumlöffel, Holger Scheid, Janette Schmid, Christof Sommer, Eva Voß

ENSEMBLETHEATER Die Mitarbeiter

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

TANZ Künstlerische Leiterin Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg Nanine Linning Company Management Thomas Guggi Choreographische Assistenz Morgane de Toeuf, Erik Spruijt* Dramaturg Hubertus Martin Mayr Pianistin Claudia Pérez Iñesta Regie/Choreographie Nanine Linning Bühne und Kostüme Les Deux Garçons* Komposition Michiel Jansen* Video Erik Spruijt*, Roger Muskee*, Nanine Linning* Lichtdesign Loes Schakenbos* Tanzensemble Demi-Carlin Aarts, Paolo Amerio, Mallika Baumann, Brecht Bovijn, Karen Brinkman, Abel Hernández González, Kyle Patrick, Sebastian Piotrowicz, Lorenzo Ponteprimo, Endre Schumicky, Emma Välimäki, Thomas Walschot

Choreographie Kate Antrobus*, Thomas Ziesch* Video András Juhasz* Schauspielensemble Nicole Averkamp, Sheila Eckhardt, Hans Fleischmann, Lisa Förster, Steffen Gangloff, Dominik Lindhorst, Florian Mania, Fabian Oehl, Katharina Quast, Hendrik Richter, Christina Rubruck, Andreas Seifert, Nanette Waidmann, Olaf Weißenberg, Martin Wißner Gäste Elisabeth Auer*, Vincent Doddema*, Gustaf Gromer*, Josepha Grünberg*, Károly Hajduk*, Pál Kárpáti*, Jan Krauter*, Hans Krumpholz*, Karin Nennemann*, Viola Pobitschka*, Nóra RainerMicsinyei*, Stefan Reck*, Karin Schroeder*, Saskia Taeger*, Zita Téby*, Elke Twiesselmann*, Katja Uffelmann*, Andreas Uhse*, Friedrich Witte*, Thomas Ziesch* Regieassistenz Fabian Appelshäuser, Britta Ender, Jessica Weißkirchen Inspizient Joris Freisinger Soufflage Sara Eichhorn, Katrin Minkley

SCHAUSPIEL Leitender Dramaturg Schauspiel Jürgen Popig Geschäftsführende Dramaturgin Schauspiel Sonja Winkel Schauspieldramaturgin und internationale Kontakte Lene Grösch Schauspieldramaturgin Anna Veress* Dramaturgieassistentin Laura Guhl Schauspielpädagogik Julia Weingart Regie Anestis Azas*, Cilla Back*, Brit Bartkowiak*, Viktor Bodó*, Christian Brey*, Britta Ender, Thomas Goritzki*, Markus Heinzelmann*, Markolf Naujoks*, Isabel Osthues*, Elias Perrig*, Susanne Schmelcher*, Dominique Schnizer*, Holger Schultze, Prodromos Tsinikoris*, Robin Telfer*, Nina Wurman* Bühne und Kostüme Katharina Andes, Gwendolyn Bahr*, Juli Balázs*, Jeremias Böttcher*, Myrthe van Eizenga*, Beate Faßnacht*, Martin Fischer*, Sander de Graaf*, Anette Hachmann*, Erika Hoppe, Csörsz Khell*, Christina Kirk*, Sara Kittelmann*, Erika Landertinger*, Fruzsina Nagy*, Sylvia Rieger*, Sarah Sauerborn, Mascha Schubert*, Marina Stefan*, Christin Treunert*, Merle Vierck*, Gregor Wickert* Komposition/Musik/Sound Johannes Bartmes*, Erwin Ditzner*, Biber Gullatz*, Willi Haselbek*, Klaus von Heydenaber*, Christian Huber*, Gábor Keresztes*, Michael Koschorreck*, Johannes Mittl*, Dirk Rumig*, Timo Willecke*, Nina Wurman*

JUNGES THEATER Leiterin Franziska-Theresa Schütz Dramaturgin Viktoria Klawitter Theaterpädagogik Pauline de Groot, Nelly Sautter Organisation Constanze Wohninsland Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur Yann Braun, Malte Ulrichs Ehrenmitglieder Annette Büschelberger, Wolfgang Mettenberger Regie Obid Abdurakhmanov*, Lee Beagley*, Natascha Kalmbach*, Markolf Naujoks*, Rüdiger Pape*, Corinna Preisberg*, Franziska-Theresa Schütz, Nike-Marie Steinbach*, Sarah Victoria Wagner* Bühne und Kostüme Jasna Bosnjak*, Philipp Kiefer*, Birgit Remuss*, Sarah Sauerborn, Franziska-Theresa Schütz, Anna Siegrot*, Marina Stefan*, Maren Steinebel*, Dietmar Teßmann*, Stephan Testi*, Annette Wolf* Komposition und Musik Vitaly Aminov*, Jan Fritsch*, Markus Herzer*, Markolf Naujoks*, Dirk Raulf* Choreographie Catherine Guerin* Bilder/Illustration Mehrdad Zaeri* Video Peter Kirschke* Ensemble Junges Theater Julia Apfelthaler, Massoud Baygan, Paul Brusa, Juliane Schwabe, Pedro Stirner Regieassistenz Andreas Weinmann, Vera Sophia Heimisch*

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Gäste Angelika Baumgartner*, Felix Jeiter*, Peter Lindhorst*, Martin Schnippa*, Marcel Schubbe*, Patrick Seletzky*, Leon Stiehl*, Anouk Wagener*, Lisa Wildmann* Bühnenmeister Rolf Arenz Technik, Beleuchtung und Ton Bernd Blum, Christian Raudzis, Michael Theil Requisite Mona Patzelt

PHILHARMONISCHES ORCHESTER HEIDELBERG Generalmusikdirektor Elias Grandy Stellv. Generalmusikdirektor und 1. Kapellmeister Dietger Holm 2. Kapellmeister und Assistent des Generalmusikdirektors Gad Kadosh Orchestergeschäftsführerin Helena Andrada de la Calle Orchesterinspektor N. N. Konzertdramaturg Stefan Klawitter Opern- und Konzertpädagogin Magdalena Erhard Notenbibliothek Petra Müller Orchesterwarte Evgeny Grishchuk, Nikolay Kissler Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur Teresa Spiller 1. Konzertmeister Thierry Stöckel Stellv. 1. Konzertmeisterin Valya Dervenska 2. Konzertmeisterin Isabel Schneider I. Violine Mayumi Hasegawa, Joachim Groebke, Mahasti Kamdar, Tetsuya Mogitate, Caroline Korn, Gabriele Köller, Sebastian Eckoldt II. Violine Eleonora Plotkina, Nicole Streichardt, N. N., Ludwig Dieckmann, Janetta Grishchuk, Lilija Kissler, Marion Thomas, Nadine-Goussi Aguigah, Gayoung Jung, Anke Hoffmann Viola Marianne Venzago, Andreas Bartsch, Horst Düker, Christoff Schlesinger, Sabine Ehlscheidt, Robert Woodward Violoncello Johann Aparicio-Bohórquez, Sebastian Escobar, Ann-Margriet Ziethen, Christoph Habicht, Min-Yung Lee Kontrabass Michael Schneider, Thomas Acker, Michael Feiertag, Georgi Berov Flöte Konrad Metz, Lydia Brunn, Yvonne Anselment Oboe Matthias Friederich, Christine Bender, Sandra Seibold Klarinette Sascha Stinner, Heribert Eckert, Detlef Mitscher

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ENSEMBLETHEATER Die Mitarbeiter

DIE DEUTSCHE BÜHNE 2015

Mitarbeiter Fagott Hitomi Wilkening, Sophia Brenneke, Mauricio Wayar Soux Horn Heinrich Lohr, Bernd Frelet, Philip Schmelzle, Judit Peters, Joachim Schlaak Trompete Fred Frick, Robert Schweizer, Martin Hommel Posaune Damian Schneider, Melanie Roth, Marek Janicki Tuba Thomas Matt Pauke Klaus Wissler Schlagzeug Peter Klinkenberg, Gregory Riffel Harfe Walli Kossakowski 4 Stipendiaten der Orchesterakademie RheinNeckar, 8 Orchesterpraktikanten

SCHLOSSEREI Leiter der Schlosserei Karl-Heinz Weis Schlosser Marco Schaffer, Joachim Weippert

TON Leiter der Tonabteilung Alexander Wodniok Tonmeister Joachim Dettmann, Carsten Krebs, Thomas Mandl, Martin Rohr, Konrad Ruda

Herrenschneiderinnen Hossein Farahani, Gabi Gröger, Gabriele Hahnel-Grabow, Dorothea Kaiser, Irene Leible, Rosina Schneider, Beate Schroff Ankleiderinnen Norma Dubber, Eva-Maria Geisser, Miriam Kranz, Isabelle Semma

VERWALTUNG

Vorstand des Malersaals Dietmar Lechner Theaterplastikerin mit Malerverpflichtung Jenny Junkes Theatermalerin Lisa Kottinger Auszubildende Katrin Walz

Verwaltungsleiterin Andrea Bopp Stellvertretende Verwaltungsleiterin Gaby Hertenstein Verwaltung Sandra Babatz, Elmahdi Brissa, Octavia Coultice, Jürgen Ehrmann, Carina Kühner, Rita Lucke, Daniel Reiß, Regina Schüssler, Christine Waack

Technischer Direktor Peer Rudolph Assistentin des Techn. Direktors Bettina Olbrich Technischer Produktionsleiter Jens Weise Leitende Bühnenbildassistentin Bettina Ernst Bühnenbildassistentinnen Katharina Andes, Erika Hoppe Bühnenobermeister Udo Weber Bühnenmeister Rolf Bader, Brandon Ess, N.N.

BELEUCHTUNG

THEATERKASSE

Leiter der Beleuchtungsabteilung Ralf Kabrhel Beleuchtungsmeister Lars Mündt, Ralph Schanz Beleuchter Vorarbeiter/in Hartmut Horn, Martina Lindheimer Beleuchtung Marco Bauer, Florian Böhm, Tim Eggers, Stephan Jakob, Stefan Koch, Kristin Rohleder, Edgar Stahl, Tom Wernecke (Video)

Leiterin Tanja Kaul Stellvertretende Leiterin Tatjana Volkmer Abobüro Terri Braun Mitarbeiter/innen Iris Allenberg, Rene Anders, Felix El Sayed Auf, Sina Dresp, Claudia Ernst, Judit Kovacs, Elsa Landertinger, Natalia Piusinska, Matthias Rettig, Iris Schab, Silena Schade, Monika Stotz, Erik Strengfeld, Fabian Woizeschke

BÜHNENTECHNIK

REQUISITE

Seitenmeister/Vorarbeiter Ralf Beisel, Christian Brecht, Werner Fischer, Rolf Kunz, Ralf Pfisterer, Ronny Schnase, Armin Steiner Schnürmeister Reinhold Heyd, Jens Kistenmacher, Simeon Schiebel, Klaus Schwannberger, Ole-Hannes Steinbach Bühnenhandwerker Benjamin Bojadshiew, Maik Gogolinski, Marcel Greif, Alex Kudrjavcev, Sebastian Kulka, Sven Neumann, Roland Rogg, Marc Schröter, Henrik Szpalecki Auszubildende Nicolas Bartels, Alexander Dressler, Kai Engelhardt, Jonah Fellhauer, Pascal Göpel, Danielle-Sophie Harris, Christoph Schneider

Leiterin der Requisite Esther Hilkert Requisiteur/innen Wolf Brückmann, Laurenz Micke, Stephanie Schumann, Jürgen Wilz

Service für Schul- und Kindergartengruppen Andrea Schmidt

MASKE

Irene Fell, Corinna Menges

MALERSAAL

TECHNIK UND WERKSTÄTTEN

DEKORATIONSWERKSTATT Leiter der Dekorationswerkstatt Markus Rothmund Dekorateurin Susanne Becker Auszubildende Felicitas Krebs, Lea Mast, Julian Schäfer

SCHREINEREI Leiter der Schreinerei Klaus Volpp Schreiner/innen Silke Dobbek, Andreas Flachberger, Felix Klein, Oliver Schmidt

VOLKSBÜHNE Chefmaskenbildnerin Kerstin Geiger Stellv. Chefmaskenbildnerin Martina Müller Maskenbildnerinnen Swantje Behnke, Julia Ristl, Alica Rodriguez, Jovana Elena Ruf, Katrin Stubbe Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur Sophia Mohr

KOSTÜM Leiter der Kostümabteilung Burkhard Klein Stellv. Leiterin der Kostümabteilung Kristina Flachs Kostümassistentin Sarah Sauerborn Kostümassistentinnen/Fundus Sabine Kepes, Petra Vaskova Herrengewandmeisterinnen Baika Bettag, Alexandra Partzsch, Katja Ulrich Damengewandmeisterinnen Karen Becker, Dagmar Gröver Damenschneiderinnen Hildegard Graf, Sarah Hecht, Rosetta Kühner, Viola Ritzert

HAUSPERSONAL Betriebsingenieur Bernd Blaß Betriebselektriker Stefan Sobotta, Florian

Wladar Klimatechniker Patrick Schwabbauer Hausmeister Ludwig Fischer, Michael Schwab, Siegfried von Westernhagen Pforte Heinz Lanig, Jürgen Neitzel Raumpflegepersonal Hede Bern, Ulrike Sommer, Uguba Tesfazghi-Mebratu Einlass und Garderobe Hella Khan, Anke Schiebel, Peter Schwager und Mitarbeiter der Firma Best Choice

THEATER- UND ORCHESTERSTIFTUNG Bausachverständiger Architekt Dipl.-Ing. Peter Eickholt *als Gast

Foto: Annemone Taake

YOU’LL Never walk alone Ensembletheater am Theater und Orchester Heidelberg

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